Oberlandesgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2014 - 15 U 110/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.07.2013 - 28 O 439/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Diese Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Wortberichterstattung der Beklagten über den Kläger.
4Der als Moderator, Journalist und Unternehmer bekannte Kläger war Angeklagter in einem vor dem Landgericht Mannheim verhandelten Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Er wurde wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung am 20.03.2010 verhaftet und blieb bis zum 29.07.2010 in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung begann am 06.09.2010. Im Ermittlungs- und Strafverfahren wurde festgestellt, dass der Kläger gleichzeitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander wussten. Während der Hauptverhandlung fand ein Telefonat zwischen der Staatsanwaltschaft und einer Sexualpartnerin des Klägers statt, das zu einem Aktenvermerk des Staatsanwalts vom 29.11.2010 führte. Die Zeugin wurde am 15.2.2011 im Wege der Rechtshilfe vernommen. Am 31.5.2011 wurde der Kläger freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.
5Am 05.12.2010 veröffentlichte die Beklagte in der von ihr bundesweit verlegten Zeitung „C“ einen Artikel, in dem es über eine im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vorgenommene Untersuchung des Mobiltelefons des Klägers u.a. heißt:
6„In monatelanger Kleinarbeit rekonstruierten Ermittler die gelöschten Daten und fanden Hinweise auf ein möglicherweise neues Opfer“
7und weiter
8„Laut „G“ kamen die Ermittler einer neuen Zeugin auf die Spur, deren Aussage ihn schwer belastet. Die Frau soll behaupten, dass (der Kläger) sie beim Liebesspiel am 17. Januar plötzlich brutal behandelt habe. Er sei für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden.“.
9Der Kläger hat die Berichterstattung als persönlichkeitsrechtsverletzend abgemahnt und ist gegen sie erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung vorgegangen. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft das Hauptverfahren. Der Kläger hat gemeint, die Äußerungen behaupteten ein strafbares Verhalten, ohne dass die Voraussetzungen der zulässigen Verdachtsberichterstattung durch die Presse erfüllt seien. Es habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ein Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt, die Mitteilung betreffe das Intimleben des Klägers, das er zu keiner Zeit bereitwillig öffentlich gemacht habe; die Äußerungen seien einseitig und tendenziös. Ein aktueller Berichtsanlass habe gefehlt, weil die Existenz der Zeugin bereits seit September 2010 bekannt gewesen sei. Die Äußerung sei vorverurteilend, sie verstoße gegen die Unschuldsvermutung und erzeuge eine Prangerwirkung. Da die zugrundeliegenden Informationen aus Ermittlungsakten stammten, die zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht Bestandteil der Gerichtsakten waren, gelte im Rahmen der Abwägung zwischen Persönlichkeitsinteressen und Berichtsfreiheit der Grundsatz des § 353d Nr. 3 StGB. Schließlich hat der Kläger gemeint, dass die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Äußerungen nicht durch die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Klägers durch den Ermittlungsrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung des Strafverfahrens – wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) angenommen hat – entfallen sei.
10Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsanspruch in der Hauptsache weiter und begehrt zudem Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten.
11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Unzulässigkeit der Klage gerügt. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, dass der angegriffene Artikel ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben enthalte, deren Darstellung im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung zulässig gewesen sei, da angesichts der großen Bekanntheit und medialen Omnipräsenz des Klägers ein außerordentliches öffentliches Interesse an dem gegen ihn gerichteten Ermittlungs- und Strafverfahren bestanden habe, der Kläger durch Preisgabe von Ermittlungsdetails selbst in die Öffentlichkeit getreten sei und in dem Artikel auch die Stellungnahme des Klägers wiedergegeben wurde. Die Angaben der neuen Zeugin seien als mögliche Hinweise auf eine Tatneigung des Klägers relevant und als solche in dem freisprechenden Urteil gewürdigt worden.
12Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die vom BGH in der Entscheidung NJW 2000, 1036 formulierten Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung geprüft, aber für nicht erfüllt erachtet. Die Äußerung, dass Ermittler „Hinweise auf ein mögliches neues Opfer (fanden)“ verstehe der Durchschnittsleser nach dem Gesamtzusammenhang der Berichterstattung dahingehend, dass ein neues Vergewaltigungsopfer aufgetaucht sei. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung hätte es diesbezüglich allerdings nur einen Telefonvermerk gegeben, so dass es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt habe. Die spätere Vernehmung habe den Verdacht nicht bestätigt, zumal die Zeugin zwar von einem brutalen und deftigen Verhalten, nicht aber von einem Verhalten berichtet habe, dem sie Widerstand entgegengesetzt habe, das die Zeugin also als „Opfer“ eines strafbaren Verhaltens erscheinen lasse. Die Berichterstattung sei einseitig und vorverurteilend. Dies treffe auch für die weitere Äußerung zu, wonach der Kläger „die Frau … plötzlich brutal behandelt habe“ und er „für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden“ sei. Auch diese Äußerung sei vorverurteilend, weil sie als Vorwurf eines strafbaren Verhaltens verstanden werde, ohne dass es zum Zeitpunkt der Berichterstattung oder später hierfür einschlägige Beweistatsachen gegeben habe. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr sei nicht widerlegt, könne auch vorliegend nur durch eine Unterwerfung widerlegt werden, die vorgerichtliche Abmahnung sei daher berechtigt gewesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 10.7.2013 (Bl. 373 ff. GA) Bezug genommen.
14Die Beklagte greift das Urteil mit ihrer Berufung an. Insgesamt hält sie die Berichterstattung für durch die Pressefreiheit gedeckt, da die Berichtsfreiheit in einem die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Gerichtsverfahren sowohl nach verfassungsrechtlichen als auch den Maßstäben des EGMR besonders großzügig ausgestaltet sei. Der Kläger sei nicht nur eine sehr bekannte Person des öffentlichen Lebens, seine Prominenz habe sich auch im Verlauf des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens erheblich gesteigert. Der Kläger habe insbesondere durch eigene Pressearbeit die öffentliche Meinung mit eigenen Informationen zu beeinflussen gesucht. Dabei seien auch Informationen über das Privat- und Beziehungsleben in die Öffentlichkeit gegeben worden und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits allgemein bekannt gewesen. Das Landgericht habe es versäumt, zu dem Status des Klägers als prominenter Person Feststellungen zu treffen. Die dem Artikel vom 5.12.2010 zugrundeliegende Berichterstattung sei wahrheitsgemäß, soweit behauptet werde, dass die Zeugin behauptet habe, der Kläger habe sie beim Liebesspiel ihrem Eindruck nach brutal behandelt. Sowohl die Ermittlungsergebnisse als auch die Äußerungen der Zeugin entsprächen der Wahrheit und zeigten, dass der Kläger in seinem Sexualverhalten gewaltgeneigt sei, ein Umstand, der im Rahmen des damaligen Ermittlungsverfahrens zum Verständnis des Geschehens und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit von Bedeutung gewesen sei. Das Landgericht habe die streitgegenständlichen Äußerungen aus dem Zusammenhang gelöst und fehlerhaft gedeutet. Es habe die Reichweite der Begriffe Vorverurteilung, Unschuldsvermutung und Stigmatisierung fehlerhaft bestimmt. Insbesondere die Äußerung, dass die Aussage der im Presseartikel erwähnten Zeugin den Kläger „schwer belastet“, sei als Werturteil anzusehen. Die Deutung, dass die Zeugin Opfer einer Straftat sei, sei unrichtig. Zum einen werde sie nur als „mutmaßliches Opfer“ bezeichnet. Zum anderen bezeichne sie der Artikel lediglich als Opfer einer brutalen Behandlung beim Liebesspiel. Daraus müsse weder der Verdacht einer Vergewaltigung noch einer anderen Straftat folgen, das Landgericht habe sich mit anderen Deutungen nicht auseinandergesetzt. Auch sei der Kläger durchaus zu Wort gekommen, denn der Artikel schließe mit der Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten, dass die Vorwürfe unwahr und leicht widerlegbar seien. An einer Vorverurteilung, die der Unschuldsvermutung zuwiderlaufe, fehle es, weil nicht die Schuld oder Verurteilung des Klägers fest behauptet worden sei. Da die Berichterstattung zulässig gewesen sei, sei auch die vorprozessuale Abmahnung nicht erforderlich und daher unberechtigt gewesen.
15Die Beklagte beantragt,
16das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.7.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
19Er verteidigt das angegriffene Urteil. Weder der Umstand, dass die in dem Bericht selbst geäußerten Fakten wahr sein mögen, was der Kläger bestreitet, noch die am Ende des Artikels wiedergegebene Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers rechtfertigten die Berichterstattung. Auf die von der Beklagten hervorgehobenen Umstände komme es im Ergebnis nicht an, weil es für das vom Landgericht festgestellte Verständnis einer Verdachtsberichterstattung an Belegtatsachen fehlte. Das Verständnis, dass der Verdacht einer Straftat geäußert werde, müsse nicht gewiss, sondern nur wahrscheinlich sein. Zu berücksichtigen sei auch, dass es in dem berichteten Fall nicht um ein eigenständiges Gerichts- oder Ermittlungsverfahren gegangen sei.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 28.1.2014 verwiesen.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu Recht für begründet gehalten. Daher war auch die vorgerichtliche Geltendmachung dieses Anspruchs erforderlich, so dass Freistellung von diesen Kosten verlangt werden kann.
231. Unterlassungsanspruch
24Der Anspruch des Klägers auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung ist wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet.
25a) Das Landgericht hat den Artikel zutreffend nach dem durchschnittlichen Leserverständnis, auf das es ankommt (vgl. BGH NJW 2009, 1872, 1873; NJW 2006, 601 ‚Tz. 14), ausgelegt.
26Für die Auslegung sind der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind (BGH NJW 2006, 601 Tz. 14). Insbesondere darf der umstrittene Äußerungsteil nicht isoliert betrachtet werden (vgl. BGH, MDR 2004, 393 f. m.w.N.)
27Das Landgericht kommt zu der Deutung, dass durch beide angegriffene Äußerungen dem Kläger eine weitere Straftat, begangen gegenüber der im Artikel genannten Zeugin, vorgeworfen wird. Diese Deutung ist naheliegend. Es wird von einem „neuen Opfer“, einer „schweren Belastung“ des Klägers gesprochen und auf eine Brutalität beim Liebesspiel hingewiesen. Diese Behauptungen erfolgen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den Kläger wegen des damals öffentlich bekannten Vorwurfs der Vergewaltigung. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Rezipient den Eindruck erhält, dass auch in diesem Fall eine Vergewaltigung oder jedenfalls eine Körperverletzung stattgefunden haben könnte. Damit aber wird der Verdacht einer Straftat geäußert. Verstärkt wird diese Deutung durch die Äußerungen „Sprengstoff für das Verfahren“ sowie „kam das BKA zu einem brisanten Ergebnis“. Diese Formulierungen stellen den Zusammenhang zwischen dem in der Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt präsenten Verdacht und einem behaupteten weiteren Fall „brutaler Behandlung“ her und verstärken den Eindruck, dass der Zusammenhang auch hier ein strafrechtlich relevanter sein kann. Die Auslegung betrifft beide angegriffenen Äußerungen. Auch wenn nur die erste Äußerung untersagt würde, bleibt angesichts des Gesamtzusammenhangs der Aussagen in dem Bericht sowie des Berichtsumfeldes der Verdachtscharakter auch dieser Meldung erhalten.
28Die von der Beklagten dagegen angeführte Deutung, in dem Bericht werde lediglich wahrheitsgemäß über Einzelheiten der Ermittlungstätigkeit sowie ein zur damaligen Zeit bereits allgemein bekanntes Sexualverhalten des Klägers berichtet, erschöpft den Gehalt des Presseartikels nicht. Selbst wenn die inhaltlich behaupteten Vorfälle zuträfen, so entnimmt der das Prozessgeschehen auch nur beiläufig verfolgende typische Leser schon der prominenten Erwähnung eines „möglicherweise neuen Opfers“ in der Unterzeile der Überschrift, dass es nicht nur um einverständliche Liebespraktiken geht. Wer von einem „Opfer“ im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren liest, geht von einer weiteren Straftat, nicht nur von einer opferhaften Rolle in einer Beziehung aus, mag die Straftat auch noch nicht genau benannt sein. Diese Deutung wird durch das „möglicherweise“ nicht entkräftet, denn hieraus entnimmt der Leser allenfalls, dass es vorläufig noch um einen Verdacht geht. Der Artikel befasst sich auch im Kern nicht mit einem behaupteten gewaltbetonten Sexualverhalten des Klägers, sondern er berichtet ausschließlich über ein „brisantes Ereignis“ im Rahmen des bereits in der Hauptsache laufenden Ermittlungsverfahrens. Es geht damit – anders als die Beklagte meint - nicht nur um Fakten, die der öffentlichen Debatte um eine bekannte Person dienen, sondern um einen diese Person betreffenden Aspekt, der nicht neutral berichtender, sondern verdächtigender Natur ist.
29b) Der in dem Artikel angesprochene Verdacht bestand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (und auch später) unstreitig nicht. Das Landgericht hat die von der Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung entwickelten Kriterien zutreffend angewendet.
30aa) Das Landgericht hat gesehen, dass eine Straftat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist und dass der Umstand einer Verletzung der Rechtsordnung und der Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter begründet (BGH NJW 2013, 229 Tz. 13; ferner BGHZ 143, 199, 204 = NJW 2000, 1036; gebilligt durch BVerfG, NJW 2009, 3357 Tz. 18; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 96).
31Daraus folgt aber nicht, dass auch über weitere Tatvorwürfe, die nicht Gegenstand des hauptsächlich in Rede stehenden Verfahrens waren, grenzenlos berichtet werden durfte. Wenn in einer Weise berichtet wird, die den Eindruck des Verdachts einer weiteren strafbaren Handlung erzeugt, so gelten hierfür die Grenzen der Verdachtsberichterstattung und sie gelten nicht in verkürzter Weise, weil es bereits ein Verfahren in anderer Angelegenheit gibt.
32bb) Zu berücksichtigen ist dabei, dass die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat den Beschuldigten erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, weil sie sein (mögliches) Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und damit seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert wird (BGH NJW 2000, 1036; mit Hinweis auf BVerfGE 35, 202, 226 = NJW 1973, 1226). Dieser Umstand spielt eine Rolle, wenn die Gefahr droht, dass gerade wegen der Begleitberichterstattung selbst dann „etwas hängen bleiben“ kann, wenn im Hauptverfahren später ein Freispruch erfolgt.
33cc) Zwar dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet (BGH NJW 2000, 1036, 1037; bestätigt in BGHZ 183, 353 = NJW 2010, 757 Tz. 14 und BGH NJW 2009, 350 – Holzklotz-Fall Tz. 11). Diesen Konflikt hat das Landgericht aber gesehen und daher im Wege einer Abwägung die gegenläufigen Gesichtspunkte einander gegenübergestellt.
34Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung ist (1) ein Mindestbestand an Beweistatsachen. (2) Die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt sind umso höher je schwerer das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. (3) Durch die Art der Berichterstattung darf es zu keiner Vorverurteilung kommen. (4) Entlastungsmomente sind zu berücksichtigen. (5) Regelmäßig ist eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und es muss – insbesondere bei identifizierender Berichterstattung - um (6) einen Vorgang von gravierendem Gewicht gehen, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGHZ 143, 199 = NJW 2000, 1036; G. Müller, VersR 2000, 797, 801; vgl. auch bereits BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1268). Sämtliche genannten Umstände betreffen die in solchen Fällen anzuwendende publizistische Sorgfalt (B. Peters, NJW 1997, 1334, 1338).
35Das Landgericht hat zu Recht bereits auf das erste der genannten Kriterien abgestellt. Wenn für eine zulässige Verdachtsberichterstattung jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen muss (BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288, 1289; NJW 1997, 1148, 1149), so hat die Presse nähere Umstände vorzutragen, aus denen auf die Richtigkeit der Information, vorliegend also auf den Verdacht einer Straftat, geschlossen werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 23.10.2001 – 15 U 43/01, AfP 2001, 524, 525). Diese Last dient nicht nur dazu, den Wahrheitsgehalt der Äußerung, sondern auch ihren Öffentlichkeitswert zu untermauern (BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288, 1289).
36Für beide angegriffenen Äußerungen fehlt eine Darlegung dahingehend, in welchem Stadium sich die Verdachtsmeldung befindet, ob sie auf Basis einer Vernehmung oder – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – nur auf Basis eines Telefonvermerks stattgefunden hat, der im Zeitpunkt der Berichterstattung die einzige Grundlage war. Es fehlt auch eine Einschätzung dazu, inwieweit die angegebenen brutalen Praktiken den Verdacht einer Straftat begründen.
37Hinzu kommt, dass in einer den Verdacht strafbaren Verhaltens nährenden Berichterstattung auch Entlastungsmomente anzugeben sind (BGH NJW 2000, 1036), also ausgewogen zu berichten ist (BVerfG NJW 2009, 350 – Holzklotz-Fall, Tz. 14). Daran fehlt es. Der Artikel erwähnt nicht, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschriebenen Liebesspiele gegen den Willen der genannten Zeugin erfolgten. Selbst wenn die Beklagte für sich geltend machen könnte, dass ein Interesse an einer näheren Kenntnis von weiteren Beziehungen des Klägers bestand, so hätte sie doch klarstellen müssen und können, dass der berichtete Vorfall nicht notwendig Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten gibt. Im Ergebnis bleibt daher der Verdacht stehen, ohne dass ausgleichend berichtet wird. Die Nichterfüllung dieser Pflicht wird nicht dadurch ersetzt, dass ein wenig aussagekräftiges Dementi des Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Ende des Artikels gesetzt und dieses Dementi fett hervorgehoben wird. Durch die Stellung am Ende wird keineswegs ein Kontrapunkt gesetzt, sondern die Stellungnahme erscheint beziehungslos zu den wesentlich ausführlicheren und brisanteren Details im Kopf des Textes. Gerade die Allgemeinheit der Stellungnahme erzeugt eine nur schwache klarstellende Wirkung und erweckt den Eindruck einer routinemäßigen anwaltlichen Abwiegelung.
38Da bereits Recherche und Berichterstattung die Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung verlassen, kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine derart bekannte Person war, dass über sein Privatleben in der geschilderten Weise berichtet werden durfte. Das Landgericht musste hierzu – entgegen der Darstellung der Beklagten – keine Erhebungen anstellen, denn die vorstehenden Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Kläger eine in jeder Hinsicht prominente oder eine bisher unbekannte Persönlichkeit ist. Unerheblich ist im Ergebnis auch, ob die Berichterstattung bereits die Grenzen der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK überschreitet und zu einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit führt. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung werden durch diese Rechtsprinzipien zwar beeinflusst, sie gelten aber auch unterhalb der möglicherweise engeren Grenzen der strafprozessualen Grundsätze.
39c) Zu Recht hat das Landgericht die Vermutung der Wiederholungsgefahr für nicht widerlegt angesehen. Die Beklagte hat keine Unterwerfungserklärung abgegeben. In dem streitgegenständlichen Vorfall hat es kein weiteres Ermittlungsverfahren gegeben. Die schon damals missverständliche Berichterstattung ist auch aus heutiger Sicht nicht zulässig. Schon der Umstand, dass der Fall des Klägers erhebliche Aufmerksamkeit erregt hat, lässt die Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Berichterstattung nicht entfallen. Selbst wenn die Aussagen der Zeugin auch später Teil der Ermittlung im Verfahren gegen den Kläger geworden und auch in den Urteilsgründen niedergelegt worden sind, so trifft dies nicht für die aus dem streitgegenständlichen Artikel folgende Verdachtsberichterstattung zu. Ein Verdacht dieser Art ist gerade nicht substantiiert oder bestätigt worden.
402. Kostenfreistellungsanspruch
41Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Freistellung von den vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten zugesprochen.
42Zum einen besteht insoweit wegen der rechtswidrigen Berichterstattung der Beklagten ein deliktischer Schadensersatz- bzw. Freistellungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 257 BGB, da der Schadensersatzanspruch nach §§ 249 ff. BGB grundsätzlich auch die Kosten der Rechtsverfolgung, insbesondere Anwaltsgebühren, umfasst (vgl. dazu: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Auflage 2011, § 249 BGB Rn 56 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 27.7.2010 – VI ZR 261/09, in: MDR 2010, 1156 f. zur Höhe des Gegenstandswertes ohne Beanstandung der Bejahung eines Anspruchs dem Grunde nach).
43Zum anderen ergibt sich ein solcher Anspruch bei einer berechtigten Abmahnung auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1 BGB). Bei der Abmahnung handelt es sich jedenfalls um ein sog. auch-fremdes Geschäft, das der Abmahnende nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse des Abgemahnten vornimmt, um diesem Gelegenheit zu geben, den Unterlassungsanspruch ohne Notwendigkeit der Durchführung eines gerichtlichen Verfahren mit den damit verbundenen (höheren) Kosten zu akzeptieren. Die (zwischenzeitlich erfolgte) gesetzliche Kodifikation entsprechender Erstattungsansprüche in anderen Rechtsgebieten (z.B. Wettbewerbs- oder Urheberrecht) spricht nicht dagegen, diese Grundsätze im Äußerungsrecht weiterhin anzuwenden (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.12.2006 – VI ZR 175/05, in: NJW-RR 2007, 856 f.).
443. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
45III.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
48Berufungsstreitwert: 40.000,- €)
49(entsprechend der für richtig erachteten erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die von den Parteien keine Einwendungen erhoben wurden)
50Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2014 - 15 U 110/13
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2014 - 15 U 110/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Dokuments öffentlich eine Mitteilung macht, - 2.
entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Dokument zu seiner Kenntnis gelangt sind, oder - 3.
die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.