Oberlandesgericht Köln Urteil, 15. Juli 2016 - 20 U 64/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 9. März 2016 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 409/15 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 ab. Mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 erklärte er u.a. den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., mit weiterem Schreiben vom 13. März 2014 hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte erkannte die Kündigung an und zahlte dem Kläger einen Rückkaufswert von 3.298,99 € aus.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung im Policenbegleitschreiben sei inhaltlich fehlerhaft. Daher sei er noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt gewesen.
6Der Kläger hat beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.589,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Juli 2014 zu zahlen.
82. die Beklagte zu verurteilen, an die E GmbH, B-M-Str. X, XXXXX X zu Leistungsnummer 07749714-001XXXXXX-XXXXX außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 737,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung und an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass der Kläger noch zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F. berechtigt ist.
12Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. März 2016, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
13Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Er rügt weiterhin, dass die Belehrung inhaltlich unzulänglich sei.
14Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
15Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
181.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des nach Kündigung ausgekehrten Betrags gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 zustande gekommen. Der Kläger hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 erklärte Widerspruch war verfristet.
20Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
21Dass dem Kläger die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen gemäß § 10a VAG mit dem Versicherungsschein übersandt wurden, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
22Die Widerspruchsbelehrung, die in dem 2-seitigen Policenbegleitschreiben vom 31. August 2004 (GA 101 R) enthalten ist, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
23Widerspruchsrecht
24Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
25Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Allerdings erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Der Senat hält dies aber für unschädlich. Die Belehrung stellt klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach „Überlassung der Unterlagen“ beginnt. Damit ist verdeutlicht, dass weder alleine die Überlassung des Versicherungsscheins noch die Überlassung der Versicherungsbedingungen ausreichen, um die Frist in Gang zu setzen, sondern dass es vielmehr noch der Überlassung weiterer Unterlagen bedarf. Welche Unterlagen dies sind, erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber ohne weiteres aus dem weiteren Text des Policenbegleitschreibens, auf das die Belehrung mit der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ersichtlich Bezug nimmt. In dem Policenbegleitschreiben heißt es einleitend:
26„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen
27H Variable Fondspolice.“
28Bei diesen Unterlagen handelt es sich im Wesentlichen um den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (vgl. Anlage B3, GA 79 ff.). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer mithin unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens noch hinreichend klar, dass der Lauf der Widerspruchsfrist auch die Überlassung der Verbraucherinformationen voraussetzt.
29Diese vom Senat bereits zu einer im Wortlaut identischen Belehrung vertretene Auffassung (Senatsurt. v. 6. Dezember 2013 - 20 U 144/13 -) hat der Bundesgerichtshof mit Hinweisbeschluss vom 30. Juni 2015 - IV ZR 16/14 - bestätigt, indem dort angeführt ist, der Senat habe mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung die Ansicht vertreten, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Policenbegleitschreibens dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der abweichenden Auffassung des OLG Hamm (Beschl. v. 24. Juli 2013 - 20 U 106/13 -) folgt der Senat nicht, zumal in dem dortigen Fall auch im Versicherungsschein die Verbraucherinformationen nicht erwähnt wurden, während vorliegend die „Verbraucherinformation zu den Anlagemöglichkeiten“ im Versicherungsschein als „Beilagen zum Versicherungsschein“ angeführt worden sind (Anlage B 3; S. 3 des Versicherungsscheins; GA 80). Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 11. August 2015 - 12 U 41/15 -) wird trotz der Verwendung des Begriffs „Beilagen“ im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Die Formulierung in der Belehrung und im Policenbegleitschreiben grenzt den Kreis der Unterlagen nicht ein, so dass für den Versicherungsnehmer nicht der Eindruck entstehen kann, die Verbraucherinformationen gehörten nicht zu den für den Fristbeginn maßgebenden Unterlagen.
30Der Widerspruchsadressat muss in der Belehrung nicht benannt werden. Diese Angabe verlangt § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht (BGH, Urt. v. 23. September 2015 - IV ZR 496/14 -). Zudem weiß der Versicherungsnehmer, dass der Versicherer sein Vertragspartner ist (BGH, Urt. v. 10. Juli 2015 - IV ZR 204/12 ‑), und die Anschrift der Rechtsvorgängerin der Beklagten findet sich im Briefkopf des Policenbegleitschreibens.
31Eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerspruchs ist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. - anders als etwa nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. - nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung des Senats; s. ferner OLG Hamm, Beschl. v. 6. Mai 2015 - 20 U 55/15 -, juris-Rz. 22; OLG Bremen, Urt. v. 19. März 2015 - 3 U 34/14 -, juris-Rz. 57; OLG Frankfurt, Urt. v. 5. Februar 2015 - 3 U 149/13 -, juris-Rz. 42; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15. Januar 2015 - 12 U 78/13 -, juris-Rz. 49; OLG Brandenburg, Urt. v. 5. November 2014 - 11 U 18/13 -, juris-Rz. 73; OLG Stuttgart, Urt. v. 31. Oktober 2013 - 7 U 129/13 -, juris-Rz. 34).
32Sonstige Bedenken gegen die formale und inhaltliche Gestaltung der Widerspruchsbelehrung erhebt der Kläger nicht; solche sind auch nicht ersichtlich.
33Da die Beklagte den Kläger mithin über sein Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihm die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung des Versicherungsscheins überlassen hat, hätte der Kläger das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
342.
35Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstößt, bedarf keiner Entscheidung. Der Senat ist auch nicht gehalten, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob das Policenmodell im Einklang steht mit den Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 sowie mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990) bzw. Art. 35 der die vorgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002. Einer Vorlage bedarf es deshalb nicht, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. dazu BVerfG, VersR 2015, 693).
36Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es einem Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. erhalten hat, auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach nationalem Recht gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (BGH, VersR 2014, 1065). Dem schließt sich der Senat an.
37Es bedarf auch keiner Vorlage an den EuGH zur Entscheidung darüber, ob das Recht zur Lösung vom Vertrag verwirkt sein kann. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht. Die generellen Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt (BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 43 ff.). Danach ist eine missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (zuletzt etwa EuGH, ZfZ 2014, 100, Rz. 29). Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann sich auf der Grundlage lediglich objektiver Kriterien ergeben, soweit die mit der einschlägigen Bestimmung verfolgten Zwecke beachtet werden (so insbes. EuGH, Slg. 2000, I-1705, Rz. 34). Wenn – wie vorliegend – der Versicherungsnehmer über sein Vertragslösungsrecht vor Wirksamwerden des Vertrags ordnungsgemäß belehrt wird und er die notwendigen Vertragsunterlagen rechtzeitig erhalten hat, dann sind die mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung angestrebten Ziele erreicht worden (s. BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 47). Demgemäß ist es treuwidrig, wenn sich der solchermaßen belehrte und informierte Versicherungsnehmer unter Berufung auf ein (unterstelltes) gemeinschaftswidriges Zustandekommen des Vertrags von diesem nach Jahren wieder lösen will. Er würde sich dadurch gegenüber den vertragstreuen Versicherungsnehmern einen objektiv widerrechtlichen Vorteil verschaffen.
38Die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers ergibt sich vorliegend daraus, dass er den Vertrag bis zum Widerspruch mehr als 9 Jahre lang durch Zahlung der Prämien durchgeführt und dadurch bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags begründet hat.
393
40Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat lässt die Revision zu, weil er - bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text („Beilagen“) im Versicherungsschein – von der Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe (aaO), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweicht.
41Berufungsstreitwert: 6.589,37 €
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 15. Juli 2016 - 20 U 64/16 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juli 2013 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 252/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss bei der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 ab. Er kündigte die Versicherung zum 1. Januar 2011. Daraufhin zahlte die Beklagte einen Rückkaufswert von 8.625,64 € (GA 60) aus. Mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 2012 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a VVG.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien (16.500,- €) abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei berechtigt gewesen, dem Vertragsschluss noch im Jahr 2012 gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu widersprechen. Er hat bestritten, dass ihm die allgemeinen Versicherungsbedingungen vor der Antragstellung übermittelt worden seien. Ihm sei nicht erinnerlich, zu irgendeinem Zeitpunkt über das Widerspruchsrecht belehrt worden zu sein. Er könne nicht mehr sicher sagen, „dass sie die Unterlagen erhalten hat; sie kann dies auch nicht ausschließen“ (GA 12). Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das in § 5 a VVG a.F. normierte Policenmodell verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Er hat seinen Anspruch ferner auf eine Verletzung vorvertraglicher Beratungs- und Informationspflichten (auch über nicht offen gelegte Kick-back-Zahlungen) sowie auf eine fehlerhafte Kapitalanlageberatung gestützt und ein Widerrufsrecht wegen vereinbarter unterjähriger Zahlung der Beiträge gegen Zuschlag geltend gemacht.
5
Der Kläger hat beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.724,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen;
72. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.213,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen;
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe den Versicherungsschein und mit dessen Übersendung die notwendigen Vertragsunterlagen erhalten.
11Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2013, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
12Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Er hält die Widerspruchsbelehrung für fehlerhaft. Er habe „mit Schriftsatz“ (GA 128) vorgetragen, ihm seien die Verbraucherinformationen weder bei noch nach Vertragsschluss übersandt worden. § 5a VVG a.F. hält der Kläger weiterhin für europarechtswidrig. Der Vortrag zum Widerrufsrecht nach verbraucherkreditrechtlichen Vorschriften werde „einstweilen nicht aufrechterhalten“; gleichwohl möge „ das erkennende Gericht dies abschließend würdigen“.
13Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
14Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
15II.
16Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 zustande gekommen. Der Kläger hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 2012 erklärte Widerspruch war verfristet.
18Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
19Dass dem Kläger die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen gemäß § 10 a VAG mit dem Versicherungsschein übersandt wurden, ist prozessual als unstreitig zu behandeln. Der Kläger hat den Erhalt der Unterlagen unter Hinweis auf seine mangelnde Erinnerung der Sache nach mit Nichtwissen bestritten. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist es einer Partei grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise darf sich in Abweichung hiervon eine Partei auch zu eigenen Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen erklären, wenn nach der Lebenserfahrung glaubhaft ist, dass sie sich hieran nicht mehr erinnert (BGH NJW-RR 2002, 612, 613; ebenso aus jüngerer Zeit OLG Brandenburg, Urt. v. 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12 -, juris-Rz. 14; OLG Hamm, VersR 2012, 745; OLG Celle, Urt. v. 9. Februar 2012 - 8 U 191/11 -, juris-Rz. 34; OLG München, Urt. v. 25. September 2012 - 25 U 1828/12 -, juris-Rz. 11). Die bloße Behauptung, sich nicht erinnern zu können, reicht indes nicht aus (so bereits BGH NJW 1995, 130). Vorliegend ist mit keinem Wort näher dargelegt, ob und in welcher Weise sich der Kläger konkret bemüht hat, seine Erinnerung aufzufrischen bzw. aus welchen Gründen ihm dies nicht möglich war (vgl. zu einer insoweit bestehenden Obliegenheit: OLG Brandenburg, aaO). Vielmehr erschöpft sich auch der zweitinstanzliche Vortrag in allgemeinen, ersichtlich nicht konkret fallbezogenen Ausführungen.
20Die Widerspruchsbelehrung, die in dem 2-seitigen Policenbegleitschreiben vom 20. Dezember 2004 (Anlage B 2) enthalten ist, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
21Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
22Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Allerdings erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Der Senat hält dies aber für unschädlich. Die Belehrung stellt klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach „Überlassung der Unterlagen“ beginnt. Damit ist verdeutlicht, dass weder alleine die Überlassung des Versicherungsscheins noch die Überlassung der Versicherungsbedingungen ausreichen, um die Frist in Gang zu setzen, sondern dass es vielmehr noch der Überlassung weiterer Unterlagen bedarf. Welche Unterlagen dies sind, erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber ohne weiteres aus dem weiteren Text des Policenbegleitschreibens, auf das die Belehrung mit der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ersichtlich Bezug nimmt. In dem Policenbegleitschreiben heißt es einleitend:
23„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen
24H Variable Fondspolice.“
25Bei diesen Unterlagen handelt es sich im wesentlichen um den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (vgl. Anlage B 4). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer mithin unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens noch hinreichend klar, dass der Lauf der Widerspruchsfrist auch die Überlassung der Verbraucherinformationen voraussetzt.
26Die Belehrung ist auch in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt. Dies fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, NJW 2009, 3060). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Widerspruchsbelehrung ist in dem lediglich 2 Seiten umfassenden Policenbegleitschreiben durch Fettdruck und Unterstreichung vom sonstigen Text, der sonst keine fettgedruckten Abschnitte enthält, deutlich abgehoben. Er stellt überdies den letzten Absatz des Schreibens dar und befindet sich unmittelbar unter der Unterschrift der für die Beklagte handelnden Personen. Damit ist entgegen der Auffassung des Klägers gewährleistet, dass die Belehrung nicht übersehen wird.
27Da die Beklagte den Kläger mithin über sein Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihm die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung der Versicherungsscheins überlassen hat, hätte der Kläger das Widerspruchsrecht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
28§ 5 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. steht im Einklang mit europäischem Recht. Diese Gesetzesbestimmungen stellen sich insbesondere nicht als fehlerhafte Umsetzung der Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 dar.
29Die Richtlinienbestimmungen führen aus: „Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang .. (II nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG bzw. III nach Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG) Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.“ In dem jeweils genannten Anhang werden sodann die erforderlichen Angaben im Einzelnen aufgeführt.
30Diesen Anforderungen wird § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. inhaltlich gerecht. Soweit er die Übermittlung der Verbraucherinformation nach § 10 a Abs. 1 VAG a.F., in dem die Angaben aus den Anhängen der Richtlinien übernommen worden sind, nicht zwingend bis zur Antragstellung verlangt, bleibt der Vertrag bis zum Ablauf einer vierzehntägigen Widerspruchsfrist nach Überlassung der Unterlagen schwebend unwirksam (vgl. dazu Senat, VersR 2011, 245 und 248 sowie RuS 2011, 216; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837 ff.; OLG Frankfurt, VersR 2005, 631 ff.). Diese rechtliche Konstruktion gewährleistet, dass eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers richtlinienkonform erst nach der gebotenen Verbraucherinformation eintritt (Senat, aaO).
31Die Ausführungen der Generalanwältin T in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12, die sich ‑ über die Frage des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2012 (IV ZR 76/11, VersR 2012, 608) hinaus – in der Sache auch mit der Europarechtskonformität des Policenmodells als solchem beschäftigen, geben dem Senat keinen Anlass, von seiner bisherigen Auffassung, wonach das Policenmodell als solches mit europäischem Recht in Einklang steht, abzuweichen.
32Soweit es eine mögliche Europarechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 31 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992) angeht, bleibt es bei den im vorgenannten Hinweisbeschluss angeführten Erwägungen. Die Generalanwältin dürfte zwar (anders als die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Vertragsverletzungsverfahren 2007/5046) die Konstruktion einer schwebenden Vertragsunwirksamkeit bis zum Ablauf der wirksam in Gang gesetzten Widerspruchsfrist, die dem Policenmodell des § 5a Abs. 1 VVG a.F. zugrunde liegt, erkannt haben (Schlussanträge Ziff. 28). Sie argumentiert indes, die nach der Richtlinie erforderlichen Informationen müssten vor der Wahl eines bestimmten Versicherers und eines bestimmten Vertrags erfolgen (Ziff. 59), also letztlich vor der Abgabe eines konkreten Angebots des Versicherungsnehmers auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags (vgl. Ziff. 62). Hergeleitet wird dies aus dem Zweck der Mitteilungspflicht, den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen (Ziff. 59). Dies wird gestützt auf den 23. Erwägungsgrund der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, der lautet:
33Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind.
34Aus der Formulierung in Satz 2 des 23. Erwägungsgrundes („…Vertrag auszuwählen“) kann aber nicht zwingend hergeleitet werden, dass die notwendigen Informationen erfolgen müssen, bevor der Versicherungsnehmer eine ihn wegen des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. noch nicht bindende Vertragserklärung abgegeben hat. Demgemäß heißt es in Art. 31 Absatz 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie auch nicht, dass die erforderlichen Informationen vor Abgabe einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung, sondern „vor Abschluss des Versicherungsvertrags“ zu erfolgen haben. Daraus muss gefolgert werden, dass dem Zweck der Informationspflicht auch dann genügt ist, wenn die Informationen erfolgen, bevor für den Versicherungsnehmer eine vertragliche Bindung eingetreten ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs vom 13. Juni 2013 in der Rechtssache E-11/12. Dort ist lediglich ausgeführt, Ziel der Dritten Lebensversicherungsrichtline sei es, den Verbraucher dadurch zu schützen, dass dieser im Besitz der notwendigen Informationen ist, wenn er seine Wahl trifft (Ziff. 62 der Entscheidungsgründe). Diese Wahl kann der Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss nach dem Policenmodell durch die Ausübung des Widerspruchsrechts, das keiner näheren Begründung bedarf, ausüben.
35Das Policenmodell steht auch im Einklang mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990). Nach Abs. 1 des Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie muss einem Versicherungsnehmer bei einem Lebensversicherungsvertrag von dem Zeitpunkt an, zu dem er davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, eine Frist zwischen 14 und 30 Tagen eingeräumt werden, um vom Vertrag zurücktreten zu können. Den Ausführungen der Generalanwältin dürfte zu entnehmen sein, dass sie die Auffassung vertritt, Art. 15 Absatz 1 verlange, dass das Rücktrittsrecht zu einem Zeitpunkt zu gewähren ist, zu dem der Vertrag bereits für beide Teile bindend geschlossen worden ist (s. Ziff. 60 der Schlussanträge: „Es liegt auf der Hand, dass ein Rücktritt von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen ist, weil kein Angebot und keine Annahme vorliegen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führen, nicht möglich ist.“).
36Nach nationalem Recht hat der Versicherungsnehmer bei einem Vertragsabschluss nach dem Policenmodell kein Rücktrittsrecht. Dieses wird nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 6 VVG a.F. durch das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. ersetzt. Die Generalanwältin scheint demgegenüber verlangen zu wollen, dass dem Versicherungsnehmer bei der Konstruktion des Vertragsabschlusses nach dem Policenmodell ein Rücktrittsrecht einzuräumen ist, wenn der Vertrag mit Ablauf der Widerspruchsfrist bindend geworden ist (so Ziff. 63 und 64).
37Art. 15 Absatz 1 Zweite Richtlinie Leben geht davon aus, dass die Rücktrittsfrist beginnt, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, „dass der Vertrag geschlossen ist“. Damit muss aber nicht zwingend ein für beide Seiten uneingeschränkt bindender Vertrag gemeint sein Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Konstruktion der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist bei Abschluss nach dem Policenmodell bedeutet nicht, dass der Vertrag bis zum Ablauf der Frist ohne jegliche Bindung ist. Auch ein schwebend unwirksamer Vertrag entfaltet eine Bindungswirkung: Insbesondere kann sich der andere Vertragspartner (vorliegend die Versicherung) nicht einseitig vom Vertrag lösen (vgl. zur Bindungswirkung bei schwebender Unwirksamkeit: Staudinger-Knothe, Neubearbeitung 2011, § 108 BGB, Rn. 3). Wenn die Versicherung beim Vertragsschluss nach dem Policenmodell den Versicherungsschein nebst den erforderlichen Unterlagen und der Belehrung über das Widerspruchsrecht übersendet, dann lässt sich das durchaus als Mitteilung, dass damit der Vertrag geschlossen ist, deuten (so auch OLG München, Urt. v. 10. Oktober 2013 – 14 U 1804/13 -, juris-Rz. 40). Aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie lässt sich nicht herleiten, dass dem Versicherungsnehmer bei Abschluss nach dem Policenmodell zwei Lösungsrechte zugebilligt werden müssen (nämlich ein Widerspruchsrecht und anschließend noch ein Rücktrittsrecht). Auch bei Vertragsschluss nach dem Policenmodell hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich innerhalb der Frist, die Art. 15 Absatz 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie vorschreibt, vom Versicherungsvertrag zu lösen, indem er den Widerspruch erklärt. Dass diese Erklärung nach der Konstruktion des Policenmodells bewirkt, dass der Vertrag als von vornherein nicht zustande gekommen anzusehen ist, begünstigt den Versicherungsnehmer sogar, weil das europarechtliche Rücktrittsrecht eine solche Rückwirkung nicht notwendig entfalten muss, denn die Rechtswirkungen des Rücktritts beschreibt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie dahin, dass der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit ist.
38Nach allem hält der Senat das Policenmodell als solches weiterhin für europarechtskonform. Welche Folgen sich aus einer etwaigen Europarechtswidrigkeit des Policenmodells bzw. der Regelung über die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für die Anwendung des nationalen Rechts ergeben würden, bedarf keiner abschließenden Erörterung (vgl. dazu OLG München, aaO). Allerdings könnte in dem hier gegebenen Fall, in dem der Widerspruch erst nach Kündigung und Abwicklung des Vertrags erklärt wird, zu erwägen sein, ob das Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Policenmodells jedenfalls dann erlischt, wenn die beiderseitigen Leistungen vollständig erbracht worden sind. Es liegt nicht fern, die insoweit vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (Urt. v. 16. Oktober 2013 - IV 52/12 -) auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen.
39Ein Widerrufsrecht nach verbraucherkreditrechtlichen Vorschriften steht dem Kläger nicht zu. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen zutreffend entschieden, dass eine vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs darstellt (VersR 2013, 341).
40Der Senat lässt die Revision zu. Ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist, dürfte sich unter Berücksichtigung der Äußerungen der Generalanwältin T nunmehr als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung darstellen. Mit Blick auf die Revisionszulassung sieht der Senat von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ab (vgl. Art. 267 AEUV).
41Berufungsstreitwert: 11.724,21 €
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Poli- cenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Dezember 2010 erklärte er die Kündigung des Versicherungsvertrages, woraufhin der Versicherer den Rückkaufswert auszahlte. Mit Schreiben vom Februar 2012 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen , eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
- 2
- Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
- 3
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
- 4
- II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
- 5
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
- 6
- III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte , es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.
- 8
- a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung war das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, auch der Ansicht, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.
- 9
- b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien bis er im Jahr 2010 die Kündigung erklärte. Er ließ dann nochmals über ein Jahr verstreichen bis zur Erklärung des Widerspruchs. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
- 10
- 2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Dr. Brockmöller Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.07.2013- 26 O 252/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 144/13 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.02.2015 - 9 O 108/14 - wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagten leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1.926,44 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.
- 2
- Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsge- richts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein, der eine Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
- 3
- D. VN zahlte von Oktober 2004 bis Juni 2010 Prämien in Höhe von insgesamt 2.339,14 €. Im Juni 2010 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 4. November 2010 erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
- 4
- Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts , insgesamt 1.926,00 €.
- 5
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Das Widerspruchsrecht sei innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation erloschen. Die erforderliche W iderspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß auf Seite 3 des Versicherungsscheins erteilt worden. Sie befinde sich in einem Rahmen und sei insgesamt in Fettdruck gehalten und kursiv gedruckt. Der Beginn der Widerspruchsfrist sei ohne weiteres der Belehrung zu entnehmen. Es werde darauf hingewiesen, dass "nach Überlassung aller Vertragsunterlagen in Textform" die Widerspruchsfrist beginne. Eine Seite vor der Belehrung sei im Versicherungsschein aufgeführt, welche Anlagen diesem beigefügt seien. Damit wisse d. VN, welche Unterlagen vorliegen müssten und wann die Widerspruchsfrist zu laufen beginne. Zweifel hinsichtlich des Adressaten des Widerspruchs bestünden nicht. Unmittelbar unter der Belehrung stehe der Name des Versicherers; auf dem Begleitschreiben zum Versicherungsschein stehe die Anschrift des Absenders. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
- 9
- Ein Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Falschberatung, unzureichender Aufklärung und nicht ausreichender Hinweise auf Rückvergütungen komme nicht in Betracht. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Fondsanlagevermittlungen sei nicht übertragbar auf den Abschluss fondsgebundener Rentenversicherungen. Im Übrigen mangele es an substantiiertem Sachvortrag zum Inhalt des Beratungsgesprächs.
- 10
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 12
- a) Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine Widerspruchsbelehrung, die - was die Revision zu Recht nicht anzweifelt - drucktechnisch hervorgehoben war. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, die fristauslösenden Unterlagen seien nicht klar bezeichnet. Da - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Seite vor der Belehrung im Versicherungsschein die beigefügten Unterlagen im Einzelnen bezeichnet sind, war für d. VN klar erkennbar , welche Unterlagen vorliegen mussten und wann die Widerspruchsfrist zu laufen begann. Zudem enthält die Belehrung den Hinweis, dass der Vertrag auf der Grundlage dieses Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der für den Vertrag maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen gelte, wenn d. VN nicht widerspreche (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 497/14, juris Rn. 12). Die Widerspruchsbelehrung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb unvollständig, weil sie den Adressaten des Widerspruchs nicht benennt. Abgesehen davon, dass § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. diese Angabe nicht verlangt, ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne eine solche Angabe ersichtlich, dass er den Widerspruch an den Versicherer zu richten hat, der hier klar unterhalb der Widerspruchsbelehrung und im Policenbegleitschreiben bezeichnet ist. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
- 13
- b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit , den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte fünf Jahre und acht Monate die Versicherungsprämien , kündigte dann den Vertrag und ließ sich den Rückkaufswert aus- zahlen. Erst fünf Monate nach der Kündigung erklärte er den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im September 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen , belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
- 14
- Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.
- 15
- 2. Auch einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die "Kick-Back"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf den Abschluss fondsgebundenerRentenversicherungen übertragbar ist, und hat im Übrigen schlüssigen Vortrag zu den Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht des Versicherers vermisst.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 03.05.2012- 36 C 8871/11 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 25.10.2012- 11 S 4547/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen wird die Revision der Klägerseite zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerseite auferlegt.
Der Streitwert wird auf 1.876,66 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
- 2
- Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
- 3
- D. VN zahlte bis September 2009 Prämien in Höhe von insgesamt 4.215,15 €. Einen zunächst von ihr unterzeichneten Stundungsvertrag, mit dem die monatlichen Beiträge ab Dezember 2009 gestundet werden sollten, widerrief d. VN mit Schreiben vom 19. November 2010. Zugleich kündigte d. VN den Versicherungsvertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom März 2011 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und mit Schreiben vom August 2011 den Widerruf nach §§ 495, 355 BGB a.F.
- 4
- Mit der Klage verlangt d. VN insbesondere Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.876,66 €.
- 5
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 BGB a.F. widerrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S. von § 499 Abs. 1 BGB a.F. handele. Schließlich habe d. VN Anspruch auf Schadensersatz im Hinblick auf die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist bezüglich eines Schadensersatzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen ist sie unbegründet.
- 8
- A. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei als Folge der Übersendung des Versicherungsscheins nebst allen Unterlagen in Gang gesetzt worden. Die erteilte Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und umfasse Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist sowie die Form des Widerspruchs. Innerhalb der 30-tägigen Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. habe d. VN den Widerspruch nicht erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Ein Widerrufsrecht nach § 355, § 495 Abs. 1 a.F., § 499 Abs. 1 BGB und ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.
- 9
- B. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.
- 11
- Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Fragen zugelassen, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen und hinsichtlich der Möglichkeit eines Widerrufs wegen unterjähriger Prämienzahlung. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11). Der dem Bereicherungs- und Rückgewähranspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Im Übrigen hätte die Revision insoweit auch in der Sache keinen Erfolg. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (BGH, Urteile vom 29. November 2011 - XI ZR 220/10, NJW-RR 2012, 416, 420 Rn. 39 und vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1623 Rn. 19 ff.).
- 12
- C. Die Revision hat, soweit sie zulässig ist, keinen Erfolg.
- 13
- I. Hinsichtlich eines Rückgewähranspruchs nach §§ 495, 355 BGB hat der Senat mit Urteil vom 6. Februar 2013 (IV ZR 230/12, BGHZ 196, 150) entschieden, dass die vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs ist. Im Ergebnis steht das Berufungsurteil im Einklang mit dem vorgenannten Senatsurteil, dessen Ausführungen hier entsprechend gelten. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
- 14
- II. D. VN kann auch nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.
- 15
- 1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und entgegen der Ansicht der Revision auch eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung in drucktechnisch deutlicher Form. Die Revision beanstandet weiter ohne Erfolg, dass der Adressat des Widerspruchs nicht klar erkennbar sei. Dieser steht mit vollständiger Anschrift deutlich sichtbar am Ende der ersten Seite des Begleitschreibens. D. VN weiß, dass Vertragspartner der Versicherer ist. Schließlich ist - anders als die Revision meint - in der Widerspruchsbelehrung kein Hinweis dazu erforderlich , dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erklärt werden kann. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 30-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
- 16
- 2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt. D. VN zahlte rund fünf Jahre die Versicherungsprämien und ließ sich die Beiträge ab Dezember 2009 zunächst stunden, erst im November 2010 erfolgte die Kündigung, wobei nochmals einige Monate bis zur Erklärung des Widerspruchs vergingen. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits 2004 über die Möglichkeit , den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet, was für d. VN auch erkennbar war.
Dr. Brockmöller Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 18.11.2011- 251 C 21793/11 -
LG München I, Entscheidung vom 08.05.2012- 13 S 28520/11 -
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
1
Aufgrund des Hinweisbeschlusses wurde die Berufung zurückgenommen.
2Gründe
3Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
4I.
5Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von ihm geleisteter Lebensversicherungsprämien in Anspruch, nachdem er dem im Jahr 2000 nach dem Policenmodell geschlossenen Versicherungsvertrag mit Erklärung vom 22.12.2012 gem. § 5a Abs. 1 VVG aF widersprochen hat. Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der Prämien bzw. auf Nutzungszinsen zu, da der Versicherungsvertrag nach Ablauf der 14-tägigen Widerspruchsfrist wirksam zustande gekommen und erst aufgrund der Kündigung des Klägers zum 01.02.2013 beendet worden sei.
7Der Kläger sei im Policenbegleitschreiben vom 12.12.2000 ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass die Belehrung ausreichend drucktechnisch hervorgehoben gewesen sei. Auch inhaltlich sei die Belehrung nicht zu beanstanden. Auf die Europarechtskonformität von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG aF komme es daher nicht an. Ebenso könne dahinstehen, ob das in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF geregelte Policenmodell als solches gegen Europarecht verstoße, weil sich der Kläger jedenfalls nach Treu und Glauben nicht auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen dürfe, nachdem er den Vertrag jahrelang als wirksam behandelt und ein entsprechendes Vertrauen des Beklagten begründet habe. Daher komme eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.
8Schließlich sei auch eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO im Hinblick auf die gegen das Urteil des BGH vom 16.07.2014 erhobene Verfassungsbeschwerde nicht geboten, weil die vom Bundesverfassungsgericht zu treffende Entscheidung für das Verfahren keine Relevanz habe.
9Nach alledem bestehe auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
10Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung hält der Kläger daran fest, dass er nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Im Hinblick auf die drucktechnische Gestaltung der Widerspruchsbelehrung habe das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, dass die Policenunterlagen nach Aussage der Zeugin U nicht zwangsläufig durch den Beklagten versandt wurden. In Einzelfällen sei die Police vielmehr direkt durch die Zweigstelle übergeben worden, so dass gar kein Policenbegleitschreiben und damit auch keine Belehrung übergeben wurde. Im Übrigen erfülle auch die vom Beklagten behauptete Belehrung nicht die Anforderungen an die drucktechnisch deutliche Hervorhebung, weil dazu allein die Verwendung von Fettdruck nicht genüge. Zudem verweist der Kläger auf seine erstinstanzlichen Ausführungen zu den inhaltlichen Mängeln der Belehrung, insbesondere zum seines Erachtens nach unzutreffenden Hinweis auf die „Verbraucherinformationen“ sowie zur fehlenden Belehrung über die Frist aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG aF.
11Schließlich meint der Kläger, er könne den Ersatz der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten verlangen, weil die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im Falle des Widerspruchs gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF immer geboten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung verwiesen.
12Der Kläger beantragt,
13unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 03.02.2015 den Beklagten zu verurteilen wie erstinstanzlich beantragt.
14Der Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16II.
17Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
181.
19Dem Kläger steht kein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB gegen die Beklagte zu, weil er die Prämien aufgrund des wirksam geschlossenen Versicherungsvertrages und damit mit Rechtsgrund geleistet hat. Die Wirksamkeit des Vertrages ist weder aufgrund des klägerseits erklärten Widerspruchs noch aufgrund der geltend gemachten Europarechtswidrigkeit des Policenmodells nach § 5a Abs. 1 VVG aF in Frage gestellt.
20a)
21Der mit Schreiben vom 22.12.2012 erklärte Widerspruch konnte den Lebensversicherungsvertrag nicht zu Fall bringen, weil er verfristet war. Gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung betrug die Widerspruchsfrist 14 Tage, wobei der Fristbeginn nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF vom Erhalt der maßgeblichen Unterlagen sowie der entsprechenden Widerspruchsbelehrung abhing.
22aa)
23Maßgeblich war nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF zunächst, dass dem Versicherungsnehmer die in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF genannten Unterlagen, d. h. der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen sowie die für den Vertragsinhalt maßgebliche Verbraucherinformation iSd § 10 a VAG aF vollständig vorlagen. Dies war nicht erst innerhalb der zwei Wochen vor Ausspruch des Widerspruchs geschehen, sondern schon mit Übersendung des Versicherungsscheins, den der Kläger nach eigener Darstellung in der Klageschrift mit dem Policenbegleitschreiben vom 12.12.2000 erhalten hatte. Dies ergibt sich auch aus der insoweit unangefochtenen Darstellung im Urteil des Landgerichts Bielefeld.
24bb)
25Der Kläger war mit Übersendung des Versicherungsscheins auch ordnungsgemäß iSd § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF verlangte insoweit eine schriftliche Belehrung, die in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer informierte. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit zu geben, Vor- und Nachteile des Geschäfts in Ruhe zu überdenken und diesem innerhalb bestimmter Frist zu widersprechen. Um diesen Schutzzweck zu erreichen und zu verhindern, dass der Widerspruch aus Unkenntnis der Rechtslage unterbleibt, ist es erforderlich, den Versicherungsnehmer durch eine entsprechende Ausgestaltung auf sein Widerrufsrecht unübersehbar hinzuweisen. Dies setzt voraus, dass sich die Belehrung aus dem übrigen Text deutlich heraushebt und so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringt. Die Belehrung darf in den Vertragsunterlagen nicht nahezu untergehen. Sie ist so gesondert zu präsentieren bzw. drucktechnisch so stark hervorzuheben, dass sie dem Versicherungsnehmer nicht entgehen könnte, selbst wenn er nicht nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht, etwa durch Farbe, Schriftart bzw. –größe, durch Einrücken, Einrahmen oder in sonstiger Weise (vgl. BGH, VersR 2004, 497, Juris-Rn. 18; OLG Karlsruhe, OLG Reprt Süd, 6/2015 Anm. 5; OLG Oldenburg, VersR 2002, 1133, Juris-Rn. 21).
26Diesen Anforderungen wird die Belehrung im Policenbegleitschreiben vom 12.12.2000 gerecht.
27Insoweit geht der Senat mit dem Landgericht aufgrund der Aussagen der Zeugin U davon aus, dass der Belehrungstext im Policenbegleitschreiben vom 12.12.2000 fett gedruckt war wie auf den seitens des Beklagten beispielhaft vorgelegten Schreiben (Anlage BLD 1). Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Aufdruck eines Kuvertiersteuerzeichens auf dem Versicherungsschein und den von der Zeugin nachvollziehbar geschilderten Abläufen beim Versand der Vertragsunterlagen. Soweit der Kläger mit der Berufung nun geltend macht, dass die Vertragsunterlagen nach Aussage der Zeugin in Einzelfällen auch direkt von der Geschäftsstelle übergeben wurden, so dass der Versand eines Policenbegleitschreibens samt Belehrung hinfällig war, spielt dies für die Beurteilung des vorliegenden Falles keine Rolle. Schließlich hat der Kläger erstinstanzlich selbst vortragen lassen, er habe den Versicherungsschein und die sonstigen Vertragsunterlagen mit dem Policenbegleitschreiben vom 12.12.2000 erhalten. So ist es unwidersprochen auch im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils dargestellt.
28Die drucktechnische Gestaltung der dem Kläger erteilten Widerspruchsbelehrung genügt auch nach Wertung des Senats den Anforderungen des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF. Zwar wird der Versicherungsnehmer bei Lektüre des Policenbegleitschreibens nicht durch eine gesonderte Überschrift oder Einrückung der Belehrung auf diese Textpassage aufmerksam gemacht. Maßgeblich ist jedoch nicht, welche formalen Gestaltungselemente der Versicherer im einzelnen wählt, sondern ob die von ihm verwandte Form im Ergebnis die Aufmerksamkeit des Versicherungsnehmers zuverlässig auf den Belehrungstext lenkt. Insoweit darf nicht übersehen werden, dass sich die Belehrung hier im Policenbegleitschreiben und damit im ersten Dokument findet, welches der Versicherungsnehmer bei Sichtung der Vertragsunterlagen üblicherweise zur Kenntnis nimmt. Dieses einseitige Schreiben ist als solches übersichtlich und einheitlich gestaltet, so dass sich der mittig platzierte Belehrungstext allein schon aufgrund des nur hier verwandten Fettdrucks vom übrigen Fleißtext abhebt. Mit der Einfügung jeweils einer Leerzeile vor und nach der Belehrung ist so insgesamt sichergestellt, dass diese dem Versicherungsnehmer deutlich ins Auge fällt – und zwar auch dann, wenn er das Schreiben nur überfliegt, ohne nach einer Belehrung zu suchen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.12.2014, Az. 9a U 14/14).
29Die Widerspruchsbelehrung entspricht auch inhaltlich den Vorgaben des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF. Die Belehrung klärt sowohl über die Schriftform des Widerspruchs als auch über den Fristbeginn und die Dauer zutreffend auf.
30Da der Vertrag zwischen dem Versicherungsnehmer als Belehrungsempfänger und dem Versicherer als Aussteller des Versicherungsscheins und Belehrendem zustande kam, war aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch ohne weiteren Hinweis nachvollziehbar, dass der Widerspruch an den Vertragspartner des nicht gewünschten Vertrages und damit an den Versicherer zu richten war. Eine Belehrungspflicht im Hinblick auf die Jahresfrist aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG aF sah das Gesetz nicht vor. Auch war der Beklagte nicht gehalten, ausdrücklich darauf zu verweisen, was für die Wirksamkeit des Widerspruchs nicht notwendig war, wie etwa eine Begründung – es genügte entsprechend der gesetzlichen Vorgabe die Belehrung über das Widerspruchsrecht als solches, den Fristbeginn und die Dauer. Soweit der Kläger beanstandet, er sei mit dem Verweis auf die „Verbraucherinformationen“ nicht richtig über den nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF maßgeblichen Fristbeginn aufgeklärt, weil die Frist tatsächlich nach Erhalt der „Verbraucherinformation“ iSd § 10 a VAG begann, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Maßgeblich für die inhaltliche Richtigkeit der Belehrung ist, dass der Versicherungsnehmer zuverlässig erkennen kann, innerhalb welcher Frist er den Vertrag noch zu Fall bringen kann. Insoweit kommt es nur darauf an, dass die für den Fristbeginn relevanten Unterlagen eindeutig und für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar benannt werden. Hier hatte der Beklagte dem Kläger unstreitig die maßgeblichen Unterlagen vollständig mit dem Versicherungsschein übersandt. In dem er die für eine ordnungsgemäße Verbraucherinformation iSd § 10a VAG erforderlichen Unterlagen als „Verbraucherinformationen“ bezeichnete, verwies er hinreichend deutlich auf die insoweit unstreitig übersandten Unterlagen. Damit war der Kläger in der Lage, für sich zuverlässig festzustellen, wann die Frist begann und wie lange sie lief. Auch über die Rechtsfolgen des Widerspruchs war nach der gesetzlichen Regelung in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF nicht weiter zu belehren (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05. Februar 2015 – 3 U 149/13 –, Rn. 42, juris; OLG Karlsruhe aaO, Rn. 49).
31b)
32Der streitgegenständliche Vertrag ist damit wirksam zustande gekommen. Soweit der Kläger meint, die Wirksamkeit scheitere daran, dass die Regelung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF und damit die Modalitäten des Vertragsschlusses gegen europarechtliche Vorgaben verstießen, tritt der Senat dieser Ansicht nicht bei. Das Policenmodell bzw. die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF verstieß vor allem deshalb nicht gegen die in den maßgeblichen Richtlinien vorgesehenen Informationspflichten des Versicherers, weil nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF sichergestellt war, dass der Vertrag erst nach Überlassung der Informationen an den Versicherungsnehmer wirksam wurde. Vorgaben zum zivilrechtlichen Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthielten die genannten Richtlinien nicht (BGH, VersR 2014, 1065, Juris-Rn. 21 ff). Insbesondere geben die Richtlinien auch kein unbefristetes Widerspruchsrecht vor, wie der Kläger meint. Ein solches wäre allenfalls die Konsequenz einer unrichtigen Belehrung, die hier nicht vorliegt.
33Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht ist der Senat mit Einnahme dieses Standpunktes auch als letztinstanzlich entscheidendes Gericht iSd Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht gehalten, die Frage der Europarechtskonformität des Policenmodells dem EuGH vorzulegen, weil es darauf zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt. Dem EuGH sind nach Art. 267 Abs. 2 AEUV nur solche Auslegungsfragen vorzulegen, die für den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit entscheidungserheblich sind.
34An der Entscheidungserheblichkeit der Richtlinienkonformität von § 5a Abs. 1 VVG aF fehlt es vorliegend, weil es dem Kläger selbst bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Vertragsschlusses nach Treu und Glauben verwehrt wäre, die Rückabwicklung des Vertrages zu verlangen. Sein auf die Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Vertrages gestütztes Begehren ist nach jahrelanger Durchführung des Vertrages als widersprüchliche Rechtsausübung zu bewerten, die wegen des Vertrauens der Beklagten in die Wirksamkeit des Vertrages rechtsmissbräuchlich und damit treuwidrig ist. Zwar ist ein widersprüchliches Verhalten wie hier einerseits das jahrelange Festhalten am Vertrag und andererseits die spätere Geltendmachung seiner Unwirksamkeit nach der Rechtsordnung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Treuwidrig und damit unzulässig ist widersprüchliches Verhalten aber u. a. dann, wenn für den anderen Teil bzw. Vertragspartner ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, auf dessen Bestand er sich eingerichtet hat (vgl. BGH, WM 2014, 1575, Juris-Rn. 33 m.w.N.; ebenso Palandt/Grüneberg, BGB 73. Aufl. 2014, § 242, Rn. 55 f). So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat den Vertrag im Einklang mit der geltenden nationalen Rechtsordnung geschlossen und dabei insbesondere sämtliche zum Schutz des Versicherungsnehmers bestehenden Belehrungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Nach Ablauf der gesetzlich vorgegeben Widerspruchsfrist und entsprechender Vertragserfüllung durch den Kläger, insbesondere nach jahrelanger Zahlung der vereinbarten Prämien, durfte er davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam geschlossen war und auch vom Kläger als bindend angesehen wurde. Daran haben beide Parteien ihre vermögensmäßigen Dispositionen ausgerichtet. Insbesondere hat der Beklagte Vorsorge für die vertraglich vereinbarte bzw. gesetzlich vorgegebene Vertragsabwicklung getroffen – nicht aber für die von keiner Partei in den Blick genommene komplette Rückabwicklung. Dies war auch aus Sicht des Klägers ohne weiteres ersichtlich. Damit verhält er sich nicht nur widersprüchlich, sondern angesichts der berechtigten Vermögensinteressen des Beklagten auch treuwidrig, wenn er sich nun nach jahrelanger Vertragserfüllung auf den Standpunkt stellt, es gebe keine wirksame vertragliche Bindung zwischen den Parteien.
35Soweit der Kläger mit Verweis auf die gegen das Urteil des BGH vom 16.07.2014 (Az. IV ZR 73/13) erhobene Verfassungsbeschwerde die Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO beantragt, fehlte es an der Vorgreiflichkeit dieses Verfahrens für die anstehende Entscheidung des Senats, wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht die gegen das Urteil des BGH vom 16.07.2014 erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 02.02.2015 nicht angenommen, weil die Entscheidung des BGH nicht auf einem Verfassungsverstoß beruhe (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015 zu Az. 2 BvR 2437/14, Juris-Rn. 42).
362.
37Vor diesem Hintergrund stehen dem Kläger weder aus Verzug gem. §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB noch wegen sonstiger Vertragspflichtverletzung iSd § 280 Abs. 1 BGB Ersatz- oder Freistellungsansprüche wegen seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Dass er aufgrund der zu erwartenden Zahlungsablehnung des Beklagten einen Rechtsanwalt einschaltete, verhilft ihm nicht zu einem Erstattungsanspruch gegen den Beklagten.
38III.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.08.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum September 2011 bis einschließlich August 2012 5.022,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 837,00 € seit dem 27.10.2011, sowie aus jeweils 418,50 € seit dem 02.11.2011, 02.12.2011, 02.01.2012, 02.02.2012, 02.03.2012, 02.04.2012, 02.05.2012, 02.06.2012, 02.07.2012 sowie 02.08.2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum September 2012 bis einschließlich August 2013 5.314,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 442,91 € seit dem 02.09.2012,02.10.2012, 02.11.2012, 02.12.2012, 02.01.2013, 02.02.2013, 02.03.2013, 02.04.2013, 02.05.2013, 02.06.2013, 02.07.2013 sowie 02.08.2013 zu zahlen
Die Beklagte wird ferner verurteilt unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Abweisung der weitergehenden Klage im Antrag zu Ziffer 4., an den Kläger für den Zeitraum September 2013 bis einschließlich Dezember 2013 1.935,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.451,31 € seit dem 20.11.2013 sowie aus 483,77 € seit dem 02.12.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird zudem verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 828,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz trägt die Beklagte.
Die Kosten des Rechtsstreits II. Instanz trägt der Kläger zu 53 % und die Beklagte zu 47 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zur Antragstellung im Termin vom 30.07.2014 auf bis zu 50.000,00 €, für den nachfolgenden Zeitraum auf bis zu 12.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2A.
3Der Kläger, der aufgrund fehlerhaften Geburtsmanagements in der Klinik der Beklagten massive körperliche und geistige Schäden erlitten hat, für die die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.1995 die Haftung dem Grunde nach mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils anerkannt hat, begehrt die Erstattung von Verdienstausfallschäden. Dabei haben die Parteien Einvernehmen darüber erzielt, dass als Grundlage für die Berechnung des Verdienstausfallschadens ein fiktiver beruflicher Werdegang bis zu einer Stufe als Steuerfachwirt zugrunde gelegt werden soll, wobei davon ausgegangen wird, dass der Kläger die Schule mit dem Abitur im August 2011 beendet, sich von September 2011 bis Februar 2014 eine 2 ½ - jährige Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten und sodann eine entsprechende berufliche Tätigkeit als Steuerfachangestellter und später als Steuerfachwirt angeschlossen hätte (vgl. Bl. 15, 17 d.A.).
4Seit dem 04.10.2011 (04.10.2011 – 03.01.2012: Eingangsbereich; 03.01.2012 – Dezember 2013: Berufsbildungsbereich) besucht der Kläger eine Werkstatt für behinderte Menschen (i.F.: WfbM) in Kamen. Als Ausbildungsgeld in den ersten 13 Monaten erhielt er monatlich 63,00 €, in den weiteren Monaten bis einschließlich Dezember 2013 75,00 € (s. Bescheid vom 11.10.2011 - Bl. 29 d.A.). Mit Beginn des Januar 2014 ist der Kläger in den Arbeitsbereich der WfbM gewechselt.
5Der Kläger hat erstinstanzlich unter jeweiligem Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen sowie des monatlich in der WfbM erhaltenen Ausbildungsgeldes einen Verdienstausfallschaden für das erste Ausbildungsjahr (September 2011 bis August 2012) mit monatlich 418,50 € und für das zweite, im September 2012 beginnende Ausbildungsjahr mit 442,91 € geltend gemacht . Das Zahlenwerk als solches wird von der Beklagten nicht bestritten.
6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Behinderung sei derart schwer, dass die Ausbildung in der WfbM ihn nicht in die Lage versetzen könne, jemals eine auch nur annähernd gleiche Erwerbsfähigkeit zu erlangen, wie sie ohne den Behandlungsfehler bestehen würde. Die vom Träger aufzuwendenden Kosten für seine Tätigkeit in der WfbM seien daher nicht zum Erwerbsschaden, sondern vielmehr zu vermehrten Bedürfnissen kongruent. Solche mache er jedoch – unstreitig – nicht geltend.
7Der Kläger hat beantragt,
8- 9
1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum September 2011 bis August 2012 5.022,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 837,00 € seit dem 27.10.2011, sowie jeweils 418,50 € seit dem 02.11.2011, 02.12.2011, 02.01.2012, 02.02.2012, 02.03.2012, 02.04.2012, 02.05.2012, 02.06.2012, 02.07.2012 sowie 02.08.2012 zu zahlen,
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2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum September 2012 bis August 2013 monatlich im Voraus 442,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jeweils ab dem 02. eines jeden Monats zu zahlen,
- 11
3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 828,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat sich nicht gegen die vom Kläger zugrunde gelegte Berechnung gewendet, sondern hat - wie auch bereits vorprozessual – geltend gemacht, dass nicht nur das an den Kläger gezahlte Ausbildungsgeld der Werkstatt, sondern auch die gesamten Aufwendungen des Trägers der Werkstatt jedenfalls für die Zeit der Ausbildung des Klägers in der WfbM kongruent zu dem Verdienstausfallschaden seien, da ausweislich des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit durch die dortige Ausbildung offensichtlich eine höhere Stufe der Ausbildung erlangt werden solle. Der Anspruch sei daher gemäß § 116 SGB X auf den Träger der Werkstatt übergegangen, so dass es an der Aktivlegitimation des Klägers fehle.
15Das Landgericht hat die Klage mit Ausnahme des für den Monat August 2011 geltend gemachten Verdienstausfallschadens in Höhe von 418,50 € (nebst anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen) abgewiesen.
16Zur Begründung ist ausgeführt, dass der vom Kläger geltend gemachte Verdienstausfallschaden mit den Leistungen des Trägers der Behinderteneinrichtung jedenfalls solange kongruent sei, wie sich der Kläger im Eingangsverfahren oder im Berufsausbildungsbereich befinde.
17Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seiner erstinstanzlichen Rechtsausführungen geltend macht, weder für die Ausbildungszeit in der WfbM noch für die ab Januar 2014 aufgenommene Tätigkeit im Arbeitsbereich der Werkstatt liege eine sachliche Kongruenz zwischen dem Verdienstausfallschaden und den vom Träger der Werkstatt neben dem Ausbildungsgeld bzw. Einkommen getätigten Aufwendungen vor.
18Neben den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu 1. bis 3. hat der Kläger darüber hinaus zunächst den Verdienstausfallschaden für das 3. Ausbildungsjahr (September 2013 bis Februar 2014) in Höhe von monatlich 558,77 € (nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen) geltend gemacht, von dem er bis einschließlich Dezember 2013 das monatliche Ausbildungsgeld der Behindertenwerkstatt ( = monatlich 75,00 €) in Abzug bringt , sowie weitergehend die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten ab März 2014 (= Zeitraum nach Abschluss der Ausbildung zum Steuerfachangestellten) bis zur Regelaltersgrenze.
19Dementsprechend hat er in II. Instanz zunächst die Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 22.08.2013 über die weiter verfolgten erstinstanzlichen Anträge zu 1. – 3. hinausgehend mit folgenden Anträgen begehrt:
20Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum September 2013 bis November 2013 1.551,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
21Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger für Dezember 2013 483,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 02.12.2013 zu zahlen.
22- 23
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für den Zeitraum Januar 2014 bis Februar 2014 monatlich 558,77 € abzgl. seines tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens aus der Werkstatttätigkeit zu zahlen.
- 24
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte ferner verpflichtet ist, an den Kläger ab März 2014 bis einschließlich Februar 2017 Verdienstausfallschaden auf der Basis einer Tätigkeit als Steuerfachangestellter und ab März 2017 bis zur Regelaltersgrenze auf der Basis einer Tätigkeit als Steuerfachwirt jeweils abzgl. seiner tatsächlichen Einkünfte aus der Werkstatttätigkeit zu zahlen.
Im Senatstermin vom 30.07.2014 hat er sodann die Anträge zu 6. und 7. zurückgenommen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Hinsichtlich der Anträge zu 4. und 5. vertritt sie die Auffassung, es handele sich um eine Klageänderung, für die die Zulassungsvoraussetzungen des § 533 ZPO nicht vorlägen. In der Sache wiederholt sie ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung dahingehend, dass das Landgericht zutreffend sowohl bezüglich des Eingangsverfahrens als auch bezüglich des anschließenden Zeitraums im Berufsbildungsbereich auch die Maßnahmekosten zutreffend als kongruent zum Erwerbsschaden und nicht als kongruent zu den vermehrten Bedürfnissen gewertet habe, so dass etwaige Ansprüche des Klägers gemäß § 116 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen seien. Dies bestätige auch die genaue Betrachtung der sozialrechtlichen Grundlagen im SGB IX. Die Unterteilung dieser beiden Abschnitte habe lediglich formelle Gründe, so dass die mit der Berufung erstmals vertretene Auffassung des Klägers, diese Teilabschnitte der Ausbildung seien unterschiedlich zu bewerten, unbegründet sei.
29B.
30Die zulässige Berufung ist nach der im Senatstermin erfolgten Teilrücknahme der Anträge zu 6. und 7. betreffend die verbleibenden Anträge zu 1. – 5. überwiegend begründet.
31I.
32Die Klage ist auch im Hinblick auf die in II. Instanz erstmals gestellten Anträge zu 4. und 5. zulässig. Diese Anträge enthalten eine bloße Erweiterung des Klageantrags gemäß § 264 Nr. 2 ZPO, auf die § 533 ZPO keine Anwendung findet. Die Zulässigkeit richtet sich in dem Fall allein nach § 531 Abs. 2 ZPO, der vorliegend allerdings keine Rolle spielt, da der gesamte Sachvortrag unstreitig ist und unstreitiges Vorbringen nicht den Zulassungsbeschränkungen des § 531 Abs. 2 ZPO unterfällt. Die Klageanträge zu 4. und 5. beziehen sich ebenso wie die ursprünglichen Anträge zu 1. und 2. auf die „Ausbildungszeit“ in der WfbM (Eingangsverfahren + Berufsbildungsbereich gem. § 39 SGB IX). Insoweit ist der den Klageforderungen zugrunde liegende Lebenssachverhalt derselbe. Da bereits in den ursprünglichen Klageanträgen zu 1. und 2. nicht nur das Eingangsverfahren, sondern auch das ab 03.01.2012 durchgeführte Berufsbildungsverfahren enthalten ist, bedarf es jedenfalls an dieser Stelle diesbezüglich keiner Differenzierung.
33Ergänzend wird darauf verwiesen, dass sich bei dem Antrag zu Ziffer 4. rechnerisch richtig ein Betrag von 1.451,31 € (3 x 483,77 € - Berechnung Bl. 112 d.A.) ergibt, worauf die geringfügige Klageabweisung und dementsprechend Zurückweisung der Berufung beruht. In der Tenorierung des Senatsurteils sind nunmehr zudem die Anträge zu 4. und 5. zusammengefasst (4 x 483,77 € zzgl. Zinsen aus 1.451,31 € seit dem 20.11.2013 (= Rechtshängigkeit) und Zinsen aus 483,77 € seit dem 02.12.2013).
34II.
35Die Klage ist mit Ausnahme des auf dem vorgenannten Rechenfehler beruhenden Differenzbetrages von 100,00 € begründet.
361.
37Dem Kläger steht der auf der zwischen den Parteien hinsichtlich des angenommenen Bildungsganges und dessen Vergütungshöhe einvernehmlich zugrunde gelegten Regulierungsbasis bezifferte Verdienstausfallschaden gemäß § 843 Abs. 1 BGB für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum September 2011 bis einschließlich Dezember 2013 zu.
38a)
39Der auf den Monat September 2011, d.h. den Zeitraum vor Eintritt des Klägers in die WfbM entfallende Betrag von 418,50 € ist mit dem seitens der Beklagten nicht angegriffenen zusprechenden Teil des landgerichtlichen Urteils ohnehin bereits rechtskräftig zuerkannt.
40b)
41Auch der weitere streitgegenständliche, nach Grund und Höhe unstreitige und unter A. dargestellte Verdienstausfallschaden des Klägers für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Dezember 2013 kann von ihm beansprucht werden. Er ist diesbezüglich aktivlegitimiert. Die Ansprüche sind nicht gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit als Versicherungsträger in i.S.d. § 116 Abs. 10 SGB X übergegangen.
42Zwar sind der Bundesagentur für Arbeit nach unbestrittenem Beklagtenvortrag monatliche Maßnahmekosten von über 3.000,00 € entstanden.
43Der Übergang eines Schadensersatzanspruches auf einen Versicherungsträger gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X setzt jedoch voraus, dass infolge des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen sind, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (Prinzip der kongruenten Deckung).
44Die Voraussetzung der sachlichen Kongruenz ist vorliegend nicht gegeben.
45Während in der Person des Klägers unzweifelhaft ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfallschäden entstanden ist und im streitgegenständlichen Verfahren allein geltend gemacht wird, handelt es sich bei dem finanziellen Aufwand, der aus der Beschäftigung des Klägers im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der WfbM entstanden ist, um Mehraufwendungen unter dem Aspekt der vermehrten Bedürfnisse. Hierzu gehören alle schädigungsbedingten Mehraufwendungen für die persönliche Lebensführung, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Geschädigten infolge des körperlichen Dauerschadens entstehen, die also die Lebensführung des Geschädigten wieder der des Gesunden annähern sollen (z.B. BGH, NJW 1982, 757).
46Bei der Beschäftigung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der WfbM geht es nach der Auffassung des Senates jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen von Geburt an eine Schwerstschädigung vorliegt, nicht um das Erreichen eines einem Erwerbstätigen nahekommenden Zustandes mit dem Ziel, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erreichen und so die schadensbedingte Beeinträchtigung im Erwerbsleben des Klägers auszugleichen, sondern vielmehr darum, seine Lebensführung in Bezug auf soziale Kontakte und die Strukturierung eines Tagesablaufes mit zu erledigenden Aufgaben und sinnvoller, das Selbstwertgefühl stärkender Beschäftigung unter Berücksichtigung seiner geburtsbedingten Schwerstbehinderung der eines Gesunden anzunähern (so auch OLG Oldenburg, Urteil von 05.06.2013 – 5 U 76/12, Rz. 73 f. juris; OLG Hamm, VersR 1992, 459). Diese Zielsetzung wird dadurch, dass der Geschädigte im Zuge seiner - bei einer Schwerstschädigung in der Regel einfachsten - Tätigkeiten in der Werkstatt zugleich eine in geringem Umfang wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringen mag, nicht verändert.
47Die Ausführungen in dem von der Beklagten zitierten, einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss des OLG Braunschweig vom 10.04.2006 – 1 U 2/06 – geben keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen. Soweit in den dortigen Gründen auf die Kommentierung von Kater im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Bd. 2 verwiesen wird, ist anzumerken, dass in der Kommentierung Stand 2013 zu § 116 SGB X die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt nicht nur unter der Rubrik des Erwerbsschadens mit der Begründung angeführt wird, dass es sich um die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit handele (Rnr. 121), sondern gleichermaßen unter der Rubrik der vermehrten Bedürfnisse mit Verweis auf die vorbezeichnete Entscheidung des OLG Hamm erwähnt ist (Rnr. 64). Soweit in den Beschlussgründen ferner auf die Regelung in § 39 SGB IX abgestellt wird mit der Schlussfolgerung, dass es bei der Beschäftigung in der Werkstatt auch um eine Teilhabe am Erwerbsleben und somit auch um eine entgeltliche Beschäftigung gehe, lässt sich aus den in §§ 39,40, 136 SGB IX zum Werkstättenrecht niedergelegten Zielsetzungen – Erhalt, Weiterentwicklung, Verbesserung und Wiederherstellung der Leistungs- und Erwerbsfähigkeit bzw. Erreichen eines Mindestmaßes an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung – jedenfalls für die hier maßgeblichen Abschnitte des Eingangsverfahrens und des Berufsbildungsbereiches nicht der Schluss ziehen, dass mit diesen Formulierungen eine Kongruenz der Maßnahmekosten des Leistungsträgers mit dem Erwerbsschaden des Geschädigten gesetzlich normiert ist. Da die in Frage stehende Maßnahme darauf abzielt, die durch den Geburtsschaden stark beschränkte Lebensqualität des Klägers – soweit möglich – zu verbessern und herzustellen, wozu auch die Teilhabe an einer eingeschränkten Arbeitswelt mit sozialen Kontakten zählt, handelt es sich nach Auffassung des Senats um Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse.
482.
49Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288, 291 ZPO.
50Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf § 286 ZPO. Der Kläger hat mit Vorlage des Schreibens der ARAG Versicherung vom 31.08.2012 den Ausgleich der Kostenrechnung in Höhe von 828,24 € und zugleich die Abtretung der Erstattungsansprüche gegen die Beklagte an den Kläger belegt.
51Die in Ansatz gebrachte 2,0-Gebühr liegt unter Berücksichtigung des dem Rechtsanwalt bei der Bemessung der Gebühren eingeräumten Ermessens innerhalb des Toleranzbereiches.
52C.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
54D.
55Die Revision wird wegen der divergierenden Rechtsauffassungen zu der Frage der sachlichen Kongruenz in den vorzitierten Entscheidungen des OLG Braunschweig und des OLG Oldenburg zugelassen.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6.5.2013 (16 O 417/12) wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das vorliegende sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Geldbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Geldbetrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens: 8.802,38 EUR
Gründe
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)