Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 22. Aug. 2012 - 5 U 496/12
Gericht
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen.
Damit verliert die Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben zu tragen:
Die Klägerin 48,59 %,
der Beklagte 51,41 %
3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 17.720 €.
Gründe
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Die Berufung ist aus den im Senatsbeschluss vom 6. Juli 2012 mitgeteilten Erwägungen ohne Aussicht auf Erfolg. Was der beklagte Zahnarzt dagegen mit Schriftsatz vom 9. August 2012 vorbringt, ist nicht stichhaltig:
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1. Bei der Klägerin ist durch die Implantatversorgung eine dauerhafte Nervschädigung eingetreten (Gutachten Dr. ...[A] Seite 9). Über die Gefahr einer derartigen Schädigung ist die Anspruchstellerin nicht aufgeklärt worden. Wegen dieses Aufklärungsdefizits war die Versorgung mit Implantaten nicht von einer wirksamen Einwilligung der Patientin gedeckt und damit rechtswidrig. Das führt zur Haftung des Beklagten für die schädlichen Folgen des Eingriffs.
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Die Berufung verweist demgegenüber im Schriftsatz vom 9. August 2012 erneut auf den schriftlichen Aufklärungsbogen und die Zeugenaussage der aufklärenden Ärztin Dr. ...[B]. Dadurch ist der dem Beklagten obliegende Beweis einer alle Risiken sachgemäß umfassenden Aufklärung indes nicht geführt.
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Richtig ist allerdings, dass im schriftlichen Aufklärungsbogen vom 13. Juni 2008 davon die Rede ist, die Behandlung/Operation berge das Risiko der „Nervschädigung“. Daraus erschließt sich dem Patient aber nicht, dass die Nervschädigung zu dauerhaften Ausfällen und Beschwerden führen kann. Mag der im Fall der Klägerin eingetretene Dauerschaden auch ein seltenes Risiko sein, ist der Arzt gleichwohl auch insoweit aufklärungspflichtig, weil die Komplikation die weitere Lebensführung des Patienten besonders nachhaltig und tiefgreifend beeinträchtigen kann (vgl. Senatsurteil vom 13.05.2004 - 5 U 41/03 - in ZMGR 2004, 127-129 = NJW-RR 2004, 1026-1027 und MedR 2004, 502-504). So liegt es hier. Das ohne jede ergänzende Erläuterung gebrauchte Schlagwort „Nervschädigung“ im schriftlichen Aufklärungsbogen verdeutlicht nicht, dass insoweit auch ein dauerhaft verbleibender Schaden mit nicht mehr zu beseitigenden Sensibilitätsstörungen und sonstigen Beeinträchtigungen der im Kiefer verlaufenden Nerven eintreten kann.
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Diese Lücke im schriftlichen Aufklärungsbogen ist auch durch die Zeugenaussage der Ärztin nicht geschlossen, die seinerzeit das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin führte. Der entscheidende Kern der Zeugenaussage ist auf Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 15. Februar 2012 wie folgt protokolliert:
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„An Inhalte des Aufklärungsgesprächs, die über den unterschriebenen Aufklärungsbogen hinausgehen, kann ich mich jetzt nach 5 Jahren nicht mehr erinnern“.
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Die Aussage der Zeugin ist daher nicht geeignet, eine Aufklärung über das Risiko einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung zu beweisen.
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2. Der Senat hat bei seinem Beschluss vom 6. Juli 2012 keineswegs übersehen, dass der Beklagte jedweden Schaden bestritten hat und weiterhin bestreitet.
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Indes hat der gerichtliche Sachverständige sich zu dieser Frage in seinem Gutachten vom 26. Juli 2011 eindeutig in einer den Klagevortrag weithin bestätigenden Weise geäußert.
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Fortbestehende Zweifel des Beklagten musste das Landgericht, das die Klägerin persönlich angehört hat, nicht überwinden (§ 286 ZPO). Der Beklagte verkennt, dass richterliche Überzeugung keine mathematische Gewissheit erfordert. Es genügt ein Verhandlungs- und Beweisergebnis, das vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. So liegt es hier. Dafür, dass die Klägerin aggraviert, besteht keinerlei Anhalt.
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3. Auch die wiederholten Rügen zum vermeintlich rechtsfehlerhaft beschiedenen Feststellungsantrag dringen nicht durch. Soweit die Berufung insoweit § 547 Ziffer 6 ZPO in den Blick rückt und meint, das Urteil des Landgerichts enthalte keinerlei Begründung zum Feststellungsausspruch, verkennt der Rechtsmittelführer, dass offen zutage liegende Selbstverständlichkeiten keiner Begründung bedürfen. Der gerichtliche Sachverständige hat eine dauerhaft verbleibende Nervschädigung festgestellt. Dass eine derartige Schädigung im Kieferbereich Folgeschäden materieller und immaterieller Art nach sich ziehen kann, bedarf keiner näheren Begründung.
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4. Letztlich ist auch das rechtliche Gehör des Beklagten nicht verletzt. Der Grundsatz hat nicht zum Inhalt, dass das Gericht dem Sachvortrag einer Partei folgt. Dass der Beklagte das gesamte Vorbringen der Klägerin nach wie vor als beweislos erachtet, ist ihm unbenommen. Ebenso wie das Landgericht würdigt der Senat das Beweisergebnis erster Instanz anders.
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5. Dass eine mündliche Verhandlung einen Erkenntnisgewinn verspricht, haben weder die Klägerin noch der Beklagte aufgezeigt.
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6. Die Anschlussberufung der Klägerin hat mit der Zurückweisung der Berufung des Beklagten durch den vorliegenden Beschluss gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren.
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Im Rahmen der Kostenentscheidung waren die §§ 97 Abs. 1, 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO entsprechend anzuwenden. Soweit die Berufung durch Beschluss nach 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückgewiesen worden ist, hat der Beklagte die Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 Anschlussberufung eingelegt hat, muss sie die Kosten der Anschlussberufung tragen, die aufgrund der einstimmigen Zurückweisung der Berufung keinen Erfolg mehr haben kann. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO, nach der die Kosten eines erfolglosen Angriffsmittels von dem zu tragen sind, der von dem Mittel Gebrauch gemacht hat. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz an (AGS 2005, 217 - 218 = OLGR Koblenz 2005, 419).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO.
Rechtsanwalt
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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.