Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

bei uns veröffentlicht am20.12.2012

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/10 und des Berufungsverfahrens 2 U 92/12 hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Stendal ist ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen hat und der Zuschlag bei ordnungsgemäßer Wertung auf das Angebot der Klägerin hätte erteilt werden müssen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht.

2

Die Beklagte leitete im August 2008 eine öffentliche Ausschreibung für das Bauvorhaben „Grundhafter Ausbau der Kreisstraße ... von der B ... nach P. “ ein. Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Nebenangebote wurden zugelassen. Bereits in der Vergabebekanntmachung, dort unter lit. u), wurde gefordert, dass Nebenangebote eindeutig und erschöpfend zu beschreiben seien, so dass die Gleichwertigkeit qualitativ und quantitativ nachgewiesen werde. Als Bewerbungsbedingungen verwendete die Beklagte das Formblatt 212 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB Bund, Ausgabe 2008); dort wurde unter Ziffer 5.2 die Forderung erhoben, dass Nebenangebote im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein müssten. Die Gleichwertigkeit sei mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

3

Innerhalb der bis zum 04.09.2008 laufenden Angebotsfrist gingen Angebote von sechs Bietern ein. Das Hauptangebot der Klägerin lag mit einem Brutto-Angebotsendpreis von ... € auf Rang 1 des Submissionsprotokolls, dasjenige der späteren Auftragnehmerin, der Fa. W. GmbH aus M. (künftig: Auftragnehmerin), mit einem Brutto-Preis von ... € auf Rang 2. Die Klägerin reichte mehrere Nebenangebote ein; ihr Nebenangebot Nr. 4 (vgl. GA Bd. I Bl. 148 f.) beinhaltete eine Abweichung in den Leistungspositionen 01.113.004 und 02.113.007 – jeweils „Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt 0/11 S herstellen“ – in Gestalt des Angebots der Deckschicht ohne Aufhellungssplitt. Dies führe zu einer Reduzierung des Brutto-Angebotsendpreises um 15.613,91 €. Sie verwies hierzu auf die Anerkennung der technischen Gleichwertigkeit u.a. durch das Landesamt für Straßenbau Sachsen-Anhalt. Die Auftragnehmerin reichte u.a. das Nebenangebot Nr. 1 ein, welches eine Pauschalierung des Brutto-Gesamtpreises auf ... € beinhaltete; weitere Angaben hierzu machte die Auftragnehmerin nicht. Das Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin bezog sich ebenfalls auf die Leistungspositionen 01.113.004 und 02.113.007 und bestand in der Lieferung des Splitts ohne natürliche Aufheller; hieraus ergab sich bei der Auftragnehmerin eine Reduzierung des Brutto-Angebotspreises um 29.019,34 €.

4

Die Klägerin gab in ihrem Angebot zwar den Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes sowie die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer an, legte die geforderten Nachunternehmererklärungen jedoch erst im Aufklärungsgespräch vom 04.09.2008 vor.

5

Die Beklagte schloss die Angebote der Klägerin – Haupt- und Nebenangebote – wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen zum Nachunternehmereinsatz aus. Sie erteilte den Zuschlag auf das Hauptangebot der Auftragnehmerin einschließlich der Nebenangebote Nr. 1 und 3 zu einem Brutto-Gesamt(pauschal)-preis von ... €.

6

Die Klägerin hat im Juni 2009 Klage auf Feststellung der Schadenersatzverpflichtung der Beklagten wegen fehlerhaften Ausschlusses ihres Angebots erhoben. Zum Feststellungsinteresse hat sie angeführt, dass ihr ein abschließend bezifferter Antrag noch nicht möglich sei, weil die Ausführung der Leistung bis zum 30.11.2009 erfolgen sollte. Der von ihr geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist auf das positive Interesse gerichtet; hierzu hat sie vorgetragen, dass der Zuschlag auf ihr Hauptangebot, hilfsweise auf ihr Hauptangebot einschließlich des Nebenangebots Nr. 4 hätte erteilt werden müssen. Eine Wertung des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin sei mangels Nachweises der Gleichwertigkeit nicht in Betracht gekommen. Das Pauschalpreisangebot sei zu unbestimmt gewesen, z. Bsp. im Hinblick darauf, dass das Leistungsverzeichnis auch Bedarfspositionen enthalten habe (Pos. 01.114 und 02.114). Eine Gleichwertigkeit sei auch nicht ohne Weiteres gegeben, weil der Auftraggeber bei Mindermengen keine Kosten erspare. Hinsichtlich des Nebenangebots Nr. 3 fehle es ebenfalls am Gleichwertigkeitsnachweis. Die Gleichwertigkeit werde bestritten; hilfsweise wäre auch bei der Klägerin deren Nebenangebot Nr. 4 zu werten gewesen. In beiden Fällen – Nichtwertung des Nebenangebots Nr. 3 der Auftragnehmerin bzw. gleichzeitige Wertung des Nebenangebots Nr. 4 der Klägerin – wäre das preislich niedrigste Angebot dasjenige der Klägerin gewesen. Schließlich hat die Klägerin formelle Mängel des Angebots der Auftragnehmerin im Hinblick darauf geltend gemacht, dass diese die amtlichen Vordrucke für die Erstellung ihres Angebots nicht verwendet habe.

7

Die Beklagte hat sich auf die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Angebots der Klägerin berufen und im Übrigen ihre Entscheidung damit verteidigt, dass eine Wertung des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin zulässig gewesen sei, weil die Gleichwertigkeit des Pauschalpreisangebotes evident gewesen sei; die notwendigen Massen seien aus dem Leistungsverzeichnis bekannt gewesen. Das Nebenangebot Nr. 3 habe sie – die Beklagte – als gleichwertig zum Haupt-Leistungsverzeichnis bewertet, wie sich u.a. auch aus den Erläuterungen zum Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin ergebe.

8

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 02.12.2009 und Beschluss vom 08.02.2010 jeweils darauf hingewiesen, dass es den Vortrag der Beklagten zur Wertungsfähigkeit der Nebenangebote der Auftragnehmerin nicht für substantiiert erachte. Es hat sein – der Klage stattgebendes – Urteil u.a. auch darauf gestützt, dass die Beklagte der Auflage, zum konkreten Inhalt der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 der Auftragnehmerin vorzutragen, nicht ausreichend nachgekommen sei.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls Bezug genommen.

10

Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.05.2010 zugestellte Urteil mit einem am 03.06.2010 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 05.08.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

11

Die Beklagte hat ihre Berufung allein damit begründet, dass der Ausschluss des Angebots der Klägerin gerechtfertigt gewesen sei. Der damals zuständige 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat im Berufungsverfahren 1 U 50/10 mit seinem am 30.09.2010 verkündeten Urteil das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Ausschluss der Angebote der Klägerin durch die Beklagte wegen Unvollständigkeit der Eignungsunterlagen zu Recht erfolgt sei.

12

Hiergegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde - und nach deren Erfolg - Revision eingelegt. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Urteil vom 03.04.2012, X ZR 130/10, das vorgenannte Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Revisionsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Forderung nach Vorlage der Nachunternehmererklärungen jeweils durch den Bieter innerhalb der Angebotsfrist von der Beklagten nicht eindeutig und widerspruchsfrei erhoben worden sei, weshalb ein Ausschluss ohne Nachreichungsmöglichkeit nicht in Betracht komme.

13

Nach Zurückverweisung hat der inzwischen zuständige 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg das Berufungsverfahren durchgeführt. Die Beklagte hat nunmehr die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 4 der Auftragnehmerin zur Gerichtsakte gereicht und deren Inhalt vorgetragen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

16

Die Klägerin beantragt,

17

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

18

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass nach der Entscheidung des Revisionsgerichts feststehe, dass der Ausschluss des Angebots der Klägerin vergaberechtswidrig gewesen sei. Im Übrigen sei eine Rechtsverteidigung der Beklagten nicht substantiiert erfolgt.

19

Der Senat hat am 05.12.2012 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.

B.

20

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

21

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses wegen der Nichterteilung des streitgegenständlichen Auftrags nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.

22

I. Die Klage ist zulässig; insbesondere hat das Landgericht ein Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 256 ZPO zu Recht angenommen. Dieses Feststellungsinteresse besteht auch bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Berufungsverfahren fort. Die Klägerin war nicht gehalten, zu der – inzwischen im Berufungsverfahren möglich gewordenen – bezifferten Leistungsklage überzugehen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 7c m.w.N.).

23

II. Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

24

1. Zwischen der Beklagten als öffentliche Auftraggeberin und der Klägerin als Bieterin im streitgegenständlichen Vergabeverfahren bestand ein vertragsähnliches Verhältnis i.S. von § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Denn eine öffentliche Ausschreibung begründet ein besonderes schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Beteiligten des Vergabeverfahrens, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Einhaltung des dem Schutz der Bieter dienenden Vergaberechts verpflichtet; dies ist nicht vom Erreichen bzw. Überschreiten sog. Schwellenwerte, also bestimmter, bei Beginn der Ausschreibung geschätzter Netto-Auftragswerte, abhängig (vgl. BGH, Urteil v. 03.04.2007, X ZR 19/06 „Stahlbeton-Fußgängerbrücke“, VergabeR 2007, 750; Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 311 Rn. 37 m.w.N.).

25

2. Die Beklagte hat ihre auch gegenüber der Klägerin bestehende Pflicht zur ordnungsgemäßen Wertung im Vergabeverfahren dadurch schuldhaft verletzt, dass sie deren Angebot wegen der Unvollständigkeit der Unterlagen zur Eignung ausgeschlossen hat, obwohl ein solcher Ausschluss nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A 2006 vorausgesetzt hätte, dass die Beklagte zuvor in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen klar und eindeutig die Einreichung der als fehlend bewerteten Erklärungen und Nachweise durch den Bieter innerhalb der Angebotsfrist verlangt hätte. Hier hatte die Klägerin zwar die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, deren Einsatz sie ausweislich ihrer Angaben in den Verzeichnissen der Nachunternehmerleistungen auf den Formblättern 233 und 234 beabsichtigte, nicht innerhalb der Angebotsfrist eingereicht. Die Beklagte hatte jedoch deren Einreichung zusammen mit dem Angebot nach der – das Berufungsgericht gemäß § 563 Abs. 2 ZPO bindenden – Entscheidung des Revisionsgerichts nicht eindeutig gefordert.

26

3. Ohne den pflichtwidrigen Ausschluss dieses Angebots hätte die Beklagte den Auftrag an die Klägerin erteilen müssen, wobei hier offen bleiben kann, ob der Zuschlag auf das Hauptangebot der Klägerin oder auf eine Kombination des Hauptangebotes mit einem Nebenangebot der Klägerin erteilt worden wäre.

27

a) Bei einem vergaberechtswidrigen Ausschluss eines Angebots kann ein Anspruch des Bieters auf Ersatz seines positiven Interesse, also seines Interesses an der Auftragserteilung, ausnahmsweise dann bestehen, wenn der öffentliche Auftraggeber den ausgeschriebenen Auftrag tatsächlich erteilt hat, was im vorliegenden Fall unstreitig ist, und der übergangene Bieter bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens den Auftrag hätte erhalten müssen. Diese Voraussetzungen liegen hier zugunsten der Klägerin vor.

28

b) Das Angebot der Klägerin hätte bei ordnungsgemäßer Wertung in die engere Wahl kommen müssen. Es wies andere formelle Mängel, als das Fehlen der Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, welcher den Ausschluss des Angebots nicht rechtfertigte, nicht auf. Es bestanden weder zwingende Ausschlussgründe nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006 noch fakultative Ausschlussgründe nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A 2006. Die Beklagte ging selbst vom Vorliegen der Eignung der Klägerin für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags aus (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A 2006). Gegen die Angemessenheit des Angebotspreises der Klägerin hat die Beklagte keine Bedenken i.S. von § 25 Nr. 3 VOB/A 2006 erhoben, und zwar weder im Vergabeverfahren – ausweislich des Inhalts ihres Vergabevermerkes und des Absageschreibens vom 30.09.2008 – noch im vorliegenden Rechtsstreit.

29

c) Der Angebotspreis der Klägerin war jedenfalls niedriger als der Angebotspreis der Auftragnehmerin.

30

aa) Bei ordnungsgemäßer Wertung hätte die Beklagte das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht berücksichtigen dürfen.

31

(1) Das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin war schon unvollständig und hätte deswegen nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A zwingend von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden müssen, weil die Auftragnehmerin trotz des vergaberechtlich zulässigen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 22.12.1999, 1 Verg 4/99 „Nebenangebot I“, BauR 2000, 1636; Beschluss v. 11.07.2000, 1 Verg 4/00 „Nebenangebot II“, OLGR 2001, 191) und auch eindeutigen Verlangens der Beklagten sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Bewerbungsbedingungen einen Nachweis der Gleichwertigkeit des Pauschalpreisangebots mit dem Angebot eines Einheitspreisvertrages nicht geführt hatte.

32

(2) Das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin war daneben seinem Inhalt nach nicht eindeutig und entsprach nicht der eindeutigen Forderung der Beklagten, die von einer Pauschalierung erfassten Mengen und Massen im Einzelnen aufzuschlüsseln. So enthielt das Leistungsverzeichnis der Beklagten in den Positionen 01.114 und 02.114 Teilleistungen, welche nur bei Bedarf in Anspruch genommen werden sollten. Während im Rahmen eines Einheitspreisvertrages bedarfsabhängige Mengenänderungen eindeutig abgerechnet werden können, wäre es im Rahmen des Pauschalpreisvertrages darauf angekommen, welche Bedarfsmengen vom Pauschalpreis mit erfasst sein sollten. Das war dem Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin nicht zu entnehmen.

33

(3) Ungeachtet der vorgenannten Mängel des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin hat die Beklagte auch nicht darzulegen vermocht, dass sie das Pauschalpreisangebot der Auftragnehmerin als qualitativ gleichwertig hätte bewerten dürfen. Zwar trifft es zu, dass eine Pauschalierung für den Auftraggeber das Risiko der Erhöhung der Baukosten vermindert, weil Mehrmengen in einem gewissen Umfang nicht zu einer Mehrvergütung führen. Andererseits beinhaltet eine Pauschalierung des Entgelts für eine Bauleistung für den Auftraggeber das Risiko, dass er trotz des Auftretens von Mindermengen bestimmter Leistungen den zuvor vereinbarten Preis unverändert zahlen muss. Gerade bei Tiefbauarbeiten, wie hier, sind unerwartete Baugrundverhältnisse mit Auswirkungen auf die auszuführenden Leistungen oder Mengenabweichungen nicht selten, so dass die nach § 5 Nr. 1 lit. b) VOB/A vorgesehenen Voraussetzungen für den Abschluss eines Pauschalpreisvertrages – in Fällen, in denen die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist und mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist – regelmäßig nicht erfüllt sind.

34

bb) Auch das Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin hätte bei ordnungsgemäßer Wertung im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.

35

Dem Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin fehlte es bei formeller Betrachtung an einem Nachweis der Gleichwertigkeit, obwohl die Beklagte von jedem Bieter die Vorlage eines solchen Nachweises innerhalb der Angebotsfrist eindeutig gefordert hatte. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, dass es von Seiten der Auftragnehmerin eines Nachweises der Gleichwertigkeit ihres Nebenangebotes zum Leistungsverzeichnis der Beklagten nicht bedurft habe, weil die Beklagte die Gleichwertigkeit aufgrund anderer Informationen, insbesondere unter Heranziehung der Erläuterungen der Klägerin zu ihrem inhaltlich gleichartigen Nebenangebot Nr. 4 habe beurteilen können, vermag dies den Verbleib des Nebenangebots Nr. 3 der Auftragnehmerin in der weiteren Wertung nicht zu rechtfertigen. Denn die Beklagte darf nachträglich, d.h. nach Ablauf der Angebotsfrist, nicht zugunsten einzelner Bieter von einem zuvor gegenüber allen Bietern aufgestellten formellen Anforderungsprofil der Ausschreibung Ausnahmen zulassen und trotz Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes auf die angekündigte Sanktion verzichten. Sie ist durch die Bekanntmachung ihrer Ausschreibungsbedingungen selbst an diese gebunden; jede Bevorzugung einzelner Bieter verstieße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und ist daher unzulässig (vgl. BGH, Urteil v. 08.09.1998, X ZR 85/97 „Gerüststellung“, NJW 1998, 3634; Urteil v. 18.09.2007, X ZR 89/04 „Pflegeheim“, VergabeR 2008, 69).

36

cc) Einem Zuschlag auf das Angebot der Auftragnehmerin in Kombination der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 stand zudem entgegen, dass nicht eindeutig bestimmt bzw. bestimmbar war, in welchem Verhältnis die im Nebenangebot Nr. 3 enthaltene Preisreduzierung bei einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zur Pauschalierung des Gesamtpreises lt. Nebenangebot Nr. 1 stehen sollte und ob beide Nebenangebote überhaupt kumulierbar waren.

37

dd) Selbst wenn – entgegen der Auffassung des Senats – die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 der Auftragnehmerin zur weiteren Wertung hätten zugelassen werden dürfen, so hätte das formal vollständige und inhaltlich dem Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin entsprechende Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter jedenfalls auch bei der weiteren Wertung berücksichtigt werden müssen. Es ist unstreitig, dass der Angebotspreis des Hauptangebots der Klägerin in Kombination mit dem Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin zu einem niedrigeren Angebotspreis geführt hätte als das Angebot der Auftragnehmerin, auf welches der Zuschlag erteilt worden ist.

38

d) Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, dass ein Angebot eines anderen Bieters preisgünstiger als das preisniedrigste Angebot der Klägerin gewesen wäre.

C.

39

Die Entscheidungen über die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/10 und des Berufungsverfahrens 2 U 92/12 beruhen jeweils auf § 97 Abs. 1 ZPO.

40

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO in der seit dem 28.10.2011 geltenden Fassung.

41

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2007 - X ZR 19/06

bei uns veröffentlicht am 03.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 19/06 Verkündet am: 3. April 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf d

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Sept. 2007 - X ZR 89/04

bei uns veröffentlicht am 18.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 89/04 Verkündet am: 18. September 2007 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2012 - X ZR 130/10

bei uns veröffentlicht am 03.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/10 Verkündet am: 3. April 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/1
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12.

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/1

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 130/10 Verkündet am:
3. April 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Straßenausbau
VOB/A 2006 § 8 Nr. 3, § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b

a) Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen
nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die
Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen
deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen
wann abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der
Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden
Erklärung aus der Wertung nehmen.

b) Will ein Bieter im Schadensersatzprozess geltend machen, die Verpflichtung,
seine vorgesehenen Nachunternehmer schon zum Ende der Angebotsfrist
namhaft zu machen oder gar die sie betreffenden Eignungsnachweise bis
dahin beizubringen, sei unzumutbar gewesen und habe deshalb unbeachtet
bleiben können, muss er die tatsächlichen Umstände darlegen, aus denen
sich die Unzumutbarkeit ergeben soll.
BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 30. September 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren betreffend den Ausbau einer Kreisstraße das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat.

2
Zu den Vergabeunterlagen gehörte folgender, dem Formblatt 211 des Vergabehandbuchs VHB 2008 entsprechender Vordruck zur Beibringung von Eignungsnachweisen:
3
Des Weiteren umfassten die Vergabeunterlagen die Formblätter 233 und 234, auf denen die Vergabestelle durch Ankreuzen entsprechender Kästchen kenntlich machen konnte, ob gegebenenfalls vorgesehene Nachunternehmer bereits bei Angebotsabgabe namhaft gemacht werden sollten. Diese Kästchen waren im Streitfall nicht angekreuzt.
4
Die Klägerin benannte zwar mit dem Angebot ihre vorgesehenen Nachunternehmer , reichte die dazugehörigen Eignungsnachweise aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist, im Rahmen eines Bietergesprächs, ein und wurde deshalb bei der Zuschlagserteilung nicht berücksichtigt.
5
Ihre Klage auf Feststellung, dass die Beklagte ihr den aus der Nichtberücksichtigung ihres Angebots entstandenen Schaden zu ersetzen habe, hatte in erster Instanz Erfolg; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:



6
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, das Angebot der Klägerin sei zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Der Wille der Vergabestelle, die Eignungsnachweise der eventuell vorgesehenen Nachunternehmer bis zum Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt zu bekommen, sei nach den gesamten Umständen klar zum Ausdruck gebracht worden und hätte von der Klägerin beachtet werden müssen. Da die Klägerin somit geforderte Erklärungen nicht abgegeben habe, sei ihr Angebot zu Recht ausgeschlossen worden. Jedenfalls bei Bauvorhaben der hier in Rede stehenden Größenordnung sei das Ansinnen der Vergabestelle, die Eignungsweise für die eventuell vorgesehenen Nachunternehmer schon mit der Einreichung des Angebots übermittelt zu bekommen, in der Regel auch nicht unzumutbar. Allein die Möglichkeit, dass die Interessenlage eine andere sein könne, wie der Bundesgerichtshof sie in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 - Nachunternehmererklärung) dargestellt habe, rechtfertige es allein nicht, von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abzuweichen, für den die Vergabestelle sich entschieden habe.
8
II. Dagegen wendet die Klägerin sich mit Erfolg.
9
1. a) Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davonausgegangen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in der auch im Streitfall anzuwendenden Fassung Angebote, die unvollständig waren, weil sie geforderte Erklärungen nicht enthielten, regelmäßig ohne Weiteres von der Wertung auszuschließen waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - X ZR 243/05, NZBau 2005, 594 mwN; Urteil vom 18. September 2007 - X ZR 89/04, VergabeR 2008, 69). Es entspricht aber - und zwar gerade mit Blick auf die Ausschlusssanktion für die Abgabe unvollständiger Angebote - ebenso der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass aus den Vergabeunterlagen für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen muss, welche Erklärungen von ihnen verlangt werden (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
10
b) Dafür, ob die in vorformulierten Vergabeunterlagen vorgesehenen Erklärungen diesen Anforderungen genügen, ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10). Die diesbezügliche Würdigung durch den Tatrichter unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn vorformulierte Angebotsunterlagen wie die im Formblatt 211 enthaltenen sind allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, deren Revisibilität in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321; Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 ff.). Sie unterscheiden sich von Letzteren nur in dem für die Entscheidung des Streitfalls unerheblichen Gesichtspunkt, dass mit allgemeinen Geschäftsbedingungen die vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner nach Vertragsschluss gestaltet werden, während vorformulierte Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren wie im Formblatt 211 die Konditionen festlegen, unter denen die Bieter sich an den mehr oder minder streng formalisierten, zum Zwecke des Vertragsschlusses geführten Vergabeverfahren (offenes, nicht offenes Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren , öffentliche, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) beteiligen können.
11
2. Wird in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf die Vergabestelle ein Angebot , in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne Weiteres ausschließen. Vielmehr muss sie dem betreffenden Bieter Gelegenheit geben, die Erklärung nachzureichen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach und erteilt sie einem anderen Bewerber den Zuschlag, macht sie sich gegenüber dem ausgeschlossenen Bieter schadensersatzpflichtig, wenn eigentlich ihm der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
12
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Beklagte das Angebot der Klägerin nicht ohne Weiteres ausschließen dürfen.
13
a) Den Vergabeunterlagen ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, was den Bietern in Bezug auf die die Nachunternehmer betreffenden Eignungsnachweise obliegt. Der Text zu Nr. 3 des Formblatts 211 ist infolge der sprachlichen Verkürzung, in der er gefasst ist, vielmehr mehrdeutig und missverständlich und dieser Mangel kann auch nicht im Wege der Auslegung durch die Bieter behoben werden. Seinem Wortsinn nach, infolge der Verwendung der Präposition "durch" und der Konjunktion "und" ("Vorlage ... durch den Bieter und ggf. Nachunternehmer"), müssten die Nachunternehmer selbst die sie betreffenden Eignungsnachweise beibringen. Es mag zwar sein, dass die Klausel, so verstanden, einem durchschnittlichen Bieter ungewöhnlich vorkommen wird. Das führt aber nicht zu einem eindeutigen Verständnis der Vergabeunterlagen und rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, dass der durchschnittliche Bieter darüber im Bilde war, was von ihm verlangt war. Das Formular kann ebenso gut dahin verstanden werden, dass die eigenen Pflichten des Bieters sich darin erschöpfen, die Nachunternehmer aufzufordern, die geforderten Eignungsnachweise einzureichen, was im Übrigen umso näher liegt, als der Bieter, um diese Anforderung zu erfüllen, ohnehin auf die Kooperation der Nachunternehmer angewiesen ist.

14
Überdies steht dem Verständnis, das die Vergabestelle der Klausel beigelegt wissen möchte, nämlich dass jeder Bieter für jeden einzelnen vorgesehenen Nachunternehmer die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a bis f VOB/A 2006 mit dem Angebot einreichen sollte, die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" ("ggf.") entgegen. Der Text zu Nr. 3 des Vordrucks 211 mag so verstanden werden können, dass der Bieter, sofern er einen Nachunternehmereinsatz beabsichtigt, die diese Unternehmen betreffenden Eignungsnachweise (mit dem Angebot) beizubringen hat. Ebenso gut, insbesondere in Anbetracht des unklaren Sprachgebrauchs, kann aus Bietersicht aber, wie schon das Landgericht gemeint hat, gefordert sein, dass diese Nachweise nur unter weiteren Umständen, zumindest erst auf weitere Anforderung durch die Vergabestelle eingereicht werden müssen. Das gilt umso mehr, als dieses Verständnis der Vergabeunterlagen, auf dessen Grundlage das Angebot der Klägerin nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, durch den weiteren Inhalt der Vergabeunterlagen, und zwar der Formblätter 233 und 234, gestützt wird. Die Vergabeunterlagen bilden eine Einheit und das Verständnis, das die Adressaten sich von bestimmten Passagen bilden, kann vom Erklärungsgehalt anderer, sachlich damit zusammenhängender Teile beeinflusst werden. So verhält es sich hier. So, wie der Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 sich aus der Sicht der Bieter darstellte, waren diese schon nicht aufgefordert, bei Angebotsabgabe anzugeben, ob sie überhaupt Nachunternehmer einzusetzen beabsichtigten. Wenn die Nachunternehmer schon nicht namentlich benannt werden mussten, lag es fern, Formblatt 211 so zu verstehen, dass gleichwohl die sie betreffenden Eignungsnachweise mit dem Angebot einzureichen waren. Dies konnte vielmehr die Bieter nur in der Annahme bestärken, dass die Eignungsnachweise erst auf nachträgliche Anforderung einzureichen waren.
15
b) Der Hinweis des Berufungsgerichts, selbst die Klägerin habe nicht angenommen , dass die Nachunternehmer nicht mit dem Angebot benannt werden mussten, ist nicht stichhaltig. Dass die Klägerin die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer in den Angebotsunterlagen namentlich benannt hat, obwohl das nach dem Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 für diesen Zeitpunkt noch nicht gefordert war, zeigt allenfalls, dass in sich widersprüchliche Vergabeunterlagen widersprüchliches Bieterverhalten nach sich ziehen können. Tragfähige Schlussfolgerungen dazu, welchen objektiven Erklärungsgehalt die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit haben, lassen sich daraus nicht ziehen.
16
4. Danach kommt es nicht auf den Einwand der Klägerin an, sie habe auch deshalb nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil die Forderung, die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Buchst. a bis f VOB/A 2006 für sämtliche vorgesehenen Nachunternehmer schon mit dem Angebot einzureichen, eine unzumutbare Belastung darstelle. Dazu sind jedoch folgende Bemerkungen angezeigt.
17
a) Das Berufungsgericht hat bei Einnahme seines gegenteiligen Standpunkts die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missverstanden. Es vertritt nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe die Auffassung, dass, wenn die Beibringung der Nachweise zu diesem frühen Zeitpunkt in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gefordert wird, entgegenstehende, die Frage der Zumutbarkeit dieser Forderung betreffende Interessen der Bieter ohnehin nicht berücksichtigt werden könnten. Das ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird durch diese auch nicht nahegelegt. Vielmehr hat der Senat zu früheren Fassungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen entschieden, dass Angebote von Bietern auszuschließen waren, wenn in den Vergabeunterlagen geforderte Angaben, die zu machen den Bieter nicht unzumutbar belastete, nicht in den Angebotsunterlagen enthalten waren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZR 43/02, BGHZ 154, 32, 43). Daraus folgt im Gegenschluss, dass der öffentliche Auftraggeber nicht be- rechtigt war, ein Angebot aus der Wertung zu nehmen, wenn der Bieter eine Anforderung nicht erfüllt hatte, die diesen unzumutbar belastete. Für diese Rechtsfolge kann es naturgemäß nicht darauf ankommen, ob diese Anforderung in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gestellt worden ist oder nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 14 - Nachunternehmererklärung ), das das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörtert. Dort war den Vergabeunterlagen bereits bei interessengerechter Auslegung ein Inhalt beizulegen, der nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Bieter führte. Für die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass unzumutbare Anforderungen bei klarem Wortlaut hingenommen werden müssen, bietet die Entscheidung indes keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 10. Juni 2008 ausgeführt, dass es die Bieter unzumutbar belasten "kann", wenn den Bietern durch die Vergabeunterlagen ein unverhältnismäßiger Erklärungsaufwand bereitet wird (aaO Rn. 14). Dementsprechend ist die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit von diesbezüglichen Anforderungen in den Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu beurteilen. Das Unternehmen, das Unzumutbarkeit geltend macht, muss die dafür maßgeblichen Umstände dartun. Die Interessenlage kann durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob es sich um ein vergleichsweise kleines Bauvorhaben mit einem voraussichtlich überschaubaren Bieterkreis handelt, bei dem für den Einsatz von Nachunternehmern nach Art der zu erbringenden Leistung außerdem möglicherweise ohnehin nur beschränkter Raum ist, oder um ein größeres oder großes Bauvorhaben , bei dem die Bewerber erfahrungsgemäß umfänglich Nachunternehmer einsetzen werden. Handelt es sich um einen Fall der letzteren Art, kann es eher unzumutbar sein, wenn jeder Bieter für jeden Nachunternehmer schon mit dem Angebot unter Umständen umfangreiche Eignungsnachweise beibringen muss, wofür er zudem auf die zeitnahe Kooperation seitens dieser Unternehmen angewiesen ist. Wenn es, wie der Senat im Urteil vom 10. Juni 2008 zum Ausdruck gebracht hat (aaO Rn. 14), schon eine unzumutbare Belastung darstellen kann, wenn alle Bieter mit dem Angebot sämtliche Nachunternehmer namentlich benennen müssen, gilt dies umso mehr für eine formularmäßige Klausel, die es dem Auftraggeber erlaubt, durch bloßes Ankreuzen - zudem als erste angebotene Alternative - zu bestimmen, dass alle Bieter sogar die Eignungsnachweise für alle vorgesehenen Nachunternehmer bereits mit dem Angebot beibringen sollen.

19
5. Nach allem wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug der nach seiner bisherigen Rechtsauffassung konsequenterweise offen gelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Klägerin, wie diese geltend macht, der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Stendal, Entscheidung vom 30.04.2010 - 21 O 144/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 30.09.2010 - 1 U 50/10 -

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 130/10 Verkündet am:
3. April 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Straßenausbau
VOB/A 2006 § 8 Nr. 3, § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b

a) Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen
nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die
Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen
deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen
wann abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der
Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden
Erklärung aus der Wertung nehmen.

b) Will ein Bieter im Schadensersatzprozess geltend machen, die Verpflichtung,
seine vorgesehenen Nachunternehmer schon zum Ende der Angebotsfrist
namhaft zu machen oder gar die sie betreffenden Eignungsnachweise bis
dahin beizubringen, sei unzumutbar gewesen und habe deshalb unbeachtet
bleiben können, muss er die tatsächlichen Umstände darlegen, aus denen
sich die Unzumutbarkeit ergeben soll.
BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 30. September 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren betreffend den Ausbau einer Kreisstraße das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat.

2
Zu den Vergabeunterlagen gehörte folgender, dem Formblatt 211 des Vergabehandbuchs VHB 2008 entsprechender Vordruck zur Beibringung von Eignungsnachweisen:
3
Des Weiteren umfassten die Vergabeunterlagen die Formblätter 233 und 234, auf denen die Vergabestelle durch Ankreuzen entsprechender Kästchen kenntlich machen konnte, ob gegebenenfalls vorgesehene Nachunternehmer bereits bei Angebotsabgabe namhaft gemacht werden sollten. Diese Kästchen waren im Streitfall nicht angekreuzt.
4
Die Klägerin benannte zwar mit dem Angebot ihre vorgesehenen Nachunternehmer , reichte die dazugehörigen Eignungsnachweise aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist, im Rahmen eines Bietergesprächs, ein und wurde deshalb bei der Zuschlagserteilung nicht berücksichtigt.
5
Ihre Klage auf Feststellung, dass die Beklagte ihr den aus der Nichtberücksichtigung ihres Angebots entstandenen Schaden zu ersetzen habe, hatte in erster Instanz Erfolg; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:



6
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, das Angebot der Klägerin sei zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Der Wille der Vergabestelle, die Eignungsnachweise der eventuell vorgesehenen Nachunternehmer bis zum Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt zu bekommen, sei nach den gesamten Umständen klar zum Ausdruck gebracht worden und hätte von der Klägerin beachtet werden müssen. Da die Klägerin somit geforderte Erklärungen nicht abgegeben habe, sei ihr Angebot zu Recht ausgeschlossen worden. Jedenfalls bei Bauvorhaben der hier in Rede stehenden Größenordnung sei das Ansinnen der Vergabestelle, die Eignungsweise für die eventuell vorgesehenen Nachunternehmer schon mit der Einreichung des Angebots übermittelt zu bekommen, in der Regel auch nicht unzumutbar. Allein die Möglichkeit, dass die Interessenlage eine andere sein könne, wie der Bundesgerichtshof sie in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 - Nachunternehmererklärung) dargestellt habe, rechtfertige es allein nicht, von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abzuweichen, für den die Vergabestelle sich entschieden habe.
8
II. Dagegen wendet die Klägerin sich mit Erfolg.
9
1. a) Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davonausgegangen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in der auch im Streitfall anzuwendenden Fassung Angebote, die unvollständig waren, weil sie geforderte Erklärungen nicht enthielten, regelmäßig ohne Weiteres von der Wertung auszuschließen waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - X ZR 243/05, NZBau 2005, 594 mwN; Urteil vom 18. September 2007 - X ZR 89/04, VergabeR 2008, 69). Es entspricht aber - und zwar gerade mit Blick auf die Ausschlusssanktion für die Abgabe unvollständiger Angebote - ebenso der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass aus den Vergabeunterlagen für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen muss, welche Erklärungen von ihnen verlangt werden (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
10
b) Dafür, ob die in vorformulierten Vergabeunterlagen vorgesehenen Erklärungen diesen Anforderungen genügen, ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10). Die diesbezügliche Würdigung durch den Tatrichter unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn vorformulierte Angebotsunterlagen wie die im Formblatt 211 enthaltenen sind allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, deren Revisibilität in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321; Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 ff.). Sie unterscheiden sich von Letzteren nur in dem für die Entscheidung des Streitfalls unerheblichen Gesichtspunkt, dass mit allgemeinen Geschäftsbedingungen die vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner nach Vertragsschluss gestaltet werden, während vorformulierte Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren wie im Formblatt 211 die Konditionen festlegen, unter denen die Bieter sich an den mehr oder minder streng formalisierten, zum Zwecke des Vertragsschlusses geführten Vergabeverfahren (offenes, nicht offenes Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren , öffentliche, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) beteiligen können.
11
2. Wird in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf die Vergabestelle ein Angebot , in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne Weiteres ausschließen. Vielmehr muss sie dem betreffenden Bieter Gelegenheit geben, die Erklärung nachzureichen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach und erteilt sie einem anderen Bewerber den Zuschlag, macht sie sich gegenüber dem ausgeschlossenen Bieter schadensersatzpflichtig, wenn eigentlich ihm der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
12
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Beklagte das Angebot der Klägerin nicht ohne Weiteres ausschließen dürfen.
13
a) Den Vergabeunterlagen ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, was den Bietern in Bezug auf die die Nachunternehmer betreffenden Eignungsnachweise obliegt. Der Text zu Nr. 3 des Formblatts 211 ist infolge der sprachlichen Verkürzung, in der er gefasst ist, vielmehr mehrdeutig und missverständlich und dieser Mangel kann auch nicht im Wege der Auslegung durch die Bieter behoben werden. Seinem Wortsinn nach, infolge der Verwendung der Präposition "durch" und der Konjunktion "und" ("Vorlage ... durch den Bieter und ggf. Nachunternehmer"), müssten die Nachunternehmer selbst die sie betreffenden Eignungsnachweise beibringen. Es mag zwar sein, dass die Klausel, so verstanden, einem durchschnittlichen Bieter ungewöhnlich vorkommen wird. Das führt aber nicht zu einem eindeutigen Verständnis der Vergabeunterlagen und rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, dass der durchschnittliche Bieter darüber im Bilde war, was von ihm verlangt war. Das Formular kann ebenso gut dahin verstanden werden, dass die eigenen Pflichten des Bieters sich darin erschöpfen, die Nachunternehmer aufzufordern, die geforderten Eignungsnachweise einzureichen, was im Übrigen umso näher liegt, als der Bieter, um diese Anforderung zu erfüllen, ohnehin auf die Kooperation der Nachunternehmer angewiesen ist.

14
Überdies steht dem Verständnis, das die Vergabestelle der Klausel beigelegt wissen möchte, nämlich dass jeder Bieter für jeden einzelnen vorgesehenen Nachunternehmer die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a bis f VOB/A 2006 mit dem Angebot einreichen sollte, die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" ("ggf.") entgegen. Der Text zu Nr. 3 des Vordrucks 211 mag so verstanden werden können, dass der Bieter, sofern er einen Nachunternehmereinsatz beabsichtigt, die diese Unternehmen betreffenden Eignungsnachweise (mit dem Angebot) beizubringen hat. Ebenso gut, insbesondere in Anbetracht des unklaren Sprachgebrauchs, kann aus Bietersicht aber, wie schon das Landgericht gemeint hat, gefordert sein, dass diese Nachweise nur unter weiteren Umständen, zumindest erst auf weitere Anforderung durch die Vergabestelle eingereicht werden müssen. Das gilt umso mehr, als dieses Verständnis der Vergabeunterlagen, auf dessen Grundlage das Angebot der Klägerin nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, durch den weiteren Inhalt der Vergabeunterlagen, und zwar der Formblätter 233 und 234, gestützt wird. Die Vergabeunterlagen bilden eine Einheit und das Verständnis, das die Adressaten sich von bestimmten Passagen bilden, kann vom Erklärungsgehalt anderer, sachlich damit zusammenhängender Teile beeinflusst werden. So verhält es sich hier. So, wie der Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 sich aus der Sicht der Bieter darstellte, waren diese schon nicht aufgefordert, bei Angebotsabgabe anzugeben, ob sie überhaupt Nachunternehmer einzusetzen beabsichtigten. Wenn die Nachunternehmer schon nicht namentlich benannt werden mussten, lag es fern, Formblatt 211 so zu verstehen, dass gleichwohl die sie betreffenden Eignungsnachweise mit dem Angebot einzureichen waren. Dies konnte vielmehr die Bieter nur in der Annahme bestärken, dass die Eignungsnachweise erst auf nachträgliche Anforderung einzureichen waren.
15
b) Der Hinweis des Berufungsgerichts, selbst die Klägerin habe nicht angenommen , dass die Nachunternehmer nicht mit dem Angebot benannt werden mussten, ist nicht stichhaltig. Dass die Klägerin die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer in den Angebotsunterlagen namentlich benannt hat, obwohl das nach dem Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 für diesen Zeitpunkt noch nicht gefordert war, zeigt allenfalls, dass in sich widersprüchliche Vergabeunterlagen widersprüchliches Bieterverhalten nach sich ziehen können. Tragfähige Schlussfolgerungen dazu, welchen objektiven Erklärungsgehalt die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit haben, lassen sich daraus nicht ziehen.
16
4. Danach kommt es nicht auf den Einwand der Klägerin an, sie habe auch deshalb nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil die Forderung, die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Buchst. a bis f VOB/A 2006 für sämtliche vorgesehenen Nachunternehmer schon mit dem Angebot einzureichen, eine unzumutbare Belastung darstelle. Dazu sind jedoch folgende Bemerkungen angezeigt.
17
a) Das Berufungsgericht hat bei Einnahme seines gegenteiligen Standpunkts die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missverstanden. Es vertritt nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe die Auffassung, dass, wenn die Beibringung der Nachweise zu diesem frühen Zeitpunkt in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gefordert wird, entgegenstehende, die Frage der Zumutbarkeit dieser Forderung betreffende Interessen der Bieter ohnehin nicht berücksichtigt werden könnten. Das ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird durch diese auch nicht nahegelegt. Vielmehr hat der Senat zu früheren Fassungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen entschieden, dass Angebote von Bietern auszuschließen waren, wenn in den Vergabeunterlagen geforderte Angaben, die zu machen den Bieter nicht unzumutbar belastete, nicht in den Angebotsunterlagen enthalten waren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZR 43/02, BGHZ 154, 32, 43). Daraus folgt im Gegenschluss, dass der öffentliche Auftraggeber nicht be- rechtigt war, ein Angebot aus der Wertung zu nehmen, wenn der Bieter eine Anforderung nicht erfüllt hatte, die diesen unzumutbar belastete. Für diese Rechtsfolge kann es naturgemäß nicht darauf ankommen, ob diese Anforderung in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gestellt worden ist oder nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 14 - Nachunternehmererklärung ), das das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörtert. Dort war den Vergabeunterlagen bereits bei interessengerechter Auslegung ein Inhalt beizulegen, der nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Bieter führte. Für die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass unzumutbare Anforderungen bei klarem Wortlaut hingenommen werden müssen, bietet die Entscheidung indes keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 10. Juni 2008 ausgeführt, dass es die Bieter unzumutbar belasten "kann", wenn den Bietern durch die Vergabeunterlagen ein unverhältnismäßiger Erklärungsaufwand bereitet wird (aaO Rn. 14). Dementsprechend ist die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit von diesbezüglichen Anforderungen in den Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu beurteilen. Das Unternehmen, das Unzumutbarkeit geltend macht, muss die dafür maßgeblichen Umstände dartun. Die Interessenlage kann durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob es sich um ein vergleichsweise kleines Bauvorhaben mit einem voraussichtlich überschaubaren Bieterkreis handelt, bei dem für den Einsatz von Nachunternehmern nach Art der zu erbringenden Leistung außerdem möglicherweise ohnehin nur beschränkter Raum ist, oder um ein größeres oder großes Bauvorhaben , bei dem die Bewerber erfahrungsgemäß umfänglich Nachunternehmer einsetzen werden. Handelt es sich um einen Fall der letzteren Art, kann es eher unzumutbar sein, wenn jeder Bieter für jeden Nachunternehmer schon mit dem Angebot unter Umständen umfangreiche Eignungsnachweise beibringen muss, wofür er zudem auf die zeitnahe Kooperation seitens dieser Unternehmen angewiesen ist. Wenn es, wie der Senat im Urteil vom 10. Juni 2008 zum Ausdruck gebracht hat (aaO Rn. 14), schon eine unzumutbare Belastung darstellen kann, wenn alle Bieter mit dem Angebot sämtliche Nachunternehmer namentlich benennen müssen, gilt dies umso mehr für eine formularmäßige Klausel, die es dem Auftraggeber erlaubt, durch bloßes Ankreuzen - zudem als erste angebotene Alternative - zu bestimmen, dass alle Bieter sogar die Eignungsnachweise für alle vorgesehenen Nachunternehmer bereits mit dem Angebot beibringen sollen.

19
5. Nach allem wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug der nach seiner bisherigen Rechtsauffassung konsequenterweise offen gelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Klägerin, wie diese geltend macht, der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Stendal, Entscheidung vom 30.04.2010 - 21 O 144/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 30.09.2010 - 1 U 50/10 -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/06 Verkündet am:
3. April 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen und Keukenschrijver und die Richterinnen Ambrosius und
Mühlens

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Januar 2006 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 9. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt nach erfolgloser Teilnahme an einem Vergabeverfahren die beklagte Gemeinde auf Schadensersatz wegen des ihr entgangenen Gewinns in Anspruch.
2
Die Beklagte beabsichtigte den Neubau einer Fußgängerüberführung über eine Bundesstraße und schrieb dieses Bauvorhaben im Jahre 2003 öffentlich nach der VOB/A aus. Gegenstand der Ausschreibung und des 19 Seiten umfassenden Leistungsverzeichnisses war eine Stahlbetonbrücke; Änderungsvorschläge und isolierte Nebenangebote waren zugelassen, sollten jedoch ebenfalls nach Mengenangaben und Einzelpreisen aufgegliedert werden, auch bei einem Pauschalpreis. Ein Hauptangebot mit ausgefülltem Leistungsverzeichnis reichte nur die L. GmbH (im Folgenden: L.) ein; der Preis betrug ca. 283.600,-- €. Zusätzlich legte die L. ein als Sondervorschlag bezeichnetes Nebenangebot zum Preis von rund 167.700,-- € vor, das eine Holzbrücke auf Stahlbetonstützen nach einem "System B. " (im Folgenden: System B.) beinhaltete. Dieses Nebenangebot war mit einem sechsseitigen die Vor- und Nebenarbeiten betreffenden Positionsverzeichnis versehen, das sich an den Titeln des Leistungsverzeichnisses orientierte, für den eigentlichen Stahl-Holz-Brückenüberbau einschließlich Treppenlage indes nur eine Pauschale von 82.885,-- € vorsah. Die Klägerin gab ein isoliertes Nebenangebot ab, das ebenfalls eine Stahl-Holz-Konstruktion, jedoch nach dem grundlegend andersartigen Konstruktionsprinzip des Unternehmens S. (im Folgenden : S.) zum Gegenstand hatte und das die S. als Nachunternehmerin für den Brückenüberbau vorsah; der insgesamt nur pauschal angegebene Angebotspreis betrug rund 217.000,-- €. Die Beklagte stellte fest, das Hauptangebot der L. übersteige ihre finanziellen Mittel und sei daher für sie nicht umsetzbar. Das Nebenangebot der Klägerin sei wegen des Pauschalpreises bzw. wegen der fehlenden Angabe von Einzelpreisen und Mengenansätzen von der Wertung auszuschließen und sei auch wohl überhöht. Der Sondervorschlag der L. als das wirtschaftlich günstigere Angebot bedürfe weiterer technischer Abklärung. Auch hinsichtlich der Nebenangebote sei bei der gezeigten geringen Marktbeteiligung ein annehmbarer Preis nicht gefunden worden. Bei Akzeptanz der Holzvariante solle mit der L. die Abklärung betrieben werden. In der Folgezeit nahm die Beklagte mit der L. Verhandlungen auf, die dazu führten, dass die L. ihren Angebotspreis auf 148.589,64 € reduzierte und am 21. Oktober 2003 den Auftrag erhielt, wobei die Vertragsparteien vereinbarten - insoweit abweichend vom ursprünglichen Sondervorschlag der L. -, dass der Brückenüberbau durch die S. als Nachunternehmer errichtet werden solle. Die L. führte den Auftrag aus und verwirklichte dabei, wie im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist, im Wesentlichen die von der Klägerin angebotene Konstruktion.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 43.686,-- € gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und gemäß dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.
5
I. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet: Der Klägerin stehe der geltend gemachte Gewinnersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 311 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu. Die Beklagte habe das vorvertragliche Vertrauensverhältnis der Parteien verletzt. Beide Anspruchsvoraussetzungen, dass nämlich der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden sei und dass der auf Schadensersatz klagende Bieter ihn bei rechtmäßigem Abschluss des Vergabeverfahrens zwingend hätte erhalten müssen, seien zu bejahen. Der ausgeschriebene Auftrag sei erteilt worden, weil sowohl das Nebenangebot der Klägerin als auch das ursprüngliche Angebot der L. ausschreibungskonform gewesen seien. Die L. hätte aber den Auftrag zum Bau der Brücke nach dem ursprünglich nur von der Klägerin angebotenen System S. nicht erhalten dürfen, weil die L. innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot dieses später verwirklichten Inhalts nicht abgegeben habe. Statt dessen hätte die Klägerin als einziger verbliebener Mitbieter beauftragt werden müssen. Dies setze zwar ein wertungsfähiges Angebot der Klägerin voraus, jedoch brauche nicht abschließend entschieden zu werden, ob das Angebot der Klägerin, weil es nicht die in den Bewerbungsbedingungen grundsätzlich geforderte Aufgliederung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen habe erkennen lassen, von der Wertung hätte ausgeschlossen werden müssen. Denn jedenfalls könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben auf etwaige formale Defizite des klägerischen Angebots nicht berufen. Sie habe sich nämlich durch diese Defizite nicht daran gehindert gesehen, im Ergebnis die von der Klägerin angebotene Brücke bauen zu lassen, nur eben nicht mit der Klägerin als Auftragnehmer. Die Beklagte habe die konstruktiven und preislichen Einzelheiten über den von ihr beauftragten Erschließungsträger, die L. und/oder die S., besorgt oder besorgen lassen. Auf dieser Basis habe die L. mehr als drei Monate nach Ablauf der Angebotsfrist und in Kenntnis des von der Klägerin kalkulierten Preises ein neues preisgünstigeres Angebot erstellt, das im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem der Klägerin gewesen sei, und darauf dann den Auftrag erhalten. Darin liege ein eklatant vergaberechtswidriges Verhalten der Beklagten. Dieser Verstoß stehe dem Einwand der Beklagten, das klägerische Angebot hätte wegen Unvollständigkeit nicht gewertet werden dürfen, um so mehr entgegen, als das neue Angebot der L. für den Brückenüberbau , also für den wertmäßig rund 70 % ausmachenden Leistungsteil der S., wiederum nur einen nicht weiter aufgegliederten Pauschalpreis genannt und somit seinerseits den Bewerbungsbedingungen offenkundig nicht entsprochen habe. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sei es nicht mehr hinnehmbar, den Gewinnersatzanspruch der Klägerin an gegebenenfalls fehlenden Angaben in ihrem Angebot scheitern zu lassen.
6
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Ersatzanspruch als gegeben erachtet.
7
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht durch die Teilnahme eines Bieters an der Ausschreibung eines öffentlichen Auftraggebers ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis mit Sorgfalts- und Schutzpflichten, zu denen jedenfalls dann, wenn - wie hier - auf der Grundlage der VOB/A ausge- schrieben war, auch gehört, dass der Auftraggeber deren Vorgaben einhält. Umgekehrt darf der Bieter auf die Einhaltung dieser Regeln vertrauen; eine Verletzung dieses Vertrauens kann auf seiner Seite Ersatzansprüche auslösen. Diese Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der culpa in contrahendo hergeleitet wurde, ist jetzt auf § 311 Abs. 2 BGB zu stützen, nachdem die Haftung aus culpa in contrahendo mit dieser am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Vorschrift eine normative Grundlage erhalten hat. Der Sache nach ist an der bisherigen Rechtsprechung aber festzuhalten, weil § 311 Abs. 2 BGB an dem bisher angewandten Recht inhaltlich nichts ändern wollte.
8
2. Ersatz seines entgangenen Gewinns kann nach diesen Grundsätzen ein grundsätzlich ersatzberechtigter übergangener Bieter jedoch nur dann erhalten , wenn er ohne den Verstoß und bei auch ansonsten ordnungsgemäßer Vergabe den Zuschlag hätte erhalten müssen (vgl. nur Urt. v. 03.06.2004 - X ZR 30/03, VergabeR 2004, 604; v. 01.08.2006 - X ZR 115/04, VergabeR 2007, 73; Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB, Syst V Rdn. 211 f.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Beklagte nicht gehalten, den Auftrag zum Bau der Fußgängerbrücke der Klägerin zu erteilen; damit scheidet zugleich die Feststellung aus, dass die Klägerin den Auftrag hätte erhalten müssen. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob diese Folgerung bereits deshalb zu ziehen ist, weil das Angebot der Klägerin nicht den Anforderungen der Ausschreibung zur Aufgliederung der Gebote in Nr. 4.4 der "Bewerbungsbedingungen" der Beklagten entsprach. In Nr. 4.5 hatte sich die Beklagte die Entscheidung über die Zulassung solcher Gebote vorbehalten und diese damit - anders als in § 25 Nr. 1 VOB/A vorgesehen - in ihr Ermessen gestellt, wobei hier offen bleiben kann, ob eine solche Abweichung von den Regeln der VOB/A rechtlich zulässig ist. Fehlt es daran, war das Nebenangebot der Klägerin nach der dann einzuhaltenden Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A zwingend zurückzuweisen und konnte daher nicht Grundlage eines Anspruchs auf Ersatz des positiven Interesses sein. Konnte sich die Beklagte hingegen die Entscheidung über eine Zulassung auch unvollständiger Angebote vorbehalten, war diese in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellt, bei dessen Ausübung sie allerdings die diesem gesetzte Grenzen zu beachten hatte, wie das Berufungsgericht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte jedoch nicht nur das Angebot der Klägerin wegen dessen formaler Fehler nicht berücksichtigt; es hat auch von dem innerhalb der Angebotsfrist eingegangenen Nebenangebot der L. keinen Gebrauch gemacht. Eine rechtliche Ungleichbehandlung der beiden Bieter ist insoweit daher im Ergebnis nicht zu erkennen; diese tritt erst im Folgenden auf, als die Beklagte - auch insoweit unter Verletzung der Vorgaben durch das Ausschreibungsrecht - in Vertragsverhandlungen allein mit der L. über einen inhaltlich von dem rechtzeitig eingereichten Angebot abweichenden Gegenstand eintrat und die Klägerin auch von diesen Verhandlungen ausschloss. Insoweit fehlt es jedoch bereits wegen ihrer mangelnden Beteiligung an einem berücksichtigungsfähigen Angebot der Klägerin, bei dem eine Rechtspflicht zum Zuschlag hätte bestehen können.
9
Fehler bei der Ausübung des von der Beklagten nach den Bewerbungsbedingungen in Anspruch genommenen Ermessens, von denen das Berufungsgericht im Zuge seiner weiteren Überlegungen ausgegangen ist, führen zudem im Übrigen auch nicht zwangsläufig dazu, dass unter Vernachlässigung aller weiteren für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände die Entscheidung in jedem Fall zugunsten des durch den Fehler betroffenen Bieters ausfallen muss. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von der Klägerin und der L. eingereichten Nebenangebote gleichwertig waren. Das lässt angesichts der deutlichen Preisunterschiede jedenfalls nicht die Feststellung zu, dass der Zuschlag auf das Gebot der Klägerin erteilt worden wäre oder aus Rechtsgründen hätte erteilt werden müssen.
10
3. Da nach alledem der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zusteht, war die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts unter Aufhebung des Berufungsurteils zu bestätigen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Ambrosius Mühlens
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 09.09.2005 - 13 O 3456/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 27.01.2006 - 20 U 1873/05 -

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 89/04 Verkündet am:
18. September 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b
Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen zu den Leistungen, die der
Bieter durch Nachunternehmer erbringen lassen will, gefordert, so ist ein Angebot,
das diese Erklärungen nicht enthält, von der Wertung der Angebote nach § 25 Nr. 1
Abs. 1 Buchst. b VOB/A auszuschließen.
BGH, Urt. v. 18. September 2007 - X ZR 89/04 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2007 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 19. Mai 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte schrieb 1997 den Neubau eines Alten- und Pflegeheims auf der Grundlage der VOB/A aus. Der klagende Insolvenzverwalter nimmt die Beklagte auf Ersatz des der Gemeinschuldnerin durch die anderweitige Erteilung des Zuschlags entgangenen Gewinns in Anspruch, weil die Gemeinschuldnerin bei der Erteilung des Zuschlags vergaberechtswidrig übergangen worden sei.
2
Die interessierten Unternehmen erhielten von der Beklagten das Angebotsformular "EMV (B) Ang". Dieses enthält eingangs eine Aufzählung von Anlagen, unter denen sich auch ein "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunterneh- men auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" befindet. Diese Anlage ist - im Unterschied zu anderen in der Aufzählung genannten Anlagen - von der Vergabestelle nicht durch ein Kreuz in dem dafür vorgesehenen Kästchen gekennzeichnet worden. Unter Nr. 6 des Angebotsformulars kann durch Ankreuzen seitens des Bieters erklärt werden, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden, ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, obwohl der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen eingerichtet ist, oder ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, weil der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist. In den Bewerbungsbedingungen, die den interessierten Unternehmen mit den Ausschreibungsunterlagen ausgehändigt wurden, heißt es unter Nr. 7: "Nachunternehmer Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."
3
Die Gemeinschuldnerin hat in ihrem Angebot keines der Kästchen vor den Erklärungen unter Nr. 6 des Angebotsformulars angekreuzt. Eine Liste, in welcher die von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen aufgeführt und die Nachunternehmer namentlich benannt werden, war dem Angebot nicht beigefügt. In einem späteren Gespräch erklärte die Gemeinschuldnerin, den Rohbau selbst ausführen und im Übrigen vorwiegend Subunternehmer aus der Region einschalten zu wollen. Den Zuschlag hat nicht die Gemeinschuldnerin erhalten, sondern die B. GmbH .
4
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, der die Beklagte entgegengetreten ist.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht hat das Schadensersatzbegehren des Klägers schon deshalb für unbegründet gehalten, weil das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A von der Wertung der Angebote hätte ausgeschlossen werden müssen, nachdem die ausdrücklich geforderten Angaben über Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht erfolgt seien. Bereits nach Nr. 6 des Angebotsformulars seien Angaben dazu zu machen gewesen, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden oder welche Leistungen Nachunternehmern übertragen werden sollten, obwohl oder weil der Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet oder nicht eingerichtet sei. Des weiteren sei in den Bewerbungsbedingungen , die den Ausschreibungsunterlagen beilagen, ausdrücklich gefordert, dass der Bewerber, der beabsichtige, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen müsse. Diesen eindeutigen Vorgaben habe das Angebot der Gemeinschuldnerin nicht entsprochen. Angaben zu Nachunternehmern habe diese überhaupt nicht gemacht. Wettbewerbsrelevant sei insofern nicht nur, dass Teile der Leistung nicht vom Bieter selbst erbracht werden sollten; entscheidend für die Auswahlentscheidung sei auch, welche Leistungen welcher Nachunternehmer erbringen solle und welche Leistungen der Bieter in welchem Umfang selbst ausführen wolle. Selbst wenn die B. GmbH zu Unrecht den Zuschlag erhalten habe, ergebe sich daraus ein Anspruch auf Schadensersatz mangels eigenen zuschlagsfähigen Angebots der Gemeinschuldnerin nicht.
7
II. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
8
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter oder Bewerber darauf hat, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (BGHZ 139, 280, 283; Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661; Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 93). Dabei setzt der geltend gemachte, auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch voraus, dass das Vergabeverfahren an einem Vergabefehler leidet, der Zuschlag einem Dritten tatsächlich erteilt worden ist und der Schadensersatz begehrende Bieter den Zuschlag hätte erhalten müssen (BGHZ 139, 259, 272; Sen.Urt. v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163; Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, VergabeR 2004, 480; Sen.Urt. v. 3.6.2004 - X ZR 30/03, VergabeR 2004, 813). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 unter II.; Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617).
9
2. Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der öffentliche Auftraggeber ein Angebot , das die in zumutbarer Weise vom Bieter "geforderten Erklärungen" (§ 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A in der bis 2006 geltenden Fassung, § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A Ausgabe 2006) nicht enthält, zwingend von der Wertung der Angebote auszuschlie- ßen hat (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOL/A), damit die gebotene Gleichbehandlung aller Bieter in einem transparenten Vergabeverfahren gewährleistet ist (BGHZ 154, 32, 45; BGHZ 159, 186, 192).
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision sind unter "Erklärungen" nicht nur solche Angaben zu verstehen, die die ausgeschriebenen Leistungspositionen selbst betreffen. Wie der Senat bereits entschieden hat, gehören zu den "Erklärungen" auch sonstige Erklärungen wie Angaben nach den Formblättern EFB-Preis (Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617), die Vorlage von Mustern (Sen.Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06 zu § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A, BGHZ 169, 131), aber auch Angaben dazu, welche Leistungen der Bieter nicht selbst erbringen, sondern durch Nachunternehmer erbringen lassen will (Sen.Beschl. v. 16.3.2004 - X ZR 23/03, nicht im Druck veröffentlicht).
11
b) Die Revision kann auch mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, die Ausschreibungsunterlagen seien hinsichtlich der Forderung nach Angabe der durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen widersprüchlich, diese Angaben seien daher nicht gefordert gewesen.
12
Das Berufungsgericht hat aus Nr. 6 des den interessierten Unternehmen übermittelten Auftragsformulars hergeleitet, dass von den Bietern die verschiedenen in dieser Nummer aufgeführten Erklärungen gefordert werden, nämlich ob der Bieter die ausgeschriebenen Leistungen im eigenen Betrieb ausführt, ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, obwohl sein Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet ist, und ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, weil sein Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist, wobei im zweiten und dritten Fall die durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen "in der beigefügten Liste" aufzuführen sind. Das ist eine mögliche, wenn nicht sogar die naheliegende Auslegung dieses Teils des Auftragsformulars. Aus dem Umstand, dass nach den Fest- stellungen im Tatbestand des Berufungsurteils die Anlage "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" nicht angekreuzt und die Anlage den Ausschreibungsunterlagen auch nicht beigefügt war, lässt sich allenfalls ableiten, dass dann, wenn die ausgeschriebenen Leistungen nicht im eigenen Betrieb des Bieters ausgeführt werden, die erste geforderte Erklärung also nicht abgegeben werden kann, entweder das "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" anzufordern oder die in der zweiten und dritten Frage nach Nr. 6 des Angebotsformulars geforderte Liste über die von Nachunternehmern ausgeführten Leistungen vom Bieter selbst zu erstellen und dem Angebot beizufügen ist. Aus dem genannten Umstand ergibt sich daher weder ein Widerspruch in den Ausschreibungsunterlagen noch lässt sich aus ihm ableiten, die fraglichen Erklärungen seien nicht gefordert. Rügen, dass im Übrigen für das Verständnis und die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen wesentlicher Streitstoff übergangen sei, werden von der Revision nicht erhoben.
13
3. Eine Nachholung der nach den Ausschreibungsunterlagen mit dem Angebot abzugebenden Erklärungen darüber, welche Leistungen der Bieter selbst ausführt und welche durch Nachunternehmer ausgeführt werden, in einem Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A kam entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Ein transparentes und die Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert beispielsweise, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und die ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert waren, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen; der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Angaben im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten verglichen werden kann (BGHZ 154, 32, 45; 159, 186, 192). Deshalb ist die Berücksichtigung einer späteren Änderung oder Ausgestaltung der Gebote nach § 23 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen. Eine solche ist immer dann gegeben, wenn sich die nachträgliche Erklärung nicht lediglich auf die inhaltliche Klärung eines an sich festgelegten Gebotes beschränkt (vgl. § 24 VOB/A, vgl. Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661). An der notwendigen Festlegung fehlte es hier, weil offen geblieben ist, welche Leistungen angebotsgemäß durch Nachunternehmer auszuführen sind. Auch fehlende Angaben der hier fraglichen Art können mithin vom Bieter nicht nachgeholt werden (vgl. auch Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 24 VOB/A Rdn. 7).
14
4. Da das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin wegen der fehlenden Erklärungen zu den von Nachunternehmern zu erbringenden Leistungen zwingend von der Wertung auszuschließen war, hat das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde Bestand. Auf die Frage, ob das Angebot auch deshalb von der Wertung auszuschließen war, weil die Nachunternehmer mit dem Angebot nicht namentlich benannt worden sind, kommt es deshalb nicht an.
15
III. Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Scharen Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 01.02.2001 - 5 O 455/99 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 19.05.2004 - 2 U 15/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 130/10 Verkündet am:
3. April 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Straßenausbau
VOB/A 2006 § 8 Nr. 3, § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b

a) Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen
nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die
Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen
deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen
wann abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der
Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden
Erklärung aus der Wertung nehmen.

b) Will ein Bieter im Schadensersatzprozess geltend machen, die Verpflichtung,
seine vorgesehenen Nachunternehmer schon zum Ende der Angebotsfrist
namhaft zu machen oder gar die sie betreffenden Eignungsnachweise bis
dahin beizubringen, sei unzumutbar gewesen und habe deshalb unbeachtet
bleiben können, muss er die tatsächlichen Umstände darlegen, aus denen
sich die Unzumutbarkeit ergeben soll.
BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 30. September 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren betreffend den Ausbau einer Kreisstraße das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat.

2
Zu den Vergabeunterlagen gehörte folgender, dem Formblatt 211 des Vergabehandbuchs VHB 2008 entsprechender Vordruck zur Beibringung von Eignungsnachweisen:
3
Des Weiteren umfassten die Vergabeunterlagen die Formblätter 233 und 234, auf denen die Vergabestelle durch Ankreuzen entsprechender Kästchen kenntlich machen konnte, ob gegebenenfalls vorgesehene Nachunternehmer bereits bei Angebotsabgabe namhaft gemacht werden sollten. Diese Kästchen waren im Streitfall nicht angekreuzt.
4
Die Klägerin benannte zwar mit dem Angebot ihre vorgesehenen Nachunternehmer , reichte die dazugehörigen Eignungsnachweise aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist, im Rahmen eines Bietergesprächs, ein und wurde deshalb bei der Zuschlagserteilung nicht berücksichtigt.
5
Ihre Klage auf Feststellung, dass die Beklagte ihr den aus der Nichtberücksichtigung ihres Angebots entstandenen Schaden zu ersetzen habe, hatte in erster Instanz Erfolg; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:



6
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, das Angebot der Klägerin sei zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Der Wille der Vergabestelle, die Eignungsnachweise der eventuell vorgesehenen Nachunternehmer bis zum Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt zu bekommen, sei nach den gesamten Umständen klar zum Ausdruck gebracht worden und hätte von der Klägerin beachtet werden müssen. Da die Klägerin somit geforderte Erklärungen nicht abgegeben habe, sei ihr Angebot zu Recht ausgeschlossen worden. Jedenfalls bei Bauvorhaben der hier in Rede stehenden Größenordnung sei das Ansinnen der Vergabestelle, die Eignungsweise für die eventuell vorgesehenen Nachunternehmer schon mit der Einreichung des Angebots übermittelt zu bekommen, in der Regel auch nicht unzumutbar. Allein die Möglichkeit, dass die Interessenlage eine andere sein könne, wie der Bundesgerichtshof sie in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 - Nachunternehmererklärung) dargestellt habe, rechtfertige es allein nicht, von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abzuweichen, für den die Vergabestelle sich entschieden habe.
8
II. Dagegen wendet die Klägerin sich mit Erfolg.
9
1. a) Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davonausgegangen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in der auch im Streitfall anzuwendenden Fassung Angebote, die unvollständig waren, weil sie geforderte Erklärungen nicht enthielten, regelmäßig ohne Weiteres von der Wertung auszuschließen waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - X ZR 243/05, NZBau 2005, 594 mwN; Urteil vom 18. September 2007 - X ZR 89/04, VergabeR 2008, 69). Es entspricht aber - und zwar gerade mit Blick auf die Ausschlusssanktion für die Abgabe unvollständiger Angebote - ebenso der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass aus den Vergabeunterlagen für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen muss, welche Erklärungen von ihnen verlangt werden (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
10
b) Dafür, ob die in vorformulierten Vergabeunterlagen vorgesehenen Erklärungen diesen Anforderungen genügen, ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10). Die diesbezügliche Würdigung durch den Tatrichter unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn vorformulierte Angebotsunterlagen wie die im Formblatt 211 enthaltenen sind allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, deren Revisibilität in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321; Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 ff.). Sie unterscheiden sich von Letzteren nur in dem für die Entscheidung des Streitfalls unerheblichen Gesichtspunkt, dass mit allgemeinen Geschäftsbedingungen die vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner nach Vertragsschluss gestaltet werden, während vorformulierte Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren wie im Formblatt 211 die Konditionen festlegen, unter denen die Bieter sich an den mehr oder minder streng formalisierten, zum Zwecke des Vertragsschlusses geführten Vergabeverfahren (offenes, nicht offenes Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren , öffentliche, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) beteiligen können.
11
2. Wird in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf die Vergabestelle ein Angebot , in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne Weiteres ausschließen. Vielmehr muss sie dem betreffenden Bieter Gelegenheit geben, die Erklärung nachzureichen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach und erteilt sie einem anderen Bewerber den Zuschlag, macht sie sich gegenüber dem ausgeschlossenen Bieter schadensersatzpflichtig, wenn eigentlich ihm der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
12
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Beklagte das Angebot der Klägerin nicht ohne Weiteres ausschließen dürfen.
13
a) Den Vergabeunterlagen ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, was den Bietern in Bezug auf die die Nachunternehmer betreffenden Eignungsnachweise obliegt. Der Text zu Nr. 3 des Formblatts 211 ist infolge der sprachlichen Verkürzung, in der er gefasst ist, vielmehr mehrdeutig und missverständlich und dieser Mangel kann auch nicht im Wege der Auslegung durch die Bieter behoben werden. Seinem Wortsinn nach, infolge der Verwendung der Präposition "durch" und der Konjunktion "und" ("Vorlage ... durch den Bieter und ggf. Nachunternehmer"), müssten die Nachunternehmer selbst die sie betreffenden Eignungsnachweise beibringen. Es mag zwar sein, dass die Klausel, so verstanden, einem durchschnittlichen Bieter ungewöhnlich vorkommen wird. Das führt aber nicht zu einem eindeutigen Verständnis der Vergabeunterlagen und rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, dass der durchschnittliche Bieter darüber im Bilde war, was von ihm verlangt war. Das Formular kann ebenso gut dahin verstanden werden, dass die eigenen Pflichten des Bieters sich darin erschöpfen, die Nachunternehmer aufzufordern, die geforderten Eignungsnachweise einzureichen, was im Übrigen umso näher liegt, als der Bieter, um diese Anforderung zu erfüllen, ohnehin auf die Kooperation der Nachunternehmer angewiesen ist.

14
Überdies steht dem Verständnis, das die Vergabestelle der Klausel beigelegt wissen möchte, nämlich dass jeder Bieter für jeden einzelnen vorgesehenen Nachunternehmer die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a bis f VOB/A 2006 mit dem Angebot einreichen sollte, die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" ("ggf.") entgegen. Der Text zu Nr. 3 des Vordrucks 211 mag so verstanden werden können, dass der Bieter, sofern er einen Nachunternehmereinsatz beabsichtigt, die diese Unternehmen betreffenden Eignungsnachweise (mit dem Angebot) beizubringen hat. Ebenso gut, insbesondere in Anbetracht des unklaren Sprachgebrauchs, kann aus Bietersicht aber, wie schon das Landgericht gemeint hat, gefordert sein, dass diese Nachweise nur unter weiteren Umständen, zumindest erst auf weitere Anforderung durch die Vergabestelle eingereicht werden müssen. Das gilt umso mehr, als dieses Verständnis der Vergabeunterlagen, auf dessen Grundlage das Angebot der Klägerin nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, durch den weiteren Inhalt der Vergabeunterlagen, und zwar der Formblätter 233 und 234, gestützt wird. Die Vergabeunterlagen bilden eine Einheit und das Verständnis, das die Adressaten sich von bestimmten Passagen bilden, kann vom Erklärungsgehalt anderer, sachlich damit zusammenhängender Teile beeinflusst werden. So verhält es sich hier. So, wie der Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 sich aus der Sicht der Bieter darstellte, waren diese schon nicht aufgefordert, bei Angebotsabgabe anzugeben, ob sie überhaupt Nachunternehmer einzusetzen beabsichtigten. Wenn die Nachunternehmer schon nicht namentlich benannt werden mussten, lag es fern, Formblatt 211 so zu verstehen, dass gleichwohl die sie betreffenden Eignungsnachweise mit dem Angebot einzureichen waren. Dies konnte vielmehr die Bieter nur in der Annahme bestärken, dass die Eignungsnachweise erst auf nachträgliche Anforderung einzureichen waren.
15
b) Der Hinweis des Berufungsgerichts, selbst die Klägerin habe nicht angenommen , dass die Nachunternehmer nicht mit dem Angebot benannt werden mussten, ist nicht stichhaltig. Dass die Klägerin die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer in den Angebotsunterlagen namentlich benannt hat, obwohl das nach dem Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 für diesen Zeitpunkt noch nicht gefordert war, zeigt allenfalls, dass in sich widersprüchliche Vergabeunterlagen widersprüchliches Bieterverhalten nach sich ziehen können. Tragfähige Schlussfolgerungen dazu, welchen objektiven Erklärungsgehalt die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit haben, lassen sich daraus nicht ziehen.
16
4. Danach kommt es nicht auf den Einwand der Klägerin an, sie habe auch deshalb nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil die Forderung, die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Buchst. a bis f VOB/A 2006 für sämtliche vorgesehenen Nachunternehmer schon mit dem Angebot einzureichen, eine unzumutbare Belastung darstelle. Dazu sind jedoch folgende Bemerkungen angezeigt.
17
a) Das Berufungsgericht hat bei Einnahme seines gegenteiligen Standpunkts die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missverstanden. Es vertritt nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe die Auffassung, dass, wenn die Beibringung der Nachweise zu diesem frühen Zeitpunkt in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gefordert wird, entgegenstehende, die Frage der Zumutbarkeit dieser Forderung betreffende Interessen der Bieter ohnehin nicht berücksichtigt werden könnten. Das ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird durch diese auch nicht nahegelegt. Vielmehr hat der Senat zu früheren Fassungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen entschieden, dass Angebote von Bietern auszuschließen waren, wenn in den Vergabeunterlagen geforderte Angaben, die zu machen den Bieter nicht unzumutbar belastete, nicht in den Angebotsunterlagen enthalten waren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZR 43/02, BGHZ 154, 32, 43). Daraus folgt im Gegenschluss, dass der öffentliche Auftraggeber nicht be- rechtigt war, ein Angebot aus der Wertung zu nehmen, wenn der Bieter eine Anforderung nicht erfüllt hatte, die diesen unzumutbar belastete. Für diese Rechtsfolge kann es naturgemäß nicht darauf ankommen, ob diese Anforderung in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gestellt worden ist oder nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 14 - Nachunternehmererklärung ), das das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörtert. Dort war den Vergabeunterlagen bereits bei interessengerechter Auslegung ein Inhalt beizulegen, der nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Bieter führte. Für die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass unzumutbare Anforderungen bei klarem Wortlaut hingenommen werden müssen, bietet die Entscheidung indes keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 10. Juni 2008 ausgeführt, dass es die Bieter unzumutbar belasten "kann", wenn den Bietern durch die Vergabeunterlagen ein unverhältnismäßiger Erklärungsaufwand bereitet wird (aaO Rn. 14). Dementsprechend ist die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit von diesbezüglichen Anforderungen in den Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu beurteilen. Das Unternehmen, das Unzumutbarkeit geltend macht, muss die dafür maßgeblichen Umstände dartun. Die Interessenlage kann durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob es sich um ein vergleichsweise kleines Bauvorhaben mit einem voraussichtlich überschaubaren Bieterkreis handelt, bei dem für den Einsatz von Nachunternehmern nach Art der zu erbringenden Leistung außerdem möglicherweise ohnehin nur beschränkter Raum ist, oder um ein größeres oder großes Bauvorhaben , bei dem die Bewerber erfahrungsgemäß umfänglich Nachunternehmer einsetzen werden. Handelt es sich um einen Fall der letzteren Art, kann es eher unzumutbar sein, wenn jeder Bieter für jeden Nachunternehmer schon mit dem Angebot unter Umständen umfangreiche Eignungsnachweise beibringen muss, wofür er zudem auf die zeitnahe Kooperation seitens dieser Unternehmen angewiesen ist. Wenn es, wie der Senat im Urteil vom 10. Juni 2008 zum Ausdruck gebracht hat (aaO Rn. 14), schon eine unzumutbare Belastung darstellen kann, wenn alle Bieter mit dem Angebot sämtliche Nachunternehmer namentlich benennen müssen, gilt dies umso mehr für eine formularmäßige Klausel, die es dem Auftraggeber erlaubt, durch bloßes Ankreuzen - zudem als erste angebotene Alternative - zu bestimmen, dass alle Bieter sogar die Eignungsnachweise für alle vorgesehenen Nachunternehmer bereits mit dem Angebot beibringen sollen.

19
5. Nach allem wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug der nach seiner bisherigen Rechtsauffassung konsequenterweise offen gelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Klägerin, wie diese geltend macht, der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Stendal, Entscheidung vom 30.04.2010 - 21 O 144/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 30.09.2010 - 1 U 50/10 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.