Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Aug. 2009 - 10 UF 85/09

bei uns veröffentlicht am12.08.2009

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts G - Familiengericht - vom 02.06.2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Bearbeitung und Entscheidung - auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht G - Familiengericht - zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Umgangsregelung. Die Antragsgegnerin ist gemäß am 21.10.2008 vom Senat genehmigtem Vergleich berechtigt, mit dem gemeinsamen beim Antragsteller lebenden minderjährigen Sohn I jeweils am dritten Wochenende eines jeden Monats Umgang zu haben. Der Antragsteller lebt mit dem Kind in Moskau. Die Antragsgegnerin wohnt in H.

2

Zwischen den Parteien war beim Familiengericht ein Scheidungsverfahren anhängig, das mit Rechtskraft der Scheidung am 28.04.2009 endete. Der Änderungsantrag ist am 07.04.2009 beim Familiengericht eingegangen. Er wurde der Antragsgegnerin am 17.06.2009 zugestellt.

3

Mit dem vom Antragsteller angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht seinen Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

4

Das Amtsgericht G sei örtlich nicht zuständig. Die Zuständigkeit bestimme sich nach dem Wohnsitz des Kindes. Dieses lebe in Moskau. § 621 Abs. 2 ZPO, wonach das für das Scheidungsverfahren zuständige Gericht auch für weitere Familiensachen zuständig sei, sei nicht einschlägig. Denn die Anhängigkeit der Ehesache habe zwischen Einreichung und Zustellung des Abänderungsantrages geendet. § 167 ZPO sei entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht einschlägig.

5

Mit seiner befristeten Beschwerde begehrt der Antragsteller die Aufhebung des genannten Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht.

6

Dieses sei zuständig. Sämtliche Voraussetzungen für die Zustellung des Abänderungsantrages hätten bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung vorgelegen. Unter Heranziehung des in § 167 ZPO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens, dass eine Zustellung Rückwirkung auf den Eingang eines Antrages hat, sei das Familiengericht für den Abänderungsantrag zuständig.

7

Er beantragt:

8

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - G wird aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - G zurückverwiesen.

9

Der Antragsgegnerin ist Gelegenheit zur Erwiderung auf das Rechtsmittel binnen eines Monats gegeben worden. Sie hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

II.

10

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO zulässige befristete Beschwerde ist begründet. Das Familiengericht ist gemäß § 621 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für den Abänderungsantrag zuständig.

11

a) § 621 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist einschlägig. Der Antragsteller begehrt gemäß § 1684 Abs. 4 BGB eine Regelung des Umgangs der Antragsgegners mit dem gemeinsamen Kind.

12

b) Eine Ehesache, hier die Ehescheidung der Parteien, ist anhängig gewesen, als der Abänderungsantrag anhängig gemacht wurde. Die Anhängigkeit einer Ehesache dauert bis zur Rechtskraft der in dieser Sache ergangenen Entscheidung (vgl. Weinreich/Bäumel, Familienrecht, 3. Aufl. § 621 ZPO Rdn. 15).

13

c) Entgegen der Ansicht des Familiengerichts steht seiner Zuständigkeit nach § 621 ZPO nicht entgegen, dass die Scheidungssache vor Zustellung (Rechtshängigkeit) des Abänderungsantrages in der Umgangssache rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

14

aa) Zwar folgt die Zuständigkeit, wie das Familiengericht zutreffend erkennt, nicht aus § 167 ZPO. § 167 ZPO regelt die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Verjährung der mit einer Klage geltend gemachten Forderung beginnt bzw. gehemmt wird. Diese Frage ist hier nicht entscheidend.

15

bb) Auch ist der Ansicht des Familiengerichts zuzustimmen, dass einer Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 621 Abs. 2 ZPO die Rechtskraft der Ehesache vor Rechtshängigkeit der neuen Familiensache entgegenstehen kann. Dieses ist der Fall, wenn es sich um eine neue Familiensache handelt, für die die Regelungen der ZPO gelten - Verfahren nach den §§ 621 Nr. 4, 5 und 8 ZPO. Für diese Verfahren wird gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Zuständigkeit nach § 621 Abs. 2 ZPO erst begründet, wenn die Rechtshängigkeit der neuen Sache vor Rechtskraft der Ehesache eingetreten ist. Denn wie sich aus dem Wortlaut des § 261 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergibt, ist eine Veränderung der die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründenden Umstände erst ab Rechtshängigkeit der erhobenen Klage ohne Einfluss auf die Zuständigkeit.

16

cc) In FGG-Verfahren reicht es jedoch für die Begründung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 621 Abs. 2 ZPO aus, dass die neue Familiensache vor Rechtskraft der Ehesache anhängig gemacht worden ist. Denn gemäß § 621 a ZPO gilt § 261 Abs. 2 Satz 1 ZPO für FGG-Verfahren in Familiensachen nicht. Dass bereits die Anhängigkeit der neuen Sache ausreicht, hat seinen Grund in dem Amtsermittlungsgrundsatz, der in diesen Familiensachen gilt (vgl. BGH FamRZ 1998, 609, 610 re. Sp.; BGH FamRZ 1986, 454 bis 455; Johannsen/Sedemond-Treiber, Eherecht, 4. Aufl. § 621 ZPO Rdn. 6 [S. 1938 oben]; Musielak/Borth, ZPO, 6. Aufl. § 621 Rdn. 13).

17

dd) Der Abänderungsantrag betrifft gemäß §§ 621 Nr. 2, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ein den Vorschriften des FGG unterliegendes Verfahren. Er ist - am 07.04.2009 - vor Rechtskraft der Ehescheidung - am 28.04.2009 - anhängig gemacht worden.

18

d) Der Rechtsstreit ist an das Familiengericht zurückzuverweisen. Einer eigenen Entscheidung des Senats in der Sache steht entgegen, dass eine Entscheidung durch das Berufungsgericht dem Verlust einer Instanz gleichkäme. Denn eine Entscheidung des Familiengerichts in der Sache selbst liegt noch nicht vor (vgl. auch Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl. § 25 Rdn. 21 m. w. N.).

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Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.