Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Sept. 2016 - 20 RR 66/16

bei uns veröffentlicht am09.09.2016

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.02.2016 - 90 Ns 75/15 - aufgehoben.

2. Der Angeklagte wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Pasewalk - 305 Cs 70/15 - verurteilte den Angeklagten am 20.05.2015 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50 €. Seine dagegen mit dem Ziel des Freispruchs gerichtete Berufung verwarf das Landgericht durch das angefochtene Urteil vom 05.02.2016. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

2

Die Revision hat in vollem Umfang Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beleidigung gemäß §§ 185, 193 StGB nicht.

III.

3

1. Das Landgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:

4

„A. Vorgeschichte:

5

...
Am Samstag, dem 31.05.2014, befand sich der Zeuge T auf der Fahrt in einen mehrtägigen Urlaub in Richtung Ostsee. In Fahrtrichtung des Angeklagten herrschte zu dieser Zeit auf der B ein hohes Verkehrsaufkommen. Während der Fahrt erhielt der Zeuge einen Anruf von einem Jagdkollegen mit dem Hinweis, dass im Jagdrevier des Zeugen T auf der B 109 ein totes Reh liege.

6

Der Zeuge T bemerkte sodann das Fallwild an der rechten Seite der Fahrbahn der B 109 kurz vor der Abfahrt nach N A. Der Zeuge, welcher weder mit einem Anhänger noch einer Plane zur Bergung eines Tierkadavers ausgerüstet war, entschloss sich kurzerhand, das tote Reh mit einem Seil an der Anhängerkupplung seines Fahrzeuges zu befestigen und in Schrittgeschwindigkeit und eingeschalteter Warnblinkanlage am rechten Fahrbahnrand bis zum nächstgelegenen Feldwegabzweig in einer Entfernung von ca. 100 Meter zu ziehen. Der Zeuge, welcher seit 1993 im Besitz eines Jagdscheins ist, wollte auf diese Weise das Wild als mögliche Unfallgefahr so schnell wie möglich von der Bundesstraße entfernen. Ein Wegziehen des Kadavers auf die an der Fahrbahn angrenzende Grasfläche kam aus seiner Sicht nicht in Betracht, weil er befürchtete, dass Füchse bzw. Vögel sich an dem Kadaver zu schaffen machen könnten und dies wiederum eine Unfallgefahr hervorrufen könne. Am nächstgelegenen Feldweg bog der Zeuge T nach rechts ab und entsorgte das tote Reh, indem er dieses im Erdreich vergrub.

7

Der Fahrer eines nachfolgenden Fahrzeugs fotografierte das Fahrzeug des Zeugen T mit dem angebundenen toten Reh. Kurz darauf wurde dieses Foto ins Internet gestellt.

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B. Tatgeschehen:

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Nachdem bereits am Montag, dem 02.06.2014, in der Regionalausgabe der `Haff-Zeitung´ (Ueckermünde, Torgelow, Eggesin, Ferdinandshof und die Region) durch einen anderen Redakteur über den Vorfall unter der Überschrift `Darf man so ein totes Reh transportieren ?` berichtet worden war, bekam der Angeklagte (Anm. des Senats: Der Lokalredakteur der Haffzeitung ist) von seinem Lokalchef den Auftrag, sich der Sache anzunehmen. Der Angeklagte versuchte noch am Montag, den Zeugen T zu erreichen, was jedoch nicht gelang, weil sich dieser - wie bereits erwähnt - auf einem mehrtägigen Ostseeurlaub befand. Der Angeklagte, der über das ins Internet gestellte Bild entsetzt war, den zugrundeliegenden Sachverhalt jedoch weder kannte, noch mit der Berichterstattung zuwarten wollte, verfasste noch am selben Tag einen Artikel mit der Überschrift 'Rabauken-Jäger erhitzt die Gemüter', welcher am Dienstag, dem 03.06.2014, in der 'Haff-Zeitung' mit folgendem Inhalt erschien:

10

'Das Bild des toten Rehs, das an einer Anhängerkupplung über die Straße geschleppt wurde, erregt in der Region die Gemüter. Der Jäger, der aus U stammt, muss mit einer Strafe rechnen. Die Jagdbehörde ermittelt.

11

Ueckermünde: Vermutlich ist der Mann erst einmal abgetaucht, hat sich vielleicht in seinem Jagdgebiet verkrochen und traut sich nicht in die Öffentlichkeit. Doch vielleicht kommt er in der Einsamkeit des Waldes zu der Einsicht, dass er am Wochenende großen Mist gebaut hat.

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Der Mann wird aber nicht drum herum kommen, sich den vielen Fragen zu stellen. Die Hauptfrage ist: Was ging im Kopf des Jagdpächters vor, als er am Wochenende ein totes Reh an die Anhängerkupplung seinen Volvos festzurrte und über die Straße zog? Der Fall des Rabaukenjägers sorgte auch am Montag in der Region für Diskussionen, gar heftig ging es in den sozialen Netzwerken zu. Dort wird der Mann unter anderem als `Drecksjäger` beschimpft, dem sofort die Jagdlizenz entzogen gehört.

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Sichtlich geschockt ist A F, Sprecher der Unteren Jagdbehörde im Landkreis: 'Schwarze Schafe gibt es ja in jeder Branche. Aber so etwas habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. Das ist einfach respektlos, so geht man nicht mit einem toten Tier um.'

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Der Landkreis arbeite intensiv an der Aufklärung des Vorfalls. 'Inwieweit der Mann gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hat, wird derzeit geprüft. Es war aber ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, so darf man nicht fahren. Er wird irgendeine Buße aufgebrummt bekommen.' F, selbst Jäger, sieht durch den Vorfall auch das Ansehen der eigenen Zunft beschädigt. 'Dem Stand der Jäger hat das Ganze mit Sicherheit nicht gut getan', sagte er.

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Nach Informationen des Nordkuriers stammt der wundersame Jäger aus U. Bei der Kommunalwahl für die Stadtvertretung war er für die … ins Rennen gegangen, schaffte aber den Einzug ins Parlament nicht. Der Rentner arbeitete früher im Bauamt der ... Stadt. Einstige Mitarbeiter sagen, dass er zwar ein Mensch gewesen, der viel geredet hat, ein 'Schnacker' eben, aber so eine Tat habe man ihm nie und nimmer nicht zugetraut.

16

Für eine Stellungnahme war der Jagdpächter am Montag trotz mehrerer Versuche nicht zu erreichen.' "

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2. Zur Überzeugung des Landgerichts war dem Angeklagten bei Abfassung des Artikels bewusst, dass auch ohne ausdrückliche Namensnennung für einen Großteil der regionalen Leserschaft aufgrund der darin über den Zeugen enthaltenen Individualisierungsmerkmale die Erkennbarkeit des Jägers ohne Weiteres gegeben sein würde. Ebenso sei ihm bewusst gewesen, mit dem Artikel zu suggerieren, der Zeuge T habe das Reh gejagt, erlegt und anschließend aus Bequemlichkeit über öffentliche Straßen nach Hause geschleift. Der Angeklagte habe dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Zeuge T in seinem sozialen Achtungsanspruch, insbesondere in seiner Integrität als Jäger, durch den Kontext des Artikels, vor allem aber durch die Verwendung der Begriffe „Rabauken-Jäger“ und „Drecksjäger“ in ehrenrühriger Weise verletzt werde. Dabei sei dem Angeklagten auch bewusst gewesen, dass diese Missachtung von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt sei. Als Einlassung des Angeklagten hat das Landgericht zu Grunde gelegt, dass der Begriff des „Rabauken-Jägers“ von ihm selbst stamme, er den Begriff des „Drecksjägers“ für angemessen erachtet habe, um ihn als Zitat in dem Artikel zu erwähnen und dass die Chefredaktion ihm zu keinem Zeitpunkt die missbilligende Beschwerdeentscheidung des Deutschen Presserates vom 02.12.2014 mitgeteilt oder zugeleitet habe und dass der Angeklagte die in seinem Artikel gemachten Ausführungen und verwendeten Begriffe weiterhin für angemessen und legitim halte und er der Auffassung sei, nur seine Arbeit gemacht zu haben.

18

3. Das Landgericht hat in dem Verhalten des Angeklagten eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gesehen. Der Begriff „Rabauken-Jäger“ sei im maßgeblichen Textzusammenhang als ehrverletzende Missachtung und nicht etwa nur als Sprachwitz zu werten. Der Begriff des „Rabauken“ weise gerade keinen Zusammenhang zu seiner neben dem hier einschlägigen Vorwurf, ein Rowdy o.ä. zu sein, weiteren Bedeutung als „Bengel“ o.ä. auf. Dem Zeugen T werde damit die soziale Integrität als Jäger abgesprochen, zumal die Bezeichnung im unmittelbaren textlichen Zusammenhang mit dem Begriff „Drecksjäger“ stehe. Im Übrigen werde der - letztlich unzutreffende - Eindruck vermittelt, es stehe jetzt schon fest, dass der Zeuge T ein Gesetzesbrecher sei.

19

Die Verwendung des Begriffs sei auch nicht nach § 193 StGB unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Zum einen stelle die Bezeichnung eine Schmähkritik dar, mit der Folge, dass die Meinungsfreiheit von vornherein gegenüber dem Ehrenschutz zurücktrete. Zum anderen müsse selbst bei Vornahme einer Güterabwägung die Meinungsfreiheit zurücktreten, da es sich bei dem Geschehen, über das berichtet wurde, um keine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage handele, sondern letztlich um den (bedeutungslosen) Einzelfall des Abtransports eines Tierkadavers zur Gefahrenbeseitigung. Auch handele es sich bei dem Zeugen T nicht um eine öffentliche Person, der diese Auseinandersetzung zuzumuten sei. Im Übrigen sei die Sachverhaltsdarstellung durch das Suggerieren, der Zeuge T habe das Wild gejagt, erlegt und dann abtransportiert, verfälschend und könne auch deshalb keinen Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießen.

20

Auch soweit der Angeklagte den Begriff „Drecksjäger“ benutzte, handele es sich trotz der Tatsache, dass er diesen als Zitat verwendet habe, um eine Beleidigung, da er sich diese Äußerung als eigene zurechnen lassen müsse. Denn er habe es nicht nur an einer eigenen und ernsten Distanzierung fehlen lassen, sondern in seinen eigenen Gedankengang in der Weise eingebaut, dass damit der Begriff des „Rabauken-Jägers“ in dem Artikel eine zusätzliche Schärfe erlangt habe.

21

Die Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums seitens des Angeklagten verbiete sich im Hinblick auf die Möglichkeit, sich - insbesondere im Hinblick auf seine besonderen Kenntnisse des Pressekodex - entsprechend kundig zu machen.

22

4. Dem folgt der Senat nicht.

23

Es kann dahinstehen, ob die Bezeichnung des Zeugen T als „Rabauken-Jäger“ überhaupt eine tatbestandsmäßige Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt (a). Diese wäre in jedem Falle gemäß § 193 StGB zu Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt (b).

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a. Das tatbestandsmäßige Verhalten in § 185 StGB wird als „Beleidigung“ beschrieben, ohne diesen Begriff näher zu erläutern. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine solche bei einem Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung vor (BGHSt 1, 289; 11, 67; 16, 63; 36, 148, vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage, § 185 Rn. 4 m.w.N.). Diese kann den ethischen Wert einer Person betreffen, den diese nach außen infolge ihres Verhaltens hat, oder den sozialen Wert, den sie wegen ihrer Leistungen und Eigenschaften für die Erfüllung sozialer Sonderaufgaben hat, z.B. im Hinblick auf einen Beruf; dies ist unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände zu ermitteln (Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 8 m.w.N.). Insoweit kommen u.a. in Betracht die Anschauungen und Gebräuche der Beteiligten sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung gefallen ist (Fischer, a.a.O., § 185 a.a.O. m.w.N.). Maßgebend ist diesbezüglich, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht (Fischer, a.a.O. § 185 a.a.O. m.w.N.). Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 2009 - 1 BvR 2272/04 -, juris). Der Vorsatz des Täters muss das Bewusstsein umfassen, dass die Äußerung nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung darstellt (Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 17).

25

Dazu ist vorliegend zunächst festzustellen, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Äußerung bei isolierter Betrachtung eine ehrverletzende Komponente und damit einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht enthält. Auf der einfachen Sinn- und Deutungsebene ohne Einbeziehung weiterer Umstände hat die Bezeichnung des Zeugen T als „Rabauken-Jäger“ aus der Sicht eines verständigen Dritten in gewissem Maße herabsetzenden Charakter.

26

Unter Hinzuziehung weiterer Umstände relativiert sich diese Herabsetzung jedoch bereits. Schon begrifflich enthält die Bezeichnung als „Rabauken-Jäger“ eine Einschränkung dergestalt, dass sie sich allein auf die ausgeübte Tätigkeit des Zeugen T als Jäger beschränkt und eben gerade nicht die Gesamtpersönlichkeit des Zeugen in den Blick nimmt und kritisiert. Das wird im weiteren Kontext noch dadurch bestätigt, dass zugunsten des Zeugen ausgeführt wird, ein auf eine entsprechende Gesamtpersönlichkeit hindeutendes Verhalten sei im Kollegenkreis nicht bekannt. Die Betroffenheit des Zeugen durch Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ beschränkt sich damit auf einen auf einem konkreten Lebenssachverhalt beruhenden und nur darauf beschränkten Vorwurf. Entgegen der Auffassung der Kammer suggeriert der Artikel auch nicht, dass der Zeuge T das Wild selbst erlegt und dann abtransportiert habe. Der dem Abtransport zu Grunde liegende Vorgang wird vielmehr vollständig offengelassen.

27

Auch die Verwendung des Begriffs des „Rabauken“ selbst stellt sich im Vergleich mit anderen denkbaren herabsetzenden Bezeichnungen aus Sicht des Senats als eher harmlose Herabsetzung dar (so beispielsweise schon im Vergleich zur Bezeichnung „Drecksjäger“ oder „fieser Wildschleifer“). Der Begriff selbst, der in die deutsche Sprache erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts Eingang gefunden hat und im Grimm'schen Wörterbuch der deutschen Sprache noch nicht verzeichnet ist, bezeichnet salopp und abwertend einen rohen (gewalttätigen) Jugendlichen oder jungen Mann, der sich laut und ungesittet benimmt [Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)]. Das entspricht auch dem aktuellen Sprachgebrauch (vgl. nur Beispiele bei WDG u.a.).

28

Im Kontext des inkriminierten Artikels relativiert sich diese - ohnehin milde - Herabsetzung noch weiter: Schon die Diskrepanz des nach allgemeinem Sprachgebrauch zentralen Verwendungskontextes (junger ungestümer Mann) und den vom Angeklagten getroffenen - zutreffenden - Feststellungen zur Person des Zeugen T als eines älteren Herrn lassen aus der Sicht des objektiven Betrachters eine feuilletonistisch-ironisierende Verwendung dieses Begriffes erkennen. Dies ist im Rahmen einer zu Gunsten des Angeklagten nicht ausschließbaren Auslegung zumindest vorstellbar. Eine solche Auslegung zu Gunsten des Angeklagten wird durch den deutlich ironisierenden Kontext, der das eher unreife Verhalten einer sich nunmehr seiner Untat bewusst gewordenen Person beschreibt, die sich möglicherweise vor Scham über ihr Verhalten im Wald „verkriecht“, gestützt. Dass der Angeklagte mit dieser Bezeichnung allein die Ungesittetheit (vgl. obige Definition) des Verhaltens des Zeugen in den Mittelpunkt der Kritik rückt, zeigt sich auch daran, dass er schwerere Vorwürfe (nämlich der Strafbarkeit des Verhaltens) wohlweislich nur als Frage in den Raum stellt und damit bewusst - wenn auch mit gewisser Tendenz zu Lasten des Zeugen - offen lässt. Eine deutliche Relativierung dieser Mutmaßungen enthält auch - für den Leser sogar hervorgehoben - die Untertitelung des Bildes „hat wohl Konsequenzen, zumindest laut Straßenverkehrsordnung“. Zusammenfassend relativiert sich der Sinn der Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ daher dahingehend, dass dem Zeugen für einen Teilbereich seines Handelns ein nicht normgerechtes, ungesittetes Verhalten vorgeworfen wird.

29

Es erscheint deshalb durchaus zweifelhaft, ob damit überhaupt die Voraussetzungen der Missachtung des ethischen oder sozialen Wertes des Zeugen T im Sinne des § 185 StGB erfüllt sind.

30

b. Jedenfalls ist diese Äußerung als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB nicht strafbar.

31

Danach ist nicht jede ehrherabsetzende Äußerung gemäß § 185 StGB strafbar. Der Ehrenschutz des Opfers einer Beleidigung steht nämlich regelmäßig im Widerstreit mit der Äußerungsfreiheit des Täters, die ihrerseits dem besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, hier zudem in der besonderen Ausprägung der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, unterliegt. Zwar findet dieses Grundrecht schon nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranke im Recht der persönlichen Ehre. Dies führt jedoch aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Grundrechts für eine pluralistische Demokratie nicht dazu, dass per se jede ehrangreifende Äußerung der Strafandrohung der §§ 185 ff. StGB unterliegt. Vielmehr müssen beide Rechtspositionen bei der Anwendung des einfachen Rechts in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Dies erfolgt über eine Gesamtabwägung aller Umstände.

32

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder die Kundgabe eines Werturteils, einer Meinung, darstellt. Während bei Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund steht, sind Meinungen durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage und durch die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt (BVerfG, NJW 1994, 1779). Der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG bezieht sich grundsätzlich auf Letzteres. Ob eine Äußerung eine Tatsache oder ein Werturteil beinhaltet, bestimmt sich grundsätzlich nach der Nachprüfbarkeit ihrer zugrundeliegenden Wahrheitsbehauptung. Vorliegend lässt sich die Bezeichnung als „Rabauken-Jäger“ - wie auch vom Landgericht so gesehen - allein als Werturteil, nämlich als aus einem tatsächlichen Geschehen abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich der charakterlichen Einstellung des Jägers definieren. Diese wertende Schlussfolgerung fällt daher in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.

33

Liegt damit eine dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallende Meinungsäußerung des Angeklagten vor, hat diese gegenüber dem Persönlichkeitsschutz des Opfers nur dann von vornherein zurückzutreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt (BVerfG NJW 1999, 2262 [2263]; NJW 2009, 3016; zuletzt soweit ersichtlich: 29.06.2016,1 BvR 2646/15). Gleiches kann gelten, wenn Meinungsäußerungen mit Tatsachenbehauptungen verbunden und letztere erwiesen unwahr sind (BVerfG NJW 1994, 1779 [1780]).

34

c. Solches ist hier nicht der Fall.

35

aa. Von einem Angriff auf die Menschenwürde des Zeugen T in dem Sinn, dass ihm die personale Würde abgesprochen, er als unterwertiges Wesen beschrieben werden sollte (vgl. BVerfG, NJW 1987, 2261 [2262]), kann im Hinblick auf die Wortwahl, die Umstände der Äußerung, ihren Inhalt und ihr Argumentationsziel nicht die Rede sein. Vielmehr wird - wenn auch mit harschen Worten - Kritik am Zeugen, beschränkt auf ein konkretes ihm vorgeworfenes Verhalten - das Ziehen eines toten Wildtieres mittels eines PKW über eine Straße - geübt und gerade nicht seine gesamte personale Würde in Zweifel gezogen. Eine solche Annahme scheitert schon daran, dass dem Zeugen T im inkriminierten Artikel aufgrund der vom Angeklagten festgestellten Nichterreichbarkeit menschliche Scham und Einsicht in sein vorgeblich unrechtmäßiges Tun unterstellt werden (vgl. den ersten Absatz des Artikels).

36

bb. Ebenso verhält es sich bei der Frage nach dem Vorliegen einer Formalbeleidigung, deren Kennzeichen es ist, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt ergibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016, 1 BvR 2646/15). Auch davon kann keine Rede sein; der Angriff auf den Zeugen T ergibt sich aus dem Inhalt der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerung und nicht aus ihrer Form.

37

cc. Die Meinungsfreiheit müsste daher vorliegend nur dann gegenüber dem Ehrenschutz des Opfers zurücktreten, wenn es sich bei der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerung um eine Schmähkritik handeln würde. Schmähkritik, die als solche nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt ist und deshalb eine Abwägung obsolet macht, liegt nur unter engen Voraussetzungen vor (BVerfG, Beschl. v. 28.09.2015, 1 BvR 3217/14; Beschl. v. 12.05.2009, 1 BvR 2272/04; BVerfGE 93, 266 (294); BVerfG NJW 1994, 2413). Dabei sind strenge Maßstäbe anzuwenden (BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016, 1 BvR 2646/15;). Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Sie wäre gegeben, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person und ihre Herabsetzung im Vordergrund stünde (vgl. BVerfGE 82, 272). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor (BVerfGE 93, 266, 294).

38

Dies ist jedoch vorliegend gerade nicht der Fall. Zwar tritt das nach der Überschrift des inkriminierten Artikels scheinbar vorrangige Thema der durch das - unstreitige - Verhalten des Zeugen T entstandenen Unruhe in den sozialen Medien sehr schnell in den Hintergrund und der Angeklagte widmet sich sodann fast ausschließlich der Person des Zeugen T und dessen Verhalten. Dies geschieht auch in sehr überspitzter feuilletonistischer und zum Teil umgangssprachlicher Weise (“erst einmal abgetaucht, in seinem Jagdgebiet verkrochen, großen Mist gebaut“ Zitate im Indikativ statt Konjunktiv [„entzogen gehört“]), was eine gewisse holzschnittartige Grobheit in der Darstellung mit sich bringt. Dies geschieht jedoch mit jederzeit gewahrtem Sachbezug zum kritisierten Verhalten des Zeugen T. Das gilt sowohl für das das Tatgeschehen dokumentierende Foto, die Beschreibung dieses Geschehens als auch für die Darstellung der sich daran anschließenden Nachforschungen zur Person des Zeugen T, die jeweils den Sachbezug zu dessen - unstreitigem - Verhalten wahren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts (und des Beschwerdeausschusses des Presserates) waren die letztlich die Identifizierung ermöglichenden Angaben zu seiner gesellschaftlichen Rolle in der Gegend nicht zwingend darauf angelegt, den Zeugen T zu diffamieren bzw. an den Pranger zu stellen. Vielmehr hat all dies seinen Sachbezug darin, dass einer - entgegen der Auffassung des Landgerichts - in dem hier relevanten ländlichen Raum auf Grund seiner früheren Aktivitäten gesellschaftlich herausgehobenen Persönlichkeit wie dem Zeugen T ein besonders kritischer Blick auf ihr sonstiges Verhalten zuzumuten ist.

39

dd. Handelt es sich hiernach um eine Meinungsäußerung, die die vorgenannten Grenzen zur Schmähkritik nicht überschreitet, ist eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit/Pressefreiheit und Ehrenschutz geboten, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falls zu berücksichtigen sind und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt (BVerfG NJW 1996, 1529; 1999, 2262 [2263]). Dabei gilt zuvorderst die Feststellung, dass keinem Rechtsgut der abstrakte Vorrang gebührt. Die Verfassung schützt sowohl die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs.1 GG) als auch die Integrität der persönlichen Ehre als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG. Das Prinzip praktischer Konkordanz sieht in solchen Kollisionsfällen vor, dass ein möglichst schonender Ausgleich zu größtmöglicher Erhaltung der konkurrierenden Interessen führen soll. Für diese Abwägung sind das Ausmaß der Betroffenheit, die Motive und Zwecke sowie die Plumpheit und Aggressivität der Äußerung zu berücksichtigen (vgl. LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 193 StGB Rn. 6).

40

Die vom Senat nach diesen Kriterien vorzunehmende rechtliche Abwägung führt zum Vorrang der Meinungsfreiheit/Pressefreiheit. Angesichts der tatsächlichen Umstände des in dem Artikel berichteten Geschehens erscheint die im Begriff des „Rabauken-Jägers“ zum Ausdruck kommende Kritik noch als angemessen und verhältnismäßig.

41

Im Hinblick auf das in diese Abwägung einzustellende Persönlichkeitsrecht des Zeugen T gilt Folgendes: Die Kritik gilt dem Verhalten des Zeugen in der Öffentlichkeit. Dieses verdient von vornherein nur einen eingeschränkten Schutz vor Kritik. Jedermann muss jederzeit damit rechnen, dass sein Verhalten in der Öffentlichkeit - im Gegensatz zum Verhalten in den eigenen vier Wänden - von derselben, insbesondere von der Presse, kritisch gewürdigt wird. Das Verhalten des Zeugen in der Öffentlichkeit ist damit von vornherein weniger schutzwürdig als ein solches im privaten Raum.

42

Ein Verhalten im öffentlichen Raum genießt dabei umso weniger Schutz vor Kritik, je mehr es berechtigten Anlass zu einer solchen liefert. Gemessen daran erweist sich das Verhalten des Zeugen T als durchaus kritikwürdig. Bei der Beseitigung von Fallwild handelt es sich um Jagdausübung. Damit unterfällt das Verhalten des Zeugen T den Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BJagdG. Danach hat der die Jagd Ausübende in Ansehung des Gebotes, das Wild als Geschöpf der Natur zu achten, dieses auch entsprechend zu behandeln. Zudem hat er zur Wahrung des Ansehens der Jägerschaft den Jagdbetrieb diszipliniert auszuüben (vgl. näher Schuck, BJagdG, 2. Aufl. 2015, § 1 Rdn. 27ff. M.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht das Abschleppen eines toten Wildtieres mittels PKW und Seil auf öffentlicher Straße erkennbar nicht. Die Schutzwürdigkeit des Zeugen vor auch heftiger Kritik ist deshalb angesichts seines nicht weidgerechten Verhaltens in erheblichem Maße abgesenkt. Ob sein Vorgehen aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt oder entschuldigt gewesen ist oder nicht, ändert an der Feststellung des objektiven Fehlverhaltens nichts, zumal dazu zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels noch keine Erkenntnisse vorlagen.

43

Auf der anderen Seite bestand angesichts des bereits in der Öffentlichkeit in Gang befindlichen Diskussionsprozesses über die Legitimität dieses Verhaltens ein berechtigtes und damit schutzwürdiges Interesse des Angeklagten als Vertreter der Presse über diesen Sachverhalt zu berichten. Er war auch berechtigt, darüber zu einem Zeitpunkt zu berichten, zu dem dieses Thema noch nichts an Aktualität eingebüßt hatte. Zu Lasten des Angeklagten könnte daher allenfalls in die Abwägung einbezogen werden, nicht ausreichend die Möglichkeit von Entschuldigungs- oder Rechtfertigungsgründen (wegen Gefahrenabwehr im Straßenverkehr) für dieses Verhalten in den Blick genommen zu haben, sondern einseitig zu Lasten des Zeugen T von einer straf- oder bußgeldrechtlichen Vorwerfbarkeit seines Verhaltens ausgegangen zu sein. Einer solchen Erwägung steht aber schon entgegen, dass sich der Angeklagte nach den Feststellungen vergeblich bemüht hatte, den Zeugen T zu erreichen. Weitere Bemühungen können ihm in Ansehung der Notwendigkeit aktueller Berichterstattung auf der einen Seite und des erkennbar vorliegenden objektiv normwidrigen Verhaltens des Jägers sowie der darüber bereits in den sozialen Medien geführten öffentlichen Diskussion auf der anderen Seite nicht abgefordert werden. Das Unterlassen weiterer Sachverhaltsaufklärung kann daher nicht in die Abwägung zu Lasten des Angeklagten einfließen. Vielmehr war es dem objektiv pflichtwidrig handelnden Zeugen T zumutbar, Gesichtspunkte der Entschuldigung oder Rechtfertigung seines Verhaltens erst im öffentlichen Diskussionsprozess oder im Wege einer presserechtlichen Gegendarstellung vorzubringen. Das gilt nur dann nicht, soweit diese unmittelbar auf der Hand liegen und/oder vom Angeklagten etwa zur Ermöglichung einer reißerischen Berichterstattung bewusst verschwiegen wurden. Ein solches seinerseits nicht schutzwürdiges Verhalten des Angeklagten ist aber nicht erkennbar. Vielmehr spricht in diesem Zusammenhang zu seinen Gunsten, dass er sich zumindest kurz darum bemüht hat, eine Stellungnahme des Jägers zu erreichen und er erst dann den Artikel verfasst hat. In Ansehung von Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG wäre es nicht zumutbar, wollte man ihm unter der Drohung der Strafbarkeit von § 185 StGB abfordern, zu Lasten aktueller Berichterstattung im Rahmen seiner Berufsausübung weiter zuzuwarten. Im Rahmen der Meinungsäußerung muss es dann auch möglich sein, über die offen als unklar dargelegte Motivation oder die Hintergründe der Tathandlung zu spekulieren. Nichts anderes hat der Angeklagte unter Offenlegung der unklaren Tatsachenbasis getan.

44

Liegt damit ein berechtigtes Interesse des Angeklagten an der vorgenommenen Berichterstattung vor, ist die Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ nicht strafbar.

45

5. Auch soweit in dem vom Angeklagten verfassten Artikel der Begriff „Drecksjäger“ Verwendung findet, war der Angeklagte vom Vorwurf der Beleidigung freizusprechen.

46

Die bloße Weitergabe beleidigender Urteile Dritter ohne Hinzutreten weiterer Umstände stellt grundsätzlich keine Beleidigung dar. Die Bezeichnung „Drecksjäger“ ist entgegen der Auffassung der Kammer ein solches keiner Strafbarkeit gemäß § 185 StGB unterliegendes Drittzitat. Das Zitat ist einbettet in die Darstellung der Reaktion der sozialen Medien auf das Verhalten des Zeugen T. Es passt daher zur Überschrift des Artikels und auch zum abgedruckten Bild, das den sozialen Medien entnommen worden ist. Der Angeklagte referiert die Tatsache der Begriffsverwendung, ohne sie sich durch eine entsprechende Formulierung zu Eigen zu machen. Soweit er in diesem Zusammenhang in indirekter Rede die im sozialen Medium geäußerte Auffassung wiedergibt, dass „dem (Anm. des Senats: dem Zeugen T) sofort die Jagdlizenz entzogen gehört“ und er dabei statt des Konjunktivs „gehöre“ den Indikativ „gehört“ verwendet, kann dies nicht als Indiz der Selbstaneignung gewertet werden. Zu Gunsten des Angeklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich dabei lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. Auf die Frage, ob dieser Begriff ebenfalls von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt wäre, kommt es damit nicht an.

IV.

47

Da die Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung der §§ 185, 193 StGB auf die dem Urteil zugrunde liegenden - vollständigen und unstreitigen - Feststellungen erfolgt, war der Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1, 1. Alt. StPO freizusprechen.

V.

48

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Sept. 2016 - 20 RR 66/16

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Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Bundesjagdgesetz - BJagdG | § 1 Inhalt des Jagdrechts


(1) Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunde

Strafgesetzbuch - StGB | § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen


Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen we

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Sept. 2016 - 20 RR 66/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Sept. 2016 - 20 RR 66/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

Tenor 1. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2015 - (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 21. September 2015 - (3) 121 Ss 71/15 (96/15) - verletzen

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Sept. 2015 - 1 BvR 3217/14

bei uns veröffentlicht am 28.09.2015

Tenor 1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 15. Mai 2014 - 844 Cs 256 Js 158624/13 - und der Beschluss des Landgerichts München I vom 10. Juli 2014 - 26 Ns 256 Js 158624/13 - verletzen den Bes
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Sept. 2016 - 20 RR 66/16.

Oberlandesgericht Rostock Urteil, 20. Apr. 2018 - 20 RR 16/18

bei uns veröffentlicht am 20.04.2018

Tenor Die Revision der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 27.04.2017, soweit dieses den Angeklagten P. betrifft, wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen ha

Referenzen

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2015 - (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 21. September 2015 - (3) 121 Ss 71/15 (96/15) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rechtsanwalt. Seit Dezember 2009 vertrat er als Strafverteidiger den ersten Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Spendengeldern war. Dieses Ermittlungsverfahren erregte großes Medieninteresse.

3

2. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten. An der nicht öffentlichen Sitzung der Haftbefehlsverkündung nahm neben dem Beschwerdeführer auch die mit dem Verfahren betraute Staatsanwältin teil. Der Beschwerdeführer griff die Staatsanwältin im Laufe des Termins verbal an und verließ die Sitzung noch vor ihrer offiziellen Schließung. Der Beschwerdeführer war der Ansicht, sein Mandant werde zu Unrecht verfolgt und die erfolgten und drohenden Maßnahmen der Strafverfolgung seien ungerechtfertigt. Am Abend desselben Tages rief ein Journalist, der an einer Reportage über den Beschuldigten und das ihn betreffende Ermittlungsverfahren arbeitete und der über die Verhaftung im Bilde war, den Beschwerdeführer an. Nach den Feststellungen der Fachgerichte kannte der Beschwerdeführer den Journalisten nicht und wollte ihm keine Fragen beantworten oder ihm ein Interview mit dem Beschuldigten vermitteln, war jedoch immer noch wütend über den Verlauf der Ermittlungen und bezeichnete im Laufe des Telefonats die zuständige Staatsanwältin als

"dahergelaufene Staatsanwältin", "durchgeknallte Staatsanwältin", "widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin", "geisteskranke Staatsanwältin".

4

3. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Nach Einspruch des Beschwerdeführers verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Beleidigung. Auf die Berufung des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht das Urteil auf und sprach den Beschwerdeführer frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Kammergericht das freisprechende landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

5

4. Mit angegriffenem Urteil verurteilte das Landgericht den nicht vorbestraften Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120 €. Die Äußerungen seien ehrverletzend gewesen. Durch sie wären der Staatsanwältin in übertriebener Weise negative Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, ihr der sittliche und soziale Geltungswert abgesprochen und letztlich attestiert worden, grundsätzlich sozial minderwertig und beruflich unzulänglich zu sein. Eine Rechtfertigung nach § 193 StGB liege nicht vor. Anlass, Kontext und Zielrichtung der Äußerungen seien nicht mehr der Kampf um das Recht gewesen, sondern Ausdruck einer persönlichen Fehde gegen die ermittelnde Staatsanwältin, die einer haltlosen Verteufelung gleichkomme. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Äußerungen weder relativierend noch bezogen auf ganz bestimmte, einzelne Handlungen der Staatsanwältin abgezielt hätten, sondern sie insgesamt als Person und unabhängig von ihren Verhaltensweisen in den Vordergrund gestellt worden sei. Keine ihrer Ermittlungshandlungen sei konkret beanstandet worden. Der Beschwerdeführer habe zudem gar keinen Anlass gehabt, sich gegenüber dem mit dem Ermittlungsverfahren und dessen Einzelheiten selbst gar nicht befassten Journalisten über die Staatsanwältin in einer derartigen Form zu beschweren, nachdem der Journalist ihn lediglich um objektive Informationen zu dem "Spendenskandal" aus der Sicht des Mandanten des Beschwerdeführers gebeten habe.

6

5. Die Revision des Beschwerdeführers verwarf das Kammergericht mit angegriffenem Beschluss. Das Landgericht sei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesamtheit der Bezeichnungen einer Staatsanwältin als "dahergelaufen", "durchgeknallt", "widerwärtig, boshaft und dümmlich" sowie "geisteskrank" den Tatbestand der Beleidigung objektiv erfülle und nicht gerechtfertigt sei. Es habe festgestellt und in seine Würdigung einbezogen, dass die Äußerungen außerhalb des Gerichtssaals und damit des Kernbereichs des "Kampfs ums Recht" gefallen seien und im konkreten Kontext keinen konstruktiven Bezug zu einzelnen Ermittlungshandlungen der Staatsanwältin gehabt hätten. Revisionsrechtlich beanstandungsfrei habe das Landgericht ausgeschlossen, dass die Äußerung - gewissermaßen im umgangssprachlichen Sinne einer durchgebrannten Sicherung - lediglich zum Ausdruck hätten bringen sollen, dass bei den Ermittlungen Fehler gemacht worden seien. Dabei habe das Landgericht Anlass und Verwendungskontext ausführlich dargestellt und gewürdigt. Es hätte auch in noch ausreichender Dichte das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit abgewogen.

7

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, eine Verletzung des Willkürverbotes des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Verletzung des Rechtes auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

7. Der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit mit ihr eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt wird. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt insbesondere für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Umfang der Annahme zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

12

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

13

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

14

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

15

b) Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.

16

aa) Das Landgericht geht bei seiner Verurteilung ohne hinreichende Begründung vom Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähkritik aus. Es verwendet den Begriff der Schmähkritik zwar nicht ausdrücklich, stellt aber darauf ab, die inkriminierten Äußerungen seien Ausdruck einer persönlichen Fehde und stellten die Beleidigte als Person in den Vordergrund. Dementsprechend unterlässt es die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, worin ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Fehler liegt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

17

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

18

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Landgericht verkannt. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes stand. Der Beschwerdeführer reagierte auf einen Anruf von einem mit dem Verfahrensstand vertrauten Journalisten, der ihn in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger zu dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten und dessen Inhaftierung befragte. In diesem Kontext ist es jedenfalls möglich, dass sich die inkriminierten Äußerungen auf das dienstliche Verhalten der Staatsanwältin vor allem mit Blick auf die Beantragung des Haftbefehls bezogen. Für die Annahme einer Schmähkritik reicht es unter diesen Umständen nicht, wenn das Landgericht nur darauf abstellt, dass die Äußerungen dabei nicht relativiert oder auf ganz bestimmte einzelne Handlungen der betreffenden Staatsanwältin Bezug nahmen. Es hätte insoweit in Auseinandersetzung mit der Situation näherer Darlegungen bedurft, dass sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren.

19

So lange solche Feststellungen nicht tragfähig unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten getroffen sind, hätte das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen dürfen, ohne eine Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehlt es hier. Auch das Kammergericht hat diese nicht nachgeholt, denn es verweist lediglich auf eine "noch hinreichende" Abwägung durch das Landgericht, die indes nicht stattgefunden hat.

20

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung zu einer anderen Entscheidung kommen werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass ein Anwalt grundsätzlich nicht berechtigt ist, aus Verärgerung über von ihm als falsch angesehene Maßnahmen einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts diese gerade gegenüber der Presse mit Beschimpfungen zu überziehen. Insoweit muss sich im Rahmen der Abwägung grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen durchsetzen. Wie hier die Abwägung - die sich gegebenenfalls auch auf die Strafzumessung auswirkt - unter näherer Würdigung der Umstände ausfällt, obliegt jedoch fachgerichtlicher Würdigung.

21

3. Soweit der Beschwerdeführer auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

22

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 15. Mai 2014 - 844 Cs 256 Js 158624/13 - und der Beschluss des Landgerichts München I vom 10. Juli 2014 - 26 Ns 256 Js 158624/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: Fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer war im Dezember 2012 von seiner Nachbarin wegen Beleidigung und Bedrohung angezeigt worden. Die Anzeigeerstatterin äußerte in diesem Verfahren schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass der Beschwerdeführer die gesamte Nachbarschaft einschüchtere, aus seiner Wohnung im dritten Obergeschoss eine Person mit einer Flasche beworfen habe sowie auf Tauben geschossen und auf der Straße ein Kind geschlagen habe. Sie regte wegen der möglichen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers "eine Durchsuchung beziehungsweise Überprüfung" an.

3

Die Staatsanwaltschaft verwies die Anzeigeerstatterin auf den Privatklageweg. Zur Vorbereitung der Privatklage beantragte sie einen Sühneversuch gemäß § 380 StPO. Der Beschwerdeführer wurde von der für den Sühneversuch zuständigen Behörde zur Stellungnahme hinsichtlich der Beleidigungs- und Bedrohungsvorwürfe aufgefordert und äußerte sich wie folgt:

"die (…) erhobenen Behauptungen weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.

Frau … leidet offenkundig an Wahnvorstellungen, die Vorwürfe sind frei erfunden.

Die Behauptung, ich würde aus meiner Wohnung scharf auf Tauben schießen, ist eine Ungeheuerlichkeit. (…)

Die Behauptung, daß Nachbarn dies beobachtet haben sollen, ist eine glatte Lüge und eine unglaubliche Frechheit.

Ebenso unglaublich ist die Behauptung, ich hätte auf einen Menschen eine Flasche aus dem Fenster geworfen und ein Kind geschlagen. Beides ist frei erfunden. Ich hab auch niemanden beleidigt und bedroht.

(…)

Die Anregung, aufgrund dieser vorgebrachten "Tatsachen" meine Wohnung zu durchsuchen ist der Gipfel der Dreistigkeit und beweist, dass Frau … mittlerweile den Bezug zur Realität völlig verloren hat. Nur eine Psychopathin kann auf eine solche Idee kommen. (…)

Die Ursache für die offenkundige psychische Erkrankung ist mir natürlich nicht bekannt, ebenso wenig kann ich beurteilen, ob die Störungen temporär oder dauerhafter Natur sind, deshalb rege ich an, dass Frau ... einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen und sie gegebenenfalls dauerhaft oder vorübergehend in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen."

4

Dieses Schreiben ist Gegenstand des Ausgangsverfahrens.

5

2. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Er legte Einspruch ein mit der dem Schreiben ähnlichen Begründung, dass die Vorwürfe der Anzeigeerstatterin frei erfunden seien. Sie betreibe Rufmord und habe bereits in der Vergangenheit - nicht haltbare - Vorwürfe gegen ihn erhoben. Dies könne er sich nur damit erklären, dass sie jeglichen Bezug zur Realität verloren habe.

6

3. Mit Urteil vom 15. Mai 2014 verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 30,00 €. Die Äußerungen seien keine Werturteile und berechtigte Äußerungen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht gerechtfertigt gehandelt.

7

4. Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 10. Juli 2014 als unzulässig gemäß § 313 StPO, da der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen verurteilt worden sei und die Berufung offensichtlich unbegründet sei (§ 313 Abs. 1 und 2 StPO). Bei den Äußerungen handle es sich mangels medizinischer Erkenntnisse offensichtlich um Schmähkritik. Wegen des zeitlichen Abstands des Schreibens des Beschwerdeführers zu der Anzeige lägen auch die Voraussetzungen für die Straffreiheit der Äußerungen wegen wechselseitig begangener Beleidigungen (§ 199 StGB) nicht vor.

8

5. Mit der Verfassungsbeschwerde vom 1. Dezember 2014 wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts und den Beschluss des Landgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 und 3 GG sowie des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK.

9

6. Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt insbesondere für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Das Amtsgericht verkennt bereits, dass die inkriminierten Äußerungen in den Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit fallen, da sie durch die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet und deshalb als Werturteile anzusehen sind (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Meinungen sind durch die subjektive Beziehung zum Inhalt einer Aussage geprägt (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>) und genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Die polemische und verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 93, 266 <289>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, NJW 2009, S. 749).

14

b) Das Landgericht geht in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise vom Vorliegen von Schmähkritik aus. Wegen seines die Meinungsfreiheit schon grundsätzlich verdrängenden Effekts, der dazu führt, dass die Meinungsfreiheit noch nicht einmal in eine Abwägung mit den Rechten der Betroffenen eingestellt wird, hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>).

15

Aus dem Gesamtzusammenhang ist ersichtlich, dass es dem Beschwerdeführer eben nicht um eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung ging. Der Beschwerdeführer äußerte sich im Rahmen des von einer Behörde durchgeführten Sühneverfahrens zu den Vorwürfen der Anzeigeerstatterin und zieht ihre geistige Gesundheit angesichts der - seiner Ansicht nach - aus der Luft gegriffenen Vorwürfe in Zweifel. Dem Beschwerdeführer ging es hierbei nicht ausschließlich um die Diffamierung der Anzeigeerstatterin, sondern in erster Linie um die Verteidigung gegen die aus seiner Sicht haltlosen und abstrusen Vorwürfe. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage.

16

c) Beide Gerichte unterlassen zu Unrecht die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Anzeigeerstatterin. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer, der sich gegen die seiner Meinung nach nicht gerechtfertigten Vorwürfe der Anzeigeerstatterin und dabei auch gegen deren Anregung, bei ihm eine Wohnungsdurchsuchung durchzuführen, verteidigte, sich in einer rechtlichen Auseinandersetzung befand. Dabei ist ihm zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich erlaubt, auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (vgl. BVerfGE 76, 171 <192>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Februar 2012 - 1 BvR 2883/11 -, NJW-RR 2012, S. 1002 <1003> m.w.N.).

17

d) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

18

3. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 20 Abs. 1 und 3 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da es an einer Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers fehlt.

19

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2015 - (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 21. September 2015 - (3) 121 Ss 71/15 (96/15) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rechtsanwalt. Seit Dezember 2009 vertrat er als Strafverteidiger den ersten Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Spendengeldern war. Dieses Ermittlungsverfahren erregte großes Medieninteresse.

3

2. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten. An der nicht öffentlichen Sitzung der Haftbefehlsverkündung nahm neben dem Beschwerdeführer auch die mit dem Verfahren betraute Staatsanwältin teil. Der Beschwerdeführer griff die Staatsanwältin im Laufe des Termins verbal an und verließ die Sitzung noch vor ihrer offiziellen Schließung. Der Beschwerdeführer war der Ansicht, sein Mandant werde zu Unrecht verfolgt und die erfolgten und drohenden Maßnahmen der Strafverfolgung seien ungerechtfertigt. Am Abend desselben Tages rief ein Journalist, der an einer Reportage über den Beschuldigten und das ihn betreffende Ermittlungsverfahren arbeitete und der über die Verhaftung im Bilde war, den Beschwerdeführer an. Nach den Feststellungen der Fachgerichte kannte der Beschwerdeführer den Journalisten nicht und wollte ihm keine Fragen beantworten oder ihm ein Interview mit dem Beschuldigten vermitteln, war jedoch immer noch wütend über den Verlauf der Ermittlungen und bezeichnete im Laufe des Telefonats die zuständige Staatsanwältin als

"dahergelaufene Staatsanwältin", "durchgeknallte Staatsanwältin", "widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin", "geisteskranke Staatsanwältin".

4

3. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Nach Einspruch des Beschwerdeführers verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Beleidigung. Auf die Berufung des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht das Urteil auf und sprach den Beschwerdeführer frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Kammergericht das freisprechende landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

5

4. Mit angegriffenem Urteil verurteilte das Landgericht den nicht vorbestraften Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120 €. Die Äußerungen seien ehrverletzend gewesen. Durch sie wären der Staatsanwältin in übertriebener Weise negative Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, ihr der sittliche und soziale Geltungswert abgesprochen und letztlich attestiert worden, grundsätzlich sozial minderwertig und beruflich unzulänglich zu sein. Eine Rechtfertigung nach § 193 StGB liege nicht vor. Anlass, Kontext und Zielrichtung der Äußerungen seien nicht mehr der Kampf um das Recht gewesen, sondern Ausdruck einer persönlichen Fehde gegen die ermittelnde Staatsanwältin, die einer haltlosen Verteufelung gleichkomme. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Äußerungen weder relativierend noch bezogen auf ganz bestimmte, einzelne Handlungen der Staatsanwältin abgezielt hätten, sondern sie insgesamt als Person und unabhängig von ihren Verhaltensweisen in den Vordergrund gestellt worden sei. Keine ihrer Ermittlungshandlungen sei konkret beanstandet worden. Der Beschwerdeführer habe zudem gar keinen Anlass gehabt, sich gegenüber dem mit dem Ermittlungsverfahren und dessen Einzelheiten selbst gar nicht befassten Journalisten über die Staatsanwältin in einer derartigen Form zu beschweren, nachdem der Journalist ihn lediglich um objektive Informationen zu dem "Spendenskandal" aus der Sicht des Mandanten des Beschwerdeführers gebeten habe.

6

5. Die Revision des Beschwerdeführers verwarf das Kammergericht mit angegriffenem Beschluss. Das Landgericht sei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesamtheit der Bezeichnungen einer Staatsanwältin als "dahergelaufen", "durchgeknallt", "widerwärtig, boshaft und dümmlich" sowie "geisteskrank" den Tatbestand der Beleidigung objektiv erfülle und nicht gerechtfertigt sei. Es habe festgestellt und in seine Würdigung einbezogen, dass die Äußerungen außerhalb des Gerichtssaals und damit des Kernbereichs des "Kampfs ums Recht" gefallen seien und im konkreten Kontext keinen konstruktiven Bezug zu einzelnen Ermittlungshandlungen der Staatsanwältin gehabt hätten. Revisionsrechtlich beanstandungsfrei habe das Landgericht ausgeschlossen, dass die Äußerung - gewissermaßen im umgangssprachlichen Sinne einer durchgebrannten Sicherung - lediglich zum Ausdruck hätten bringen sollen, dass bei den Ermittlungen Fehler gemacht worden seien. Dabei habe das Landgericht Anlass und Verwendungskontext ausführlich dargestellt und gewürdigt. Es hätte auch in noch ausreichender Dichte das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit abgewogen.

7

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, eine Verletzung des Willkürverbotes des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Verletzung des Rechtes auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

7. Der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit mit ihr eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt wird. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt insbesondere für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Umfang der Annahme zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

12

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

13

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

14

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

15

b) Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.

16

aa) Das Landgericht geht bei seiner Verurteilung ohne hinreichende Begründung vom Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähkritik aus. Es verwendet den Begriff der Schmähkritik zwar nicht ausdrücklich, stellt aber darauf ab, die inkriminierten Äußerungen seien Ausdruck einer persönlichen Fehde und stellten die Beleidigte als Person in den Vordergrund. Dementsprechend unterlässt es die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, worin ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Fehler liegt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

17

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

18

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Landgericht verkannt. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes stand. Der Beschwerdeführer reagierte auf einen Anruf von einem mit dem Verfahrensstand vertrauten Journalisten, der ihn in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger zu dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten und dessen Inhaftierung befragte. In diesem Kontext ist es jedenfalls möglich, dass sich die inkriminierten Äußerungen auf das dienstliche Verhalten der Staatsanwältin vor allem mit Blick auf die Beantragung des Haftbefehls bezogen. Für die Annahme einer Schmähkritik reicht es unter diesen Umständen nicht, wenn das Landgericht nur darauf abstellt, dass die Äußerungen dabei nicht relativiert oder auf ganz bestimmte einzelne Handlungen der betreffenden Staatsanwältin Bezug nahmen. Es hätte insoweit in Auseinandersetzung mit der Situation näherer Darlegungen bedurft, dass sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren.

19

So lange solche Feststellungen nicht tragfähig unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten getroffen sind, hätte das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen dürfen, ohne eine Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehlt es hier. Auch das Kammergericht hat diese nicht nachgeholt, denn es verweist lediglich auf eine "noch hinreichende" Abwägung durch das Landgericht, die indes nicht stattgefunden hat.

20

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung zu einer anderen Entscheidung kommen werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass ein Anwalt grundsätzlich nicht berechtigt ist, aus Verärgerung über von ihm als falsch angesehene Maßnahmen einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts diese gerade gegenüber der Presse mit Beschimpfungen zu überziehen. Insoweit muss sich im Rahmen der Abwägung grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen durchsetzen. Wie hier die Abwägung - die sich gegebenenfalls auch auf die Strafzumessung auswirkt - unter näherer Würdigung der Umstände ausfällt, obliegt jedoch fachgerichtlicher Würdigung.

21

3. Soweit der Beschwerdeführer auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

22

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden.

(2) Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen; auf Grund anderer Vorschriften bestehende gleichartige Verpflichtungen bleiben unberührt. Die Hege muß so durchgeführt werden, daß Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.

(3) Bei der Ausübung der Jagd sind die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten.

(4) Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild.

(5) Das Recht zur Aneignung von Wild umfaßt auch die ausschließliche Befugnis, krankes oder verendetes Wild, Fallwild und Abwurfstangen sowie die Eier von Federwild sich anzueignen.

(6) Das Jagdrecht unterliegt den Beschränkungen dieses Gesetzes und der in seinem Rahmen ergangenen landesrechtlichen Vorschriften.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.