Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08

bei uns veröffentlicht am26.02.2009

Tenor

1.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 27.06.2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis zu 65.000,00 EUR

Gründe

1.

1

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Sie ist nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Der Beklagte ist mit Hinweisschreiben vom 06.11.2008 auf das beabsichtigte Vorgehen hingewiesen worden. Seine Stellungnahmen geben keinen Anlass, die Erfolgsaussicht seiner Berufung abweichend vom Hinweisschreiben vom 06.11.2008 zu beurteilen.

a.

2

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch eine sogenannte Abschichtungsvereinbarung aus der Erbengemeinschaft der am 02.04.1985 verstorbenen E. B., geb. M. ausgeschieden ist.

(1)

3

Miterben können gegen Abfindung einverständlich aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden (sogenannte Abschichtung). Ein entsprechendes Aufgeben der Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft, insbesondere auf das Auseinandersetzungsguthaben, ist eine Gestaltungsmöglichkeit der vom Gesetz formfrei zugelassenen vertraglichen Erbauseinandersetzung und nicht als Verfügung über den Erbteil i. S. v. § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen (vgl. § 738 BGB). Als Folge des Ausscheidens aus der Erbengemeinschaft wächst der Erbteil des ausgeschiedenen den verbleibenden Miterben kraft Gesetzes an (ständ. Rechtsprechung; vgl. u. a. BGH, Urt. v. 21.01.1998, IV ZR 346/96, NJW 1998, 1557; Urt. v. 27.10.2004, IV ZR 174/03, NJW 2005, 284; KG, Urt. v. 05.07.2006, 25 U 52/05, ErbR 2008, 399, 400 ff.).

4

Das Formerfordernis greift nur, aber auch immer dann ein, wenn die Abfindung darin bestehen soll, dass der Erbe ein Grundstück oder einen GmbH-Anteil im Wege der Abschichtung aus dem Nachlass erhalten soll (vgl. u. a. Graf, Nachlassrecht, 9. Aufl. [2008], Ziff. 4.875).

5

Die Frage, ob eine Abschichtung eine Abfindung voraussetzt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Sie stellt sich im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht, weil der Beklagte die Vereinbarung einer Abschichtungsvereinbarung mit einer Abfindung behauptet hat und weil - unstreitig - mit dem Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft der verstorbene Ehemann der Klägerin von etwaigen Verbindlichkeiten und Schulden betreffend den Nachlass befreit worden wäre.

(2)

6

Der Beklagte hat eine solche Abschichtungsvereinbarung zwar behauptet, den ihm obliegenden Beweis aber nicht geführt. Es verbleiben jedenfalls letzte nicht ausgeräumte Zweifel daran, ob seine Behauptung wahr ist selbst unter Berücksichtigung dessen, dass wegen des langen Zeitablaufs keine überhöhten Anforderungen an eine Beweisführung zu stellen sind. Das Landgericht hat sich nach Vernehmung der von dem Beklagten benannten Zeugin S. nicht die nötige Überzeugung davon bilden können, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin mit seinen Miterben nach Frau E. B. vereinbart hat, er scheide unmittelbar aus der Erbengemeinschaft aus. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist keinen durchgreifenden Einwänden ausgesetzt. Der Beklagte setzt lediglich seine Beweiswürdigung an die Stelle der des Landgerichts.

7

Die Aussage der Zeugin S. lässt sich durchaus dahin verstehen, dass man zwar über ein Ausscheiden des Ehemannes der Klägerin aus der Erbengemeinschaft nach Frau E. B. gesprochen, aber eine endgültige und verbindliche Regelung noch nicht getroffen hat und auch nicht hat treffen wollen. Denkbar, wenn nicht sogar lebensnah ist vielmehr, dass die Beteiligten erst noch die Frage der Abfindung haben endgültig klären wollen und insbesondere einen Ausgleich in Gestalt von LPG-Anteilen und im voraus erhaltenen Zuwendungen wie das von der Zeugin erwähnte Sparbuch. Die Erwägung des Landgerichts, ein Rechtsbindungswille der Beteiligten der Unterredung sei nicht hinreichend sicher feststellbar, ist danach überzeugend. Dies gilt umso mehr als es ungewöhnlich wäre, sich ohne konkrete Vorstellung über den Wert eines Nachlasses, zu dem Grundstück und Anteile an landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften mit einem erheblichen Wert gehört haben, "quasi ins Blaue hinein" auf eine Abschichtung im Rechtssinne einzulassen. Gerade der Umstand, dass es zulässig ist, eine Erbengemeinschaft formfrei durch Abschichtung teilauseinanderzusetzen, stellt erhöhte Anforderungen an die Feststellung eines Rechtsbindungswillens, der von der Zeugin gerade nicht durch Tatsachen bestätigt worden ist.

8

Auf einen Rechtsbindungswillen der Beteiligten kann insbesondere nicht wegen späterer Umstände rückgeschlossen werden. Soweit der Beklagte geltend macht, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe neun Jahre lang keinerlei Ansprüche auf den Nachlass oder aus dem Nachlass gestellt, lässt sich dies auch damit erklären, dass eine Erbauseinandersetzung gerade noch nicht erfolgt ist und auch nicht gewollt gewesen ist. Die Behauptung des Beklagten, es sei 1993 zu einem erheblichen Windbruch gekommen und die Beteiligten seien sich seinerzeit wiederum einig gewesen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden sei, hat die Zeugin S. gerade nicht bestätigt. Ihre Aussage,

9

"Einmal hat H. zu mir gesagt, wie dieser Windbruch war, was für ein Glück, dass wir beide nichts mehr damit zu tun haben. Ich habe selbst gesehen, wie zerstört der Wald gewesen ist, da war viel Arbeit zu machen."

10

muss nicht zwingend dahin verstanden werden, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin auch rechtlich im Sinne einer Mitbelastung seines Erbteils und nicht nur tatsächlich mit den Windbruchschäden nicht mehr befasst gewesen sei.

b.

11

Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Anders könnte es nur dann sein, wenn dieser Anspruch bereits am 02.10.1990 verjährt gewesen wäre. Denn ein Erbauseinandersetzungsanspruch und der zugehörige Auskunftsanspruch ist gemäß Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB nach den ab dem 03.10.1990 geltenden §§ 2042 Abs. 2, 758 BGB unverjährbar bzw. verjährt gem. §§ 195 BGB a.F., 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dreißig Jahren, wenn der in Anspruch genommene Miterbe im Besitz der Erbschaft ist (vgl. u.a. Staudinger/Werner, Kommentar zum BGB, 13. Aufl., § 2042 Rn. 48). Eine Verjährung des Anspruchs vor dem 03.10.1990 ist nicht gegeben, weil der Erbauseinandersetzungsanspruch und der zugehörige Auskunftsanspruch nicht unter § 474 Abs. 1 Nr. 3 ZGB zu subsumieren ist, wonach eine Verjährungsfrist von vier Jahren gilt. Denn richtigerweise fällt der Erbauseinandersetzungsanspruch, weil er auch Herausgabeansprüche beinhaltet, unter § 474 Abs. 1 Nr. 5 ZGB, der eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vorschreibt. Im Übrigen ist nicht dargetan, wann die Verjährungsfrist gemäß § 475 Nr. 2 ZGB i.V.m. Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB begonnen hat.

c.

12

Ebensowenig kommt eine Verwirkung in Betracht. Der Beklagte hat keinerlei Tatsachen dafür vorgebracht, dass das für den Verwirkungstatbestand erforderliche sogenannte Umstandsmoment erfüllt ist.

2.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 738 Auseinandersetzung beim Ausscheiden


(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat
Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08 zitiert 7 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2033 Verfügungsrecht des Miterben


(1) Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen. Der Vertrag, durch den ein Miterbe über seinen Anteil verfügt, bedarf der notariellen Beurkundung. (2) Über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen kann ein Miterbe n

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2042 Auseinandersetzung


(1) Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinandersetzung verlangen, soweit sich nicht aus den §§ 2043 bis 2045 ein anderes ergibt. (2) Die Vorschriften des § 749 Abs. 2, 3 und der §§ 750 bis 758 finden Anwendung.

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2004 - IV ZR 174/03

bei uns veröffentlicht am 27.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 174/03 Verkündet am: 27. Oktober 2004 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ BGB § 2042 Anteile
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 26. Feb. 2009 - 3 U 212/08.

Landgericht Rottweil Urteil, 14. Aug. 2015 - 2 O 267/14

bei uns veröffentlicht am 14.08.2015

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass im Rahmen einer zukünftigen Erbauseinandersetzung nach der Erblasserin J. L. der Beklagte verpflichtet ist, einer Erbauseinandersetzung insoweit zuzustimmen, als das Grundstück - Grundbuch von C., Grundstücksnumme

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 25. Nov. 2011 - 3 W 124/11

bei uns veröffentlicht am 25.11.2011

Tenor Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Landstuhl vom 2. September 2011 wird aufgehoben und das Amtsgericht - Grundbuchamt - Landstuhl angewiesen, über den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs unter Beachtung der Rechtsauff

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen. Der Vertrag, durch den ein Miterbe über seinen Anteil verfügt, bedarf der notariellen Beurkundung.

(2) Über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen kann ein Miterbe nicht verfügen.

(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(2) Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 174/03 Verkündet am:
27. Oktober 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Anteile von Miterben, die aus einer fortbestehenden Erbengemeinschaft durch
Teilauseinandersetzung ausscheiden, wachsen den in der Erbengemeinschaft
verbleibenden Miterben im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile an (Bestätigung von
BGHZ 138, 8, 11).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 174/03 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
27. Oktober 2004

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden - unter deren Zurückweisung im übrigen - das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgericht Celle vom 18. Juni 2003 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hannover vom 26. Juni 2002 teilweise geändert. Der Urteilsausspruch wird wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.036,35 € nebst 4% Zinsen auf 19.557,86 € seit dem 27. Juni 2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von ihrem Bruder, dem Beklag ten, Pflichtteilsergänzung nach der Mutter der Parteien.
Aus der Ehe der Eltern der Parteien sind fünf Kind er hervorgegangen. Der Vater verstarb 1983. Er wurde kraft Gesetzes von der Mutter zu 5/10 und von jedem der Kinder zu 1/10 beerbt. Durch Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 17. Oktober 1989 schieden drei Geschwister, darunter die Klägerin, gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Durch notariellen Vertrag vom 12. Januar 1990 übertrugen die Mutter und die in der Erbengemeinschaft nach dem Vater verbliebene Schwester ihre Erbanteile im Hinblick auf schon empfangene oder weitere Gegenleistungen auf den Beklagten; dieser stellte die beiden anderen Vertragsbeteiligten von der Erfüllung noch nicht erledigter Abfindungszahlungen aus dem Vertrag vom 17. Oktober 1989 frei. 1998 starb die Mutter der Parteien; es trat gesetzliche Erbfolge ein.
In der Übertragung der Erbanteile der Mutter nach dem Vater durch den Vertrag vom 12. Januar 1990 lag unstreitig eine gemischte Schenkung zugunsten des Beklagten. Deshalb verlangt die Klägerin Pflichtteilsergänzung. Die Parteien streiten im wesentlichen um die Höhe der Erbanteile, die der Mutter nach Ausscheiden der drei weiteren Geschwister durch den Vertrag vom 17. Oktober 1989 an der Erbengemeinschaft nach dem Vater zustanden. Nach Auffassung der Klägerin sind die Anteile der ausgeschiedenen Geschwister den in der Erbengemeinschaft verbliebenen Miterben im Verhältnis ihrer Erbteile angewachsen, so daß sich der Anteil der Mutter auf 5/7 erhöht hat. Nach Ansicht des Beklag-

ten, der die Vorinstanzen gefolgt sind, ist es dagegen nicht zu einer Anwachsung gekommen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Standpunkt weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat zum Teil Erfolg; sie führt zu ein er Neuberechnung der Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin nach ihrer Mutter.
1. Das Berufungsgericht zieht als Grundlage der vo n der Klägerin vertretenen Anwachsung der Erbteile der aus der Erbengemeinschaft nach dem Vater ausgeschiedenen Miterben auf die verbleibenden Miterben die Vorschriften der §§ 1935, 2094 BGB in Betracht und gelangt zu dem Ergebnis, daß sie einen auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirkenden Wegfall von Miterben voraussetzen, der hier nicht vorliege. Selbst eine analoge Anwendung dieser Vorschriften führe aber nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis: Nach §§ 1371, 1931 BGB stehe dem überlebenden Ehegatten nicht mehr als die Hälfte des Nachlasses unabhängig davon zu, ob sich fünf oder nur zwei Abkömmlinge in den Rest teilen. Die von der Klägerin herangezogene gesellschaftsrechtliche Regelung des § 738 BGB sei auf die Erbengemeinschaft nicht anwendbar , weil in den §§ 2032, 2038 Abs. 2, 2042 Abs. 2, 2044 Abs. 1 BGB nicht auf das Gesellschaftsrecht, sondern auf das Recht der Bruchteilsgemeinschaft verwiesen werde, das eine der Anwachsung vergleichbare Regelung nicht kenne. Eine Anwachsung zugunsten der Mutter sei von den Beteiligten der Verträge vom 17. Oktober 1989 und 12. Januar

1990 auch nicht gewollt gewesen; vielmehr habe der Beklagte allein sämtliche Gegenleistungen aufbringen sollen.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß die Anteile von Miterben, die aus einer fortbestehenden Erbengemeinschaft durch Teilauseinandersetzung ausscheiden, den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile anwachsen (BGHZ 138, 8, 11 m.w.N.). Das folgt aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbengemeinschaft als Gesamthand, in der die einzelnen Nachlaßgegenstände der Gemeinschaft im ganzen zustehen (§§ 2033 Abs. 2, 2040 Abs. 1 BGB). Dieser Charakter der Erbengemeinschaft hat die Anwendung des in anderem Zusammenhang in § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB beim Ausscheiden von Mitgliedern einer Gesamthand vorgesehenen Anwachsungsprinzips auch auf die Erbengemeinschaft zur Folge. Auf den Willen der Beteiligten kommt es insoweit nicht an.

b) Diesem Anwachsungsprinzip steht die Verweisung auf einzelne Vorschriften aus dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft in §§ 2038 Abs. 2, 2042 Abs. 2, 2044 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Die Vorschriften der §§ 1935, 2094, 2095 BGB, die den rückwirkenden Wegfall von Erben und damit die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft im Zeitpunkt des Erbfalls betreffen, schließen eine Anwachsung in anderen als den dort geregelten Fällen nicht aus, sondern zeigen, daß die Anwachsung dem Recht der Erbengemeinschaft nicht fremd ist (BGHZ 138, 8, 13).


c) Gerade am Beispiel einer Teilauseinandersetzung , wie sie hier durch den Vertrag vom 17. Oktober 1989 vorgenommen worden ist, wird deutlich, daß die Anteile der verbleibenden Erben am Nachlaß nicht mit der gleichen Quote bemessen werden können wie vor der Teilauseinandersetzung : Der Nachlaß ist hier durch Abfindungsleistungen, die teilweise sofort erbracht, teilweise aber auch erst später fällig und durch eine Belastung von in der Erbengemeinschaft verbleibenden Grundstücken finanziert wurden, real und in seinem wirtschaftlichen Wert verkleinert worden. Den ausscheidenden Miterben sollte der Wert ihres Erbteils zugute kommen; dadurch sollte aber der Wert des Anteils der verbleibenden Erben nicht geschmälert werden. Die Anteile der verbleibenden Miterben können bei einer Verkleinerung des Nachlasses ihren bisherigen Wert aber nur behalten, wenn sie sich der Quote nach entsprechend erhöhen. Diesen Gedanken hat die Revision anhand von Rechenbeispielen näher erläutert; dem tritt der Beklagte in der Revisionsinstanz nicht mehr entgegen. Danach ist hier von einem Anteil der Mutter an dem nach der Teilauseinandersetzung vom 17. Oktober 1989 in der ungeteilten Erbengemeinschaft verbliebenen Nachlaß von 5/7 auszugehen.
3. Für die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruch s der Klägerin sind folgende Überlegungen maßgeblich:

a) Im Anschluß an die Feststellungen im Urteil des Landgerichts ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß der ungeteilte Nachlaß , der dem Beklagten infolge des Erbteilsübertragungsvertrages vom 12. Januar 1990 allein gehörte, nur noch aus dem Grundvermögen bestand , das nach der Teilerbauseinandersetzung vom 17. Oktober 1989 in der fortbestehenden Erbengemeinschaft geblieben war. In der Präambel

des Vertrages vom 12. Januar 1990 heißt es, daß die Erbengemeinschaft "hinsichtlich des … Grundbesitzes" aufgehoben und auseinandergesetzt werde. Soweit die Klägerin unter Bezug auf ein anderes Verfahren in der Revisionsinstanz vorträgt, diesem Nachlaß seien Erträge aus den Grundstücken, Bankguthaben und Zinsen in Höhe von insgesamt 366.828,03 DM hinzuzurechnen, handelt es sich um neues Vorbringen, das in den Tatsacheninstanzen des Verfahrens zwischen den hier beteiligten Parteien noch nicht vorgetragen worden ist; damit ist die Klägerin in der Revision ausgeschlossen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Sie hatte in erster Instanz hier nur vorgetragen, zwar gehe es im Vertrag vom 12. Januar 1990 lediglich um Grundvermögen, es sei aber unklar, ob die im Vertrag vom 17. Oktober 1989 vorgesehenen Abfindungen der ausgeschiedenen Miterbinnen nicht aus dem seinerzeit vorhandenen weiteren Vermögen bedient worden seien, solange der Beklagte deren Finanzierung nicht offenlege (Schriftsatz vom 5. Februar 2002, S. 3). Der Beklagte hat in zweiter Instanz auf Anforderung des Gerichts am 8. Januar 2003 Finanzierungsunterlagen (u.a. Darlehensvertrag/Überweisungen) vorgelegt. Das hat die Klägerin nicht zum Anlaß genommen, ihr Vorbringen aus erster Instanz zu konkretisieren. Es wäre aber Sache der Klägerin gewesen , für ihren Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen der Erbteilsübertragung der Mutter vom 12. Januar 1990 näher vorzutragen, ob sich die gemischte Schenkung außer auf Grundvermögen etwa noch auf weitere Vermögenswerte bezogen habe und von welchem Wert insoweit auszugehen sei. Im übrigen hat der Beklagte bereits in erster Instanz vorgetragen, soweit der Erbengemeinschaft Barvermögen etwa aus den Erträgen der Grundstücke zugestanden habe, sei dies bei der Mutter der Parteien verblieben, also nicht Gegenstand des Erbteilsübertragungsver-

trages vom 12. Januar 1990 geworden. Auch dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten.

b) Der Wert des durch den Vertrag vom 12. Januar 1 990 auf den Beklagten übergegangenen Grundvermögens betrug 1990 unstreitig 2.515.000 DM. Dabei ist jedoch die Grundschuld in Höhe von 500.000 DM nicht berücksichtigt, die gemäß § 11 des Teilerbauseinandersetzungsvertrages vom 17. Oktober 1989 zur Finanzierung der Barabfindungen der seinerzeit ausgeschiedenen Miterbinnen zulasten des in der ungeteilten Erbengemeinschaft verbliebenen Grundvermögens bestellt worden ist.
Nach Ansicht der Revision kann diese Grundschuld n icht vom Wert des Restnachlasses abgezogen werden, weil sie eine Darlehensschuld des Beklagten persönlich gesichert habe. Hierfür bezieht sich die Revision auf § 4 Abs. 2 des Erbteilsübertragungsvertrages vom 12. Januar 1990, wonach der Beklagte seine Mutter und seine Schwester im Zusammenhang mit deren Übertragung ihrer Erbanteile auf den Beklagten freigestellt hat von einem etwaigen Schuldendienst hinsichtlich der in Rede stehenden Grundschuld über 500.000 DM.
Nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen landgerichtlichen Urteil war es zwar der Beklagte, der die von der Grundschuld über 500.000 DM gesicherten Darlehen aufnahm, der Kredit diente aber - wie auch aus § 11 des Vertrages vom 17. Oktober 1989 hervorgeht - der Abfindung der am 17. Oktober 1989 aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedenen Miterbinnen. Schuldner dieser Abfindung war die aus den drei verbleibenden Miterben bestehende Erbengemeinschaft, der dafür

entsprechend mehr vom Grundvermögen des Vaters verblieb. Die Höhe der Abfindungszahlungen war in § 6 des Vertrages vom 17. Oktober 1989 für jede der drei ausscheidenden Miterbinnen auf je 274.809,70 DM vereinbart worden. Dieser Betrag sollte teilweise - für jede ausscheidende Miterbin in unterschiedlicher Höhe - durch Anrechnung bereits empfangener Beträge oder Leistungen und im übrigen durch Barzahlung getilgt werden. Nach § 8 des Teilerbauseinandersetzungsvertrages vom 17. Oktober 1989 sollten die drei ausscheidenden Miterbinnen bis 31. Oktober 1989 weitere je 20.000 DM erhalten. Die danach verbleibende Restschuld (nach dem Stand vom 17. Oktober 1989 für alle drei ausscheidenden Miterbinnen zusammen noch 500.584,99 DM) sollte gemäß § 8 des Vertrages vom 17. Oktober 1989 bis 15. Januar 1990 fällig und nach § 11 dieses Vertrages mit Hilfe einer Grundpfandrechtsbestellung bis zu einem Betrage von 500.000 DM finanziert werden. Diese Art der Tilgung war unabhängig davon vorgesehen, daß in § 5 des Vertrages vom 17. Oktober 1989 Barvermögen des Nachlasses erfaßt war wie Spargelder und Einnahmen aus dem Grundbesitz (Mieteinkünfte und Erbbauzinsen). Von der durch Finanzierung zu tilgenden Abfindungsschuld hat der Beklagte die beiden Miterbinnen, die ihre Erbteile im Vertrag vom 12. Januar 1990 auf ihn übertragen haben, im dortigen § 4 Abs. 2 freigestellt. Diese Formulierung bestätigt also, daß es sich um eine Schuld aller drei am 17. Oktober 1989 in der Erbengemeinschaft verbliebenen Miterben handelte und nicht etwa um eine Schuld allein des Beklagten persönlich. Daß nur der Beklagte ein Darlehen aufgenommen hat, ändert nichts daran, daß die Schuld, die getilgt werden sollte, und auch die Grundschuld, die den Kredit sicherte, den Wert des der Erbengemeinschaft vor Abschluß des Erbteilsübertragungsvertrages vom

12. Januar 1990 zustehenden Restnachlasses nach dem Vater minderten.
Damit ist die Grundschuld in Höhe von 500.000 DM v om Wert des Nachlasses, auf den sich der Erbteilsübertragungsvertrag vom 12. Januar 1990 bezog, abzuziehen. Der durch Anwachsung erhöhte Erbanteil der Mutter von 5/7, den sie im Wege einer gemischten Schenkung auf den Beklagten übertragen hat, bezog sich mithin nur noch auf einen Nachlaß im Wert von 2.015.000 DM, ist also mit einem Betrag von 1.439.285,70 DM anzusetzen.

c) Davon sind unstreitig Gegenleistungen des Bekla gten zugunsten seiner Mutter im Wert von 95.137,20 DM und 18.400 DM abzuziehen. Der verbleibende Betrag ist inflationsbereinigt von 1990 auf den Zeitpunkt des Erbfalles im Jahre 1998 umzurechnen. Auf der Grundlage der vom Landgericht herangezogenen unstreitigen Ansätze zum jeweils maßgeblichen Lebenshaltungskostenindex ergeben sich als Wert der Schenkung zugunsten des Beklagten 1.611.603,30 DM.
Hinzu kommt ein von der Mutter tatsächlich hinterl assener Nachlaß im Wert von unstreitig 321.362 DM. Von der Summe beider Beträge (1.932.965,30 DM) hat die Klägerin einen Pflichtteil von einem Zehntel zu beanspruchen, d.h. 193.296,53 DM.
Davon abzusetzen ist gemäß § 2326 Satz 2 BGB der N achlaß der Mutter, soweit er der Klägerin hinterlassen ist (64.272 DM). Ferner sind unstreitig Zahlungen an die Klägerin in Höhe von insgesamt 90.772,69 DM zu berücksichtigen. Daraus folgt ein restlicher Anspruch

der Klägerin in Höhe von 38.251,84 DM. Insoweit waren die Urteile der Vorinstanzen zu ändern. Hinsichtlich der Zinsen wird das Berufungsurteil nicht angegriffen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

(1) Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinandersetzung verlangen, soweit sich nicht aus den §§ 2043 bis 2045 ein anderes ergibt.

(2) Die Vorschriften des § 749 Abs. 2, 3 und der §§ 750 bis 758 finden Anwendung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)