Oberlandesgericht Stuttgart Entscheidung, 19. Okt. 2010 - 10 U 97/09

published on 19.10.2010 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Entscheidung, 19. Okt. 2010 - 10 U 97/09
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Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die im Werkvertrag zwischen der Klägerin und der W. GmbH vom 11.07.2002 enthaltene Sicherungsabrede gemäß Ziffer 6.1 BVB in Verbindung mit Ziffer 33.1 ZVB - mit der Verpflichtung einer nicht auf erstes Anfordern lautenden selbstschuldnerischen Bürgschaft - wirksam ist.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil überlassen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die auch der Absicherung auf etwaige Überzahlungen gestützter Ansprüche dient, die Zahlung der gesamten Bürgschaftssumme, weil unter Berücksichtigung nicht erbrachter Leistungen, nicht berechtigter Rechnungen und Mängel der Werkleistung der Schuldnerin, der insolventen W. GmbH (Insolvenzschuldnerin), eine Überzahlung in Höhe von 385.653,18 EUR vorliege.
In den Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin vom 11.7.2002 wurden auf Veranlassung der Klägerin allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen.
In den BVB (besondere Vertragsbedingungen) der Klägerin heißt es unter Ziffer 6 Sicherheitsleistung (§§ 16 und 17):
„Für Bürgschaften gilt Nr. 34 ZVB.“
Ziffer 6.1 BVB lautet:
„Ab einer Auftragssumme von EUR 50.000,-- gilt folgendes:
Als Sicherheit für die Vertragserfüllung nach Nr. 33.1 ZVB hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach dem Formblatt KEFB.Sich1 in Höhe von 5 v. H. der Auftragssumme zu stellen. ....
Nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Bürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß Formblatt KEFB.Sich2 in Höhe von 5 v.H. der Abrechnungssumme (Bruttosumme) umgewandelt wird.“
Unter Ziffer 6.2. ZVB heißt es:
10 
„Ab einer Auftragssumme von EUR 50.000,-- gilt folgendes:
11 
Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einschl. Schadenersatz und für die Erstattung von Überzahlungen werden 5 v. H. der Auftragssumme einschl. der Nachträge (Bruttosumme) einbehalten, nach Feststellung der Abrechnungssumme ist diese maßgebend.
12 
Der Auftragnehmer kann statt dessen eine Gewährleistungsbürgschaft nach dem Formblatt KEFB-Sich 2 stellen.“
13 
Unter Nr. 33 der ZVB (zusätzliche Vertragsbedingungen) steht:
14 
„33.1 Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadenersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen.
15 
33.2: Die Sicherheit für Gewährleistung erstreckt sich auf die Erfüllung der Ansprüche auf Gewährleistung einschließlich Schadenersatz sowie auf die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen.“
16 
Nr. 34.4. ZVB hat den Wortlaut:
17 
„Bei Bürgschaften hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anforderung an den Auftraggeber zu zahlen.“
18 
Ziffer 34.6 ZVB lautet:
19 
„Die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer
20 
- die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat,
- etwaige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt hat
  und 
- eine vereinbarte Sicherheit für die Gewährleistung geleistet hat.“
21 
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf die Anlagen K 1 und K 5 verwiesen.
22 
Die Beklagte hat am 7.08.2002 eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern auf dem Formblatt KEFB - Sich 1 über 212.686,00 EUR abgegeben. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Bürgschaft wird auf die Anlage K 6 verwiesen.
23 
Zum Sach- und Streitstand erster Instanz hinsichtlich des Bestehens eines Anspruchs gegen die Bürgin dem Grunde nach wird im Übrigen auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 4.8.2009, AZ: 15 O 368/08, verwiesen.
24 
Mit diesem Urteil hat das Landgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Die vertragliche Verpflichtung zur Stellung der geltend gemachten Bürgschaft sei gemäß § 307 BGB unwirksam und könne deshalb zurückgefordert werden.
25 
Dies ergebe sich noch nicht daraus, dass formvertraglich eine Bürgschaft auf erstes Anfordern geschuldet worden sei. Der Vertragsschluss und damit die Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft stamme aus der vom Bundesgerichtshof eingeräumten Übergangszeit, so dass die unwirksame Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als Verpflichtung zur Stellung einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft aufrecht erhalten werden könne. Dies gelte auch für den Fall einer kombinierten Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft.
26 
Die vollständige Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft folge daraus, dass die Klägerin, der als Verwenderin die zu beanstandende Klausel zuzurechnen sei, für den Zeitraum zwischen Abnahme und späterer Umwandlungsreife im Sinne der einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich ihrer Ansprüche auf Gewährleistung, Schadensersatz oder Erstattung von Überzahlungen doppelt gesichert sei. Die Einschränkung der Schuldnerin in diesem Zeitraum in einer Gesamthöhe von 10 % des berechtigten Werklohns sei letztlich unangemessen und nicht hinzunehmen.
27 
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
28 
Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die unwirksame Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als wirksame Verpflichtung zur Stellung einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft aufrecht erhalten werden könne. Die in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogenen Vertragsklauseln entsprächen denjenigen, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.3.2004, AZ: VII ZR 453/02, zugrunde gelegen seien. Der Bundesgerichtshof habe über eine textlich und inhaltlich vergleichbare Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit zu entscheiden gehabt.
29 
Für den Zeitraum zwischen Abnahme und daran anschließender Werklohnfälligkeit einerseits und der Umwandlungsreife im Sinn der allgemeinen Geschäftsbedingungen andererseits sei die Klägerin zwar doppelt, also mit insgesamt 10 % gesichert. Das Landgericht Stuttgart habe jedoch seine Auffassung, weshalb eine Gesamthöhe der Sicherheit von 10 % unangemessen sein soll, nicht ausreichend begründet. Es sei schon zweifelhaft, ob die beiden Sicherheiten - Vertragserfüllungssicherheit und Gewährleistungsbürgschaft - einen übereinstimmenden Sicherungszweck hätten. Eine denkbare kumulative Sicherung trete nur für kurze Zeit ein, die der Auftragnehmer beeinflussen könne, indem er seiner Vertragserfüllungsverpflichtung gerecht werde. Die zulässige Obergrenze für eine Sicherheitsleistung werde in der Regel allenfalls dann überschritten, wenn die Sicherheitsleistung 10 % der Auftragssumme bei Vertragserfüllungssicherheiten überschreite, was hier nicht der Fall sei. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs belaste die Kombination Vertragserfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft auch deshalb den Vertragspartner nicht unangemessen, weil nach dem Sicherungszweck nicht nur Gewährleistungsansprüche, sondern auch Überzahlungen umfasst würden.
...
30 
Am 4.12.2003 sei lediglich über die Abnahme des Werks der Insolvenzschuldnerin verhandelt worden. Hinsichtlich der Teilleistung Untermaschinerie (Podien) sei die Abnahme ausdrücklich verweigert worden. Dabei handle es sich um die Position 3.3.1 des Leistungsverzeichnisses. Einem Auftragnehmer sei es unbenommen, Teile der Leistung ausdrücklich nicht abzunehmen. Es sei nicht „die Abnahme der Schallleistungswerte der Podien“ verweigert worden, sondern die Abnahme der gesamten Werkleistung Untermaschinerie (Podien).
...
31 
Die Klägerin beantragt:
32 
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 15 O 368/08 - vom 4.8.2009 wird aufgehoben.
33 
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 212.686,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.4.2007 zu bezahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde der Beklagten vom 7.8.2002.
34 
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Bürgschaftsurkunde der Beklagten vom 7.8.2002 im Verzug der Annahme befindet.
35 
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.015,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
36 
Als Zwischenfeststellungsklage:
37 
5. Es wird festgestellt, dass die im streitgegenständlichen Werkvertrag vom 11.07.2002 enthaltene Sicherungsabrede gemäß Ziffer 6.1 BVB in Verbindung mit Ziffer 33.1 ZVB - mit der Verpflichtung einer nicht auf erstes Anfordern lautenden selbstschuldnerischen Bürgschaft - wirksam ist.
38 
Hilfsweise:
39 
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, 15 O 368/08, vom 4.8.2009 wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Landgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
40 
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen:
41 
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
42 
2. Die Zwischenfeststellungsklage wird abgewiesen.
43 
Eine formularmäßige Sicherheitenabrede über die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern sei auch bei Verwendung durch einen öffentlichen Auftraggeber unwirksam. Dem Auftragnehmer verbleibe unter Beachtung von Nr. 6.2 BVB nicht das Recht auf alternative Sicherungsmöglichkeiten. Die Benachteiligung der Auftragnehmerin sei hier schon deshalb besonders groß, weil in Nr. 6.1 BVB die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ausbedungen sei, die bereits u.a. der Sicherung späterer Gewährleistungsansprüche dienen solle und die erst nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche gegen eine reine Gewährleistungsbürgschaft ausgetauscht werden dürfe. Bei einem entsprechenden Verhalten des Auftraggebers habe der Auftragnehmer angesichts der vertraglichen Regelung keine vernünftige Möglichkeit, an seine Erfüllungsbürgschaft zu gelangen, selbst wenn es keine berechtigten Ansprüche des Auftraggebers gebe. Auch bei einem öffentlichen Auftraggeber könne nicht davon ausgegangen werden, dass er sich immer vertragsgerecht verhalte und ausschließlich berechtigte Ansprüche erhebe. Eine Sicherungsabrede, die die Umwandlung einer Erfüllungsbürgschaft in eine Mängelbürgschaft von einem bestimmten, dem Auftraggeber günstigen Verhalten des Auftragnehmers abhängig mache, sei unwirksam.
44 
Die Erfüllungsbürgschaft sichere alle Ansprüche der Klägerin für solche Mängel, die zwar nach Abnahme, aber erst vor Rückgabe oder Umwandlung der Bürgschaft entstünden. Entgegen der Darstellung der Klägerin könne dies für einen längeren Zeitraum zu einem Nebeneinander der Bürgschaften führen. Der Klägerin stünde dann eine Gewährleistungssicherheit von 10 % zu, obwohl in AGB des Auftraggebers maximal eine Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 % vereinbart werden könne. Soweit die Erfüllungsbürgschaft auch Gewährleistungsansprüche abdecke, sei die Sicherungsabrede auch deshalb unwirksam, weil eine dann unzutreffende Bezugsgröße herangezogen werde, die bezogen auf die maßgebliche Abrechnungssumme zu einer deutlich über 10 % liegenden Sicherheit führen könne. Eine Gewährleistungssicherheit werde in der Regel anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Abrechnungssumme und nicht der Auftragssumme bestimmt. Auf die Abrechnungssumme sei abzustellen, weil für die Gewährleistungssicherheit der Umfang der tatsächlich ausgeführten Leistung maßgeblich sei. Nachdem die Vertragserfüllungsbürgschaft, soweit sie zur Absicherung der Gewährleistungsansprüche diene, ebenfalls der Höhe nach auf die Auftragssumme abstelle, könne eine Sicherung von mehr als 5 % der Abrechnungssumme eintreten mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel.
45 
Gemäß § 307 BGB seien die betroffenen Klauseln unwirksam, so dass ein Anspruch auf eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit nicht bestehe. Die Umdeutung der Bürgschaft auf erstes Anfordern im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in eine selbstschuldnerische oder einfache Bürgschaft verstoße gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, weshalb die Entscheidung des BGH vom 4.7.2002, Az. VII ZR 502/99, überraschend und nicht überzeugend sei. Außerdem liege hier eine kombinierte „Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft“ auf erstes Anfordern vor, die nicht „halbseitig“ geltungserhaltend reduziert werden könne. Die in der zitierten Entscheidung eingeräumte Übergangszeit sei im Übrigen zu weit gefasst. Es sei nicht auf das Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.7.2002, AZ: VII ZR 502/99, sondern auf das Bekanntwerden der Entscheidung vom 18.4.2002, AZ: VII ZR 192/01 abzustellen. Die Klägerin könne daher keinen Vertrauensschutz mehr zum Zeitpunkt der Auftragserteilung am 11.7.2002 in Anspruch nehmen.
...
II.
46 
Auf die Zwischenfeststellungsklage war festzustellen, dass die der Bürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede wirksam ist.
1.
47 
Die Voraussetzungen der Zwischenfeststellungsklage nach den §§ 525, 256 Abs. 2 ZPO liegen vor.
48 
Es kann dahingestellt bleiben, ob für eine Zwischenfeststellungsklage in der Berufungsinstanz von den Voraussetzungen des § 533 ZPO abgesehen werden kann, weil diese hier vorliegen.
49 
Die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin ist auf Feststellung eines für die Entscheidung in der Hauptsache vorgreiflichen Rechtsverhältnisses gerichtet. Es handelt sich nicht nur um eine Vorfrage eines einzelnen Anspruchs, sondern es werden mit der Hauptklage mehrere prozessual selbständige Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis verfolgt. Die Klägerin stützt den Bürgschaftsanspruch auf verschiedene Hauptforderungen (v.a. Rechte aus verschiedenen Mängeln, Überzahlungen), so dass sie verschiedene selbständige prozessuale Ansprüche geltend macht, die im Bauvertrag vom 11.07.2002 und in der Bürgschaft der Beklagten vom 7.8.2002 lediglich eine gemeinsame Grundlage haben (BGH BauR 1998, 332, Juris RN 7).
2.
50 
Die Vertragserfüllungsbürgschaft, aus der die Klägerin den eingeklagten Anspruch herleitet, ist wirksam und geeignet, der Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch zu verschaffen.
51 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht den Ansprüchen der Klägerin aus der Bürgschaft die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB nicht entgegen. Der Rechtsgrund für die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die auch Überzahlungen absichert, befindet sich in dem im Juli 2002 zustande gekommenen Bauvertrag zwischen der Klägerin und der W. GmbH. Diesem Vertrag liegen unter anderem die besonderen Vertragsbedingungen (BVB), die zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (ZVB) und die VOB/B zum bei Vertragsschluss neuesten Stand, also in der Fassung des Jahres 2000, zugrunde.
52 
a) Nach 6.1 der BVB schuldete der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft nach Formblatt KEFB.Sich1, das eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsah. Zutreffend ist das Landgericht zu der Auffassung gelangt, dass die Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft nicht deshalb unwirksam ist, weil im Juli 2002 von der Klägerin als öffentlicher Auftraggeberin eine Bürgschaft auf erstes Anfordern in AGB verlangt worden war. Insoweit ist auf Ziffer 1 der Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Stuttgart sowie die dort zitierten Entscheidungen des BGH (BGHZ 151, 229, Juris RN 28 und NJW-RR 2004, 880 = BauR 2004, 1143, Juris RN 24 f) zu verweisen.
53 
b) Die Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft wurde nicht durch den vertraglich vereinbarten Zusammenhang mit einer Gewährleistungsbürgschaft hinfällig.
54 
aa) Die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft wurde nicht wirksam vereinbart, weil auch diese nach Nr. 34.4 der ZVB als Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgestaltet sein sollte. Das Formblatt KEFB-Sich 2 (Stand 01/96) haben die Parteien nicht vorgelegt. Offen ist, ob dieses Formblatt dem Vertrag überhaupt beigelegt worden ist, nachdem die Klägerin erst nach Vertragsschluss mit Schreiben vom 25.7.2002 (Anlage K 4) die Vordrucke für Bankbürgschaften (KEFB-Sich 1 und 3) übersandt hatte. Diese Formulare betrafen nur die Vertragserfüllungs- und Vorauszahlungsbürgschaft (vgl. Nr. 6.1 und 6.3 BVB).
55 
Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, die vorsieht, dass ein Sicherheitseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines öffentlichen Auftraggebers unwirksam. Eine derartige Klausel kann nicht in der Weise aufrecht erhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft abzulösen (BGH BauR 2005, 539).
56 
bb) Daraus folgt jedoch nicht, dass zugleich die Vereinbarung der Vertragserfüllungsbürgschaft unwirksam wäre. Vielmehr bleibt die getroffene Regelung zur Stellung der Sicherheit unabhängig von der näheren Ausgestaltung ihrer Rückgabe in Nr. 6.1 3. Absatz der BVB wirksam. Inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich, und zwar auch dann, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen unwirksamen Klauseln stehen (BGH BauR 2000, 1498, Juris RN 36). Die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ist lediglich nicht mehr davon abhängig, dass eine Gewährleistungsbürgschaft übergeben wird.
57 
c) Die Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft ist trotz der Einbeziehung von Gewährleistungsansprüchen in die Sicherungsabrede nicht nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs zum Ausscheiden einer ergänzenden Vertragsauslegung bei Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern als unwirksam zu behandeln, weil dennoch der Klägerin die vom Bundesgerichtshof eingeräumte Übergangsfrist für Vertragserfüllungsbürgschaften zu Gute kommt.
58 
Der Bundesgerichtshof hatte in dem Urteil vom 4.7.2002 (AZ: VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, Juris RN 11) und im Urteil vom 25.3.2004 (AZ: VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, Juris RN 8) über Vertragserfüllungsbürgschaften zu entscheiden, deren Sicherungszweck sich neben Überzahlungen auch auf die Gewährleistung bezogen hatte, ohne die Einbeziehung der Gewährleistung in eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu problematisieren. Insbesondere in der letztgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Einbeziehung von Gewährleistungsansprüchen in die Vertragserfüllungsbürgschaft als wirksam zugrunde gelegt (BGH a.a.O. Juris RN 28).
59 
Demgegenüber hatte der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart mit einem früheren Urteil vom 26.1.2000 (AZ: 9 U 201/99) den Sicherungsgegenstand „Gewährleistung“ in einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als selbständige, abtrennbare Klausel angesehen, die gegen § 9 AGBG (heute § 307 BGB) verstoße (OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 546 = NZBau 2000, 134, Juris RN 25 und 27). Die Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Stuttgart ist durch die zitierten späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs überholt. In ihr fehlt eine Abgrenzung zwischen Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft.
60 
Nach der Sicherungsabrede in Nr. 6.1 BVB i.V.m. Nr. 33.1 ZVB umfasst die Vertragserfüllungsbürgschaft im vorliegenden Fall zumindest bis zur Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener (berechtigter) Ansprüche auch Mängelansprüche nach § 13 VOB/B (früher bis einschließlich VOB/B Ausgabe 2000: Gewährleistungsansprüche), in die sich Vertragserfüllungsansprüche nach § 4 VOB/B mit der Abnahme umgewandelt haben (vgl. BGH BauR 1998, 332, Juris RN 14 f.; Oppler in Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl. § 4 Abs. 7 VOB/B RN 25 m.w.N.; Riedl / Mannsfeld in Heiermann / Riedl / Rusam, VOB 11. Aufl. B § 13 RN 2; Einführung zu B § 13 RN 6).
61 
Eine Überzahlung und deren Umfang kann vom Auftraggeber häufig erst nach Vorlage der Schlussrechnung ermittelt werden. Angesichts des über den Zeitpunkt der Abnahme hinausgehenden Sicherungszwecks der Vertragserfüllungsbürgschaft ist es sachgerecht, dass sie neben den gesicherten Ansprüchen auf Vertragserfüllung, Schadensersatz (auch außerhalb des Gewährleistungsrechts) und Rückerstattung von Überzahlungen auch Gewährleistungsrechte abdeckt. Die Vertragserfüllungsbürgschaft wird dadurch nicht zur Gewährleistungsbürgschaft, sondern behält angesichts ihres Schwergewichts der Absicherung von Ansprüchen auf Vertragserfüllung, Schadensersatz und Rückerstattung von Zahlungen ihren Charakter als Vertragserfüllungsbürgschaft.
62 
Auch unter Berücksichtigung der Reichweite der Vertragserfüllungsbürgschaft mit der Erstreckung der Sicherung auf Gewährleistungsansprüche ist für eine Übergangszeit, in die der vorliegende Vertrag fällt, der Vertrag dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet. Es entspricht dem anerkennenswerten Interesse des Auftraggebers, den Unternehmer auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft zu verpflichten. Denn ohne eine solche Sicherung ist der Auftraggeber möglicherweise nicht ausreichend geschützt (vgl. BGHZ 151, 229 RN 31). Dies gilt nach den obigen Ausführungen auch im Hinblick auf die Reichweite der Sicherungsabrede. Würde die Sicherungsabrede ersatzlos wegfallen, würde jede Sicherung entfallen. Dieses Ergebnis ist mit dem durch die Sicherungsabrede zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien nicht zu vereinbaren. Bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen hätten die Parteien eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft zur Absicherung von Ansprüchen der Klägerin auf vertragsgemäßer Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz sowie auf Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen zumindest bis zur Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche gewählt.
3.
63 
Eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede folgt nicht aus dem Gesichtspunkt einer Übersicherung, selbst wenn die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft wirksam vereinbart worden wäre.
64 
Angesichts der vertraglichen Vereinbarung des Rückgabezeitpunkts der Vertragserfüllungsbürgschaft, der nach dem Zeitpunkt der Abnahme liegt, kann es bei einer wirksamen Vereinbarung der Möglichkeit, den Gewährleistungseinbehalt durch eine eigenständige Gewährleistungsbürgschaft abzulösen, auch wenn die Vertragserfüllungsbürgschaft noch nicht zurückzugewähren ist, zu einer Kumulierung der Sicherheiten der Klägerin in Höhe der Bürgschaftssumme der Vertragserfüllungsbürgschaft von 5 % der Auftragssumme und in Höhe der Gewährleistungsbürgschaft von 5 % der Auftragssumme einschließlich Nachträge - nach Abrechnung stattdessen in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme - kommen. Dies kann zu einer Sicherheit der Beklagten in Höhe von maximal 10 % der Auftragssumme bzw. Abrechnungssumme zur Befriedigung aller bis zum Empfang der Schlusszahlung erhobenen Ansprüche führen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts belastet dies den Auftragnehmer im Hinblick auf den vereinbarten Sicherungszweck, der nicht nur Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche, sondern auch Überzahlungen und Schadensersatzansprüche umfasst, nicht unangemessen (vgl. BGH BauR 2004, 1143, Juris RN 28).
65 
a) Dies ergibt sich hier insbesondere nicht aus dem Gesamtumfang der Sicherung. Zutreffend wird die Vereinbarung einer Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der Brutto-Auftragssumme und einer Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 %-Brutto-Abrechnungssumme als üblich und zulässig angesehen (Jagenburg in Beck’scher VOB-Komm. VOB/B 2. Aufl. § 17 Nr. 1 RN 7; vgl. auch Koeble in Kniffka / Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl. 10 Teil RN 41 Fußnote 43; für 10 % als Obergrenze Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl., § 17 Abs. 1 VOB/B RN 38), jedenfalls wenn einschließlich der Mehrwertsteuer abzurechnen ist (vgl. § 17 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B (2006)). Wenn eine Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der Auftragssumme auch bei einer Vereinbarung in AGB zulässig ist, bestehen keine Bedenken, wenn für einen vorübergehenden Zeitraum eine Absicherung der Vertragserfüllung in dem von den Parteien vereinbarten weiten Sinn in Höhe von 5 % der Auftragssumme zuzüglich 5 % der Abrechnungssumme eintritt.
66 
b) Darüber hinaus erstrecken sich die Einbehalte bzw. die Vertragserfüllungs- und die - unwirksam vereinbarte - Gewährleistungsbürgschaft von ihrem Sicherungszweck her auch auf die Erstattung einer Überzahlung (Nr. 33.1 und 2 der ZVB). Dieser Sicherungszweck rechtfertigt über die oben gemachten Ausführungen hinaus eine Absicherung in Höhe von 5 % der Auftragssumme zuzüglich 5 % der Abrechnungssumme bis zur Abklärung einer eventuellen Überzahlung. Danach ist der Sicherungszweck für diese hohe Absicherung entfallen und - bei wirksamer Vereinbarung - das Sicherungsinteresse auf den Gewährleistungseinbehalt bzw. eine entsprechende Gewährleistungsbürgschaft herabgesetzt.
4.
67 
Die der Vertragserfüllungsbürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede ist nicht deshalb unwirksam, weil die Auftragnehmerin deren Ablösung nicht mit zumutbaren Mitteln bewirken könnte und auf sie ein unangemessener Druck ausgeübt worden wäre, unberechtigte oder vom Rechtsgrund unklare Forderungen der Klägerin zu akzeptieren (vgl. OLG Hamm NJW 2010, 2737).
68 
a) Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Ziffer 6.1 letzter Absatz BVB) ist die Vertragserfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft erst umzuwandeln, wenn die Schlussrechnung vorgelegt und alle bis dahin erhobene Ansprüche erfüllt sind. Durch die Unwirksamkeit der Vereinbarung zur Gewährleistungssicherheit wird Nr. 6.1 so modifiziert, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 6.1 dritter Absatz statt eines Austausches der Sicherheiten die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft zu erfolgen hat.
69 
Davon abweichend und noch weitergehend sieht zwar Nr. 34.6 ZVB eine Absicherung aller etwaiger erhobener Ansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung vor. Durch die Einleitung in Nr. 6. und 6.1 BVB, wonach für Bürgschaften Nr. 34 ZVB und ab einer Auftragssumme von 50.000,- EUR die Regelung in Nr. 6.1 BVB gilt, ist hier angesichts einer Auftragssumme von über 50.000,- EUR Nr. 34.6 ZVB nicht anwendbar, sondern diese wird durch die Regelung in Nr. 6.1 BVB verdrängt.
70 
b) Teilweise wird angenommen, dass das gleichwertige Gefüge der beiderseitigen Rechte und Pflichten faktisch aus dem Gleichgewicht gerät, wenn der Auftraggeber die Auswechslung der Bürgschaften durch eine zögerliche Schlusszahlung behindern und zudem ein unangemessener Druck auf den Auftragnehmer ausgeübt werden kann, auch eine unzureichende Schlusszahlung vorbehaltlos anzunehmen (OLG Hamm a.a.O. Juris RN 59 m.w.N.). Dies muss dann nicht nur für die Auswechslung, sondern in gleicher Weise auch für die Verpflichtung zur Rückgabe einer (Vertragserfüllungs-)Bürgschaft gelten. Eine vergleichbare vertragliche Situation liegt hier jedoch nicht vor, weil Nr. 34.6 ZVB wegen des Vorrangs der Regelung in Nr. 6.1 BVB keine Anwendung findet und die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft damit nicht von der vorbehaltlosen Annahme einer Schlusszahlung abhängig ist.
71 
c) Zu Recht hat das OLG Hamm (a.a.O., Juris RN 68) darauf hingewiesen, dass im Fall einer wirksamen Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft diese nach Erledigung des Sicherungszweckes zurückzugeben ist. Zweck der Vertragserfüllungsbürgschaft ist jedoch im vorliegenden Fall - wie auch in dem der zitierten Entscheidung des OLG Hamm zu Grunde liegenden Sachverhalt - u.a. die Absicherung von Ansprüchen auf Rückerstattung von Überzahlungen. Ob und in welchem Umfang eine Überzahlung vorliegt, wird in der Regel erst nach Vorlage der Schlussrechnung durch den Auftraggeber geprüft werden können.
72 
Auch im Streit über die Berechtigung eines Rückzahlungsverlangens oder der sonstigen von ihm erhobenen Ansprüche hat der Auftraggeber ein berechtigtes Interesse auf eine ausreichende Absicherung seines geltend gemachten Anspruchs. Müsste er die Bürgschaft vor (gerichtlicher) Abklärung der Berechtigung des streitigen Anspruchs zurückgeben, wäre er nicht mehr geschützt, wenn die Berechtigung des erhobenen Anspruchs sich letztlich bestätigen sollte. Dieses Sicherungsinteresse rechtfertigt die Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft mit erweitertem Sicherungszweck und der damit verbundenen späten Rückgabe der Bürgschaft bis zur Erfüllung aller bis zur Schlussrechnung erhobenen Forderungen. Das Interesse des Auftragnehmers, die Vertragserfüllungsbürgschaft zeitnah zur Abnahme seiner Leistung zurück zu erhalten oder bei wirksamer Sicherungsabrede gegen eine Gewährleistungsbürgschaft austauschen zu dürfen, muss dahinter zurück treten.
73 
Dieser Auffassung steht die Entscheidung des BGH vom 13.11.2003 (BGHZ 157, 29, Juris RN17) nicht entgegen. Dort ging es um die für die Ablösung eines Bareinbehalts vereinbarte, durch schützenswerte Interessen des Auftraggebers nicht gedeckte Bedingung, dass neben dem Stellen einer Bürgschaft keine wesentlichen Mängel vorlagen. Vorliegend ist dagegen entscheidend, ob ein Auftraggeber die Möglichkeit hat, durch eine in AGB vereinbarte Sicherungsabrede z.B. die Rückerstattung von Überzahlungen bis zu deren abschließenden (gerichtlichen) Abklärung abzusichern. Das ist nach Ansicht des Senats zu bejahen.
5.
74 
Der Inanspruchnahme der Bürgin steht nicht entgegen, dass der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft bereits erfüllt wäre.
75 
a) Das Werk der Insolvenzschuldnerin wurde mit Vorbehalten abgenommen. Nach der Abnahmebegehung vom 4.12.2003 haben die Parteien im Abnahmeprotokoll vom 15. / 16.12.2003 (Anlage K 7) Mängel festgehalten und vereinbart, dass ein Einbehalt in Höhe von 30.000,-- EUR zu erfolgen habe und ansonsten Schlussrechnung gelegt werden könne. Dies machte nur Sinn, wenn auch die Klägerin von einer Abnahme der Arbeiten an den Podien nach Position 3.3.1 des LV ausgegangen ist.
76 
Damit haben die Parteien des Bauvertrags sich mit den im Bauabnahmeprotokoll festgehaltenen Erklärungen geeinigt, dass die Leistung der Insolvenzschuldnerin insgesamt, also einschließlich der Position 3.3.1 des LV unter Vorbehalt von Mängelrechten als abgenommen gelten soll und der Werklohn insgesamt durch eine Schlussrechnung fällig gestellt werden könne. Dementsprechend findet sich unter Ziffer 4 des Abnahmevertrags, überschrieben mit „Abnahme“, keinerlei Hinweis auf eine Teilabnahme. Die Gewährleistungsfrist wurde bis auf Ende 4.12.2008 festgesetzt.
77 
Der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin, die Abnahme der Teilleistung Untermaschinerie (Podien) sei ausdrücklich verweigert worden, war nicht nachzugehen. Es ist hier nicht entscheidend, welche Erklärungen im Rahmen der Abnahmeverhandlung am 4.12.2003 abgegeben wurden. Die Abnahmeerklärung bzw. die Vereinbarung der Parteien des Bauvertrags über die Abnahme befindet sich im späteren Bauabnahmeprotokoll, das die Parteien des Vertrags mit Unterschriften vom 15. / 16.12.2003 genehmigt haben.
78 
b) Ohne ausdrückliche Abrede soll in aller Regel die Erfüllungsbürgschaft im Erfüllungszeitraum bis zur Abnahme und die Gewährleistungsbürgschaft den Gewährleistungszeitraum nach der Abnahme erfassen (vgl. Werner / Pastor Der Bauprozess 12. Aufl. RN 1252; Heiermann in Heiermann / Riedl / Rusam VOB 11. Aufl. B § 17 RN 54; a. A. Joussen in Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl., § 17 Abs. 1 RN 19, § 17 Abs. 8 VOB/B RN 3 und RN 6, wonach eine Erfüllungssicherheit mangels anderer Anhaltspunkte auch Mängelansprüche im Gewährleistungsstadium nach der Abnahme abdecken soll, soweit diese nicht bei Abnahme durch eine Gewährleistungssicherheit zu ersetzen ist). Die bei Abnahme vorbehaltenen Rechte wandeln sich in Mängelansprüche gemäß § 13 Nr. 5 ff. VOB / B um (BGH BauR 2003, 689, Juris RN 32; BauR 1982, 277).
79 
Vorliegend wurde jedoch über die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Nr. 6.1 BVB i.V.m. Nr. 33.1 ZVB) ausdrücklich vereinbart, dass sich die Sicherheit für die Vertragserfüllung neben der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung auf Abrechnung, Gewährleistung, Schadensersatz sowie auf die Erstattung von Überzahlungen erstreckt. Dadurch haben die Parteien sowohl des Bau- als auch des Bürgschaftsvertrags der Abnahme nicht die Funktion zugewiesen, das Recht auf eine Vertragserfüllungssicherheit zu begrenzen, sondern haben deren Reichweite weiter gefasst (vgl. BGHZ 139, 325, Juris RN 18). Sie haben die Abrechnung einschließlich der Erstattung von Überzahlungen sowie Schadensersatzforderungen bis zur Schlussrechnung der Vertragserfüllung zugeordnet, auch wenn diese Ansprüche mit der Absicherung einer vertragsgemäßen Erfüllung der Leistung des Auftragnehmers unmittelbar nichts mehr zu tun haben (vgl. Joussen in Ingenstau / Korbion, a.a.O. § 17 Abs. 8 VOB/B RN 7).
80 
Da bislang die Berechtigung der erhobenen Ansprüche der Klägerin u.a. wegen Überzahlungen und wegen Beschädigungen nicht geklärt ist, besteht der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft fort.
81 
c) Nichts anderes gilt hier deshalb, weil die - hier nicht wirksam vereinbarte (vgl. oben 2. b) aa)) - Gewährleistungsbürgschaft nach Ziffer 6.2 der BVB und Nr. 33.2 ZVB auch die Erstattungen von Überzahlungen abdecken sollte. Sowohl vom Sicherungszweck als auch nach der Regelung des Austausches der Vertragserfüllungsbürgschaft gegen eine Gewährleistungsbürgschaft, soweit diese Regelung wirksam ist, ist der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft vorrangig. Durch die Schlussrechnung und Schlusszahlung sowie die Abklärung und Erfüllung aller (berechtigten) Ansprüche vor dem Austausch der Bürgschaften ist der verbleibende Sicherungszweck der Gewährleistungsbürgschaft über die eigentliche Gewährleistung hinaus gering. Dem Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft, der angesichts der Höhe möglicher Überzahlungen und sonstiger abgesicherter Ansprüche ein erhebliches Gewicht zukommt und dem jedenfalls bis zu 10 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gerecht werden, entspricht die Vereinbarung, erst nach Zugang der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft und damit eine Reduzierung der Absicherung des Auftraggebers um 5 % der Auftragssumme auf lediglich 5 % der Abrechnungssumme zu schulden. Die Sicherungsabrede ist insoweit wirksam.
6.
82 
Angesichts der Häufigkeit, mit der die hier streitigen Klauseln Verwendung finden, und der Bedeutung von Vertragserfüllungsbürgschaften mit einer Sicherungsabrede, die über die reine Vertragserfüllung hinausgeht, für die Bauwirtschaft hat die Rechtssache im Umfang dieses Teilurteils eine grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen war.
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu
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published on 04.07.2002 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 502/99 Verkündet am: 4. Juli 2002 Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja AGBG §
published on 25.03.2004 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 453/02 Verkündet am: 25. März 2004 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
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Annotations

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.