Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 20. März 2008 - 15 UF 28/08

bei uns veröffentlicht am20.03.2008

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird

zurückgewiesen.

Gründe

 
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Daher kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).
Das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung Unterhaltsansprüche des Klägers verneint. Die dagegen erhobenen Einwendungen führen zu keiner davon abweichenden Beurteilung.
1.
Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB ist nur unterhaltsberechtigt, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Kläger kann für seinen Unterhalt jedoch selbst sorgen. Zwar mag es sein, dass er keine oder allenfalls geringe Einkünfte hat. Er muss sich aber fiktive Einkünfte zurechnen lassen, denn er verletzt seine Erwerbsobliegenheit. Auch Minderjährige trifft für die Zeit, in der sie nicht zur Schule gehen und auch keine Ausbildung absolvieren, eine Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (OLG Rostock FamRZ 2007, 1267; OLGR Brandenburg 2004, 425), sofern dem nicht Vorschriften des JugArbSchG entgegenstehen (Wendl-Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2 Rn. 45), was bei dem 17jährigen Kläger nicht der Fall ist. Kommt das Kind dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, so muss es sich in erzielbarer Höhe fiktive Einkünfte, die es bedarfsdeckend einzusetzen hat, zurechnen lassen (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 442). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er trotz hinreichender Bemühungen nicht in der Lage war, seinen Bedarf selbst zu decken, trägt der Unterhaltsberechtigte. Der Kläger hat zu von ihm entfalteten Erwerbsbemühungen nicht hinreichend konkret vorgetragen. Es ist daher davon auszugehen, dass er in der Lage ist, den von der Beklagten verlangten Unterhalt selbst zu erwirtschaften, würde er nur entsprechende Bemühungen entfalten (zur Zurechnung fiktiver Einkünfte auch OLG Köln, FuR 2005, 570).
Dieser Beurteilung steht das Urteil des OLG Köln vom 20.04.2004 - 4 UF 229/03 - (FamRZ 2005, 301), auf das sich der Kläger beruft, nicht entgegen. Das Urteil beschäftigt sich mit einer Fallgestaltung, in der ein volljähriges Kind nach Schulabbruch und Jahren der Untätigkeit doch noch eine Ausbildung aufnahm. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt (§ 1610 Abs. 2 BGB) noch bestehen kann, wenn der Unterhaltsberechtigte zuvor einige Jahre untätig zugebracht hat. In dem von ihm zu entscheidenden Fall hat das OLG Köln einen solchen Anspruch aufgrund der besonderen Persönlichkeitsstruktur des Unterhaltsberechtigten bejaht.
Anders als in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall fordert der Kläger hier jedoch den Unterhalt nicht, damit er eine Ausbildung absolvieren kann. Vielmehr wünscht er, dass die Beklagte ihm ein Leben in Untätigkeit finanziert. Insofern vertritt aber auch das OLG Köln die Auffassung, dass für die Zeiten der Tatenlosigkeit keine Unterhaltsberechtigung besteht und sieht sogar - zu Recht - eine schwere Verfehlung des Unterhaltsberechtigten darin, dass er dem Verpflichteten nicht mitgeteilt hat, dass er die Schule abbrach.
Ob sich der Kläger ausreichend um eine Ausbildungsstelle bemüht hat, kann dahinstehen. Zwar sieht der Senat keine Anhaltspunkte für ausreichende Bemühungen, denn das vom Kläger vorgelegte Schreiben der …-Schule vom 18.07.2007 (Anlage K 5) zeigt hinreichend deutlich, dass der Kläger offenkundig zu wenig Fleiß und Energie aufbringt, um schulischen Erfolg zu haben oder eine Ausbildungsstelle zu erlangen. Selbst wenn er aber nur aufgrund von ihm nicht zu beeinflussender Umstände einen Ausbildungsplatz nicht gefunden hätte, wäre er verpflichtet, so lange, bis er einen solchen Platz findet, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Daran ist er selbst dann nicht gehindert, wenn die Klägerin ihm, wie er behauptet, nicht genügend Halt oder Zuwendung gegeben haben sollte.
2.
Selbst wenn man dem gegen die herrschende Meinung und gegen die Auffassung des Senats aufgrund des Rechtsgedankens aus § 1611 Abs. 2 BGB, dass einem Minderjährigen Verfehlungen nicht entgegengehalten werden können, von einer Unerheblichkeit der Obliegenheitsverletzung in Bezug auf die Bedarfsdeckung fiktiver Einkünfte ausgehen würde, hätte die beabsichtigte Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Sie und bereits die Klage wären unschlüssig, weil die Aufteilung der Barunterhaltspflicht unter den Eltern des Klägers, ggf. unter Berücksichtigung geleisteten Naturalunterhalts, nicht nachvollziehbar dargestellt wird (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Dabei geht der Senat davon aus, dass es keinen Zweifeln unterliegt, dass der gesetzliche Vertreter des Klägers diesen jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab der er eine eigene Wohnung genommen hat, nicht mehr betreut.
3.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO).

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(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterh

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.