Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 02. Apr. 2014 - 4 U 174/13

bei uns veröffentlicht am02.04.2014

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 08. August 2013 (Az.: 11 O 105/13) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.000 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Geldentschädigung von mindestens 10.000 EUR wegen der Veröffentlichung eines Lichtbildes.
1.
Der Kläger ist der Vater von T. K., der am 11.03.2009 bei einem Amoklauf 15 Menschen tötete, weitere verletzte und sich anschließend selbst tötete. Er ist - zwischenzeitlich rechtskräftig - wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Beklagte verlegt u. a. die B-Zeitung. In deren Ausgabe „B S“ erschien am 21.10.2010 ein Artikel unter der Überschrift „Morddrohung gegen T.‘s Vater“ (Anl. K 1), in dessen Rahmen das aus Anlage K 1 ersichtliche gepixelte Lichtbild des Klägers wiedergegeben wurde. In der Ausgabe der „B S“ vom 01.12.2012 erschien ein weiterer Artikel (Anl. K 2) mit der Überschrift „Amok-Killer von W - so brachte sein Vater ihm das Schießen bei“, in welchem dasselbe Lichtbild in kleinerer Form wiedergegeben wurde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch die Veröffentlichung des Lichtbildes in den genannten Zeitungsartikeln sein Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletzt, so dass ihm eine Geldentschädigung von mindestens 10.000 EUR zustehe. Er hat behauptet, auf dem Lichtbild sei er, insbesondere wenn man dieses aus einiger Entfernung betrachte, trotz der Pixelung zu erkennen. Das zeitgeschichtliche Interesse an seiner Person wegen des Amoklaufs seines Sohnes und des gegen ihn geführten Strafprozesses rechtfertige es nicht, ihn im Bild einer medialen Verwertung auszusetzen, wenn das Bild ohne jeglichen Zusammenhang zu den zeitgeschichtlichen Umständen stehe, auf welche das öffentliche Interesse gerichtet sei.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers liege nicht vor. Sie hat behauptet, der Kläger sie aufgrund der Pixelung gar nicht erkennbar, es wäre aber auch eine Berichterstattung ohne Pixelung zulässig gewesen, da die Berichterstattung einen zeitgeschichtlichen Vorgang von besonderem Gewicht betreffe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der Antragstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
2.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Dass die Container-Signatur, mit der die Klageschrift nebst Anlagen beim Landgericht eingereicht worden ist, nicht von dem Rechtsanwalt der Sozietät stammte, welcher den Schriftsatz zu verantworten hatte, sondern von einem anderen, ebenfalls zur Sozietät gehörenden Rechtsanwalt, sei schon deshalb unschädlich, weil die mit der Originalunterschrift des Rechtsanwalts, welcher den Schriftsatz zu verantworten hatte, unterzeichnete Klageschrift eingescannt, dem Landgericht in dieser Form übersandt und dort mit der in Kopie wiedergegebenen Unterschrift ausgedruckt worden sei, so dass zweifelsfrei eine wirksam unterzeichnete Klageschrift vorliege. Im Übrigen habe der den Schriftsatz verantwortende Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die Klageschrift die in dieser formulierten Klaganträge gestellt und deshalb spätestens hierdurch wirksam Klage erhoben.
10 
Die Klage sei jedoch unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer immateriellen Geldentschädigung gemäß § 823 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 des Grundgesetzes zustehe, da die Beklagte durch die Veröffentlichung des Lichtbildes in den beiden beanstandeten Zeitungsartikeln keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen habe, welche nicht auf andere Weise ausgeglichen werden könne. Die Veröffentlichung des Lichtbildes sei vielmehr nach dem gestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zulässig gewesen, weil es sich bei dem im Rahmen der beiden Artikel veröffentlichten Lichtbild um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 der KUG), durch die Veröffentlichung des Lichtbildes kein berechtigtes Interesse des Klägers verletzt worden sei (§ 23 Abs. 2 KUG) und daher keine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstelle.
11 
Nach den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen zur Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.
12 
Bei dem Amoklauf des Sohnes des Klägers habe es sich um eine außergewöhnlich schwere Straftat gehandelt, die großes Aufsehen erregt und in der Bevölkerung starke Betroffenheit ausgelöst habe. Es habe ein überragendes Interesse der Öffentlichkeit bestanden, über Einzelheiten, Ursachen, Hintergründe und Begleitumstände dieses außergewöhnlichen Verbrechens detailliert informiert zu werden. Auch an der Person des Klägers habe ein erhebliches Informationsinteresse nicht nur als Vater des Täters, sondern auch deshalb bestanden, weil die Frage im Raum gestanden habe und Gegenstand des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens gewesen sei, ob dieser schuldhaft eine entscheidende Ursache für die Gewalttat seines Sohnes dadurch gesetzt habe, dass er die in seinem Besitz befindlichen Waffen nicht sorgfältig verschlossen gehabt habe. Auch hinsichtlich der in den beiden Zeitungsartikeln angesprochenen Fragen, wie sich die Angehörigen der Opfer dem Kläger gegenüber verhielten, ob sie Racheakte planten (Artikel vom 21.10.2010, Anl. K 1), ob der Kläger seinem Sohn Schießunterricht erteilt und wie er bei Eintreffen der Todesnachricht reagiert habe (Artikel vom 01.12.2012, Anl. K 2), habe ein erhebliches, über bloße Neugier und Sensationslust weit hinausreichendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden. Diesem gegenüber habe das Interesse des Klägers an der Wahrung seines Persönlichkeitsrechts zurückzutreten. Bei dem von der Beklagten im Rahmen beider Artikel veröffentlichten Lichtbild des Klägers handele es sich daher um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, so dass es auch ohne dessen Einwilligung habe verbreitet werden dürfen.
13 
Durch die Verbreitung seien auch nicht berechtigte Interessen des Klägers verletzt worden (§ 23 Abs. 2 KUG).
14 
Auch im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG sei eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK vorzunehmen. Diese führe zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegenüber den Rechten der Presse zurückzutreten habe, so dass berechtigte Interessen des Klägers durch die Veröffentlichung des Lichtbilds nicht verletzt worden seien.
15 
Bei der Abwägung sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger auf dem gepixelten Lichtbild nicht zu erkennen sei. Infolge der Pixelung seien seine Gesichtszüge nur grob schemenhaft in einer Weise wiedergegeben, welche eine Identifizierung nicht ermöglicht hätten. Auch dann, wenn man das Lichtbild aus einiger Entfernung betrachte, könne man allenfalls erkennen, dass die abgebildete Person wie viele andere Männer auch einen Vollbart trage. Einzelheiten der Gesichtszüge, welche es ermöglichen würden, den Kläger als Person zu identifizieren, seien nicht wiedergegeben. Es handele sich daher bei der Berichterstattung der Beklagten in beiden Artikeln nicht um eine identifizierende Berichterstattung.
16 
Da die individuellen Züge des Klägers auf dem Lichtbild nicht zu erkennen seien, könne auch definitiv ausgeschlossen werden, dass von dessen Veröffentlichung eine Gefährdung für den Kläger ausgegangen sei. Personen, die sein Gesicht noch nicht kennen, könnten ihn aufgrund des wiedergegebenen Lichtbildes nicht identifizieren, und Personen, denen seine Gesichtszüge bereits bekannt sind, erhielten durch das Lichtbild keinerlei neue Informationen, welche ihnen einen Racheakt ermöglichen oder erleichtern würden.
17 
Das Lichtbild zeige den Kläger auch nicht in seiner Intimsphäre oder in einer seine persönliche Würde beeinträchtigenden Situation und enthalte daher keine in diese eingreifende entwürdigende, anprangernde oder stigmatisierende Wirkung. Vielmehr werde der Kläger lediglich in alltäglicher Haltung in völlig unverfänglicher, neutraler Umgebung wiedergegeben, so dass von der Darstellung keinerlei persönlichkeitsbeeinträchtigende Wirkungen ausgingen.
18 
Enthalte das Lichtbild im Rahmen einer Berichterstattung wie im vorliegenden Fall als solches keine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage, so sei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung im Kontext der dazugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln. Ausgehend hiervon werde durch die Wiedergabe des Lichtbilds ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt, denn in beiden Zeitungsartikeln würden Fragen erörtert, hinsichtlich derer ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe. Die Veröffentlichung des Lichtbildes diene daher der Erfüllung eines erheblichen öffentlichen Informationsinteresses. Von einer nicht zu Informationszwecken erfolgten, bloß reißerischen Berichterstattung und einem Missbrauch des Lichtbildes zu Zwecken der Anprangerung oder Stigmatisierung könne keine Rede sein.
19 
Die sitzungspolizeiliche Verfügung des Landgerichts vom 09.09.2010 im gegen den Kläger geführten Strafverfahren, wonach Aufnahmen des Klägers zu anonymisieren gewesen seien, sei schon deshalb irrelevant, weil das streitgegenständliche Foto unstreitig nicht im Gerichtssaal gefertigt worden sei. Abgesehen davon eröffne § 176 GVG dem Vorsitzenden keine Befugnis, Maßnahmen zum Persönlichkeitsschutz anzuordnen, welche durch §§ 22, 23 KUG nicht gerechtfertigt seien.
20 
Werde somit durch die Veröffentlichung der gepixelten Lichtbilder des Klägers im Rahmen der beiden Artikel dessen Persönlichkeitsrecht nicht in gravierender, unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt und bestehe andererseits ein überragendes öffentliches Informationsinteresse der Beklagten, das sich auch auf die Veröffentlichung des Lichtbilds in dem von der Beklagten gewählten Kontext erstrecke, habe das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Rahmen der Abwägung zurückzutreten. Mangels Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger daher kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu.
3.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen weiter verfolgt.
22 
Zur Begründung trägt er abgesehen von einer pauschalen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
23 
Die angegriffene Entscheidung beruhe auf Tatsachenfeststellungen, welche nicht ordnungsgemäß getroffen worden seien, weshalb Zweifel an deren Richtigkeit bzw. Vollständigkeit bestünden. Aufgrund der unrichtigen bzw. unvollständigen Tatsachenfeststellungen ergebe sich eine Rechtsverletzung, welche das Urteil unrichtig mache.
24 
Zutreffend werde im angefochtenen Urteil noch dargestellt, dass zur Entscheidung über das Vorliegen einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung maßgeblich das für die Beklagtenseite streitende Informationsinteresse, welches aus den Grundrechten der Presse- und Rundfunkfreiheit herrühre, mit seinem hiermit kollidierenden Persönlichkeitsschutzinteresse und seinem Grundrecht auf Schutz seiner Privatsphäre abzuwägen sei.
25 
Nach zutreffender Skizzierung der insoweit geltenden Grundsätze der §§ 22, 23 KUG nehme das Landgericht bei der Würdigung des Sachverhalt jedoch eine Fehlgewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem für ihn streitenden Persönlichkeitsschutz vor. Es stelle im Rahmen seiner Begründung in den Mittelpunkt, dass es sich bei dem zu Grunde liegenden und auch den Gegenstand der fraglichen Berichterstattung darstellenden Geschehen um ein besonders zeitgeschichtliches Ereignis handele, was dafür spreche, dass die Beklagte mit ihrer Berichterstattung ihrem medialen Auftrag zur Informationsvermittlung nachkomme, der beinhalte, über relevante zeitgeschichtliche Geschehnisse zu berichten. Weiter führe es aus, dass es sich um eine schwere Straftat handele, wobei zugleich der - auch zutreffende - Hinweis erfolge, dass es sich bei seinem „Tatbeitrag“ mitnichten um eine schwere Straftat handele.
26 
Unzutreffend sei aber die Feststellung, dass das fragliche Bild nicht seiner absolut geschützten Intimsphäre zuzurechnen sei.
27 
Sowohl was seine tatsächliche Erkennbarkeit als auch was die Frage der Schwere der ihm vorgeworfenen strafrechtlichen Verfehlung betreffe, sei diese abweichend von den Feststellungen des Landgerichts zu beurteilen.
28 
Vielmehr überwiege sein Interesse, von der Beklagten nicht im Bild massenhaft verbreitet zu werden, deren Informationsinteresse. Mit der streitigen Bildveröffentlichung heize diese die von ihr maßgeblich initiierte und mit betriebene Stimmungsmache in der Öffentlichkeit in Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Verfahren an. Ein berechtigtes zeitgeschichtliches Informationsinteresse werde hingegen durch die Veröffentlichung des Bildes gerade infolge der nicht vorhandenen Kontextbezogenheit in keinster Weise befriedigt.
29 
Vielmehr sei ihm trotz des zweifelsohne bestehenden berechtigten Interesses der Öffentlichkeit an einer Aufklärung der Vorgänge in Zusammenhang mit dem Amoklauf seines Sohnes ein überragendes, berechtigtes Interesse an der Wahrung seiner „bildlichen“ Anonymität und damit letztlich seines Selbstbestimmungsrechts zuzusprechen.
30 
Sei somit ein Überwiegen seiner Persönlichkeitsinteressen festzustellen, so liege auch eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Diese ergebe sich nach den hierfür heranzuziehenden Rechtsprechungsgrundsätzen aus der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, dem Anlass und dem Beweggrund des Verletzers sowie aus dem Grad des der Beklagten anzulastenden Verschuldens.
31 
Aus der von der Beklagten schuldhaft begangenen rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung rühre das unabweisliche Bedürfnis her, diese zur Zahlung einer Geldentschädigung zu verurteilen, weil es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und dieser massiven Beeinträchtigung der Persönlichkeitssphäre nicht in anderer Weise begegnet werden könne.
32 
Der vorliegende Sachverhalt stelle sich so dar, dass die Beklagte es mit Absicht zu einem Rechtsbruch habe kommen lassen, um mit einem für die in ihrem Haus stattfindende Berichterstattung charakteristischen Mittel, nämlich mit einem Foto, maximale Aufmerksamkeit zum Zwecke der Auflagensteigerung zu erregen unter völliger Missachtung seiner Persönlichkeitsrechte.
33 
Der Kläger beantragt:
34 
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 08.08.2013, Az. 11 O 105/13, wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger als immaterielle Entschädigung einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 10.000,00.
35 
Die Beklagte beantragt:
36 
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
37 
Entgegen der Behauptung des Klägers sei dieser auf dem Bild nicht erkennbar. Zutreffend weise das Landgericht darauf hin, dass seine individuellen Züge auf dem Lichtbild nicht zu erkennen seien. Bei einem Vergleich der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht übergebenen Fotografie des Klägers mit der schemenhaften Darstellung auf der streitgegenständlichen Abbildung zeige sich, dass dieser tatsächlich über völlig andere Gesichtszüge verfüge als aufgrund der schemenhaften Darstellung auf dem streitgegenständlichen Bild allenfalls vermutet werden könne. Eine irgendwie geartete Identifizierbarkeit anhand der streitgegenständlichen Abbildung sei mithin nicht gegeben.
38 
Diese sei entgegen seiner Rechtsauffassung auch nicht seiner absolut geschützten Intimsphäre zuzurechnen. Insoweit verkenne der Kläger die nach herrschender Meinung vorzunehmende Abgrenzung der Persönlichkeitssphären. Die streitgegenständliche Abbildung zeige ihn weder nackt noch in einer privaten Situation, sondern in seiner Sozialsphäre an einem Tisch in einer Gaststätte sitzend. Zutreffend weise das Landgericht darauf hin, dass mit dieser Abbildung keinerlei Prangerwirkung oder Ähnliches verbunden sei, sondern der Kläger neutral dargestellt werde. Damit liege entgegen seiner Rechtsauffassung kein Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre noch überhaupt ein solcher in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht vor.
39 
Letzteres sei insbesondere deshalb der Fall, weil ihre Berichterstattung ein Ereignis betreffe, an dem ein besonders Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden habe. Der Kläger verkenne, dass die Tat seines Sohnes und sein diese Tat erst ermöglichender Tatbeitrag das Informationsinteresse für eine Berichterstattung über Tat und Täter ausgelöst hätten. Sie habe keine Stimmungsmache in der Öffentlichkeit inszeniert oder betrieben oder absichtlich zum Zwecke der Auflagensteigerung einen Rechtsbruch begangen. Anscheinend verdränge der Kläger, dass durch die Handlung seines Sohnes und seines eigenen Tatbeitrags, der dies erst ermöglicht habe, 15 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden seien. Es gebe wenige Straftaten der jüngeren Vergangenheit in der Bundesrepublik, die ähnlich schrecklich gewesen seien und ein vergleichbares öffentliches Informationsinteresse ausgelöst hätten. Über derartige Geschehnisse dürfe und müsse die Presse auch berichten. Hierzu habe sie sich eines Bildes bedienen dürfen, das zwar nicht den Kläger dabei zeige, wie er die Waffe, welcher sein Sohn dann zu seiner Tat benutzt habe, unverschlossen in seiner Wohnung liegen lasse (also ein Bild mit Kontextbezug), sondern ein neutrales Bild auf dem er aber ohnehin nicht erkennbar sei. Die Nutzung eines derartigen neutralen Bildes sei zulässig.
40 
Entgegen der Auffassung des Klägers habe das Landgericht zwischen seinen und ihren Rechten zutreffend abgewogen. Die Berufungsbegründung führe insoweit auch keine konkrete Rüge hinsichtlich eines Abwägungsfehlers aus, sondern setze lediglich ein eigenes Abwägungsergebnis an die Stelle der umfassenden und sorgfältigen Abwägung des landgerichtlichen Urteils, das keine Abwägungsfehler erkennen lasse. Da der Kläger auf dem Lichtbild nicht erkennbar sei, schieden Ansprüche aufgrund angeblicher Verletzung des Rechts am eigenen Bild ohnehin von vorneherein aus.
41 
Jedenfalls liege keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, welche Voraussetzung für den geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch sei.
4.
42 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 verwiesen (Bl. 115 f.).
II.
43 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
44 
Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, da die Klage zwar zulässig (nachfolgend 1.), jedoch nicht begründet (nachfolgend 2.) ist.
1.
45 
Die Klage ist zulässig, insbesondere wirksam erhoben worden.
a)
46 
Der diesbezüglichen Prüfung ist der Senat nicht dadurch enthoben, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt hat, er stütze seinen Klagabweisungsantrag nicht mehr auf den Vortrag, dass keine wirksame Klageerhebung wegen der Container-Signatur vorliege, denn die Ordnungsmäßigkeit der Klagerhebung ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (siehe nur Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., vor § 253 Rnrn. 9, 14 u. 24 i.V.m. § 253 Rnrn. 7 ff., insbesondere Rn. 22).
b)
47 
Zu Recht hat das Landgericht angenommen, es liege eine wirksame Klagerhebung vor. Dabei ist es ersichtlich und zutreffend davon ausgegangen, dass das Unterschriftserfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO bei bestimmenden Schriftsätzen zwingendes Wirksamkeitserfordernis ist (st. höchstrichterl. Rspr., Nachweise bei Zöller-Greger, a.a.O., § 130 Rn. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es aber für die Wahrung des Unterschrifterfordernisses des § 130 Nr. 6 ZPO, wenn wie im vorliegenden Fall der bestimmende Schriftsatz, welcher vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnet ist, dem Gericht per E-Mail übersandt und dort ausgedruckt wird, auch wenn der Ausdruck naturgemäß die Unterschrift nur in Kopie wiedergibt; dies ist nach § 130 Nr. 6 Alt. 2 unschädlich (BGH NJW 2008, 2649 Tz. 8 ff. - Berufungsbegründung per E-Mail -, insbesondere Tz. 13 ff.). Zwar liegt dann keine Übermittlung durch einen Telefaxdienst vor; doch stellte eine Ungleichbehandlung von per Telefax übermittelter Telekopie und sonstiger übermittelter und dann ausgedruckter Bilddatei eine unzumutbare, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Behinderung des Zugangs zu den Gerichten dar und wäre sachlich nicht gerechtfertigt (BGH, a.a.O., Tz. 14).
2.
48 
Zutreffend hat das Landgericht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die beanstandeten Veröffentlichungen des gepixelten Lichtbildes des Klägers verneint. Weder rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung noch beruht das landgerichtliche Urteil auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO513 Abs. 1 ZPO).
a)
49 
Zu Recht hat das Landgericht einen Eingriff in das Recht des Klägers am eigenen Bild bejaht, obwohl es gleichzeitig - wie noch auszuführen sein wird, zu Recht - angenommen hat, dass der Kläger auf dem gepixelten Lichtbild tatsächlich nicht zu erkennen ist.
aa)
50 
Ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild, das als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts (so schon BGH NJW 1958, 827, 828 = BGHZ 26, 349 - Herrenreiter; ferner etwa BGH, Urteil vom 06.03.2007, VI ZR 51/06 Tz. 5 - abgestuftes Schutzkonzept -, dort als st. Rspr. bezeichnet; aus der Lit. etwa von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 7 Rnrn. 1 und 3 und Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., Kap. 43 Rn. 1b, jeweils m.w.N. aus der verfassungs- und höchstrichterlichen Rechtsprechung) in den §§ 22, 23 KUG geregelt ist, setzt zwar die Erkennbarkeit (Identifizierbarkeit) der abgebildeten Person voraus, ohne die kein Bildnis i.S.v. § 22 Satz 1 KUG vorliegt und damit kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben sein kann (BGH NJW 1958, 827, 828 -Herrenreiter; BGH GRUR 1962, 211 - Hochzeitsbild; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 13; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 827; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 133).
51 
Die Erkennbarkeit des Abgebildeten muss sich jedoch nicht zwingend aus der Abbildung als solcher ergeben, auch wenn es in der Regel die Gesichtszüge sind, die einen Menschen erkennbar machen (BGH NJW 1979, 2205; v. Strobl-Albeg, ebenda, m.w.N.). Es genügt für die Erkennbarkeit im Rechtssinne, wenn der Abgebildete durch Merkmale erkennbar ist, die gerade ihm eigen sind; welche dies sind, ist grundsätzlich ohne Belang (BGH NJW 2000, 2201, 2202; v. Strobl-Albeg, ebenda; Prinz/Peters, ebenda). Es ist auch nicht erforderlich, dass die Erkennbarkeit überhaupt auf der Abbildung beruht. Vielmehr genügt es, wenn begleitende Umstände die Erkennbarkeit zur Folge haben; insbesondere genügt es, wenn sich diese aus dem neben oder unter dem Bild stehenden Text (BGH NJW 1965, 2148, 2149; BGH NJW 1979, 2205; OLG Hamburg NJW-RR 1992, 536 und NJW-RR 1993, 923; KG AfP 2006, 567, 568; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 14; Prinz/Peters, ebenda; Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 136; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 13 Tz. 39a) oder aufgrund früherer Veröffentlichungen ergibt (BGH NJW 1979, 2205; OLG Hamburg NJW-RR 1993, 923; OLG Frankfurt NJW 2006, 619 f.; KG, ebenda; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 14; Prinz/Peters, ebenda). Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit ist nicht darauf abzustellen, ob auch der flüchtige Durchschnittsleser oder -betrachter den Abgebildeten erkennen kann, vielmehr reicht die Erkennbarkeit für einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis aus (BGH GRUR 1962, 211 - Hochzeitsbild; BGH NJW 1979, 2205; OLG Hamburg NJW-RR 1993, 923; OLG Frankfurt, ebenda; OLG Karlsruhe AfP 2002, 42, 45; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 15; Prinz/Peters, ebenda; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., Kap. 43 Rn. 5). Der Abgebildete muss auch nicht den Beweis führen, tatsächlich von bestimmten Personen erkannt worden zu sein; vielmehr liegt ein „Bildnis“ bereits dann vor und ist damit bei fehlender Einwilligung in die Verbreitung ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild gegeben, wenn er begründeten Anlass für die Annahme hat, er könne identifiziert werden (BGH NJW 1979, 2205; Prinz/Peters, ebenda; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 43 Rn. 4; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 15 m. w. N. aus der Rspr.).
52 
Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „abgestuften Schutzkonzept“ (siehe nachfolgend b) aa)) hat am Erfordernis der Identifizierbarkeit (Erkennbarkeit im Rechtssinne) und den hierfür entwickelten Kriterien nichts geändert (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10, Tz. 22, 24 - Bildnis im Gerichtssaal; aus der Lit. etwa Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 43 Rn. 4 f.).
bb)
53 
Gemessen an diesen Maßstäben ist trotz des Umstands, dass der Kläger jedenfalls für Personen, die ihn nicht bereits kennen, allein aufgrund des gepixelten Lichtbildes tatsächlich nicht erkennbar ist, eine Erkennbarkeit im Rechtssinne und mithin ein Bildnis i.S.v. § 22 Satz 1 KUG gegeben und liegt infolgedessen durch dessen ohne Einwilligung erfolgte Veröffentlichungen ein Eingriff in sein Recht am eigenen Bild vor:
(1)
54 
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Kläger auf dem gepixelten Lichtbild, das die Beklagten in den beiden Zeitungsartikeln (in unterschiedlicher Größe) wiedergegeben hat, nicht zu erkennen ist, weil durch die Pixelung seine Gesichtszüge nur grob schemenhaft wiedergegeben sind und man auch dann, wenn man das Lichtbild aus einiger Entfernung betrachtet, entgegen der Behauptung des Klägers allenfalls erkennen kann, dass die abgebildete Person wie viele andere Männer auch einen Vollbart trägt, ohne dass Einzelheiten der Gesichtszüge des Klägers wiedergegeben wären, die seine Identifikation ermöglichten (LGU S. 10 unter II. 2. c) aa)).
55 
Soweit in der Berufungsbegründung behauptet wird, diese Feststellung des Landgerichts sei falsch, fehlt es an jeder Darlegung, dass und warum die Umstände, aus welchen das Landgericht die fehlende Erkennbarkeit allein aufgrund des Lichtbilds angenommen hat, falsch sein sollen. Vielmehr ist die landgerichtliche Feststellung richtig, wie der Senat ohne weiteres aufgrund eines Vergleichs des gepixelten Lichtbildes, wie es in den beiden Artikeln wiedergegeben ist (im Original vorgelegt als Bl. 67), mit dem vom Klägervertreter vorgelegten Lichtbild seines Mandanten (Bl. 66) feststellen kann.
(2)
56 
Dennoch ist nach dem vom Senat zugrunde zu legenden Sachverhalt eine Erkennbarkeit (Identifizierbarkeit) im Rechtssinne gegeben, und zwar auch bei Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten. Diese hat in der Klagerwiderung zwar ausgeführt, der Kläger könne auch von seinem Bekanntenkreis (allein) aufgrund des Bildes nicht erkannt werden, gleichzeitig aber erklärt, der Kläger werde von seinem Bekanntenkreis allein dadurch identifiziert, dass diesem - wie auch darüber hinaus der Öffentlichkeit - bekannt sei, wer der Vater des Amokläufers von Winnenden sei (S. 8 f., Bl. 38 f.). Diese Einschätzung der Beklagten erscheint auch richtig, zumal in den beiden Artikeln jeweils von „T. K.“, dem Amoklauf von W. und „T‘s Vater“ bzw. dem „Vater des Amokläufers von W.“ die Rede und er infolgedessen aufgrund des Textes, dem die Bilder beigefügt sind, identifizierbar ist. Da es wie oben unter aa) dargelegt für das Vorliegen eines „Bildnisses“ i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 KUG (Erkennbarkeit im Rechtssinne) gleichgültig ist, aufgrund welcher Umstände eine Identifizierbarkeit gegeben ist, es insbesondere ausreicht, wenn sich die Erkennbarkeit aufgrund von Umständen ergibt, die neben oder außerhalb des Bildnisses liegen, liegt mithin ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) des Klägers vor. Sollte der letzte Satz auf LGU S. 10, es handele sich bei der Berichterstattung in beiden Artikeln nicht um eine „identifizierende Bildberichterstattung“ dahingehend zu verstehen sein, dass der Kläger nicht im Rechtssinne „erkennbar“ ist und deshalb kein „Bildnis“ i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 KUG vorliegt, könnte dem aufgrund dessen nicht gefolgt werden.
b)
57 
Zu Recht hat das Landgericht mangels Erteilung einer Einwilligung (§ 22 KUG; LGU S. 7 unter 1.) entscheidend darauf abgestellt, ob es sich bei dem im Rahmen der in beiden Artikeln veröffentlichten Bildnis um ein solches aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt und ob durch die Veröffentlichung des Lichtbilds ein berechtigtes Interesses des Klägers i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG verletzt wird (LGU S. 7 ff. unter 2.).
aa)
58 
Nach der neueren, mit der Entscheidung „abgestuftes Schutzkonzept“ vom 06.03. 2007 (VI ZR 51/06 vom 06.03.2007, BGHZ 171, 275 = NJW 2007, 1977 = GRUR 2007, 527) und weiteren Entscheidungen vom selben Tage (Nachweise etwa bei Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 2 f in Fn. 3) begründeten Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, die dieser bereits in der „Walter Sedlmayr“-Entscheidung vom 09.02.2010 (VI ZR 243/08, a.a.O., Tz. 32) als gefestigt bezeichnet hat (ebenso aus neuerer Zeit in der Entscheidung „Die INKA-Story“ vom 22.11.2011, VI ZR 26/11, Tz. 22) und die sowohl vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2008, 1793 - Caroline von Monaco II) als auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (NJW 2012, 1053 = GRUR 2012, 745) gebilligt worden ist, bestimmt sich die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach einem abgestuften, aus den §§ 22, 23 KUG abzuleitenden Schutzkonzept, wonach die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG nach folgenden Grundsätzen zu beurteilen ist: (siehe etwa die Urteile „Bild im Gerichtssaal“ vom 07.06.2011, VI ZR 108/10, Tz. 17 - 23, und „Die INKA-Story“ vom 22.11.2011, VI ZR 26/11, Tz. 23 - 26):
59 
Die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits, wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den §§ 22, 23 KUG sowie Art. 8 und Art. 10 EMRK beeinflusst werden. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers als Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos; vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht. Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen.
60 
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem §§ 22, 23 KUG, Art. 8 EMRK und § 176 GVG. Die in §§ 22, 23 KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenbestimmungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtspositionen zueinander Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist.
61 
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen. Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird.
62 
Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird. In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen.
63 
Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt andererseits dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit das Bild - wie hier - nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird.
bb)
64 
Wie die Ausführungen auf LGU S. 7- 9 unter II. 2. a) der Entscheidungsgründe zeigen, ist das Landgericht bei seiner Prüfung der Zulässigkeit der Bildveröffentlichung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, Abs. 2 KUG von diesen Grundsätzen ausgegangen. Dies zieht auch die Berufungsbegründung nicht in Zweifel (S. 3 unter 2. Bl. 100).
c)
65 
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist aber auch die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall durch das Landgericht (LGU S. 9-12 unter II. 2. b) und c) der Entscheidungsgründe) nicht zu beanstanden.
aa)
66 
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in Anwendung der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beginnend mit seinen Entscheidungen vom 06.03.2007 entwickelten Grundsätze angenommen, dass es sich bei dem Bild des Klägers um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt (LGU S. 9 f unter II. 2. b) der Entscheidungsgründe). Insbesondere hat das Landgericht richtigerweise darauf abgestellt, dass nicht nur am Amoklauf des Sohnes des Klägers und dessen Person, sondern auch an der Person des Klägers selbst ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Dieses bestand nicht nur, weil er Vater des Täters ist, sondern auch deshalb, weil die Frage im Raum stand und Gegenstand des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens war, ob dieser schuldhaft eine entscheidende Ursache für die Taten seines Sohnes dadurch gesetzt hatte, dass er die in seinem Besitz befindlichen Waffen nicht sorgfältig weggeschlossen hatte. Dass dem so war, steht zwischenzeitlich aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers gemäß § 190 Satz 1 StGB fest, denn die in dieser Norm enthaltene Beweisregel ist ebenso wie diejenige des § 186 StGB in das Zivil(Prozess)recht zu transformieren (BGH NJW 1985, 2644, 2646 -Nachtigall II; OLG Dresden AfP 1998, 510; Soehring/Hoene, a.a.O., § 30 Tz. 26b).
67 
Richtigerweise hat das Landgericht auch in Bezug auf die in den beiden Zeitungsartikeln behandelten Themen, nämlich wie sich die Angehörigen der Opfer gegenüber dem Kläger verhielten, ob sie Racheakte planten (Anl. K 1), ob der Kläger seinem Sohn Schießunterricht erteilt und wie er beim Eintreffen der Todesnachricht reagiert habe (Anl. K 2), ein erhebliches, über bloße Neugier und Sensationslust weit hinausreichendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit angenommen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die erste beanstandete Veröffentlichung vom 21.10.2001 (Anl. K 1) während der ersten Hauptverhandlung über die gegen den Kläger erhobene Anklage u. a. wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung, die unstreitig vom September 2010 bis Februar 2011 andauerte, erfolgte, und die zweite vom 01.12.2012 (Anl. K 2) während der zweiten, durch die im Revisionsverfahren erfolgte Aufhebung des ersten den Kläger für schuldig befindenden Urteils notwendig gewordenen zweiten Hauptverhandlung, die Mitte November 2012 begann und mit der zwischenzeitlich rechtskräftigen Verurteilung des Klägers im Februar 2013 endete. Aufgrund dessen war der Aktualitätsbezug, welcher in der Regel bewirkt, dass das Informationsinteresse an einer identifizierenden Berichterstattung regelmäßig Vorrang genießt (vgl. nur BVerfG NJW 2009, 3357 Tz. 19; BGH GRUR 2006, 257 Tz. 13 - Ernst August von Hannover; Soehring/Hoene, a.a.O., § 19 Tz. 27), ohne weiteres gegeben. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten und Strafverfahren das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang verdient, denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10 Tz. 19 m.w.N. - Bild im Gerichtssaal, BGHZ 190, 52 = NJW 2011, 3153 = GRUR 2011, 750; BVerfG NJW 2009, 3357 Tz. 19) und dass dieses Interesse auch durch die Veröffentlichung eines Bildnisses befriedigt werden darf. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, ist für die Frage, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich, denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (BGH, Urteil vom 28.05.2013, VI ZR 125/12 Tz. 17 m.w.N. - Eisprinzessin Alexandra, NJW 2013, 1178 = GRUR 2013, 1065; BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10 Tz. 20; BVerfGE 101, 361, 389).
68 
Zu Unrecht meint deshalb der Kläger, durch die Veröffentlichung des Bildes werde ein berechtigtes zeitgeschichtliches Informationsinteresse nicht befriedigt, vielmehr handele es sich nur darum, durch die Veröffentlichung des Fotos eine Stimmungsmache weiter anzuheizen.
bb)
69 
Zu Recht hat das Landgericht weiter angenommen, dass durch die Verbreitung des Bildnisses die berechtigten Interessen des Klägers nicht i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG verletzt werden (LGU S. 10-12 unter II. 2. c) der Entscheidungsgründe).
70 
Soweit der Kläger meint, entgegen der Auffassung des Landgerichts überwögen bei der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers einerseits und andererseits der Pressefreiheit bzw. dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit seine Persönlichkeitsinteressen, kann dem nicht gefolgt werden. Bei Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist vielmehr mit dem Landgericht festzustellen, dass im Rahmen der Abwägung das Persönlichkeitsrecht des Klägers zurückzutreten hat. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf LGU S. 10-12 unter II. 2. c) aa) bis ff) der Entscheidungsgründe verwiesen werden. Ergänzend ist, insbesondere soweit der Kläger sich nicht darauf beschränkt, nur ein eigenes anderes Abwägungsergebnis an die Stelle der umfassenden und sorgfältigen Abwägung des angefochtenen Urteils zu setzen, sondern die Erwägungen des Landgerichts konkret angreift, lediglich auszuführen:
(1)
71 
Sein Vortrag, das Bildnis sei seiner „absolut geschützten Intimsphäre“ zuzurechnen, beruht ebenso wie die in erster Instanz aufgestellte Behauptung, das Bildnis sei seiner „absolut geschützten Privatsphäre“ zuzuordnen, auf einer offensichtlichen Verkennung der Abgrenzung der drei in Rechtsprechung und Literatur unterschiedenen Persönlichkeitssphären (Intim-, Privat- und Sozialsphäre).
(a)
72 
Richtig daran ist allein, dass berechtigte Belange i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG insbesondere durch die Verbreitung von Bildnissen aus der Intimsphäre in der Regel ohne weiteres verletzt sein werden (Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 17). Unrichtig und nicht nachvollziehbar ist hingegen die Ansicht, vorliegend handele es sich um ein solches Bildnis, denn zur Intimsphäre werden insbesondere Bildnisse des unbekleideten menschlichen Körpers, aber auch etwa das Krankenlager eines pflegebedürftigen Schwerstkranken oder Fotos einer Leiche gezählt, wenn diese intime Details sichtbar machen (Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 17, 17a mit zahlr. Nachw. aus der Rspr.; Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 260-262; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 8 Rn. 56-61). Derartiges steht hier nicht in Frage.
(b)
73 
Anders als hinsichtlich des zur Intimsphäre gehörenden Bereichs ist die Veröffentlichung von Bildnissen aus der Privatsphäre nicht generell unzulässig und der Schutz des Persönlichkeitsrechts insoweit nicht absolut. Er hing bereits vor der Modifizierung des Bildnisschutzes durch das vom Bundesgerichtshof entwickelte „abgestufte Schutzkonzept“ von einer Abwägung ab, wobei auch Personen der Zeitgeschichte es grundsätzlich nicht zu dulden brauchten, dass von ihnen im Kernbereich der Privatsphäre ohne ihre Einwilligung Bildaufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung angefertigt wurden, jedoch auch insoweit überwiegende öffentliche Interessen ggf. einen solchen Eingriff rechtfertigen konnten (BGH NJW 1996, 1128, 1129 - Caroline von Monaco III; v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 8 Rn. 62 ff., insbesondere Rn. 64, sowie Burkhardt in: Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rn. 54 ff., insbesondere Rn. 60 mit zahlr. Nachw. aus der höchst- u. verfassungsgerichtl. Rspr.). Der Schutz der Privatsphäre war danach thematisch und räumlich bestimmt. Thematisch umfasste er zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zur-Schau-Stellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 8 Rn. 65 m.w.N.). Räumlich erstreckte sich der Schutz auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehenlassen kann, einen Raum, in welchem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von dieser erzwungenen Selbstkontrolle zu sein (a.a.O., Rn. 66 ff.). Daran, dass Herstellung und Verbreitung von Aufnahmen aus der Privatsphäre nicht schlechthin unzulässig sind und die Frage ihrer Zulässigkeit durch eine Abwägung zu beantworten ist, hat sich durch das vom Bundesgerichtshof entwickelte „abgestufte Schutzkonzept“ nichts geändert (siehe nur Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 16 und Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 43 Rnrn. 21, 23 ff. sowie Rnrn. 39, 53 f.). Nicht mehr aufrechtzuerhalten ist allerdings die räumliche Beschränkung der Privatsphäre auf Örtlichkeiten, welche die Merkmale der Abgeschiedenheit aufweisen, da dies mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (NJW 2004, 2650) nicht vereinbar war (vgl. Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 18 u. 18 c; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 43 Rn. 54).
74 
Bei dem vom Kläger beanstandeten Bildnis handelt es sich in diesem Sinne nicht um eine (Bild)Berichterstattung über den außerhäuslichen Privatbereich, denn dies setzte voraus, dass das Bildnis den Kläger bei der Verrichtung erkennbar privater Lebensvorgänge, wenn auch in der Öffentlichkeit, zeigen würde (BGH, Urteil vom 17.02.2009, VI ZR 75/08 Tz. 13 - Sabine Christiansen mit Begleiter, NJW 2009, 1502 = GRUR 2009, 665). Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat (LGU S. 11 unter II. 2. c) cc) der Entscheidungsgründe), wird der Kläger aber lediglich in alltäglicher Haltung in völlig unverfänglicher, neutraler Umgebung wiedergegeben; es handelt sich mithin um ein kontextneutrales Bild in Form eines Porträtfotos nicht des ganzen Körpers, sondern nur des Kopfes. Die Verwendung eines solchen ist, wenn die übrigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ein Überwiegen des Veröffentlichungsinteresses ergeben, grundsätzlich zulässig (vgl. nur Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Tz. 18a). Die erstinstanzliche Behauptung des Klägers, das Bild sei „unweigerlich“ seinem „privaten Rückzugsraum“ zuzuordnen, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar und mangels diesbezüglichen Tatsachenvortrags, warum dem so sein soll, unbehelflich.
(c)
75 
Ob man mit der Beklagten annimmt, die streitgegenständlichen Abbildungen seien der Sozialsphäre zuzuordnen, weil der Kläger an einem Tisch in einer Gaststätte sitzend fotografiert worden sei, wofür spricht, dass die Sozialsphäre den gesamten jenseits des Privaten liegenden Bereich der Person umfasst, der nach außen so in Erscheinung tritt, dass er auch von Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen keine rein persönlichen Beziehungen bestehen, der Mensch also allgemein gesehen als Glied der sozialen Gemeinschaft gezeigt wird (Burkhardt, a.a.O., Kap. 5 Rn. 65; vgl. BGH GRUR 1995, 270, 274 - Dubioses Geschäftsgebaren - und BGH NJW 1981, 1089, 1091 - Wallraff I), kann letztlich dahinstehen, denn für den Leser ist dies aufgrund der kontextneutralen Darstellung und Umgebung ohnehin nicht erkennbar, so dass von der Darstellung als solcher wie vom Landgericht angenommen keinerlei über das Abgebildetsein als solches hinausgehende persönlichkeitsbeeinträchtigende Wirkungen ausgehen.
(2)
76 
Demgemäß kann der Argumentation des Klägers, die Wiedergabe des Bildnisses sei deshalb nicht zulässig, weil dieses keine Aussage enthalte, welche auf den Text des jeweiligen Artikels bezogen sei, nicht zugestimmt werden. Vom fehlenden Kontextbezug geht vorliegend schon deshalb keine Beeinträchtigung der Persönlichkeit des Klägers aus, weil das Bildnis kontextneutral ist. Von einem kontextneutralen (Portrait-)Foto wird keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewirkt (BGH, Urteil vom 13.04.2010, VI ZR 125/08 Tz. 20 - Gala-Diner im Centre Pompidou; Urteil vom 23.06.2009, VI ZR 232/09 Tz. 14; Urteil vom 22.11.2011, VI ZR 26/11 Tz. 30 - Die INKA-Story). Auch das Bundesverfassungsgericht nimmt an, dass die Veröffentlichung kontextneutraler Bildnisse als solche in der Regel keine stärkere Persönlichkeitsbeeinträchtigung bewirkt als ein den Begleitkontext wiedergebendes Foto (NJW 2001, 1921, 1924 - Prinz Ernst August von Hannover).
77 
Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend darauf abgehoben, dass dann, wenn wie im vorliegenden Fall das Bildnis als solches keine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, der Informationsgehalt der Bildberichterstattung im Kontext der dazugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10 Tz. 23 m.w.N. - Bild im Gerichtssaal). Es hat in Anwendung dieses Grundsatzes zutreffend ausgeführt, dass durch die Wiedergabe des Bildnisses ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt werde, da in beiden Zeitungsartikeln Fragen erörtert werden, hinsichtlich derer ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, weswegen von einer nicht zu Informationszwecken erfolgenden, bloß reißerischen Berichterstattung und einem Missbrauch des Lichtbilds zu Zwecken der Anprangerung oder Stigmatisierung keine Rede sein könne.
(3)
78 
Zu Recht hat das Landgericht schließlich angenommen, dass die Verletzung eines berechtigten Interesses des Klägers i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG durch die Verbreitung des Bildnisses auch nicht mit einer vom Kläger behaupteten erheblichen Gefährdung seiner Person, insbesondere durch drohende Racheakte von Angehörigen der Opfer des Amoklaufs seines Sohnes, begründet werden kann.
79 
Zwar kann ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG daran, dass die Verbreitung eines Bildnisses unterbleibt, auch zu bejahen sein, wenn sie eine nicht ganz fernliegende Gefährdung von Leben und Gesundheit des Abgebildeten zur Folge hat, insbesondere wenn zu befürchten ist, dass der Abgebildete der Gefahr von Racheakten ausgesetzt ist (v. Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 8 Rn. 83; Burkhardt, a.a.O., Kap. 5 Rn. 109 f., jeweils mit Nachw. aus der obergerichtl. Rspr.). Die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs in einem solchen Fall ist sogar im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geboten, allerdings nur, wenn eine konkrete Gefährdungslage besteht (Burkhardt, a.a.O., Kap. 5 Rn. 109; vgl. BVerfG NJW 2000, 2194; NJW 2002, 2021, 2022 und NJW 2003, 2523).
80 
Zu Recht hat das Landgericht aber für den vorliegenden Fall festgestellt, dass ein von der Veröffentlichung des Bildnisses in den beiden Artikeln ausgehende Gefährdung des Klägers definitiv ausgeschlossen werden kann und dabei zutreffend darauf abgestellt, dass mangels Erkennbarkeit der individuellen Züge des Klägers auf dem Bildnis Personen, die sein Gesicht noch nicht kennen, ihn aufgrund des wiedergegebenen Lichtbildes nicht identifizieren können, hingegen Personen, denen seine Gesichtszüge bereits bekannt sind, durch die Wiedergabe des Lichtbilds keinerlei neue Informationen erhalten, die ihnen einen Racheakt ermöglichen oder erleichtern würden.
III.
81 
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO.
82 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 02. Apr. 2014 - 4 U 174/13

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2009 - VI ZR 75/08

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 75/08 Verkündet am: 17. Februar 2009 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2011 - VI ZR 108/10

bei uns veröffentlicht am 07.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 108/10 Verkündet am: 7. Juni 2011 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2011 - VI ZR 26/11

bei uns veröffentlicht am 22.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 26/11 Verkündet am: 22. November 2011 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BG

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Apr. 2010 - VI ZR 125/08

bei uns veröffentlicht am 13.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 125/08 Verkündet am: 13. April 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 02. Apr. 2014 - 4 U 174/13.

Oberlandesgericht Nürnberg Hinweisbeschluss, 15. März 2019 - 3 U 22/19

bei uns veröffentlicht am 15.03.2019

Tenor Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 06.12.2018, Az. 23 O 2114/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich k

Referenzen

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

(2) An der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. Der Vorsitzende kann Ausnahmen gestatten, wenn und soweit die Kenntlichmachung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist.

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 51/06 Verkündet am:
6. März 2007
H o l m e s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Abs. 2
Zur Illustrierung der Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis kann
eine Veröffentlichung von Bildaufnahmen Prominenter nach einer Abwägung
der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK mit den Rechten der Presse aus
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 EMRK auch ohne Einwilligung zulässig
sein.
BGH, Urteil vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - Hanseatisches OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. März 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 31. Januar 2006 aufgehoben, soweit es die Klage wegen der angegriffenen Bildveröffentlichungen in der Zeitschrift "Frau im Spiegel" Ausgabe Nr. 9/03 vom 20. Februar 2003 und Ausgabe Nr. 12/04 vom 11. März 2004 abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 1. Juli 2005 zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist eine Tochter des verstorbenen Fürsten von Monaco. Die Beklagte verlegt die Zeitschrift "Frau im Spiegel". In der Ausgabe Nr. 9/02 vom 20. Februar 2002 dieser Zeitschrift wurde berichtet, dass der Fürst von Monaco erkrankt sei. Bebildert war der Bericht unter anderem mit einer der angegriffenen Aufnahmen, welche die Klägerin im Skiurlaub neben ihrem Ehemann auf der Straße in St. Moritz zeigt. In der Ausgabe Nr. 9/03 vom 20. Februar 2003 berichtete die Zeitschrift erneut über einen Winterurlaub der Klägerin in St. Moritz unter Beifügung eines Bildes, das die Klägerin und ihren Ehemann auf öffentlicher Straße in St. Moritz unter vielen Menschen zeigt. In der Ausgabe Nr. 12/04 vom 11. März 2004 berichtete das Blatt über den bevorstehenden "Rosenball" in Monaco; dieser Bericht wurde unter anderem mit einer Aufnahme illustriert, welche die Klägerin und ihren Ehemann in einem öffentlichen ZweierSessellift in Zürs am Arlberg in Skikleidung zeigt.
2
Die Klägerin verlangt - wie ihr Ehemann im Verfahren VI ZR 50/06 - von der Beklagten, es zu unterlassen, diese Aufnahmen erneut zu veröffentlichen. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin, die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht rechtswidrig in das Recht der Klägerin am eigenen Bild eingegriffen. Die Klägerin müsse gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als Person des öffentlichen Lebens hinnehmen, dass Aufnahmen auch ohne ihre Einwilligung verbreitet würden. Dieses Recht zur Veröffentli- chung finde nach § 23 Abs. 2 KUG erst dann seine Grenze, wenn die Aufnahmen die Privatsphäre der Klägerin berührten und das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Privatsphäre das Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiege. Eine Abwägung der Grundrechte der Parteien aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebe hier, dass die Veröffentlichung rechtmäßig erfolgt sei. Zwar sei auch Art. 8 Abs. 1 EMRK bei der Abwägung zu berücksichtigen und bei der Bestimmung der Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin heranzuziehen. Das Grundgesetz sei aber als Verfassung des deutschen Staates vorrangig. Allerdings sei hier keine Frage des allgemeinen Interesses betroffen, zu der die veröffentlichten Bilder einen Beitrag leisteten , sondern nur das Unterhaltungsinteresse. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien die Veröffentlichungen jedoch trotzdem zulässig , weil Plätze, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befinde, die Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes nicht erfüllten; sie könnten das Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigten damit auch nicht den grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der Persönlichkeitsentfaltung verdiene. Diese Rechtsprechung binde das Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG. Die beanstandeten Bilder zeigten die Klägerin mit ihrem Ehemann auf offener Straße in St. Moritz und in einem öffentlichen, allgemein zugänglichen Skilift, damit an Plätzen, an denen sich viele Menschen aufhielten. Wer sich - wie die Klägerin - als Person des öffentlichen Lebens an diesen Orten aufhalte und dort seinen Urlaub verbringe, müsse mit einer gewissen Aufmerksamkeit rechnen und könne nicht davon ausgehen, von den Medien unbeobachtet zu bleiben. Dem öffentlichen Informationsinteresse sei deshalb der Vorrang einzuräumen. Die Bildveröffentlichungen seien nicht zu beanstanden.

II.


4
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Klägerin kann der Beklagten die erneute Veröffentlichung der beanstandeten Aufnahmen lediglich nicht untersagen, soweit sie der Bebilderung einer Berichterstattung über ein Ereignis der Zeitgeschichte dienen und damit selbst ein "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte" sind.
5
1. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 131, 332, 336; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83). Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, dass die Klägerin die nach diesen Grundsätzen erforderliche Einwilligung zur Verbreitung der Aufnahmen weder ausdrücklich noch stillschweigend erteilt hat.
6
2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch ohne Einwilligung hinzunehmen, dass Aufnahmen verbreitet werden, die sie im Urlaub in Begleitung ihres Ehemannes in der Öffentlichkeit abbildeten, kann zwar in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte einwilligungsfrei veröffentlicht werden dürfen, greift vorliegend nicht hinsichtlich jeder beanstandeten Aufnahme durch.
7
a) Das Berufungsgericht bejaht für alle beanstandeten Bildveröffentlichungen eine Ausnahme im Sinn von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Die Klägerin müsse als Person des öffentlichen Lebens die Veröffentlichung hinnehmen. Zwar leisteten die Bilder keinen Beitrag zu einer Frage von allgemeinem Inte- resse, sondern dienten nur dem Unterhaltungsinteresse. Gleichwohl sei der Schutz der Privatsphäre nicht vorrangig, weil die Aufnahmen die Klägerin an Orten zeigten, an denen sich viele Menschen befänden.
8
Seine Auffassung leitet das Berufungsgericht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101, 361 ff.) her, mit dem das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1995 (- VI ZR 15/95 - BGHZ 131, 332 ff.) zu den Paparazzi-Bildern (mit Ausnahme der Abbildungen mit Kindern) bestätigt worden ist und an das sich das Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG gebunden fühlt.
9
b) Indessen wird diese Auffassung des Berufungsgerichts nicht in jeder Hinsicht dem abgestuften Schutzkonzept gerecht, das die Rechtsprechung aus §§ 22, 23 KUG entwickelt hat (vgl. BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff.; NJW 2001, 1921, 1924 ff.; NJW 2006, 2835 f.; NJW 2006, 2836). Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (künftig: EGMR) vom 24. Juni 2004 in dem Verfahren von Hannover gegen Deutschland (NJW 2004, 2647 ff.) und vom 16. November 2004 (NJW 2006, 591 ff. - Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland) dargelegten Grundsätze. Der erkennende Senat hat dieses Schutzkonzept in mehreren neuen Entscheidungen erläutert (vgl. etwa Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 ff.) und fasst dies nochmals zusammen.
10
aa) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden; hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
11
Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte" entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berichtet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (vgl. Senat, BGHZ 131, 332 ff., bestätigt von BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff.).
12
bb) Gegen diese Beschränkung des Schutzes der Privatsphäre bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2004 grundsätzliche Bedenken geäußert, denen der erkennende Senat bereits in mehreren in der Folgezeit ergangenen Entscheidungen Rechnung getragen hat (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274).
13
Hiernach nimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nach der Intention des Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "aus dem Be- reich der Zeitgeschichte" zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 - 1 BvR 2606/04 u.a. - NJW 2006, 3406, 3407 f.).
14
cc) Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (künftig: EMRK) in der Fassung des Protokolls Nr. 11 vom 11. Mai 1994 (BGBl 1995 II 578 ff.; vgl. nunmehr die ab 1. November 1998 geltende Neufassung - Bek. vom 17. Mai 2002 - BGBl 2002 II 1054 ff.) sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und der Presse aus Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. Senat, Urteile vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341 f.; vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83, 84; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.
15
Soweit sich die Bedenken des EGMR gegen den Begriff der "absoluten Person der Zeitgeschichte" richten (NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 72), geht es der Sache nach um die Frage, unter welchen Voraussetzungen über solche in der Öffentlichkeit bekannte Personen berichtet werden darf. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Klägerin unbeschadet der Frage, ob sie als absolute Person der Zeitgeschichte im Sinn der bisherigen Rechtsprechung anzusehen ist, jedenfalls eine in der Öffentlichkeit bekannte Person ist und in besonderem Maß das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zieht. Auch hat sie sich bei den beanstandeten Abbildungen nicht an Orten der Abgeschiedenheit im oben dargelegten Sinn befunden, so dass der Gesichtspunkt der Belästigung durch heimlich aufgenommene Fotos (vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408; Senat, BGHZ 131, 332, 342) im Streitfall keine Rolle spielt.
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Allein diese Umstände können jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um einen Schutz der Privatsphäre zu verneinen. Das gilt nicht nur unter Berücksichtigung der Auffassung des EGMR, sondern ergibt sich bei richtigem Verständnis bereits aus dem abgestuften Schutzkonzept , wie es oben dargelegt worden ist. Hiernach ist auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, eine Verbreitung der Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
17
Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (so schon Senatsurteile BGHZ 158, 218, 222 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - I ZR 182/04 - Rn. 15, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Dabei darf aller- dings der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden werden. Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (KUG; vgl. Ebermayer in: Stengleins Kommentar zu den Strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reiches, 5. Aufl., Band I § 23 KUG Anm. 1; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, XI. Legislaturperiode I. Session 1905/1906, erster Sessionsabschnitt, Aktenstück Nr. 30 S. 1540 f. und I. Lesung 25. Januar 1906, Bd. 214, S. 819), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen (vgl. Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523 mit Anmerkung von Gerlach JZ 2004, 625; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836, 2837).
18
Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist (BVerfGE 101, 361, 392; Senat, Urteil vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO Rn. 24; EGMR, NJW 2006, 591, 592 f. Rn. 38 ff.). Deshalb muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält (vgl. BVerfGE 101, 361, 392; Senat, Urteile vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667, 668 f., bestätigt durch BVerfG, NJW 2000, 1026, und vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO). Die Bedeutung der Pressefreiheit wird unter Hinweis auf Art. 10 EMRK auch in der Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647, 2648 f. Rn. 58, 60, 63) hervorgehoben, wenn dort ausgeführt wird, dass die Presse in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele und es ihre Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben, was letztlich mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang steht.
19
Soweit der Gerichtshof der Presse dieses Recht nur "in bestimmten Grenzen" (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 Rn. 58) zugesteht, betrifft diese Einschränkung ersichtlich die Abwägung zwischen Pressefreiheit und Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits , mithin eine Abwägung, wie sie auch nach dem oben dargestellten Schutzkonzept geboten ist. Auch wenn die Presse zur Wahrung der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie berichten will, kann sie sich damit nicht der Abwägung mit der geschützten Privatsphäre derjenigen entziehen, über die sie berichten will.
20
Deshalb muss eine Interessenabwägung stattfinden und zwar zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits. Die Bedeutung des Informationswerts für die Interessenabwägung hat der erkennende Senat schon in früheren Entscheidungen hervorgehoben (Senat, BGHZ 151, 26, 31; Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525 m.w.N.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der In- formationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BVerfGE 101, 361, 391; Senat, BGHZ 131, 332, 342 m.w.N.). Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht und ist nicht schützenswert (vgl. BVerfGE 34, 269, 283; Senat, BGHZ 131, 332, 342 m.w.N.).
21
Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. August 2006 (NJW 2006, 3406, 3407) bestätigt, wobei es nach Lage des Falles nicht zu entscheiden brauchte, ob er auch für Personen von hohem Bekanntheitsgrad gilt. Diese Frage ist nach Auffassung des erkennenden Senats unter Berücksichtigung des Urteils des EGMR vom 24. Juni 2004 im Grundsatz zu bejahen. Deshalb kann auch bei den bisher so genannten Personen der Zeitgeschichte nicht außer Betracht bleiben, ob die Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden Zeitgeschehens handelt, ein weites Verständnis geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.
22
Eine solche Gewichtung bei der Interessenabwägung trägt nach Auffassung des erkennenden Senats den Anforderungen des Gerichtshofs (EGMR NJW 2004, 2647, 2651 Rn. 76) an einen wirksamen Schutz der Privatsphäre ebenso Rechnung wie dem Schutz der Grundrechte aus Art. 5 GG. Ihr steht - anders als das Berufungsgericht meint - auch eine Bindungswirkung des § 31 BVerfGG nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Entscheidung des erkennenden Senats insoweit bestätigt, als dort der Schutz der Privatsphäre gegen unerwünschte Aufnahmen auf die Fälle erkennbarer räumlicher Abgeschiedenheit beschränkt worden ist. Das schließt es jedoch nicht aus, bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen Pressefreiheit und Schutz der Privatsphäre den Informationswert für die Öffentlichkeit stärker zu berücksichtigen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht eine diesen Grundsätzen entsprechende Interessenabwägung in einem den Ehemann der Klägerin betreffenden Verfahren gebilligt (Senat, Urteil vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; BVerfG, NJW 2006, 2835).
23
dd) Kommt es mithin für diese Abwägung maßgeblich auf den Informationswert der Abbildung an, so kann - da im Streitfall die beanstandete Abbildung im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung verbreitet worden ist - bei der Beurteilung diese zugehörige Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt bleiben (so auch EGMR NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 64). Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BGHZ 158, 218, 223; Urteile vom 30. September 2003 - VI ZR 89/02 - VersR 2004, 205, 206; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 f. - jeweils m.w.N.).
24
3. Diese Grundsätze führen im Streitfall zu folgender Abwägung:
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a) Das in der Ausgabe Nr. 9/03 vom 20. Februar 2003 der Zeitschrift "Frau im Spiegel" veröffentlichte Bild war einem Bericht über einen Winterurlaub der Klägerin beigefügt und zeigt die Klägerin und ihren Ehemann auf öffentlicher Straße in St. Moritz unter vielen Menschen.
26
Zwar darf - wie bereits oben näher ausgeführt - die Presse grundsätzlich selbst darüber bestimmen, was sie für berichtenswert hält. Die Klägerin und ihr Ehemann hielten sich zudem in der Öffentlichkeit unter anderen Menschen auf.
27
Die Wortberichterstattung über den Urlaub der Klägerin betrifft aber selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs keinen Vorgang von allgemeinem Interesse (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 f. Rn. 60 ff.) und kein zeitgeschichtliches Ereignis. Auch der beanstandeten Abbildung sind kein Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse und keine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen. Die Aufnahme zeigt die Klägerin und ihren Ehemann unstreitig im Urlaub, der auch bei "Prominenten" zum grundsätzlich geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört.
28
Bei der erforderlichen Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung zu beachten, dass es eine entscheidende Rolle spielt, ob die Presse eine neue und wahre Information von allgemeinem Interesse für die öffentliche Meinungsbildung mitteilt oder ob der Informationswert für die Öffentlichkeit - wie hier - wesentlich in der Unterhaltung ohne gesellschaftliche Relevanz besteht (vgl. BVerfG, BVerfGE 34, 269, 283 f.; 101, 361, 390 f.; Senat, BGHZ 131, 332, 342f.). Im letzten Fall besteht kein berücksichtigenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das eine Bildveröffentlichung entgegen dem Willen des Abgebildeten erlaubte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG); die abgebildete Person muss die regelmäßig in der Bildveröffentlichung liegende Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre und damit ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht ohne Einwilligung hinnehmen (§ 22 KUG). Insoweit ist daher die Berufung der Beklagten gegen das Urteil erster Instanz zurückzuweisen , ohne dass es auf die Verletzung eines berechtigten Interesses der abgebildeten Person (§ 23 Abs. 2 KUG) noch ankäme.
29
b) In der Ausgabe Nr. 12/04 der gleichen Zeitschrift vom 11. März 2004 berichtete die Beklagte über den bevorstehenden "Rosenball" in Monaco, bebildert unter anderen mit einer Aufnahme, welche die Klägerin und ihren Ehemann ebenfalls während eines Urlaubs in einem öffentlichen Zweier-Sessellift in Zürs am Arlberg in Skikleidung zeigt. Auch insoweit hat die Revision der Klägerin nach einer Abwägung der beteiligten Rechte und Grundrechte der Parteien Erfolg.
30
Zwar mag man den Bericht über den bevorstehenden "Rosenball" in Monaco als Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis von allgemeinem Interesse mit gesellschaftlicher Relevanz werten. Die dem Bericht beigefügte Aufnahme der Klägerin und ihres Ehemannes im Skiurlaub hat jedoch mit dem Ball als möglichem Ereignis von allgemeinem Interesse nichts zu tun. Sie dient vielmehr der Bebilderung eines inhaltlich völlig selbständigen Teils der Wortberichterstattung , mit dem über die Feier des Geburtstags des Ehemanns der Klägerin in St. Moritz berichtet wird, zu der die Eheleute aus ihrem Winterurlaub in Zürs angereist waren. Sowohl die Geburtstagsfeier wie auch der Skiurlaub der Klägerin in Zürs betrafen ausschließlich die Privatsphäre der Eheleute. Insoweit sind der Bericht und seine Bebilderung ersichtlich nicht von allgemeinem Interesse , sondern dienen ausschließlich dem Unterhaltungsinteresse. Sie stehen auch in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit dem (möglicherweise) zeitgeschichtlichen Ereignis "Rosenball". Angesichts des geringen Informationswerts überwiegt in einem solchen Fall der Schutz der Privatsphäre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin das Interesse der Öffentlichkeit an der Verbreitung der beanstandeten Aufnahme. Eine Veröffentlichung der beanstandeten Aufnahme kommt - unabhängig von § 23 Abs. 2 KUG - ohne Einwilligung der abgebildeten Person(en) nicht in Betracht (§ 22 KUG). Auch insoweit ist daher die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
31
c) Die Aufnahme, welche die Beklagte in der Zeitschrift "Frau im Spiegel" Ausgabe Nr. 9/02 vom 20. Februar 2002 veröffentlicht hat, zeigt die Klägerin und ihren Ehemann auf öffentlicher Straße in St. Moritz im Urlaub, der grundsätzlich auch bei "Prominenten" zum geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört. Dennoch hat das Berufungsgericht die Veröffentlichung des Fotos im Ergebnis ohne Rechtsfehler als Bebilderung eines Berichts über ein zeitgeschichtliches Ereignis nicht beanstandet.
32
Zwar sind der beanstandeten Abbildung als solcher keine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis oder ein Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse zu entnehmen. Indes ist für den Informationswert auch die zugehörige Wortberichterstattung zu berücksichtigen. Soweit diese sich auf den Skiurlaub bezieht, kann allerdings ein zeitgeschichtliches Ereignis bzw. ein Vorgang von allgemeinem Interesse (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 f. Rn. 60 ff.) selbst bei dem im Interesse der Informationsfreiheit gebotenen weiten Verständnis dieser Begriffe nicht angenommen werden. Gegenstand der Wortberichterstattung ist jedoch auch die Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco und damit ein zeitgeschichtliches Ereignis im dargelegten Sinn, über das die Presse berichten darf. Insofern kommt es auf den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung dieses Artikels nicht an, da die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulässt, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des jeweiligen Presseerzeugnisses oder redaktionellen Beitrags abhängig zu machen (BVerfGE 34, 269, 283; Senat, Urteil vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667, 668, bestätigt durch BVerfG, NJW 2000, 1026). Das gilt auch, soweit der Artikel das Verhalten von Familienmitgliedern während der Krankheit des Fürsten betrifft, zumal die Klägerin die Wortberichterstattung auch in diesem Punkt nicht angegriffen hat. Diese Berichterstattung wird mit der beanstandeten Abbildung belegt und illustriert.
33
Bei dieser Sachlage sind überwiegende berechtigte Interessen der Klägerin (§ 23 Abs. 2 KUG), die einer Veröffentlichung der Abbildung entgegenstehen könnten, bei der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit (vgl. Senat, Urteil vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83, 84) nicht zu erkennen. Insbesondere ist der beanstandeten Abbildung , welche die Klägerin und ihren Ehemann auf offener Straße zeigt, kein eigenständiger Verletzungseffekt zu entnehmen, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte. Dass die Aufnahme etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder von technischen Mitteln, die dem gleich kämen, zustande gekommen und aus diesem Grund unzulässig wäre (vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408; Senat, BGHZ 131, 332, 342), ist nicht ersichtlich.
34
4. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat selbst entscheiden (§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO).
35
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.07.2005 - 324 O 873/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 31.01.2006 - 7 U 88/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 108/10 Verkündet am:
7. Juni 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Das Persönlichkeitsrecht ist im Rahmen einer sitzungspolizeilichen Verfügung
nach § 176 GVG nicht in weiterem Umfang zu schützen, als dies nach §§ 22,
23 KUG der Fall ist.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. April 2010 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2009 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Berichts in der von ihr verlegten "Bild"-Zeitung auf Unterlassung der Verbreitung eines ihn identifizierenden Fotos in Anspruch.
2
Am 15. Juli 2008 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart den Kläger zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten zum Gegenstand, der nur wenige Stunden vor dem geplanten Tatbeginn durch Festnahme der Beteiligten verhindert werden konnte.
3
Während der Hauptverhandlung waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 24. Mai 2006 im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung jeweils 20 Minuten vor Sitzungsbeginn nur am ersten Hauptverhandlungstag und am Tag der Urteilsverkündung mit der Maßgabe zulässig, dass von den Mitgliedern des Strafsenats keine Aufnahmen gefertigt und sonstige Verfahrensbeteiligte nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis gefilmt oder fotografiert werden durften. In einer ergänzenden sitzungspolizeilichen Verfügung vom 8. Juli 2008 hieß es: "Die Angeklagten haben erklärt, dass sie mit einer Ablichtung nicht einverstanden sind. Deren Gesichter sind daher durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich zu machen".
4
Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 16. Juli 2008 unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung Fotos von den Angeklagten , auf denen ihre Gesichter nicht unkenntlich gemacht waren. Sie hatte das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto des Klägers von einer Agentur erworben.
5
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sein Bildnis "ungepixelt" oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten, und ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf den Unterlassungsanspruch in vollem Umfang und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs weitgehend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte bezüglich des Unterlassungsanspruchs keinen und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs nur in geringem Umfang Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil u.a. in AfP 2010, 395 veröffentlicht ist, steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 823, 1004 Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und demgemäß auch ein Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren zu.
7
Zwar habe die gemäß § 176 GVG erlassene sitzungspolizeiliche Verfügung keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie sich nur an die bei der Verhandlung anwesenden Personen gerichtet habe und die Mitarbeiter der Beklagten an der Sitzung nicht teilgenommen hätten.
8
Nach dem für die Beurteilung des Unterlassungsantrags geltenden abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG sei die Bildveröffentlichung aber rechtswidrig.
9
Im Streitfall liege zwar ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor, so dass grundsätzlich eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig sei. Denn die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und der Pressefreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führe wegen des überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu dem Ergebnis , dass das Interesse der Beklagten an einer öffentlichen Berichterstattung das Recht des Klägers auf Anonymität überwiege. Es habe sich um eines der bedeutendsten Terroristenverfahren der letzten Jahre gehandelt.
10
Der Bildveröffentlichung stünden jedoch berechtigte Interessen des Klägers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Zwar sei die zu dem Foto gehörende Wortberichterstattung nicht zu beanstanden und das Foto beinhalte keinen eigenständigen Verletzungseffekt. Auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung begründe kein überwiegendes Interesse des Klägers, so dass der tagesaktuellen Berichterstattung Vorrang zukomme. Bei der gebotenen Interessenabwägung fielen aber das Vertrauen des Klägers auf die Gültigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung und die Entstehung des Fotos unter Missachtung des Anonymisierungsgebots zu seinen Gunsten entscheidend ins Gewicht.
11
Die sitzungspolizeilichen Verfügungen seien zwar rechtswidrig gewesen, weil sie die Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch sei die identifizierende Abbildung des Klägers zulässig gewesen, weil der Persönlichkeitsschutz des Klägers gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Bericht über die Urteilsverkündung zurücktrete und der Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht gefährdet gewesen seien. Der Kläger habe aber auf die sitzungspolizeilichen Verfügungen vertrauen dürfen. Die Agentur sei nicht berechtigt gewesen, das Foto des Klägers der Beklagten zur Verbreitung zu überlassen, ohne vorher das Gesicht des Klägers durch geeignete Maßnahmen unkenntlich gemacht zu haben. Zudem sei die sitzungspolizeiliche Verfügung gerade im Interesse des Klägers ergangen.

II.

12
Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß dem Tenor des angefochtenen Urteils unbeschränkt zugelassen. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine Beschränkung der Revision auf den Unterlassungsantrag nicht entnehmen, weil der Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten als Annex des Unterlassungsanspruchs anzusehen ist. Die Angriffe der uneingeschränkt eingelegten Revision betreffen auch den Anspruch auf Freistellung.

III.

13
Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung und Freistellung von den Rechtsanwaltskosten entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
14
1. a) Das Berufungsgericht beurteilt die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Ansatz zu Recht nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. etwa Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 5 ff.; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 12 ff.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 6 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 f., 211 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Ein- klang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
15
b) Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass sich eine Unzulässigkeit der identifizierenden Bildberichterstattung jedenfalls gegenüber der Beklagten nicht allein aus der sitzungspolizeilichen Verfügung ergeben kann, sondern das Nichtbeachten des Anonymisierungsgebots nur im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen ist. Das in der Verfügung enthaltene Gebot, die Bildaufnahmen unkenntlich zu machen, konnte keine unmittelbaren Verpflichtungen für die Beklagte begründen, weil deren Mitarbeiter bei der Sitzung nicht anwesend waren. Die Beklagte erwarb das Foto von einer Presseagentur. Sitzungspolizeiliche Verfügungen im Sinne von § 176 GVG richten sich nur an die im Sitzungszimmer und in den angrenzenden, noch der Sitzungspolizei unterliegenden Räumlichkeiten anwesenden Personen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23, 24; OLG Karlsruhe, NJW 1977, 309, 310; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 176 Rn. 39; KK/Diemer, StPO, 6. Aufl., § 176 GVG Rn. 3; Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 176 GVG Rn. 6, 38; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 176 GVG Rn. 4).
16
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bejaht.
17
a) Schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits , wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den §§ 22, 23 KUG sowie Art. 8 und Art. 10 EMRK beeinflusst werden (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 10; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33). Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 13 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 13; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO). Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 11; BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, NJW 2006, 591, 592 f.). Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen (Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; BVerfGE 101, 361, 389).
18
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem §§ 22, 23 KUG, Art. 8 EMRK und § 176 GVG (vgl. BVerfGE 50, 234, 241; 91, 125, 136 f.; 120, 180, 201 f.). Die in §§ 22, 23 KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenbestimmungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtspositionen zueinander Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 16; BVerfGE 120, 180, 200 f.; BVerfGK 9, 54, 60 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 43 ff.).
19
b) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 230 f.; 119, 309, 321 f.; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 11; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18; Schlüter, AfP 2009, 557, 561 f.; Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 26a, 32). Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 18 mwN; BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 19).
20
c) Gemäß diesen Grundsätzen handelt es sich hier um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren eines der bedeutendsten Terroristenverfahren in den letzten Jahren, das erhebliches Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte. Der Kläger war am Vortag der Veröffentlichung wegen eines geplanten Anschlags auf ein ausländisches Staatsoberhaupt in Deutschland erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto vom Kläger und den beiden Mitangeklagten wurde im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung veröffentlicht. Unter diesen Umständen liegt eine aktuelle Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hat und gegenüber dem der Persönlichkeitsschutz des Klägers grundsätzlich zurücktreten musste. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht als für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich angesehen. Denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (vgl. BVerfGE 101, 361, 389).
21
3. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings die im Streitfall vorgenommene Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden durch die Verbreitung des nicht anonymisierten Fotos keine berechtigten Interessen des Klägers im Sinne dieser Vorschrift verletzt und hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Angesichts des unter den konkreten Umständen deutlichen Überwiegens der Rechte der Beklagten und des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit hat das Berufungsgericht bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK dem Vertrauen des Klägers auf die Einhaltung der sitzungspolizeilichen Verfügung und deren Nichtbeachtung nach Fertigung der streitgegenständlichen Fotoaufnahme ein zu großes Gewicht beigemessen. Die erforderliche Abwägung kann der Senat selbst vor- nehmen, weil keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 11).
22
a) Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 33; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 15). In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 44, 68; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 2117 Rn. 23).
23
Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt andererseits dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit das Bild - wie hier - nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 34 f.; BVerfGE 120, 180, 206 f.).
24
b) Nach diesen Kriterien verletzt die Verbreitung eines nicht anonymisierten Fotos unter den gegebenen Umständen grundsätzlich keine berechtigten Interessen des Klägers. Es bestand ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit auch hinsichtlich einer Abbildung des Klägers, nachdem dieser wegen einer Aufsehen erregenden schweren Straftat erstinstanzlich verurteilt worden ist, die insbesondere wegen der terroristischen Bedrohung und der damit verbundenen Ängste auch ein erhebliches Interesse an den Tätern begründet hat. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildberichterstattung über einen Angeklagten, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über die Person des Täters informieren können (vgl. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1329). Dies gilt insbesondere auch bei Straftätern, die - wie hier - im Zusammenhang mit einem geplanten terroristischen Anschlag verurteilt worden sind, weil solche Täter im Alltag oft unauffällig leben und auch deswegen ein großes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung besteht, welche es besser ermöglicht, sich ein Bild von den Tätern zu machen. Die streitgegenständliche Fotoaufnahme enthält auch keine über die mit der Identifizierung eines Straftäters durch eine Abbildung hinausgehende Beeinträchtigung oder Stigmatisierung. Es handelt sich um ein kontextgemäßes Porträtfoto, das den Kläger in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält. Auch die begleitende Wortberichterstattung über die Urteilsverkündung war nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
25
Zwar mag oftmals bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung überwiegen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14 f.; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Im Streitfall lag jedoch bei der Veröffentlichung bereits eine erstinstanzliche Verurteilung vor, so dass sich der Ver- dachtsgrad gegen den Kläger so weit verdichtet hatte, dass dem Informationsinteresse der Vorrang gebührt. Dürfte die Presse über eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat erst nach der Rechtskraft des Strafurteils mit einer Abbildung des Straftäters berichten, könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesene Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nur eingeschränkt erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; BVerfGE 97, 125, 149; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Dies gilt insbesondere nach einer erstinstanzlichen Verurteilung in einem Strafverfahren von erheblichem öffentlichem Interesse, weil hier regelmäßig die Verurteilung durch den Tatrichter und nicht die die Revision des verurteilten Täters verwerfende Entscheidung des Revisionsgerichts im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Auch das Resozialisierungsinteresse und das Recht des Täters, "alleine gelassen zu werden", steht der aktuellen identifizierenden Berichterstattung nicht entgegen, weil es nach Befriedigung des aktuellen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit erst mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung gewinnt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 23; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO, Rn. 16; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 19; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; NJW 2009, 3357 Rn. 21; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1336; Wenzel/von Strobl-Albeg, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 85).
26
c) Im konkreten Einzelfall ist allerdings bei der gebotenen Abwägung auch die in der sitzungspolizeilichen Verfügung nach § 176 GVG begründete Verpflichtung zur Anonymisierung der die Angeklagten zeigenden Fotoaufnahmen zu berücksichtigen. Der Nichtbeachtung dieses Gebots kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im fraglichen Punkt steht die sitzungspolizeiliche Verfügung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung des § 176 GVG betroffenen Grundrechtspositionen der erfolgten Bildberichterstattung nicht entgegen.
27
aa) Aus dem begrenzten Zweck der Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG erwächst dem Vorsitzenden nicht die Befugnis, die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten abweichend von den Vorschriften der §§ 22, 23 KUG und der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Recht der Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht andererseits (abgestuftes Schutzkonzept) zu regeln. Die Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG umfasst alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um - letztlich im Interesse der Wahrheitsfindung - den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern. Dazu gehören der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung samt allen darauf gerichteten Beiträgen und Interaktionen der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23 f.; BVerfGE 50, 234, 241 f.; 91, 125, 137; 119, 309, 321 f.; Beater, aaO, Rn. 1313; Kissel/Mayer, aaO, § 176 Rn. 1; KK/Diemer, aaO, § 176 GVG Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 176 GVG Rn. 4, 15; Wickern in Löwe/Rosenberg, aaO, § 176 GVG Rn. 1, 10). Das Persönlichkeitsrecht ist danach im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist. Die sitzungspolizeilichen Maßnahmen müssen vielmehr ihrerseits dem zu §§ 22, 23 KUG entwickelten abgestuften Schutzkonzept Rechnung tragen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 169 GVG Rn. 10, § 176 GVG Rn. 15). Soweit trotz eines gerichtlichen Verbots Aufnahmen hergestellt oder eine angeordnete Anonymisierung nicht beachtet werden, kann den Betroffenen derselbe Schutz gegen die Anfertigung und gegebenenfalls Veröffentlichung der Bilder zustehen, der sich aus den auch außerhalb des Gerichtssaals geltenden allgemeinen Grundsätzen ergibt (vgl. Soehring, aaO, § 6 Rn. 13).
28
bb) In der Verpflichtung zur Anonymisierung liegt eine gewichtige Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt (vgl. BVerfGE 119, 309, 326; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 12; 2009, 2117 Rn. 19). Eine solche lässt sich den sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht entnehmen, insbesondere nicht, dass das Anonymisierungsgebot zum vorsorglichen Schutz der Angeklagten erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 310, 311). Nach Ziff. IV Nr. 3 Buchst. e der sitzungspolizeilichen Verfügung vom 24. Mai 2006 und der ergänzenden Anordnung vom 8. Juli 2008 beruhten diese offenbar ohne Prüfung anhand des Schutzkonzepts der §§ 22, 23 KUG auf der Annahme, dass auch noch zum Zeitpunkt vor der Urteilsverkündung eine nicht anonymisierte Bildberichterstattung über die Angeklagten nur mit deren Einwilligung zulässig sei. Dies reichte jedenfalls hinsichtlich einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung nach den oben erfolgten Ausführungen nicht aus, um entgegen der gesetzlichen Wertung der §§ 22, 23 KUG die Veröffentlichung eines den Kläger identifizierenden Bildes zu untersagen.
29
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Anonymisierungsgebot zu diesem Zeitpunkt noch zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich war. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung und auch einer möglichen Veröffentlichung des Fotos war die Hauptverhandlung bereits beendet. Die streitgegenständliche Bildberichterstattung konnte mithin keinen Einfluss mehr auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die identifizierende Bildberichterstattung die Ausübung der Verfahrensrechte oder die Rechtsfindung im Revisionsrechtszug oder im weite- ren Verfahren nach einer denkbaren Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht beeinträchtigen würde, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
30
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Vertrauen des Klägers in die Beachtung der erlassenen sitzungspolizeilichen Verfügungen bei der Abwägung keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen.
31
Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch die Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind, unter denen die Aufnahme entstanden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 35). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn der Betroffene die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht abgebildet zu werden (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 24 und - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 24; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO; BVerfGE 120, 180, 207). Mithin erhöht die Erwartung des Klägers, wegen der sitzungspolizeilichen Verfügung nicht identifizierbar abgebildet zu werden, das Gewicht seiner Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Dem Umstand, dass er nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt aber nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach den oben erfolgten Ausführungen ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren.
32
Nach alledem sind keine überwiegenden rechtlichen Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung des ihn identifizierenden Fotos im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung entgegengestanden hätten.
33
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.02.2009 - 27 O 982/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.04.2010 - 9 U 45/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 26/11
Verkündet am:
22. November 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Zulässigkeit einer identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung über
einen Politiker in einem Presseartikel betreffend dessen prominente Lebensgefährtin.
BGH, Urteil vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Januar 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt und der Freund der Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin Inka Bause. Am 3. Dezember 2009 veröffentlichte die Beklagte in der Ausgabe Nr. 50 der von ihr verlegten Zeitschrift "SUPERillu" einen auf der Titelseite mit den Worten "INKAS TRAUMJAHR" und der Unterzeile "Neue Liebe macht ihr Glück perfekt" angekündigten und mit "Die INKA Story" betitelten Beitrag über Inka Bause. Darin wird u.a. berichtet, dass der Kläger "Inkas neuer Freund" sei und aus H. in Sachsen-Anhalt stamme. Des Weiteren werden sein Alter, seine Größe und sein Sternzeichen genannt und mitgeteilt, er sei gelernter Krankenpfleger. Weiter heißt es dort: "Sein großes Hobby ist die Musik, seine Leidenschaft die Politik. Für die Partei "Die Linke" sitzt G. seit 2007 im Magdeburger Landtag." Der Beitrag ist mit einem Porträtfoto des Klägers bebildert, unter dem es heißt: "Der Neue Inkas Freund S.G. ist Politiker in Magdeburg."
2
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung des Bildes mit dieser Unterzeile und - im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause - einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens und/oder seines Alters. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Klageabweisung. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung identifizierender Berichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause nicht zu. Die Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen ergebe, dass die Wortberichterstattung rechtmäßig sei. Frau Bause sei aufgrund ihrer Fernsehauftritte als Moderatorin verschiedener Fernsehsendungen einem breiten Publikum bekannt. An dem Umstand, wer ihr neuer Lebensgefährte sei, bestehe ein öffentliches Informationsinteresse. Sie trete gegenüber der Öffentlichkeit als "Single" auf und habe in den Jahren 2008 und 2009 in Zeitschrifteninterviews u.a. Fragen danach beantwortet, "woran es liege, dass sie keinen Partner habe" und "wie ihr Traummann" sein müsse. Sie geriere sich als Spezialistin in Sachen "Partnerberatung" und nehme auf die öffentliche Meinungsbildung einen nicht unerheblichen Einfluss. Deshalb bestehe an der Frage, ob sich Frau Bause entgegen ihrer öffentlichen Darstellung mit einem Partner liiert habe und wie sie die von ihr repräsentierten Werte lebe, ein öffentliches Interesse. Aufgrund die- ses, aus der Person von Frau Bause abgeleiteten, öffentlichen Interesses müsse auch der Kläger einen Bericht darüber hinnehmen, dass er mit Frau Bause liiert sei. Ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit sei nicht Voraussetzung für eine identifizierende Berichterstattung. Für deren Zulässigkeit spreche vorliegend, dass der Kläger keine der Öffentlichkeit bislang unbekannte Person sei. Zwar sei er als Landtagsabgeordneter bei Weitem nicht so bekannt wie Frau Bause. In seiner Funktion als Wahlkreisabgeordneter trete er jedoch öffentlich auf. Seine Website zeige ein Porträtfoto und enthalte Angaben über persönliche Daten wie Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung, beruflichen Werdegang sowie politische und gesellschaftliche Funktionen und Ehrenämter. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des Bildes mit der erwähnten Unterzeile. Bei dem Foto handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Es sei eine kontextneutrale Abbildung, deren Verbreitung die berechtigten Interessen des Klägers nicht verletze. Dieser habe kein berechtigtes Interesse, anonym zu bleiben und überhaupt nicht abgebildet zu werden. Er trete als Landtagsabgeordneter in der Öffentlichkeit auf und habe auf seiner Website selbst ein Porträtfoto veröffentlicht. Die Bildveröffentlichung sei deshalb nicht zu beanstanden.

II.

4
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Berufung auch insoweit zulässig, als das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses verurteilt hat.
6
a) Allerdings genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. - nunmehr § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO - nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, VersR 2002, 999, 1000 mwN; BGH, Beschlüsse vom 25. November 1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169, 171 und vom 10. Januar 1996 - IV ZB 29/95, NJW-RR 1996, 572; BGH, Urteile vom 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082; vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126 und vom 18. Juli 2001 - IV ZR 306/00, VersR 2001, 1304, 1305). Diese Anforderungen sind durch die Neufassung in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nicht verringert worden. Vielmehr dient diese Vorschrift dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Begründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen; bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BGH, Urteile vom 28. Mai 2003 - XII ZB 165/02, VersR 2004, 1064, 1065; vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00, WM 2004, 442 f. und vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, VersR 2006, 859 Rn. 22; vgl. auch Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 520 Rn. 38; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn. 27). Auch wenn sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung auseinandersetzen muss, genügt es nicht, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den ganzen Streitstoff betrifft (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, VersR 2007, 414 Rn. 7).
7
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung nicht nur ihre Verurteilung zur Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung angegriffen, sondern sich auch dagegen gewandt, dass das Landgericht ihr die erneute Veröffentlichung des Bildnisses untersagt hat. Allerdings kann im Einzelfall die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung anders zu beurteilen sein als die einer Wortberichterstattung, denn der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen eine Presseberichterstattung reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits unterschiedlich weit (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 8 ff.; BVerfG, NJW 2011, 740 Rn. 52). Angesichts dessen, dass das Landgericht bei der Begründung des Unterlassungsanspruchs nicht zwischen Wort- und Bildberichterstattung differenziert, sondern hinsichtlich beider Klageanträge eine einheitliche Abwägung vorgenommen hat, bezog sich der gegen diese Entscheidung gerichtete Berufungsangriff der Beklagten ersichtlich sowohl auf das Verbot der Wortberichterstattung als auch auf das der Bildberichterstattung. Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung nämlich die Auffassung des Landgerichts beanstandet, "eine identifizierende Berichterstattung im Zusammenhang mit der privaten Beziehung zu Frau Bause, also die Nennung seines Namens und seines Alters sowie die Veröffentlichung seines Porträtfotos, verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht." Dieser Berufungsangriff ist umfassend und deshalb geeignet, das erstinstanzliche Urteil insgesamt in Frage zu stellen.
8
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung identifizierender Wortberichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause zusteht.
9
a) Allerdings wird das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage in dem Artikel der Beklagten vom 3. Dezember 2009 beeinträchtigt.
10
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehörenund den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 und vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, aaO Rn. 10, 13, jeweils mwN). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abwei- chendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09 unter II 1 a) bb) (1), zVb; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 382).
11
bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete Wortberichterstattung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel werden Informationen über seine privaten Angelegenheiten, nämlich insbesondere über seine Beziehung zu Frau Bause wiedergegeben, deren Bekanntwerden er - aus welchen Gründen auch immer - nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte.
12
b) Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber hinzunehmen.
13
aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, aaO S. 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und - VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO).
14
bb) Im Streitfall sind das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen. Denn der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, VersR 2007, 249 Rn. 15; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 16; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, VersR 2009, 365 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 11 jeweils mwN; BVerfGE 61, 1, 8; 71, 162, 179; 99, 185, 197). Dies ist bei der streitgegenständlichen Äußerung, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, der Fall.
15
cc) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Ver- breitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2010, 145 Rn. 25).
16
dd) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
17
(1) Der Kläger ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine in der Öffentlichkeit unbekannte Person. Er ist Landtagsabgeordneter und tritt in dieser Funktion öffentlich auf. Auf seiner mit einem Porträtfoto bebilderten Website finden sich Angaben zu Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung und beruflicher Weiterbildung sowie politischen und gesellschaftlichen Funktionen und Ehrenämtern. Im Hinblick darauf besteht nicht von vornherein ein schützenswertes Interesse an der Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über Herkunft, Alter, Sternzeichen und Beruf. Die darüber hinaus beanstandeten Informationen wie seine Körpergröße und die Aussage, dass sein großes Hobby die Musik und seine Leidenschaft die Politik sei, enthalten keine unwahren Tatsachenbehauptungen oder ehrenrührige Meinungsäußerungen. Insoweit handelt es sich weitgehend um Angaben, die noch der Sozialsphäre zuzurechnen sind. In diesem Bereich ist dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen von vornherein ein tendenziell größeres Gewicht zuzuerkennen (Soehring, Pressrecht, 4. Aufl. § 19 Rn. 39).
18
Auch soweit einzelne Angaben in dem Artikel die Privatsphäre des Klägers betreffen, hat dieser die beanstandete Berichterstattung hinzunehmen. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, dass der Kläger Politiker ist und in dem Artikel wahrheitsgemäß darüber berichtet wird, dass er der Lebensgefährte der einem breiten Fernsehpublikum bekannten Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin Inka Bause sei, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit Recht bejaht. Die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedeutsame Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" kann es bei Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere bei Politikern, rechtfertigen, der Öffentlichkeit im Einzelfall ein Recht auf Informationen auch über Aspekte ihres Privatlebens zuzubilligen (vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2649 f.; BVerfG NJW 2006, 2835 Rn. 15 mwN). Dabei ist auch zu berücksichtigen , dass in einer parlamentarischen Demokratie bei Politikern im Einzelfall durchaus Umstände der privaten Lebensführung vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit umfasst sein können. So verhält es sich im Streitfall.
19
(2) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34 mwN; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, VersR 2007, 849 Rn. 28; BVerfGE 120, 180, 205). Andererseits gehört es zum Kern der Pressefreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 11; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 14 und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, VersR 2011, 1065 Rn. 17; BVerfGE 87, 181, 201; 95, 220, 234; 97, 228, 257; 101, 361, 392; 120, 180, 197 = NJW 2008, 1793, 1794 Rn. 42; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860). Dabei können auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen , am Schutz der Pressefreiheit teilnehmen (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO und vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 222 f.; 59, 231, 258; 101, 361, 389 f.; 120, 180, 197; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860 f.). Zu dieser Freiheit gehört es auch, dass über den sozialen Kontext einer Person berichtet wird. Der Persönlichkeitsschutz greift erst dann, wenn die beanstandeten Äußerungen für sich genommen oder im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung einen eigenständigen Verletzungseffekt aufweisen, der ihr Verbot rechtfertigen könnte, etwa wenn sie in den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre des Betroffenen eingreifen oder Themen betreffen, die von vornherein überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 19, mwN).
20
(3) Diese Grenze wird mit der vom Kläger angegriffenen Berichterstattung nicht überschritten. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass die den Kläger betreffenden Äußerungen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt aufweisen und die Intensität der Beeinträchtigung gering ist. Sie ist in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.
21
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses.
22
a) Für die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung gelten nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats folgende Grundsätze:
23
aa) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, VersR 2009, 268 Rn. 8 ff. [insoweit in BGHZ 178, 213 nicht abgedruckt]; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9 ff.; zuletzt Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 32 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 ff.; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 190/08, VersR 2011, 127 Rn. 13 ff. vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, VersR 2011, 1065 Rn. 14 ff. und vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, zVb), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des EGMR im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 und 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme , wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
24
bb) Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 10 und vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 33; BVerfGE 120, 180, 201 ff., 213) . Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 14 f.; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33 mwN; BVerfGE 101, 361, 391). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 14; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 12, jeweils mwN).
25
cc) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34 mwN; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, VersR 2007, 849 Rn. 28; BVerfGE 120, 180, 205).
26
Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext , in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstat- tung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 35; BVerfGE 120, 180, 205, 206 f.).
27
dd) Der erkennende Senat hat dementsprechend hinsichtlich der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung bereits mehrfach berücksichtigt, ob bei der Presseberichterstattung die Abbildung eines anlässlich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gefertigten Fotos nur zum Anlass zu Ausführungen über eine Person genommen wird oder die Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt; in solchen Fällen ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223 f.; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83, 84; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 28 und - VI ZR 13/06, VersR 2007, 697 Rn. 20 ff.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506, 1508 Rn. 23; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 271/06, VersR 2009, 513 Rn. 14 und - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 16; vom 17. Februar 2009 - VI ZR 75/08, VersR 2009, 841 Rn. 14; ebenso BVerfGE 120, 180, 206 f.).
28
b) Nach diesen Grundsätzen war die vom Kläger angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
29
aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der Artikel behandelt, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, die private Beziehung des Klägers zu Frau Bause, die seinerzeit seine Lebensgefährtin war. Die Berichterstattung ist, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob sie auch Darstellungen enthält, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Beziehung des Klägers zu Frau Bause hat und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beurteilen ist. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen , etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt (BVerfGE 101, 361, 392; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.).
30
bb) Das veröffentlichte Foto hat nach der Art seiner Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, um ein kontextneutrales Porträtfoto, dessen Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - VI ZR 220/01, BGHZ 151, 26, 32 f.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn. 13) unbedenklich ist und die berechtigten Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht verletzt. Auf die Frage, ob die Zulässigkeit der Veröffentlichung des Bildnisses nach den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung zu §§ 22, 23 KUG möglicherweise abweichend zu beurteilen wäre, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.

III.

31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.06.2010 - 27 O 158/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.01.2011 - 10 U 110/10 -

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

(2) An der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. Der Vorsitzende kann Ausnahmen gestatten, wenn und soweit die Kenntlichmachung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Ist die behauptete oder verbreitete Tatsache eine Straftat, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Beweis der Wahrheit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Beleidigte vor der Behauptung oder Verbreitung rechtskräftig freigesprochen worden ist.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 108/10 Verkündet am:
7. Juni 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Das Persönlichkeitsrecht ist im Rahmen einer sitzungspolizeilichen Verfügung
nach § 176 GVG nicht in weiterem Umfang zu schützen, als dies nach §§ 22,
23 KUG der Fall ist.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. April 2010 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2009 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Berichts in der von ihr verlegten "Bild"-Zeitung auf Unterlassung der Verbreitung eines ihn identifizierenden Fotos in Anspruch.
2
Am 15. Juli 2008 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart den Kläger zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten zum Gegenstand, der nur wenige Stunden vor dem geplanten Tatbeginn durch Festnahme der Beteiligten verhindert werden konnte.
3
Während der Hauptverhandlung waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 24. Mai 2006 im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung jeweils 20 Minuten vor Sitzungsbeginn nur am ersten Hauptverhandlungstag und am Tag der Urteilsverkündung mit der Maßgabe zulässig, dass von den Mitgliedern des Strafsenats keine Aufnahmen gefertigt und sonstige Verfahrensbeteiligte nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis gefilmt oder fotografiert werden durften. In einer ergänzenden sitzungspolizeilichen Verfügung vom 8. Juli 2008 hieß es: "Die Angeklagten haben erklärt, dass sie mit einer Ablichtung nicht einverstanden sind. Deren Gesichter sind daher durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich zu machen".
4
Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 16. Juli 2008 unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung Fotos von den Angeklagten , auf denen ihre Gesichter nicht unkenntlich gemacht waren. Sie hatte das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto des Klägers von einer Agentur erworben.
5
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sein Bildnis "ungepixelt" oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten, und ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf den Unterlassungsanspruch in vollem Umfang und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs weitgehend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte bezüglich des Unterlassungsanspruchs keinen und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs nur in geringem Umfang Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil u.a. in AfP 2010, 395 veröffentlicht ist, steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 823, 1004 Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und demgemäß auch ein Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren zu.
7
Zwar habe die gemäß § 176 GVG erlassene sitzungspolizeiliche Verfügung keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie sich nur an die bei der Verhandlung anwesenden Personen gerichtet habe und die Mitarbeiter der Beklagten an der Sitzung nicht teilgenommen hätten.
8
Nach dem für die Beurteilung des Unterlassungsantrags geltenden abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG sei die Bildveröffentlichung aber rechtswidrig.
9
Im Streitfall liege zwar ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor, so dass grundsätzlich eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig sei. Denn die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und der Pressefreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führe wegen des überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu dem Ergebnis , dass das Interesse der Beklagten an einer öffentlichen Berichterstattung das Recht des Klägers auf Anonymität überwiege. Es habe sich um eines der bedeutendsten Terroristenverfahren der letzten Jahre gehandelt.
10
Der Bildveröffentlichung stünden jedoch berechtigte Interessen des Klägers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Zwar sei die zu dem Foto gehörende Wortberichterstattung nicht zu beanstanden und das Foto beinhalte keinen eigenständigen Verletzungseffekt. Auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung begründe kein überwiegendes Interesse des Klägers, so dass der tagesaktuellen Berichterstattung Vorrang zukomme. Bei der gebotenen Interessenabwägung fielen aber das Vertrauen des Klägers auf die Gültigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung und die Entstehung des Fotos unter Missachtung des Anonymisierungsgebots zu seinen Gunsten entscheidend ins Gewicht.
11
Die sitzungspolizeilichen Verfügungen seien zwar rechtswidrig gewesen, weil sie die Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch sei die identifizierende Abbildung des Klägers zulässig gewesen, weil der Persönlichkeitsschutz des Klägers gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Bericht über die Urteilsverkündung zurücktrete und der Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht gefährdet gewesen seien. Der Kläger habe aber auf die sitzungspolizeilichen Verfügungen vertrauen dürfen. Die Agentur sei nicht berechtigt gewesen, das Foto des Klägers der Beklagten zur Verbreitung zu überlassen, ohne vorher das Gesicht des Klägers durch geeignete Maßnahmen unkenntlich gemacht zu haben. Zudem sei die sitzungspolizeiliche Verfügung gerade im Interesse des Klägers ergangen.

II.

12
Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß dem Tenor des angefochtenen Urteils unbeschränkt zugelassen. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine Beschränkung der Revision auf den Unterlassungsantrag nicht entnehmen, weil der Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten als Annex des Unterlassungsanspruchs anzusehen ist. Die Angriffe der uneingeschränkt eingelegten Revision betreffen auch den Anspruch auf Freistellung.

III.

13
Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung und Freistellung von den Rechtsanwaltskosten entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
14
1. a) Das Berufungsgericht beurteilt die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Ansatz zu Recht nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. etwa Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 5 ff.; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 12 ff.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 6 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 f., 211 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Ein- klang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
15
b) Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass sich eine Unzulässigkeit der identifizierenden Bildberichterstattung jedenfalls gegenüber der Beklagten nicht allein aus der sitzungspolizeilichen Verfügung ergeben kann, sondern das Nichtbeachten des Anonymisierungsgebots nur im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen ist. Das in der Verfügung enthaltene Gebot, die Bildaufnahmen unkenntlich zu machen, konnte keine unmittelbaren Verpflichtungen für die Beklagte begründen, weil deren Mitarbeiter bei der Sitzung nicht anwesend waren. Die Beklagte erwarb das Foto von einer Presseagentur. Sitzungspolizeiliche Verfügungen im Sinne von § 176 GVG richten sich nur an die im Sitzungszimmer und in den angrenzenden, noch der Sitzungspolizei unterliegenden Räumlichkeiten anwesenden Personen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23, 24; OLG Karlsruhe, NJW 1977, 309, 310; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 176 Rn. 39; KK/Diemer, StPO, 6. Aufl., § 176 GVG Rn. 3; Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 176 GVG Rn. 6, 38; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 176 GVG Rn. 4).
16
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bejaht.
17
a) Schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits , wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den §§ 22, 23 KUG sowie Art. 8 und Art. 10 EMRK beeinflusst werden (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 10; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33). Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 13 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 13; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO). Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 11; BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, NJW 2006, 591, 592 f.). Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen (Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; BVerfGE 101, 361, 389).
18
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem §§ 22, 23 KUG, Art. 8 EMRK und § 176 GVG (vgl. BVerfGE 50, 234, 241; 91, 125, 136 f.; 120, 180, 201 f.). Die in §§ 22, 23 KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenbestimmungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtspositionen zueinander Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 16; BVerfGE 120, 180, 200 f.; BVerfGK 9, 54, 60 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 43 ff.).
19
b) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 230 f.; 119, 309, 321 f.; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 11; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18; Schlüter, AfP 2009, 557, 561 f.; Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 26a, 32). Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 18 mwN; BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 19).
20
c) Gemäß diesen Grundsätzen handelt es sich hier um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren eines der bedeutendsten Terroristenverfahren in den letzten Jahren, das erhebliches Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte. Der Kläger war am Vortag der Veröffentlichung wegen eines geplanten Anschlags auf ein ausländisches Staatsoberhaupt in Deutschland erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto vom Kläger und den beiden Mitangeklagten wurde im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung veröffentlicht. Unter diesen Umständen liegt eine aktuelle Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hat und gegenüber dem der Persönlichkeitsschutz des Klägers grundsätzlich zurücktreten musste. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht als für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich angesehen. Denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (vgl. BVerfGE 101, 361, 389).
21
3. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings die im Streitfall vorgenommene Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden durch die Verbreitung des nicht anonymisierten Fotos keine berechtigten Interessen des Klägers im Sinne dieser Vorschrift verletzt und hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Angesichts des unter den konkreten Umständen deutlichen Überwiegens der Rechte der Beklagten und des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit hat das Berufungsgericht bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK dem Vertrauen des Klägers auf die Einhaltung der sitzungspolizeilichen Verfügung und deren Nichtbeachtung nach Fertigung der streitgegenständlichen Fotoaufnahme ein zu großes Gewicht beigemessen. Die erforderliche Abwägung kann der Senat selbst vor- nehmen, weil keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 11).
22
a) Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 33; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 15). In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 44, 68; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 2117 Rn. 23).
23
Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt andererseits dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit das Bild - wie hier - nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 34 f.; BVerfGE 120, 180, 206 f.).
24
b) Nach diesen Kriterien verletzt die Verbreitung eines nicht anonymisierten Fotos unter den gegebenen Umständen grundsätzlich keine berechtigten Interessen des Klägers. Es bestand ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit auch hinsichtlich einer Abbildung des Klägers, nachdem dieser wegen einer Aufsehen erregenden schweren Straftat erstinstanzlich verurteilt worden ist, die insbesondere wegen der terroristischen Bedrohung und der damit verbundenen Ängste auch ein erhebliches Interesse an den Tätern begründet hat. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildberichterstattung über einen Angeklagten, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über die Person des Täters informieren können (vgl. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1329). Dies gilt insbesondere auch bei Straftätern, die - wie hier - im Zusammenhang mit einem geplanten terroristischen Anschlag verurteilt worden sind, weil solche Täter im Alltag oft unauffällig leben und auch deswegen ein großes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung besteht, welche es besser ermöglicht, sich ein Bild von den Tätern zu machen. Die streitgegenständliche Fotoaufnahme enthält auch keine über die mit der Identifizierung eines Straftäters durch eine Abbildung hinausgehende Beeinträchtigung oder Stigmatisierung. Es handelt sich um ein kontextgemäßes Porträtfoto, das den Kläger in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält. Auch die begleitende Wortberichterstattung über die Urteilsverkündung war nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
25
Zwar mag oftmals bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung überwiegen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14 f.; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Im Streitfall lag jedoch bei der Veröffentlichung bereits eine erstinstanzliche Verurteilung vor, so dass sich der Ver- dachtsgrad gegen den Kläger so weit verdichtet hatte, dass dem Informationsinteresse der Vorrang gebührt. Dürfte die Presse über eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat erst nach der Rechtskraft des Strafurteils mit einer Abbildung des Straftäters berichten, könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesene Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nur eingeschränkt erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; BVerfGE 97, 125, 149; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Dies gilt insbesondere nach einer erstinstanzlichen Verurteilung in einem Strafverfahren von erheblichem öffentlichem Interesse, weil hier regelmäßig die Verurteilung durch den Tatrichter und nicht die die Revision des verurteilten Täters verwerfende Entscheidung des Revisionsgerichts im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Auch das Resozialisierungsinteresse und das Recht des Täters, "alleine gelassen zu werden", steht der aktuellen identifizierenden Berichterstattung nicht entgegen, weil es nach Befriedigung des aktuellen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit erst mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung gewinnt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 23; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO, Rn. 16; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 19; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; NJW 2009, 3357 Rn. 21; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1336; Wenzel/von Strobl-Albeg, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 85).
26
c) Im konkreten Einzelfall ist allerdings bei der gebotenen Abwägung auch die in der sitzungspolizeilichen Verfügung nach § 176 GVG begründete Verpflichtung zur Anonymisierung der die Angeklagten zeigenden Fotoaufnahmen zu berücksichtigen. Der Nichtbeachtung dieses Gebots kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im fraglichen Punkt steht die sitzungspolizeiliche Verfügung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung des § 176 GVG betroffenen Grundrechtspositionen der erfolgten Bildberichterstattung nicht entgegen.
27
aa) Aus dem begrenzten Zweck der Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG erwächst dem Vorsitzenden nicht die Befugnis, die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten abweichend von den Vorschriften der §§ 22, 23 KUG und der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Recht der Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht andererseits (abgestuftes Schutzkonzept) zu regeln. Die Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG umfasst alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um - letztlich im Interesse der Wahrheitsfindung - den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern. Dazu gehören der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung samt allen darauf gerichteten Beiträgen und Interaktionen der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23 f.; BVerfGE 50, 234, 241 f.; 91, 125, 137; 119, 309, 321 f.; Beater, aaO, Rn. 1313; Kissel/Mayer, aaO, § 176 Rn. 1; KK/Diemer, aaO, § 176 GVG Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 176 GVG Rn. 4, 15; Wickern in Löwe/Rosenberg, aaO, § 176 GVG Rn. 1, 10). Das Persönlichkeitsrecht ist danach im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist. Die sitzungspolizeilichen Maßnahmen müssen vielmehr ihrerseits dem zu §§ 22, 23 KUG entwickelten abgestuften Schutzkonzept Rechnung tragen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 169 GVG Rn. 10, § 176 GVG Rn. 15). Soweit trotz eines gerichtlichen Verbots Aufnahmen hergestellt oder eine angeordnete Anonymisierung nicht beachtet werden, kann den Betroffenen derselbe Schutz gegen die Anfertigung und gegebenenfalls Veröffentlichung der Bilder zustehen, der sich aus den auch außerhalb des Gerichtssaals geltenden allgemeinen Grundsätzen ergibt (vgl. Soehring, aaO, § 6 Rn. 13).
28
bb) In der Verpflichtung zur Anonymisierung liegt eine gewichtige Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt (vgl. BVerfGE 119, 309, 326; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 12; 2009, 2117 Rn. 19). Eine solche lässt sich den sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht entnehmen, insbesondere nicht, dass das Anonymisierungsgebot zum vorsorglichen Schutz der Angeklagten erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 310, 311). Nach Ziff. IV Nr. 3 Buchst. e der sitzungspolizeilichen Verfügung vom 24. Mai 2006 und der ergänzenden Anordnung vom 8. Juli 2008 beruhten diese offenbar ohne Prüfung anhand des Schutzkonzepts der §§ 22, 23 KUG auf der Annahme, dass auch noch zum Zeitpunkt vor der Urteilsverkündung eine nicht anonymisierte Bildberichterstattung über die Angeklagten nur mit deren Einwilligung zulässig sei. Dies reichte jedenfalls hinsichtlich einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung nach den oben erfolgten Ausführungen nicht aus, um entgegen der gesetzlichen Wertung der §§ 22, 23 KUG die Veröffentlichung eines den Kläger identifizierenden Bildes zu untersagen.
29
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Anonymisierungsgebot zu diesem Zeitpunkt noch zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich war. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung und auch einer möglichen Veröffentlichung des Fotos war die Hauptverhandlung bereits beendet. Die streitgegenständliche Bildberichterstattung konnte mithin keinen Einfluss mehr auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die identifizierende Bildberichterstattung die Ausübung der Verfahrensrechte oder die Rechtsfindung im Revisionsrechtszug oder im weite- ren Verfahren nach einer denkbaren Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht beeinträchtigen würde, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
30
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Vertrauen des Klägers in die Beachtung der erlassenen sitzungspolizeilichen Verfügungen bei der Abwägung keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen.
31
Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch die Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind, unter denen die Aufnahme entstanden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 35). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn der Betroffene die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht abgebildet zu werden (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 24 und - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 24; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO; BVerfGE 120, 180, 207). Mithin erhöht die Erwartung des Klägers, wegen der sitzungspolizeilichen Verfügung nicht identifizierbar abgebildet zu werden, das Gewicht seiner Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Dem Umstand, dass er nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt aber nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach den oben erfolgten Ausführungen ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren.
32
Nach alledem sind keine überwiegenden rechtlichen Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung des ihn identifizierenden Fotos im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung entgegengestanden hätten.
33
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.02.2009 - 27 O 982/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.04.2010 - 9 U 45/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 125/12 Verkündet am:
28. Mai 2013
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; MRK Art. 8, 10; KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11-jährigen
Kindes an einer Sportveranstaltung.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2013 durch die Richter Zoll, Wellner, Pauge und Stöhr und die
Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden der Beschluss des 10. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 8. März 2012 teilweise aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Dezember 2011 teilweise abgeändert. Die Klage wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel hinsichtlich des Klageantrags zu 1 insgesamt und hinsichtlich des Klageantrags zu 2 insoweit abgewiesen, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 1.034,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2011 verurteilt worden ist. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung von drei Fotos nebst Bilduntertext in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift FREIZEIT REVUE. In deren Ausgabe vom 16. Februar 2011 erschien unter der Überschrift "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für Tochter Alexandra schon wie ein Papa" ein Beitrag, der sich u.a. mit der Teilnahme der Klägerin an einem Eiskunstlauf-Wettbewerb befasst. Der Bericht ist mit mehreren Fotos, darunter auch mit drei Bildern der Klägerin illustriert, die sie als Eiskunstläuferin zeigen und mit folgendem Bild-Untertext versehen sind: "Mit ihrer tollen Leistung beeindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury überzeugt?"
2
Der darunter befindliche Textbeitrag lautet: "Beim Eiskunstlauf-Turnier um den "III. Pokal von La Garde" verzauberte die 11-jährige Tochter von Caroline und Ernst August nicht nur das Publikum, sondern auch einen Italiener, der kaum von Mamas Seite wich.
Fast schwerelos glitt sie über die Bahn, drehte anmutig ihre Pirouetten. Die Zuschauer im Eisstadion der französischen Kleinstadt Toulon waren entzückt. Eine echte Prinzessin trat bei ihrem Tournier, dem "III. Pokal von La Garde", an und stellte sich den Konkurrentinnen: Alexandra von Hannover (11). In ihrem glitzernden dunkelvioletten Kostüm machte das Mädchen eine fabelhafte Figur - bei der Bewegung ging ein bewunderndes Raunen durch das Publikum. Mitten unter den Gästen: Prinzessin Caroline von Hannover (54), die Mutter der Eisprinzessin.
Hingabe. Aufgeregt griff sie nach ihrer Kamera und hielt die artisti- schen Einlagen ihrer Tochter für das Familienalbum fest. Rührend. Als das Mädchen vorbeifuhr, warf die stolze Mama einen Blumenstrauß auf die Eisbahn. Einziger Wermutstropfen für Alexandra: Vater Ernst August (56) war nicht im Stadion, um sich den Auftritt seiner Tochter anzuschauen. Doch ein anderer Mann erfüllte seine Rolle als Ersatz mit Bravour : Gerard Faggionato (50). Einsatz. Der attraktive Italiener wich kaum von der Seite der strah- lenden Caroline und sah sich auch die zauberhafte Kür von Alexandra
mit Begeisterung an. Wie ein stolzer Papa stand er auf der Tribüne und bewunderte das große Talent der kleinen Eisprinzessin. Aber wie würde das Urteil der Punktrichter ausfallen? Skandal. Leider wurde Alexandra die offizielle Anerkennung verweigert. Am Ende sprang mit 9,37 Punkten nur Platz 11 heraus - von 13 Teilnehmerinnen. Gewonnen hat A. S. mit 16,43 Punkten. Nachvollziehen konnte Alexandras schlechte Platzierung niemand. Wollte die strenge Jury mit ihrem fragwürdigen Urteil demonstrieren, dass sie keine Promi-Punkte verteilt? Wurde Alexandra womöglich ihre Berühmtheit zum Verhängnis?
Alexandra war die Siegerin der Herzen Zum Glück zählte am Schluss der olympische Gedanke: "Dabei sein ist alles." Und für Mama Caroline und Ersatz-Papa Gerard war sie ja die Siegerin der Herzen …"
3
Der Beitrag ist mit weiteren Bildern illustriert, die u.a. Caroline Prinzessin von Hannover, Gerard Faggionato und Ernst August von Hannover zeigen.
4
Auf Betreiben der Klägerin gab die Beklagte eine strafbewehrte Erklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es künftig zu unterlassen, unter Bezugnahme auf die Klägerin zu verbreiten: "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für Tochter Alexandra schon wie ein Papa."
5
Die Klägerin hat die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der von ihr beanstandeten drei Fotos mit der Bildunterschrift "Mit ihrer tollen Leistung beeindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury überzeugt?" sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt, und zwar sowohl hinsichtlich der Abmahnung wegen der Textveröffentlichung (1.034,11 €) als auch hinsichtlich der Abmahnung wegen der Veröffentlichung der Bilder (700,32 €) sowie für ein Abschlussschreiben (384,61 €).
6
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen hinsichtlich des Unterlassungsantrags in vollem Umfang und hinsichtlich des Zahlungsan- trags in Höhe von 1.559,38 € nebst Zinsen stattgegeben, wobei es die Kosten zugrunde gelegt hat, die angefallen wären, wenn die Klägerin die Unterlassungsansprüche wegen der Text- und der Bildberichterstattung in einem einzigen Abmahnschreiben geltend gemacht hätte. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

7
Das Berufungsgericht hält den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der beanstandeten Fotoveröffentlichung für begründet. Es geht zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass es sich bei dem am 5. und 6. Februar 2011 in Toulon ausgerichteten Eislaufturnier um ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gehandelt habe. Im Rahmen der danach vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei aber davon auszugehen, dass Letzteres überwiege. Zu berücksichtigen sei, dass die zum Zeitpunkt der Aufnahmen 11 Jahre alte Klägerin ein Recht auf ungestörte kindgerechte Entwicklung habe. Dieses Recht umfasse neben der Privatsphäre auch die kindgemäße Entwicklung außerhalb der Privatsphäre in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit eines Kindes gehöre es auch, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Das Schutzbedürfnis entfalle auch nicht bei einem kindgemäßen Verhalten, das üblicherweise in der Öffentlichkeit geschehe, wie zum Bei- spiel beim Baden, beim Sport oder in der Schule. Auch wenn es sich bei dem Eislaufturnier um einen Wettbewerb gehandelt habe, bei dem interessiertes Publikum zugegen gewesen sei, sei angesichts der Umstände (regionaler Charakter , begrenzte Teilnehmerzahl und geringfügige Dauer des Wettbewerbs) davon auszugehen, dass es sich um einen für eine sportliche Betätigung in dieser Altersgruppe nicht ungewöhnlichen Leistungsvergleich gehandelt habe, der zwar in der Öffentlichkeit geschehen sei, die Schutzbedürftigkeit der Klägerin aber nicht entfallen lasse.

II.

8
Die Revision hat Erfolg.
9
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.
10
a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff. und zuletzt vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f. und vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
11
b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
12
aa) Bei den beanstandeten Fotos der Klägerin handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (Senatsurteil vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 12). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen wie die Amtseinführung von Prinz Albert, der Rosenball in Monaco, das Gala-Diner der Stiftung Claude Pompidou anlässlich der Ausstellung eines bekannten Künstlers im Pariser Centre Pompidou auch Sportveranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - nur regionale Bedeutung haben. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos , vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411, 1412 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 f., jeweils mwN).
13
Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 20 und vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, aaO Rn. 14; BVerfGE 120, 180, 205). Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337 f. und vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523), der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist (vgl. BVerfGE 101, 361, 381 ff.; 120, 180, 214). Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 21; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; 120, 180, 205, 214; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.
14
bb) Der Artikel der Zeitschrift FREIZEIT REVUE befasst sich mit der Teilnahme der Klägerin an dem Eislaufturnier um den "III. Pokal von La Garde", welches am 5. und 6. Februar 2011 in Toulon stattfand. Dieser Wettbewerb ist, wovon das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin zutreffend ausgegangen ist, ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das berichtet werden darf. Der Text informiert über Einzelheiten des Eiskunstlauf-Wettbewerbs und nennt außer der Klägerin auch die Siegerin des Turniers und die von beiden jeweils erreichten Punktwerte. Eine solche Berichterstattung über ein Sportereignis ist grundsätzlich erlaubt. Das Recht, über Sportveranstaltungen zu berichten, ist auch nicht auf bestimmte Medien, wie etwa auf solche, die üblicherweise über das Sportgeschehen informieren, beschränkt, sondern besteht - wie auch sonst bei der Berichterstattung über Ereignisse des Zeitgeschehens (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1024; NJW 2008, 1793, 1794, jeweils mwN) - für alle Medien und somit auch für die von der Beklagten verlegte Illustrierte.
15
Die Wortberichterstattung wird durch die veröffentlichten Fotos illustriert. Diese sind kontextbezogen und zeigen die Klägerin während ihres Eiskunstlaufs bei dem betreffenden Turnier. cc) Der Zulässigkeit der Berichterstattung steht vorliegend nicht entgegen , dass der Artikel auch Informationen enthält, die nicht das Turnier als solches betreffen. Der Artikel verliert nicht allein deshalb seinen Charakter als Bericht über ein Sportereignis, weil auch über die Anwesenheit eines Begleiters berichtet wird, der angeblich der "Neue" der Mutter der Klägerin sei. Auch wenn diese Information den Aufmacher darstellt, auf dem Titelblatt wiedergegeben und Gegenstand der Titelzeile ist, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Berichterstattung über den Wettbewerb. Die Art und Weise der Berichterstattung und ihre Aufmachung sind Sache der Medien. Sie haben das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsorgans frei zu bestimmen (vgl. BVerfG, aaO). Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Es könnte nur verneint werden, wenn der beanstandete Artikel als solcher nicht als Berichterstattung über das Eiskunstlaufturnier als zeitgeschichtliches Ereignis einzustufen wäre, sondern dieser lediglich als äußerer Anlass für die Berichterstattung über die Klägerin und die Veröffentlichung der sie zeigenden Fotos zu bewerten wäre (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 190/08, VersR 2011, 127, Rn. 22 mwN).
16
Dies ist indes nicht der Fall. Zwar konzentriert sich die Berichterstattung auf die Person der Klägerin, die schon auf der Titelseite und in der Artikelüberschrift herausgestellt wird. Es ist indes unzulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich der veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu dem Turnier als zeitgeschichtliches Ereignis hat (vgl. Senatsurteil vom 26.Oktober 2010 - VI ZR 190/08, aaO Rn. 23). Davon ist hier auszugehen.
17
dd) Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren. Zu der gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich geschützten Pressefreiheit zählt auch die Entscheidung , ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Bildaussagen nehmen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3271, 3272). Der Schutz der Pressefreiheit umfasst dabei auch die Abbildung von Personen (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021, 1024; NJW 2001, 1921, 1923). Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Die Presse darf nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (BVerfGE 120, 180, 196 f.). Von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des Druckerzeugnisses darf der Schutz der Pressefreiheit nicht abhängig gemacht werden.
18
ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Zulässigkeit der Veröffentlichung der Fotos auch nicht entgegen, dass die auf ihnen abgebildete Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Bilder erst 11 Jahre alt war.
19
(1) Allerdings ist anerkannt, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen , weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen (BVerfGE 101, 361, 385; 119, 1, 24; 120, 180, 199). Grundsätzlich fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 386; BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; 2005, 1857, 1858; Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 304 f.).
20
Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 GG im Einzelnen auswirkt, lässt sich aber nicht generell und abstrakt bestimmen.
Zwar kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich auch dann eingreifen, wenn sich Eltern und Kinder in der Öffentlichkeit bewegen. Doch wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen; insoweit liefern sie sich den Bedingungen öffentlicher Auftritte aus (BVerfGE 101, 361, 386). Der erkennende Senat hat deshalb auch in Fällen, in denen es um die Abbildung von Kindern im Rahmen der Presseberichterstattung ging, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht und der Meinungs- und Pressefreiheit unter Berücksichtigung des Informationsinteresses nicht für entbehrlich gehalten (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 222 ff.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 305 und vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 10; vgl. auch BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; 2003, 3262, 3263; ZUM-RD 2007, 1, 2 f.).
21
(2) Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Bildberichterstattung nicht zu beanstanden. Die hier veröffentlichten Fotos, auf denen die Klägerin als Eiskunstläuferin während des betreffenden Turniers abgebildet ist, hatten nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Die Fotos sind während des Turniers aufgenommen worden, bei dem nach den getroffenen Feststellungen interessiertes Publikum zugegen war. Bei sportlichen Wettkämpfen sind Foto- und Videoaufnahmen heute weitgehend üblich, und zwar auch dann, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, die nur in einer begrenzten Öffentlichkeit stattfinden. Dies gilt unabhängig davon, ob an dem Wettbewerb Erwachsene, Kinder oder Jugendliche teilnehmen. Auf Fotound Videoaufnahmen müssen sich Teilnehmer einer Sportveranstaltung grundsätzlich auch dann einstellen, wenn keine Pressefotografen zugegen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es dabei weder auf die Anzahl der Teilnehmer noch auf die Dauer der gesamten Veranstaltung oder derjenigen der konkreten sportlichen Darbietung des einzelnen Teilnehmers an. Die Veröffentlichung der während eines Turniers gefertigten Fotos wäre nur dann unzulässig, wenn durch ihre Verbreitung die berechtigten Interessen der abgebildeten Person verletzt würden (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 Rn. 18). Das ist vorliegend nicht der Fall, denn die Fotos weisen einen ausreichenden Bezug auf das konkrete Ereignis auf und illustrieren einen Begleittext, der zumindest auch eine Berichterstattung über dieses Ereignis selbst liefert. Durch diese Art der Verwendung der Bildnisse werden die berechtigten Interessen der Klägerin nicht nennenswert beeinträchtigt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die beanstandeten Fotos die kindgerechte Entwicklung der Klägerin stören könnten. Bei dieser Sachlage verdient das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin.
22
2. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Bildberichterstattung hat, kann sie insoweit auch nicht Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen. Die Verurteilung der Beklagten wegen des hinsichtlich der beanstandeten Textveröffentlichung geltend gemachten Betrages von 1.034,11 € nebst Zinsen wird mit der Revision nicht angegriffen.
23
3. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, kann der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.

24
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Zoll Wellner Pauge
Stöhr von Pentz

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.12.2011 - 27 O 407/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2012 - 10 U 178/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 108/10 Verkündet am:
7. Juni 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Das Persönlichkeitsrecht ist im Rahmen einer sitzungspolizeilichen Verfügung
nach § 176 GVG nicht in weiterem Umfang zu schützen, als dies nach §§ 22,
23 KUG der Fall ist.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. April 2010 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2009 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Berichts in der von ihr verlegten "Bild"-Zeitung auf Unterlassung der Verbreitung eines ihn identifizierenden Fotos in Anspruch.
2
Am 15. Juli 2008 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart den Kläger zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten zum Gegenstand, der nur wenige Stunden vor dem geplanten Tatbeginn durch Festnahme der Beteiligten verhindert werden konnte.
3
Während der Hauptverhandlung waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 24. Mai 2006 im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung jeweils 20 Minuten vor Sitzungsbeginn nur am ersten Hauptverhandlungstag und am Tag der Urteilsverkündung mit der Maßgabe zulässig, dass von den Mitgliedern des Strafsenats keine Aufnahmen gefertigt und sonstige Verfahrensbeteiligte nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis gefilmt oder fotografiert werden durften. In einer ergänzenden sitzungspolizeilichen Verfügung vom 8. Juli 2008 hieß es: "Die Angeklagten haben erklärt, dass sie mit einer Ablichtung nicht einverstanden sind. Deren Gesichter sind daher durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich zu machen".
4
Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 16. Juli 2008 unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung Fotos von den Angeklagten , auf denen ihre Gesichter nicht unkenntlich gemacht waren. Sie hatte das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto des Klägers von einer Agentur erworben.
5
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sein Bildnis "ungepixelt" oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten, und ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf den Unterlassungsanspruch in vollem Umfang und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs weitgehend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte bezüglich des Unterlassungsanspruchs keinen und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs nur in geringem Umfang Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil u.a. in AfP 2010, 395 veröffentlicht ist, steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 823, 1004 Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und demgemäß auch ein Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren zu.
7
Zwar habe die gemäß § 176 GVG erlassene sitzungspolizeiliche Verfügung keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie sich nur an die bei der Verhandlung anwesenden Personen gerichtet habe und die Mitarbeiter der Beklagten an der Sitzung nicht teilgenommen hätten.
8
Nach dem für die Beurteilung des Unterlassungsantrags geltenden abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG sei die Bildveröffentlichung aber rechtswidrig.
9
Im Streitfall liege zwar ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor, so dass grundsätzlich eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig sei. Denn die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und der Pressefreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führe wegen des überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu dem Ergebnis , dass das Interesse der Beklagten an einer öffentlichen Berichterstattung das Recht des Klägers auf Anonymität überwiege. Es habe sich um eines der bedeutendsten Terroristenverfahren der letzten Jahre gehandelt.
10
Der Bildveröffentlichung stünden jedoch berechtigte Interessen des Klägers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Zwar sei die zu dem Foto gehörende Wortberichterstattung nicht zu beanstanden und das Foto beinhalte keinen eigenständigen Verletzungseffekt. Auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung begründe kein überwiegendes Interesse des Klägers, so dass der tagesaktuellen Berichterstattung Vorrang zukomme. Bei der gebotenen Interessenabwägung fielen aber das Vertrauen des Klägers auf die Gültigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung und die Entstehung des Fotos unter Missachtung des Anonymisierungsgebots zu seinen Gunsten entscheidend ins Gewicht.
11
Die sitzungspolizeilichen Verfügungen seien zwar rechtswidrig gewesen, weil sie die Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch sei die identifizierende Abbildung des Klägers zulässig gewesen, weil der Persönlichkeitsschutz des Klägers gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Bericht über die Urteilsverkündung zurücktrete und der Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht gefährdet gewesen seien. Der Kläger habe aber auf die sitzungspolizeilichen Verfügungen vertrauen dürfen. Die Agentur sei nicht berechtigt gewesen, das Foto des Klägers der Beklagten zur Verbreitung zu überlassen, ohne vorher das Gesicht des Klägers durch geeignete Maßnahmen unkenntlich gemacht zu haben. Zudem sei die sitzungspolizeiliche Verfügung gerade im Interesse des Klägers ergangen.

II.

12
Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß dem Tenor des angefochtenen Urteils unbeschränkt zugelassen. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine Beschränkung der Revision auf den Unterlassungsantrag nicht entnehmen, weil der Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten als Annex des Unterlassungsanspruchs anzusehen ist. Die Angriffe der uneingeschränkt eingelegten Revision betreffen auch den Anspruch auf Freistellung.

III.

13
Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung und Freistellung von den Rechtsanwaltskosten entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
14
1. a) Das Berufungsgericht beurteilt die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Ansatz zu Recht nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. etwa Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 5 ff.; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 12 ff.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 6 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 f., 211 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Ein- klang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
15
b) Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass sich eine Unzulässigkeit der identifizierenden Bildberichterstattung jedenfalls gegenüber der Beklagten nicht allein aus der sitzungspolizeilichen Verfügung ergeben kann, sondern das Nichtbeachten des Anonymisierungsgebots nur im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen ist. Das in der Verfügung enthaltene Gebot, die Bildaufnahmen unkenntlich zu machen, konnte keine unmittelbaren Verpflichtungen für die Beklagte begründen, weil deren Mitarbeiter bei der Sitzung nicht anwesend waren. Die Beklagte erwarb das Foto von einer Presseagentur. Sitzungspolizeiliche Verfügungen im Sinne von § 176 GVG richten sich nur an die im Sitzungszimmer und in den angrenzenden, noch der Sitzungspolizei unterliegenden Räumlichkeiten anwesenden Personen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23, 24; OLG Karlsruhe, NJW 1977, 309, 310; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 176 Rn. 39; KK/Diemer, StPO, 6. Aufl., § 176 GVG Rn. 3; Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 176 GVG Rn. 6, 38; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 176 GVG Rn. 4).
16
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bejaht.
17
a) Schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits , wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den §§ 22, 23 KUG sowie Art. 8 und Art. 10 EMRK beeinflusst werden (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 10; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33). Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 13 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 13; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO). Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 11; BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, NJW 2006, 591, 592 f.). Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen (Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; BVerfGE 101, 361, 389).
18
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem §§ 22, 23 KUG, Art. 8 EMRK und § 176 GVG (vgl. BVerfGE 50, 234, 241; 91, 125, 136 f.; 120, 180, 201 f.). Die in §§ 22, 23 KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenbestimmungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtspositionen zueinander Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 16; BVerfGE 120, 180, 200 f.; BVerfGK 9, 54, 60 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 43 ff.).
19
b) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 230 f.; 119, 309, 321 f.; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 11; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18; Schlüter, AfP 2009, 557, 561 f.; Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 26a, 32). Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 18 mwN; BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 19).
20
c) Gemäß diesen Grundsätzen handelt es sich hier um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren eines der bedeutendsten Terroristenverfahren in den letzten Jahren, das erhebliches Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte. Der Kläger war am Vortag der Veröffentlichung wegen eines geplanten Anschlags auf ein ausländisches Staatsoberhaupt in Deutschland erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto vom Kläger und den beiden Mitangeklagten wurde im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung veröffentlicht. Unter diesen Umständen liegt eine aktuelle Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hat und gegenüber dem der Persönlichkeitsschutz des Klägers grundsätzlich zurücktreten musste. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht als für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich angesehen. Denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (vgl. BVerfGE 101, 361, 389).
21
3. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings die im Streitfall vorgenommene Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden durch die Verbreitung des nicht anonymisierten Fotos keine berechtigten Interessen des Klägers im Sinne dieser Vorschrift verletzt und hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Angesichts des unter den konkreten Umständen deutlichen Überwiegens der Rechte der Beklagten und des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit hat das Berufungsgericht bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK dem Vertrauen des Klägers auf die Einhaltung der sitzungspolizeilichen Verfügung und deren Nichtbeachtung nach Fertigung der streitgegenständlichen Fotoaufnahme ein zu großes Gewicht beigemessen. Die erforderliche Abwägung kann der Senat selbst vor- nehmen, weil keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 11).
22
a) Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 33; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 15). In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 44, 68; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 2117 Rn. 23).
23
Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt andererseits dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit das Bild - wie hier - nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 34 f.; BVerfGE 120, 180, 206 f.).
24
b) Nach diesen Kriterien verletzt die Verbreitung eines nicht anonymisierten Fotos unter den gegebenen Umständen grundsätzlich keine berechtigten Interessen des Klägers. Es bestand ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit auch hinsichtlich einer Abbildung des Klägers, nachdem dieser wegen einer Aufsehen erregenden schweren Straftat erstinstanzlich verurteilt worden ist, die insbesondere wegen der terroristischen Bedrohung und der damit verbundenen Ängste auch ein erhebliches Interesse an den Tätern begründet hat. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildberichterstattung über einen Angeklagten, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über die Person des Täters informieren können (vgl. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1329). Dies gilt insbesondere auch bei Straftätern, die - wie hier - im Zusammenhang mit einem geplanten terroristischen Anschlag verurteilt worden sind, weil solche Täter im Alltag oft unauffällig leben und auch deswegen ein großes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung besteht, welche es besser ermöglicht, sich ein Bild von den Tätern zu machen. Die streitgegenständliche Fotoaufnahme enthält auch keine über die mit der Identifizierung eines Straftäters durch eine Abbildung hinausgehende Beeinträchtigung oder Stigmatisierung. Es handelt sich um ein kontextgemäßes Porträtfoto, das den Kläger in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält. Auch die begleitende Wortberichterstattung über die Urteilsverkündung war nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
25
Zwar mag oftmals bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung überwiegen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14 f.; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Im Streitfall lag jedoch bei der Veröffentlichung bereits eine erstinstanzliche Verurteilung vor, so dass sich der Ver- dachtsgrad gegen den Kläger so weit verdichtet hatte, dass dem Informationsinteresse der Vorrang gebührt. Dürfte die Presse über eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat erst nach der Rechtskraft des Strafurteils mit einer Abbildung des Straftäters berichten, könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesene Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nur eingeschränkt erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; BVerfGE 97, 125, 149; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Dies gilt insbesondere nach einer erstinstanzlichen Verurteilung in einem Strafverfahren von erheblichem öffentlichem Interesse, weil hier regelmäßig die Verurteilung durch den Tatrichter und nicht die die Revision des verurteilten Täters verwerfende Entscheidung des Revisionsgerichts im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Auch das Resozialisierungsinteresse und das Recht des Täters, "alleine gelassen zu werden", steht der aktuellen identifizierenden Berichterstattung nicht entgegen, weil es nach Befriedigung des aktuellen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit erst mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung gewinnt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 23; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO, Rn. 16; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 19; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; NJW 2009, 3357 Rn. 21; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1336; Wenzel/von Strobl-Albeg, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 85).
26
c) Im konkreten Einzelfall ist allerdings bei der gebotenen Abwägung auch die in der sitzungspolizeilichen Verfügung nach § 176 GVG begründete Verpflichtung zur Anonymisierung der die Angeklagten zeigenden Fotoaufnahmen zu berücksichtigen. Der Nichtbeachtung dieses Gebots kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im fraglichen Punkt steht die sitzungspolizeiliche Verfügung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung des § 176 GVG betroffenen Grundrechtspositionen der erfolgten Bildberichterstattung nicht entgegen.
27
aa) Aus dem begrenzten Zweck der Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG erwächst dem Vorsitzenden nicht die Befugnis, die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten abweichend von den Vorschriften der §§ 22, 23 KUG und der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Recht der Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht andererseits (abgestuftes Schutzkonzept) zu regeln. Die Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG umfasst alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um - letztlich im Interesse der Wahrheitsfindung - den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern. Dazu gehören der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung samt allen darauf gerichteten Beiträgen und Interaktionen der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23 f.; BVerfGE 50, 234, 241 f.; 91, 125, 137; 119, 309, 321 f.; Beater, aaO, Rn. 1313; Kissel/Mayer, aaO, § 176 Rn. 1; KK/Diemer, aaO, § 176 GVG Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 176 GVG Rn. 4, 15; Wickern in Löwe/Rosenberg, aaO, § 176 GVG Rn. 1, 10). Das Persönlichkeitsrecht ist danach im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist. Die sitzungspolizeilichen Maßnahmen müssen vielmehr ihrerseits dem zu §§ 22, 23 KUG entwickelten abgestuften Schutzkonzept Rechnung tragen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 169 GVG Rn. 10, § 176 GVG Rn. 15). Soweit trotz eines gerichtlichen Verbots Aufnahmen hergestellt oder eine angeordnete Anonymisierung nicht beachtet werden, kann den Betroffenen derselbe Schutz gegen die Anfertigung und gegebenenfalls Veröffentlichung der Bilder zustehen, der sich aus den auch außerhalb des Gerichtssaals geltenden allgemeinen Grundsätzen ergibt (vgl. Soehring, aaO, § 6 Rn. 13).
28
bb) In der Verpflichtung zur Anonymisierung liegt eine gewichtige Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt (vgl. BVerfGE 119, 309, 326; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 12; 2009, 2117 Rn. 19). Eine solche lässt sich den sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht entnehmen, insbesondere nicht, dass das Anonymisierungsgebot zum vorsorglichen Schutz der Angeklagten erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 310, 311). Nach Ziff. IV Nr. 3 Buchst. e der sitzungspolizeilichen Verfügung vom 24. Mai 2006 und der ergänzenden Anordnung vom 8. Juli 2008 beruhten diese offenbar ohne Prüfung anhand des Schutzkonzepts der §§ 22, 23 KUG auf der Annahme, dass auch noch zum Zeitpunkt vor der Urteilsverkündung eine nicht anonymisierte Bildberichterstattung über die Angeklagten nur mit deren Einwilligung zulässig sei. Dies reichte jedenfalls hinsichtlich einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung nach den oben erfolgten Ausführungen nicht aus, um entgegen der gesetzlichen Wertung der §§ 22, 23 KUG die Veröffentlichung eines den Kläger identifizierenden Bildes zu untersagen.
29
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Anonymisierungsgebot zu diesem Zeitpunkt noch zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich war. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung und auch einer möglichen Veröffentlichung des Fotos war die Hauptverhandlung bereits beendet. Die streitgegenständliche Bildberichterstattung konnte mithin keinen Einfluss mehr auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die identifizierende Bildberichterstattung die Ausübung der Verfahrensrechte oder die Rechtsfindung im Revisionsrechtszug oder im weite- ren Verfahren nach einer denkbaren Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht beeinträchtigen würde, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
30
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Vertrauen des Klägers in die Beachtung der erlassenen sitzungspolizeilichen Verfügungen bei der Abwägung keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen.
31
Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch die Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind, unter denen die Aufnahme entstanden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 35). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn der Betroffene die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht abgebildet zu werden (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 24 und - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 24; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO; BVerfGE 120, 180, 207). Mithin erhöht die Erwartung des Klägers, wegen der sitzungspolizeilichen Verfügung nicht identifizierbar abgebildet zu werden, das Gewicht seiner Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Dem Umstand, dass er nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt aber nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach den oben erfolgten Ausführungen ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren.
32
Nach alledem sind keine überwiegenden rechtlichen Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung des ihn identifizierenden Fotos im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung entgegengestanden hätten.
33
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.02.2009 - 27 O 982/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.04.2010 - 9 U 45/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 75/08 Verkündet am:
17. Februar 2009
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
KUG §§ 22, 23

a) Private Lebensvorgänge sind auch dann Teil der nach den §§ 22, 23 KUG
geschützten Privatsphäre, wenn sie im öffentlichen Raum stattfinden und
wenn die Abgebildeten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind. Die Presse
darf deshalb über die neue Liebesbeziehung einer prominenten Person in
der Regel nicht ohne deren Einwilligung durch die Beifügung von Fotos berichten
, die die Partner zwar in der Öffentlichkeit, aber in erkennbar privaten
Situationen zeigen.

b) Die Selbstdarstellung privater Umstände durch Prominente gibt der Presse in
der Regel kein Recht, ohne die erforderliche Einwilligung Bilder aus deren
privatem Lebenskreis zu veröffentlichen, wenn der Veröffentlichung kein im
Rahmen der Abwägung zu berücksichtigendes ausreichendes Informationsinteresse
zukommt.
BGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - VI ZR 75/08 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Februar 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 11. Februar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Im April 2006 veröffentlichte die von der Beklagten verlegte Zeitschrift "das neue" einen Artikel, der sich mit dem damaligen Zusammensein von Sabine Christiansen, der Klägerin, mit Norbert Medus, ihrem jetzigen Ehemann, in Paris befasst. Sowohl das Titelblatt der Zeitschrift als auch der Artikel im Innenteil sind mit Fotos bebildert, die beide Personen als Paar zeigen. Titelblatt und Artikel enthalten u. a. den Text: "So verliebt in Paris" und "Wetten, dass sie diesen Mann bald heiratet". Die Klägerin meint, die Veröffentlichung der Bilder verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, und hat deshalb mit der Klage Unterlassung weiterer Veröffentlichungen verlangt.
2
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich eines zu weit gehenden Unterlassungsantrags teilweise abgewiesen, die weiter gehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Fotos, die die Abgebildeten bei ihrer privaten Freizeit in Paris zeigten und nur aufgrund fortlaufender Beobachtung durch Fotografen entstanden sein könnten, stellten einen Eingriff in den Kernbereich der Privatsphäre der Klägerin dar, den diese nicht hinnehmen müsse, zumal der Artikel wesentlich nur der Unterhaltung gedient habe und ohne erhebliche gesellschaftliche Relevanz gewesen sei. Dabei könne unterstellt werden, dass die den beanstandeten Bildern beigefügte Wortberichterstattung insoweit ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe, als Herr Medus als neuer Partner der Klägerin vorgestellt werde. Es könne davon ausgegangen werden, dass im Berichtszeitpunkt ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit daran bestanden habe, dass es einen neuen Partner im Leben der Klägerin gab, die als Moderatorin in verschiedenen Fernsehsendungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Auch wenn man berücksichtige, dass die Klägerin für ihre journalistische Arbeit zahlreiche herausragende Auszeichnungen erhalten habe und ihr als erfolgreiche Frau, die im öffentlichen Leben eine Bedeutung im Meinungsbildungsprozess erlangt habe, eine Leitbildfunktion zukomme, dass ferner die Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann im Jahr 2001 öffentliches Aufsehen erregt und die Klägerin selbst sich sowohl zu der Trennung als auch zu ihrer neuen Beziehung und einem etwaigen Umzug nach Paris öffentlich geäußert habe, stünden dem Berichterstattungsinte- resse aber jedenfalls berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne von § 23 KUG entgegen.

II.

4
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
5
1. Ohne Erfolg äußert die Revision Bedenken gegen die Fassung des Unterlassungsausspruchs, wie ihn das Berufungsgericht für begründet gehalten hat. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, die Bildnisse der Klägerin aus "das neue" Nr. 15 vom 8. April 2006 auf der Titelseite und auf den Seiten 4 und 5 zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Hauptantrag sei nach den Maßstäben der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu weit gehend und daher unbegründet, der Hilfsantrag sei hingegen hinreichend bestimmt, Streitgegenstand sei die Bildnisveröffentlichung in dem konkreten Zusammenhang der beanstandeten Veröffentlichung. Damit ist ausreichend klar gestellt, dass der Unterlassungsausspruch, für dessen Vollstreckung das Prozessgericht zuständig ist (§ 890 ZPO), weder andere bei derselben Gelegenheit gemachte Bilder noch die Veröffentlichung der beanstandeten Bilder in einem anderen Zusammenhang betrifft. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Unbegründetheit zu weit gefasster Unterlassungsanträge (Senatsurteile BGHZ 158, 218, 224 ff.; 174, 262, 265 f.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506, jeweils m.w.N.) ist deshalb im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
6
2. Auch soweit die Revision das angefochtene Urteil in der Sache beanstandet , bleibt sie erfolglos. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch ohne Rechtsfehler bejaht.
7
a) Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden; hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (Senatsurteile BGHZ 158, 218, 222 f.; 171, 275, 278; vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697 ff.; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283 ff.). Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung , durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auch bei Personen, die unter dem Blickwinkel des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung unabhängig davon, ob sie sich an Orten der Abgeschiedenheit aufgehalten haben, nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, § 23 Abs. 2 KUG (vgl. zu diesem abgestuften Schutzkonzept Senatsurteile BGHZ 171, 275 ff.; vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - VersR 2008, 1411, 1412 Rn. 12; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506 Rn. 12).
8
Bereits in seinem die Klägerin betreffenden Urteil vom 1. Juli 2008, in dem auch die rechtlichen Grundlagen für die vorzunehmende Abwägung ausführlich dargelegt sind, hat der erkennende Senat ausgeführt (VI ZR 243/06, aaO, S. 1508 Rn. 24 f.), die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiege schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berühre oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischer Weise die berechtigte Erwartung haben dürfe, nicht in den Medien abgebildet zu werden; dies könne nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation örtlicher Abgeschiedenheit, sondern allgemein in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein. Diese Grundsätze seien auch auf die Klägerin anzuwenden, die aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Nachrichtensprecherin, Fernsehjournalistin und -moderatorin als Person des öffentlichen Interesses anzusehen sei, so dass über sie in größerem Umfang berichtet werden dürfe als über andere Personen, wobei es auch in jenem Fall um die Bildberichterstattung ging.
9
b) Dem wird die Abwägung des Berufungsgerichts gerecht.
10
aa) Die beanstandeten Bilder wurden ohne Einwilligung der Klägerin veröffentlicht. Auch wenn über sie aus den dargelegten Gründen im Rahmen der Bildberichterstattung in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, so doch nur, wenn die durch die Berichterstattung vermittelten Informationen einen hinreichenden Nachrichtenwert hinsichtlich einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte haben. Es kann auch unterstellt werden, dass im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad der Klägerin das Eingehen einer neuen Beziehung als Vorgang von allgemeinem Interesse und als zeitgeschichtliches Ereignis anzusehen ist. Doch dürfen auch unter derartigen Umständen keine schwerwiegenden Interessen der Betroffenen bestehen, die einer Veröffentlichung und damit einer Abwägung zu Gunsten der Veröffentlichung entgegenstehen. Solche Interessen der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht.
11
bb) Ersichtlich können die beanstandeten Fotos aus sich heraus nicht der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen. Die Klägerin und ihr Partner sind auf den Fotos als Liebespaar zu identifizieren und zwar in erkennbar privaten Situationen.
12
Dass es sich um Fotos aus dem privaten Lebensbereich handelt, ergibt sich aus den Abbildungen ohne Weiteres und weisen die den Bildern beigegebenen Texte auch ausdrücklich aus. Auf dem Titelfoto ist die Klägerin Arm in Arm mit ihrem Partner zu sehen. Im Begleittext heißt es: "So verliebt in Paris - Sabine Christiansen - Wetten, dass Sie diesen Mann bald heiratet?". Das Titelfoto und der dazugehörige Text kündigen den Artikel im Heftinnern mit den Worten an: "Nur in Das Neue! Die ersten Fotos!". Der Text im Heftinneren, der mit vier Abbildungen illustriert ist, trägt unter anderem den rot unterlegten Hinweis "Die 1. zärtlichen Fotos!". Auf dem ersten Foto ist die Klägerin in Begleitung ihres Partners vor einem Hauseingang zu sehen. In der Bildunterschrift heißt es: "Montagabend: Sabine Christiansen und Norbert Medus (mit ihrem Gepäck) an der Tür zu seiner Pariser Wohnung". Auf dem zweiten Foto ist zu sehen, wie der Partner die Klägerin möglicherweise bereits im Innern der Wohnung küsst. Im Begleittext heißt es: "Endlich wieder zusammen. Liebevoll zieht der Modemacher die Moderatorin in seine Arme. Sie schmiegt sich an ihn". Auf dem dritten Foto sind die Klägerin und ihr Partner zu sehen, wie sie Arm in Arm auf einem Bürgersteig spazieren gehen. In der Bildunterschrift heißt es: "L'amour pur - eng umschlungen geben sich Sabine Christiansen und Norbert Medus dem Zauber der Stadt der Liebe hin". Das vierte Foto zeigt die Klägerin, wie sie an der Seite ihres Partners, der seinen Arm um sie gelegt hat, durch die Stadt bummelt. Der Begleittext lautet: "Dienstagmorgen: das glückliche Paar auf dem Weg zu einem Immobilienmakler. Start zur Suche einer gemeinsamen Wohnung an der Seine".
13
Die Revision vermag nicht zu verdeutlichen, warum an der bebilderten Mitteilung dieser rein privaten Vorgänge ein Informationsinteresse bestanden haben könnte, das den Anspruch der Klägerin auf Schutz ihrer Persönlichkeit überwiegt. Auch die Verrichtung erkennbar privater Lebensvorgänge in der Öffentlichkeit ist Teil der geschützten Privatsphäre. Dabei ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht ausschlaggebend, ob der Betroffene gewärtigen muss, unter Beobachtung der Medien zu stehen. In der Öffentlichkeit bekannte Personen wie die Klägerin wissen, dass ihr Privatleben, insbesondere ihre privaten Beziehungen, stets von der Presse begleitet werden, und müssen auch damit rechnen, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die Berichterstattung verwendbare Fotos gemacht werden. Es würde indes eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen, wenn jeder, der einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, sich in der Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil er auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht werden dürfte.
14
cc) Der Informationswert einer Bildberichterstattung ist, soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Bilder können Wortberichte ergänzen und dabei der Erweiterung des Aussagegehalts dienen, etwa die Authentizität des Geschilderten unterstreichen. Auch können beigefügte Bilder der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht wecken. Beschränkt sich der begleitende Bericht allerdings darauf, lediglich einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 218, 223; 171, 275, 284; vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - VersR 2008, 1411, 1414 Rn. 23; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506, 1508; so auch EGMR, NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 64).
15
Im vorliegenden Fall dienten die beanstandeten Fotos nicht dazu, die Wortberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis in zulässiger Weise zu illustrieren. Eine über die Wortberichterstattung hinaus gehende Information mit hinreichendem Nachrichtenwert zur Orientierung in einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte fehlt. Die Berichterstattung diente erkennbar dazu , die visuelle Neugier sowie das Unterhaltungsbedürfnis der Leserschaft zu befriedigen. Der Text auf dem Titelblatt und der Bericht im Innenteil befassen sich spekulativ mit der Liebesbeziehung der Abgebildeten und deren Absicht, die Ehe zu schließen. Berichtet wird, wie "verliebt" die Klägerin sei und dass sie "eng umschlungen" mit "ihrer neuen Liebe" durch "die Straßen an der Seine" schlendere, "ausgelassen wie ein junges Mädchen", "gelöst", "jung" und "strahlend" , dass diese Liebe mehr sei als eine Affäre, zwar erst seit drei Monaten "glühe", aber geschaffen sei "wie für die Ewigkeit".
16
Auch diese von der Klägerin nicht angegriffene Wortberichterstattung war nicht geeignet, ein berücksichtigungswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu befriedigen, das eine ergänzende Bildveröffentlichung ohne ernsthaften Aussagegehalt gegen den Willen der Abgebildeten erlauben könnte.
17
c) Den dagegen vorgebrachten Einwänden der Revision kann nicht gefolgt werden. Insbesondere lässt sich nichts daraus herleiten, dass die Klägerin ihr Privatleben, insbesondere auch ihre neue Beziehung, vor der Öffentlichkeit nicht geheim gehalten hat. Es mag sein, dass die Klägerin "Herrin der Inszenierung" ihres öffentlichen Erscheinungsbilds sein und der Presse eine "Hofberichterstattung" diktieren will. Dies gibt der Beklagten aber kein Recht, ohne die erforderliche Einwilligung Bilder aus dem privaten Lebenskreis der Klägerin zu veröffentlichen, wenn der Veröffentlichung kein im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigendes ausreichendes Informationsinteresse zukommt. Das gilt auch dann, wenn man das Interesse breiter Kreise der Öffentlichkeit an den privaten Verhältnissen bekannter Personen nicht ausschließlich als durch Neugier , Sensationslust und Unterhaltungsbedürfnis geprägt ansieht. Insofern könnte über private Umstände auch durch Beifügung von genehmigten oder genehmigungsfrei verwendbaren Fotos informiert und auf diese Weise ein gerechtfertigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit ausreichend befriedigt werden, während einer Veröffentlichung nicht genehmigter Fotos unter den Umständen des Streitfalls das Recht der Klägerin am eigenen Bild entgegen steht. Das Interesse der Presse, darüber hinaus durch besonders zeitnah, aktuell oder gar sensationell erscheinende Fotos den Absatz ihrer Produkte zu fördern, hat hingegen keinen Bezug zu einem als berechtigt anzuerkennenden Informationsinteresse, hinter dem der Persönlichkeitsschutz zurücktreten muss. Der Vortrag der Revision dazu, in welchem Umfang die Klägerin ihre neue Beziehung und ihr sonstiges Privatleben in der Öffentlichkeit präsentiert hat, kann deshalb als zutreffend unterstellt werden. Zu einem abweichenden Abwägungsergebnis führt dies nicht.
18
d) Danach ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin und der Berichterstattungsfreiheit der Beklagten, dass letztere zurückzutreten hat. Die Revision ist mithin zurückzuweisen.
Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.05.2007 - 27 O 85/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 11.02.2008 - 10 U 166/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 125/08 Verkündet am:
13. April 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; MRK Art. 8, 10; KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Die Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis kann auch zulässig
sein, wenn einzelne Aussagen der Wortberichterstattung für unzulässig erklärt
worden sind.
BGH, Urteil vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. April 2010 durch die Richter Zoll, Wellner, Pauge, Stöhr und die Richterin
von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. April 2008 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, welche die Zeitschrift "Revue" verlegt, Unterlassungsansprüche wegen einer Bildberichterstattung in der Zeitschrift "Revue" Nr. 42/06 vom 12. Oktober 2006 geltend, in der über eine Auftaktveranstaltung zu einer Ausstellung mit Bildern des Malers und Fotografen Yves Klein im Pariser Centre Pompidou und über die Beziehung der zu dieser Veranstaltung erschienenen Klägerin zu ihrem Begleiter, Herrn W., berichtet wird. Das Inhaltsverzeichnis ist bebildert mit einem auf dem Rosenball 2006 entstandenen Portraitfoto der Klägerin; der Artikel zeigt ein Foto, das sie mit Herrn W. bei einem Gala-Diner im Centre Pompidou anlässlich einer Ausstellung zeigt, und ein Foto, das im Jahre 2005 anlässlich der Amtseinführung von Prinz Albert von Monaco aufgenommen wurde.
2
Das erste Bild ist mit einer Bildnebenschrift versehen: "Prinzessin Charlotte im Himmel der ersten Liebe. Sie ist wunderschön. Zarte 20 Jahre. Bei einem Gala-Dinner in Paris verzauberte sie mit ihrem Freund F. W. die Gesellschaft. Wer der Mann ist, der die Tochter von Prinzessin Caroline so glücklich macht".
3
Das zweite Bild trägt die Überschrift: "Charlotte im Himmel der Liebe" und den Begleittext: "Ein zartes Glück. F. W. ist seit zwei Jahren an Charlottes Seite. Wer ist der junge Mann, der so gut zur Tochter von Prinzessin Caroline passt?" und den Bildnebentext: "Sie haben nur Augen für sich. F. W. und Charlotte beim Gala-Diner im Pariser Centre Pompidou. Er redet, sie hört aufmerksam zu".
4
Das dritte Foto ist mit der Bildinnenschrift versehen: "So schön wie Mama : Charlotte mit ihrer Mutter Prinzessin Caroline und ihrem Bruder Andrea beim Fest in Monaco zu Alberts Amtseinführung am 12. Juli 2005".
5
Die Wortberichterstattung wird im vorliegenden Rechtsstreit nicht beanstandet. Sie ist jedoch in einem anderen Prozess zwischen denselben Parteien, den die Beklagte rechtskräftig werden ließ, teilweise untersagt worden, allerdings nicht, soweit sie sich mit dem Ereignis selbst, der Auftaktveranstaltung zu einer Ausstellung mit Bildern des Malers und Fotografen Yves Klein im Pariser Centre Pompidou befasste. Die Stiftung Claude Pompidou hatte aus diesem Anlass zum Gala-Diner geladen. Der Artikel erwähnt einige der dort erschienen Prominenten, befasst sich aber hauptsächlich mit der Klägerin und ihrem Be- gleiter F. W., der seit Sommer 2004 an ihrer Seite gesehen werde und sie auch zum letzten Rosenball begleitet habe.
6
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , "im Zusammenhang mit einer Berichterstattung, die sich um eine Liebesbeziehung der Klägerin dreht", die zuvor bezeichneten Bilder erneut zu veröffentlichen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Kammergericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unterlassungstenor dahin laute, es zu unterlassen, "im Rahmen einer Berichterstattung wie in Revue Nr. 42/06, S. 4, 16, 17 die folgend beschriebenen Bilder erneut zu veröffentlichen". In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu, die gewählte Tenorierung solle klarstellen, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bilder in "kerngleichem" Berichtzusammenhang verboten werde.
7
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung der drei Fotos das Recht der Klägerin am eigenen Bild verletze. Es sei bereits fraglich , ob allein die Teilnahme der Klägerin an (unterstellt) zeitgeschichtlichen Ereignissen die konkrete Einwilligung in eine Veröffentlichung dort entstandener Bildnisse im Rahmen eines Berichts über das Ereignis der Zeitgeschichte beinhalte. Jedenfalls liege keine stillschweigend erteilte Zustimmung zur Veröffentlichung in anderem Zusammenhang vor. Eine Einwilligung sei nicht deshalb entbehrlich , weil es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele.
Keines der Fotos enthalte eine Aussage über ein zeitgeschichtliches Ereignis. Es sei deshalb auf die begleitende Wortberichterstattung abzustellen. Beschränke sich der die Bildveröffentlichung begleitende Wortbeitrag allein darauf, irgendeinen Anlass für die Abbildung einer in der Öffentlichkeit bekannten Person zu schaffen, so lasse die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung nicht erkennen. In einem solchen Fall müsse das Informationsinteresse hinter dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten zurücktreten. So verhalte es sich hinsichtlich der drei Bildveröffentlichungen. Soweit das Portraitfoto der Klägerin eine Aufnahme des sechs Monate zurückliegenden Rosenballs wiedergebe, sei bereits die Aktualität fraglich. Zum anderen werde der Rosenball nur als Anlass genommen, um die angebliche Liebesbeziehung der Klägerin zu F. W. zu thematisieren. Diese Erwägung führe auch zur Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung des großen Bildnisses, das anlässlich des Gala-Diners aufgenommen worden sei. Entspechendes gelte für das dritte Foto des Berichts. Die Klägerin habe sich auch nicht derart der Presse geöffnet, dass ein von ihr selbst erzeugtes öffentliches Informationsinteresse Vorrang vor dem Interesse am Schutz ihrer Privatsphäre genießen könne. Der Unterlassungsanspruch sei mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 174, 262) zu tenorieren, wobei die gewählte Tenorierung klarstellen solle, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bilder in "kerngleichem" Berichtzusammenhang verboten werde.

II.

9
Das Urteil des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu.
11
a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. Senatsurteile BGHZ 171, 275; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06 - VersR 2008, 1268; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - VersR 2008, 1411 und - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06 - VersR 2009, 76 und - VI ZR 272/06 - VersR 2009, 78 sowie - VI ZR 271/06 - und - VI ZR 260/06 -, beide z.V.b.; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07 - GRUR 2009, 150 und vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07 - VersR 2009, 843), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647 und NJW 2006, 591). Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die Klägerin habe nicht bereits durch die Teilnahme an den Ereignissen in die erfolgte Veröffentlichung der Aufnahmen eingewilligt (vgl. § 22 KUG). Zulässig war diese daher nur, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und die Veröffentlichung berechtigte Interessen der Klägerin nicht verletzte (§ 23 Abs. 2 KUG).
12
aa) Schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (auch hierzu Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1412 und - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1506 f., jeweils m.w.N.).
13
bb) Zum Kern der Pressefreiheit gehört es, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO m.w.N.; BVerfGE 87, 181, 201; 95, 220, 234; 97, 228, 257; 101, 361, 389; 120, 180, 197, 205; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; NJW 2008, 1793, 1794). Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07 - aaO, S. 151 m.w.N.; BVerfGE 120, 180, 197). Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil (vgl. etwa Senatsurteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06 - VersR 2009, 78, 79; BVerfGE 35, 202, 222 f.; 59, 231, 258; 101, 361, 389 f.; 120, 180, 197, 204; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860 f.), ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau der Berichterstattung abhängt (vgl. BVerfGE 35, 202, 222 f.; 66, 116, 134; 120, 180, 196 f.). Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (vgl. etwa Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1413 und - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1507 f.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06 - aaO; BVerfGE 101, 361, 390; 120, 180, 204).
14
cc) Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1508; BVerfGE 120, 180, 205). Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 131, 332, 337 f. und vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523), der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist (vgl. BVerfGE 101, 361, 381 ff.; 120, 180, 214). Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1508; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; 120, 180, 205, 214; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.
15
b) Nach diesen Maßstäben kann der Auffassung des Berufungsgerichts, die angegriffene Bildberichterstattung sei wegen der fehlenden Einwilligung der Klägerin unzulässig, nicht gefolgt werden.
16
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den beanstandeten Fotos um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Der dafür maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu gehören auch gesellschaftliche Ereignisse wie die Amtseinführung von Prinz Albert, der Rosenball in Monaco und das Gala-Diner der Stiftung Claude Pompidou anlässlich der Ausstellung eines bekannten Künstlers im Pariser Centre Pompidou.
17
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beschränkt sich der Informationsgehalt der Bildberichterstattung nicht auf die Darstellung der angeblichen Liebesbeziehung zwischen der Klägerin und Herrn W. Gegenstand der Bildberichterstattung ist vielmehr auch die Auftaktveranstaltung zu einer Ausstellung mit Bildern des Malers und Fotografen Yves Klein im Pariser Centre Pompidou, zu der die Stiftung Claude Pompidou geladen hatte und bei der eine Vielzahl bekannter Persönlichkeiten, u.a. die Klägerin in Begleitung von Herrn W., erschienen waren. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 180, 114 und vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO; BVerfGE 120, 180, 196 ff.), dass die Presse bei Auftritten "prominenter Personen" bei zeitgeschichtlichen Ereignissen grundsätzlich nicht nur über das Ereignis selbst, sondern auch darüber berichten darf, welche Personen dort erschienen sind und in wessen Begleitung sie sich dabei befunden haben. Das zeitgeschichtliche gesellschaftliche Ereignis beinhaltet dann neben der Anwesenheit der betreffenden Personen auch ihr gemeinsames Erscheinen.
18
cc) Nach diesen Grundsätzen begegnet die Bebilderung der Berichterstattung über das Gala-Diner mit einem dort aufgenommenen und insoweit kontextbezogenen Bild der Klägerin mit Herrn W. keinen rechtlichen Bedenken. Wenn die Klägerin bei offiziellen gesellschaftlichen Anlässen mehrfach in Begleitung von Herrn W. auftritt, ist es der Presse im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad der Klägerin und ihrer Familie nicht verwehrt, eine Berichterstattung über das zeitgeschichtliche Ereignis mit entsprechenden Bildern zu illustrieren. Der Zulässigkeit steht insoweit auch nicht entgegen, dass die Beklagte in einem anderen Rechtsstreit rechtskräftig zur Unterlassung einzelner Aussagen der zugehörigen Wortberichterstattung über die persönlichen Verhältnisse der Klägerin verurteilt worden ist. Denn diese Verurteilung betrifft nicht die Berichterstattung über das Ereignis als solches und die dabei erschienenen Personen.
19
Entsprechendes gilt auch hinsichtlich des Fotos, das beim Rosenball aufgenommen worden ist. Es spielt dabei - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - keine Rolle, dass der Rosenball zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels in der Zeitschrift der Beklagten bereits ca. sechs Monate zurücklag. Bei dem Bild handelt es sich um ein kontextneutrales Foto von der Klägerin, das ebenfalls bei einem offiziellen Ereignis aufgenommen worden ist, und dessen Veröffentlichung im Zusammenhang mit ihrem Auftreten beim Gala-Diner im Centre Pompidou rechtlich unbedenklich ist.
20
Dementsprechend ist es auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang das kontextneutrale Foto von der Klägerin verwendet hat, das bei der Amtseinführung Prinz Alberts von Monaco aufgenommen worden ist. Dadurch wird keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bewirkt.
21
dd) Der Streitfall ist insoweit anders gelagert als der Fall, welcher dem Senatsurteil vom 17. Februar 2009 - VI ZR 75/08 - (VersR 2009, 841) zugrunde lag. Dort wurden die Bilder über die neue Beziehung der dortigen Klägerin nicht bei öffentlichen Auftritten auf gesellschaftlichen Veranstaltungen gefertigt, sondern heimlich in erkennbar privaten Situationen.
22
c) Da das Berufungsurteil bereits mangels Bestehens eines Anspruchs auf Unterlassung erneuter Verbreitung der Fotos keinen Bestand hat, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts zur vorbeugenden Unterlassungsklage gegen "kerngleiche" Verletzungshandlungen nicht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile BGHZ 174, 262, 266 und vom 23. Juni 2009 - VI ZR 232/08 - VersR 2009, 1272) entsprechen dürfte. Zoll Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 31.05.2007 - 27 O 98/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 28.04.2008 - 10 U 183/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 26/11
Verkündet am:
22. November 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Zulässigkeit einer identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung über
einen Politiker in einem Presseartikel betreffend dessen prominente Lebensgefährtin.
BGH, Urteil vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Januar 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt und der Freund der Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin Inka Bause. Am 3. Dezember 2009 veröffentlichte die Beklagte in der Ausgabe Nr. 50 der von ihr verlegten Zeitschrift "SUPERillu" einen auf der Titelseite mit den Worten "INKAS TRAUMJAHR" und der Unterzeile "Neue Liebe macht ihr Glück perfekt" angekündigten und mit "Die INKA Story" betitelten Beitrag über Inka Bause. Darin wird u.a. berichtet, dass der Kläger "Inkas neuer Freund" sei und aus H. in Sachsen-Anhalt stamme. Des Weiteren werden sein Alter, seine Größe und sein Sternzeichen genannt und mitgeteilt, er sei gelernter Krankenpfleger. Weiter heißt es dort: "Sein großes Hobby ist die Musik, seine Leidenschaft die Politik. Für die Partei "Die Linke" sitzt G. seit 2007 im Magdeburger Landtag." Der Beitrag ist mit einem Porträtfoto des Klägers bebildert, unter dem es heißt: "Der Neue Inkas Freund S.G. ist Politiker in Magdeburg."
2
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung des Bildes mit dieser Unterzeile und - im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause - einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens und/oder seines Alters. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Klageabweisung. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung identifizierender Berichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause nicht zu. Die Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen ergebe, dass die Wortberichterstattung rechtmäßig sei. Frau Bause sei aufgrund ihrer Fernsehauftritte als Moderatorin verschiedener Fernsehsendungen einem breiten Publikum bekannt. An dem Umstand, wer ihr neuer Lebensgefährte sei, bestehe ein öffentliches Informationsinteresse. Sie trete gegenüber der Öffentlichkeit als "Single" auf und habe in den Jahren 2008 und 2009 in Zeitschrifteninterviews u.a. Fragen danach beantwortet, "woran es liege, dass sie keinen Partner habe" und "wie ihr Traummann" sein müsse. Sie geriere sich als Spezialistin in Sachen "Partnerberatung" und nehme auf die öffentliche Meinungsbildung einen nicht unerheblichen Einfluss. Deshalb bestehe an der Frage, ob sich Frau Bause entgegen ihrer öffentlichen Darstellung mit einem Partner liiert habe und wie sie die von ihr repräsentierten Werte lebe, ein öffentliches Interesse. Aufgrund die- ses, aus der Person von Frau Bause abgeleiteten, öffentlichen Interesses müsse auch der Kläger einen Bericht darüber hinnehmen, dass er mit Frau Bause liiert sei. Ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit sei nicht Voraussetzung für eine identifizierende Berichterstattung. Für deren Zulässigkeit spreche vorliegend, dass der Kläger keine der Öffentlichkeit bislang unbekannte Person sei. Zwar sei er als Landtagsabgeordneter bei Weitem nicht so bekannt wie Frau Bause. In seiner Funktion als Wahlkreisabgeordneter trete er jedoch öffentlich auf. Seine Website zeige ein Porträtfoto und enthalte Angaben über persönliche Daten wie Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung, beruflichen Werdegang sowie politische und gesellschaftliche Funktionen und Ehrenämter. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des Bildes mit der erwähnten Unterzeile. Bei dem Foto handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Es sei eine kontextneutrale Abbildung, deren Verbreitung die berechtigten Interessen des Klägers nicht verletze. Dieser habe kein berechtigtes Interesse, anonym zu bleiben und überhaupt nicht abgebildet zu werden. Er trete als Landtagsabgeordneter in der Öffentlichkeit auf und habe auf seiner Website selbst ein Porträtfoto veröffentlicht. Die Bildveröffentlichung sei deshalb nicht zu beanstanden.

II.

4
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Berufung auch insoweit zulässig, als das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses verurteilt hat.
6
a) Allerdings genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. - nunmehr § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO - nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, VersR 2002, 999, 1000 mwN; BGH, Beschlüsse vom 25. November 1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169, 171 und vom 10. Januar 1996 - IV ZB 29/95, NJW-RR 1996, 572; BGH, Urteile vom 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082; vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126 und vom 18. Juli 2001 - IV ZR 306/00, VersR 2001, 1304, 1305). Diese Anforderungen sind durch die Neufassung in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nicht verringert worden. Vielmehr dient diese Vorschrift dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Begründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen; bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BGH, Urteile vom 28. Mai 2003 - XII ZB 165/02, VersR 2004, 1064, 1065; vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00, WM 2004, 442 f. und vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, VersR 2006, 859 Rn. 22; vgl. auch Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 520 Rn. 38; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn. 27). Auch wenn sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung auseinandersetzen muss, genügt es nicht, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den ganzen Streitstoff betrifft (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, VersR 2007, 414 Rn. 7).
7
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung nicht nur ihre Verurteilung zur Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung angegriffen, sondern sich auch dagegen gewandt, dass das Landgericht ihr die erneute Veröffentlichung des Bildnisses untersagt hat. Allerdings kann im Einzelfall die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung anders zu beurteilen sein als die einer Wortberichterstattung, denn der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen eine Presseberichterstattung reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits unterschiedlich weit (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 8 ff.; BVerfG, NJW 2011, 740 Rn. 52). Angesichts dessen, dass das Landgericht bei der Begründung des Unterlassungsanspruchs nicht zwischen Wort- und Bildberichterstattung differenziert, sondern hinsichtlich beider Klageanträge eine einheitliche Abwägung vorgenommen hat, bezog sich der gegen diese Entscheidung gerichtete Berufungsangriff der Beklagten ersichtlich sowohl auf das Verbot der Wortberichterstattung als auch auf das der Bildberichterstattung. Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung nämlich die Auffassung des Landgerichts beanstandet, "eine identifizierende Berichterstattung im Zusammenhang mit der privaten Beziehung zu Frau Bause, also die Nennung seines Namens und seines Alters sowie die Veröffentlichung seines Porträtfotos, verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht." Dieser Berufungsangriff ist umfassend und deshalb geeignet, das erstinstanzliche Urteil insgesamt in Frage zu stellen.
8
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung identifizierender Wortberichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau Inka Bause zusteht.
9
a) Allerdings wird das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage in dem Artikel der Beklagten vom 3. Dezember 2009 beeinträchtigt.
10
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehörenund den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 und vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, aaO Rn. 10, 13, jeweils mwN). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abwei- chendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09 unter II 1 a) bb) (1), zVb; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 382).
11
bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete Wortberichterstattung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel werden Informationen über seine privaten Angelegenheiten, nämlich insbesondere über seine Beziehung zu Frau Bause wiedergegeben, deren Bekanntwerden er - aus welchen Gründen auch immer - nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte.
12
b) Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber hinzunehmen.
13
aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, aaO S. 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und - VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO).
14
bb) Im Streitfall sind das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen. Denn der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, VersR 2007, 249 Rn. 15; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 16; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, VersR 2009, 365 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 11 jeweils mwN; BVerfGE 61, 1, 8; 71, 162, 179; 99, 185, 197). Dies ist bei der streitgegenständlichen Äußerung, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, der Fall.
15
cc) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Ver- breitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2010, 145 Rn. 25).
16
dd) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
17
(1) Der Kläger ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine in der Öffentlichkeit unbekannte Person. Er ist Landtagsabgeordneter und tritt in dieser Funktion öffentlich auf. Auf seiner mit einem Porträtfoto bebilderten Website finden sich Angaben zu Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung und beruflicher Weiterbildung sowie politischen und gesellschaftlichen Funktionen und Ehrenämtern. Im Hinblick darauf besteht nicht von vornherein ein schützenswertes Interesse an der Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über Herkunft, Alter, Sternzeichen und Beruf. Die darüber hinaus beanstandeten Informationen wie seine Körpergröße und die Aussage, dass sein großes Hobby die Musik und seine Leidenschaft die Politik sei, enthalten keine unwahren Tatsachenbehauptungen oder ehrenrührige Meinungsäußerungen. Insoweit handelt es sich weitgehend um Angaben, die noch der Sozialsphäre zuzurechnen sind. In diesem Bereich ist dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen von vornherein ein tendenziell größeres Gewicht zuzuerkennen (Soehring, Pressrecht, 4. Aufl. § 19 Rn. 39).
18
Auch soweit einzelne Angaben in dem Artikel die Privatsphäre des Klägers betreffen, hat dieser die beanstandete Berichterstattung hinzunehmen. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, dass der Kläger Politiker ist und in dem Artikel wahrheitsgemäß darüber berichtet wird, dass er der Lebensgefährte der einem breiten Fernsehpublikum bekannten Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin Inka Bause sei, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit Recht bejaht. Die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedeutsame Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" kann es bei Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere bei Politikern, rechtfertigen, der Öffentlichkeit im Einzelfall ein Recht auf Informationen auch über Aspekte ihres Privatlebens zuzubilligen (vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2649 f.; BVerfG NJW 2006, 2835 Rn. 15 mwN). Dabei ist auch zu berücksichtigen , dass in einer parlamentarischen Demokratie bei Politikern im Einzelfall durchaus Umstände der privaten Lebensführung vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit umfasst sein können. So verhält es sich im Streitfall.
19
(2) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34 mwN; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, VersR 2007, 849 Rn. 28; BVerfGE 120, 180, 205). Andererseits gehört es zum Kern der Pressefreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 11; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 14 und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, VersR 2011, 1065 Rn. 17; BVerfGE 87, 181, 201; 95, 220, 234; 97, 228, 257; 101, 361, 392; 120, 180, 197 = NJW 2008, 1793, 1794 Rn. 42; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860). Dabei können auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen , am Schutz der Pressefreiheit teilnehmen (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO und vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 222 f.; 59, 231, 258; 101, 361, 389 f.; 120, 180, 197; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860 f.). Zu dieser Freiheit gehört es auch, dass über den sozialen Kontext einer Person berichtet wird. Der Persönlichkeitsschutz greift erst dann, wenn die beanstandeten Äußerungen für sich genommen oder im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung einen eigenständigen Verletzungseffekt aufweisen, der ihr Verbot rechtfertigen könnte, etwa wenn sie in den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre des Betroffenen eingreifen oder Themen betreffen, die von vornherein überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 19, mwN).
20
(3) Diese Grenze wird mit der vom Kläger angegriffenen Berichterstattung nicht überschritten. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass die den Kläger betreffenden Äußerungen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt aufweisen und die Intensität der Beeinträchtigung gering ist. Sie ist in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.
21
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses.
22
a) Für die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung gelten nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats folgende Grundsätze:
23
aa) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, VersR 2009, 268 Rn. 8 ff. [insoweit in BGHZ 178, 213 nicht abgedruckt]; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9 ff.; zuletzt Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 32 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 ff.; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 190/08, VersR 2011, 127 Rn. 13 ff. vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, VersR 2011, 1065 Rn. 14 ff. und vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, zVb), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des EGMR im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 und 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme , wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
24
bb) Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 10 und vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 33; BVerfGE 120, 180, 201 ff., 213) . Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 14 f.; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33 mwN; BVerfGE 101, 361, 391). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 14; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 12, jeweils mwN).
25
cc) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34 mwN; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, VersR 2007, 849 Rn. 28; BVerfGE 120, 180, 205).
26
Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext , in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstat- tung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 35; BVerfGE 120, 180, 205, 206 f.).
27
dd) Der erkennende Senat hat dementsprechend hinsichtlich der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung bereits mehrfach berücksichtigt, ob bei der Presseberichterstattung die Abbildung eines anlässlich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gefertigten Fotos nur zum Anlass zu Ausführungen über eine Person genommen wird oder die Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt; in solchen Fällen ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223 f.; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83, 84; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 28 und - VI ZR 13/06, VersR 2007, 697 Rn. 20 ff.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506, 1508 Rn. 23; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 271/06, VersR 2009, 513 Rn. 14 und - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 16; vom 17. Februar 2009 - VI ZR 75/08, VersR 2009, 841 Rn. 14; ebenso BVerfGE 120, 180, 206 f.).
28
b) Nach diesen Grundsätzen war die vom Kläger angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
29
aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der Artikel behandelt, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, die private Beziehung des Klägers zu Frau Bause, die seinerzeit seine Lebensgefährtin war. Die Berichterstattung ist, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob sie auch Darstellungen enthält, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Beziehung des Klägers zu Frau Bause hat und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beurteilen ist. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen , etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt (BVerfGE 101, 361, 392; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.).
30
bb) Das veröffentlichte Foto hat nach der Art seiner Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, um ein kontextneutrales Porträtfoto, dessen Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - VI ZR 220/01, BGHZ 151, 26, 32 f.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn. 13) unbedenklich ist und die berechtigten Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht verletzt. Auf die Frage, ob die Zulässigkeit der Veröffentlichung des Bildnisses nach den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung zu §§ 22, 23 KUG möglicherweise abweichend zu beurteilen wäre, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.

III.

31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.06.2010 - 27 O 158/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.01.2011 - 10 U 110/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 108/10 Verkündet am:
7. Juni 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Das Persönlichkeitsrecht ist im Rahmen einer sitzungspolizeilichen Verfügung
nach § 176 GVG nicht in weiterem Umfang zu schützen, als dies nach §§ 22,
23 KUG der Fall ist.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. April 2010 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2009 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Berichts in der von ihr verlegten "Bild"-Zeitung auf Unterlassung der Verbreitung eines ihn identifizierenden Fotos in Anspruch.
2
Am 15. Juli 2008 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart den Kläger zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten zum Gegenstand, der nur wenige Stunden vor dem geplanten Tatbeginn durch Festnahme der Beteiligten verhindert werden konnte.
3
Während der Hauptverhandlung waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 24. Mai 2006 im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung jeweils 20 Minuten vor Sitzungsbeginn nur am ersten Hauptverhandlungstag und am Tag der Urteilsverkündung mit der Maßgabe zulässig, dass von den Mitgliedern des Strafsenats keine Aufnahmen gefertigt und sonstige Verfahrensbeteiligte nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis gefilmt oder fotografiert werden durften. In einer ergänzenden sitzungspolizeilichen Verfügung vom 8. Juli 2008 hieß es: "Die Angeklagten haben erklärt, dass sie mit einer Ablichtung nicht einverstanden sind. Deren Gesichter sind daher durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich zu machen".
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Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 16. Juli 2008 unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung Fotos von den Angeklagten , auf denen ihre Gesichter nicht unkenntlich gemacht waren. Sie hatte das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto des Klägers von einer Agentur erworben.
5
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sein Bildnis "ungepixelt" oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten, und ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf den Unterlassungsanspruch in vollem Umfang und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs weitgehend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte bezüglich des Unterlassungsanspruchs keinen und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs nur in geringem Umfang Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil u.a. in AfP 2010, 395 veröffentlicht ist, steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 823, 1004 Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und demgemäß auch ein Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren zu.
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Zwar habe die gemäß § 176 GVG erlassene sitzungspolizeiliche Verfügung keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie sich nur an die bei der Verhandlung anwesenden Personen gerichtet habe und die Mitarbeiter der Beklagten an der Sitzung nicht teilgenommen hätten.
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Nach dem für die Beurteilung des Unterlassungsantrags geltenden abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG sei die Bildveröffentlichung aber rechtswidrig.
9
Im Streitfall liege zwar ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor, so dass grundsätzlich eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig sei. Denn die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und der Pressefreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führe wegen des überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu dem Ergebnis , dass das Interesse der Beklagten an einer öffentlichen Berichterstattung das Recht des Klägers auf Anonymität überwiege. Es habe sich um eines der bedeutendsten Terroristenverfahren der letzten Jahre gehandelt.
10
Der Bildveröffentlichung stünden jedoch berechtigte Interessen des Klägers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Zwar sei die zu dem Foto gehörende Wortberichterstattung nicht zu beanstanden und das Foto beinhalte keinen eigenständigen Verletzungseffekt. Auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung begründe kein überwiegendes Interesse des Klägers, so dass der tagesaktuellen Berichterstattung Vorrang zukomme. Bei der gebotenen Interessenabwägung fielen aber das Vertrauen des Klägers auf die Gültigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung und die Entstehung des Fotos unter Missachtung des Anonymisierungsgebots zu seinen Gunsten entscheidend ins Gewicht.
11
Die sitzungspolizeilichen Verfügungen seien zwar rechtswidrig gewesen, weil sie die Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch sei die identifizierende Abbildung des Klägers zulässig gewesen, weil der Persönlichkeitsschutz des Klägers gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Bericht über die Urteilsverkündung zurücktrete und der Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht gefährdet gewesen seien. Der Kläger habe aber auf die sitzungspolizeilichen Verfügungen vertrauen dürfen. Die Agentur sei nicht berechtigt gewesen, das Foto des Klägers der Beklagten zur Verbreitung zu überlassen, ohne vorher das Gesicht des Klägers durch geeignete Maßnahmen unkenntlich gemacht zu haben. Zudem sei die sitzungspolizeiliche Verfügung gerade im Interesse des Klägers ergangen.

II.

12
Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß dem Tenor des angefochtenen Urteils unbeschränkt zugelassen. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine Beschränkung der Revision auf den Unterlassungsantrag nicht entnehmen, weil der Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten als Annex des Unterlassungsanspruchs anzusehen ist. Die Angriffe der uneingeschränkt eingelegten Revision betreffen auch den Anspruch auf Freistellung.

III.

13
Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung und Freistellung von den Rechtsanwaltskosten entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
14
1. a) Das Berufungsgericht beurteilt die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Ansatz zu Recht nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. etwa Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 5 ff.; vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 12 ff.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 6 ff.; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 f., 211 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Ein- klang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
15
b) Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass sich eine Unzulässigkeit der identifizierenden Bildberichterstattung jedenfalls gegenüber der Beklagten nicht allein aus der sitzungspolizeilichen Verfügung ergeben kann, sondern das Nichtbeachten des Anonymisierungsgebots nur im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen ist. Das in der Verfügung enthaltene Gebot, die Bildaufnahmen unkenntlich zu machen, konnte keine unmittelbaren Verpflichtungen für die Beklagte begründen, weil deren Mitarbeiter bei der Sitzung nicht anwesend waren. Die Beklagte erwarb das Foto von einer Presseagentur. Sitzungspolizeiliche Verfügungen im Sinne von § 176 GVG richten sich nur an die im Sitzungszimmer und in den angrenzenden, noch der Sitzungspolizei unterliegenden Räumlichkeiten anwesenden Personen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23, 24; OLG Karlsruhe, NJW 1977, 309, 310; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 176 Rn. 39; KK/Diemer, StPO, 6. Aufl., § 176 GVG Rn. 3; Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 176 GVG Rn. 6, 38; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 176 GVG Rn. 4).
16
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bejaht.
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a) Schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits , wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den §§ 22, 23 KUG sowie Art. 8 und Art. 10 EMRK beeinflusst werden (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 10; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 33). Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 13 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 13; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO). Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO, Rn. 11; BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, NJW 2006, 591, 592 f.). Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch die Abbildung von Personen (Senatsurteil vom 10. März 2009 - VI ZR 261/07, aaO; BVerfGE 101, 361, 389).
18
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem §§ 22, 23 KUG, Art. 8 EMRK und § 176 GVG (vgl. BVerfGE 50, 234, 241; 91, 125, 136 f.; 120, 180, 201 f.). Die in §§ 22, 23 KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenbestimmungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtspositionen zueinander Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 16; BVerfGE 120, 180, 200 f.; BVerfGK 9, 54, 60 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 43 ff.).
19
b) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 230 f.; 119, 309, 321 f.; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 11; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18; Schlüter, AfP 2009, 557, 561 f.; Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 26a, 32). Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 18 mwN; BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 19).
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c) Gemäß diesen Grundsätzen handelt es sich hier um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren eines der bedeutendsten Terroristenverfahren in den letzten Jahren, das erhebliches Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte. Der Kläger war am Vortag der Veröffentlichung wegen eines geplanten Anschlags auf ein ausländisches Staatsoberhaupt in Deutschland erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das vor der Urteilsverkündung im Sitzungssaal aufgenommene Foto vom Kläger und den beiden Mitangeklagten wurde im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung veröffentlicht. Unter diesen Umständen liegt eine aktuelle Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hat und gegenüber dem der Persönlichkeitsschutz des Klägers grundsätzlich zurücktreten musste. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht als für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich angesehen. Denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (vgl. BVerfGE 101, 361, 389).
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3. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings die im Streitfall vorgenommene Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden durch die Verbreitung des nicht anonymisierten Fotos keine berechtigten Interessen des Klägers im Sinne dieser Vorschrift verletzt und hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Angesichts des unter den konkreten Umständen deutlichen Überwiegens der Rechte der Beklagten und des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit hat das Berufungsgericht bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Klägers und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK dem Vertrauen des Klägers auf die Einhaltung der sitzungspolizeilichen Verfügung und deren Nichtbeachtung nach Fertigung der streitgegenständlichen Fotoaufnahme ein zu großes Gewicht beigemessen. Die erforderliche Abwägung kann der Senat selbst vor- nehmen, weil keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 11).
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a) Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass die den Täter identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellt, weil auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 33; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 15). In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 44, 68; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 2117 Rn. 23).
23
Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt andererseits dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit das Bild - wie hier - nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ 158, 218, 223; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 34 f.; BVerfGE 120, 180, 206 f.).
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b) Nach diesen Kriterien verletzt die Verbreitung eines nicht anonymisierten Fotos unter den gegebenen Umständen grundsätzlich keine berechtigten Interessen des Klägers. Es bestand ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit auch hinsichtlich einer Abbildung des Klägers, nachdem dieser wegen einer Aufsehen erregenden schweren Straftat erstinstanzlich verurteilt worden ist, die insbesondere wegen der terroristischen Bedrohung und der damit verbundenen Ängste auch ein erhebliches Interesse an den Tätern begründet hat. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildberichterstattung über einen Angeklagten, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über die Person des Täters informieren können (vgl. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1329). Dies gilt insbesondere auch bei Straftätern, die - wie hier - im Zusammenhang mit einem geplanten terroristischen Anschlag verurteilt worden sind, weil solche Täter im Alltag oft unauffällig leben und auch deswegen ein großes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung besteht, welche es besser ermöglicht, sich ein Bild von den Tätern zu machen. Die streitgegenständliche Fotoaufnahme enthält auch keine über die mit der Identifizierung eines Straftäters durch eine Abbildung hinausgehende Beeinträchtigung oder Stigmatisierung. Es handelt sich um ein kontextgemäßes Porträtfoto, das den Kläger in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält. Auch die begleitende Wortberichterstattung über die Urteilsverkündung war nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
25
Zwar mag oftmals bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung überwiegen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14 f.; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Im Streitfall lag jedoch bei der Veröffentlichung bereits eine erstinstanzliche Verurteilung vor, so dass sich der Ver- dachtsgrad gegen den Kläger so weit verdichtet hatte, dass dem Informationsinteresse der Vorrang gebührt. Dürfte die Presse über eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat erst nach der Rechtskraft des Strafurteils mit einer Abbildung des Straftäters berichten, könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesene Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nur eingeschränkt erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; BVerfGE 97, 125, 149; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Dies gilt insbesondere nach einer erstinstanzlichen Verurteilung in einem Strafverfahren von erheblichem öffentlichem Interesse, weil hier regelmäßig die Verurteilung durch den Tatrichter und nicht die die Revision des verurteilten Täters verwerfende Entscheidung des Revisionsgerichts im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Auch das Resozialisierungsinteresse und das Recht des Täters, "alleine gelassen zu werden", steht der aktuellen identifizierenden Berichterstattung nicht entgegen, weil es nach Befriedigung des aktuellen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit erst mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung gewinnt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 23; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO, Rn. 16; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 19; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 17; BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; NJW 2009, 3357 Rn. 21; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1336; Wenzel/von Strobl-Albeg, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 85).
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c) Im konkreten Einzelfall ist allerdings bei der gebotenen Abwägung auch die in der sitzungspolizeilichen Verfügung nach § 176 GVG begründete Verpflichtung zur Anonymisierung der die Angeklagten zeigenden Fotoaufnahmen zu berücksichtigen. Der Nichtbeachtung dieses Gebots kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im fraglichen Punkt steht die sitzungspolizeiliche Verfügung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung des § 176 GVG betroffenen Grundrechtspositionen der erfolgten Bildberichterstattung nicht entgegen.
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aa) Aus dem begrenzten Zweck der Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG erwächst dem Vorsitzenden nicht die Befugnis, die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten abweichend von den Vorschriften der §§ 22, 23 KUG und der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Recht der Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht andererseits (abgestuftes Schutzkonzept) zu regeln. Die Sitzungspolizei im Sinne von § 176 GVG umfasst alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um - letztlich im Interesse der Wahrheitsfindung - den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern. Dazu gehören der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung samt allen darauf gerichteten Beiträgen und Interaktionen der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - StB 3/98, BGHSt 44, 23 f.; BVerfGE 50, 234, 241 f.; 91, 125, 137; 119, 309, 321 f.; Beater, aaO, Rn. 1313; Kissel/Mayer, aaO, § 176 Rn. 1; KK/Diemer, aaO, § 176 GVG Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 176 GVG Rn. 4, 15; Wickern in Löwe/Rosenberg, aaO, § 176 GVG Rn. 1, 10). Das Persönlichkeitsrecht ist danach im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist. Die sitzungspolizeilichen Maßnahmen müssen vielmehr ihrerseits dem zu §§ 22, 23 KUG entwickelten abgestuften Schutzkonzept Rechnung tragen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 169 GVG Rn. 10, § 176 GVG Rn. 15). Soweit trotz eines gerichtlichen Verbots Aufnahmen hergestellt oder eine angeordnete Anonymisierung nicht beachtet werden, kann den Betroffenen derselbe Schutz gegen die Anfertigung und gegebenenfalls Veröffentlichung der Bilder zustehen, der sich aus den auch außerhalb des Gerichtssaals geltenden allgemeinen Grundsätzen ergibt (vgl. Soehring, aaO, § 6 Rn. 13).
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bb) In der Verpflichtung zur Anonymisierung liegt eine gewichtige Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt (vgl. BVerfGE 119, 309, 326; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 12; 2009, 2117 Rn. 19). Eine solche lässt sich den sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht entnehmen, insbesondere nicht, dass das Anonymisierungsgebot zum vorsorglichen Schutz der Angeklagten erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 310, 311). Nach Ziff. IV Nr. 3 Buchst. e der sitzungspolizeilichen Verfügung vom 24. Mai 2006 und der ergänzenden Anordnung vom 8. Juli 2008 beruhten diese offenbar ohne Prüfung anhand des Schutzkonzepts der §§ 22, 23 KUG auf der Annahme, dass auch noch zum Zeitpunkt vor der Urteilsverkündung eine nicht anonymisierte Bildberichterstattung über die Angeklagten nur mit deren Einwilligung zulässig sei. Dies reichte jedenfalls hinsichtlich einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung nach den oben erfolgten Ausführungen nicht aus, um entgegen der gesetzlichen Wertung der §§ 22, 23 KUG die Veröffentlichung eines den Kläger identifizierenden Bildes zu untersagen.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Anonymisierungsgebot zu diesem Zeitpunkt noch zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich war. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung und auch einer möglichen Veröffentlichung des Fotos war die Hauptverhandlung bereits beendet. Die streitgegenständliche Bildberichterstattung konnte mithin keinen Einfluss mehr auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die identifizierende Bildberichterstattung die Ausübung der Verfahrensrechte oder die Rechtsfindung im Revisionsrechtszug oder im weite- ren Verfahren nach einer denkbaren Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht beeinträchtigen würde, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
30
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Vertrauen des Klägers in die Beachtung der erlassenen sitzungspolizeilichen Verfügungen bei der Abwägung keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen.
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Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch die Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind, unter denen die Aufnahme entstanden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO, Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO, Rn. 35). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn der Betroffene die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht abgebildet zu werden (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 24 und - VI ZR 67/08, aaO, Rn. 24; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, aaO; BVerfGE 120, 180, 207). Mithin erhöht die Erwartung des Klägers, wegen der sitzungspolizeilichen Verfügung nicht identifizierbar abgebildet zu werden, das Gewicht seiner Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Dem Umstand, dass er nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt aber nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach den oben erfolgten Ausführungen ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren.
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Nach alledem sind keine überwiegenden rechtlichen Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung des ihn identifizierenden Fotos im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung entgegengestanden hätten.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.02.2009 - 27 O 982/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.04.2010 - 9 U 45/09 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.