Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 03. Dez. 2018 - 4 B 1233/18
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10.8.2018 wird verworfen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
1Der Senat ist nicht dadurch an einer Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin gehindert, dass über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Das Verfahren ist nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass der Streitgegenstand „die Insolvenzmasse betrifft“. Dies ist hier nicht der Fall. Gegenstand des Verfahrens ist eine im Wege des Sofortvollzugs durchgeführte Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Schließung und Versiegelung einer Prostitutionsstätte. Die Maßnahme knüpft an in der Person der Antragstellerin liegende Umstände an, wegen der die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Bezug auf ihre gewerbliche Betätigung als unzuverlässig angesehen hat. Die Maßnahme betrifft das berufliche Betätigungsfeld der Antragstellerin. Dieses personenbezogene Recht zur gewerblichen Betätigung gehört nicht zur Insolvenzmasse, die gemäß § 35 Abs. 1 InsO allein das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörende und das von ihm während des Insolvenzverfahrens erlangte Vermögen umfasst.
2Vgl. – für Gewerbeuntersagungen – BVerwG, Beschluss vom 18.1.2006 – 6 C 21.05 –, NVwZ 2006, 599 = juris, Rn. 9, und Urteil vom 15.4.2015 – 8 C 6.14 –, BVerwGE 152, 39 = juris, Rn. 12.
3Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzinteresse.
4Das Rechtsschutzinteresse ist zu verneinen, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zu einer Verbesserung der Rechtsstellung des Antragstellers führen kann.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.6.2016 – 4 B 1437/15 –, GewArch 2016, 434 = juris, Rn. 3 f., m. w. N.
6Das ist hier der Fall. Mit Schreiben vom 26.10.2018 an die Antragsgegnerin hat der Insolvenzverwalter das Gewerbe der Antragstellerin abgemeldet. Er hat mitgeteilt, nach seinen Ermittlungen habe die Antragstellerin ihren Geschäftsbetrieb spätestens zum 19.10.2018 endgültig eingestellt. Die Antragstellerin hat trotz gerichtlicher Aufforderung nicht mitgeteilt, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis an dem begehrten Eilrechtsschutz gleichwohl fortbestehen soll. Der Senat geht deshalb mangels abweichender Anhaltspunkte von einer Aufgabe der von den angegriffenen Maßnahmen betroffenen Betriebsstätte aus.
7Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 7.7.2016 – 4 B 172/16 –, juris, Rn. 4 f., m. w. N.
8Solche abweichenden Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Antragstellerin ursprünglich mitgeteilt hatte, sie habe mit dem Vermieter der Betriebsstätte im Anschluss an eine von diesem zwischenzeitlich ausgesprochene fristlose Kündigung mündlich vereinbart, dass im Fall einer Aufhebung der angegriffenen Maßnahmen kurzfristig eine Neuvermietung des Objekts an sie erfolgen solle. Diese Angaben sind durch jene in dem zeitlich nachfolgenden Schreiben des Insolvenzverwalters vom 26.10.2018 überholt.
9Hat aber die Antragstellerin ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, so beschwert es sie nicht, wenn sie die von der Schließung und Versiegelung betroffene Betriebsstätte gegenwärtig nicht nutzen kann.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
11Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
12Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1.12.2015 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 9 K 5401/15 (VG Köln) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3.9.2015 wird hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
1
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
2Der sinngemäß aufrechterhaltene Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage 9 K 5401/15 (VG Köln) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3.9.2015 hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 anzuordnen, ist nach § 80 Abs. 5 i. V. m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i . V. m. § 9 Abs. 2 GlüStV statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es dem Antragsteller nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf Ziffer 2 der Verfügung.
3Das Rechtsschutzinteresse wäre nur dann zu verneinen, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zu einer Verbesserung der Rechtsstellung des Antragstellers führen könnte.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18.1.2000 – 5 B 1956/ 99 –, NVwZ 2001, 231 = juris, Rn. 2, und vom 20.4.2012 – 5 B 1305/11 –, DÖV 2012, 648 (Leitsatz) = juris, Rn. 12 und 15.
5Das ist hier nicht der Fall. Eine stattgebende Entscheidung kann die Rechtsposition des Antragstellers bereits im Laufe des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schon deshalb verbessern, weil hierdurch die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung des sofort vollziehbaren Werbeverbots selbst dann entfiele, wenn Streit darüber entstünde, ob im Einzelfall gegen die Auflage verstoßen worden ist. Abgesehen davon ist Ziffer 2 der streitigen Verfügung in entsprechender Anwendung von § 133 BGB dahingehend auszulegen, dass sie den Antragsteller nicht nur zur Entfernung bereits vorhandener Werbung verpflichtet, sondern auch dazu, keine Werbung für die untersagten Nullstandswetten – also Wetten, bei denen zum Zeitpunkt des Wettabschlusses ein Spielstand von 0 : 0 zwischen den Parteien angenommen und darauf gewettet wird, wie ausgehend davon das Spiel ausgeht – mehr anzubringen. Der Regelungsgehalt einer solchen Verfügung, die Einhaltung einer Norm konkret anzumahnen und die Voraussetzungen für die Vollstreckung zu schaffen, ist in der vom Verwaltungsgericht angeführten Rechtsprechung gesondert hervorgehoben.
6Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.8.2012 – 1 S 618/12 –, VBlBW 2012, 473 = juris, Rn. 46.
7Mit seinem Vorbringen, er werbe nicht für die Nullstandswette und habe dies auch nicht getan, hat der Antragsteller lediglich die Rechtswidrigkeit eines seiner Ansicht nach anlasslosen und damit nicht erforderlichen Werbeverbots geltend gemacht. Er hat aber nicht auf vorläufigen Rechtsschutz freiwillig dauerhaft verzichtet. Gerade mit Blick auf dieses Vorbringen besteht ein Rechtsschutzinteresse, weil an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Regelung, die nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, sondern derer es zur Gefahrenabwehr gegenwärtig auch nicht bedarf, kein öffentliches Interesse besteht. Ob dies der Fall ist, ist im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu beurteilen.
8Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9.6.2005 – 11 CS 05.478 –, VRS 109, 141 = juris, Rn. 29 ff., 33.
9Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
10Die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung mit dem Interesse des Antragstellers, von deren Vollzug einstweilen verschont zu bleiben, geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Denn die in Ziffern 1 bis 3 der angefochtenen Verfügungen getroffenen Regelungen erweisen sich bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig und es sind keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die gleichwohl einen Vorrang des öffentlichen Vollziehungsinteresses begründen könnten.
11Die umstrittenen Aufforderungen an den Antragsteller, es zu unterlassen, (näher beschriebene) sogenannte Nullstandswetten als Live-Wetten, also während laufender Sportereignisse, in seinem (näher bezeichneten) Betriebslokal zu bewerben, zu vermitteln oder in sonstiger Weise – z.B. durch Bereitstellen von Onlinewettautomaten mit dem vorgenannten Wettangebot – die Teilnahme an solchen Wetten zu ermöglichen (Ziffer 1), in den Betriebsräumen Wetten dieser Art in Informationsunterlagen, Wettprogrammen, Wettscheinen oder über Einrichtungen/Geräte, die der Vermittlung von oder der Teilnahme an Sportwetten dienen, anzubieten sowie innerhalb oder außerhalb der Betriebsräume vorhandene Werbung für diese Wetten zu entfernen (Ziffer 2), sind auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV i. V. m. § 20 Abs. 3 AG GlüStV 2012 NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann die örtliche Ordnungsbehörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen, um die Erfüllung der nach dem GlüStV bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Insbesondere kann sie die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die Entscheidung hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.4.2015 – 4 B 1464/14 –, GewArch 2015, 324 = juris, Rn. 4.
13Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung nicht ermessensfehlerfrei getroffen. Sie hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (vgl. § 40 VwVfG NRW).
14Die Antragsgegnerin hat darauf abgestellt, dass die vom Antragsteller angebotenen sog. Nullstandswetten als Live-Wetten nicht erlaubnisfähig seien. Die fehlende Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots allein kann die zuständige staatliche Stelle dem Antragsteller ohne Verstoß gegen Art. 56 AEUV aber nicht entgegenhalten, solange der Wettanbieter die erforderliche Erlaubnis nur theoretisch erhalten kann, weil das europarechtswidrige Sportwettmonopol in tatsächlicher Hinsicht unverändert fortbesteht.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.6.2016 – 4 B 860/15 – unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI:EU:C:2016:72, NVwZ 2016, 369 = juris, Rn. 29 f., 61 f., 64 f.; BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 10.12 –, BVerwGE 147, 47 = juris, Rn. 62.
16Eine Untersagungsverfügung betreffend die Vermittlung von Sportwetten kann bei dieser Rechtslage allenfalls noch darauf gestützt werden, dass die Vermittlungstätigkeit aus monopolunabhängigen Gründen materiell-rechtlich nicht zulässig ist.
17Aber auch auf den Aspekt der – von einem gesetzlich an sich vorgesehenen Erlaubnisverfahren unabhängigen und für private sowie staatliche Veranstalter gleichermaßen geltenden – materiellen Unzulässigkeit von Ereigniswetten nach § 21 Abs. 4 Satz 3 Hs. 2 GlüStV hat die Antragsgegnerin angesichts dessen, dass eine kohärente Verwaltungspraxis nicht erkennbar ist, nicht ermessensfehlerfrei abgestellt. Auch hierin liegt eine Beschränkung des von Art. 56 Abs. 1 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs. Eine solche ist nur zulässig, wenn sie mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, wenn sie des Weiteren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie schließlich nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Dabei ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltenden Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Diese Anforderungen gelten nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit allgemein.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.7.2014 – 8 C 36.12 –, NVwZ 2014, 1583 = juris, Rn. 21, m. w. N.
19Da der Mitgliedstaat legitime Ziele im nichtharmonisierten Glücksspielrecht kohärent und systematisch verfolgen muss, müssen verschiedene zuständige Behörden dabei die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeit koordinieren.
20Vgl. EuGH, Urteil vom 8.9.2010 – C-46/08, Carmen Media Group –, ECLI:EU:C:2010:505, NVwZ 2010, 1422 = juris, Rn. 69 f.
21Zwar verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht dazu, ein sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifendes, in seiner Gesamtheit stimmiges Schutzkonzept aufzustellen und umzusetzen.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2015 – 4 B 822/15 –, juris, Rn. 23 f., m. w. N.
23Jedoch führt es zur Inkohärenz einer begrenzenden Regelung, wenn – auch im Rahmen anderweitiger innerstaatlicher Zuständigkeiten – Umstände durch entsprechende Vorschriften herbei geführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 39.12 –, NVwZ-RR 2014, 94 (Leitsatz) = juris, Rn. 66 f.; siehe auch EuGH, Urteil vom 12.6.2014 – C-156/13, Digibet und Albers –, ECLI:EU:C:2014:1756, NVwZ 2014, 1001 = juris, Rn. 28, 33 ff.
25Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Umsetzungsdefizit bereits in der Norm angelegt ist oder zumindest gehäufte oder gar systematische Verstöße zuständigkeitsübergreifend nicht konsequent geahndet oder unterbunden werden, was auf strukturelle Vollzugsdefizite schließen lässt.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 – 8 C 13.09 –, NVwZ 2011, 549 = juris, Rn. 48.
27Die Ermessensausübung der Antragsgegnerin lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung Teil einer den oben dargestellten Kohärenzanforderungen genügenden Vollzugspraxis zur Durchsetzung des Verbots von Ereigniswetten gemäß § 21 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GlüStV, soweit torbezogene Wetten betroffen sind, ist.
28Dies wäre allerdings erforderlich gewesen, weil die tatsächliche Situation des Sportwettenmarktes in keiner Weise der Konzeption des Glücksspielstaatsvertrags eines experimentellen regulierten Angebots einer beschränkten Zahl privater konzessionierter Wettanbieter in erlaubten Wettannahmestellen entspricht, sondern sich als unregulierter Markt des freien Wettbewerbs darstellt, ohne dass ein Ende dieses Zustands absehbar wäre.
29So OVG NRW, Urteil vom 13.4.2016 – 14 A 1599/ 15 –, juris, Rn. 123.
30Im Verfahren ist unstreitig geblieben, dass Nullstandswetten bundesweit in 10-15.000 Vermittlungsstellen unbeanstandet angeboten werden. Außerdem hat die Antragsgegnerin das Vorbringen des Antragstellers in der Antragsschrift nicht entkräftet, das staatliche Lotterieunternehmen ODDSET biete unbeanstandet der untersagten Nullstandswette strukturell gleichartige torbezogene Wettformen wie die sog. Handicap-Wette an, so wie auch die von der Bundesrepublik Deutschland beherrschte Deutsche Telekom über den tipp3.de-Betreiber Deutsche Sportwetten GmbH unbeanstandet verschiedene Ereigniswetten als Live-Wetten anbiete.
31Nachvollziehbar verweist der Antragsteller in diesem Zusammenhang ferner auf die „Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens“ des bundesweit für die Erteilung von Sportwettkonzessionen zuständigen hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) vom 28.1.2016, die auf einer entsprechenden Einigung der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder beruhen. Darin wird im Abschnitt „III. Sachverhalte, die zunächst nicht aufgegriffen werden“ ausgeführt, dass wesentlich für die Abgrenzung unzulässiger Ereigniswetten von zulässigen Ergebniswetten der Ergebniszusammenhang/die Ergebnisbezogenheit sei. Der Antragsteller entnimmt dem, dass solche Wettarten, wie die „Handicap-Wette“, die Wettart „Über/Unter“ – gegen die im Übrigen offenbar auch die Antragsgegnerin nicht einschreitet – oder auch die „Nullstandswette“ einen Ergebniszusammenhang aufwiesen und daher nicht zu beanstanden seien. Die Antragsgegnerin ist dem allein damit entgegengetreten, dass sich die betroffenen Ausführungen des HMdIS nach ihrem Dafürhalten nicht auf Live-Wetten im Sinne des § 21 Abs. 4 GlüStV bezögen. Diese Betrachtungsweise erschließt sich dem Senat nicht. Denn der streitige Passus steht im engen Zusammenhang mit der Einschätzung am Ende des 3. Absatzes im Abschnitt III., dass Live-Wetten auf das Endergebnis und dessen Bestandteile möglich seien. Allerdings zeigt die in diesem Zusammenhang offenbar bestehende Unklarheit bezogen auf Wetten, deren Ergebnisbezug umstritten ist, deutlich, dass das Verhältnis von § 21 Abs. 1 zu Absatz 4 GlüStV Fragen aufwirft, die einem zuständigkeitsübergreifend konsistenten Vollzug in diesem Bereich im Wege stehen.
32Erschwerend kommt hinzu, dass es derzeit entgegen der Konzeption des GlüStV noch keine Inhalts- und Nebenbestimmungen gibt, die für die Wettveranstalter und Wettvermittler die Art und den Zuschnitt der zulässigen Sportwetten im Einzelnen verbindlich regeln, wie § 4c Abs. 2 GlüStV und § 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV dies vorsehen.
33Vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.5.2015 – 10 CS 14. 2669 –, ZfWG 2015, 407 (Leitsatz) = juris, Rn. 45 und 71; siehe auch OVG Bremen, Beschluss vom 24.6.2015 – 2 B 12/15 –, ZfWG 2015, 469 = juris, Rn. 36.
34Der Antragsteller hat des Weiteren darauf hingewiesen, dass im Bereich der Sportwettenvermittlung im Internet derzeit unabhängig vom vorgehaltenen Wettangebot keine Maßnahmen erfolgen.
35Diesbezüglich hatte sich die Antragsgegnerin zunächst dahingehend eingelassen, dass in Nordrhein-Westfalen die zuständige Bezirksregierung E. unter Verweis auf ein Vollzugskonzept der Länder für ein gemeinsames Vorgehen, welches im Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.9.2015,
3623 L 75/15, GewArch 2016, 87 = juris,
37dargestellt werde, mitgeteilt habe, sie sei gegen ihr bekannte Sportwettanbieter vorgegangen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dem im Schriftsatz vom 6.11.2015 in Bezug auf das hier in Rede stehende Wettangebot substantiiert entgegengetreten war, hat die Antragsgegnerin zu diesem Gesichtspunkt nicht mehr vorgetragen. In Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers hatte im Übrigen ausweislich eines entsprechenden Telefonvermerks im Verwaltungsvorgang die Bezirksregierung E. mitgeteilt, dass keine Maßnahmen gegen unzulässige Ereigniswetten ergriffen würden. Jedenfalls gelten die Ausführungen zum Wettprogramm in den „Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens“ des bundesweit für die Erteilung von Sportwettkonzessionen zuständigen hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) vom 28.1.2016 auch für den Internetbereich, so dass die diesbezüglich festgestellten Unklarheiten auch hier einem konsistenten Vollzug im Wege stehen.
38Auch das übrige Vorbringen der Antragsgegnerin zur Verneinung eines Vollzugsdefizits greift nicht durch. Die Antragsgegnerin verweist insoweit auf im Einzelnen angegebene gerichtliche Entscheidungen, die Untersagungsverfügungen verschiedener Behörden einzelner Bundesländer zum Gegenstand haben. Dem lässt sich indes nicht entnehmen, dass bezogen auf Wetten, deren Ergebnisbezug wie bei der streitgegenständlichen Nullstandswette vertretbar angenommen werden kann, von einem kohärenten und systematischen Eingreifen ausgegangen werden kann. Im Gegenteil, ihre Gesamtschau belegt die bestehenden erheblichen Unsicherheiten bei der Ein-ordnung bestimmter Sportwettformen als unzulässige Ereigniswetten. Jedenfalls räumen einzelne belegte Vollzugsbemühungen schon quantitativ nicht das jedenfalls im Grundsatz unbestrittene Vorbringen des Antragstellers zur praktisch flächendeckenden Verfügbarkeit der hier in Rede stehenden Wettform aus.
39Im Übrigen sind Nachforschungen der Antragsgegnerin bei diversen Kommunen auf Vorhalt des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin die einzige Kommune in Nordrhein-Westfalen sei, die gegen unzulässige Ereigniswetten vorgehe, ausweislich des Verwaltungsvorgangs ohne zugunsten der Antragsgegnerin verwertbares Ergebnis geblieben.
40Nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 der Untersagungsverfügung war auch hinsichtlich der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil es insoweit entgegen § 55 Abs. 1 VwVG NRW an einer vollziehbaren Grundverfügung fehlt.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
42Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
43Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m.§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.