Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Juni 2015 - 1 A 10775/14

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2015:0618.1A10775.14.0A
bei uns veröffentlicht am18.06.2015

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorgenannten Entscheidung zur Klarstellung im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst wird:

Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2011 wird die Beklagte verpflichtet, gegen das Gebäude J…-Straße .. in …. K… bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit die oberirdisch gelegene Wand des rückwärtigen Erweiterungsbaus zum Grundstück der Klägerin einen Grenzabstand von drei Metern unterschreitet.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) dürfen die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Teil eines Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem sie zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine rückwärtige Wand des Wohngebäudes der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin verpflichtet worden ist. Die Klägerin begehrt ihrerseits eine weitergehende Teilbeseitigung des vorgenannten Gebäudes.

2

Sie ist Eigentümerin des 476 m² großen und mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebauten Grundstücks J...-Straße .. in K… (Gemarkung K…, Flur .., Parzelle Nr. …/..). Unmittelbar östlich davon befindet sich das Anwesen J...-Straße .. (Parzelle Nr. …./..), das ursprünglich ebenfalls mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war. Die Zugänge zu den jeweiligen Hauseingängen liegen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Abstände zu den Gebäuden betragen jeweils weniger als 2,50 m. Die Parzelle Nr. …./.. wird neben der J...-Straße im Süden durch die in Nord-Süd-Richtung − und damit parallel zur Grenze des Flurstücks Nr. …/.. − verlaufende Bismarckstraße im Osten erschlossen.

3

Erstmalig vermessen wurden die Parzellen der Klägerin und der Beigeladenen zwischen 1808 und 1839 (sog. Uraufnahme). Nachfolgende Liegenschaftsvermessungen (Neu- oder Fortführungsvermessungen) erfolgten auf der Grundlage der Geo-Dokumente der Uraufnahme. Infolge von Kriegseinwirkungen durch Luftangriffe auf die Katastergebäude in K…. während des Zweiten Weltkrieges wurden die Geo-Dokumente der Uraufnahme sowie weitere Vermessungsrisse aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört. Auskunft über den Grenzverlauf des Grundstücks der Beigeladenen zum Anwesen der Klägerin geben unter anderem eigene Liegenschaftsvermessungen des damaligen Stadtverwaltungsamtes Koblenz, die bei der Katasterbehörde einzureichen waren. Hierzu zählt ein Feldbuch (Vermessungsriss) von 1893 (in den Verwaltungsunterlagen teilweise auch als „Urmessung“ mit der Zeitangabe „1870/80“ bezeichnet). Die Breite der Parzelle der Beigeladenen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. …/.. (B…straße ..) ist darin mit 16,10 m angegeben. Eine Grenzmarkierung zur Parzelle Nr. …/.. an der nordwestlichen Grundstücksecke des Flurstücks der Beigeladenen weisen die zeichnerischen Darstellungen nicht auf. In einem weiteren Feldbuch des Stadtvermessungsamts vom 18. Mai 1920 ist demgegenüber an dieser Ecke ein Punkt eingetragen. Daneben findet sich der Vermerk „16,1 Mitte Pf. Gr.“. Auf der Grundlage der vorgenannten Risse wurde im Juni 1948 der Sammelriss Nr. 14 mit einer gleichlautenden Breitenangabe erstellt. Im Fortführungsriss des Katasteramtes K… Nr. 142, Bl. 255, Jahrgang 1966, wird die nördliche Grundstücksbreite der Parzelle Nr. …./.. mit 16,24 m angegeben. In dem Dokument befinden sich außerdem die Eintragungen „Ohne Abmarkungsniederschrift“ sowie „Die Messungszahlen sind für die Herstellung von Grenzen nicht bestimmt“. Ein weiterer Riss aus dem Jahre 1996 übernimmt diese Feststellungen.

4

Unter dem 16. Juni 2005 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) eine Baugenehmigung zur Sanierung und Erweiterung des auf dem Flurstück Nr. …./.. stehenden Gebäudes, das zuvor als Bürogebäude genutzt worden war. Dem Bauantrag lag eine Lageskizze zugrunde, auf der eine nördliche Grundstücksbreite von 17,05 m eingetragen wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten entstanden auf dem viergeschossig in Erscheinung tretenden Haus fünf Eigentumswohnungen. Jeweils eine Wohnung veräußerte die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) sowie an die Beigeladenen zu 3) und 4).

5

Mit Beginn der Bauphase kam es zwischen den Beteiligten zu Streitigkeiten über die Einhaltung des Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin, die unter anderem den rückwärtigen Anbau, einen in diesem Bereich angelegten Balkon (erstes Obergeschoss) und eine ebenerdige Terrasse sowie die über dem Altbestand errichteten Stockwerke zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus beanstandete die Klägerin, dass der Treppenaufgang mit Anschüttungen und die zunächst errichtete Hauseingangstreppe nicht mit den Vorgaben des § 8 Landesbauordnung – LBauO – in Einklang stünden.

6

Am 9. Januar 2006 führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Grüne eine das Wohngebäude der Beigeladenen betreffende Vermessung mit Abmarkung des nordwestlichen Grenzpunktes durch. Dabei legte er die tatsächliche Entfernung des Grenzpunktes bis zur B…straße von 16,24 m zugrunde und stellte fest, dass die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Rohbau befindliche nordwestliche Außenkante des rückwärtigen Anbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen einen Abstand von 2,88 m zur Parzelle der Klägerin aufwies.

7

In der Folgezeit entwickelte sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin bevollmächtigten Dipl.-Ing. H…, der erklärte, dass nach der Vermessung der gesetzliche Mindestabstand durch den Rohbau nicht eingehalten werde. Teile der Bauerweiterung oberhalb des unter Bestandsschutz stehenden Hausbereichs unterlägen der Abstandsflächenvorschrift. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin unter dem 16. Januar 2006 mit, dass der Architekt eine Umplanung vorgelegt habe. Unter der Bedingung, dass die gemauerte Wandscheibe von ca. 1 m Länge um das erforderliche Maß rückversetzt werde und die Fenster bzw. die Fassade in einem Abstand von mindestens 3 m angeordnet würden, sei die Beklagte bereit, den Standort des sog. Eckpfeilers an der nordwestlichen Gebäudekante mit einer Breite von ca. 30 cm sowie die Deckenkanten über dem Estrich und ersten Obergeschoss mit einer Breite von jeweils ca. 35 cm als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 8 Abs. 5 Landesbauordnung – LBauO – einzustufen. Daraufhin ließ sich Dipl.-Ing. H… für die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. Januar und 20. Januar 2006 hierzu ein. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erwiderte die Beklagte, dass der Bauherr den Rückbau der Fassade des Anbaus auf ein Maß von 3 m zur Grundstücksgrenze bis auf den Außenpfeiler und die Deckenplatten einschließlich deren bautechnischen Verkleidungen, die als untergeordnete Bestandteile einzustufen seien, zu veranlassen habe. Nach weiterem Schriftverkehr teilte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin unter dem 7. März 2006 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. Januar 2006 mit, dass dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde zur Ausbildung von Wandscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände unter folgender Bedingung zugestimmt werde: Das von der Behörde in Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze sei zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2006, dass sie das Schreiben vom 7. März 2006 nicht mehr als Widerspruchschreiben zu der getroffenen Abstandsflächenregelung im Bereich des An-/Neubaus auffasse. Ergänzend werde festgehalten, dass der Rückbau der ca. 1 m breiten Mauerwerksscheibe im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das Abstandsflächenmaß von 3 m einschließlich Wandverkleidung/Wärmedämmung einhalten müsse. Der Bauherr habe hierüber der Behörde das entsprechende Messprotokoll eines Vermessungsingenieurs vorzulegen.

8

Nachdem die Beklagte am 19. Juni 2006 die Fertigstellung des Rohbaus festgestellt hatte, erteilte sie der Beigeladenen zu 1) unter dem 18. Juli 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach entsprechend den vorgelegten neuen Planzeichnungen die ursprünglich erteilte Genehmigung wie folgt geändert wurde: „Verschiebung der Erkeraußenwand an der nördlichen Giebelfassade, Errichtung von zwei zusätzlichen Fensteröffnungen im Erdgeschoss an der nördlichen Giebelfassade sowie Errichtung eines Balkonsaustritts an der westlichen, zum Gebäude der Klägerin gelegenen Fassade im ersten Obergeschoss als untergeordnetes Bauteil“.

9

Danach kam es zu einem weiteren umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 führte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) sei von dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde vom 16. Januar 2006 abgewichen. So sei die Breite des Pfeilers an der Nordwestseite des Anbaus nicht wie vereinbart 30 cm x 30 cm, sondern 40 cm x 40 cm. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass ursprünglich nur die Nettobreite oder das Rohbaumaß gemeint gewesen und hierauf auch schriftlich hingewiesen worden sei, werde angekündigt, dass die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes bis zum Vorliegen einer Endvermessung zurückgestellt und die Regelung des Netto- anstelle des Bruttoabstands gerichtlich überprüft werde, falls bei der Endvermessung eine Grenzabstandsunterschreitung festzustellen sei. Mit E-Mail vom 15. Januar 2007 führte die Dipl.-Ing. H... aus, aufgrund der Fehlplanung des Architekten des Bauherrn unterschreite die tragende äußere Wandscheibe am Nordwestbereich des Anbaus vom Fundament kommend unter dem Erdgeschoss den zulässigen Grundstücksabstand von 3 m. In den bisherigen Verhandlungen sei vereinbart worden, diese Unterschreitung dann zu belassen, wenn im Sinne einer häufig kommentierten Regelung zu § 8 LBauO eine „schräge Einschüttung“ vorgenommen oder ein „Steingärtchen auf ganzer Länge“ angelegt werde. Dieser Sachverhalt sollte, weil direkt mit dem Genehmigungsverfahren im Zusammenhang stehend, in dem überarbeiteten Unterlagen dargestellt werden. Nach einem Gespräch mit der Beklagten teilte Dipl.-Ing. H... in weiteren E-Mails unter anderem folgendes mit: Da derzeit eine kompakte Wand mit voller Grenzabstandsunterschreitung ohne Sondergenehmigung vorliege, habe dieser Bauteil keine gültige Genehmigung, und es werde Anzeige erstattet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 verlangte die Klägerin die Einmessung des fertiggestellten Gebäudes durch einen Vermessungsingenieur.

10

Die Klägerin blieb in den folgenden Monaten bei ihrer Einschätzung, dass der erforderliche Abstand zu ihrer Parzelle nicht eingehalten werde. Der Balkon an der westlichen Fassade zu ihrer Grundstücksgrenze entspreche nicht den Vorgaben des § 8 LBauO. Auch die Anlegung der Terrasse nebst Treppenaufgang sowie die neue Hauseingangstreppe seien unzulässig. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, durch die Vorlage des Protokolls über die Messung des Sachverständigen Grüne sei der Nachweis für die Einhaltung des Grenzabstandes des Balkonvorbaus erbracht. Das Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement der Beklagten ermittelte am 17. September 2007, dass der umstrittene Balkon an der westlichen Fassade 2,06 m bzw. 2,07 m und die dreistufige Treppe zur Terrasse 1,96 m bzw. 1,97 m von der Grundstücksgrenze entfernt seien. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 lehnte die Beklagte diesbezüglich ein Einschreiten ab.

11

Unter dem 26. Oktober 2007 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) auf den von deren Architekten gestellten Antrag „Nachtrag Balkon“ vom 24. Juli 2007 eine weitere Nachtragsbaugenehmigung, die den Balkon im ersten Obergeschoss an der westlichen, zum Haus der Klägerin stehenden Fassade des Erweiterungsbaus zum Gegenstand hat.

12

Nach erfolgter Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. hierzu Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008), in dem über Widersprüche der Klägerin gegen die Nachtragsbaugenehmigungen vom 18. Juli 2006 und 26. Oktober 2007 sowie gegen die Ablehnung eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Terrasse, den Balkon (West) sowie die Außentreppe entschieden worden war, erhob die Klägerin Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (1 K 903/08.KO) verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, gegen die Hauseingangstreppe einzuschreiten. Daraufhin gestaltete die Beigeladene zu 1) im Verlauf des Jahres 2009 diesen Bereich um. Dabei schüttete sie das Gelände zwischen der J...-Straße und dem bestehenden seitlichen Hauseingang (sog. Rampe) – in nördlicher Richtung ansteigend – bis zu einer Höhe von ca. 1 m (einschließlich eines Pflasterbelages) und von dort in etwa gleicher Höhe bis zur nördlichen Grundstücksgrenze weiter an. Entlang der Grundstücksgrenze wurde die Anschüttung mit ca. 0,13 m breiten L-Steinen eingefasst. Außerdem ließ die Beigeladene zu 1) vor dem Eingang zwei ca. 1,5 m lange Treppenstufen errichten.

13

Bereits zuvor, mit Schreiben vom 14. April 2008, hatte die Klägerin Widerspruch „gegen die erteilte Baugenehmigung“ für die Wohnanlage J...-Straße .. eingelegt, da das gesamte Gebäude als Neubau anzusehen sei, für den ein Bestandsschutz nicht bestehe. In diesem Verfahren führte sie unter anderem aus, dass sie den Abriss des Altbaus, der Balkone, der Hauseingangstreppe, der Terrassen, der Dachkonstruktion und die Wiederherstellung der alten Fensteröffnungen begehre. Unter dem 17. Dezember 2009 erließ der Stadtrechtsausschuss der Beklagten einen Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde. Als Antrag der Klägerin ist hierin vermerkt, dass die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2005 zur Sanierung und Erweiterung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Flurstück Nr. …./.. aufzuheben sei und der Bauherr verpflichtet werden solle, alle Fenster im Bereich des Altbestands mit einem blickdichten Glas zu versehen. Der Widerspruch wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen.

14

Unter dem 29. Oktober 2009 beantragte die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Umgestaltung des äußeren Hauseingangsbereichs, den die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2009 und − nach erneutem Antrag − mit Bescheiden vom 24. November 2009 und 25. Januar 2010 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 wies die Klägerin unter Beifügung von Lichtbildern insbesondere auf Anschüttungen im rückwärtigen Grenzbereich hin und bat diesbezüglich ebenfalls um ein bauaufsichtliches Einschreiten. Mit Bescheid vom 1. März 2010 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab.

15

Unter dem 16. April 2010 beantragte die Klägerin weiterhin, das Gesamtgebäude einschließlich des Anbaus und der Hauseingangsrampe mit Treppe und anschließender Terrasse, hilfsweise den neuerrichteten Anbau mit Rampe, Treppe und angrenzender Terrasse abzureißen und die Nutzung der Hauseingangsrampe mit Treppe und angrenzender Terrasse unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu untersagen. Am 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte den Antrag wiederum ab.

16

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück.

17

Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011“ dazu „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen das Gebäude J...-Straße .. in ….. K… bauaufsichtlich einzuschreiten“ (Satz 1 des Tenors). Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den neu angebauten Teil der baulichen Anlage begehrte, wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass dieser den notwendigen Abstand von 3 m nach § 8 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht einhalte. Die Beigeladene zu 1) habe bei der Verwirklichung des angebauten Teils entgegen des Inhalts der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich hierbei um Wandteile, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln seien (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße … nicht verwirkt.

18

Die Klägerin und die Beklagte haben die Zulassung der Berufung gegen die sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Teile des erstinstanzlichen Urteils beantragt.

19

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2013 insoweit abgetrennt, als sich die Klägerin gegen die bauliche Neugestaltung des Hauseingangsbereichs (Treppe mit Rampe bzw. Anschüttung) sowie die Anschüttungen vor dem Gebäude J...-Straße … wendet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat er „auf Antrag der Klägerin und der Beklagten“ die Berufung zugelassen, „soweit Satz 1 des Tenors des Urteils (bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Gebäudes J...-Straße 5, … K…) betroffen ist. Darüber hinaus wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieser Ausspruch „insbesondere den geltend gemachten Anspruch, auch gegen den Altbestand des Wohngebäudes einzuschreiten“, betreffe.

20

Die Beklagte macht geltend, die an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Stahlbetonstütze („Pfeiler“) habe eine statische Funktion für das Mauerwerk und stelle ebenso wie die Deckenvorsprünge ein gestalterisches Mittel dar, wie es bei ungeordneten Vorbauten nach § 8 Abs. 5 LBauO häufig der Fall sei. Hinzu komme, dass die Vorsprünge nicht dazu dienen, eine nennenswerte Steigerung der Wohnfläche zu begründen. Die Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks würden in keiner Weise gemindert. Die Vorsprünge seien minimal und nähmen eine geringe Fläche ein. Eine Vergleichbarkeit mit Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Erkern, Balkonen könne nach allem ohne weiteres angenommen werden. Ungeachtet dessen sei ein Anspruch der Klägerin jedenfalls verwirkt. Aufgrund des Schriftwechsels mit dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H..., habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der genehmigten Ausführung des Anbaus nach dem Rückbau der Wandscheibe einverstanden gewesen sei. Hierauf habe sich die Beigeladene zu 1) eingerichtet und entsprechende Investitionen getätigt. Insbesondere sei das von Dipl.-Ing. H... unter dem 7. März 2006 verfasste Schreiben als Zustimmung anzusehen. Weiterhin habe die Klägerin mehrere zivil- und verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen einzelne Bauteile betrieben, nicht aber gegen den rückwärtigen Anbau als solchen. Deshalb sei es treuwidrig, wenn zunächst gegen die Auskragung eines Balkons vorgegangen werde, der an einer Wand hänge, deren Beseitigung man anschließend fordere.

21

Die Beigeladene zu 2) schließt sich mit eigenen Darlegungen den Ausführungen der Beklagten an.

22

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

23

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

25

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 sowie unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 3. November 2009, 24. November 200, 25. Januar 2010, 1. März 2010 und 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, gegen das Gebäude auf dem Grundstück Gemarkung K…., Flur .., Flurstück ……, J...-Straße … (Altbau und Anbau) bauaufsichtlich einzuschreiten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

26

Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) entgegen und trägt zur Begründung ihres weitergehenden Begehrens vor, dass das benachbarte Gebäude eine erdrückende Wirkung auf ihr eigenes Grundstück habe. Der Erweiterungsbau verstoße unabhängig davon, dass die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung durch den nachbarschützenden Charakter der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen geschützt seien, in hohem Maße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und diene nicht der Erhaltung des Wohnfriedens. Durch die massive Aufstockung würden neue, nicht hinzunehmende Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück eröffnet. Dies gelte umso mehr, als der rückwärtige Erweiterungsbau ihrem Gartenbereich zugewandt sei. Darüber hinaus führe auch die Aufstockung um zwei weitere Geschosse auf dem ehemaligen Altbestand zu einer gravierenden Beeinträchtigung. Maßgebend für die Ermittlung des Grenzabstandes seien nicht die sich aus der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Sachverständigen G… ergebenden Werte. Insbesondere sei das dort angegebene Abstandsflächenmaß von 2,88 m an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen unrichtig. Tatsächlich betrage der Abstand des von der Beklagten als „Eckpfeiler“ bezeichneten Gebäudeteils des Erweiterungsbaus lediglich 2,67 m. Zu beanstanden sei vor allem, dass die Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage einer Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m vorgenommen worden sei. Richtigerweise habe man nur eine Breite von 16,10 m ansetzen dürfen, die den Eintragungen in allen vorhandenen Vermessungsrissen bis 1948 entsprochen habe.

27

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag und haben sich zum Verfahren nicht geäußert.

28

Im Verlaufe des Rechtsstreits wurden entlang der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und der Beigeladenen mehrere für die Ermittlung des Abstands relevante Messungen durchgeführt: Nach der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs H. Grüne vom 9. Januar 2006 erstellte der Dipl.-Ing. C… E… am 6. November 2009 im Auftrag der Klägerin zur „Beweissicherung“ ein Gutachten, wonach der Abstand der Außenkante der L-Steine bis zum verputzen Pfosten ca. 2,68 m betragen soll. Weitere Aufmaße nahmen die Baukontrolleure L…. und F… der Beklagten am 17. April und 18. Oktober 2012 vor. Die Klägerin reichte außerdem Vermessungen des in ihrem Auftrag tätig gewordenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs T…S…vom 22. Mai 2013 (Bericht vom 12. Juni 2013) und vom 19. September 2013 (Bericht vom 20. September 2013) zu den Gerichtsakten. Darüber hinaus liegt dem Senat das aufgrund eines am 23. November 2012 verkündeten Beweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz erstellte Gutachten des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs W. S… vom 11. September 2013 über eine sieben Tage zuvor durchgeführte Vermessung vor, die unter anderem zum Ziel hatte, den Verlauf der Grenze im Bereich der L-Steine zu ermitteln.

29

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (21 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten) und den beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz (1 K 903/08.KO) sowie des Landgerichts Koblenz (16 O 276/10 = 1 U 755/11 des Oberlandesgerichts Koblenz), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufungen der Beklagten (I.) und der Klägerin (II.) gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg und waren daher mit den sich hieraus ergebenden Nebenentscheidungen (III.) zurückzuweisen.

31

I.

32

Die zulässige Berufung der Beklagten, die der Senat zum Anlass genommen hat, den Tenor im Hauptausspruch aus Gründen der Klarstellung wie geschehen neu zu fassen, ist unbegründet.

33

Vorweg ist festzuhalten, dass der von der Beklagten angefochtene und sie auch nur beschwerende Teil des erstinstanzlichen Urteils sich lediglich auf den Ausspruch eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den „Eckpfeiler“ an der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens der Beigeladenen und die drei Deckenkanten des rückwärtigen Erweiterungsbaues (Sockelkante Kellergeschoss, soweit oberirdisch, sowie Deckenkanten des darüber liegenden Erd- und des ersten Obergeschosses) bezieht. Die Verpflichtung zu einem Einschreiten gegen den Altbestand oder das zweite und dritte Obergeschoss (Altbau und rückwärtige Erweiterung) war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung.

34

Soweit die Klägerin auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen verweist, worin von dem „Gebäude auf dem Grundstück J...-Straße …“ (Urteil S. 16, Abs. 3), dem „neu angebauten Teil dieser baulichen Anlage“ (Urteil S. 16 Abs. 3, Zeile 4), der „Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses“ (Urteil S. 18, Abs. 2, Zeile 10), der „baulichen Erweiterung“ bzw. der „baulichen Erweiterung des Gebäudes J...-Straße ..“ (Urteil S. 19, Abs. 2) die Rede ist sowie anführt, dass „der neu angebaute Teil dieser baulichen Anlage“ den notwendigen Abstand nicht einhalte (Urteil, S. 16, Abs. 3), überzeugt ihre Argumentation nicht. Diese Aussagen stehen nämlich im Kontext zu weiteren Feststellungen, die den Umfang der auferlegten Verpflichtung zum Einschreiten in dem vorgenannten Umfang inhaltlich beschränken: So führt die Vorinstanz im Einzelnen aus, dass die Bauherrn bei Verwirklichung des angebauten Teils keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet habe (Urteil S. 16, Abs. 3) und es sich„hierbei“, also mit Bezug auf den Pfeiler bzw. den angebauten Teil, um Wandteile handele, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln sei (Urteil S. 16, Abs. 3). Sodann wird auf den „nordwestlichen“ Teil der Erweiterung des Hauses J...-Straße … mit der sich dahinter befindenden Wandscheibe und auf „diesen Teil“ der Außenwand (Urteil S. 17, Abs. 1) hingewiesen, der „vom (angeschütteten) Boden bis zum Abschluss des ersten Obergeschosses“ verlaufe. Ferner spricht die Kammer die Überzeugung aus, „dass der Abstand von diesen beiden Wandteilen“ des in Frage stehenden Gebäudes und des benachbarten Grundstücks der Klägerin weniger als 3 m betrage (Urteil S. 17, Abs. 2) und nimmt auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. G… (Urteil S. 17, Abs. 2) sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 (Urteil S. 16, Abs. 3 und S. 17 Abs. 2) Bezug. Aus der Zeichnung zum vorgenannten Nachtrag folgt indes, dass der sog. Pfeiler und darüber hinaus der Sockelbereich des Kellers den Mindestabstand von 3 m nicht einhalten. Aus allem folgt, dass auch nur diese Teile einschließlich der darüber liegenden Deckenkanten von Satz 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung erfasst sein können (so auch das Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. Juli 2013). Dass sich das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen nicht zu dem mit der Klage geltend gemachten weitergehenden Begehren der Klägerin – mit Ausnahme des hier nicht streitgegenständlichen Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Hauseingangstreppenanlage und die rückwärtigen Anschüttungen (vgl. hierzu 1 A 10776/14.OVG) − verhält, ist demgegenüber unerheblich.

35

Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat in dem vorbeschriebenen Umfang einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten und ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 in eigenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

36

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 −, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 −; juris).

37

Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen.

38

Anders als die Beklagte und die Beigeladene zu 2) meinen, verstoßen die vorgenannten baulichen Anlagen (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 LBauO) gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Als Abstandsfläche auslösende Außenwand ist die gesamte zu einer Grundstücksgrenze hin ausgerichtete, das Gebäude abschließende Wand zu verstehen, auch wenn sie gegliedert ist. Außenwände sind demnach die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen Außenluft abschließen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris). Abs. 6 Satz 3 der genannten Norm bestimmt, dass die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Für vor- und zurücktretende Wandteile wird die Abstandsfläche gesondert ermittelt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Damit wird eine Regelung für den Fall getroffen, dass sich die Außenwand zur Nachbargrenze hin als gegliederte Fläche darstellt. Ist die Außenwand horizontal gestaffelt oder vertikal durch stufenweise zurückbleibende Obergeschosse gegliedert, ergeben sich somit Abschnitte der Außenwand (im Gesetz als Wandteile bezeichnet), für die das Gesetz jeweils eine gesonderte Abstandsfläche vorsieht.

39

Von den Wandteilen im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO zu unterscheiden sind die vor die Wand vortretenden Gebäudeteile wie Pfeiler, Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie untergeordnete Vorbauten wie Erker und Balkone. Diese Gebäudeteile sind gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze 2 m entfernt bleiben. Wie sich aus der Wortfolge „vor die Wand vortretende“ bzw. aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorbauten“ ergibt, werden die hier privilegierten Gebäudeteile mit Blick auf die jeweilige Wand bzw. den jeweiligen Wandteil definiert: Die Bezugsfläche für das Vortreten des Gebäudeteils (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO) ist mithin eine vorhandene Wand oder ein vorhandener Wandteil, die ihrerseits den erforderlichen Abstand einhalten müssen. Gleiches gilt für einen Vorbau im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO. Erforderlich ist in beiden Fällen ferner, dass die Gebäudeteile nach Art und Umfang nicht nennenswert ins Gewicht fallen oder in Erscheinung treten (BayVGH, Urteil vom 13. April 2005 – 1 B 04.636 –; HessVGH, Beschluss vom 12. Oktober 1995 –4 TG 2941/95 –, jeweils juris). Der Charakter der unter § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO beispielhaft genannten Gebäudeteile und das in § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO aufgeführte Tatbestandsmerkmal „untergeordnet“ lassen erkennen, dass das Gesetz die genannten baulichen Anlagen privilegiert, weil sie die durch die Abstandsflächenregelung unter anderem geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung typischerweise nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigen.

40

Unter welchen Voraussetzungen ein Fall des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO gegeben ist, kann nicht abstrakt festgelegt, sondern muss anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des optischen Eindrucks entschieden werden.

41

Ausgehend von diesen Kriterien geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die nordwestliche Eckkante des rückwärtigen Anbaus auf der Parzelle der Beigeladenen und die drei Deckenkanten keine vortretenden Gebäudeteile oder untergeordnete Vorbauten im Sinne der vorerwähnten Bestimmung, sondern vielmehr die rückwärtige Außenwand des Gebäudes darstellen. Wie insbesondere die in der mündlichen Verhandlung des Senats zu den Gerichtsakten überreichten Lichtbildaufnahmen vom Rohbau anschaulich belegen, beruhen diese baulichen Anlagen auf einer einheitlichen Konstruktion, die das Gebäude vom Kellergeschoss aufwärts bis zum ersten Obergeschoss – also über zumindest zwei Stockwerke hinweg – in gleicher Tiefe sowie über eine Länge von ca. 5,21 m durchgehend umschließen und – zusammen mit den Fenstern − das Eindringen von Außenluft verhindern. Schon von ihrer Dimensionierung und Funktion sind diese Anlagen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht vergleichbar mit einzelnen Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erkern oder Balkonen. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf den über die Geländeoberfläche herausragenden Sockel des Kellergeschosses, hinter dem kein weiteres Mauerwerk zurücktritt. Dieser erscheint nämlich als natürlicher Abschluss der darunter liegenden Kelleraußenwand. Gleichfalls ist auch die nordwestliche Eckstütze Teil der Wand, weil sie den Anbau nach dem insoweit maßgeblichen optischen Eindruck an der westlichen Gebäudefront ebenso wie auf seiner Nordseite begrenzt. Mit ihrem Einwand, die Stahlbetonstütze habe eine statische Funktion, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Gerade dann, wenn bauliche Anlagen aus Gründen der Statik unerlässlich sind und das Gebäude als solches tragen, ist dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass derartige Anlagen nicht mehr als untergeordnet in Erscheinung treten.

42

Können sich somit die Beklagte und die Beigeladenen auf die Privilegierung des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO nicht mit Erfolg berufen, so bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Abstand von der so definierten rückwärtigen Außenwand des Anbaus zum benachbarten Grundstück der Klägerin weniger als 3 m beträgt und den gesetzlich notwendigen Mindestabstand unterschreitet. Diese Bewertung folgt nicht nur aus der angesprochenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G…, sondern auch aus den Feststellungen der Beklagten selbst sowie den Angaben in der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007, wonach diese Teile des Gebäudeanbaus den gebotenen Mindestabstand nicht einhalten.

43

Die Ermittlung des Abstands beruht dabei auf einer nördlichen Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m. Diese Feststellung ist für den Umfang des bauaufsichtlichen Einschreitens hier maßgebend. Denn für die Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück sind die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, entscheidend, wie sie sich aus dem Katasterwerk ergeben. Hinsichtlich der Richtigkeit des Grenzverlaufs können sich Behörden und Gerichte grundsätzlich auf die amtlichen Vermessungsunterlagen verlassen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Bd. 1, 2008, Art. 6 Nr. 69). Dies gilt umso mehr, wenn eine bestandskräftig festgestellte Abmarkung vorliegt, solange diese wirksam ist. So verhält es sich hier mit Bezug auf die an der nordwestlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Beigeladenen angebrachte Grenzmarkierung, die im Januar 2006 von dem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Grüne abgemarkt wurde, ohne dass die Klägerin hiergegen rechtzeitig Widerspruch erhoben hätte.

44

Mit ihren nunmehr erhobenen Einwendungen stellt die Klägerin in der Sache allenfalls den Grenzverlauf, nicht aber die Grenzabmarkung substantiiert in Frage. Die Grenzabmarkung selbst bezweckt nur, die katastermäßigen Aufzeichnungen über den Verlauf der Grenze in die Örtlichkeit zu übertragen; sie besagt nicht, dass die katastermäßige Aufzeichnungen mit der wirklichen „Eigentumsgrenze“ eines Grundstücks übereinstimmen. Die Klägerin mag etwaige Rechte an einem Teil der Nachbarparzelle in einem zivilgerichtlichen Verfahren oder mit einem Wiederaufgreifensantrag bei der Katasterverwaltung geltend machen und im Fall ihres Obsiegens eine entsprechende Abänderung des Liegenschaftskatasters erreichen können. Bis zu einer Klärung sind indessen die von ihr geltend gemachten Zweifel an der Übereinstimmung des katastermäßig ausgewiesenen Grenzverlaufs mit der tatsächlichen Grenze, die sich aus der Lage des abgemarkten Grenzpunkts ergibt, unbeachtlich (vgl. zum Ganzen auch Thür.OVG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 1 EO 423/95 –, juris).

45

Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die fehlende Übereinstimmung der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Grenze mit den Eigentumsgrenzen offenkundig ist oder die Eintragungen im Liegenschaftskataster selbst offenkundig unklar oder widersprüchlich sind, mag dahin stehen. Ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Die Lage des sog. Grenzpunktes „A“ (vgl. die Terminologie im Gutachten des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. Schmidt vom 11. September 2013) an der nordwestlichen Grundstücksgrenze steht eindeutig fest. Es existieren derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verrückung. Zu welchem Zeitpunkt die Markierung angebracht worden ist, lässt sich zudem nicht mehr aufklären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die Längenangabe „16,10 m“, die auf Unterlagen des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, ihrerseits fehlerhaft sein könnte.

46

Im Hinblick auf den von der Klägerin am 17. Juni 2015 bei den Katasterbehörden gestellten Wiederaufgreifensantrag weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Beklagte von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung und deren Vollstreckung absehen kann, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist. Denn es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Vollstreckung betreiben würde und zugleich ein Verfahren mit dem Ziel verfolgt, hinsichtlich der gleichen Gebäudeteile zu einem noch nicht feststehenden späteren Zeitpunkt einen unter Umständen weitergehenden Rückbau durchzusetzen.

47

Darüber hinaus hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße .. auch nicht verwirkt. Denn die Beigeladene zu 1) durfte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Einwände mehr erheben würde. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

48

„Hiervon ausgehend hat die Klägerin keine Vertrauensgrundlage geschaffen, auf die sich die Beigeladenen berufen können, auch wenn das Gebäude J...-Straße .. der Klägerin seinerseits den gesetzlich gebotenen Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen unterschreitet. Die Kammer hat keinen Hinweis darauf, dass dieses Haus, bei dem es sich um einen Altbau handelt, unter Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist bzw. nach Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung in seinem Bestand verändert wurde. Ferner hat die Klägerin schon während der Bauphase von der Beklagten die Sicherstellung des gesetzlichen Mindestabstands bzgl. der Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses gefordert. Überdies gibt der Schriftwechsel, der zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H... und der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 geführt worden ist, nicht zu erkennen, dass über die Gestaltung der zum Grundstück der Klägerin hin gelegenen Außenfassade des Anbaus eine abschließende Einigung erzielt worden ist. Die Klägerin oder ein von ihr ausdrücklich hierzu Bevollmächtigter haben zudem entsprechende Planzeichnungen nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich ein Einschreiten gegen die Hauseingangstreppe, die Terrasse und einen Balkon gerichtlich verfolgte (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, 1 K 903/08.KO), schafft ebenfalls keine Vertrauensgrundlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Vorgehensweise der Klägerin, die anwaltlich in dem ersten Gerichtsverfahren vertreten wurde, die Gefahr in sich birgt, dass gegen ein einheitliches Bauvorhaben gleichzeitig oder innerhalb von kurzen zeitlichen Abständen mehrere bauaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden, was wiederum zu einer Vergrößerung des durch die Rechtsverletzung einhergehenden Schadens beim Grundstücksnachbarn führen kann. Indes besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von Seiten der Klägerin bezogen auf die bauliche Erweiterung stets die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift verlangt worden ist und während des oben erwähnten Rechtsstreits gegenüber der Beklagten die Forderung erhoben wurde, durch eine Einmessung des Gebäudes J...-Straße nachzuweisen, dass die erforderlichen Abstände auch tatsächlich eingehalten worden sind. Ein Bauherr kann aber nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Abschluss eines Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, bei dem lediglich ein gesondert genehmigter Teil der baulichen Anlage auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift überprüft worden ist, die übrige bauliche Anlage, wie sie errichtet worden ist, hingenommen wird, wenn der Nachbar – wie hier – gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass er mit der baulichen Anlage insgesamt aus anderen Gründen nicht einverstanden ist“

49

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese zutreffenden Ausführungen Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass die Tochter der Klägerin bereits mit Schreiben vom 3. Januar 2006, also wenige Wochen nach der auf den 21. November 2005 datierten Baubeginnanzeige, die Beklagte darüber informiert hat, „dass der Erweiterungsbau zum Haus J...-Straße 5 in den genehmigten Planunterlagen dargestellten Grenzabstände von 3,0 m vom Bauwerk zum Grundstück J...-Straße ..“ unterschreite.

50

Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlas zu einer anderen Beurteilung. Namentlich kann aus dem Schreiben des Dipl.-Ing. H... vom 7. März 2006 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin bei einer Versetzung der Wandscheiben mit der nachträglich genehmigten Ausführung des Anbaus einverstanden gewesen war. Darin heißt es vielmehr hinsichtlich der aufgehenden „Mauer unter dem Erdgeschoss, dass diese oberhalb der in den Genehmigungsunterlagen eingetretenen Erdoberfläche die nach LBauO zugelassenen Abstände unterschreite“. Sodann wird der Beklagten mitgeteilt:

51

„Dem Vorschlag der Behörde zur Ausbildung der Wandscheiben im Erdgeschoss und ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände wird unter folgender Bedingung zugestimmt: Das von der Behörde in den Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3,00 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze ist zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern“.

52

Eine Einwilligung und damit die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes liegen damit allenfalls hinsichtlich der Wandscheiben, nicht aber im Übrigen vor.

53

II.

54

Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil war ebenfalls zurückzuweisen.

55

Soweit sie mit Bezug auf den vorderen Gebäudeteil und bei sachgerechter Auslegung ihres Berufungsantrages den teilweisen Rückbau der über dem Altbestand liegenden Stockwerke auf dem Anwesen der Beigeladenen verlangt, steht dem Begehren der Einwand der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO) entgegen. Denn mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (1 A 11137/12.OVG) hat der Senat die Berufung nur insoweit zugelassen, als zwischen den Beteiligten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den „Neubau des Gebäudes“ im Streit steht. Gemeint ist damit, wie dem Verweis auf „Satz 1 des Tenors“ des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, ausschließlich der dem Garten der Klägerin zugewandte Anbau. Auf die oberen Geschosse, soweit sie über dem Altbestand liegen, erstreckte sich die Berufungszulassung demgegenüber nicht.

56

Ein hier allein in Betracht zu ziehendes Begehren der Klägerin zu einem weitergehenden bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Mauerwerk oberhalb der Deckenkante des zweiten Geschosses (erstes Obergeschoss) des Erweiterungsteils scheidet mangels Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung aus.

57

Ein Verstoß gegen § 8 LBauO ist nicht ersichtlich. Die Klägerin begründet eine Verletzung im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Vermessung des von ihr beauftragten Dipl.-Ing. T… S… (vgl. die von ihm unter dem 20. September 2013 vorgelegte Abstandsflächenbetrachtung), laut der gerade auch im nordwestlichen Grenzbereich zur Parzelle Nr. …/.. eine Unterschreitung der Abstandsflächen gegeben sein soll. Diese Berechnung kann vorliegend indes nicht zugrunde gelegt werden, da der Gutachter bei seinen Feststellungen fehlerhaft eine nördliche Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,10 m in Ansatz gebracht hat, anstatt die (derzeit) aufgrund der Abmarkung der Grenzmarkierung „A“ maßgebende Breite von 16,24 m zu berücksichtigen.

58

Ferner ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 34 Abs. 2 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BaunutzungsverordnungBauNVO –) gegeben. Denn die Klägerin hat eine Veränderung der Grundstückssituation durch eine ihrer Art nach zulässiger Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, also etwa die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück, grundsätzlich hinzunehmen. Namentlich besteht kein Anspruch auf Fortbestand eines faktischen Ruhebereichs, mit dem sie die Bebauung des Nachbargrundstücks verhindern könne (vgl. auch im Einzelnen, Urteil des Senats vom 4. August 2014 – 1 A 10854/13.OVG –). Die Dimensionen des Anbaus führen weiterhin nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin im Sinne einer „erdrückenden“ Wirkung. Das ist in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des “Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 A 11803/03.OVG –; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 – 1 A 75/87 –, BRS 48, Nr. 104). Das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 ½-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 Meter entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegengesetzten Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS Bd. 38, Nr. 186). Demzufolge ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen verschlechtert hat. Das vergrößerte Gebäude hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht und führt auch nicht zu einer für die Klägerin unzumutbaren Abriegelung. Allein die Erhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens ist, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Klägerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher auch insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.

59

III.

60

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. In Rechnung gestellt wurde zunächst, dass die Beigeladene zu 2) einen eigenen Antrag gestellt hat, mit dem sie unterlegen war, sodass es angezeigt erschien, sie an den angefallenen Kosten anteilsmäßig zu beteiligen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da die Klägerin im Rahmen der hier zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung nach Auffassung des Senats lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, wurden die Kosten insgesamt der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auferlegt.

61

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

62

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

63

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

64

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat den sich aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.bverwg.de/information/streitwertkatalog) ergebenden und im erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten Wert von 7.500 Euro als Ausgangspunkt angesehen. Mit Blick auf den erfolgten Abtrennungsbeschluss wurde dieser Wert für das vorliegende Berufungsverfahren reduziert.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Juni 2015 - 1 A 10775/14

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Juni 2015 - 1 A 10775/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Juni 2015 - 1 A 10775/14 zitiert 12 §§.

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

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Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 10. Sept. 2014 - 2 B 918/14

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Tenor Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren a
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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 30. Nov. 2016 - 2 K 3932/14

bei uns veröffentlicht am 30.11.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Richtigkeit einer Grenzfeststellung und -abmarkung.2 Sie ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus beba

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2015

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juli 2014 - 1 K 229/13 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen,

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- € festgesetzt.


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Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.