Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juli 2014 - 1 K 229/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14
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(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, nimmt al s Vertragsunternehmen das beklagte Kreditkartenunternehmen aus einem Kreditkartengeschäft in Anspruch.
Am 15. Februar 1999 schloß die Beklagte mit der Kl ägerin einen Vertrag über die Akzeptanz von VISA/Electron Karten. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war vorgesehen, daß die Beklagte alle fälligen Forderungen der Klägerin gegen Karteninhaber "kauft", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Unter Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde u.a. folgendes vereinbart:
"Das Vertragsunternehmen steht ... (Beklagte) dafür ein, daß Kartenbelastungen nur für Leistungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes erfolgen und keine nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Leistungen, insbesondere keine Kreditgewährungen oder andere Geldzahlungen zugrunde liegen." Mit "Vermittlungsauftrag und Vereinbarung einer Le istungsvergütung" verpflichtete sich ein Ehepaar aus der Schweiz im Mai 1999, für die Vermittlung des Objekts "G. " an die Klägerin eine sofort fällige Leistungsvergütung in Höhe von 2.000 CHF zu zahlen. Die Zahlung erfolgte per Kreditkarte. Die Beklagte schrieb den Betrag der Klägerin abzüglich Provision und Umsatzsteuer gut, nahm später aber eine Rückbelastung der Klägerin vor.
Ende 2001 hat die Klägerin unter ihrer deutschen N iederlassung Klage auf Zahlung von 2.316,48 DM nebst Zinsen erhoben. Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin vermittelte Vertrag sei ein TimeSharing -Vertrag, dieser sei unwirksam, gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin und sei deshalb von dem Kartenakzeptanzvertrag nicht erfaßt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Nachde m im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht klargestellt worden war, daß der in der Klage angegebene Geschäftsführer der Klägerin lediglich Leiter ihrer Niederlassung in Deutschland war, und die in der Schweiz ansässige Klägerin einen Handelsregisterauszug vorgelegt hatte, daß es sich hierbei nur um ihre unselbständige deutsche Niederlassung handelt, hat die Beklagte am 7. Oktober 2003 Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil beim
Oberlandesgericht eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt. Mit Beschluß vom 17. Dezember 2003 hat sich das Landgericht auf Antrag der Beklagten für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Oberlandesgericht verwiesen. Dieses hat die Berufung der Beklagten unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
A.
I.
Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten ist statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urtei lsformel ohne Einschränkung zugelassen. Der allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Begründung, die Zulassung erfolge wegen der bislang "nicht hinreichend geklärten Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels" , läßt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht die Einschränkung entnehmen, die Revision sei nur zugunsten der Klägerin
zugelassen worden. Die Klägerin ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert. Eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung wäre außerdem unzulässig mit der Folge, daß nur die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam wäre (Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
II.
Die Berufung der Beklagten ist entgegen der Ansich t der Revisionserwiderung nicht unzulässig.
1. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgeric hts sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Legt eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich zu entscheiden ist (BGHZ 45, 380, 383; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1985 - IVb ZR 129/84, NJW 1985, 2834, vom 15. Oktober 1992 - I ZB 8/92, NJW 1993, 269, vom 20. September 1993 - II ZB 10/93, WM 1993, 2141 und vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659 f.). Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften bei verschiedenen Gerichten jedenfalls dann, wenn die Berufungen nach Verweisung - wie hier - ein und demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.
2. Das Oberlandesgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch als funktionell zuständiges Gericht über die einheitliche Berufung der Beklagten entschieden.
a) Die Zuständigkeit ergibt sich, anders als das O berlandesgericht gemeint hat, allerdings nicht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem - erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils veröffentlichten - Beschluß vom 28. Januar 2004 (VIII ZB 66/03, WM 2004, 2227) entschieden, daß bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG im Berufungsverfahren regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Sie entspricht dem aus dem Grundsatz der Rechtssic herheit abgeleiteten Postulat der Rechtsmittelklarheit. Diese gebietet, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen und ihm insbesondere die Prüfung zu ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416 f.; 108, 341, 349). Würde in der Berufungsinstanz neues Vorbringen zum vor dem Amtsgericht unstreitigen Gerichtsstand einer Partei mit Konsequenzen für die Zulässigkeit der Berufung zugelassen , würde der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert und damit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 78, 88, 99; 96, 27, 39).
Funktionell zuständig wäre danach hier nicht das O berlandesgericht , sondern das Landgericht; denn in erster Instanz vor dem Amtsgericht war unstreitig, daß es sich bei der Klägerin um eine GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland handelte.
b) Gleichwohl ist das angefochtene Urteil nicht du rch ein funktionell nicht zuständiges Gericht erlassen worden. Das Landgericht hat sich nämlich durch Beschluß vom 17. Dezember 2003 für funktionell unzuständig erklärt und die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das Oberlandesgericht verwiesen.
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist der Verweisungsb eschluß für das in ihm bezeichnete Gericht bindend. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn er auf Willkür beruht. Hierfür genügt es aber nicht, daß der Beschluß inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn dem Beschluß jede rechtliche Grundlage fehlt; dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluß bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498 und vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201 f. jeweils m.w.Nachw.).
Das ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat b ei Erlaß des Verweisungsbeschlusses nicht verkannt, daß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Fall einer fehlenden funktionellen Zuständigkeit nicht gilt (vgl. BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95,
NJW-RR 1997, 55), daß Ausnahmen von diesem Grundsatz aber für den Fall anerkannt sind, daß aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes die Berufung bei verschiedenen Gerichten eingelegt werden kann (vgl. BGHZ 72, 182, 193; 155, 46, 51; BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - IVb ARZ 24/85, NJW 1986, 2764 f. und vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95, aaO). Das Landgericht ist dann zu dem Ergebnis gelangt, daß es im Hinblick auf die aus rechtsstaatlichen Gründen gebotene Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes in einem Fall wie hier erforderlich sei, § 281 ZPO entsprechend anzuwenden. Das ist auf der Grundlage der Annahme des Landgerichts, für die Entscheidung über die Berufung des Beklagten sei das Oberlandesgericht zuständig, jedenfalls nicht willkürlich. Das Oberlandesgericht hat über die Berufung des Beklagten deshalb als zuständiges Gericht entschieden.
B.
Auch in der Sache selbst hat die Revision keinen E rfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung - soweit für die Revision noch von Interesse - im wesentlichen ausgeführt :
Ein Anspruch auf Zahlung der Kartenumsätze stehe d er Klägerin aus Nr. 2 i.V. mit Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zu. Bei diesem Vertrag
handele es sich um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB, das unter der aufschiebenden Bedingung der Einreichung vertragsgemäßer Zahlungsbelege stehe. Daß die Klägerin hier einen den Anforderungen des Vertrages entsprechenden Beleg vorgelegt habe, sei unstreitig. Dem Anspruch der Klägerin stehe Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entgegen. Durch diese Klausel solle nur verhindert werden, daß Karteninhaber sich an anderen als den vom Kartenausgeber dafür vorgesehenen Stellen unkontrolliert und kostenfrei Bargeld verschaffen könnten. Daß darüber hinaus auch der Abschluß von Verträgen über Sach- oder Dienstleistungen ausgeschlossen werden solle, folge aus dem Wortlaut der Klausel nicht unmittelbar. Es sei nicht ersichtlich, warum Reisevermittlungsumsätze akzeptiert werden sollten, Umsätze aus Verträgen über andere Leistungen aber nicht. Zweifel am Umfang des Ausschlußtatbestandes gingen nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten keinen Vorbehalt, der Time-SharingGeschäfte ausnehme.
Dem Anspruch der Klägerin stehe auch nicht entgege n, daß ihr ein wirksamer Anspruch gegen ihre Kunden möglicherweise nicht zustehe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte beruhe auf einem abstrakten Schuldversprechen. Einwendungen aus dem Vertrag zwischen dem Vertragsunternehmen und dem Kunden seien der Beklagten daher grundsätzlich versagt. Die Parteien hätten eine Leistungsfreiheit der Beklagten in den Nr. 5, 7 und 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen. Die Unwirksamkeit von Time-Sharing-Verträgen werde davon nicht erfaßt. Darüber hinaus lasse der Vortrag der Beklagten weder
erkennen, ob ein Vertrag über Teilzeitwohnrechte vorliege, noch ob seitens der Kunden ein wirksamer Widerruf erfolgt sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung sta nd.
Die Klägerin hat als Vertragsunternehmen gegen das beklagte Kreditkartenunternehmen in der geltend gemachten Höhe einen Anspruch auf Auszahlung des getätigten Kreditkartenumsatzes.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, bei dem der Kreditkartenzahlung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft handele es sich um die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrags. Ein solches Geschäft gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Reisebüros. Die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrages liegt nicht außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes eines Reisebüros. Beim Time-Sharing handelt es sich in der Regel um zeitanteilige Nutzungsrechte an Ferienimmobilien , vor allem Ferienwohnungen und Ferienhäusern (Hildenbrand/ Kappus/Mäsch, Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz S. 17, 18; Drasdo, Teilzeit-Wohnrechtegesetz Einführung Rdn. 7; MünchKommBGB /Franzen 4. Aufl. Vor § 481 Rdn. 10, 11). Daß Time-Sharing vor allem als "Tourismusprodukt" (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2001) Einl. zum TzWrG Rdn. 39) Bedeutung hat, kommt auch in § 1 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. zum Ausdruck, wenn dort die Anwendung des Gesetzes an die entgeltliche Nutzung eines Wohngebäudes zu Erholungs- oder Wohnzwecken geknüpft wird. Nicht anders als
die Vermittlung von Ferienwohnungen kann deshalb auch die Vermittlung von Time-Sharing-Verträgen zum Geschäftsbetrieb eines Reisebüros gehören. Hier weist sowohl die Handelsregistereintragung der Klägerin als auch die Gewerbeanmeldung ihrer deutschen Niederlassung als Geschäftszweck unter anderem die Vermittlung von Teilzeitwohnrechten aus. Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß die Vermittlung solcher Verträge zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehört. Ob der Beklagten dies bekannt war, ist ohne Belang.
2. Zu Unrecht ist die Revision der Auffassung, dem Anspruch der Klägerin als Vertragsunternehmen eine vermeintliche Unwirksamkeit des mit ihren Kunden geschlossenen Vermittlungsvertrages entgegenhalten zu können.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen (BGHZ 150, 286, 294; 152, 75, 80; 157, 256, 261 ff.; Senatsurteile vom 16. März 2004 - XI ZR 13/03, WM 2004, 1031, 1032 und XI ZR 169/03, WM 2004, 1130, 1131), wobei die Entstehung des Anspruchs unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber steht. An dieser Rechtsprechung, die von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ist festzuhalten. Kreditkartenunternehmen können Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Kreditkarteninhaber und dem Vertragsunternehmen diesem - vorbehaltlich hier nicht getroffener abweichender vertraglicher Vereinbarungen - deshalb nur dann entgegenhalten , wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunterneh-
men rechtsmißbräuchlich in Anspruch nimmt. Eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt; das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, daß dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGHZ 152, 75, 82 m.w.Nachw.). Selbst wenn unterstellt wird, daß der zwischen der Klägerin und ihren in der Schweiz ansässigen Kunden geschlossene Vertrag über ein in Österreich auszuübendes Teilzeitnutzungsrecht widerruflich ist, ist das nicht der Fall. Denn die rechtzeitige Ausübung eines Widerrufs durch die Kunden ist streitig und ungeklärt.
b) Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg da rauf berufen, die Unwirksamkeit des Vermittlungsauftrags folge jedenfalls aus § 7 i.V. mit § 9 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F., da die Vereinbarung einer sofort fälligen Vermittlungsprovision in Höhe von ca. 15% des Preises eine Umgehung des Anzahlungsverbots des Teilzeit-Wohnrechtegesetzes a.F. darstelle. Ein Verstoß gegen das in § 7 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. normierte Anzahlungsverbot führt nach zutreffender ganz herrschender Meinung nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, weil das Fordern oder Annehmen der Anzahlung nur für den Unternehmer verboten ist (MünchKommBGB/Franzen 4. Aufl. § 486 Rdn. 15; Bamberger/Roth/ Eckert, BGB § 486 Rdn. 7; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 486 Rdn. 4; Palandt/Putzo, BGB 64. Aufl. § 486 Rdn. 7).
III.
Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger
Tenor
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Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.
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Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.
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Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.
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Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.
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Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.
-
Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.
-
Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
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Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.
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B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.
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I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.
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1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.
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2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
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II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.
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C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
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I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.
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1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.
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a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 - 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.
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b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.
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3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
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a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.
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aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).
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bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.
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cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.
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(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).
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(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.
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(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.
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dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.
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ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.
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Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).
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ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.
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b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.
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4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.
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a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).
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b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.
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Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.
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5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
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D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.
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E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
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Hauck
Böck
Breinlinger
Rosemarie Koglin
Mallmann
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
- 1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - wird geändert. Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorgenannten Entscheidung zur Klarstellung im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst wird:
Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2011 wird die Beklagte verpflichtet, gegen das Gebäude J…-Straße .. in …. K… bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit die oberirdisch gelegene Wand des rückwärtigen Erweiterungsbaus zum Grundstück der Klägerin einen Grenzabstand von drei Metern unterschreitet.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) dürfen die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Teil eines Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem sie zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine rückwärtige Wand des Wohngebäudes der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin verpflichtet worden ist. Die Klägerin begehrt ihrerseits eine weitergehende Teilbeseitigung des vorgenannten Gebäudes.
- 2
Sie ist Eigentümerin des 476 m² großen und mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebauten Grundstücks J...-Straße .. in K… (Gemarkung K…, Flur .., Parzelle Nr. …/..). Unmittelbar östlich davon befindet sich das Anwesen J...-Straße .. (Parzelle Nr. …./..), das ursprünglich ebenfalls mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war. Die Zugänge zu den jeweiligen Hauseingängen liegen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Abstände zu den Gebäuden betragen jeweils weniger als 2,50 m. Die Parzelle Nr. …./.. wird neben der J...-Straße im Süden durch die in Nord-Süd-Richtung − und damit parallel zur Grenze des Flurstücks Nr. …/.. − verlaufende Bismarckstraße im Osten erschlossen.
- 3
Erstmalig vermessen wurden die Parzellen der Klägerin und der Beigeladenen zwischen 1808 und 1839 (sog. Uraufnahme). Nachfolgende Liegenschaftsvermessungen (Neu- oder Fortführungsvermessungen) erfolgten auf der Grundlage der Geo-Dokumente der Uraufnahme. Infolge von Kriegseinwirkungen durch Luftangriffe auf die Katastergebäude in K…. während des Zweiten Weltkrieges wurden die Geo-Dokumente der Uraufnahme sowie weitere Vermessungsrisse aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört. Auskunft über den Grenzverlauf des Grundstücks der Beigeladenen zum Anwesen der Klägerin geben unter anderem eigene Liegenschaftsvermessungen des damaligen Stadtverwaltungsamtes Koblenz, die bei der Katasterbehörde einzureichen waren. Hierzu zählt ein Feldbuch (Vermessungsriss) von 1893 (in den Verwaltungsunterlagen teilweise auch als „Urmessung“ mit der Zeitangabe „1870/80“ bezeichnet). Die Breite der Parzelle der Beigeladenen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. …/.. (B…straße ..) ist darin mit 16,10 m angegeben. Eine Grenzmarkierung zur Parzelle Nr. …/.. an der nordwestlichen Grundstücksecke des Flurstücks der Beigeladenen weisen die zeichnerischen Darstellungen nicht auf. In einem weiteren Feldbuch des Stadtvermessungsamts vom 18. Mai 1920 ist demgegenüber an dieser Ecke ein Punkt eingetragen. Daneben findet sich der Vermerk „16,1 Mitte Pf. Gr.“. Auf der Grundlage der vorgenannten Risse wurde im Juni 1948 der Sammelriss Nr. 14 mit einer gleichlautenden Breitenangabe erstellt. Im Fortführungsriss des Katasteramtes K… Nr. 142, Bl. 255, Jahrgang 1966, wird die nördliche Grundstücksbreite der Parzelle Nr. …./.. mit 16,24 m angegeben. In dem Dokument befinden sich außerdem die Eintragungen „Ohne Abmarkungsniederschrift“ sowie „Die Messungszahlen sind für die Herstellung von Grenzen nicht bestimmt“. Ein weiterer Riss aus dem Jahre 1996 übernimmt diese Feststellungen.
- 4
Unter dem 16. Juni 2005 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) eine Baugenehmigung zur Sanierung und Erweiterung des auf dem Flurstück Nr. …./.. stehenden Gebäudes, das zuvor als Bürogebäude genutzt worden war. Dem Bauantrag lag eine Lageskizze zugrunde, auf der eine nördliche Grundstücksbreite von 17,05 m eingetragen wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten entstanden auf dem viergeschossig in Erscheinung tretenden Haus fünf Eigentumswohnungen. Jeweils eine Wohnung veräußerte die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) sowie an die Beigeladenen zu 3) und 4).
- 5
Mit Beginn der Bauphase kam es zwischen den Beteiligten zu Streitigkeiten über die Einhaltung des Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin, die unter anderem den rückwärtigen Anbau, einen in diesem Bereich angelegten Balkon (erstes Obergeschoss) und eine ebenerdige Terrasse sowie die über dem Altbestand errichteten Stockwerke zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus beanstandete die Klägerin, dass der Treppenaufgang mit Anschüttungen und die zunächst errichtete Hauseingangstreppe nicht mit den Vorgaben des § 8 Landesbauordnung – LBauO – in Einklang stünden.
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Am 9. Januar 2006 führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Grüne eine das Wohngebäude der Beigeladenen betreffende Vermessung mit Abmarkung des nordwestlichen Grenzpunktes durch. Dabei legte er die tatsächliche Entfernung des Grenzpunktes bis zur B…straße von 16,24 m zugrunde und stellte fest, dass die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Rohbau befindliche nordwestliche Außenkante des rückwärtigen Anbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen einen Abstand von 2,88 m zur Parzelle der Klägerin aufwies.
- 7
In der Folgezeit entwickelte sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin bevollmächtigten Dipl.-Ing. H…, der erklärte, dass nach der Vermessung der gesetzliche Mindestabstand durch den Rohbau nicht eingehalten werde. Teile der Bauerweiterung oberhalb des unter Bestandsschutz stehenden Hausbereichs unterlägen der Abstandsflächenvorschrift. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin unter dem 16. Januar 2006 mit, dass der Architekt eine Umplanung vorgelegt habe. Unter der Bedingung, dass die gemauerte Wandscheibe von ca. 1 m Länge um das erforderliche Maß rückversetzt werde und die Fenster bzw. die Fassade in einem Abstand von mindestens 3 m angeordnet würden, sei die Beklagte bereit, den Standort des sog. Eckpfeilers an der nordwestlichen Gebäudekante mit einer Breite von ca. 30 cm sowie die Deckenkanten über dem Estrich und ersten Obergeschoss mit einer Breite von jeweils ca. 35 cm als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 8 Abs. 5 Landesbauordnung – LBauO – einzustufen. Daraufhin ließ sich Dipl.-Ing. H… für die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. Januar und 20. Januar 2006 hierzu ein. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erwiderte die Beklagte, dass der Bauherr den Rückbau der Fassade des Anbaus auf ein Maß von 3 m zur Grundstücksgrenze bis auf den Außenpfeiler und die Deckenplatten einschließlich deren bautechnischen Verkleidungen, die als untergeordnete Bestandteile einzustufen seien, zu veranlassen habe. Nach weiterem Schriftverkehr teilte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin unter dem 7. März 2006 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. Januar 2006 mit, dass dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde zur Ausbildung von Wandscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände unter folgender Bedingung zugestimmt werde: Das von der Behörde in Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze sei zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2006, dass sie das Schreiben vom 7. März 2006 nicht mehr als Widerspruchschreiben zu der getroffenen Abstandsflächenregelung im Bereich des An-/Neubaus auffasse. Ergänzend werde festgehalten, dass der Rückbau der ca. 1 m breiten Mauerwerksscheibe im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das Abstandsflächenmaß von 3 m einschließlich Wandverkleidung/Wärmedämmung einhalten müsse. Der Bauherr habe hierüber der Behörde das entsprechende Messprotokoll eines Vermessungsingenieurs vorzulegen.
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Nachdem die Beklagte am 19. Juni 2006 die Fertigstellung des Rohbaus festgestellt hatte, erteilte sie der Beigeladenen zu 1) unter dem 18. Juli 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach entsprechend den vorgelegten neuen Planzeichnungen die ursprünglich erteilte Genehmigung wie folgt geändert wurde: „Verschiebung der Erkeraußenwand an der nördlichen Giebelfassade, Errichtung von zwei zusätzlichen Fensteröffnungen im Erdgeschoss an der nördlichen Giebelfassade sowie Errichtung eines Balkonsaustritts an der westlichen, zum Gebäude der Klägerin gelegenen Fassade im ersten Obergeschoss als untergeordnetes Bauteil“.
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Danach kam es zu einem weiteren umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 führte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) sei von dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde vom 16. Januar 2006 abgewichen. So sei die Breite des Pfeilers an der Nordwestseite des Anbaus nicht wie vereinbart 30 cm x 30 cm, sondern 40 cm x 40 cm. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass ursprünglich nur die Nettobreite oder das Rohbaumaß gemeint gewesen und hierauf auch schriftlich hingewiesen worden sei, werde angekündigt, dass die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes bis zum Vorliegen einer Endvermessung zurückgestellt und die Regelung des Netto- anstelle des Bruttoabstands gerichtlich überprüft werde, falls bei der Endvermessung eine Grenzabstandsunterschreitung festzustellen sei. Mit E-Mail vom 15. Januar 2007 führte die Dipl.-Ing. H... aus, aufgrund der Fehlplanung des Architekten des Bauherrn unterschreite die tragende äußere Wandscheibe am Nordwestbereich des Anbaus vom Fundament kommend unter dem Erdgeschoss den zulässigen Grundstücksabstand von 3 m. In den bisherigen Verhandlungen sei vereinbart worden, diese Unterschreitung dann zu belassen, wenn im Sinne einer häufig kommentierten Regelung zu § 8 LBauO eine „schräge Einschüttung“ vorgenommen oder ein „Steingärtchen auf ganzer Länge“ angelegt werde. Dieser Sachverhalt sollte, weil direkt mit dem Genehmigungsverfahren im Zusammenhang stehend, in dem überarbeiteten Unterlagen dargestellt werden. Nach einem Gespräch mit der Beklagten teilte Dipl.-Ing. H... in weiteren E-Mails unter anderem folgendes mit: Da derzeit eine kompakte Wand mit voller Grenzabstandsunterschreitung ohne Sondergenehmigung vorliege, habe dieser Bauteil keine gültige Genehmigung, und es werde Anzeige erstattet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 verlangte die Klägerin die Einmessung des fertiggestellten Gebäudes durch einen Vermessungsingenieur.
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Die Klägerin blieb in den folgenden Monaten bei ihrer Einschätzung, dass der erforderliche Abstand zu ihrer Parzelle nicht eingehalten werde. Der Balkon an der westlichen Fassade zu ihrer Grundstücksgrenze entspreche nicht den Vorgaben des § 8 LBauO. Auch die Anlegung der Terrasse nebst Treppenaufgang sowie die neue Hauseingangstreppe seien unzulässig. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, durch die Vorlage des Protokolls über die Messung des Sachverständigen Grüne sei der Nachweis für die Einhaltung des Grenzabstandes des Balkonvorbaus erbracht. Das Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement der Beklagten ermittelte am 17. September 2007, dass der umstrittene Balkon an der westlichen Fassade 2,06 m bzw. 2,07 m und die dreistufige Treppe zur Terrasse 1,96 m bzw. 1,97 m von der Grundstücksgrenze entfernt seien. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 lehnte die Beklagte diesbezüglich ein Einschreiten ab.
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Unter dem 26. Oktober 2007 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) auf den von deren Architekten gestellten Antrag „Nachtrag Balkon“ vom 24. Juli 2007 eine weitere Nachtragsbaugenehmigung, die den Balkon im ersten Obergeschoss an der westlichen, zum Haus der Klägerin stehenden Fassade des Erweiterungsbaus zum Gegenstand hat.
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Nach erfolgter Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. hierzu Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008), in dem über Widersprüche der Klägerin gegen die Nachtragsbaugenehmigungen vom 18. Juli 2006 und 26. Oktober 2007 sowie gegen die Ablehnung eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Terrasse, den Balkon (West) sowie die Außentreppe entschieden worden war, erhob die Klägerin Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (1 K 903/08.KO) verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, gegen die Hauseingangstreppe einzuschreiten. Daraufhin gestaltete die Beigeladene zu 1) im Verlauf des Jahres 2009 diesen Bereich um. Dabei schüttete sie das Gelände zwischen der J...-Straße und dem bestehenden seitlichen Hauseingang (sog. Rampe) – in nördlicher Richtung ansteigend – bis zu einer Höhe von ca. 1 m (einschließlich eines Pflasterbelages) und von dort in etwa gleicher Höhe bis zur nördlichen Grundstücksgrenze weiter an. Entlang der Grundstücksgrenze wurde die Anschüttung mit ca. 0,13 m breiten L-Steinen eingefasst. Außerdem ließ die Beigeladene zu 1) vor dem Eingang zwei ca. 1,5 m lange Treppenstufen errichten.
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Bereits zuvor, mit Schreiben vom 14. April 2008, hatte die Klägerin Widerspruch „gegen die erteilte Baugenehmigung“ für die Wohnanlage J...-Straße .. eingelegt, da das gesamte Gebäude als Neubau anzusehen sei, für den ein Bestandsschutz nicht bestehe. In diesem Verfahren führte sie unter anderem aus, dass sie den Abriss des Altbaus, der Balkone, der Hauseingangstreppe, der Terrassen, der Dachkonstruktion und die Wiederherstellung der alten Fensteröffnungen begehre. Unter dem 17. Dezember 2009 erließ der Stadtrechtsausschuss der Beklagten einen Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde. Als Antrag der Klägerin ist hierin vermerkt, dass die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2005 zur Sanierung und Erweiterung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Flurstück Nr. …./.. aufzuheben sei und der Bauherr verpflichtet werden solle, alle Fenster im Bereich des Altbestands mit einem blickdichten Glas zu versehen. Der Widerspruch wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen.
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Unter dem 29. Oktober 2009 beantragte die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Umgestaltung des äußeren Hauseingangsbereichs, den die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2009 und − nach erneutem Antrag − mit Bescheiden vom 24. November 2009 und 25. Januar 2010 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 wies die Klägerin unter Beifügung von Lichtbildern insbesondere auf Anschüttungen im rückwärtigen Grenzbereich hin und bat diesbezüglich ebenfalls um ein bauaufsichtliches Einschreiten. Mit Bescheid vom 1. März 2010 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab.
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Unter dem 16. April 2010 beantragte die Klägerin weiterhin, das Gesamtgebäude einschließlich des Anbaus und der Hauseingangsrampe mit Treppe und anschließender Terrasse, hilfsweise den neuerrichteten Anbau mit Rampe, Treppe und angrenzender Terrasse abzureißen und die Nutzung der Hauseingangsrampe mit Treppe und angrenzender Terrasse unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu untersagen. Am 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte den Antrag wiederum ab.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück.
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Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011“ dazu „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen das Gebäude J...-Straße .. in ….. K… bauaufsichtlich einzuschreiten“ (Satz 1 des Tenors). Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den neu angebauten Teil der baulichen Anlage begehrte, wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass dieser den notwendigen Abstand von 3 m nach § 8 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht einhalte. Die Beigeladene zu 1) habe bei der Verwirklichung des angebauten Teils entgegen des Inhalts der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich hierbei um Wandteile, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln seien (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße … nicht verwirkt.
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Die Klägerin und die Beklagte haben die Zulassung der Berufung gegen die sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Teile des erstinstanzlichen Urteils beantragt.
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Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2013 insoweit abgetrennt, als sich die Klägerin gegen die bauliche Neugestaltung des Hauseingangsbereichs (Treppe mit Rampe bzw. Anschüttung) sowie die Anschüttungen vor dem Gebäude J...-Straße … wendet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat er „auf Antrag der Klägerin und der Beklagten“ die Berufung zugelassen, „soweit Satz 1 des Tenors des Urteils (bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Gebäudes J...-Straße 5, … K…) betroffen ist. Darüber hinaus wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieser Ausspruch „insbesondere den geltend gemachten Anspruch, auch gegen den Altbestand des Wohngebäudes einzuschreiten“, betreffe.
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Die Beklagte macht geltend, die an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Stahlbetonstütze („Pfeiler“) habe eine statische Funktion für das Mauerwerk und stelle ebenso wie die Deckenvorsprünge ein gestalterisches Mittel dar, wie es bei ungeordneten Vorbauten nach § 8 Abs. 5 LBauO häufig der Fall sei. Hinzu komme, dass die Vorsprünge nicht dazu dienen, eine nennenswerte Steigerung der Wohnfläche zu begründen. Die Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks würden in keiner Weise gemindert. Die Vorsprünge seien minimal und nähmen eine geringe Fläche ein. Eine Vergleichbarkeit mit Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Erkern, Balkonen könne nach allem ohne weiteres angenommen werden. Ungeachtet dessen sei ein Anspruch der Klägerin jedenfalls verwirkt. Aufgrund des Schriftwechsels mit dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H..., habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der genehmigten Ausführung des Anbaus nach dem Rückbau der Wandscheibe einverstanden gewesen sei. Hierauf habe sich die Beigeladene zu 1) eingerichtet und entsprechende Investitionen getätigt. Insbesondere sei das von Dipl.-Ing. H... unter dem 7. März 2006 verfasste Schreiben als Zustimmung anzusehen. Weiterhin habe die Klägerin mehrere zivil- und verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen einzelne Bauteile betrieben, nicht aber gegen den rückwärtigen Anbau als solchen. Deshalb sei es treuwidrig, wenn zunächst gegen die Auskragung eines Balkons vorgegangen werde, der an einer Wand hänge, deren Beseitigung man anschließend fordere.
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Die Beigeladene zu 2) schließt sich mit eigenen Darlegungen den Ausführungen der Beklagten an.
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Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 sowie unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 3. November 2009, 24. November 200, 25. Januar 2010, 1. März 2010 und 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, gegen das Gebäude auf dem Grundstück Gemarkung K…., Flur .., Flurstück ……, J...-Straße … (Altbau und Anbau) bauaufsichtlich einzuschreiten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) entgegen und trägt zur Begründung ihres weitergehenden Begehrens vor, dass das benachbarte Gebäude eine erdrückende Wirkung auf ihr eigenes Grundstück habe. Der Erweiterungsbau verstoße unabhängig davon, dass die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung durch den nachbarschützenden Charakter der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen geschützt seien, in hohem Maße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und diene nicht der Erhaltung des Wohnfriedens. Durch die massive Aufstockung würden neue, nicht hinzunehmende Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück eröffnet. Dies gelte umso mehr, als der rückwärtige Erweiterungsbau ihrem Gartenbereich zugewandt sei. Darüber hinaus führe auch die Aufstockung um zwei weitere Geschosse auf dem ehemaligen Altbestand zu einer gravierenden Beeinträchtigung. Maßgebend für die Ermittlung des Grenzabstandes seien nicht die sich aus der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Sachverständigen G… ergebenden Werte. Insbesondere sei das dort angegebene Abstandsflächenmaß von 2,88 m an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen unrichtig. Tatsächlich betrage der Abstand des von der Beklagten als „Eckpfeiler“ bezeichneten Gebäudeteils des Erweiterungsbaus lediglich 2,67 m. Zu beanstanden sei vor allem, dass die Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage einer Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m vorgenommen worden sei. Richtigerweise habe man nur eine Breite von 16,10 m ansetzen dürfen, die den Eintragungen in allen vorhandenen Vermessungsrissen bis 1948 entsprochen habe.
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Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag und haben sich zum Verfahren nicht geäußert.
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Im Verlaufe des Rechtsstreits wurden entlang der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und der Beigeladenen mehrere für die Ermittlung des Abstands relevante Messungen durchgeführt: Nach der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs H. Grüne vom 9. Januar 2006 erstellte der Dipl.-Ing. C… E… am 6. November 2009 im Auftrag der Klägerin zur „Beweissicherung“ ein Gutachten, wonach der Abstand der Außenkante der L-Steine bis zum verputzen Pfosten ca. 2,68 m betragen soll. Weitere Aufmaße nahmen die Baukontrolleure L…. und F… der Beklagten am 17. April und 18. Oktober 2012 vor. Die Klägerin reichte außerdem Vermessungen des in ihrem Auftrag tätig gewordenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs T…S…vom 22. Mai 2013 (Bericht vom 12. Juni 2013) und vom 19. September 2013 (Bericht vom 20. September 2013) zu den Gerichtsakten. Darüber hinaus liegt dem Senat das aufgrund eines am 23. November 2012 verkündeten Beweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz erstellte Gutachten des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs W. S… vom 11. September 2013 über eine sieben Tage zuvor durchgeführte Vermessung vor, die unter anderem zum Ziel hatte, den Verlauf der Grenze im Bereich der L-Steine zu ermitteln.
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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (21 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten) und den beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz (1 K 903/08.KO) sowie des Landgerichts Koblenz (16 O 276/10 = 1 U 755/11 des Oberlandesgerichts Koblenz), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufungen der Beklagten (I.) und der Klägerin (II.) gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg und waren daher mit den sich hieraus ergebenden Nebenentscheidungen (III.) zurückzuweisen.
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I.
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Die zulässige Berufung der Beklagten, die der Senat zum Anlass genommen hat, den Tenor im Hauptausspruch aus Gründen der Klarstellung wie geschehen neu zu fassen, ist unbegründet.
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Vorweg ist festzuhalten, dass der von der Beklagten angefochtene und sie auch nur beschwerende Teil des erstinstanzlichen Urteils sich lediglich auf den Ausspruch eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den „Eckpfeiler“ an der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens der Beigeladenen und die drei Deckenkanten des rückwärtigen Erweiterungsbaues (Sockelkante Kellergeschoss, soweit oberirdisch, sowie Deckenkanten des darüber liegenden Erd- und des ersten Obergeschosses) bezieht. Die Verpflichtung zu einem Einschreiten gegen den Altbestand oder das zweite und dritte Obergeschoss (Altbau und rückwärtige Erweiterung) war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung.
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Soweit die Klägerin auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen verweist, worin von dem „Gebäude auf dem Grundstück J...-Straße …“ (Urteil S. 16, Abs. 3), dem „neu angebauten Teil dieser baulichen Anlage“ (Urteil S. 16 Abs. 3, Zeile 4), der „Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses“ (Urteil S. 18, Abs. 2, Zeile 10), der „baulichen Erweiterung“ bzw. der „baulichen Erweiterung des Gebäudes J...-Straße ..“ (Urteil S. 19, Abs. 2) die Rede ist sowie anführt, dass „der neu angebaute Teil dieser baulichen Anlage“ den notwendigen Abstand nicht einhalte (Urteil, S. 16, Abs. 3), überzeugt ihre Argumentation nicht. Diese Aussagen stehen nämlich im Kontext zu weiteren Feststellungen, die den Umfang der auferlegten Verpflichtung zum Einschreiten in dem vorgenannten Umfang inhaltlich beschränken: So führt die Vorinstanz im Einzelnen aus, dass die Bauherrn bei Verwirklichung des angebauten Teils keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet habe (Urteil S. 16, Abs. 3) und es sich„hierbei“, also mit Bezug auf den Pfeiler bzw. den angebauten Teil, um Wandteile handele, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln sei (Urteil S. 16, Abs. 3). Sodann wird auf den „nordwestlichen“ Teil der Erweiterung des Hauses J...-Straße … mit der sich dahinter befindenden Wandscheibe und auf „diesen Teil“ der Außenwand (Urteil S. 17, Abs. 1) hingewiesen, der „vom (angeschütteten) Boden bis zum Abschluss des ersten Obergeschosses“ verlaufe. Ferner spricht die Kammer die Überzeugung aus, „dass der Abstand von diesen beiden Wandteilen“ des in Frage stehenden Gebäudes und des benachbarten Grundstücks der Klägerin weniger als 3 m betrage (Urteil S. 17, Abs. 2) und nimmt auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. G… (Urteil S. 17, Abs. 2) sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 (Urteil S. 16, Abs. 3 und S. 17 Abs. 2) Bezug. Aus der Zeichnung zum vorgenannten Nachtrag folgt indes, dass der sog. Pfeiler und darüber hinaus der Sockelbereich des Kellers den Mindestabstand von 3 m nicht einhalten. Aus allem folgt, dass auch nur diese Teile einschließlich der darüber liegenden Deckenkanten von Satz 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung erfasst sein können (so auch das Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. Juli 2013). Dass sich das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen nicht zu dem mit der Klage geltend gemachten weitergehenden Begehren der Klägerin – mit Ausnahme des hier nicht streitgegenständlichen Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Hauseingangstreppenanlage und die rückwärtigen Anschüttungen (vgl. hierzu 1 A 10776/14.OVG) − verhält, ist demgegenüber unerheblich.
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Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat in dem vorbeschriebenen Umfang einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten und ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 in eigenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 −, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 −; juris).
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Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen.
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Anders als die Beklagte und die Beigeladene zu 2) meinen, verstoßen die vorgenannten baulichen Anlagen (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 LBauO) gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Als Abstandsfläche auslösende Außenwand ist die gesamte zu einer Grundstücksgrenze hin ausgerichtete, das Gebäude abschließende Wand zu verstehen, auch wenn sie gegliedert ist. Außenwände sind demnach die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen Außenluft abschließen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris). Abs. 6 Satz 3 der genannten Norm bestimmt, dass die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Für vor- und zurücktretende Wandteile wird die Abstandsfläche gesondert ermittelt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Damit wird eine Regelung für den Fall getroffen, dass sich die Außenwand zur Nachbargrenze hin als gegliederte Fläche darstellt. Ist die Außenwand horizontal gestaffelt oder vertikal durch stufenweise zurückbleibende Obergeschosse gegliedert, ergeben sich somit Abschnitte der Außenwand (im Gesetz als Wandteile bezeichnet), für die das Gesetz jeweils eine gesonderte Abstandsfläche vorsieht.
- 39
Von den Wandteilen im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO zu unterscheiden sind die vor die Wand vortretenden Gebäudeteile wie Pfeiler, Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie untergeordnete Vorbauten wie Erker und Balkone. Diese Gebäudeteile sind gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze 2 m entfernt bleiben. Wie sich aus der Wortfolge „vor die Wand vortretende“ bzw. aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorbauten“ ergibt, werden die hier privilegierten Gebäudeteile mit Blick auf die jeweilige Wand bzw. den jeweiligen Wandteil definiert: Die Bezugsfläche für das Vortreten des Gebäudeteils (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO) ist mithin eine vorhandene Wand oder ein vorhandener Wandteil, die ihrerseits den erforderlichen Abstand einhalten müssen. Gleiches gilt für einen Vorbau im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO. Erforderlich ist in beiden Fällen ferner, dass die Gebäudeteile nach Art und Umfang nicht nennenswert ins Gewicht fallen oder in Erscheinung treten (BayVGH, Urteil vom 13. April 2005 – 1 B 04.636 –; HessVGH, Beschluss vom 12. Oktober 1995 –4 TG 2941/95 –, jeweils juris). Der Charakter der unter § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO beispielhaft genannten Gebäudeteile und das in § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO aufgeführte Tatbestandsmerkmal „untergeordnet“ lassen erkennen, dass das Gesetz die genannten baulichen Anlagen privilegiert, weil sie die durch die Abstandsflächenregelung unter anderem geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung typischerweise nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigen.
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Unter welchen Voraussetzungen ein Fall des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO gegeben ist, kann nicht abstrakt festgelegt, sondern muss anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des optischen Eindrucks entschieden werden.
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Ausgehend von diesen Kriterien geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die nordwestliche Eckkante des rückwärtigen Anbaus auf der Parzelle der Beigeladenen und die drei Deckenkanten keine vortretenden Gebäudeteile oder untergeordnete Vorbauten im Sinne der vorerwähnten Bestimmung, sondern vielmehr die rückwärtige Außenwand des Gebäudes darstellen. Wie insbesondere die in der mündlichen Verhandlung des Senats zu den Gerichtsakten überreichten Lichtbildaufnahmen vom Rohbau anschaulich belegen, beruhen diese baulichen Anlagen auf einer einheitlichen Konstruktion, die das Gebäude vom Kellergeschoss aufwärts bis zum ersten Obergeschoss – also über zumindest zwei Stockwerke hinweg – in gleicher Tiefe sowie über eine Länge von ca. 5,21 m durchgehend umschließen und – zusammen mit den Fenstern − das Eindringen von Außenluft verhindern. Schon von ihrer Dimensionierung und Funktion sind diese Anlagen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht vergleichbar mit einzelnen Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erkern oder Balkonen. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf den über die Geländeoberfläche herausragenden Sockel des Kellergeschosses, hinter dem kein weiteres Mauerwerk zurücktritt. Dieser erscheint nämlich als natürlicher Abschluss der darunter liegenden Kelleraußenwand. Gleichfalls ist auch die nordwestliche Eckstütze Teil der Wand, weil sie den Anbau nach dem insoweit maßgeblichen optischen Eindruck an der westlichen Gebäudefront ebenso wie auf seiner Nordseite begrenzt. Mit ihrem Einwand, die Stahlbetonstütze habe eine statische Funktion, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Gerade dann, wenn bauliche Anlagen aus Gründen der Statik unerlässlich sind und das Gebäude als solches tragen, ist dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass derartige Anlagen nicht mehr als untergeordnet in Erscheinung treten.
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Können sich somit die Beklagte und die Beigeladenen auf die Privilegierung des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO nicht mit Erfolg berufen, so bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Abstand von der so definierten rückwärtigen Außenwand des Anbaus zum benachbarten Grundstück der Klägerin weniger als 3 m beträgt und den gesetzlich notwendigen Mindestabstand unterschreitet. Diese Bewertung folgt nicht nur aus der angesprochenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G…, sondern auch aus den Feststellungen der Beklagten selbst sowie den Angaben in der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007, wonach diese Teile des Gebäudeanbaus den gebotenen Mindestabstand nicht einhalten.
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Die Ermittlung des Abstands beruht dabei auf einer nördlichen Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m. Diese Feststellung ist für den Umfang des bauaufsichtlichen Einschreitens hier maßgebend. Denn für die Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück sind die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, entscheidend, wie sie sich aus dem Katasterwerk ergeben. Hinsichtlich der Richtigkeit des Grenzverlaufs können sich Behörden und Gerichte grundsätzlich auf die amtlichen Vermessungsunterlagen verlassen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Bd. 1, 2008, Art. 6 Nr. 69). Dies gilt umso mehr, wenn eine bestandskräftig festgestellte Abmarkung vorliegt, solange diese wirksam ist. So verhält es sich hier mit Bezug auf die an der nordwestlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Beigeladenen angebrachte Grenzmarkierung, die im Januar 2006 von dem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Grüne abgemarkt wurde, ohne dass die Klägerin hiergegen rechtzeitig Widerspruch erhoben hätte.
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Mit ihren nunmehr erhobenen Einwendungen stellt die Klägerin in der Sache allenfalls den Grenzverlauf, nicht aber die Grenzabmarkung substantiiert in Frage. Die Grenzabmarkung selbst bezweckt nur, die katastermäßigen Aufzeichnungen über den Verlauf der Grenze in die Örtlichkeit zu übertragen; sie besagt nicht, dass die katastermäßige Aufzeichnungen mit der wirklichen „Eigentumsgrenze“ eines Grundstücks übereinstimmen. Die Klägerin mag etwaige Rechte an einem Teil der Nachbarparzelle in einem zivilgerichtlichen Verfahren oder mit einem Wiederaufgreifensantrag bei der Katasterverwaltung geltend machen und im Fall ihres Obsiegens eine entsprechende Abänderung des Liegenschaftskatasters erreichen können. Bis zu einer Klärung sind indessen die von ihr geltend gemachten Zweifel an der Übereinstimmung des katastermäßig ausgewiesenen Grenzverlaufs mit der tatsächlichen Grenze, die sich aus der Lage des abgemarkten Grenzpunkts ergibt, unbeachtlich (vgl. zum Ganzen auch Thür.OVG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 1 EO 423/95 –, juris).
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Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die fehlende Übereinstimmung der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Grenze mit den Eigentumsgrenzen offenkundig ist oder die Eintragungen im Liegenschaftskataster selbst offenkundig unklar oder widersprüchlich sind, mag dahin stehen. Ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Die Lage des sog. Grenzpunktes „A“ (vgl. die Terminologie im Gutachten des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. Schmidt vom 11. September 2013) an der nordwestlichen Grundstücksgrenze steht eindeutig fest. Es existieren derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verrückung. Zu welchem Zeitpunkt die Markierung angebracht worden ist, lässt sich zudem nicht mehr aufklären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die Längenangabe „16,10 m“, die auf Unterlagen des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, ihrerseits fehlerhaft sein könnte.
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Im Hinblick auf den von der Klägerin am 17. Juni 2015 bei den Katasterbehörden gestellten Wiederaufgreifensantrag weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Beklagte von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung und deren Vollstreckung absehen kann, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist. Denn es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Vollstreckung betreiben würde und zugleich ein Verfahren mit dem Ziel verfolgt, hinsichtlich der gleichen Gebäudeteile zu einem noch nicht feststehenden späteren Zeitpunkt einen unter Umständen weitergehenden Rückbau durchzusetzen.
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Darüber hinaus hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße .. auch nicht verwirkt. Denn die Beigeladene zu 1) durfte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Einwände mehr erheben würde. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
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„Hiervon ausgehend hat die Klägerin keine Vertrauensgrundlage geschaffen, auf die sich die Beigeladenen berufen können, auch wenn das Gebäude J...-Straße .. der Klägerin seinerseits den gesetzlich gebotenen Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen unterschreitet. Die Kammer hat keinen Hinweis darauf, dass dieses Haus, bei dem es sich um einen Altbau handelt, unter Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist bzw. nach Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung in seinem Bestand verändert wurde. Ferner hat die Klägerin schon während der Bauphase von der Beklagten die Sicherstellung des gesetzlichen Mindestabstands bzgl. der Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses gefordert. Überdies gibt der Schriftwechsel, der zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H... und der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 geführt worden ist, nicht zu erkennen, dass über die Gestaltung der zum Grundstück der Klägerin hin gelegenen Außenfassade des Anbaus eine abschließende Einigung erzielt worden ist. Die Klägerin oder ein von ihr ausdrücklich hierzu Bevollmächtigter haben zudem entsprechende Planzeichnungen nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich ein Einschreiten gegen die Hauseingangstreppe, die Terrasse und einen Balkon gerichtlich verfolgte (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, 1 K 903/08.KO), schafft ebenfalls keine Vertrauensgrundlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Vorgehensweise der Klägerin, die anwaltlich in dem ersten Gerichtsverfahren vertreten wurde, die Gefahr in sich birgt, dass gegen ein einheitliches Bauvorhaben gleichzeitig oder innerhalb von kurzen zeitlichen Abständen mehrere bauaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden, was wiederum zu einer Vergrößerung des durch die Rechtsverletzung einhergehenden Schadens beim Grundstücksnachbarn führen kann. Indes besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von Seiten der Klägerin bezogen auf die bauliche Erweiterung stets die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift verlangt worden ist und während des oben erwähnten Rechtsstreits gegenüber der Beklagten die Forderung erhoben wurde, durch eine Einmessung des Gebäudes J...-Straße nachzuweisen, dass die erforderlichen Abstände auch tatsächlich eingehalten worden sind. Ein Bauherr kann aber nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Abschluss eines Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, bei dem lediglich ein gesondert genehmigter Teil der baulichen Anlage auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift überprüft worden ist, die übrige bauliche Anlage, wie sie errichtet worden ist, hingenommen wird, wenn der Nachbar – wie hier – gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass er mit der baulichen Anlage insgesamt aus anderen Gründen nicht einverstanden ist“
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Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese zutreffenden Ausführungen Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass die Tochter der Klägerin bereits mit Schreiben vom 3. Januar 2006, also wenige Wochen nach der auf den 21. November 2005 datierten Baubeginnanzeige, die Beklagte darüber informiert hat, „dass der Erweiterungsbau zum Haus J...-Straße 5 in den genehmigten Planunterlagen dargestellten Grenzabstände von 3,0 m vom Bauwerk zum Grundstück J...-Straße ..“ unterschreite.
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Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlas zu einer anderen Beurteilung. Namentlich kann aus dem Schreiben des Dipl.-Ing. H... vom 7. März 2006 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin bei einer Versetzung der Wandscheiben mit der nachträglich genehmigten Ausführung des Anbaus einverstanden gewesen war. Darin heißt es vielmehr hinsichtlich der aufgehenden „Mauer unter dem Erdgeschoss, dass diese oberhalb der in den Genehmigungsunterlagen eingetretenen Erdoberfläche die nach LBauO zugelassenen Abstände unterschreite“. Sodann wird der Beklagten mitgeteilt:
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„Dem Vorschlag der Behörde zur Ausbildung der Wandscheiben im Erdgeschoss und ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände wird unter folgender Bedingung zugestimmt: Das von der Behörde in den Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3,00 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze ist zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern“.
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Eine Einwilligung und damit die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes liegen damit allenfalls hinsichtlich der Wandscheiben, nicht aber im Übrigen vor.
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II.
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Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil war ebenfalls zurückzuweisen.
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Soweit sie mit Bezug auf den vorderen Gebäudeteil und bei sachgerechter Auslegung ihres Berufungsantrages den teilweisen Rückbau der über dem Altbestand liegenden Stockwerke auf dem Anwesen der Beigeladenen verlangt, steht dem Begehren der Einwand der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO) entgegen. Denn mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (1 A 11137/12.OVG) hat der Senat die Berufung nur insoweit zugelassen, als zwischen den Beteiligten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den „Neubau des Gebäudes“ im Streit steht. Gemeint ist damit, wie dem Verweis auf „Satz 1 des Tenors“ des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, ausschließlich der dem Garten der Klägerin zugewandte Anbau. Auf die oberen Geschosse, soweit sie über dem Altbestand liegen, erstreckte sich die Berufungszulassung demgegenüber nicht.
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Ein hier allein in Betracht zu ziehendes Begehren der Klägerin zu einem weitergehenden bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Mauerwerk oberhalb der Deckenkante des zweiten Geschosses (erstes Obergeschoss) des Erweiterungsteils scheidet mangels Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung aus.
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Ein Verstoß gegen § 8 LBauO ist nicht ersichtlich. Die Klägerin begründet eine Verletzung im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Vermessung des von ihr beauftragten Dipl.-Ing. T… S… (vgl. die von ihm unter dem 20. September 2013 vorgelegte Abstandsflächenbetrachtung), laut der gerade auch im nordwestlichen Grenzbereich zur Parzelle Nr. …/.. eine Unterschreitung der Abstandsflächen gegeben sein soll. Diese Berechnung kann vorliegend indes nicht zugrunde gelegt werden, da der Gutachter bei seinen Feststellungen fehlerhaft eine nördliche Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,10 m in Ansatz gebracht hat, anstatt die (derzeit) aufgrund der Abmarkung der Grenzmarkierung „A“ maßgebende Breite von 16,24 m zu berücksichtigen.
- 58
Ferner ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch – BauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO –) gegeben. Denn die Klägerin hat eine Veränderung der Grundstückssituation durch eine ihrer Art nach zulässiger Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, also etwa die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück, grundsätzlich hinzunehmen. Namentlich besteht kein Anspruch auf Fortbestand eines faktischen Ruhebereichs, mit dem sie die Bebauung des Nachbargrundstücks verhindern könne (vgl. auch im Einzelnen, Urteil des Senats vom 4. August 2014 – 1 A 10854/13.OVG –). Die Dimensionen des Anbaus führen weiterhin nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin im Sinne einer „erdrückenden“ Wirkung. Das ist in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des “Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 A 11803/03.OVG –; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 – 1 A 75/87 –, BRS 48, Nr. 104). Das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 ½-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 Meter entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegengesetzten Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS Bd. 38, Nr. 186). Demzufolge ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen verschlechtert hat. Das vergrößerte Gebäude hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht und führt auch nicht zu einer für die Klägerin unzumutbaren Abriegelung. Allein die Erhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens ist, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Klägerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher auch insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.
- 59
III.
- 60
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. In Rechnung gestellt wurde zunächst, dass die Beigeladene zu 2) einen eigenen Antrag gestellt hat, mit dem sie unterlegen war, sodass es angezeigt erschien, sie an den angefallenen Kosten anteilsmäßig zu beteiligen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da die Klägerin im Rahmen der hier zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung nach Auffassung des Senats lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, wurden die Kosten insgesamt der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auferlegt.
- 61
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 62
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
- 63
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
- 64
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat den sich aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.bverwg.de/information/streitwertkatalog) ergebenden und im erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten Wert von 7.500 Euro als Ausgangspunkt angesehen. Mit Blick auf den erfolgten Abtrennungsbeschluss wurde dieser Wert für das vorliegende Berufungsverfahren reduziert.
Tenor
Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen 1 und 2 auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 - 6 K 2034/13 - werden abgelehnt.
Die Beklagte und die Beigeladenen 1 und 2 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen 3 je zur Hälfte. Die Beigeladenen 1 und 2 haften für den von ihnen zu tragenden Anteil an den Kosten als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.
(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2004 - 13 K 4554/04 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.
(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.
(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.
(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
II.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2014 - 11 K 3170/13 - ist - mit Ausnahme des Ausspruchs der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Kläger - unwirksam.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen je ein Drittel der Gerichtskosten und je ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen sowie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, nimmt al s Vertragsunternehmen das beklagte Kreditkartenunternehmen aus einem Kreditkartengeschäft in Anspruch.
Am 15. Februar 1999 schloß die Beklagte mit der Kl ägerin einen Vertrag über die Akzeptanz von VISA/Electron Karten. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war vorgesehen, daß die Beklagte alle fälligen Forderungen der Klägerin gegen Karteninhaber "kauft", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Unter Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde u.a. folgendes vereinbart:
"Das Vertragsunternehmen steht ... (Beklagte) dafür ein, daß Kartenbelastungen nur für Leistungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes erfolgen und keine nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Leistungen, insbesondere keine Kreditgewährungen oder andere Geldzahlungen zugrunde liegen." Mit "Vermittlungsauftrag und Vereinbarung einer Le istungsvergütung" verpflichtete sich ein Ehepaar aus der Schweiz im Mai 1999, für die Vermittlung des Objekts "G. " an die Klägerin eine sofort fällige Leistungsvergütung in Höhe von 2.000 CHF zu zahlen. Die Zahlung erfolgte per Kreditkarte. Die Beklagte schrieb den Betrag der Klägerin abzüglich Provision und Umsatzsteuer gut, nahm später aber eine Rückbelastung der Klägerin vor.
Ende 2001 hat die Klägerin unter ihrer deutschen N iederlassung Klage auf Zahlung von 2.316,48 DM nebst Zinsen erhoben. Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin vermittelte Vertrag sei ein TimeSharing -Vertrag, dieser sei unwirksam, gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin und sei deshalb von dem Kartenakzeptanzvertrag nicht erfaßt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Nachde m im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht klargestellt worden war, daß der in der Klage angegebene Geschäftsführer der Klägerin lediglich Leiter ihrer Niederlassung in Deutschland war, und die in der Schweiz ansässige Klägerin einen Handelsregisterauszug vorgelegt hatte, daß es sich hierbei nur um ihre unselbständige deutsche Niederlassung handelt, hat die Beklagte am 7. Oktober 2003 Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil beim
Oberlandesgericht eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt. Mit Beschluß vom 17. Dezember 2003 hat sich das Landgericht auf Antrag der Beklagten für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Oberlandesgericht verwiesen. Dieses hat die Berufung der Beklagten unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
A.
I.
Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten ist statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urtei lsformel ohne Einschränkung zugelassen. Der allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Begründung, die Zulassung erfolge wegen der bislang "nicht hinreichend geklärten Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels" , läßt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht die Einschränkung entnehmen, die Revision sei nur zugunsten der Klägerin
zugelassen worden. Die Klägerin ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert. Eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung wäre außerdem unzulässig mit der Folge, daß nur die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam wäre (Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
II.
Die Berufung der Beklagten ist entgegen der Ansich t der Revisionserwiderung nicht unzulässig.
1. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgeric hts sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Legt eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich zu entscheiden ist (BGHZ 45, 380, 383; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1985 - IVb ZR 129/84, NJW 1985, 2834, vom 15. Oktober 1992 - I ZB 8/92, NJW 1993, 269, vom 20. September 1993 - II ZB 10/93, WM 1993, 2141 und vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659 f.). Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften bei verschiedenen Gerichten jedenfalls dann, wenn die Berufungen nach Verweisung - wie hier - ein und demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.
2. Das Oberlandesgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch als funktionell zuständiges Gericht über die einheitliche Berufung der Beklagten entschieden.
a) Die Zuständigkeit ergibt sich, anders als das O berlandesgericht gemeint hat, allerdings nicht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem - erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils veröffentlichten - Beschluß vom 28. Januar 2004 (VIII ZB 66/03, WM 2004, 2227) entschieden, daß bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG im Berufungsverfahren regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Sie entspricht dem aus dem Grundsatz der Rechtssic herheit abgeleiteten Postulat der Rechtsmittelklarheit. Diese gebietet, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen und ihm insbesondere die Prüfung zu ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416 f.; 108, 341, 349). Würde in der Berufungsinstanz neues Vorbringen zum vor dem Amtsgericht unstreitigen Gerichtsstand einer Partei mit Konsequenzen für die Zulässigkeit der Berufung zugelassen , würde der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert und damit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 78, 88, 99; 96, 27, 39).
Funktionell zuständig wäre danach hier nicht das O berlandesgericht , sondern das Landgericht; denn in erster Instanz vor dem Amtsgericht war unstreitig, daß es sich bei der Klägerin um eine GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland handelte.
b) Gleichwohl ist das angefochtene Urteil nicht du rch ein funktionell nicht zuständiges Gericht erlassen worden. Das Landgericht hat sich nämlich durch Beschluß vom 17. Dezember 2003 für funktionell unzuständig erklärt und die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das Oberlandesgericht verwiesen.
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist der Verweisungsb eschluß für das in ihm bezeichnete Gericht bindend. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn er auf Willkür beruht. Hierfür genügt es aber nicht, daß der Beschluß inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn dem Beschluß jede rechtliche Grundlage fehlt; dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluß bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498 und vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201 f. jeweils m.w.Nachw.).
Das ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat b ei Erlaß des Verweisungsbeschlusses nicht verkannt, daß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Fall einer fehlenden funktionellen Zuständigkeit nicht gilt (vgl. BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95,
NJW-RR 1997, 55), daß Ausnahmen von diesem Grundsatz aber für den Fall anerkannt sind, daß aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes die Berufung bei verschiedenen Gerichten eingelegt werden kann (vgl. BGHZ 72, 182, 193; 155, 46, 51; BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - IVb ARZ 24/85, NJW 1986, 2764 f. und vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95, aaO). Das Landgericht ist dann zu dem Ergebnis gelangt, daß es im Hinblick auf die aus rechtsstaatlichen Gründen gebotene Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes in einem Fall wie hier erforderlich sei, § 281 ZPO entsprechend anzuwenden. Das ist auf der Grundlage der Annahme des Landgerichts, für die Entscheidung über die Berufung des Beklagten sei das Oberlandesgericht zuständig, jedenfalls nicht willkürlich. Das Oberlandesgericht hat über die Berufung des Beklagten deshalb als zuständiges Gericht entschieden.
B.
Auch in der Sache selbst hat die Revision keinen E rfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung - soweit für die Revision noch von Interesse - im wesentlichen ausgeführt :
Ein Anspruch auf Zahlung der Kartenumsätze stehe d er Klägerin aus Nr. 2 i.V. mit Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zu. Bei diesem Vertrag
handele es sich um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB, das unter der aufschiebenden Bedingung der Einreichung vertragsgemäßer Zahlungsbelege stehe. Daß die Klägerin hier einen den Anforderungen des Vertrages entsprechenden Beleg vorgelegt habe, sei unstreitig. Dem Anspruch der Klägerin stehe Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entgegen. Durch diese Klausel solle nur verhindert werden, daß Karteninhaber sich an anderen als den vom Kartenausgeber dafür vorgesehenen Stellen unkontrolliert und kostenfrei Bargeld verschaffen könnten. Daß darüber hinaus auch der Abschluß von Verträgen über Sach- oder Dienstleistungen ausgeschlossen werden solle, folge aus dem Wortlaut der Klausel nicht unmittelbar. Es sei nicht ersichtlich, warum Reisevermittlungsumsätze akzeptiert werden sollten, Umsätze aus Verträgen über andere Leistungen aber nicht. Zweifel am Umfang des Ausschlußtatbestandes gingen nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten keinen Vorbehalt, der Time-SharingGeschäfte ausnehme.
Dem Anspruch der Klägerin stehe auch nicht entgege n, daß ihr ein wirksamer Anspruch gegen ihre Kunden möglicherweise nicht zustehe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte beruhe auf einem abstrakten Schuldversprechen. Einwendungen aus dem Vertrag zwischen dem Vertragsunternehmen und dem Kunden seien der Beklagten daher grundsätzlich versagt. Die Parteien hätten eine Leistungsfreiheit der Beklagten in den Nr. 5, 7 und 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen. Die Unwirksamkeit von Time-Sharing-Verträgen werde davon nicht erfaßt. Darüber hinaus lasse der Vortrag der Beklagten weder
erkennen, ob ein Vertrag über Teilzeitwohnrechte vorliege, noch ob seitens der Kunden ein wirksamer Widerruf erfolgt sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung sta nd.
Die Klägerin hat als Vertragsunternehmen gegen das beklagte Kreditkartenunternehmen in der geltend gemachten Höhe einen Anspruch auf Auszahlung des getätigten Kreditkartenumsatzes.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, bei dem der Kreditkartenzahlung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft handele es sich um die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrags. Ein solches Geschäft gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Reisebüros. Die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrages liegt nicht außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes eines Reisebüros. Beim Time-Sharing handelt es sich in der Regel um zeitanteilige Nutzungsrechte an Ferienimmobilien , vor allem Ferienwohnungen und Ferienhäusern (Hildenbrand/ Kappus/Mäsch, Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz S. 17, 18; Drasdo, Teilzeit-Wohnrechtegesetz Einführung Rdn. 7; MünchKommBGB /Franzen 4. Aufl. Vor § 481 Rdn. 10, 11). Daß Time-Sharing vor allem als "Tourismusprodukt" (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2001) Einl. zum TzWrG Rdn. 39) Bedeutung hat, kommt auch in § 1 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. zum Ausdruck, wenn dort die Anwendung des Gesetzes an die entgeltliche Nutzung eines Wohngebäudes zu Erholungs- oder Wohnzwecken geknüpft wird. Nicht anders als
die Vermittlung von Ferienwohnungen kann deshalb auch die Vermittlung von Time-Sharing-Verträgen zum Geschäftsbetrieb eines Reisebüros gehören. Hier weist sowohl die Handelsregistereintragung der Klägerin als auch die Gewerbeanmeldung ihrer deutschen Niederlassung als Geschäftszweck unter anderem die Vermittlung von Teilzeitwohnrechten aus. Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß die Vermittlung solcher Verträge zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehört. Ob der Beklagten dies bekannt war, ist ohne Belang.
2. Zu Unrecht ist die Revision der Auffassung, dem Anspruch der Klägerin als Vertragsunternehmen eine vermeintliche Unwirksamkeit des mit ihren Kunden geschlossenen Vermittlungsvertrages entgegenhalten zu können.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen (BGHZ 150, 286, 294; 152, 75, 80; 157, 256, 261 ff.; Senatsurteile vom 16. März 2004 - XI ZR 13/03, WM 2004, 1031, 1032 und XI ZR 169/03, WM 2004, 1130, 1131), wobei die Entstehung des Anspruchs unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber steht. An dieser Rechtsprechung, die von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ist festzuhalten. Kreditkartenunternehmen können Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Kreditkarteninhaber und dem Vertragsunternehmen diesem - vorbehaltlich hier nicht getroffener abweichender vertraglicher Vereinbarungen - deshalb nur dann entgegenhalten , wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunterneh-
men rechtsmißbräuchlich in Anspruch nimmt. Eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt; das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, daß dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGHZ 152, 75, 82 m.w.Nachw.). Selbst wenn unterstellt wird, daß der zwischen der Klägerin und ihren in der Schweiz ansässigen Kunden geschlossene Vertrag über ein in Österreich auszuübendes Teilzeitnutzungsrecht widerruflich ist, ist das nicht der Fall. Denn die rechtzeitige Ausübung eines Widerrufs durch die Kunden ist streitig und ungeklärt.
b) Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg da rauf berufen, die Unwirksamkeit des Vermittlungsauftrags folge jedenfalls aus § 7 i.V. mit § 9 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F., da die Vereinbarung einer sofort fälligen Vermittlungsprovision in Höhe von ca. 15% des Preises eine Umgehung des Anzahlungsverbots des Teilzeit-Wohnrechtegesetzes a.F. darstelle. Ein Verstoß gegen das in § 7 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. normierte Anzahlungsverbot führt nach zutreffender ganz herrschender Meinung nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, weil das Fordern oder Annehmen der Anzahlung nur für den Unternehmer verboten ist (MünchKommBGB/Franzen 4. Aufl. § 486 Rdn. 15; Bamberger/Roth/ Eckert, BGB § 486 Rdn. 7; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 486 Rdn. 4; Palandt/Putzo, BGB 64. Aufl. § 486 Rdn. 7).
III.
Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger
Tenor
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Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.
-
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.
Tatbestand
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-
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.
- 2
-
Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.
- 3
-
Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.
- 4
-
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.
- 5
-
Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.
- 6
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.
-
Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.
-
Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
- 10
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Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.
- 11
-
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.
- 12
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B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.
- 13
-
I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.
- 14
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1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.
- 15
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2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
- 16
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II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.
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C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
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I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.
- 21
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1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.
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a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 - 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.
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b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.
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3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
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a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.
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aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).
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bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.
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cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.
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(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).
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(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.
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(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.
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dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.
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ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.
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Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).
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ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.
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b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.
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4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.
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a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).
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b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.
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Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.
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5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
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D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.
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E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
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Hauck
Böck
Breinlinger
Rosemarie Koglin
Mallmann
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
- 1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - wird geändert. Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorgenannten Entscheidung zur Klarstellung im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst wird:
Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2011 wird die Beklagte verpflichtet, gegen das Gebäude J…-Straße .. in …. K… bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit die oberirdisch gelegene Wand des rückwärtigen Erweiterungsbaus zum Grundstück der Klägerin einen Grenzabstand von drei Metern unterschreitet.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) dürfen die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Teil eines Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem sie zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine rückwärtige Wand des Wohngebäudes der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin verpflichtet worden ist. Die Klägerin begehrt ihrerseits eine weitergehende Teilbeseitigung des vorgenannten Gebäudes.
- 2
Sie ist Eigentümerin des 476 m² großen und mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebauten Grundstücks J...-Straße .. in K… (Gemarkung K…, Flur .., Parzelle Nr. …/..). Unmittelbar östlich davon befindet sich das Anwesen J...-Straße .. (Parzelle Nr. …./..), das ursprünglich ebenfalls mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war. Die Zugänge zu den jeweiligen Hauseingängen liegen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Abstände zu den Gebäuden betragen jeweils weniger als 2,50 m. Die Parzelle Nr. …./.. wird neben der J...-Straße im Süden durch die in Nord-Süd-Richtung − und damit parallel zur Grenze des Flurstücks Nr. …/.. − verlaufende Bismarckstraße im Osten erschlossen.
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Erstmalig vermessen wurden die Parzellen der Klägerin und der Beigeladenen zwischen 1808 und 1839 (sog. Uraufnahme). Nachfolgende Liegenschaftsvermessungen (Neu- oder Fortführungsvermessungen) erfolgten auf der Grundlage der Geo-Dokumente der Uraufnahme. Infolge von Kriegseinwirkungen durch Luftangriffe auf die Katastergebäude in K…. während des Zweiten Weltkrieges wurden die Geo-Dokumente der Uraufnahme sowie weitere Vermessungsrisse aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört. Auskunft über den Grenzverlauf des Grundstücks der Beigeladenen zum Anwesen der Klägerin geben unter anderem eigene Liegenschaftsvermessungen des damaligen Stadtverwaltungsamtes Koblenz, die bei der Katasterbehörde einzureichen waren. Hierzu zählt ein Feldbuch (Vermessungsriss) von 1893 (in den Verwaltungsunterlagen teilweise auch als „Urmessung“ mit der Zeitangabe „1870/80“ bezeichnet). Die Breite der Parzelle der Beigeladenen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. …/.. (B…straße ..) ist darin mit 16,10 m angegeben. Eine Grenzmarkierung zur Parzelle Nr. …/.. an der nordwestlichen Grundstücksecke des Flurstücks der Beigeladenen weisen die zeichnerischen Darstellungen nicht auf. In einem weiteren Feldbuch des Stadtvermessungsamts vom 18. Mai 1920 ist demgegenüber an dieser Ecke ein Punkt eingetragen. Daneben findet sich der Vermerk „16,1 Mitte Pf. Gr.“. Auf der Grundlage der vorgenannten Risse wurde im Juni 1948 der Sammelriss Nr. 14 mit einer gleichlautenden Breitenangabe erstellt. Im Fortführungsriss des Katasteramtes K… Nr. 142, Bl. 255, Jahrgang 1966, wird die nördliche Grundstücksbreite der Parzelle Nr. …./.. mit 16,24 m angegeben. In dem Dokument befinden sich außerdem die Eintragungen „Ohne Abmarkungsniederschrift“ sowie „Die Messungszahlen sind für die Herstellung von Grenzen nicht bestimmt“. Ein weiterer Riss aus dem Jahre 1996 übernimmt diese Feststellungen.
- 4
Unter dem 16. Juni 2005 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) eine Baugenehmigung zur Sanierung und Erweiterung des auf dem Flurstück Nr. …./.. stehenden Gebäudes, das zuvor als Bürogebäude genutzt worden war. Dem Bauantrag lag eine Lageskizze zugrunde, auf der eine nördliche Grundstücksbreite von 17,05 m eingetragen wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten entstanden auf dem viergeschossig in Erscheinung tretenden Haus fünf Eigentumswohnungen. Jeweils eine Wohnung veräußerte die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) sowie an die Beigeladenen zu 3) und 4).
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Mit Beginn der Bauphase kam es zwischen den Beteiligten zu Streitigkeiten über die Einhaltung des Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin, die unter anderem den rückwärtigen Anbau, einen in diesem Bereich angelegten Balkon (erstes Obergeschoss) und eine ebenerdige Terrasse sowie die über dem Altbestand errichteten Stockwerke zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus beanstandete die Klägerin, dass der Treppenaufgang mit Anschüttungen und die zunächst errichtete Hauseingangstreppe nicht mit den Vorgaben des § 8 Landesbauordnung – LBauO – in Einklang stünden.
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Am 9. Januar 2006 führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Grüne eine das Wohngebäude der Beigeladenen betreffende Vermessung mit Abmarkung des nordwestlichen Grenzpunktes durch. Dabei legte er die tatsächliche Entfernung des Grenzpunktes bis zur B…straße von 16,24 m zugrunde und stellte fest, dass die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Rohbau befindliche nordwestliche Außenkante des rückwärtigen Anbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen einen Abstand von 2,88 m zur Parzelle der Klägerin aufwies.
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In der Folgezeit entwickelte sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin bevollmächtigten Dipl.-Ing. H…, der erklärte, dass nach der Vermessung der gesetzliche Mindestabstand durch den Rohbau nicht eingehalten werde. Teile der Bauerweiterung oberhalb des unter Bestandsschutz stehenden Hausbereichs unterlägen der Abstandsflächenvorschrift. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin unter dem 16. Januar 2006 mit, dass der Architekt eine Umplanung vorgelegt habe. Unter der Bedingung, dass die gemauerte Wandscheibe von ca. 1 m Länge um das erforderliche Maß rückversetzt werde und die Fenster bzw. die Fassade in einem Abstand von mindestens 3 m angeordnet würden, sei die Beklagte bereit, den Standort des sog. Eckpfeilers an der nordwestlichen Gebäudekante mit einer Breite von ca. 30 cm sowie die Deckenkanten über dem Estrich und ersten Obergeschoss mit einer Breite von jeweils ca. 35 cm als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 8 Abs. 5 Landesbauordnung – LBauO – einzustufen. Daraufhin ließ sich Dipl.-Ing. H… für die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. Januar und 20. Januar 2006 hierzu ein. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erwiderte die Beklagte, dass der Bauherr den Rückbau der Fassade des Anbaus auf ein Maß von 3 m zur Grundstücksgrenze bis auf den Außenpfeiler und die Deckenplatten einschließlich deren bautechnischen Verkleidungen, die als untergeordnete Bestandteile einzustufen seien, zu veranlassen habe. Nach weiterem Schriftverkehr teilte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin unter dem 7. März 2006 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. Januar 2006 mit, dass dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde zur Ausbildung von Wandscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände unter folgender Bedingung zugestimmt werde: Das von der Behörde in Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze sei zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2006, dass sie das Schreiben vom 7. März 2006 nicht mehr als Widerspruchschreiben zu der getroffenen Abstandsflächenregelung im Bereich des An-/Neubaus auffasse. Ergänzend werde festgehalten, dass der Rückbau der ca. 1 m breiten Mauerwerksscheibe im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das Abstandsflächenmaß von 3 m einschließlich Wandverkleidung/Wärmedämmung einhalten müsse. Der Bauherr habe hierüber der Behörde das entsprechende Messprotokoll eines Vermessungsingenieurs vorzulegen.
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Nachdem die Beklagte am 19. Juni 2006 die Fertigstellung des Rohbaus festgestellt hatte, erteilte sie der Beigeladenen zu 1) unter dem 18. Juli 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach entsprechend den vorgelegten neuen Planzeichnungen die ursprünglich erteilte Genehmigung wie folgt geändert wurde: „Verschiebung der Erkeraußenwand an der nördlichen Giebelfassade, Errichtung von zwei zusätzlichen Fensteröffnungen im Erdgeschoss an der nördlichen Giebelfassade sowie Errichtung eines Balkonsaustritts an der westlichen, zum Gebäude der Klägerin gelegenen Fassade im ersten Obergeschoss als untergeordnetes Bauteil“.
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Danach kam es zu einem weiteren umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 führte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) sei von dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde vom 16. Januar 2006 abgewichen. So sei die Breite des Pfeilers an der Nordwestseite des Anbaus nicht wie vereinbart 30 cm x 30 cm, sondern 40 cm x 40 cm. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass ursprünglich nur die Nettobreite oder das Rohbaumaß gemeint gewesen und hierauf auch schriftlich hingewiesen worden sei, werde angekündigt, dass die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes bis zum Vorliegen einer Endvermessung zurückgestellt und die Regelung des Netto- anstelle des Bruttoabstands gerichtlich überprüft werde, falls bei der Endvermessung eine Grenzabstandsunterschreitung festzustellen sei. Mit E-Mail vom 15. Januar 2007 führte die Dipl.-Ing. H... aus, aufgrund der Fehlplanung des Architekten des Bauherrn unterschreite die tragende äußere Wandscheibe am Nordwestbereich des Anbaus vom Fundament kommend unter dem Erdgeschoss den zulässigen Grundstücksabstand von 3 m. In den bisherigen Verhandlungen sei vereinbart worden, diese Unterschreitung dann zu belassen, wenn im Sinne einer häufig kommentierten Regelung zu § 8 LBauO eine „schräge Einschüttung“ vorgenommen oder ein „Steingärtchen auf ganzer Länge“ angelegt werde. Dieser Sachverhalt sollte, weil direkt mit dem Genehmigungsverfahren im Zusammenhang stehend, in dem überarbeiteten Unterlagen dargestellt werden. Nach einem Gespräch mit der Beklagten teilte Dipl.-Ing. H... in weiteren E-Mails unter anderem folgendes mit: Da derzeit eine kompakte Wand mit voller Grenzabstandsunterschreitung ohne Sondergenehmigung vorliege, habe dieser Bauteil keine gültige Genehmigung, und es werde Anzeige erstattet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 verlangte die Klägerin die Einmessung des fertiggestellten Gebäudes durch einen Vermessungsingenieur.
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Die Klägerin blieb in den folgenden Monaten bei ihrer Einschätzung, dass der erforderliche Abstand zu ihrer Parzelle nicht eingehalten werde. Der Balkon an der westlichen Fassade zu ihrer Grundstücksgrenze entspreche nicht den Vorgaben des § 8 LBauO. Auch die Anlegung der Terrasse nebst Treppenaufgang sowie die neue Hauseingangstreppe seien unzulässig. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, durch die Vorlage des Protokolls über die Messung des Sachverständigen Grüne sei der Nachweis für die Einhaltung des Grenzabstandes des Balkonvorbaus erbracht. Das Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement der Beklagten ermittelte am 17. September 2007, dass der umstrittene Balkon an der westlichen Fassade 2,06 m bzw. 2,07 m und die dreistufige Treppe zur Terrasse 1,96 m bzw. 1,97 m von der Grundstücksgrenze entfernt seien. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 lehnte die Beklagte diesbezüglich ein Einschreiten ab.
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Unter dem 26. Oktober 2007 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) auf den von deren Architekten gestellten Antrag „Nachtrag Balkon“ vom 24. Juli 2007 eine weitere Nachtragsbaugenehmigung, die den Balkon im ersten Obergeschoss an der westlichen, zum Haus der Klägerin stehenden Fassade des Erweiterungsbaus zum Gegenstand hat.
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Nach erfolgter Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. hierzu Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008), in dem über Widersprüche der Klägerin gegen die Nachtragsbaugenehmigungen vom 18. Juli 2006 und 26. Oktober 2007 sowie gegen die Ablehnung eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Terrasse, den Balkon (West) sowie die Außentreppe entschieden worden war, erhob die Klägerin Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (1 K 903/08.KO) verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, gegen die Hauseingangstreppe einzuschreiten. Daraufhin gestaltete die Beigeladene zu 1) im Verlauf des Jahres 2009 diesen Bereich um. Dabei schüttete sie das Gelände zwischen der J...-Straße und dem bestehenden seitlichen Hauseingang (sog. Rampe) – in nördlicher Richtung ansteigend – bis zu einer Höhe von ca. 1 m (einschließlich eines Pflasterbelages) und von dort in etwa gleicher Höhe bis zur nördlichen Grundstücksgrenze weiter an. Entlang der Grundstücksgrenze wurde die Anschüttung mit ca. 0,13 m breiten L-Steinen eingefasst. Außerdem ließ die Beigeladene zu 1) vor dem Eingang zwei ca. 1,5 m lange Treppenstufen errichten.
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Bereits zuvor, mit Schreiben vom 14. April 2008, hatte die Klägerin Widerspruch „gegen die erteilte Baugenehmigung“ für die Wohnanlage J...-Straße .. eingelegt, da das gesamte Gebäude als Neubau anzusehen sei, für den ein Bestandsschutz nicht bestehe. In diesem Verfahren führte sie unter anderem aus, dass sie den Abriss des Altbaus, der Balkone, der Hauseingangstreppe, der Terrassen, der Dachkonstruktion und die Wiederherstellung der alten Fensteröffnungen begehre. Unter dem 17. Dezember 2009 erließ der Stadtrechtsausschuss der Beklagten einen Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde. Als Antrag der Klägerin ist hierin vermerkt, dass die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2005 zur Sanierung und Erweiterung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Flurstück Nr. …./.. aufzuheben sei und der Bauherr verpflichtet werden solle, alle Fenster im Bereich des Altbestands mit einem blickdichten Glas zu versehen. Der Widerspruch wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen.
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Unter dem 29. Oktober 2009 beantragte die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Umgestaltung des äußeren Hauseingangsbereichs, den die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2009 und − nach erneutem Antrag − mit Bescheiden vom 24. November 2009 und 25. Januar 2010 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 wies die Klägerin unter Beifügung von Lichtbildern insbesondere auf Anschüttungen im rückwärtigen Grenzbereich hin und bat diesbezüglich ebenfalls um ein bauaufsichtliches Einschreiten. Mit Bescheid vom 1. März 2010 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab.
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Unter dem 16. April 2010 beantragte die Klägerin weiterhin, das Gesamtgebäude einschließlich des Anbaus und der Hauseingangsrampe mit Treppe und anschließender Terrasse, hilfsweise den neuerrichteten Anbau mit Rampe, Treppe und angrenzender Terrasse abzureißen und die Nutzung der Hauseingangsrampe mit Treppe und angrenzender Terrasse unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu untersagen. Am 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte den Antrag wiederum ab.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück.
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Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011“ dazu „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen das Gebäude J...-Straße .. in ….. K… bauaufsichtlich einzuschreiten“ (Satz 1 des Tenors). Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den neu angebauten Teil der baulichen Anlage begehrte, wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass dieser den notwendigen Abstand von 3 m nach § 8 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht einhalte. Die Beigeladene zu 1) habe bei der Verwirklichung des angebauten Teils entgegen des Inhalts der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich hierbei um Wandteile, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln seien (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße … nicht verwirkt.
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Die Klägerin und die Beklagte haben die Zulassung der Berufung gegen die sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Teile des erstinstanzlichen Urteils beantragt.
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Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2013 insoweit abgetrennt, als sich die Klägerin gegen die bauliche Neugestaltung des Hauseingangsbereichs (Treppe mit Rampe bzw. Anschüttung) sowie die Anschüttungen vor dem Gebäude J...-Straße … wendet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat er „auf Antrag der Klägerin und der Beklagten“ die Berufung zugelassen, „soweit Satz 1 des Tenors des Urteils (bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Gebäudes J...-Straße 5, … K…) betroffen ist. Darüber hinaus wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieser Ausspruch „insbesondere den geltend gemachten Anspruch, auch gegen den Altbestand des Wohngebäudes einzuschreiten“, betreffe.
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Die Beklagte macht geltend, die an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Stahlbetonstütze („Pfeiler“) habe eine statische Funktion für das Mauerwerk und stelle ebenso wie die Deckenvorsprünge ein gestalterisches Mittel dar, wie es bei ungeordneten Vorbauten nach § 8 Abs. 5 LBauO häufig der Fall sei. Hinzu komme, dass die Vorsprünge nicht dazu dienen, eine nennenswerte Steigerung der Wohnfläche zu begründen. Die Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks würden in keiner Weise gemindert. Die Vorsprünge seien minimal und nähmen eine geringe Fläche ein. Eine Vergleichbarkeit mit Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Erkern, Balkonen könne nach allem ohne weiteres angenommen werden. Ungeachtet dessen sei ein Anspruch der Klägerin jedenfalls verwirkt. Aufgrund des Schriftwechsels mit dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H..., habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der genehmigten Ausführung des Anbaus nach dem Rückbau der Wandscheibe einverstanden gewesen sei. Hierauf habe sich die Beigeladene zu 1) eingerichtet und entsprechende Investitionen getätigt. Insbesondere sei das von Dipl.-Ing. H... unter dem 7. März 2006 verfasste Schreiben als Zustimmung anzusehen. Weiterhin habe die Klägerin mehrere zivil- und verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen einzelne Bauteile betrieben, nicht aber gegen den rückwärtigen Anbau als solchen. Deshalb sei es treuwidrig, wenn zunächst gegen die Auskragung eines Balkons vorgegangen werde, der an einer Wand hänge, deren Beseitigung man anschließend fordere.
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Die Beigeladene zu 2) schließt sich mit eigenen Darlegungen den Ausführungen der Beklagten an.
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Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 sowie unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 3. November 2009, 24. November 200, 25. Januar 2010, 1. März 2010 und 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, gegen das Gebäude auf dem Grundstück Gemarkung K…., Flur .., Flurstück ……, J...-Straße … (Altbau und Anbau) bauaufsichtlich einzuschreiten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) entgegen und trägt zur Begründung ihres weitergehenden Begehrens vor, dass das benachbarte Gebäude eine erdrückende Wirkung auf ihr eigenes Grundstück habe. Der Erweiterungsbau verstoße unabhängig davon, dass die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung durch den nachbarschützenden Charakter der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen geschützt seien, in hohem Maße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und diene nicht der Erhaltung des Wohnfriedens. Durch die massive Aufstockung würden neue, nicht hinzunehmende Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück eröffnet. Dies gelte umso mehr, als der rückwärtige Erweiterungsbau ihrem Gartenbereich zugewandt sei. Darüber hinaus führe auch die Aufstockung um zwei weitere Geschosse auf dem ehemaligen Altbestand zu einer gravierenden Beeinträchtigung. Maßgebend für die Ermittlung des Grenzabstandes seien nicht die sich aus der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Sachverständigen G… ergebenden Werte. Insbesondere sei das dort angegebene Abstandsflächenmaß von 2,88 m an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen unrichtig. Tatsächlich betrage der Abstand des von der Beklagten als „Eckpfeiler“ bezeichneten Gebäudeteils des Erweiterungsbaus lediglich 2,67 m. Zu beanstanden sei vor allem, dass die Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage einer Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m vorgenommen worden sei. Richtigerweise habe man nur eine Breite von 16,10 m ansetzen dürfen, die den Eintragungen in allen vorhandenen Vermessungsrissen bis 1948 entsprochen habe.
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Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag und haben sich zum Verfahren nicht geäußert.
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Im Verlaufe des Rechtsstreits wurden entlang der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und der Beigeladenen mehrere für die Ermittlung des Abstands relevante Messungen durchgeführt: Nach der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs H. Grüne vom 9. Januar 2006 erstellte der Dipl.-Ing. C… E… am 6. November 2009 im Auftrag der Klägerin zur „Beweissicherung“ ein Gutachten, wonach der Abstand der Außenkante der L-Steine bis zum verputzen Pfosten ca. 2,68 m betragen soll. Weitere Aufmaße nahmen die Baukontrolleure L…. und F… der Beklagten am 17. April und 18. Oktober 2012 vor. Die Klägerin reichte außerdem Vermessungen des in ihrem Auftrag tätig gewordenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs T…S…vom 22. Mai 2013 (Bericht vom 12. Juni 2013) und vom 19. September 2013 (Bericht vom 20. September 2013) zu den Gerichtsakten. Darüber hinaus liegt dem Senat das aufgrund eines am 23. November 2012 verkündeten Beweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz erstellte Gutachten des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs W. S… vom 11. September 2013 über eine sieben Tage zuvor durchgeführte Vermessung vor, die unter anderem zum Ziel hatte, den Verlauf der Grenze im Bereich der L-Steine zu ermitteln.
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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (21 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten) und den beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz (1 K 903/08.KO) sowie des Landgerichts Koblenz (16 O 276/10 = 1 U 755/11 des Oberlandesgerichts Koblenz), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufungen der Beklagten (I.) und der Klägerin (II.) gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg und waren daher mit den sich hieraus ergebenden Nebenentscheidungen (III.) zurückzuweisen.
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I.
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Die zulässige Berufung der Beklagten, die der Senat zum Anlass genommen hat, den Tenor im Hauptausspruch aus Gründen der Klarstellung wie geschehen neu zu fassen, ist unbegründet.
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Vorweg ist festzuhalten, dass der von der Beklagten angefochtene und sie auch nur beschwerende Teil des erstinstanzlichen Urteils sich lediglich auf den Ausspruch eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den „Eckpfeiler“ an der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens der Beigeladenen und die drei Deckenkanten des rückwärtigen Erweiterungsbaues (Sockelkante Kellergeschoss, soweit oberirdisch, sowie Deckenkanten des darüber liegenden Erd- und des ersten Obergeschosses) bezieht. Die Verpflichtung zu einem Einschreiten gegen den Altbestand oder das zweite und dritte Obergeschoss (Altbau und rückwärtige Erweiterung) war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung.
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Soweit die Klägerin auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen verweist, worin von dem „Gebäude auf dem Grundstück J...-Straße …“ (Urteil S. 16, Abs. 3), dem „neu angebauten Teil dieser baulichen Anlage“ (Urteil S. 16 Abs. 3, Zeile 4), der „Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses“ (Urteil S. 18, Abs. 2, Zeile 10), der „baulichen Erweiterung“ bzw. der „baulichen Erweiterung des Gebäudes J...-Straße ..“ (Urteil S. 19, Abs. 2) die Rede ist sowie anführt, dass „der neu angebaute Teil dieser baulichen Anlage“ den notwendigen Abstand nicht einhalte (Urteil, S. 16, Abs. 3), überzeugt ihre Argumentation nicht. Diese Aussagen stehen nämlich im Kontext zu weiteren Feststellungen, die den Umfang der auferlegten Verpflichtung zum Einschreiten in dem vorgenannten Umfang inhaltlich beschränken: So führt die Vorinstanz im Einzelnen aus, dass die Bauherrn bei Verwirklichung des angebauten Teils keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet habe (Urteil S. 16, Abs. 3) und es sich„hierbei“, also mit Bezug auf den Pfeiler bzw. den angebauten Teil, um Wandteile handele, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln sei (Urteil S. 16, Abs. 3). Sodann wird auf den „nordwestlichen“ Teil der Erweiterung des Hauses J...-Straße … mit der sich dahinter befindenden Wandscheibe und auf „diesen Teil“ der Außenwand (Urteil S. 17, Abs. 1) hingewiesen, der „vom (angeschütteten) Boden bis zum Abschluss des ersten Obergeschosses“ verlaufe. Ferner spricht die Kammer die Überzeugung aus, „dass der Abstand von diesen beiden Wandteilen“ des in Frage stehenden Gebäudes und des benachbarten Grundstücks der Klägerin weniger als 3 m betrage (Urteil S. 17, Abs. 2) und nimmt auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. G… (Urteil S. 17, Abs. 2) sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 (Urteil S. 16, Abs. 3 und S. 17 Abs. 2) Bezug. Aus der Zeichnung zum vorgenannten Nachtrag folgt indes, dass der sog. Pfeiler und darüber hinaus der Sockelbereich des Kellers den Mindestabstand von 3 m nicht einhalten. Aus allem folgt, dass auch nur diese Teile einschließlich der darüber liegenden Deckenkanten von Satz 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung erfasst sein können (so auch das Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. Juli 2013). Dass sich das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen nicht zu dem mit der Klage geltend gemachten weitergehenden Begehren der Klägerin – mit Ausnahme des hier nicht streitgegenständlichen Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Hauseingangstreppenanlage und die rückwärtigen Anschüttungen (vgl. hierzu 1 A 10776/14.OVG) − verhält, ist demgegenüber unerheblich.
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Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat in dem vorbeschriebenen Umfang einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten und ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 in eigenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 −, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 −; juris).
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Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen.
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Anders als die Beklagte und die Beigeladene zu 2) meinen, verstoßen die vorgenannten baulichen Anlagen (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 LBauO) gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Als Abstandsfläche auslösende Außenwand ist die gesamte zu einer Grundstücksgrenze hin ausgerichtete, das Gebäude abschließende Wand zu verstehen, auch wenn sie gegliedert ist. Außenwände sind demnach die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen Außenluft abschließen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris). Abs. 6 Satz 3 der genannten Norm bestimmt, dass die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Für vor- und zurücktretende Wandteile wird die Abstandsfläche gesondert ermittelt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Damit wird eine Regelung für den Fall getroffen, dass sich die Außenwand zur Nachbargrenze hin als gegliederte Fläche darstellt. Ist die Außenwand horizontal gestaffelt oder vertikal durch stufenweise zurückbleibende Obergeschosse gegliedert, ergeben sich somit Abschnitte der Außenwand (im Gesetz als Wandteile bezeichnet), für die das Gesetz jeweils eine gesonderte Abstandsfläche vorsieht.
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Von den Wandteilen im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO zu unterscheiden sind die vor die Wand vortretenden Gebäudeteile wie Pfeiler, Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie untergeordnete Vorbauten wie Erker und Balkone. Diese Gebäudeteile sind gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze 2 m entfernt bleiben. Wie sich aus der Wortfolge „vor die Wand vortretende“ bzw. aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorbauten“ ergibt, werden die hier privilegierten Gebäudeteile mit Blick auf die jeweilige Wand bzw. den jeweiligen Wandteil definiert: Die Bezugsfläche für das Vortreten des Gebäudeteils (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO) ist mithin eine vorhandene Wand oder ein vorhandener Wandteil, die ihrerseits den erforderlichen Abstand einhalten müssen. Gleiches gilt für einen Vorbau im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO. Erforderlich ist in beiden Fällen ferner, dass die Gebäudeteile nach Art und Umfang nicht nennenswert ins Gewicht fallen oder in Erscheinung treten (BayVGH, Urteil vom 13. April 2005 – 1 B 04.636 –; HessVGH, Beschluss vom 12. Oktober 1995 –4 TG 2941/95 –, jeweils juris). Der Charakter der unter § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO beispielhaft genannten Gebäudeteile und das in § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO aufgeführte Tatbestandsmerkmal „untergeordnet“ lassen erkennen, dass das Gesetz die genannten baulichen Anlagen privilegiert, weil sie die durch die Abstandsflächenregelung unter anderem geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung typischerweise nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigen.
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Unter welchen Voraussetzungen ein Fall des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO gegeben ist, kann nicht abstrakt festgelegt, sondern muss anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des optischen Eindrucks entschieden werden.
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Ausgehend von diesen Kriterien geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die nordwestliche Eckkante des rückwärtigen Anbaus auf der Parzelle der Beigeladenen und die drei Deckenkanten keine vortretenden Gebäudeteile oder untergeordnete Vorbauten im Sinne der vorerwähnten Bestimmung, sondern vielmehr die rückwärtige Außenwand des Gebäudes darstellen. Wie insbesondere die in der mündlichen Verhandlung des Senats zu den Gerichtsakten überreichten Lichtbildaufnahmen vom Rohbau anschaulich belegen, beruhen diese baulichen Anlagen auf einer einheitlichen Konstruktion, die das Gebäude vom Kellergeschoss aufwärts bis zum ersten Obergeschoss – also über zumindest zwei Stockwerke hinweg – in gleicher Tiefe sowie über eine Länge von ca. 5,21 m durchgehend umschließen und – zusammen mit den Fenstern − das Eindringen von Außenluft verhindern. Schon von ihrer Dimensionierung und Funktion sind diese Anlagen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht vergleichbar mit einzelnen Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erkern oder Balkonen. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf den über die Geländeoberfläche herausragenden Sockel des Kellergeschosses, hinter dem kein weiteres Mauerwerk zurücktritt. Dieser erscheint nämlich als natürlicher Abschluss der darunter liegenden Kelleraußenwand. Gleichfalls ist auch die nordwestliche Eckstütze Teil der Wand, weil sie den Anbau nach dem insoweit maßgeblichen optischen Eindruck an der westlichen Gebäudefront ebenso wie auf seiner Nordseite begrenzt. Mit ihrem Einwand, die Stahlbetonstütze habe eine statische Funktion, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Gerade dann, wenn bauliche Anlagen aus Gründen der Statik unerlässlich sind und das Gebäude als solches tragen, ist dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass derartige Anlagen nicht mehr als untergeordnet in Erscheinung treten.
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Können sich somit die Beklagte und die Beigeladenen auf die Privilegierung des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO nicht mit Erfolg berufen, so bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Abstand von der so definierten rückwärtigen Außenwand des Anbaus zum benachbarten Grundstück der Klägerin weniger als 3 m beträgt und den gesetzlich notwendigen Mindestabstand unterschreitet. Diese Bewertung folgt nicht nur aus der angesprochenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G…, sondern auch aus den Feststellungen der Beklagten selbst sowie den Angaben in der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007, wonach diese Teile des Gebäudeanbaus den gebotenen Mindestabstand nicht einhalten.
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Die Ermittlung des Abstands beruht dabei auf einer nördlichen Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m. Diese Feststellung ist für den Umfang des bauaufsichtlichen Einschreitens hier maßgebend. Denn für die Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück sind die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, entscheidend, wie sie sich aus dem Katasterwerk ergeben. Hinsichtlich der Richtigkeit des Grenzverlaufs können sich Behörden und Gerichte grundsätzlich auf die amtlichen Vermessungsunterlagen verlassen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Bd. 1, 2008, Art. 6 Nr. 69). Dies gilt umso mehr, wenn eine bestandskräftig festgestellte Abmarkung vorliegt, solange diese wirksam ist. So verhält es sich hier mit Bezug auf die an der nordwestlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Beigeladenen angebrachte Grenzmarkierung, die im Januar 2006 von dem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Grüne abgemarkt wurde, ohne dass die Klägerin hiergegen rechtzeitig Widerspruch erhoben hätte.
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Mit ihren nunmehr erhobenen Einwendungen stellt die Klägerin in der Sache allenfalls den Grenzverlauf, nicht aber die Grenzabmarkung substantiiert in Frage. Die Grenzabmarkung selbst bezweckt nur, die katastermäßigen Aufzeichnungen über den Verlauf der Grenze in die Örtlichkeit zu übertragen; sie besagt nicht, dass die katastermäßige Aufzeichnungen mit der wirklichen „Eigentumsgrenze“ eines Grundstücks übereinstimmen. Die Klägerin mag etwaige Rechte an einem Teil der Nachbarparzelle in einem zivilgerichtlichen Verfahren oder mit einem Wiederaufgreifensantrag bei der Katasterverwaltung geltend machen und im Fall ihres Obsiegens eine entsprechende Abänderung des Liegenschaftskatasters erreichen können. Bis zu einer Klärung sind indessen die von ihr geltend gemachten Zweifel an der Übereinstimmung des katastermäßig ausgewiesenen Grenzverlaufs mit der tatsächlichen Grenze, die sich aus der Lage des abgemarkten Grenzpunkts ergibt, unbeachtlich (vgl. zum Ganzen auch Thür.OVG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 1 EO 423/95 –, juris).
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Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die fehlende Übereinstimmung der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Grenze mit den Eigentumsgrenzen offenkundig ist oder die Eintragungen im Liegenschaftskataster selbst offenkundig unklar oder widersprüchlich sind, mag dahin stehen. Ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Die Lage des sog. Grenzpunktes „A“ (vgl. die Terminologie im Gutachten des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. Schmidt vom 11. September 2013) an der nordwestlichen Grundstücksgrenze steht eindeutig fest. Es existieren derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verrückung. Zu welchem Zeitpunkt die Markierung angebracht worden ist, lässt sich zudem nicht mehr aufklären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die Längenangabe „16,10 m“, die auf Unterlagen des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, ihrerseits fehlerhaft sein könnte.
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Im Hinblick auf den von der Klägerin am 17. Juni 2015 bei den Katasterbehörden gestellten Wiederaufgreifensantrag weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Beklagte von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung und deren Vollstreckung absehen kann, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist. Denn es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Vollstreckung betreiben würde und zugleich ein Verfahren mit dem Ziel verfolgt, hinsichtlich der gleichen Gebäudeteile zu einem noch nicht feststehenden späteren Zeitpunkt einen unter Umständen weitergehenden Rückbau durchzusetzen.
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Darüber hinaus hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße .. auch nicht verwirkt. Denn die Beigeladene zu 1) durfte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Einwände mehr erheben würde. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
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„Hiervon ausgehend hat die Klägerin keine Vertrauensgrundlage geschaffen, auf die sich die Beigeladenen berufen können, auch wenn das Gebäude J...-Straße .. der Klägerin seinerseits den gesetzlich gebotenen Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen unterschreitet. Die Kammer hat keinen Hinweis darauf, dass dieses Haus, bei dem es sich um einen Altbau handelt, unter Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist bzw. nach Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung in seinem Bestand verändert wurde. Ferner hat die Klägerin schon während der Bauphase von der Beklagten die Sicherstellung des gesetzlichen Mindestabstands bzgl. der Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses gefordert. Überdies gibt der Schriftwechsel, der zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H... und der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 geführt worden ist, nicht zu erkennen, dass über die Gestaltung der zum Grundstück der Klägerin hin gelegenen Außenfassade des Anbaus eine abschließende Einigung erzielt worden ist. Die Klägerin oder ein von ihr ausdrücklich hierzu Bevollmächtigter haben zudem entsprechende Planzeichnungen nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich ein Einschreiten gegen die Hauseingangstreppe, die Terrasse und einen Balkon gerichtlich verfolgte (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, 1 K 903/08.KO), schafft ebenfalls keine Vertrauensgrundlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Vorgehensweise der Klägerin, die anwaltlich in dem ersten Gerichtsverfahren vertreten wurde, die Gefahr in sich birgt, dass gegen ein einheitliches Bauvorhaben gleichzeitig oder innerhalb von kurzen zeitlichen Abständen mehrere bauaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden, was wiederum zu einer Vergrößerung des durch die Rechtsverletzung einhergehenden Schadens beim Grundstücksnachbarn führen kann. Indes besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von Seiten der Klägerin bezogen auf die bauliche Erweiterung stets die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift verlangt worden ist und während des oben erwähnten Rechtsstreits gegenüber der Beklagten die Forderung erhoben wurde, durch eine Einmessung des Gebäudes J...-Straße nachzuweisen, dass die erforderlichen Abstände auch tatsächlich eingehalten worden sind. Ein Bauherr kann aber nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Abschluss eines Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, bei dem lediglich ein gesondert genehmigter Teil der baulichen Anlage auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift überprüft worden ist, die übrige bauliche Anlage, wie sie errichtet worden ist, hingenommen wird, wenn der Nachbar – wie hier – gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass er mit der baulichen Anlage insgesamt aus anderen Gründen nicht einverstanden ist“
- 49
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese zutreffenden Ausführungen Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass die Tochter der Klägerin bereits mit Schreiben vom 3. Januar 2006, also wenige Wochen nach der auf den 21. November 2005 datierten Baubeginnanzeige, die Beklagte darüber informiert hat, „dass der Erweiterungsbau zum Haus J...-Straße 5 in den genehmigten Planunterlagen dargestellten Grenzabstände von 3,0 m vom Bauwerk zum Grundstück J...-Straße ..“ unterschreite.
- 50
Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlas zu einer anderen Beurteilung. Namentlich kann aus dem Schreiben des Dipl.-Ing. H... vom 7. März 2006 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin bei einer Versetzung der Wandscheiben mit der nachträglich genehmigten Ausführung des Anbaus einverstanden gewesen war. Darin heißt es vielmehr hinsichtlich der aufgehenden „Mauer unter dem Erdgeschoss, dass diese oberhalb der in den Genehmigungsunterlagen eingetretenen Erdoberfläche die nach LBauO zugelassenen Abstände unterschreite“. Sodann wird der Beklagten mitgeteilt:
- 51
„Dem Vorschlag der Behörde zur Ausbildung der Wandscheiben im Erdgeschoss und ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände wird unter folgender Bedingung zugestimmt: Das von der Behörde in den Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3,00 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze ist zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern“.
- 52
Eine Einwilligung und damit die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes liegen damit allenfalls hinsichtlich der Wandscheiben, nicht aber im Übrigen vor.
- 53
II.
- 54
Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil war ebenfalls zurückzuweisen.
- 55
Soweit sie mit Bezug auf den vorderen Gebäudeteil und bei sachgerechter Auslegung ihres Berufungsantrages den teilweisen Rückbau der über dem Altbestand liegenden Stockwerke auf dem Anwesen der Beigeladenen verlangt, steht dem Begehren der Einwand der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO) entgegen. Denn mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (1 A 11137/12.OVG) hat der Senat die Berufung nur insoweit zugelassen, als zwischen den Beteiligten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den „Neubau des Gebäudes“ im Streit steht. Gemeint ist damit, wie dem Verweis auf „Satz 1 des Tenors“ des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, ausschließlich der dem Garten der Klägerin zugewandte Anbau. Auf die oberen Geschosse, soweit sie über dem Altbestand liegen, erstreckte sich die Berufungszulassung demgegenüber nicht.
- 56
Ein hier allein in Betracht zu ziehendes Begehren der Klägerin zu einem weitergehenden bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Mauerwerk oberhalb der Deckenkante des zweiten Geschosses (erstes Obergeschoss) des Erweiterungsteils scheidet mangels Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung aus.
- 57
Ein Verstoß gegen § 8 LBauO ist nicht ersichtlich. Die Klägerin begründet eine Verletzung im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Vermessung des von ihr beauftragten Dipl.-Ing. T… S… (vgl. die von ihm unter dem 20. September 2013 vorgelegte Abstandsflächenbetrachtung), laut der gerade auch im nordwestlichen Grenzbereich zur Parzelle Nr. …/.. eine Unterschreitung der Abstandsflächen gegeben sein soll. Diese Berechnung kann vorliegend indes nicht zugrunde gelegt werden, da der Gutachter bei seinen Feststellungen fehlerhaft eine nördliche Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,10 m in Ansatz gebracht hat, anstatt die (derzeit) aufgrund der Abmarkung der Grenzmarkierung „A“ maßgebende Breite von 16,24 m zu berücksichtigen.
- 58
Ferner ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch – BauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO –) gegeben. Denn die Klägerin hat eine Veränderung der Grundstückssituation durch eine ihrer Art nach zulässiger Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, also etwa die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück, grundsätzlich hinzunehmen. Namentlich besteht kein Anspruch auf Fortbestand eines faktischen Ruhebereichs, mit dem sie die Bebauung des Nachbargrundstücks verhindern könne (vgl. auch im Einzelnen, Urteil des Senats vom 4. August 2014 – 1 A 10854/13.OVG –). Die Dimensionen des Anbaus führen weiterhin nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin im Sinne einer „erdrückenden“ Wirkung. Das ist in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des “Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 A 11803/03.OVG –; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 – 1 A 75/87 –, BRS 48, Nr. 104). Das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 ½-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 Meter entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegengesetzten Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS Bd. 38, Nr. 186). Demzufolge ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen verschlechtert hat. Das vergrößerte Gebäude hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht und führt auch nicht zu einer für die Klägerin unzumutbaren Abriegelung. Allein die Erhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens ist, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Klägerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher auch insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.
- 59
III.
- 60
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. In Rechnung gestellt wurde zunächst, dass die Beigeladene zu 2) einen eigenen Antrag gestellt hat, mit dem sie unterlegen war, sodass es angezeigt erschien, sie an den angefallenen Kosten anteilsmäßig zu beteiligen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da die Klägerin im Rahmen der hier zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung nach Auffassung des Senats lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, wurden die Kosten insgesamt der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auferlegt.
- 61
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 62
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
- 63
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
- 64
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat den sich aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.bverwg.de/information/streitwertkatalog) ergebenden und im erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten Wert von 7.500 Euro als Ausgangspunkt angesehen. Mit Blick auf den erfolgten Abtrennungsbeschluss wurde dieser Wert für das vorliegende Berufungsverfahren reduziert.
Tenor
Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen 1 und 2 auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 - 6 K 2034/13 - werden abgelehnt.
Die Beklagte und die Beigeladenen 1 und 2 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen 3 je zur Hälfte. Die Beigeladenen 1 und 2 haften für den von ihnen zu tragenden Anteil an den Kosten als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.
(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2004 - 13 K 4554/04 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.
(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.
(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.
(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
II.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2014 - 11 K 3170/13 - ist - mit Ausnahme des Ausspruchs der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Kläger - unwirksam.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen je ein Drittel der Gerichtskosten und je ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen sowie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
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