Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14

bei uns veröffentlicht am10.12.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juli 2014 - 1 K 229/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Zurückweisung seiner Klage gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der Flst.-Nr. xxx in Reutlingen, das durch Abtrennung vom Grundstück Flst.-Nr. xxx entstanden ist. Der Beigeladene ist Eigentümer des nordwestlich angrenzenden Grundstücks Flst.-Nr. xxx (xxx xx), das durch Abtrennung von dem Grundstück xxx (xxx xx) entstanden ist. Die ursprünglichen, ungeteilten Grundstücke wurden von dem Kammweg im Nordosten und der Aaraustraße im Südwesten begrenzt.
Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Ortsbausatzung der Beklagten vom 07.03.1957 (OBS 1957). Nach dem dazu gehörenden Baustaffelplan befinden sich beide Grundstücke innerhalb der Baustaffel 4 (Wohngebiet). In § 10 Abs. 1 lit. a) OBS 1957 ist für die Baustaffeln 2 - 5 unter der Überschrift „Gebäudeabstände (zu Art. 56 BO)“ bestimmt, dass mit den Vordergebäuden mindestens die folgenden Gebäude- bzw. Grenzabstände einzuhalten sind: Gebäudeabstand 7 m; Abstand von der Eigentumsgrenze in der nördlichen Hälfe der Windrose: 3 m; Abstand von der Eigentumsgrenze in der südlichen Hälfe der Windrose: 4 m.
Die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen sind beide mit einer Baulast zugunsten des jeweils anderen Grundstücks belastet. Im Baulastenbuch ist hierzu eingetragen:
„Der Eigentümer der Grundstücke Parz. Nr. 3261 und 3262 sowie Parz. Nr. 3257 und 3259 Markung Reutlingen haben für sich und ihre Rechtsnachfolger über die Überbauung ihrer Grundstücke durch Erklärung am 5.11./21.11.1931 wie folgt vereinbart:
Der Eigentümer der Grundstücke Parz Nr. 3261 u. 3262 verpflichtet sich zur Wahrung der besonderen Anbauvorschriften für das Bloosgebiet zu Gunsten eines auf Parz. Nr. 3257 u. 3259 zu erstellenden Gebäudes sein Grundstück entlang der nordwestlichen Eigentumsgrenze auf die halbe Tiefe und zwar den nördlichen Teil zwischen der südlichen Baulinie des Kammwegs und der nördlichen Baulinie der Aaraustraße in einer Breite von 2 m unüberbaut zu lassen, wie dies aus dem Lageplan vom 30.10.1931 /1 der Baupolizeiakten ersichtlich ist.
Andererseits hat sich der Eigentümer des Grundstücks Parz. Nr. 3257 u. 3259 verpflichtet, zur Wahrung der gleichen Vorschriften zu Gunsten eines auf Parz. Nr. 3271 u. 3262 später zu erstellenden Gebäudes ebenfalls auf die halbe Tiefe und zwar den südlichen Teil zwischen denselben Baulinien gemessen in einer Breite von 3 m unüberbaut zu lassen, wie dies aus dem genannten [?] Lageplan ersichtlich ist.“
Die dem Eintrag zugrundeliegende, von dem damaligen Eigentümern der Grundstücke unterschriebene Erklärung lautet wie folgt:
„Zur Wahrung der besonderen Anbauvorschriften für das Bloss-Gebiet verpflichtet sich der Besitzer von Parz. 3261 u. 3262 Chr. Kr entlang der nordwestlichen Eigentumsgrenze und auf ½ Tiefe zwischen der südlichen Baulinie des Kammwegs und der nördlichen Baulinie der Aaraustr. auf 2.00 m von der Eigentumsgrenze derart unüberbaut zu lassen, dass für ein auf sein Grundstück zu erstellendes Gebäude der Abstand von 3,50 m von der neuen Baulastgrenze gemessen wird.
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Der Bauherr G. H. verpflichtet sich seinerseits, die Fläche von 3 m Breite von seiner nordwestlichen Grenze ebenfalls auf ½ Tiefe zwischen der nördlichen Baulinie der Aaraustraße und der südlichen Baulinie des Kammwegs so unüberbaut zu lassen, das er auf einem auf seinem Grundstück zu erstell. Gebäude, den Abstand von 2,50 m von der neuen Baulastgrenze einhüllt.
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…“
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Die beiden Eigentümer anerkannten diese Erklärung gegenüber der Baupolizeibehörde für sich und ihre Rechtsnachfolger und beantragten unter Anerkennung des Lageplans die Eintragung in das Baulastenbuch. Die Verpflichtung, zugunsten des Grundstücks des Klägers das Grundstück des Beigeladenen in einer Breite von 3 m unüberbaut zu lassen, bezieht sich - bezogen auf die heutigen Grundstücksverhältnisse - auf die gesamte Grenze der beiden Grundstücke.
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In Nr. 8 Abs. 3 des Anhangs der Ortsbausatzung der Beklagten aus dem Jahr 1911/1912 wurde für das Bloosgebiet - in diesem liegen die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen - u.a. bestimmt, dass zwischen Vordergebäuden ein Abstand von 6 m einzuhalten ist und zwar regelmäßig in der Art, dass der Bauende mit seinem Gebäude auf der einen Seite 2,5 m, auf der anderen 3,5 m von der Eigentumsgrenze entfernt zu bleiben hat.
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Im Jahr 2010 beantragten die Rechtsvorgänger des Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses. Nachdem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers angeordnet hatte, wurde der Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung zurückgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war mit der Errichtung des Vorhabens bereits begonnen worden. Nach deutlichen Grundstücksabgrabungen waren weite Teile des Kellergeschosses im Rohbau errichtet worden.
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Am 12.08.2011 stellten die Rechtsvorgänger des Beigeladenen einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Architekturbüros. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens soll auf die bereits errichteten Gebäudeteile zurückgegriffen werden und - im Wesentlichen - das schon weitgehend errichtete Kellergeschoss des ursprünglich geplanten Wohnhauses verwendet werden. Im Abstandsflächenplan in den Bauvorlagen heißt es, dass keine Abstandsflächen erforderlich seien, da die Wandhöhe nicht höher als einen Meter sei. Der Grundriss des Gebäudes, wird in den Bauvorlagen wie folgt dargestellt:
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Bei den Bauvorlagen befindet sich ferner die folgende Ansicht vom Grundstück des Klägers:
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Im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung rügte der Kläger, dass das geplante Gebäude über das natürliche Gelände hinausrage und sich deshalb ebenfalls als Bauwerk darstelle, das in die Baulastfläche hineinrage. In den Bauvorlage fehlten u. a. Angaben zur Zahl der Vollgeschosse und zur Höhe der baulichen Anlage. Auch halte das Gebäude die erforderlichen Abstandsflächentiefe nicht ein.
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Am 22.03.2012 erteilte die Beklagte den Rechtsvorgängern des Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Zu den Einwendungen des Klägers heißt es in dem Bescheid, das Vorhaben sei weitgehend erdüberdeckt. Da es keine Wandhöhe von mehr als einem Meter aufweise, seien keine Abstandsflächen erforderlich. In den Bereichen, in denen dies nicht der Fall sei, sei eine ausreichende Abstandsflächentiefe eingehalten.
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Der Kläger erhob am 17.04.2012 Widerspruch. Auf seinen Antrag hin ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.06.2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, da dieser voraussichtlich erfolgreich sein werde. Da aufgrund des ansteigenden Geländes für die Wandhöhe das arithmetische Mittel zu bestimmen sei, komme es u.a. auf die Ecke des Dachvorsprungs zur Aaraustraße an. Dies führe zu einer Gesamtwandhöhe von 1,05 m. Weiter stellten die Bauzeichnungen aller Voraussicht nach nicht den Zustand dar, der für die Verwirklichung des Bauvorhabens erforderlich sei. Jedenfalls für das Flachdach des Hauptbaukörpers bliebe kein Spielraum, die notwendige Dachkonstruktion anzubringen.
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Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 28.01.2013 zurück und führte zur Begründung aus: Die Baugenehmigung verletze keine nachbarschützenden Vorschriften. Die Bauvorlagen seien für die Beurteilung des Vorhabens ausreichend. Insbesondere lasse sich aus der SO-Ansicht der Baukörper, das Bestandsgelände und das künftige Gelände erkennen. Für die Bestimmung der Wandhöhe sei von dem Bestandsgelände auszugehen. Diese Vorgehensweise führe zur Feststellung einer Wandhöhe des Anbaus von 47 cm. Für die Wand insgesamt komme diese Vorgehensweise zu einer Höhe von 70 cm. Mit Blick auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBO seien damit Nachbarrechte erkennbar nicht verletzt.
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Am 09.02.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 09.07.2014, zugestellt am 04.08.2014, abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Das Vorhaben rage nach den genehmigten Plänen nicht in die Baulastfläche hinein, es stehe nur an der Grenze der Baulastfläche. Entgegen der Auffassung des Klägers werde mit der Baulast nicht auch ein Grundstücksstreifen von 2,5 m, der nach der Ortsbausatzung für das Bloosgebiet auf dem Grundstück des Beigeladenen von Bebauung freizuhalten sei, zusätzlich „fiktiv verschoben“. Der Beigeladene müsse also mit Gebäuden nicht 5,5 m Abstand zu seiner Grundstücksgrenze einhalten. Überdies sei die zitierte Satzung mit § 21 OBS 1957 aufgehoben worden. Auf die Einhaltung der Abstandsvorschriften aus der Ortsbausatzung der Beklagten - die hier einen Abstand von vier Metern fordere - könne sich der Kläger nicht berufen, da diese Regelung nicht zum Schutz der Nachbarn bestimmt sei. Dabei könne offen bleiben, ob diese Vorschrift überhaupt wirksam nach § 9 BBauG 1960 übergeleitet worden sei. Die §§ 5 f. LBO würden nicht zu Lasten des Klägers verletzt. Für die Ermittlung der Wandhöhe sei der untere Bezugspunkt die genehmigte Geländeoberfläche maßgeblich. Die relevante, östliche Wand sei in drei Abschnitte einzuteilen, weil die Wand vor und zurückspringe und der Wandvorsprung nicht nach § 5 Abs. 6 LBO unbeachtlich sei. Dies sei hier der Fall, weil der Vorsprung 5,2 m breit und 1,77 m sowie 2,32 m vorspringe. Damit überschreite er die Maße des § 5 Abs. 6 LBO. Die Planunterlagen seien zwar immer noch mangelhaft, jedoch führe die Aufteilung der Wand zur fehlenden Entscheidungserheblichkeit. Der südliche Wandabschnitt sei höher als 1 m, so dass eine Abstandsflächentiefe von 2,5 m zu beachten sei. Diese werde nicht auf der gesamten Wandlänge eingehalten. Es fehlten bis zu 0,2 m. Allerdings seien geringere Tiefen der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Der Umstand, dass nur aufgrund der Abgrabung Abstandsflächen zu beachten seien, stelle eine Besonderheit dar, die die Unterschreitung der Abstandsflächentiefe rechtfertige.
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Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung zunächst am 11.08.2014 beim Verwaltungsgerichtshof und am 25.08.2014 beim Verwaltungsgericht eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass auf das Basis der Pläne der Baugenehmigung nicht festzustellen sei, in welcher Höhe das Vorhaben schließlich über die Geländeoberfläche hinausragen werde. Bislang sei ein Gebäudetorso aufgrund der ursprünglich erteilten Baugenehmigung errichtet, es bedürfe noch eines Dachaufbaus und einer hinreichenden Dämmung. Das Rohdach stelle nicht die endgültige Dachhaut dar. Bislang würden Rohdach und Dachhaut bei den Berechnungen aber gleichgesetzt. Es erschließe sich überdies nicht, weshalb nicht auf die natürliche, sondern auf die genehmigte Geländeoberfläche abzustellen sei.
23 
Das angegriffene Urteil sei widersprüchlich, wenn es einmal betone, dass es nur auf die genehmigten Baupläne ankomme und dann doch auf den Vortrag des Beigeladenen abstelle, wonach mit der notwendigen Abdichtung für das Flachdach die genehmigte Gebäudehöhe nicht überschritten werde. Nicht nachvollziehbar sei es, die Wand in drei Teile einzuteilen. Dies sei künstlich. Da die Wandhöhe einschließlich Attika gar nicht Teil der Genehmigungsunterlagen sei, lasse sich auch für die Wandteile deren Höhe nicht bestimmen.
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Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Baulast keinen nachbarschützenden Charakter haben solle. Das Verwaltungsgericht unterstelle, dass die Baulast das Schicksal der Anbauvorschriften für das Bloosgebiet teile. Ausführungen dazu, ob die Bestellung der Baulast unter der Geltung des alten Rechts nachbarschützenden Charakter gehabt habe, fehlten. Diese Frage sei aber gerade maßgeblich. Das Gericht zitiere darüber hinaus den Wortlaut der Baulast, wonach eine Tiefe von 4 m auf dem Grundstück des Beigeladenen von Bebauung freizuhalten sei. Das gelte auch für eine bis zu 1 m über dem Gelände liegende Bebauung. Es möge sein, dass der Baukörper auf der Grenze der Baulastfläche angesiedelt sei. Er benötige aber dann Abstandsflächen, die in die Baulastfläche hineinragen. Dies werde bislang nicht berücksichtigt. Ebenso wenig sei die Argumentation zu § 10 OBS 1957 überzeugend. Das Verwaltungsgericht habe nicht mittels der Materialien zur Ortsgesetzgebung überprüft, ob den Abstandsregelungen ein nachbarschützender Charakter zukomme. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO lägen nicht vor.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juli 2014 - 1 K 229/13 - zu ändern und die Baugenehmigung der Beklagten vom 22. März 2012 für das Grundstück Flst.-Nr. 3256/1 in Reutlingen und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28. Januar 2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil und macht ergänzend geltend, das geplante Gebäude reiche nicht in die Baulastfläche hinein.
30 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag und verteidigt sein Bauvorhaben. Er weist darauf hin, dass die ursprüngliche natürliche Geländeoberfläche höher gelegen habe.
31 
Ein vom Kläger beim Senat gestellter Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 15.09.2015 - 8 S 1721/15). Mit Bescheid der Beklagten vom 29.10.2015 ist die Baugenehmigung vom 22.03.2012 um eine mit Höhenmaßen ergänzte Süd-Ost-Ansicht ergänzt worden. Ein vom Kläger beim Senat gestellter Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 15.09.2015 - 8 S 1721/15).
32 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten vor. Auf diese wird wegen der weiteren Einzelheiten ebenso verwiesen wie auf die Gerichtsverfahrensakten.

Entscheidungsgründe

 
33 
Die Berufung des Klägers ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.).
34 
I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung rechtzeitig beim Verwaltungsgericht erhoben und begründet (§ 124a Abs. 2 und 3 VwGO). Unerheblich ist, dass die zuerst erfolgte Berufungseinlegung beim Verwaltungsgerichtshof nicht den Vorgaben des § 124a Abs. 2 VwGO entsprochen hatte. Die beiden Berufungseinlegungen führen nämlich zu einem einheitlichen Berufungsverfahren. Legt ein Beteiligter gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist (BGH, Urteile vom 29.06.1966 - IV ZR 86/65 - BGHZ 45, 380 <383> und vom 15.02.2005 - XI ZR 171/04 - NJW-RR 2005, 780; BAG, Urteil vom 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08 - NJW 2010, 2970; Sächsisches OVG, Beschluss vom 02.04.2014 - A 4 A 470/12 - InfAuslR 2014, 302).
35 
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36 
1. Verfahrensgegenstand ist die Baugenehmigung vom 22.03.2012 einschließlich der mit Bescheid vom 29.10.2015 erfolgten Ergänzung.
37 
Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Modifiziert die Behörde den Verwaltungsakt im Lauf des Verwaltungsprozesses, ohne dass sich der Regelungsgehalt ändert - wie hier durch die Genehmigung einer weiteren, erläuternden Bauzeichnung als Teil der Bauvorlagen, die nur in der Darstellung der Vermaßung, nicht aber in ihrer inhaltlichen Aussage von der bisherigen Darstellung in der Baugenehmigung abweicht -, so ist der modifizierte Verwaltungsakt ohne Weiteres der gerichtlichen Prüfung zugrunde zu legen (vgl. Kraft, BayVBl 1995, 519 <523 f.>).
38 
2. Die angegriffene Baugenehmigung ist formell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat nicht gegen die (auch) dem Schutz des Klägers als Angrenzer dienende Vorschrift des § 55 Abs. 1 LBO (Dürr, Baurecht Baden-Württemberg, 14. Aufl. 2013 Rn. 315) verstoßen, indem sie mit Bescheid vom 29.10.2015 die Ansicht Süd-Ost mit ergänzten Höhen zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht hat (a). Selbst wenn ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 LBO vorläge, wäre die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG zwischenzeitlich unbeachtlich geworden (b). Die Baugenehmigung ist auch hinreichend bestimmt (c).
39 
a) Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 LBO benachrichtigt die Gemeinde die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen von dem Bauvorhaben. Diese Bestimmung ist regelmäßig auch bei nachträglichen Ergänzungen bereits erteilter Baugenehmigungen anzuwenden. Allerdings bedarf es dann keiner erneuten Benachrichtigung der Angrenzer, wenn die beabsichtigte nachträgliche Ergänzung einer Baugenehmigung deren Rechtspositionen unter keinen Umständen nachteilig berühren kann.
40 
Gemessen hieran bedurfte es vor der Ergänzung der angefochtenen Baugenehmigung keiner erneuten Benachrichtigung des Klägers, da mit ihr eine Beeinträchtigung seiner Rechtspositionen unter keinen Umständen erfolgen kann. Denn die Süd-Ost-Ansicht als Teil der Bauvorlagen ist nur - wie in § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO gefordert - um die Angaben zur Wandhöhe an den Eckpunkten der Außenwände ergänzt worden. Eine inhaltliche Änderung zu der ursprünglich als Teil der Bauvorlagen vorgelegten und mitgenehmigten Süd-Ost-Ansicht erfolgte mit der Einbeziehung der vermaßten Ansicht nicht.
41 
b) Selbst wenn vor Einbeziehung der vermaßten Süd-Ost-Ansicht in die angegriffene Baugenehmigung eine Angrenzerbenachrichtigung erforderlich gewesen wäre, erwiese sich eine solche Verletzung des § 55 Abs. 1 Satz 1 LBO nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG als unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 44 LVwVfG nicht macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Dies ist bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich, vgl. § 45 Abs. 2 LVwVfG. Der Kläger hatte hier während des Berufungsverfahrens die Möglichkeit, sich auch gegenüber der Beklagten zu der Ergänzung der Baugenehmigung zu äußern, was zur Unbeachtlichkeit des - unterstellten - Verfahrensfehlers führt.
42 
c) Die Baugenehmigung erweist sich auch als hinreichend bestimmt. Mit der am 29.10.2015 erfolgten Ergänzung durch eine vermaßte Süd-Ost-Ansicht erfüllt die angegriffene Baugenehmigung die Vorgaben des § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO. Auch ohne diese Ergänzung war den Bauvorlagen die genehmigte Wandhöhe in ausreichendem Maße zu entnehmen (siehe Senatsbeschluss vom 15.09.2015 - 8 S 1721/15 - Umdruck S. 5 f.).
43 
3. Die angegriffene Baugenehmigung verletzt auch keine dem Schutz des Klägers dienenden, materiellrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
44 
a) Die angegriffene Baugenehmigung verstößt nicht gegen die §§ 5 f. LBO.
45 
Für die Beurteilung der Abstandsflächenbedürftigkeit ist die zum Grundstück des Klägers ausgerichtete Wand des Bauvorhabens in vier Abschnitte zu unterteilen (aa). Ausgehend hiervon sind Abstandsflächen nur vor dem südwestlichen Wandabschnitt einzuhalten (bb). Die erforderlichen Abstandsflächen werden bezogen auf die fiktiv um 3 m auf das Grundstück des Beigeladenen parallelverschobene Grundstücksgrenze eingehalten (cc - dd).
46 
aa) Die östliche, dem Grundstück des Klägers zugewandte Wand, ist für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den §§ 5 f. LBO in drei oder vier Abschnitte zu unterteilen. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO.
47 
(1) Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe, die senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen wird. § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO bestimmt ferner, dass bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben - 1. - untergeordnete Bauteile wie Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen, wenn sie nicht mehr als 1,5 m vor die Außenwand vortreten, sowie - 2. - Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind und nicht mehr als 1,5 m vortreten, sofern sie jeweils von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Daraus folgt weiter, dass solche Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen, eigenständige Wandabschnitte bilden, für die - isoliert - die erforderlichen Abstandsflächentiefen einzuhalten sind. Denn die „Bemessung der Abstandsfläche“, von der in § 5 Abs. 6 LBO die Rede ist, meint nicht nur die Bestimmung der Lage der Fläche. Vielmehr gehört zur Bemessung der Abstandsfläche auch die Bemessung der Tiefe der Fläche, was sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO ergibt. Dies gilt sowohl für bei einer baulichen Anlage mit einer durch Vor- oder Rücksprünge gegliederten Außenwand (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2008 - 3 S 1668/07 - VBlBW 2009, 65) als auch bei der - hier vorhandenen - Gliederung einer Wand durch verschieden hohe Vor- oder Rücksprünge (Schlotterbeck/Busch, Abstandsflächenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2011, Rn. 30).
48 
(2) Davon ausgehend ist der die Außenwand des geplanten Büros bildende Wandabschnitt abstandsflächenrechtlich isoliert zu bewerten, da dieser bis zu 2,32 m und damit um mehr als 1,5 m vor die übrige Wand hervortritt und somit nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO privilegiert ist. Dies führt auch dazu, dass die sich nördlich und südlich anschließenden Wandabschnitte isoliert zu bewerten sind. Ob der weitere Rücksprung im südwestlichen Bereich (Außenwand des Bades) ebenfalls eigenständig bewertet werden muss oder ob es sich aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds um einen einheitlichen südwestlichen Wandabschnitt handelt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 09.07.2014 - 8 S 827/14 - BRS 82 NR. 137; zur Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes bei Privilegierungstatbeständen für Bauteile und Vorbauten siehe auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.06.2015 - 1 A 10775/14 - juris Rn. 40; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.04.2015 - 1 LB 63/14 - BauR 2015, 1312), kann hier dahinstehen.
49 
bb) Vor dem oder den südwestlichen Wandabschnitt(en) müssen hiernach Abstandsflächen liegen. Dies gilt jedoch weder für den mittleren noch für den nordöstlichen Abschnitt der Wand.
50 
(1) Vor den Außenwänden von baulichen Anlagen müssen Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind, § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Gebäude oder Gebäudeteile, die eine Wandhöhe von nicht mehr als 1 m haben, sind ohne eigene Abstandsflächen zulässig, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO. Ergeben sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen, ist die im Mittel gemessene Wandhöhe maßgebend, die sich aus dem arithmetischen Mittel der Höhenlage an den Eckpunkten der baulichen Anlage ergibt, § 5 Abs. 4 Sätze 3 und 4 LBO. Maßgeblich für die Bestimmung der Geländeoberfläche ist grundsätzlich die tatsächliche, sich nach Ausführung des geplanten Bauvorhabens ergebende Geländeoberfläche. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mangels nachvollziehbarer rechtfertigender Gründe davon auszugehen ist, dass die neue tatsächliche Geländeoberfläche nur zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird (vgl. zur Rechtslage ab dem 01.03.2015 auch § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO), was bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet, bei Aufschüttungen dagegen in Betracht zu ziehen ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.03.2015 - 3 S 1913/14 - juris).
51 
(2) Danach müssen weder vor dem mittleren noch vor dem nördlichen Wandabschnitt Abstandsflächen liegen, da deren jeweilige Wandhöhe weniger als 1 m beträgt und also die Privilegierung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO greift. An keiner Stelle ist - gemessen von der neuen tatsächlichen Geländeoberfläche, wie sie der Genehmigung zugrunde liegt - eine Höhe von mehr als 1 m festzustellen. Hingegen ist vor dem südwestlichen Wandabschnitt eine Abstandsfläche einzuhalten, da dieser Abschnitt eine Wandhöhe von etwa 1,4 m erreicht. Das Gleiche (bei der Annahme zweier Wandabschnitte) in diesem Bereich, da deren Höhe 1,8 m bzw. 1,32 m beträgt.
52 
cc) Die Abstandsflächen vor dem südwestlichen Wandabschnitt bzw. den südwestlichen Wandabschnitten müssen selbst einen Abstand von mindestens 3 m zur Grenze zum Grundstück des Klägers einhalten. Dieser Streifen von 3 m darf auch nicht überbaut werden. Dies ist Folge der Baulast aus dem Jahr 1931.
53 
(1) Die Baulast aus dem Jahr 1931 ist wirksam. Nach Art. 99 Abs. 1 der Württembergischen Bauordnung vom 28.07.1910 (WürttBauO) war in jeder Gemeinde ein Baulastenbuch zu führen. Nach Art. 99 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 WürttBauO ruhen u.a. solche Verpflichtungen als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück des Verpflichteten, die hinsichtlich der Unterlassung der Überbauung eines Grundstücks oder eines bestimmten Teiles desselben von dem Eigentümer der Baupolizeibehörde gegenüber übernommen werden, wenn sie in das Baulastenbuch eingetragen sind. Nach § 94 Abs. 2 der Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10.05.1911 (VV) (RegBl. S. 77) hat sich die Eintragung von Baulasten u.a. zu erstrecken auf die vollständige Angabe des Inhalts der Verpflichtung unter genauer Bezeichnung sowohl des von der Last betroffenen Grundstücks als, wenn die Last zugunsten eines bestimmten Grundstücks oder einer Mehrheit bestimmter Grundstücke übernommen worden ist, auch dieser Grundstücke.
54 
Davon ausgehend ist die Verpflichtung des Beigeladenen, eine Fläche von 3 m Breite unüberbaut zu lassen, offensichtlich wirksam geworden. Die Falschbezeichnung der Grundstücksgrenze „nordwestlich anstatt südöstlich“ in der Verpflichtungserklärung spielt keine Rolle, weil sie - entsprechend den Grundsätzen der „falsa demonstatio“ - bei der Eintragung dem wahren Willen des Erklärenden entsprechend korrigiert worden (vgl. zur Anwendung der allgemeinen Regeln einer Falschbezeichnung im Sachenrecht: BGH, Urteil vom 12.10.2012 - V ZR 187/11 - NJW-RR 2013, 789 Rn. 20 ff.). Unerheblich ist auch, dass im Baulastenbuch nicht der Wortlaut der Verpflichtungserklärung wiedergegeben ist. § 94 Abs. 2 VV ordnete ausdrücklich die Inhaltsangabe und keine wörtliche Übernahme an.
55 
Einen weiteren Inhalt hat die Baulast nicht. Soweit in der Verpflichtungserklärung vom 05.11.1931 ausdrücklich der Abstand von 2,50 m zur Baulastgrenze erwähnt ist, kann dahinstehen, ob dies erläuternden Charakter hatte oder ob der Rechtsvorgänger des Beigeladenen diese - aus der Ortsbausatzung der Beklagten stammende Abstandsvorschrift - auch als Teil der von ihm übernommenen Baulast verstanden wollen wusste. Selbst wenn der Fall sein sollte, fehlte es an der - nach Art. 99 Abs. 3 WürttBauO konstitutiven - Eintragung in das Baulastenbuch.
56 
(2) Die Baulast ist wie eine Abstandsflächenbaulast im Sinne des § 7 LBO zu behandeln. Sie diente zur Sicherung der der „besonderen Anbauvorschriften für das Bloosgebiet“. Die Übernahme der Verpflichtung ist als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen, wobei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“) (Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.01.2007 - 3 S 1251/06 - VBlBW 2007, 225). Aus den Erklärungen - wenn auch nicht aus dem Wortlaut der Eintragung der Baulast - ergibt sich eindeutig, dass die Baulasten der Wahrung des Gebäudeabstands aus den Anbauvorschriften für das Bloosgebiet geht. Denn dort ist der jeweils zu wahrende Abstand - auf dem Grundstück des Beigeladenen 2,50 m - in Bezug genommen. Es wird klargestellt, dass der Abstand zur Baulastgrenze einzuhalten ist. Es wird also nicht allein ein Bauverbot in dem Drei-Meter-Streifen geregelt. Da auch das Anrechnungsverbot aus § 7 LBO - wie die in der der Baulast zugrunde liegende Verpflichtungserklärung und die Anbauvorschriften für das Bloosgebiet - der Sache nach einem Mindestgebäudeabstand dient, ist die Baulast wie eine Abstandsflächenbaulast im Sinne des § 7 LBO zu behandeln mit der Folge, dass eine fiktive Parallelverschiebung der Grundstücksgrenze anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184).
57 
dd) Das Bauvorhaben hält die erforderlichen Abstände zur Baulastfläche ein.
58 
(1) Der nordöstliche und der mittlere Wandabschnitt sollen auf der - parallelverschobenen - Grenze errichtet werden. Die angegriffene Baugenehmigung erlaubt entgegen der Auffassung des Klägers keine Überbauung der Baulastfläche.
59 
(2) Der oder die südwestlichen Wandabschnitt(e) halten die erforderliche Abstandsflächentiefe von 2 m zur fiktiven Grundstücksgrenze ein.
60 
Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO beträgt die Tiefe der Abstandsflächen allgemein 0,4 der Wandhöhe. Sie darf aber nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO 2,5 m, bei Wänden bis 5 m Breite 2 m nicht unterschreiten.
61 
Der südwestliche Wandabschnitt einschließlich des Rücksprungs muss eine Abstandsflächentiefe von 2 m einhalten, da er eine Breite von 3,21 m und damit von nicht mehr als 5 m aufweist. Der Senat hält an seiner im Beschluss vom 15.09.2015 geäußerten Auffassung, es müsse hier eine Abstandsflächentiefe von 2,5 m eingehalten werden, nicht fest. Denn die Unterteilung einer Außenwand in verschiedene Wandabschnitte hat zur Konsequenz, dass jeder Wandabschnitt abstandsflächenrechtlich in allen Punkten - und damit auch bei Anwendung von § 5 Abs. 7 LBO und der Bestimmung seiner Länge - isoliert zu betrachten ist. Diese Betrachtung ist ebenfalls in § 5 Abs. 6 LBO angelegt, wenn dort die Breite von Vorbauten als Privilegierungsmerkmal dient.
62 
b) Auf die Vorschriften aus der Ortsbausatzung aus dem Jahr 1911/1912 kann sich der Kläger nicht berufen. Sie sind durch § 21 OBS 1957 aufgehoben worden.
63 
c) Auf die Bestimmungen zum Gebäudeabstand aus § 10 OBS 1957 kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen.
64 
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Vorschrift des § 10 OBS 1957 keine nachbarschützende Wirkung entfaltet (Senatsbeschluss vom 06.06.2007 - 8 S 63/07). Der Senat hat dazu ausgeführt:
65 
„Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs kommt aber derartigen Gebäudeabstandsvorschriften alter Bebauungspläne keine nachbarschützende Wirkung zu; sie dienen ausschließlich der städtebaulichen Gestaltung, nicht aber (zumindest auch) dem Nachbarschutz (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 24.09.1991 - 3 S 2049/91 -, VBlBW 1992, 105, vom 03.12.1991 - 3 S 2464/91 -, VBlBW 1992, 297/298 und vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344/346). Zwar könnte eine übergeleitete planungsrechtliche Vorschrift über den Abstand von Gebäuden auf aneinandergrenzenden Grundstücken nachbarschützende Wirkung dann entfalten, wenn sie in ihrer rechtlichen Wirkung der Festsetzung einer seitlichen Baugrenze nach § 23 Abs. 1 und 3 BauNVO gleichkäme (zum Nachbarschutz in derartigen Fällen vgl. den Senatsbeschluss vom 20.01.2005 - 8 S 3003/04 -, VBlBW 2005, 312/313 m.w.N.). Das ist hier jedoch - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht der Fall. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Überschrift des § 10 OBS („Gebäudeabstände“), dass mit der Vorschrift ausschließlich städtebaulich - gestalterische Zwecke verfolgt werden. Bestätigt wird dies dadurch, dass sich - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - aus der Summe des im nördlichen (3 m) und südlichen (4 m) Grundstücksteil einzuhaltenden Grenzabstandes genau der einzuhaltende Gebäudeabstand von 7 m ergibt. Daraus folgt, dass es sich bei den festgesetzten Grenzabständen lediglich um eine konkretisierende Aufteilung des Gebäudeabstandes im Bereich der betroffenen Grundstücke handelt, mit der im Interesse einer aufgelockerten Bebauung ausschließlich städtebaulich - gestalterische Zwecke verfolgt werden.“
66 
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Offen bleiben kann, ob § 10 OBS 1957 überhaupt noch Rechtsfolgen entfaltet. Zwar dürfte es zutreffen, dass die Bestimmung nicht wirksam als bauplanungsrechtliche Vorschrift nach § 173 BBauG 1960 übergeleitet worden ist, weil § 9 BBauG 1960 nicht zum Erlass von Vorschriften über Grenzabstände ermächtigte (Senatsurteil vom 09.11.1995 - 8 S 2383/95 - juris). Sie könnte jedoch als bauordnungsrechtliche Vorschrift nach § 118 Abs. 5 LBO 1964 weitergelten, soweit sie der LBO 1964 nicht widerspricht. Die Grenzabstandsregelung des § 7 Abs. 2 LBO 1964 - mindestens 3 m - steht jedenfalls bei Baustaffel 4 der Satzung nicht entgegen. Denn da in dieser Baustaffel nur zwei Stockwerke zulässig sind, widerspricht sie der ergänzenden Regelung für mehr als zwei Vollgeschosse aus § 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 1964 nicht. Ob sie der Regelung über Gebäudeabstände in § 9 LBO 1964 deshalb widerspricht, weil diese Vorschrift nur Abstände zwischen Gebäude-(teilen) auf demselben Grundstück regelte, lässt der Senat offen.
67 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen.
68 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
69 
B e s c h l u s s
vom 3. Dezember 2015
70 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,--EUR festgesetzt.
71 
Gründe
72 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat in Anwendung des Rechtsgedankens des § 71 Abs. 1 GKG an Nr. II 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) und nicht am Streitwertkatalog 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil die Klage vor dem 01.01.2014 erhoben worden ist (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.01.2015 - 15 C 14.508 -juris und Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.09.2014 - 7 LA 73/13 -juris). Einer Berücksichtigung des Streitwertkatalogs 2013 für das Berufungsverfahren steht § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG entgegen (siehe auch Senatsbeschluss vom 09.12.2015 - 8 S 1542/14 - juris).
73 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Die Berufung des Klägers ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.).
34 
I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung rechtzeitig beim Verwaltungsgericht erhoben und begründet (§ 124a Abs. 2 und 3 VwGO). Unerheblich ist, dass die zuerst erfolgte Berufungseinlegung beim Verwaltungsgerichtshof nicht den Vorgaben des § 124a Abs. 2 VwGO entsprochen hatte. Die beiden Berufungseinlegungen führen nämlich zu einem einheitlichen Berufungsverfahren. Legt ein Beteiligter gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist (BGH, Urteile vom 29.06.1966 - IV ZR 86/65 - BGHZ 45, 380 <383> und vom 15.02.2005 - XI ZR 171/04 - NJW-RR 2005, 780; BAG, Urteil vom 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08 - NJW 2010, 2970; Sächsisches OVG, Beschluss vom 02.04.2014 - A 4 A 470/12 - InfAuslR 2014, 302).
35 
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36 
1. Verfahrensgegenstand ist die Baugenehmigung vom 22.03.2012 einschließlich der mit Bescheid vom 29.10.2015 erfolgten Ergänzung.
37 
Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Modifiziert die Behörde den Verwaltungsakt im Lauf des Verwaltungsprozesses, ohne dass sich der Regelungsgehalt ändert - wie hier durch die Genehmigung einer weiteren, erläuternden Bauzeichnung als Teil der Bauvorlagen, die nur in der Darstellung der Vermaßung, nicht aber in ihrer inhaltlichen Aussage von der bisherigen Darstellung in der Baugenehmigung abweicht -, so ist der modifizierte Verwaltungsakt ohne Weiteres der gerichtlichen Prüfung zugrunde zu legen (vgl. Kraft, BayVBl 1995, 519 <523 f.>).
38 
2. Die angegriffene Baugenehmigung ist formell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat nicht gegen die (auch) dem Schutz des Klägers als Angrenzer dienende Vorschrift des § 55 Abs. 1 LBO (Dürr, Baurecht Baden-Württemberg, 14. Aufl. 2013 Rn. 315) verstoßen, indem sie mit Bescheid vom 29.10.2015 die Ansicht Süd-Ost mit ergänzten Höhen zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht hat (a). Selbst wenn ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 LBO vorläge, wäre die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG zwischenzeitlich unbeachtlich geworden (b). Die Baugenehmigung ist auch hinreichend bestimmt (c).
39 
a) Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 LBO benachrichtigt die Gemeinde die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen von dem Bauvorhaben. Diese Bestimmung ist regelmäßig auch bei nachträglichen Ergänzungen bereits erteilter Baugenehmigungen anzuwenden. Allerdings bedarf es dann keiner erneuten Benachrichtigung der Angrenzer, wenn die beabsichtigte nachträgliche Ergänzung einer Baugenehmigung deren Rechtspositionen unter keinen Umständen nachteilig berühren kann.
40 
Gemessen hieran bedurfte es vor der Ergänzung der angefochtenen Baugenehmigung keiner erneuten Benachrichtigung des Klägers, da mit ihr eine Beeinträchtigung seiner Rechtspositionen unter keinen Umständen erfolgen kann. Denn die Süd-Ost-Ansicht als Teil der Bauvorlagen ist nur - wie in § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO gefordert - um die Angaben zur Wandhöhe an den Eckpunkten der Außenwände ergänzt worden. Eine inhaltliche Änderung zu der ursprünglich als Teil der Bauvorlagen vorgelegten und mitgenehmigten Süd-Ost-Ansicht erfolgte mit der Einbeziehung der vermaßten Ansicht nicht.
41 
b) Selbst wenn vor Einbeziehung der vermaßten Süd-Ost-Ansicht in die angegriffene Baugenehmigung eine Angrenzerbenachrichtigung erforderlich gewesen wäre, erwiese sich eine solche Verletzung des § 55 Abs. 1 Satz 1 LBO nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG als unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 44 LVwVfG nicht macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Dies ist bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich, vgl. § 45 Abs. 2 LVwVfG. Der Kläger hatte hier während des Berufungsverfahrens die Möglichkeit, sich auch gegenüber der Beklagten zu der Ergänzung der Baugenehmigung zu äußern, was zur Unbeachtlichkeit des - unterstellten - Verfahrensfehlers führt.
42 
c) Die Baugenehmigung erweist sich auch als hinreichend bestimmt. Mit der am 29.10.2015 erfolgten Ergänzung durch eine vermaßte Süd-Ost-Ansicht erfüllt die angegriffene Baugenehmigung die Vorgaben des § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO. Auch ohne diese Ergänzung war den Bauvorlagen die genehmigte Wandhöhe in ausreichendem Maße zu entnehmen (siehe Senatsbeschluss vom 15.09.2015 - 8 S 1721/15 - Umdruck S. 5 f.).
43 
3. Die angegriffene Baugenehmigung verletzt auch keine dem Schutz des Klägers dienenden, materiellrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
44 
a) Die angegriffene Baugenehmigung verstößt nicht gegen die §§ 5 f. LBO.
45 
Für die Beurteilung der Abstandsflächenbedürftigkeit ist die zum Grundstück des Klägers ausgerichtete Wand des Bauvorhabens in vier Abschnitte zu unterteilen (aa). Ausgehend hiervon sind Abstandsflächen nur vor dem südwestlichen Wandabschnitt einzuhalten (bb). Die erforderlichen Abstandsflächen werden bezogen auf die fiktiv um 3 m auf das Grundstück des Beigeladenen parallelverschobene Grundstücksgrenze eingehalten (cc - dd).
46 
aa) Die östliche, dem Grundstück des Klägers zugewandte Wand, ist für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den §§ 5 f. LBO in drei oder vier Abschnitte zu unterteilen. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO.
47 
(1) Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe, die senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen wird. § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO bestimmt ferner, dass bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben - 1. - untergeordnete Bauteile wie Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen, wenn sie nicht mehr als 1,5 m vor die Außenwand vortreten, sowie - 2. - Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind und nicht mehr als 1,5 m vortreten, sofern sie jeweils von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Daraus folgt weiter, dass solche Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen, eigenständige Wandabschnitte bilden, für die - isoliert - die erforderlichen Abstandsflächentiefen einzuhalten sind. Denn die „Bemessung der Abstandsfläche“, von der in § 5 Abs. 6 LBO die Rede ist, meint nicht nur die Bestimmung der Lage der Fläche. Vielmehr gehört zur Bemessung der Abstandsfläche auch die Bemessung der Tiefe der Fläche, was sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO ergibt. Dies gilt sowohl für bei einer baulichen Anlage mit einer durch Vor- oder Rücksprünge gegliederten Außenwand (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2008 - 3 S 1668/07 - VBlBW 2009, 65) als auch bei der - hier vorhandenen - Gliederung einer Wand durch verschieden hohe Vor- oder Rücksprünge (Schlotterbeck/Busch, Abstandsflächenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2011, Rn. 30).
48 
(2) Davon ausgehend ist der die Außenwand des geplanten Büros bildende Wandabschnitt abstandsflächenrechtlich isoliert zu bewerten, da dieser bis zu 2,32 m und damit um mehr als 1,5 m vor die übrige Wand hervortritt und somit nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Satz 1 LBO privilegiert ist. Dies führt auch dazu, dass die sich nördlich und südlich anschließenden Wandabschnitte isoliert zu bewerten sind. Ob der weitere Rücksprung im südwestlichen Bereich (Außenwand des Bades) ebenfalls eigenständig bewertet werden muss oder ob es sich aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds um einen einheitlichen südwestlichen Wandabschnitt handelt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 09.07.2014 - 8 S 827/14 - BRS 82 NR. 137; zur Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes bei Privilegierungstatbeständen für Bauteile und Vorbauten siehe auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.06.2015 - 1 A 10775/14 - juris Rn. 40; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.04.2015 - 1 LB 63/14 - BauR 2015, 1312), kann hier dahinstehen.
49 
bb) Vor dem oder den südwestlichen Wandabschnitt(en) müssen hiernach Abstandsflächen liegen. Dies gilt jedoch weder für den mittleren noch für den nordöstlichen Abschnitt der Wand.
50 
(1) Vor den Außenwänden von baulichen Anlagen müssen Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind, § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Gebäude oder Gebäudeteile, die eine Wandhöhe von nicht mehr als 1 m haben, sind ohne eigene Abstandsflächen zulässig, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO. Ergeben sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen, ist die im Mittel gemessene Wandhöhe maßgebend, die sich aus dem arithmetischen Mittel der Höhenlage an den Eckpunkten der baulichen Anlage ergibt, § 5 Abs. 4 Sätze 3 und 4 LBO. Maßgeblich für die Bestimmung der Geländeoberfläche ist grundsätzlich die tatsächliche, sich nach Ausführung des geplanten Bauvorhabens ergebende Geländeoberfläche. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mangels nachvollziehbarer rechtfertigender Gründe davon auszugehen ist, dass die neue tatsächliche Geländeoberfläche nur zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird (vgl. zur Rechtslage ab dem 01.03.2015 auch § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO), was bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet, bei Aufschüttungen dagegen in Betracht zu ziehen ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.03.2015 - 3 S 1913/14 - juris).
51 
(2) Danach müssen weder vor dem mittleren noch vor dem nördlichen Wandabschnitt Abstandsflächen liegen, da deren jeweilige Wandhöhe weniger als 1 m beträgt und also die Privilegierung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO greift. An keiner Stelle ist - gemessen von der neuen tatsächlichen Geländeoberfläche, wie sie der Genehmigung zugrunde liegt - eine Höhe von mehr als 1 m festzustellen. Hingegen ist vor dem südwestlichen Wandabschnitt eine Abstandsfläche einzuhalten, da dieser Abschnitt eine Wandhöhe von etwa 1,4 m erreicht. Das Gleiche (bei der Annahme zweier Wandabschnitte) in diesem Bereich, da deren Höhe 1,8 m bzw. 1,32 m beträgt.
52 
cc) Die Abstandsflächen vor dem südwestlichen Wandabschnitt bzw. den südwestlichen Wandabschnitten müssen selbst einen Abstand von mindestens 3 m zur Grenze zum Grundstück des Klägers einhalten. Dieser Streifen von 3 m darf auch nicht überbaut werden. Dies ist Folge der Baulast aus dem Jahr 1931.
53 
(1) Die Baulast aus dem Jahr 1931 ist wirksam. Nach Art. 99 Abs. 1 der Württembergischen Bauordnung vom 28.07.1910 (WürttBauO) war in jeder Gemeinde ein Baulastenbuch zu führen. Nach Art. 99 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 WürttBauO ruhen u.a. solche Verpflichtungen als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück des Verpflichteten, die hinsichtlich der Unterlassung der Überbauung eines Grundstücks oder eines bestimmten Teiles desselben von dem Eigentümer der Baupolizeibehörde gegenüber übernommen werden, wenn sie in das Baulastenbuch eingetragen sind. Nach § 94 Abs. 2 der Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10.05.1911 (VV) (RegBl. S. 77) hat sich die Eintragung von Baulasten u.a. zu erstrecken auf die vollständige Angabe des Inhalts der Verpflichtung unter genauer Bezeichnung sowohl des von der Last betroffenen Grundstücks als, wenn die Last zugunsten eines bestimmten Grundstücks oder einer Mehrheit bestimmter Grundstücke übernommen worden ist, auch dieser Grundstücke.
54 
Davon ausgehend ist die Verpflichtung des Beigeladenen, eine Fläche von 3 m Breite unüberbaut zu lassen, offensichtlich wirksam geworden. Die Falschbezeichnung der Grundstücksgrenze „nordwestlich anstatt südöstlich“ in der Verpflichtungserklärung spielt keine Rolle, weil sie - entsprechend den Grundsätzen der „falsa demonstatio“ - bei der Eintragung dem wahren Willen des Erklärenden entsprechend korrigiert worden (vgl. zur Anwendung der allgemeinen Regeln einer Falschbezeichnung im Sachenrecht: BGH, Urteil vom 12.10.2012 - V ZR 187/11 - NJW-RR 2013, 789 Rn. 20 ff.). Unerheblich ist auch, dass im Baulastenbuch nicht der Wortlaut der Verpflichtungserklärung wiedergegeben ist. § 94 Abs. 2 VV ordnete ausdrücklich die Inhaltsangabe und keine wörtliche Übernahme an.
55 
Einen weiteren Inhalt hat die Baulast nicht. Soweit in der Verpflichtungserklärung vom 05.11.1931 ausdrücklich der Abstand von 2,50 m zur Baulastgrenze erwähnt ist, kann dahinstehen, ob dies erläuternden Charakter hatte oder ob der Rechtsvorgänger des Beigeladenen diese - aus der Ortsbausatzung der Beklagten stammende Abstandsvorschrift - auch als Teil der von ihm übernommenen Baulast verstanden wollen wusste. Selbst wenn der Fall sein sollte, fehlte es an der - nach Art. 99 Abs. 3 WürttBauO konstitutiven - Eintragung in das Baulastenbuch.
56 
(2) Die Baulast ist wie eine Abstandsflächenbaulast im Sinne des § 7 LBO zu behandeln. Sie diente zur Sicherung der der „besonderen Anbauvorschriften für das Bloosgebiet“. Die Übernahme der Verpflichtung ist als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen, wobei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“) (Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.01.2007 - 3 S 1251/06 - VBlBW 2007, 225). Aus den Erklärungen - wenn auch nicht aus dem Wortlaut der Eintragung der Baulast - ergibt sich eindeutig, dass die Baulasten der Wahrung des Gebäudeabstands aus den Anbauvorschriften für das Bloosgebiet geht. Denn dort ist der jeweils zu wahrende Abstand - auf dem Grundstück des Beigeladenen 2,50 m - in Bezug genommen. Es wird klargestellt, dass der Abstand zur Baulastgrenze einzuhalten ist. Es wird also nicht allein ein Bauverbot in dem Drei-Meter-Streifen geregelt. Da auch das Anrechnungsverbot aus § 7 LBO - wie die in der der Baulast zugrunde liegende Verpflichtungserklärung und die Anbauvorschriften für das Bloosgebiet - der Sache nach einem Mindestgebäudeabstand dient, ist die Baulast wie eine Abstandsflächenbaulast im Sinne des § 7 LBO zu behandeln mit der Folge, dass eine fiktive Parallelverschiebung der Grundstücksgrenze anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184).
57 
dd) Das Bauvorhaben hält die erforderlichen Abstände zur Baulastfläche ein.
58 
(1) Der nordöstliche und der mittlere Wandabschnitt sollen auf der - parallelverschobenen - Grenze errichtet werden. Die angegriffene Baugenehmigung erlaubt entgegen der Auffassung des Klägers keine Überbauung der Baulastfläche.
59 
(2) Der oder die südwestlichen Wandabschnitt(e) halten die erforderliche Abstandsflächentiefe von 2 m zur fiktiven Grundstücksgrenze ein.
60 
Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO beträgt die Tiefe der Abstandsflächen allgemein 0,4 der Wandhöhe. Sie darf aber nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO 2,5 m, bei Wänden bis 5 m Breite 2 m nicht unterschreiten.
61 
Der südwestliche Wandabschnitt einschließlich des Rücksprungs muss eine Abstandsflächentiefe von 2 m einhalten, da er eine Breite von 3,21 m und damit von nicht mehr als 5 m aufweist. Der Senat hält an seiner im Beschluss vom 15.09.2015 geäußerten Auffassung, es müsse hier eine Abstandsflächentiefe von 2,5 m eingehalten werden, nicht fest. Denn die Unterteilung einer Außenwand in verschiedene Wandabschnitte hat zur Konsequenz, dass jeder Wandabschnitt abstandsflächenrechtlich in allen Punkten - und damit auch bei Anwendung von § 5 Abs. 7 LBO und der Bestimmung seiner Länge - isoliert zu betrachten ist. Diese Betrachtung ist ebenfalls in § 5 Abs. 6 LBO angelegt, wenn dort die Breite von Vorbauten als Privilegierungsmerkmal dient.
62 
b) Auf die Vorschriften aus der Ortsbausatzung aus dem Jahr 1911/1912 kann sich der Kläger nicht berufen. Sie sind durch § 21 OBS 1957 aufgehoben worden.
63 
c) Auf die Bestimmungen zum Gebäudeabstand aus § 10 OBS 1957 kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen.
64 
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Vorschrift des § 10 OBS 1957 keine nachbarschützende Wirkung entfaltet (Senatsbeschluss vom 06.06.2007 - 8 S 63/07). Der Senat hat dazu ausgeführt:
65 
„Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs kommt aber derartigen Gebäudeabstandsvorschriften alter Bebauungspläne keine nachbarschützende Wirkung zu; sie dienen ausschließlich der städtebaulichen Gestaltung, nicht aber (zumindest auch) dem Nachbarschutz (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 24.09.1991 - 3 S 2049/91 -, VBlBW 1992, 105, vom 03.12.1991 - 3 S 2464/91 -, VBlBW 1992, 297/298 und vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344/346). Zwar könnte eine übergeleitete planungsrechtliche Vorschrift über den Abstand von Gebäuden auf aneinandergrenzenden Grundstücken nachbarschützende Wirkung dann entfalten, wenn sie in ihrer rechtlichen Wirkung der Festsetzung einer seitlichen Baugrenze nach § 23 Abs. 1 und 3 BauNVO gleichkäme (zum Nachbarschutz in derartigen Fällen vgl. den Senatsbeschluss vom 20.01.2005 - 8 S 3003/04 -, VBlBW 2005, 312/313 m.w.N.). Das ist hier jedoch - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht der Fall. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Überschrift des § 10 OBS („Gebäudeabstände“), dass mit der Vorschrift ausschließlich städtebaulich - gestalterische Zwecke verfolgt werden. Bestätigt wird dies dadurch, dass sich - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - aus der Summe des im nördlichen (3 m) und südlichen (4 m) Grundstücksteil einzuhaltenden Grenzabstandes genau der einzuhaltende Gebäudeabstand von 7 m ergibt. Daraus folgt, dass es sich bei den festgesetzten Grenzabständen lediglich um eine konkretisierende Aufteilung des Gebäudeabstandes im Bereich der betroffenen Grundstücke handelt, mit der im Interesse einer aufgelockerten Bebauung ausschließlich städtebaulich - gestalterische Zwecke verfolgt werden.“
66 
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Offen bleiben kann, ob § 10 OBS 1957 überhaupt noch Rechtsfolgen entfaltet. Zwar dürfte es zutreffen, dass die Bestimmung nicht wirksam als bauplanungsrechtliche Vorschrift nach § 173 BBauG 1960 übergeleitet worden ist, weil § 9 BBauG 1960 nicht zum Erlass von Vorschriften über Grenzabstände ermächtigte (Senatsurteil vom 09.11.1995 - 8 S 2383/95 - juris). Sie könnte jedoch als bauordnungsrechtliche Vorschrift nach § 118 Abs. 5 LBO 1964 weitergelten, soweit sie der LBO 1964 nicht widerspricht. Die Grenzabstandsregelung des § 7 Abs. 2 LBO 1964 - mindestens 3 m - steht jedenfalls bei Baustaffel 4 der Satzung nicht entgegen. Denn da in dieser Baustaffel nur zwei Stockwerke zulässig sind, widerspricht sie der ergänzenden Regelung für mehr als zwei Vollgeschosse aus § 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 1964 nicht. Ob sie der Regelung über Gebäudeabstände in § 9 LBO 1964 deshalb widerspricht, weil diese Vorschrift nur Abstände zwischen Gebäude-(teilen) auf demselben Grundstück regelte, lässt der Senat offen.
67 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen.
68 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
69 
B e s c h l u s s
vom 3. Dezember 2015
70 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,--EUR festgesetzt.
71 
Gründe
72 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat in Anwendung des Rechtsgedankens des § 71 Abs. 1 GKG an Nr. II 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) und nicht am Streitwertkatalog 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil die Klage vor dem 01.01.2014 erhoben worden ist (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.01.2015 - 15 C 14.508 -juris und Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.09.2014 - 7 LA 73/13 -juris). Einer Berücksichtigung des Streitwertkatalogs 2013 für das Berufungsverfahren steht § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG entgegen (siehe auch Senatsbeschluss vom 09.12.2015 - 8 S 1542/14 - juris).
73 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14

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Baurecht: Zur Bemessung der Abstandsflächen

21.07.2016

Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen, bilden eigenständige Wandabschnitte, für die - isoliert - die erforderlichen Abstandsflächentiefen einzuhalten sind.
Baugenehmigung
1 Artikel zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14.

Baurecht: Zur Bemessung der Abstandsflächen

21.07.2016

Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen, bilden eigenständige Wandabschnitte, für die - isoliert - die erforderlichen Abstandsflächentiefen einzuhalten sind.
Baugenehmigung

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Baugesetzbuch - BBauG | § 9 Inhalt des Bebauungsplans


(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung;2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;2a. vom

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 23 Überbaubare Grundstücksfläche


(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 79


(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 71 Übergangsvorschrift


(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderu

Baugesetzbuch - BBauG | § 173 Genehmigung, Übernahmeanspruch


(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmi

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2015 - 8 S 1531/14 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Okt. 2012 - V ZR 187/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 187/11 Verkündet am: 12. Oktober 2012 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Oktober 2012 durch die V

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2005 - XI ZR 171/04

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 171/04 Verkündet am: 15. Februar 2005 Weber, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ___

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2015 - 15 C 14.508

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I. Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 setzte das Bayerische Verwaltungsgeri

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Dez. 2015 - 8 S 1542/14

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 03. März 2015 - 3 S 1913/14

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Tenor Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen K

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Tenor Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurü

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. Aug. 2008 - 3 S 1668/07

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Tenor Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - wird geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Ko

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Apr. 2008 - 8 S 12/07

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Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausna

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Jan. 2007 - 3 S 1251/06

bei uns veröffentlicht am 10.01.2007

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicher

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. Jan. 2005 - 8 S 3003/04

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Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2004 - 13 K 4554/04 - wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergeri

Referenzen

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 171/04 Verkündet am:
15. Februar 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Auch die mehrfache Einlegung einer Berufung führt nicht zu einer Vervielfachung
der Berufungsverfahren, sondern zu einem einheitlichen Rechtsmittel, über das
einheitlich zu entscheiden ist. Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften
bei verschiedenen Gerichten, wenn die Berufungen nach Verweisung ein und
demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.
BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - OLG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 2004 - 9 U 90/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, nimmt al s Vertragsunternehmen das beklagte Kreditkartenunternehmen aus einem Kreditkartengeschäft in Anspruch.
Am 15. Februar 1999 schloß die Beklagte mit der Kl ägerin einen Vertrag über die Akzeptanz von VISA/Electron Karten. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war vorgesehen, daß die Beklagte alle fälligen Forderungen der Klägerin gegen Karteninhaber "kauft", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Unter Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde u.a. folgendes vereinbart:

"Das Vertragsunternehmen steht ... (Beklagte) dafür ein, daß Kartenbelastungen nur für Leistungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes erfolgen und keine nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Leistungen, insbesondere keine Kreditgewährungen oder andere Geldzahlungen zugrunde liegen." Mit "Vermittlungsauftrag und Vereinbarung einer Le istungsvergütung" verpflichtete sich ein Ehepaar aus der Schweiz im Mai 1999, für die Vermittlung des Objekts "G. " an die Klägerin eine sofort fällige Leistungsvergütung in Höhe von 2.000 CHF zu zahlen. Die Zahlung erfolgte per Kreditkarte. Die Beklagte schrieb den Betrag der Klägerin abzüglich Provision und Umsatzsteuer gut, nahm später aber eine Rückbelastung der Klägerin vor.
Ende 2001 hat die Klägerin unter ihrer deutschen N iederlassung Klage auf Zahlung von 2.316,48 DM nebst Zinsen erhoben. Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin vermittelte Vertrag sei ein TimeSharing -Vertrag, dieser sei unwirksam, gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin und sei deshalb von dem Kartenakzeptanzvertrag nicht erfaßt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Nachde m im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht klargestellt worden war, daß der in der Klage angegebene Geschäftsführer der Klägerin lediglich Leiter ihrer Niederlassung in Deutschland war, und die in der Schweiz ansässige Klägerin einen Handelsregisterauszug vorgelegt hatte, daß es sich hierbei nur um ihre unselbständige deutsche Niederlassung handelt, hat die Beklagte am 7. Oktober 2003 Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil beim
Oberlandesgericht eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt. Mit Beschluß vom 17. Dezember 2003 hat sich das Landgericht auf Antrag der Beklagten für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Oberlandesgericht verwiesen. Dieses hat die Berufung der Beklagten unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

A.


I.


Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten ist statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urtei lsformel ohne Einschränkung zugelassen. Der allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Begründung, die Zulassung erfolge wegen der bislang "nicht hinreichend geklärten Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels" , läßt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht die Einschränkung entnehmen, die Revision sei nur zugunsten der Klägerin
zugelassen worden. Die Klägerin ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert. Eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung wäre außerdem unzulässig mit der Folge, daß nur die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam wäre (Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

II.


Die Berufung der Beklagten ist entgegen der Ansich t der Revisionserwiderung nicht unzulässig.
1. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgeric hts sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Legt eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich zu entscheiden ist (BGHZ 45, 380, 383; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1985 - IVb ZR 129/84, NJW 1985, 2834, vom 15. Oktober 1992 - I ZB 8/92, NJW 1993, 269, vom 20. September 1993 - II ZB 10/93, WM 1993, 2141 und vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659 f.). Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften bei verschiedenen Gerichten jedenfalls dann, wenn die Berufungen nach Verweisung - wie hier - ein und demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.

2. Das Oberlandesgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch als funktionell zuständiges Gericht über die einheitliche Berufung der Beklagten entschieden.

a) Die Zuständigkeit ergibt sich, anders als das O berlandesgericht gemeint hat, allerdings nicht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem - erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils veröffentlichten - Beschluß vom 28. Januar 2004 (VIII ZB 66/03, WM 2004, 2227) entschieden, daß bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG im Berufungsverfahren regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Sie entspricht dem aus dem Grundsatz der Rechtssic herheit abgeleiteten Postulat der Rechtsmittelklarheit. Diese gebietet, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen und ihm insbesondere die Prüfung zu ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416 f.; 108, 341, 349). Würde in der Berufungsinstanz neues Vorbringen zum vor dem Amtsgericht unstreitigen Gerichtsstand einer Partei mit Konsequenzen für die Zulässigkeit der Berufung zugelassen , würde der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert und damit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 78, 88, 99; 96, 27, 39).

Funktionell zuständig wäre danach hier nicht das O berlandesgericht , sondern das Landgericht; denn in erster Instanz vor dem Amtsgericht war unstreitig, daß es sich bei der Klägerin um eine GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland handelte.

b) Gleichwohl ist das angefochtene Urteil nicht du rch ein funktionell nicht zuständiges Gericht erlassen worden. Das Landgericht hat sich nämlich durch Beschluß vom 17. Dezember 2003 für funktionell unzuständig erklärt und die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das Oberlandesgericht verwiesen.
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist der Verweisungsb eschluß für das in ihm bezeichnete Gericht bindend. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn er auf Willkür beruht. Hierfür genügt es aber nicht, daß der Beschluß inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn dem Beschluß jede rechtliche Grundlage fehlt; dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluß bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498 und vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201 f. jeweils m.w.Nachw.).
Das ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat b ei Erlaß des Verweisungsbeschlusses nicht verkannt, daß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Fall einer fehlenden funktionellen Zuständigkeit nicht gilt (vgl. BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95,
NJW-RR 1997, 55), daß Ausnahmen von diesem Grundsatz aber für den Fall anerkannt sind, daß aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes die Berufung bei verschiedenen Gerichten eingelegt werden kann (vgl. BGHZ 72, 182, 193; 155, 46, 51; BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - IVb ARZ 24/85, NJW 1986, 2764 f. und vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95, aaO). Das Landgericht ist dann zu dem Ergebnis gelangt, daß es im Hinblick auf die aus rechtsstaatlichen Gründen gebotene Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes in einem Fall wie hier erforderlich sei, § 281 ZPO entsprechend anzuwenden. Das ist auf der Grundlage der Annahme des Landgerichts, für die Entscheidung über die Berufung des Beklagten sei das Oberlandesgericht zuständig, jedenfalls nicht willkürlich. Das Oberlandesgericht hat über die Berufung des Beklagten deshalb als zuständiges Gericht entschieden.

B.


Auch in der Sache selbst hat die Revision keinen E rfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung - soweit für die Revision noch von Interesse - im wesentlichen ausgeführt :
Ein Anspruch auf Zahlung der Kartenumsätze stehe d er Klägerin aus Nr. 2 i.V. mit Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zu. Bei diesem Vertrag
handele es sich um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB, das unter der aufschiebenden Bedingung der Einreichung vertragsgemäßer Zahlungsbelege stehe. Daß die Klägerin hier einen den Anforderungen des Vertrages entsprechenden Beleg vorgelegt habe, sei unstreitig. Dem Anspruch der Klägerin stehe Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entgegen. Durch diese Klausel solle nur verhindert werden, daß Karteninhaber sich an anderen als den vom Kartenausgeber dafür vorgesehenen Stellen unkontrolliert und kostenfrei Bargeld verschaffen könnten. Daß darüber hinaus auch der Abschluß von Verträgen über Sach- oder Dienstleistungen ausgeschlossen werden solle, folge aus dem Wortlaut der Klausel nicht unmittelbar. Es sei nicht ersichtlich, warum Reisevermittlungsumsätze akzeptiert werden sollten, Umsätze aus Verträgen über andere Leistungen aber nicht. Zweifel am Umfang des Ausschlußtatbestandes gingen nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten keinen Vorbehalt, der Time-SharingGeschäfte ausnehme.
Dem Anspruch der Klägerin stehe auch nicht entgege n, daß ihr ein wirksamer Anspruch gegen ihre Kunden möglicherweise nicht zustehe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte beruhe auf einem abstrakten Schuldversprechen. Einwendungen aus dem Vertrag zwischen dem Vertragsunternehmen und dem Kunden seien der Beklagten daher grundsätzlich versagt. Die Parteien hätten eine Leistungsfreiheit der Beklagten in den Nr. 5, 7 und 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen. Die Unwirksamkeit von Time-Sharing-Verträgen werde davon nicht erfaßt. Darüber hinaus lasse der Vortrag der Beklagten weder
erkennen, ob ein Vertrag über Teilzeitwohnrechte vorliege, noch ob seitens der Kunden ein wirksamer Widerruf erfolgt sei.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung sta nd.
Die Klägerin hat als Vertragsunternehmen gegen das beklagte Kreditkartenunternehmen in der geltend gemachten Höhe einen Anspruch auf Auszahlung des getätigten Kreditkartenumsatzes.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, bei dem der Kreditkartenzahlung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft handele es sich um die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrags. Ein solches Geschäft gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Reisebüros. Die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrages liegt nicht außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes eines Reisebüros. Beim Time-Sharing handelt es sich in der Regel um zeitanteilige Nutzungsrechte an Ferienimmobilien , vor allem Ferienwohnungen und Ferienhäusern (Hildenbrand/ Kappus/Mäsch, Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz S. 17, 18; Drasdo, Teilzeit-Wohnrechtegesetz Einführung Rdn. 7; MünchKommBGB /Franzen 4. Aufl. Vor § 481 Rdn. 10, 11). Daß Time-Sharing vor allem als "Tourismusprodukt" (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2001) Einl. zum TzWrG Rdn. 39) Bedeutung hat, kommt auch in § 1 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. zum Ausdruck, wenn dort die Anwendung des Gesetzes an die entgeltliche Nutzung eines Wohngebäudes zu Erholungs- oder Wohnzwecken geknüpft wird. Nicht anders als
die Vermittlung von Ferienwohnungen kann deshalb auch die Vermittlung von Time-Sharing-Verträgen zum Geschäftsbetrieb eines Reisebüros gehören. Hier weist sowohl die Handelsregistereintragung der Klägerin als auch die Gewerbeanmeldung ihrer deutschen Niederlassung als Geschäftszweck unter anderem die Vermittlung von Teilzeitwohnrechten aus. Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß die Vermittlung solcher Verträge zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehört. Ob der Beklagten dies bekannt war, ist ohne Belang.
2. Zu Unrecht ist die Revision der Auffassung, dem Anspruch der Klägerin als Vertragsunternehmen eine vermeintliche Unwirksamkeit des mit ihren Kunden geschlossenen Vermittlungsvertrages entgegenhalten zu können.

a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen (BGHZ 150, 286, 294; 152, 75, 80; 157, 256, 261 ff.; Senatsurteile vom 16. März 2004 - XI ZR 13/03, WM 2004, 1031, 1032 und XI ZR 169/03, WM 2004, 1130, 1131), wobei die Entstehung des Anspruchs unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber steht. An dieser Rechtsprechung, die von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ist festzuhalten. Kreditkartenunternehmen können Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Kreditkarteninhaber und dem Vertragsunternehmen diesem - vorbehaltlich hier nicht getroffener abweichender vertraglicher Vereinbarungen - deshalb nur dann entgegenhalten , wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunterneh-
men rechtsmißbräuchlich in Anspruch nimmt. Eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt; das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, daß dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGHZ 152, 75, 82 m.w.Nachw.). Selbst wenn unterstellt wird, daß der zwischen der Klägerin und ihren in der Schweiz ansässigen Kunden geschlossene Vertrag über ein in Österreich auszuübendes Teilzeitnutzungsrecht widerruflich ist, ist das nicht der Fall. Denn die rechtzeitige Ausübung eines Widerrufs durch die Kunden ist streitig und ungeklärt.

b) Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg da rauf berufen, die Unwirksamkeit des Vermittlungsauftrags folge jedenfalls aus § 7 i.V. mit § 9 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F., da die Vereinbarung einer sofort fälligen Vermittlungsprovision in Höhe von ca. 15% des Preises eine Umgehung des Anzahlungsverbots des Teilzeit-Wohnrechtegesetzes a.F. darstelle. Ein Verstoß gegen das in § 7 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. normierte Anzahlungsverbot führt nach zutreffender ganz herrschender Meinung nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, weil das Fordern oder Annehmen der Anzahlung nur für den Unternehmer verboten ist (MünchKommBGB/Franzen 4. Aufl. § 486 Rdn. 15; Bamberger/Roth/ Eckert, BGB § 486 Rdn. 7; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 486 Rdn. 4; Palandt/Putzo, BGB 64. Aufl. § 486 Rdn. 7).

III.


Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

Tenor

Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.

2

Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.

3

Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.

5

Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.

7

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.

        
8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.

9

Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

10

Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.

12

B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

14

1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.

15

2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

16

II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.

17

C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

18

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

19

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.

20

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.

21

1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.

22

2. Die Parteien unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.

23

a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.

24

b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

25

3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

26

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.

27

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

28

bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.

29

cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

30

(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

31

(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.

32

(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.

33

dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.

34

ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.

35

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).

36

ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.

37

b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.

38

4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.

39

a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).

40

b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

41

aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.

43

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.

44

5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

45

D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.

46

E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Rosemarie Koglin    

        

    Mallmann    

                 

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - wird geändert. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer terrassiert angelegten Stützmauer.
Die Kläger sind Eigentümer des in Heilbronn gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. … (…straße …). Das östlich angrenzende Baugrundstück Flst.-Nr. … (…-Straße …) steht im Eigentum der Beigeladenen und ist mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut. Das Gelände steigt in seinem natürlichen Verlauf nach Osten hin stark an. Im Rahmen des das Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Beigeladenen betreffenden Baugenehmigungsverfahrens erhoben die Kläger Einwendungen wegen der in den Bauvorlagen nicht dargestellten Geländeabsicherung zu ihrem Grundstück. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass eine terrassiert angelegte Stützmauer genehmigungsabweichend ausgeführt worden war, gab sie der Beigeladenen mit Verfügung vom 23.07.2003 auf, für die Stützmauer auf der Westseite ihres Grundstücks einen Antrag auf Baugenehmigung einzureichen.
Am 29.08.2003 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur „Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken“ entlang der ca. 14,50 m langen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Kläger. Die eingereichten Pläne sehen eine Geländeaufschüttung (natürliche Geländehöhe 216,28 m) auf dem Baugrundstück von ca. einem Meter vor (EFH 217,25); die Erdgeschossfußbodenhöhe des Einfamilienhauses liegt nochmals etwa ½ Meter höher (EFH 217,60 m). Nach dem Bauantrag wird die Stützmauer nach Steinreihen versetzt bei einem Neigungswinkel von ca. 50 Grad gestuft ausgeführt. Die Stufenmauer besteht aus drei Natursteinreihen mit jeweils zwei Steinblöcken übereinander. Die untere Steinreihe wird auf einem Betonstreifenfundament entlang der Grundstücksgrenze zu den Klägern errichtet; die weiteren beiden Steinreihen sind jeweils um eine Steinbreite nach Osten zurückversetzt und ohne Fundament in den Hang eingesetzt. Mit den Steinreihen wird ein Höhenunterschied von insgesamt 3,62 m zwischen der Grundstücksgrenze und dem Baugrundstück der Beigeladenen überbrückt. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem nachfolgenden Schnitt:
Gegen das Vorhaben erhoben die Kläger im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung Einwendungen. Sie machten geltend, es fehle der Nachweis der Standsicherheit der Stützmauer, zumal die beiden oberen Mauerreihen ohne Fundament errichtet worden seien. Die Entwässerung auf dem Grundstück der Beigeladenen sei nicht sichergestellt, die vorgesehene Sickergrube sei nicht angelegt worden. Ferner seien die Abstandsflächen nicht eingehalten und dem Verunstaltungsverbot (§ 11 LBO) nicht Rechnung getragen worden.
Nachdem in der Folgezeit die Pläne nochmals - vor allem im Blick auf die Entwässerung - geändert worden waren, erteilte die Beklagte am 24.11.2003 die beantragte Baugenehmigung und wies die Einwendungen der Kläger zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004, den Klägern zugestellt am 23.09.2004, zurück.
Am 25.10.2004 - einem Montag - haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Beigeladene habe den erforderlichen Nachweis der Standsicherheit nach wie vor nicht geführt. Auch die einwandfreie Beseitigung des Niederschlagwassers sei nicht gesichert. Dies ergebe sich zweifelfrei aus der Stellungnahme eines von ihnen beauftragten Sachverständigen. Die Abstandsflächen seien nicht eingehalten und die genehmigungsabweichende Ausführung der Stützmauer müsse der Genehmigung selbst entgegen gehalten werden können.
Die Beklagte und die Beigeladene sind der Klage mit der Begründung entgegen getreten, die Abstandsflächen seien eingehalten. Die mittlere Doppelsteinreihe überschreite die Höhe von 2,50 m nicht und sei somit ohne Einhaltung einer Abstandsfläche zulässig. Für die obere Doppelsteinreihe sei eine Abstandsfläche von mindestens 2,50 m erforderlich, die eingehalten sei. Die errichtete und die genehmigte Stützmauer seien nicht identisch; die Beigeladene müsse bauliche Änderungen vornehmen, insbesondere die beiden oberen Steinreihen versetzen und die in den genehmigten Plänen dargestellten Höhen und Abstände einhalten. Der Bausachverständige Dipl-Ing. xxxxx (Ingenieur für Geotechnik) habe die Standsicherheit der Mauer bestätigt.
Mit Urteil vom 24.10.2006 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Baugenehmigung der Beklagten vom 24.11.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21.09.2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die angefochtene Baugenehmigung verletze die zugunsten der Klägerin nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften der §§ 5 und 6 LBO. Die terrassiert angelegte Stützmauer erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 9 LBO, so dass Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Mauer stelle bei natürlicher Betrachtungsweise „eine“ bauliche Anlage dar, deren Höhe von der ersten Steinlage bis zur oberen Steinlage knapp vier Meter erreiche. Das Gericht teile nicht die Einschätzung der Beklagten, dass die Stützmauer abstandsflächenrechtlich je nach Steinreihe horizontal unterteilt werden könne. Die Stützmauer sei auch nicht nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO innerhalb der Abstandsflächen anderer Gebäude zulässig. Ebenso scheide eine Zulassung der Stützmauer nach § 6 Abs. 4 LBO aus.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 18.07.2007 die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
10 
Am 09.08.2007 hat die Beklagte die Berufung im Einzelnen begründet und geltend gemacht: Zwar stimme sie dem Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit zu, als die terrassiert angelegte Stützmauer eine einheitliche bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO darstelle und somit Abstandsflächen einhalten müsse. Vorliegend seien jedoch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gegeben. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Kläger eine Mauer in Höhe von 2,50 m direkt auf der Grenze und darüber eine Böschung mit einer Neigung von 45 Grad akzeptieren müssten, ohne dass Abstandsflächen einzuhalten seien. Die genehmigte Situation sei für die Kläger hingegen wesentlich günstiger. Daher würden ihre nachbarlichen Belange geringer beeinträchtigt als bei der gesetzlich (ohne Abweichung) zulässigen Ausführung.
11 
Zu Veranschaulichung hat die Beklagte folgende (vergleichende) Skizze gefertigt:
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angegriffene Urteil und führen weiter aus, die steile Anböschung durch die Natursteinmauer diene allein der besseren Ausnutzung des Grundstücks der Beigeladenen. Die von der Beklagten hypothetisch angenommene Anböschung von 45 Grad über einer 2,50 m hohen Mauer ließe sich gar nicht umsetzen. Ihrem Grundstück nehme die steile und massive Grenzmauer Sonne und Licht, so dass auch das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei.
17 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
19 
Sie führt aus, die erforderlichen Maße des § 5 Abs. 9 LBO seien durch die terrassenförmig angelegte Stützmauer nicht überschritten. Für die Berechnung der Höhe der baulichen Anlage seien die Wertungen des Gesetzgebers in § 5 Abs. 5 LBO zu berücksichtigen. Ein auf einem Haus befindliches Dach sei bei der Abstandsflächenberechnung des Gebäudes bei einer Neigung von mehr als 45 Grad nur zu einem Viertel zu berücksichtigen. Entsprechendes müsse für die Berechnung der Höhe der „Stufenmauer“ gelten. Zu Unrecht setze das Verwaltungsgericht die terrassenförmig angelegte Mauer mit einer senkrechten Mauer, die den Nachbar wesentlich stärker beeinträchtige, gleich. Jedenfalls sei die Mauer aber nach § 6 Abs. 4 LBO zuzulassen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und Urkunden sowie auf die dem Gericht vorliegenden Behördenakten und die Akten des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der Monatsfrist den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO entsprechend begründet.
22 
Die Berufung ist begründet, denn die im Streit stehende Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken vom 24.11.2003 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Namentlich steht die angefochtene Baugenehmigung mit den Normen des öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenrechts (§§ 5 und 6 LBO) und den weiteren von den Klägern thematisierten bauordnungsrechtlichen Vorschriften sowie dem Gebot der Rücksichtnahme im Einklang.
23 
1. a) Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat - anders als die Beigeladene - zunächst davon aus, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts auf die in Rede stehende, terrassiert angelegte Stützmauer Anwendung finden. Nach § 5 Abs. 9 LBO gelten die - für Gebäude anwendbaren - Absätze 1 bis 8 des § 5 LBO entsprechend für bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 m 2 beträgt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift finden die Abstandsvorschriften somit auf bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nur Anwendung, wenn beide der in der Regelung genannten Maße überschritten sind (st. Rspr., vgl. etwa Urteile des Senats vom 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23, und vom 01.06.1994 - 3 S 2617/92 - juris). Die im Streit stehende Stützmauer ist ohne weiteres eine bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO (vgl. auch Sauter, LBO, Band 1, § 5 RdNr. 111; zu einem Lärmschutzwall vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.11.1995 - 5 S 5/95 -, VBlBW 1997, 178). Bei der Frage, ob sie höher ist als 2,5 m, ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat - auf die Höhe der gesamten baulichen Anlage abzustellen. Zu dieser Annahme zwingt zunächst eine rein formelle Betrachtungsweise, denn die Beigeladene hat die Stützmauer als einheitliche bauliche Anlage zur Genehmigung gestellt und - trotz deren terrassiert geplanter Errichtung - nicht etwa mehrere Bauanträge für mehrere Mauern eingereicht. Nur diese Betrachtungsweise wird aber auch materiell-rechtlich dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 9 LBO gerecht, der bauliche Anlagen, von denen eine Wirkung wie von Gebäuden ausgeht, dem Regime des Abstandsflächenrechts unterwerfen will (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984 - 3 S 976/84 -; siehe auch § 6 Abs. 1 Satz 2 der Musterbauordnung). Dass insoweit auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen ist, liegt auf der Hand und entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 8 LBO 1983 (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984, a.a.O., UA S. 4 zu zwei nebeneinander errichteten Werbeanlagen, die insgesamt, nicht aber jede für sich, die zulässige Wandfläche von 25 m 2 überschritten haben). Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise ist die Stützmauer gerade im Blick auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) als einheitliche bauliche Anlage anzusehen, zumal die einzelnen Abschnitte der Stützmauer auch funktional - gerade hinsichtlich der Standsicherheit und Entwässerung - miteinander verknüpft und „aufeinander angewiesen“ sind. Hierfür spricht letztlich auch das Wortlautargument im systematischen Kontext des § 5 Abs. 9 LBO. Denn anders als die sonstigen Regelungen des § 5 LBO (vgl. etwa Absätze 4 und 5) knüpft dessen Absatz 9 nicht an das Tatbestandsmerkmal der Wandhöhe an, sondern spricht von der „Höhe der baulichen Anlage“. Daher ist für die Frage nach dem „Ob“ der Anwendbarkeit der Abstandsvorschriften auf eine einheitliche Betrachtungsweise abzustellen, während bei der Frage nach dem „Wie“ der Anwendung, insbesondere der Bemessung der Abstandsflächentiefen bezogen auf einzelne Mauerabschnitte, der Wandhöhe eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dass auch die für § 5 Abs. 9 LBO maßgebliche Wandfläche von 25 m 2 deutlich überschritten ist, ist offensichtlich und steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
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b) Finden somit auf die im Streit stehende Stützmauer die Abstandsflächenvorschriften Anwendung, bedarf der Klärung, welche Tiefe die Abstandsflächen zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einhalten müssen und ob sie - wie es § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO bestimmt - auf dem Baugrundstück selbst zu liegen kommen. Nach § 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche (unterer Bezugspunkt) bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (oberer Bezugspunkt). Das Verwaltungsgericht hat eine einheitliche Wandhöhe für die gesamte Stützmauer errechnet und damit fingiert, dass die terrassiert angelegte Stützmauer als einheitliche Wand mit einer Wandhöhe von 3,62 m (die auf UA S. 5 angegebene Differenz von 3,97 m dürfte rechnerisch unrichtig sein) an der Grundstücksgrenze genehmigt worden ist. Diese Betrachtungsweise wird indes § 5 Abs. 4 LBO nicht gerecht. Denn die nach hinten versetzte Bauweise ist für die Kläger in Bezug auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) vorteilhaft. Darüber hinaus negiert die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts die nach Osten hin stark ansteigende natürliche Geländeoberfläche. Beiden Umständen wird somit nur eine Berechnung der Abstandsflächenvorschriften gerecht, welche die - die Nachbarn „schonendere“ - Terrassenbauweise berücksichtigt (vgl. zu Terrassenhäusern ebenso Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65 und Abbildungen zu § 5 Nrn. 7 und 8; v. Arnim, in: Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO, § 5 RdNr. 45). Hierbei ist die Wandhöhe der zurückliegenden Wände durch eine gedachte Verlängerung dieser Wände bis zum Schnitt mit der natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln (Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65). Bezogen auf die genehmigte Stützmauer ergeben sich demnach Wandhöhen von 100 cm (unterste Terrasse), 170 cm (mittlere Terrasse) und 230 cm (oberste Terrasse). Aus den auf diese Weise errechneten Wandhöhen ist sodann - wie auch sonst bei der Bemessung von Abstandsflächen - nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO der nachbarschützende Teil der Abstandstiefe zu errechnen. Er beträgt 40 cm für die unterste Terrasse, 68 cm (mittlere Terrasse) und 92 cm (oberste Terrasse). Da die Grenzmauer - anders als etwa kleinere Grenzgaragen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO oder niedrige Gebäudeteile mit einer Grenzbebauung von höchstens 9 m Länge (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 4 LBO) - nicht gesetzlich privilegiert ist, muss sie den Mindestabstand des § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO wahren und demnach eine Abstandsfläche von 2,5 m einhalten. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die genehmigte Stützmauer - dies räumt mittlerweile auch die Beklagte ein - ohne die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nicht genehmigungsfähig wäre.
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2. Die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der im Streit stehenden Stützmauer ergibt sich indes aus § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegen stehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden, ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO nachbarschützenden Teil unterschreitende Tiefe der Abstandsfläche regelmäßig zu einer erheblichen und damit nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des betreffenden Nachbarn führt. Denn mit der Beschränkung des Nachbarschutzes auf ein bestimmtes Maß der Abstandsflächentiefe bestimmt der Gesetzgeber zugleich die Grenzen dessen, was einem Grundstückseigentümer durch die Bebauung eines Nachbargrundstücks in Bezug auf die damit verbundene Beeinträchtigung der Besonnung, Belichtung und Belüftung seines eigenen Grundstücks (noch) zugemutet werden kann. Eine Unterschreitung dieses Maßes stellt damit grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (kritisch hierzu allerdings Sauter, a.a.O., § 6 RdNr. 48 b). Wegen der Anknüpfung dieser Rechtsprechung an die normative Wertung der Abstandsflächenvorschriften bedarf diese Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO indes - jenseits der durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichneten Fälle (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -; Urteil vom 04.08.1997 - 5 S 663/96 -; Beschluss vom 29.01.1999 - 5 S 2971/98 -; Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -; Urteil vom 08.11.1999 - 8 S 1668/999 -; Beschluss vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 - juris), um die es hier nicht geht - dann der Korrektur, wenn sich den Abstandsflächenvorschriften selbst eine andere Wertung des Gesetzgebers entnehmen lässt. Dies ist hier der Fall.
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Denn der Gesetzgeber hat für die identische Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen wie die hier in Rede stehende deren abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO angeordnet. Nach dieser Vorschrift sind in den Abstandsflächen zulässig bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 m² beträgt. Nach der Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Verwaltungsgerichtshofs sind die in § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO bezeichneten baulichen Anlagen nicht bereits dann in den Abstandsflächen unzulässig, wenn eines der beiden genannten Maße überschritten wird, sondern erst dann, wenn beide Maße überschritten werden (vgl. dazu jüngst ausführlich - auch zur Historie der Norm - VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, juris m.w.N.; Sauter, a.a.O. § 6 RdNr. 56). Zwar findet § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO auf die genehmigte und hier im Streit stehende abgetreppte Grenzmauer keine Anwendung, weil diese sich nicht in den Abstandsflächen einer anderen baulichen Anlage befindet. Indes lässt sich der Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO entnehmen, dass die untere und die mittlere Terrasse in den Abstandsflächen der obersten Terrasse zulässig wären, hätte die Beigeladene diese als selbstständige Mauer errichtet. Denn die oberste Terrasse hält nach der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung die Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger mit einem Abstand von 2,5 m ein. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Im Blick auf die mit den Abstandsflächenvorschriften geschützten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung ist gänzlich unerheblich, ob diese letzte Stufe der abgetreppten Stützmauer als (unselbstständige) Terrasse oder als (selbstständige) Mauer errichtet wird. Hätte sich die Beigeladene für die zweite Variante entschieden, wären die beiden unteren Stufen der terrassiert angelegten Mauer - da sie in den Abstandsflächen der fiktiv als Mauer ausgeführten obersten Stufe nicht höher als 2,5 m wären - nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO zulässig. Der Gesetzgeber hält somit die Beeinträchtigung der Kläger nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO für zumutbar, auch wenn die in Rede stehende bauliche Anlage - die genehmigte Stützmauer - durch diese Vorschrift abstandsflächenrechtlich nicht gedeckt wird.
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In solchen besonderen Fällen muss von dem Grundsatz, dass jede Unterschreitung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß und die Wirkung dieser Unterschreitung ankommt (vgl. statt vieler: Urteil des Senats vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris), eine Ausnahme auch dann zugelassen werden, wenn die Situation nicht durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichnet ist. Denn es wäre mit dem abstandsflächenrechtlichen Regelungsregime nicht vereinbar, die Genehmigung einer baulichen Anlage abzulehnen, wenn von dieser nur solche Beeinträchtigungen ausgehen, die der Gesetzgeber selbst für abstandsflächenrechtlich zulässig hält. Dies ist hier - wie gezeigt - im Blick auf die Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO der Fall.
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Obwohl es nach dem Vorstehenden hierauf nicht mehr ankommt, hält der Senat den von der Beklagten aufgezeigten Vergleich (vgl. hierzu die Skizze oben Seite 6) mit einer unmittelbar an der Grenze errichteten 2,5 m hohen Mauer und einer hierauf ansetzenden Böschung von 45 Grad dem gegenüber für wenig überzeugend. Zwar trifft zu, dass eine Grenzmauer mit einer Höhe von 2,5 m abstandsflächenrechtlich ohne weiteres zulässig wäre (arg. e. § 5 Abs. 9 LBO). Soweit hierauf allerdings zusätzlich eine Anböschung im Neigungswinkel von 45 Grad aufsetzen soll, dürfte diese aber - anders als die Beklagte unter missverständlicher Berufung auf Sauter (a.a.O., § 6 RdNr. 48 d und Abbildung 7 zu § 6 LBO) meint - kaum ohne weiteres anrechnungsfrei bleiben. Zwar hat der Gesetzgebers Entsprechendes für Dächer angeordnet (vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), und auch § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO ist zu entnehmen, dass die Anböschung von unter der Geländeroberfläche liegenden Aufenthaltsräumen nicht größer als 45 Grad sein darf. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Aufbauten mit Neigungen bis zu 45 Grad grundsätzlich abstandsflächenrechtlich anrechnungsfrei bleiben, hat der Gesetzgeber jedoch gerade nicht konstatiert. Vielmehr handelt es sich in den Fällen des § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO regelmäßig nicht um Grenzbauten, sondern um abstandsflächenpflichtige Gebäude und damit um gänzlich andere Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks. Soweit Dächer mit einer Dachneigung bis 45 Grad auf Grenzgaragen anrechnungsfrei bleiben (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), handelt es sich zum einen wiederum um eine Ausnahmevorschrift. Zum anderen wirkt insoweit § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO als Korrektiv, der die Grenzbebauung - und damit die Beeinträchtigung des Nachbarn - auf 9 m je Grundstücksgrenze beschränkt. Bei § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO wiederum steht nicht das nachbarliche Austauschverhältnis in Rede, sondern die Mindestanforderungen an die Eignung eines Aufenthaltsraums. Insoweit erscheint dem Senat der von der Beklagten angestellte Vergleich für dem vorliegenden Fall unbehelflich.
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3. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Kläger ferner nicht aus anderen - bauordnungsrechtlichen - Gründen in eigenen Rechten.
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a) Nach § 33 Abs. 3 LBO dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die einwandfreie Beseitigung des Abwassers und des Niederschlagswassers dauernd gesichert ist. Ob diese Vorschrift nachbarschützend ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Klärung (vgl. dazu Hessischer VGH, Urteil vom 31.01.2002 - 4 UE 2231/95 -, BauR 2003, 866; Beschluss vom 25.03.2004 - 9 UZ 2458/03 - BauR 2005, 762; Sauter, LBO, Band 1, § 33 RdNr. 20 m.w.N.). Denn die genehmigten Bauvorlagen sehen neben Drainagen und einem Streifenfundament auch zwei Sickergruben zur Aufnahme und Ableitung des Niederschlagswassers vor. Damit ist - was auch die Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt haben - den Anforderungen des § 33 Abs. 3 LBO hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen findet sich in der Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung eine entsprechende Auflage, von deren Einhaltbarkeit nach dem Vorstehenden ohne weiteres ausgegangen werden kann; Gegenteiliges machen die Kläger auch nicht geltend. Ob der derzeitige Zustand der Stützmauer diesen Vorgaben bereits entspricht, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne Belang.
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b) Soweit die Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemacht haben, die Stützmauer verunstalte die Umgebung, namentlich ihr eigenes Grundstück, da sie wie „das Bollwerk eines Steinbruchs“ auf ihr Grundstück wirke, verhilft auch dieses Vorbringen ihrer Klage nicht zum Erfolg. Denn die damit in Bezug genommene Vorschrift ist bereits nicht nachbarschützend und kann daher eine Verletzung in eigenen Rechten nicht begründen (vgl. Sauter, a.a.O, § 11 RdNr. 9 m.w.N.).
32 
c) Soweit die Kläger schließlich die Standsicherheit der errichteten Mauer im Blick auf den auf sie wirkenden seitlichen Schub und die fehlerhafte Gründung bezweifeln, bleibt ihr Begehren ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LBO, dem nachbarschützende Wirkung zukommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.02.1987 - 8 S 2582/86 -, ESVGH 38, 75; Sauter, a.a.O., § 13 RdNr. 2), müssen bauliche Anlagen sowohl im ganzen als auch in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Diese Vorschrift ist durch die angefochtene Baugenehmigung erkennbar nicht verletzt. Das Vorbringen der Kläger zielte vielmehr allein auf die ursprünglich errichtete Mauer ab, die mit der genehmigten - hier in Rede stehenden - Stützmauer gerade wegen der weitergehenden Anforderungen an die Standsicherheit (Drainage, Gründung, Entwässerung) nicht identisch ist. Anhaltspunkte, dass die genehmigte Stützmauer nicht standsicher errichtet werden kann, bestehen nicht. Auch die Kläger haben Entsprechendes nicht behauptet.
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4. Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen das - bauplanungsrechtliche - Gebot der Rücksichtnahme nicht vor (vgl. zu dessen Inhalt: Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147). Denn bei Berücksichtigung der natürlichen Geländeoberfläche, der Lage der Mauer im Osten des Grundstücks der Kläger und ihrer - absolut gesehen - geringen Höhe über der Geländeroberfläche sowie der Vereinbarkeit der durch sie ausgehenden Beeinträchtigungen mit den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben, ist für die Annahme einer rücksichtslosen Betroffenheit der Kläger durch die Mauer kein Raum.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
35 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
36 
B e s c h l u s s vom 13. August 2008
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
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Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der Monatsfrist den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO entsprechend begründet.
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Die Berufung ist begründet, denn die im Streit stehende Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken vom 24.11.2003 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Namentlich steht die angefochtene Baugenehmigung mit den Normen des öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenrechts (§§ 5 und 6 LBO) und den weiteren von den Klägern thematisierten bauordnungsrechtlichen Vorschriften sowie dem Gebot der Rücksichtnahme im Einklang.
23 
1. a) Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat - anders als die Beigeladene - zunächst davon aus, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts auf die in Rede stehende, terrassiert angelegte Stützmauer Anwendung finden. Nach § 5 Abs. 9 LBO gelten die - für Gebäude anwendbaren - Absätze 1 bis 8 des § 5 LBO entsprechend für bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 m 2 beträgt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift finden die Abstandsvorschriften somit auf bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nur Anwendung, wenn beide der in der Regelung genannten Maße überschritten sind (st. Rspr., vgl. etwa Urteile des Senats vom 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23, und vom 01.06.1994 - 3 S 2617/92 - juris). Die im Streit stehende Stützmauer ist ohne weiteres eine bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO (vgl. auch Sauter, LBO, Band 1, § 5 RdNr. 111; zu einem Lärmschutzwall vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.11.1995 - 5 S 5/95 -, VBlBW 1997, 178). Bei der Frage, ob sie höher ist als 2,5 m, ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat - auf die Höhe der gesamten baulichen Anlage abzustellen. Zu dieser Annahme zwingt zunächst eine rein formelle Betrachtungsweise, denn die Beigeladene hat die Stützmauer als einheitliche bauliche Anlage zur Genehmigung gestellt und - trotz deren terrassiert geplanter Errichtung - nicht etwa mehrere Bauanträge für mehrere Mauern eingereicht. Nur diese Betrachtungsweise wird aber auch materiell-rechtlich dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 9 LBO gerecht, der bauliche Anlagen, von denen eine Wirkung wie von Gebäuden ausgeht, dem Regime des Abstandsflächenrechts unterwerfen will (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984 - 3 S 976/84 -; siehe auch § 6 Abs. 1 Satz 2 der Musterbauordnung). Dass insoweit auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen ist, liegt auf der Hand und entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 8 LBO 1983 (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984, a.a.O., UA S. 4 zu zwei nebeneinander errichteten Werbeanlagen, die insgesamt, nicht aber jede für sich, die zulässige Wandfläche von 25 m 2 überschritten haben). Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise ist die Stützmauer gerade im Blick auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) als einheitliche bauliche Anlage anzusehen, zumal die einzelnen Abschnitte der Stützmauer auch funktional - gerade hinsichtlich der Standsicherheit und Entwässerung - miteinander verknüpft und „aufeinander angewiesen“ sind. Hierfür spricht letztlich auch das Wortlautargument im systematischen Kontext des § 5 Abs. 9 LBO. Denn anders als die sonstigen Regelungen des § 5 LBO (vgl. etwa Absätze 4 und 5) knüpft dessen Absatz 9 nicht an das Tatbestandsmerkmal der Wandhöhe an, sondern spricht von der „Höhe der baulichen Anlage“. Daher ist für die Frage nach dem „Ob“ der Anwendbarkeit der Abstandsvorschriften auf eine einheitliche Betrachtungsweise abzustellen, während bei der Frage nach dem „Wie“ der Anwendung, insbesondere der Bemessung der Abstandsflächentiefen bezogen auf einzelne Mauerabschnitte, der Wandhöhe eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dass auch die für § 5 Abs. 9 LBO maßgebliche Wandfläche von 25 m 2 deutlich überschritten ist, ist offensichtlich und steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
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b) Finden somit auf die im Streit stehende Stützmauer die Abstandsflächenvorschriften Anwendung, bedarf der Klärung, welche Tiefe die Abstandsflächen zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einhalten müssen und ob sie - wie es § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO bestimmt - auf dem Baugrundstück selbst zu liegen kommen. Nach § 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche (unterer Bezugspunkt) bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (oberer Bezugspunkt). Das Verwaltungsgericht hat eine einheitliche Wandhöhe für die gesamte Stützmauer errechnet und damit fingiert, dass die terrassiert angelegte Stützmauer als einheitliche Wand mit einer Wandhöhe von 3,62 m (die auf UA S. 5 angegebene Differenz von 3,97 m dürfte rechnerisch unrichtig sein) an der Grundstücksgrenze genehmigt worden ist. Diese Betrachtungsweise wird indes § 5 Abs. 4 LBO nicht gerecht. Denn die nach hinten versetzte Bauweise ist für die Kläger in Bezug auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) vorteilhaft. Darüber hinaus negiert die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts die nach Osten hin stark ansteigende natürliche Geländeoberfläche. Beiden Umständen wird somit nur eine Berechnung der Abstandsflächenvorschriften gerecht, welche die - die Nachbarn „schonendere“ - Terrassenbauweise berücksichtigt (vgl. zu Terrassenhäusern ebenso Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65 und Abbildungen zu § 5 Nrn. 7 und 8; v. Arnim, in: Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO, § 5 RdNr. 45). Hierbei ist die Wandhöhe der zurückliegenden Wände durch eine gedachte Verlängerung dieser Wände bis zum Schnitt mit der natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln (Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65). Bezogen auf die genehmigte Stützmauer ergeben sich demnach Wandhöhen von 100 cm (unterste Terrasse), 170 cm (mittlere Terrasse) und 230 cm (oberste Terrasse). Aus den auf diese Weise errechneten Wandhöhen ist sodann - wie auch sonst bei der Bemessung von Abstandsflächen - nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO der nachbarschützende Teil der Abstandstiefe zu errechnen. Er beträgt 40 cm für die unterste Terrasse, 68 cm (mittlere Terrasse) und 92 cm (oberste Terrasse). Da die Grenzmauer - anders als etwa kleinere Grenzgaragen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO oder niedrige Gebäudeteile mit einer Grenzbebauung von höchstens 9 m Länge (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 4 LBO) - nicht gesetzlich privilegiert ist, muss sie den Mindestabstand des § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO wahren und demnach eine Abstandsfläche von 2,5 m einhalten. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die genehmigte Stützmauer - dies räumt mittlerweile auch die Beklagte ein - ohne die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nicht genehmigungsfähig wäre.
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2. Die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der im Streit stehenden Stützmauer ergibt sich indes aus § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegen stehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden, ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO nachbarschützenden Teil unterschreitende Tiefe der Abstandsfläche regelmäßig zu einer erheblichen und damit nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des betreffenden Nachbarn führt. Denn mit der Beschränkung des Nachbarschutzes auf ein bestimmtes Maß der Abstandsflächentiefe bestimmt der Gesetzgeber zugleich die Grenzen dessen, was einem Grundstückseigentümer durch die Bebauung eines Nachbargrundstücks in Bezug auf die damit verbundene Beeinträchtigung der Besonnung, Belichtung und Belüftung seines eigenen Grundstücks (noch) zugemutet werden kann. Eine Unterschreitung dieses Maßes stellt damit grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (kritisch hierzu allerdings Sauter, a.a.O., § 6 RdNr. 48 b). Wegen der Anknüpfung dieser Rechtsprechung an die normative Wertung der Abstandsflächenvorschriften bedarf diese Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO indes - jenseits der durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichneten Fälle (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -; Urteil vom 04.08.1997 - 5 S 663/96 -; Beschluss vom 29.01.1999 - 5 S 2971/98 -; Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -; Urteil vom 08.11.1999 - 8 S 1668/999 -; Beschluss vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 - juris), um die es hier nicht geht - dann der Korrektur, wenn sich den Abstandsflächenvorschriften selbst eine andere Wertung des Gesetzgebers entnehmen lässt. Dies ist hier der Fall.
26 
Denn der Gesetzgeber hat für die identische Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen wie die hier in Rede stehende deren abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO angeordnet. Nach dieser Vorschrift sind in den Abstandsflächen zulässig bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 m² beträgt. Nach der Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Verwaltungsgerichtshofs sind die in § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO bezeichneten baulichen Anlagen nicht bereits dann in den Abstandsflächen unzulässig, wenn eines der beiden genannten Maße überschritten wird, sondern erst dann, wenn beide Maße überschritten werden (vgl. dazu jüngst ausführlich - auch zur Historie der Norm - VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, juris m.w.N.; Sauter, a.a.O. § 6 RdNr. 56). Zwar findet § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO auf die genehmigte und hier im Streit stehende abgetreppte Grenzmauer keine Anwendung, weil diese sich nicht in den Abstandsflächen einer anderen baulichen Anlage befindet. Indes lässt sich der Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO entnehmen, dass die untere und die mittlere Terrasse in den Abstandsflächen der obersten Terrasse zulässig wären, hätte die Beigeladene diese als selbstständige Mauer errichtet. Denn die oberste Terrasse hält nach der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung die Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger mit einem Abstand von 2,5 m ein. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Im Blick auf die mit den Abstandsflächenvorschriften geschützten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung ist gänzlich unerheblich, ob diese letzte Stufe der abgetreppten Stützmauer als (unselbstständige) Terrasse oder als (selbstständige) Mauer errichtet wird. Hätte sich die Beigeladene für die zweite Variante entschieden, wären die beiden unteren Stufen der terrassiert angelegten Mauer - da sie in den Abstandsflächen der fiktiv als Mauer ausgeführten obersten Stufe nicht höher als 2,5 m wären - nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO zulässig. Der Gesetzgeber hält somit die Beeinträchtigung der Kläger nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO für zumutbar, auch wenn die in Rede stehende bauliche Anlage - die genehmigte Stützmauer - durch diese Vorschrift abstandsflächenrechtlich nicht gedeckt wird.
27 
In solchen besonderen Fällen muss von dem Grundsatz, dass jede Unterschreitung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß und die Wirkung dieser Unterschreitung ankommt (vgl. statt vieler: Urteil des Senats vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris), eine Ausnahme auch dann zugelassen werden, wenn die Situation nicht durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichnet ist. Denn es wäre mit dem abstandsflächenrechtlichen Regelungsregime nicht vereinbar, die Genehmigung einer baulichen Anlage abzulehnen, wenn von dieser nur solche Beeinträchtigungen ausgehen, die der Gesetzgeber selbst für abstandsflächenrechtlich zulässig hält. Dies ist hier - wie gezeigt - im Blick auf die Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO der Fall.
28 
Obwohl es nach dem Vorstehenden hierauf nicht mehr ankommt, hält der Senat den von der Beklagten aufgezeigten Vergleich (vgl. hierzu die Skizze oben Seite 6) mit einer unmittelbar an der Grenze errichteten 2,5 m hohen Mauer und einer hierauf ansetzenden Böschung von 45 Grad dem gegenüber für wenig überzeugend. Zwar trifft zu, dass eine Grenzmauer mit einer Höhe von 2,5 m abstandsflächenrechtlich ohne weiteres zulässig wäre (arg. e. § 5 Abs. 9 LBO). Soweit hierauf allerdings zusätzlich eine Anböschung im Neigungswinkel von 45 Grad aufsetzen soll, dürfte diese aber - anders als die Beklagte unter missverständlicher Berufung auf Sauter (a.a.O., § 6 RdNr. 48 d und Abbildung 7 zu § 6 LBO) meint - kaum ohne weiteres anrechnungsfrei bleiben. Zwar hat der Gesetzgebers Entsprechendes für Dächer angeordnet (vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), und auch § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO ist zu entnehmen, dass die Anböschung von unter der Geländeroberfläche liegenden Aufenthaltsräumen nicht größer als 45 Grad sein darf. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Aufbauten mit Neigungen bis zu 45 Grad grundsätzlich abstandsflächenrechtlich anrechnungsfrei bleiben, hat der Gesetzgeber jedoch gerade nicht konstatiert. Vielmehr handelt es sich in den Fällen des § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO regelmäßig nicht um Grenzbauten, sondern um abstandsflächenpflichtige Gebäude und damit um gänzlich andere Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks. Soweit Dächer mit einer Dachneigung bis 45 Grad auf Grenzgaragen anrechnungsfrei bleiben (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), handelt es sich zum einen wiederum um eine Ausnahmevorschrift. Zum anderen wirkt insoweit § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO als Korrektiv, der die Grenzbebauung - und damit die Beeinträchtigung des Nachbarn - auf 9 m je Grundstücksgrenze beschränkt. Bei § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO wiederum steht nicht das nachbarliche Austauschverhältnis in Rede, sondern die Mindestanforderungen an die Eignung eines Aufenthaltsraums. Insoweit erscheint dem Senat der von der Beklagten angestellte Vergleich für dem vorliegenden Fall unbehelflich.
29 
3. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Kläger ferner nicht aus anderen - bauordnungsrechtlichen - Gründen in eigenen Rechten.
30 
a) Nach § 33 Abs. 3 LBO dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die einwandfreie Beseitigung des Abwassers und des Niederschlagswassers dauernd gesichert ist. Ob diese Vorschrift nachbarschützend ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Klärung (vgl. dazu Hessischer VGH, Urteil vom 31.01.2002 - 4 UE 2231/95 -, BauR 2003, 866; Beschluss vom 25.03.2004 - 9 UZ 2458/03 - BauR 2005, 762; Sauter, LBO, Band 1, § 33 RdNr. 20 m.w.N.). Denn die genehmigten Bauvorlagen sehen neben Drainagen und einem Streifenfundament auch zwei Sickergruben zur Aufnahme und Ableitung des Niederschlagswassers vor. Damit ist - was auch die Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt haben - den Anforderungen des § 33 Abs. 3 LBO hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen findet sich in der Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung eine entsprechende Auflage, von deren Einhaltbarkeit nach dem Vorstehenden ohne weiteres ausgegangen werden kann; Gegenteiliges machen die Kläger auch nicht geltend. Ob der derzeitige Zustand der Stützmauer diesen Vorgaben bereits entspricht, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne Belang.
31 
b) Soweit die Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemacht haben, die Stützmauer verunstalte die Umgebung, namentlich ihr eigenes Grundstück, da sie wie „das Bollwerk eines Steinbruchs“ auf ihr Grundstück wirke, verhilft auch dieses Vorbringen ihrer Klage nicht zum Erfolg. Denn die damit in Bezug genommene Vorschrift ist bereits nicht nachbarschützend und kann daher eine Verletzung in eigenen Rechten nicht begründen (vgl. Sauter, a.a.O, § 11 RdNr. 9 m.w.N.).
32 
c) Soweit die Kläger schließlich die Standsicherheit der errichteten Mauer im Blick auf den auf sie wirkenden seitlichen Schub und die fehlerhafte Gründung bezweifeln, bleibt ihr Begehren ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LBO, dem nachbarschützende Wirkung zukommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.02.1987 - 8 S 2582/86 -, ESVGH 38, 75; Sauter, a.a.O., § 13 RdNr. 2), müssen bauliche Anlagen sowohl im ganzen als auch in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Diese Vorschrift ist durch die angefochtene Baugenehmigung erkennbar nicht verletzt. Das Vorbringen der Kläger zielte vielmehr allein auf die ursprünglich errichtete Mauer ab, die mit der genehmigten - hier in Rede stehenden - Stützmauer gerade wegen der weitergehenden Anforderungen an die Standsicherheit (Drainage, Gründung, Entwässerung) nicht identisch ist. Anhaltspunkte, dass die genehmigte Stützmauer nicht standsicher errichtet werden kann, bestehen nicht. Auch die Kläger haben Entsprechendes nicht behauptet.
33 
4. Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen das - bauplanungsrechtliche - Gebot der Rücksichtnahme nicht vor (vgl. zu dessen Inhalt: Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147). Denn bei Berücksichtigung der natürlichen Geländeoberfläche, der Lage der Mauer im Osten des Grundstücks der Kläger und ihrer - absolut gesehen - geringen Höhe über der Geländeroberfläche sowie der Vereinbarkeit der durch sie ausgehenden Beeinträchtigungen mit den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben, ist für die Annahme einer rücksichtslosen Betroffenheit der Kläger durch die Mauer kein Raum.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
35 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
36 
B e s c h l u s s vom 13. August 2008
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, gegen den Antragsgegner eine einstweilige Anordnung gerichtet auf baurechtliches Einschreiten in Form einer Baueinstellungsverfügung gegen die Beigeladene zu erlassen. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. a) Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die auf der ihrem Grundstück zugewandten Seite vorgesehenen Vorbauten hielten den erforderlichen Abstand nicht ein. Das Verwaltungsgericht hat insoweit entschieden, dass es sich bei dem geplanten Vorbau um einen solchen nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO handele, weil er nach seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sei und sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstelle. Er erstrecke sich an der Nordseite des Gebäudes über das Unter- und das Erdgeschoss. In der Höhe reiche er über zwei Stockwerke. Im darüber liegenden Dachgeschoss sei ein Balkon vorgesehen. Die um einen knappen Meter vor die Hauptwand tretende Wand weise eine Länge von 4,65 m auf. Der dominierende Eindruck der Hauptwand, die im Erdgeschoss eine Länge von 17,43 m und im Untergeschoss vom 16,06 m aufweise, nicht in Frage gestellt. Da der Vorbau auch mit 2,06 m mehr als 2 m von der Nachbargrenze entfernt bleibe, bleibe er bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht.
b) Hiergegen bringen die Antragsteller vor, dass der umstrittene Vorbau zur Grundstücksgrenze ihres Grundstücks nicht im Sinne der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs deutlich untergeordnet sei. Zwar halte das vorgestellte Bauteil die in § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein, aber es erweise sich nicht als deutlich untergeordnet. Das Verwaltungsgericht habe nicht darauf abgestellt, dass das vorgestellte Bauteil mit seiner Oberkante bis in das Dachgeschoss hineinrage. Im Blick auf seine höhenmäßige Ausdehnung sei es nicht mehr deutlich untergeordnet, sondern stelle vielmehr ein dominantes Bauteil dar. Vom Erdgeschoss bis zur Oberkante der Balkonbrüstung weise es eine Höhe von 6 m auf. Aufgrund der nachgereichten Schnitte errechne sich eine Wandhöhe von 6,18 m. Hinzukomme, dass der Vorbau sich in Form des Balkons fortsetze. Erweise sich das Bauvorhaben aber im Hinblick auf die Abstandsfläche des vorgestellten Bauteils als rechtswidrig, verletze es die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller in Form der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen.
c) Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der geplante Vorbau abstandsflächenrechtlich nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist und deshalb bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht zu bleiben hat.
aa) Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben, außer Betracht. Vorbauten im Sinne dieser Vorschrift müssen nicht oberhalb der Erdoberfläche oder unterhalb des Daches enden. Sie müssen aber dem hinter ihnen liegenden Gebäude zu- und untergeordnet sein. Ein vor die Außenwand gesetzter Bauteil fällt danach jedenfalls im Grundsatz nur dann unter diesen Begriff, wenn er diese Wand nicht überragt (Senatsbeschluss vom 04.07.2003 - 8 S 1251/03 - juris Rn. 9). Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen (Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184). Mehrere Vorbauten im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vor der Außenwand eines Gebäudes sind nach dieser Vorschrift nur dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie sich in ihrer Gesamtheit unterordnen und das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: März 2010, § 5 Rn. 99 zur vertikalen Verteilung von Vorbauten einer Außenwand).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben sind sowohl der erkerähnliche Vorbau als auch der auf ihm vorgesehene Balkon abstandsflächenrechtlich privilegiert. Rechtlich unzutreffend ist der Ansatz der Beschwerde, den erkergleichen, sich über Unter- und Erdgeschoss erstreckenden Vorbau und den auf ihm im Dachgeschoss vorgesehenen Balkon als einheitlichen Vorbau im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu betrachten. Vielmehr sind die beiden Vorbauten nach den obigen Maßstäben zunächst getrennt voneinander zu betrachten und zu bewerten.
(1) Der erkerähnliche Vorbau ist ein untergeordneter Vorbau im Sinne von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO. Er hält - wie die Beschwerde einräumt - die von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein und ragt selbst auch nicht über die Außenwand in die Giebelfläche des Bauvorhabens hinein. Weiter erstreckt sich auf deutlich weniger als ein Drittel der Länge der Außenwand und ist mithin im Verhältnis zu ihr untergeordnet.
(2) Der auf dem erkerähnlichen Vorbau vorgesehene, im Dachgeschoss teilweise in die Giebelfläche des geplanten Gebäudes hineinragende Balkon ist eigenständig an § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu messen. Denn er wäre ohne den erkerähnlichen Vorbau konstruierbar, da er ihn nicht als Fundament benötigt. Es handelt sich damit um einen eigenständigen Vorbau, der als Balkon ebenfalls nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist. Er ist nämlich für sich betrachtet erkennbar der Außenwand untergeordnet.
10 
(3) Die Gesamtheit der vor der Außenwand befindlichen Vorbauten - Erker und Balkon - erweist sich ebenfalls als untergeordnet und im Umkehrschluss die Außenwand weiterhin als optisch dominierend. Dafür ist im Wesentlichen die Ausdehnung in der Länge von deutlich weniger als einem Drittel der Außenwand und ergänzend ausschlaggebend, dass die Außenwand und die Giebelfläche hinter dem Balkon weiterhin sichtbar bleiben und nicht etwa vollständig verdeckt werden.
11 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten den unterlegenen Antragstellern aufzuerlegen.
12 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an Nr. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 57) an. Eine Reduzierung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht in Betracht, da sich die Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks zur Wehr setzten.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorgenannten Entscheidung zur Klarstellung im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst wird:

Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2011 wird die Beklagte verpflichtet, gegen das Gebäude J…-Straße .. in …. K… bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit die oberirdisch gelegene Wand des rückwärtigen Erweiterungsbaus zum Grundstück der Klägerin einen Grenzabstand von drei Metern unterschreitet.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) dürfen die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Teil eines Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem sie zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine rückwärtige Wand des Wohngebäudes der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin verpflichtet worden ist. Die Klägerin begehrt ihrerseits eine weitergehende Teilbeseitigung des vorgenannten Gebäudes.

2

Sie ist Eigentümerin des 476 m² großen und mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebauten Grundstücks J...-Straße .. in K… (Gemarkung K…, Flur .., Parzelle Nr. …/..). Unmittelbar östlich davon befindet sich das Anwesen J...-Straße .. (Parzelle Nr. …./..), das ursprünglich ebenfalls mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war. Die Zugänge zu den jeweiligen Hauseingängen liegen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Abstände zu den Gebäuden betragen jeweils weniger als 2,50 m. Die Parzelle Nr. …./.. wird neben der J...-Straße im Süden durch die in Nord-Süd-Richtung − und damit parallel zur Grenze des Flurstücks Nr. …/.. − verlaufende Bismarckstraße im Osten erschlossen.

3

Erstmalig vermessen wurden die Parzellen der Klägerin und der Beigeladenen zwischen 1808 und 1839 (sog. Uraufnahme). Nachfolgende Liegenschaftsvermessungen (Neu- oder Fortführungsvermessungen) erfolgten auf der Grundlage der Geo-Dokumente der Uraufnahme. Infolge von Kriegseinwirkungen durch Luftangriffe auf die Katastergebäude in K…. während des Zweiten Weltkrieges wurden die Geo-Dokumente der Uraufnahme sowie weitere Vermessungsrisse aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört. Auskunft über den Grenzverlauf des Grundstücks der Beigeladenen zum Anwesen der Klägerin geben unter anderem eigene Liegenschaftsvermessungen des damaligen Stadtverwaltungsamtes Koblenz, die bei der Katasterbehörde einzureichen waren. Hierzu zählt ein Feldbuch (Vermessungsriss) von 1893 (in den Verwaltungsunterlagen teilweise auch als „Urmessung“ mit der Zeitangabe „1870/80“ bezeichnet). Die Breite der Parzelle der Beigeladenen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. …/.. (B…straße ..) ist darin mit 16,10 m angegeben. Eine Grenzmarkierung zur Parzelle Nr. …/.. an der nordwestlichen Grundstücksecke des Flurstücks der Beigeladenen weisen die zeichnerischen Darstellungen nicht auf. In einem weiteren Feldbuch des Stadtvermessungsamts vom 18. Mai 1920 ist demgegenüber an dieser Ecke ein Punkt eingetragen. Daneben findet sich der Vermerk „16,1 Mitte Pf. Gr.“. Auf der Grundlage der vorgenannten Risse wurde im Juni 1948 der Sammelriss Nr. 14 mit einer gleichlautenden Breitenangabe erstellt. Im Fortführungsriss des Katasteramtes K… Nr. 142, Bl. 255, Jahrgang 1966, wird die nördliche Grundstücksbreite der Parzelle Nr. …./.. mit 16,24 m angegeben. In dem Dokument befinden sich außerdem die Eintragungen „Ohne Abmarkungsniederschrift“ sowie „Die Messungszahlen sind für die Herstellung von Grenzen nicht bestimmt“. Ein weiterer Riss aus dem Jahre 1996 übernimmt diese Feststellungen.

4

Unter dem 16. Juni 2005 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) eine Baugenehmigung zur Sanierung und Erweiterung des auf dem Flurstück Nr. …./.. stehenden Gebäudes, das zuvor als Bürogebäude genutzt worden war. Dem Bauantrag lag eine Lageskizze zugrunde, auf der eine nördliche Grundstücksbreite von 17,05 m eingetragen wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten entstanden auf dem viergeschossig in Erscheinung tretenden Haus fünf Eigentumswohnungen. Jeweils eine Wohnung veräußerte die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) sowie an die Beigeladenen zu 3) und 4).

5

Mit Beginn der Bauphase kam es zwischen den Beteiligten zu Streitigkeiten über die Einhaltung des Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin, die unter anderem den rückwärtigen Anbau, einen in diesem Bereich angelegten Balkon (erstes Obergeschoss) und eine ebenerdige Terrasse sowie die über dem Altbestand errichteten Stockwerke zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus beanstandete die Klägerin, dass der Treppenaufgang mit Anschüttungen und die zunächst errichtete Hauseingangstreppe nicht mit den Vorgaben des § 8 Landesbauordnung – LBauO – in Einklang stünden.

6

Am 9. Januar 2006 führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Grüne eine das Wohngebäude der Beigeladenen betreffende Vermessung mit Abmarkung des nordwestlichen Grenzpunktes durch. Dabei legte er die tatsächliche Entfernung des Grenzpunktes bis zur B…straße von 16,24 m zugrunde und stellte fest, dass die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Rohbau befindliche nordwestliche Außenkante des rückwärtigen Anbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen einen Abstand von 2,88 m zur Parzelle der Klägerin aufwies.

7

In der Folgezeit entwickelte sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin bevollmächtigten Dipl.-Ing. H…, der erklärte, dass nach der Vermessung der gesetzliche Mindestabstand durch den Rohbau nicht eingehalten werde. Teile der Bauerweiterung oberhalb des unter Bestandsschutz stehenden Hausbereichs unterlägen der Abstandsflächenvorschrift. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin unter dem 16. Januar 2006 mit, dass der Architekt eine Umplanung vorgelegt habe. Unter der Bedingung, dass die gemauerte Wandscheibe von ca. 1 m Länge um das erforderliche Maß rückversetzt werde und die Fenster bzw. die Fassade in einem Abstand von mindestens 3 m angeordnet würden, sei die Beklagte bereit, den Standort des sog. Eckpfeilers an der nordwestlichen Gebäudekante mit einer Breite von ca. 30 cm sowie die Deckenkanten über dem Estrich und ersten Obergeschoss mit einer Breite von jeweils ca. 35 cm als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 8 Abs. 5 Landesbauordnung – LBauO – einzustufen. Daraufhin ließ sich Dipl.-Ing. H… für die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. Januar und 20. Januar 2006 hierzu ein. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erwiderte die Beklagte, dass der Bauherr den Rückbau der Fassade des Anbaus auf ein Maß von 3 m zur Grundstücksgrenze bis auf den Außenpfeiler und die Deckenplatten einschließlich deren bautechnischen Verkleidungen, die als untergeordnete Bestandteile einzustufen seien, zu veranlassen habe. Nach weiterem Schriftverkehr teilte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin unter dem 7. März 2006 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. Januar 2006 mit, dass dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde zur Ausbildung von Wandscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände unter folgender Bedingung zugestimmt werde: Das von der Behörde in Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze sei zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2006, dass sie das Schreiben vom 7. März 2006 nicht mehr als Widerspruchschreiben zu der getroffenen Abstandsflächenregelung im Bereich des An-/Neubaus auffasse. Ergänzend werde festgehalten, dass der Rückbau der ca. 1 m breiten Mauerwerksscheibe im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das Abstandsflächenmaß von 3 m einschließlich Wandverkleidung/Wärmedämmung einhalten müsse. Der Bauherr habe hierüber der Behörde das entsprechende Messprotokoll eines Vermessungsingenieurs vorzulegen.

8

Nachdem die Beklagte am 19. Juni 2006 die Fertigstellung des Rohbaus festgestellt hatte, erteilte sie der Beigeladenen zu 1) unter dem 18. Juli 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach entsprechend den vorgelegten neuen Planzeichnungen die ursprünglich erteilte Genehmigung wie folgt geändert wurde: „Verschiebung der Erkeraußenwand an der nördlichen Giebelfassade, Errichtung von zwei zusätzlichen Fensteröffnungen im Erdgeschoss an der nördlichen Giebelfassade sowie Errichtung eines Balkonsaustritts an der westlichen, zum Gebäude der Klägerin gelegenen Fassade im ersten Obergeschoss als untergeordnetes Bauteil“.

9

Danach kam es zu einem weiteren umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 führte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) sei von dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde vom 16. Januar 2006 abgewichen. So sei die Breite des Pfeilers an der Nordwestseite des Anbaus nicht wie vereinbart 30 cm x 30 cm, sondern 40 cm x 40 cm. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass ursprünglich nur die Nettobreite oder das Rohbaumaß gemeint gewesen und hierauf auch schriftlich hingewiesen worden sei, werde angekündigt, dass die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes bis zum Vorliegen einer Endvermessung zurückgestellt und die Regelung des Netto- anstelle des Bruttoabstands gerichtlich überprüft werde, falls bei der Endvermessung eine Grenzabstandsunterschreitung festzustellen sei. Mit E-Mail vom 15. Januar 2007 führte die Dipl.-Ing. H... aus, aufgrund der Fehlplanung des Architekten des Bauherrn unterschreite die tragende äußere Wandscheibe am Nordwestbereich des Anbaus vom Fundament kommend unter dem Erdgeschoss den zulässigen Grundstücksabstand von 3 m. In den bisherigen Verhandlungen sei vereinbart worden, diese Unterschreitung dann zu belassen, wenn im Sinne einer häufig kommentierten Regelung zu § 8 LBauO eine „schräge Einschüttung“ vorgenommen oder ein „Steingärtchen auf ganzer Länge“ angelegt werde. Dieser Sachverhalt sollte, weil direkt mit dem Genehmigungsverfahren im Zusammenhang stehend, in dem überarbeiteten Unterlagen dargestellt werden. Nach einem Gespräch mit der Beklagten teilte Dipl.-Ing. H... in weiteren E-Mails unter anderem folgendes mit: Da derzeit eine kompakte Wand mit voller Grenzabstandsunterschreitung ohne Sondergenehmigung vorliege, habe dieser Bauteil keine gültige Genehmigung, und es werde Anzeige erstattet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 verlangte die Klägerin die Einmessung des fertiggestellten Gebäudes durch einen Vermessungsingenieur.

10

Die Klägerin blieb in den folgenden Monaten bei ihrer Einschätzung, dass der erforderliche Abstand zu ihrer Parzelle nicht eingehalten werde. Der Balkon an der westlichen Fassade zu ihrer Grundstücksgrenze entspreche nicht den Vorgaben des § 8 LBauO. Auch die Anlegung der Terrasse nebst Treppenaufgang sowie die neue Hauseingangstreppe seien unzulässig. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, durch die Vorlage des Protokolls über die Messung des Sachverständigen Grüne sei der Nachweis für die Einhaltung des Grenzabstandes des Balkonvorbaus erbracht. Das Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement der Beklagten ermittelte am 17. September 2007, dass der umstrittene Balkon an der westlichen Fassade 2,06 m bzw. 2,07 m und die dreistufige Treppe zur Terrasse 1,96 m bzw. 1,97 m von der Grundstücksgrenze entfernt seien. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 lehnte die Beklagte diesbezüglich ein Einschreiten ab.

11

Unter dem 26. Oktober 2007 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) auf den von deren Architekten gestellten Antrag „Nachtrag Balkon“ vom 24. Juli 2007 eine weitere Nachtragsbaugenehmigung, die den Balkon im ersten Obergeschoss an der westlichen, zum Haus der Klägerin stehenden Fassade des Erweiterungsbaus zum Gegenstand hat.

12

Nach erfolgter Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. hierzu Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008), in dem über Widersprüche der Klägerin gegen die Nachtragsbaugenehmigungen vom 18. Juli 2006 und 26. Oktober 2007 sowie gegen die Ablehnung eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Terrasse, den Balkon (West) sowie die Außentreppe entschieden worden war, erhob die Klägerin Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (1 K 903/08.KO) verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, gegen die Hauseingangstreppe einzuschreiten. Daraufhin gestaltete die Beigeladene zu 1) im Verlauf des Jahres 2009 diesen Bereich um. Dabei schüttete sie das Gelände zwischen der J...-Straße und dem bestehenden seitlichen Hauseingang (sog. Rampe) – in nördlicher Richtung ansteigend – bis zu einer Höhe von ca. 1 m (einschließlich eines Pflasterbelages) und von dort in etwa gleicher Höhe bis zur nördlichen Grundstücksgrenze weiter an. Entlang der Grundstücksgrenze wurde die Anschüttung mit ca. 0,13 m breiten L-Steinen eingefasst. Außerdem ließ die Beigeladene zu 1) vor dem Eingang zwei ca. 1,5 m lange Treppenstufen errichten.

13

Bereits zuvor, mit Schreiben vom 14. April 2008, hatte die Klägerin Widerspruch „gegen die erteilte Baugenehmigung“ für die Wohnanlage J...-Straße .. eingelegt, da das gesamte Gebäude als Neubau anzusehen sei, für den ein Bestandsschutz nicht bestehe. In diesem Verfahren führte sie unter anderem aus, dass sie den Abriss des Altbaus, der Balkone, der Hauseingangstreppe, der Terrassen, der Dachkonstruktion und die Wiederherstellung der alten Fensteröffnungen begehre. Unter dem 17. Dezember 2009 erließ der Stadtrechtsausschuss der Beklagten einen Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde. Als Antrag der Klägerin ist hierin vermerkt, dass die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2005 zur Sanierung und Erweiterung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Flurstück Nr. …./.. aufzuheben sei und der Bauherr verpflichtet werden solle, alle Fenster im Bereich des Altbestands mit einem blickdichten Glas zu versehen. Der Widerspruch wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen.

14

Unter dem 29. Oktober 2009 beantragte die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Umgestaltung des äußeren Hauseingangsbereichs, den die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2009 und − nach erneutem Antrag − mit Bescheiden vom 24. November 2009 und 25. Januar 2010 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 wies die Klägerin unter Beifügung von Lichtbildern insbesondere auf Anschüttungen im rückwärtigen Grenzbereich hin und bat diesbezüglich ebenfalls um ein bauaufsichtliches Einschreiten. Mit Bescheid vom 1. März 2010 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab.

15

Unter dem 16. April 2010 beantragte die Klägerin weiterhin, das Gesamtgebäude einschließlich des Anbaus und der Hauseingangsrampe mit Treppe und anschließender Terrasse, hilfsweise den neuerrichteten Anbau mit Rampe, Treppe und angrenzender Terrasse abzureißen und die Nutzung der Hauseingangsrampe mit Treppe und angrenzender Terrasse unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu untersagen. Am 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte den Antrag wiederum ab.

16

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück.

17

Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011“ dazu „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen das Gebäude J...-Straße .. in ….. K… bauaufsichtlich einzuschreiten“ (Satz 1 des Tenors). Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den neu angebauten Teil der baulichen Anlage begehrte, wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass dieser den notwendigen Abstand von 3 m nach § 8 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht einhalte. Die Beigeladene zu 1) habe bei der Verwirklichung des angebauten Teils entgegen des Inhalts der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich hierbei um Wandteile, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln seien (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße … nicht verwirkt.

18

Die Klägerin und die Beklagte haben die Zulassung der Berufung gegen die sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Teile des erstinstanzlichen Urteils beantragt.

19

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2013 insoweit abgetrennt, als sich die Klägerin gegen die bauliche Neugestaltung des Hauseingangsbereichs (Treppe mit Rampe bzw. Anschüttung) sowie die Anschüttungen vor dem Gebäude J...-Straße … wendet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat er „auf Antrag der Klägerin und der Beklagten“ die Berufung zugelassen, „soweit Satz 1 des Tenors des Urteils (bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Gebäudes J...-Straße 5, … K…) betroffen ist. Darüber hinaus wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieser Ausspruch „insbesondere den geltend gemachten Anspruch, auch gegen den Altbestand des Wohngebäudes einzuschreiten“, betreffe.

20

Die Beklagte macht geltend, die an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Stahlbetonstütze („Pfeiler“) habe eine statische Funktion für das Mauerwerk und stelle ebenso wie die Deckenvorsprünge ein gestalterisches Mittel dar, wie es bei ungeordneten Vorbauten nach § 8 Abs. 5 LBauO häufig der Fall sei. Hinzu komme, dass die Vorsprünge nicht dazu dienen, eine nennenswerte Steigerung der Wohnfläche zu begründen. Die Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks würden in keiner Weise gemindert. Die Vorsprünge seien minimal und nähmen eine geringe Fläche ein. Eine Vergleichbarkeit mit Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Erkern, Balkonen könne nach allem ohne weiteres angenommen werden. Ungeachtet dessen sei ein Anspruch der Klägerin jedenfalls verwirkt. Aufgrund des Schriftwechsels mit dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H..., habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der genehmigten Ausführung des Anbaus nach dem Rückbau der Wandscheibe einverstanden gewesen sei. Hierauf habe sich die Beigeladene zu 1) eingerichtet und entsprechende Investitionen getätigt. Insbesondere sei das von Dipl.-Ing. H... unter dem 7. März 2006 verfasste Schreiben als Zustimmung anzusehen. Weiterhin habe die Klägerin mehrere zivil- und verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen einzelne Bauteile betrieben, nicht aber gegen den rückwärtigen Anbau als solchen. Deshalb sei es treuwidrig, wenn zunächst gegen die Auskragung eines Balkons vorgegangen werde, der an einer Wand hänge, deren Beseitigung man anschließend fordere.

21

Die Beigeladene zu 2) schließt sich mit eigenen Darlegungen den Ausführungen der Beklagten an.

22

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

23

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

25

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 sowie unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 3. November 2009, 24. November 200, 25. Januar 2010, 1. März 2010 und 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, gegen das Gebäude auf dem Grundstück Gemarkung K…., Flur .., Flurstück ……, J...-Straße … (Altbau und Anbau) bauaufsichtlich einzuschreiten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

26

Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) entgegen und trägt zur Begründung ihres weitergehenden Begehrens vor, dass das benachbarte Gebäude eine erdrückende Wirkung auf ihr eigenes Grundstück habe. Der Erweiterungsbau verstoße unabhängig davon, dass die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung durch den nachbarschützenden Charakter der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen geschützt seien, in hohem Maße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und diene nicht der Erhaltung des Wohnfriedens. Durch die massive Aufstockung würden neue, nicht hinzunehmende Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück eröffnet. Dies gelte umso mehr, als der rückwärtige Erweiterungsbau ihrem Gartenbereich zugewandt sei. Darüber hinaus führe auch die Aufstockung um zwei weitere Geschosse auf dem ehemaligen Altbestand zu einer gravierenden Beeinträchtigung. Maßgebend für die Ermittlung des Grenzabstandes seien nicht die sich aus der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Sachverständigen G… ergebenden Werte. Insbesondere sei das dort angegebene Abstandsflächenmaß von 2,88 m an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen unrichtig. Tatsächlich betrage der Abstand des von der Beklagten als „Eckpfeiler“ bezeichneten Gebäudeteils des Erweiterungsbaus lediglich 2,67 m. Zu beanstanden sei vor allem, dass die Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage einer Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m vorgenommen worden sei. Richtigerweise habe man nur eine Breite von 16,10 m ansetzen dürfen, die den Eintragungen in allen vorhandenen Vermessungsrissen bis 1948 entsprochen habe.

27

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag und haben sich zum Verfahren nicht geäußert.

28

Im Verlaufe des Rechtsstreits wurden entlang der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und der Beigeladenen mehrere für die Ermittlung des Abstands relevante Messungen durchgeführt: Nach der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs H. Grüne vom 9. Januar 2006 erstellte der Dipl.-Ing. C… E… am 6. November 2009 im Auftrag der Klägerin zur „Beweissicherung“ ein Gutachten, wonach der Abstand der Außenkante der L-Steine bis zum verputzen Pfosten ca. 2,68 m betragen soll. Weitere Aufmaße nahmen die Baukontrolleure L…. und F… der Beklagten am 17. April und 18. Oktober 2012 vor. Die Klägerin reichte außerdem Vermessungen des in ihrem Auftrag tätig gewordenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs T…S…vom 22. Mai 2013 (Bericht vom 12. Juni 2013) und vom 19. September 2013 (Bericht vom 20. September 2013) zu den Gerichtsakten. Darüber hinaus liegt dem Senat das aufgrund eines am 23. November 2012 verkündeten Beweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz erstellte Gutachten des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs W. S… vom 11. September 2013 über eine sieben Tage zuvor durchgeführte Vermessung vor, die unter anderem zum Ziel hatte, den Verlauf der Grenze im Bereich der L-Steine zu ermitteln.

29

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (21 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten) und den beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz (1 K 903/08.KO) sowie des Landgerichts Koblenz (16 O 276/10 = 1 U 755/11 des Oberlandesgerichts Koblenz), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufungen der Beklagten (I.) und der Klägerin (II.) gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg und waren daher mit den sich hieraus ergebenden Nebenentscheidungen (III.) zurückzuweisen.

31

I.

32

Die zulässige Berufung der Beklagten, die der Senat zum Anlass genommen hat, den Tenor im Hauptausspruch aus Gründen der Klarstellung wie geschehen neu zu fassen, ist unbegründet.

33

Vorweg ist festzuhalten, dass der von der Beklagten angefochtene und sie auch nur beschwerende Teil des erstinstanzlichen Urteils sich lediglich auf den Ausspruch eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den „Eckpfeiler“ an der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens der Beigeladenen und die drei Deckenkanten des rückwärtigen Erweiterungsbaues (Sockelkante Kellergeschoss, soweit oberirdisch, sowie Deckenkanten des darüber liegenden Erd- und des ersten Obergeschosses) bezieht. Die Verpflichtung zu einem Einschreiten gegen den Altbestand oder das zweite und dritte Obergeschoss (Altbau und rückwärtige Erweiterung) war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung.

34

Soweit die Klägerin auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen verweist, worin von dem „Gebäude auf dem Grundstück J...-Straße …“ (Urteil S. 16, Abs. 3), dem „neu angebauten Teil dieser baulichen Anlage“ (Urteil S. 16 Abs. 3, Zeile 4), der „Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses“ (Urteil S. 18, Abs. 2, Zeile 10), der „baulichen Erweiterung“ bzw. der „baulichen Erweiterung des Gebäudes J...-Straße ..“ (Urteil S. 19, Abs. 2) die Rede ist sowie anführt, dass „der neu angebaute Teil dieser baulichen Anlage“ den notwendigen Abstand nicht einhalte (Urteil, S. 16, Abs. 3), überzeugt ihre Argumentation nicht. Diese Aussagen stehen nämlich im Kontext zu weiteren Feststellungen, die den Umfang der auferlegten Verpflichtung zum Einschreiten in dem vorgenannten Umfang inhaltlich beschränken: So führt die Vorinstanz im Einzelnen aus, dass die Bauherrn bei Verwirklichung des angebauten Teils keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet habe (Urteil S. 16, Abs. 3) und es sich„hierbei“, also mit Bezug auf den Pfeiler bzw. den angebauten Teil, um Wandteile handele, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln sei (Urteil S. 16, Abs. 3). Sodann wird auf den „nordwestlichen“ Teil der Erweiterung des Hauses J...-Straße … mit der sich dahinter befindenden Wandscheibe und auf „diesen Teil“ der Außenwand (Urteil S. 17, Abs. 1) hingewiesen, der „vom (angeschütteten) Boden bis zum Abschluss des ersten Obergeschosses“ verlaufe. Ferner spricht die Kammer die Überzeugung aus, „dass der Abstand von diesen beiden Wandteilen“ des in Frage stehenden Gebäudes und des benachbarten Grundstücks der Klägerin weniger als 3 m betrage (Urteil S. 17, Abs. 2) und nimmt auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. G… (Urteil S. 17, Abs. 2) sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 (Urteil S. 16, Abs. 3 und S. 17 Abs. 2) Bezug. Aus der Zeichnung zum vorgenannten Nachtrag folgt indes, dass der sog. Pfeiler und darüber hinaus der Sockelbereich des Kellers den Mindestabstand von 3 m nicht einhalten. Aus allem folgt, dass auch nur diese Teile einschließlich der darüber liegenden Deckenkanten von Satz 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung erfasst sein können (so auch das Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. Juli 2013). Dass sich das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen nicht zu dem mit der Klage geltend gemachten weitergehenden Begehren der Klägerin – mit Ausnahme des hier nicht streitgegenständlichen Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Hauseingangstreppenanlage und die rückwärtigen Anschüttungen (vgl. hierzu 1 A 10776/14.OVG) − verhält, ist demgegenüber unerheblich.

35

Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat in dem vorbeschriebenen Umfang einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten und ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 in eigenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

36

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 −, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 −; juris).

37

Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen.

38

Anders als die Beklagte und die Beigeladene zu 2) meinen, verstoßen die vorgenannten baulichen Anlagen (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 LBauO) gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Als Abstandsfläche auslösende Außenwand ist die gesamte zu einer Grundstücksgrenze hin ausgerichtete, das Gebäude abschließende Wand zu verstehen, auch wenn sie gegliedert ist. Außenwände sind demnach die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen Außenluft abschließen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris). Abs. 6 Satz 3 der genannten Norm bestimmt, dass die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Für vor- und zurücktretende Wandteile wird die Abstandsfläche gesondert ermittelt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Damit wird eine Regelung für den Fall getroffen, dass sich die Außenwand zur Nachbargrenze hin als gegliederte Fläche darstellt. Ist die Außenwand horizontal gestaffelt oder vertikal durch stufenweise zurückbleibende Obergeschosse gegliedert, ergeben sich somit Abschnitte der Außenwand (im Gesetz als Wandteile bezeichnet), für die das Gesetz jeweils eine gesonderte Abstandsfläche vorsieht.

39

Von den Wandteilen im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO zu unterscheiden sind die vor die Wand vortretenden Gebäudeteile wie Pfeiler, Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie untergeordnete Vorbauten wie Erker und Balkone. Diese Gebäudeteile sind gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze 2 m entfernt bleiben. Wie sich aus der Wortfolge „vor die Wand vortretende“ bzw. aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorbauten“ ergibt, werden die hier privilegierten Gebäudeteile mit Blick auf die jeweilige Wand bzw. den jeweiligen Wandteil definiert: Die Bezugsfläche für das Vortreten des Gebäudeteils (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO) ist mithin eine vorhandene Wand oder ein vorhandener Wandteil, die ihrerseits den erforderlichen Abstand einhalten müssen. Gleiches gilt für einen Vorbau im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO. Erforderlich ist in beiden Fällen ferner, dass die Gebäudeteile nach Art und Umfang nicht nennenswert ins Gewicht fallen oder in Erscheinung treten (BayVGH, Urteil vom 13. April 2005 – 1 B 04.636 –; HessVGH, Beschluss vom 12. Oktober 1995 –4 TG 2941/95 –, jeweils juris). Der Charakter der unter § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO beispielhaft genannten Gebäudeteile und das in § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO aufgeführte Tatbestandsmerkmal „untergeordnet“ lassen erkennen, dass das Gesetz die genannten baulichen Anlagen privilegiert, weil sie die durch die Abstandsflächenregelung unter anderem geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung typischerweise nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigen.

40

Unter welchen Voraussetzungen ein Fall des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO gegeben ist, kann nicht abstrakt festgelegt, sondern muss anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des optischen Eindrucks entschieden werden.

41

Ausgehend von diesen Kriterien geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die nordwestliche Eckkante des rückwärtigen Anbaus auf der Parzelle der Beigeladenen und die drei Deckenkanten keine vortretenden Gebäudeteile oder untergeordnete Vorbauten im Sinne der vorerwähnten Bestimmung, sondern vielmehr die rückwärtige Außenwand des Gebäudes darstellen. Wie insbesondere die in der mündlichen Verhandlung des Senats zu den Gerichtsakten überreichten Lichtbildaufnahmen vom Rohbau anschaulich belegen, beruhen diese baulichen Anlagen auf einer einheitlichen Konstruktion, die das Gebäude vom Kellergeschoss aufwärts bis zum ersten Obergeschoss – also über zumindest zwei Stockwerke hinweg – in gleicher Tiefe sowie über eine Länge von ca. 5,21 m durchgehend umschließen und – zusammen mit den Fenstern − das Eindringen von Außenluft verhindern. Schon von ihrer Dimensionierung und Funktion sind diese Anlagen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht vergleichbar mit einzelnen Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erkern oder Balkonen. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf den über die Geländeoberfläche herausragenden Sockel des Kellergeschosses, hinter dem kein weiteres Mauerwerk zurücktritt. Dieser erscheint nämlich als natürlicher Abschluss der darunter liegenden Kelleraußenwand. Gleichfalls ist auch die nordwestliche Eckstütze Teil der Wand, weil sie den Anbau nach dem insoweit maßgeblichen optischen Eindruck an der westlichen Gebäudefront ebenso wie auf seiner Nordseite begrenzt. Mit ihrem Einwand, die Stahlbetonstütze habe eine statische Funktion, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Gerade dann, wenn bauliche Anlagen aus Gründen der Statik unerlässlich sind und das Gebäude als solches tragen, ist dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass derartige Anlagen nicht mehr als untergeordnet in Erscheinung treten.

42

Können sich somit die Beklagte und die Beigeladenen auf die Privilegierung des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO nicht mit Erfolg berufen, so bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Abstand von der so definierten rückwärtigen Außenwand des Anbaus zum benachbarten Grundstück der Klägerin weniger als 3 m beträgt und den gesetzlich notwendigen Mindestabstand unterschreitet. Diese Bewertung folgt nicht nur aus der angesprochenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G…, sondern auch aus den Feststellungen der Beklagten selbst sowie den Angaben in der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007, wonach diese Teile des Gebäudeanbaus den gebotenen Mindestabstand nicht einhalten.

43

Die Ermittlung des Abstands beruht dabei auf einer nördlichen Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m. Diese Feststellung ist für den Umfang des bauaufsichtlichen Einschreitens hier maßgebend. Denn für die Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück sind die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, entscheidend, wie sie sich aus dem Katasterwerk ergeben. Hinsichtlich der Richtigkeit des Grenzverlaufs können sich Behörden und Gerichte grundsätzlich auf die amtlichen Vermessungsunterlagen verlassen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Bd. 1, 2008, Art. 6 Nr. 69). Dies gilt umso mehr, wenn eine bestandskräftig festgestellte Abmarkung vorliegt, solange diese wirksam ist. So verhält es sich hier mit Bezug auf die an der nordwestlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Beigeladenen angebrachte Grenzmarkierung, die im Januar 2006 von dem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Grüne abgemarkt wurde, ohne dass die Klägerin hiergegen rechtzeitig Widerspruch erhoben hätte.

44

Mit ihren nunmehr erhobenen Einwendungen stellt die Klägerin in der Sache allenfalls den Grenzverlauf, nicht aber die Grenzabmarkung substantiiert in Frage. Die Grenzabmarkung selbst bezweckt nur, die katastermäßigen Aufzeichnungen über den Verlauf der Grenze in die Örtlichkeit zu übertragen; sie besagt nicht, dass die katastermäßige Aufzeichnungen mit der wirklichen „Eigentumsgrenze“ eines Grundstücks übereinstimmen. Die Klägerin mag etwaige Rechte an einem Teil der Nachbarparzelle in einem zivilgerichtlichen Verfahren oder mit einem Wiederaufgreifensantrag bei der Katasterverwaltung geltend machen und im Fall ihres Obsiegens eine entsprechende Abänderung des Liegenschaftskatasters erreichen können. Bis zu einer Klärung sind indessen die von ihr geltend gemachten Zweifel an der Übereinstimmung des katastermäßig ausgewiesenen Grenzverlaufs mit der tatsächlichen Grenze, die sich aus der Lage des abgemarkten Grenzpunkts ergibt, unbeachtlich (vgl. zum Ganzen auch Thür.OVG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 1 EO 423/95 –, juris).

45

Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die fehlende Übereinstimmung der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Grenze mit den Eigentumsgrenzen offenkundig ist oder die Eintragungen im Liegenschaftskataster selbst offenkundig unklar oder widersprüchlich sind, mag dahin stehen. Ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Die Lage des sog. Grenzpunktes „A“ (vgl. die Terminologie im Gutachten des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. Schmidt vom 11. September 2013) an der nordwestlichen Grundstücksgrenze steht eindeutig fest. Es existieren derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verrückung. Zu welchem Zeitpunkt die Markierung angebracht worden ist, lässt sich zudem nicht mehr aufklären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die Längenangabe „16,10 m“, die auf Unterlagen des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, ihrerseits fehlerhaft sein könnte.

46

Im Hinblick auf den von der Klägerin am 17. Juni 2015 bei den Katasterbehörden gestellten Wiederaufgreifensantrag weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Beklagte von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung und deren Vollstreckung absehen kann, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist. Denn es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Vollstreckung betreiben würde und zugleich ein Verfahren mit dem Ziel verfolgt, hinsichtlich der gleichen Gebäudeteile zu einem noch nicht feststehenden späteren Zeitpunkt einen unter Umständen weitergehenden Rückbau durchzusetzen.

47

Darüber hinaus hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße .. auch nicht verwirkt. Denn die Beigeladene zu 1) durfte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Einwände mehr erheben würde. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

48

„Hiervon ausgehend hat die Klägerin keine Vertrauensgrundlage geschaffen, auf die sich die Beigeladenen berufen können, auch wenn das Gebäude J...-Straße .. der Klägerin seinerseits den gesetzlich gebotenen Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen unterschreitet. Die Kammer hat keinen Hinweis darauf, dass dieses Haus, bei dem es sich um einen Altbau handelt, unter Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist bzw. nach Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung in seinem Bestand verändert wurde. Ferner hat die Klägerin schon während der Bauphase von der Beklagten die Sicherstellung des gesetzlichen Mindestabstands bzgl. der Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses gefordert. Überdies gibt der Schriftwechsel, der zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H... und der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 geführt worden ist, nicht zu erkennen, dass über die Gestaltung der zum Grundstück der Klägerin hin gelegenen Außenfassade des Anbaus eine abschließende Einigung erzielt worden ist. Die Klägerin oder ein von ihr ausdrücklich hierzu Bevollmächtigter haben zudem entsprechende Planzeichnungen nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich ein Einschreiten gegen die Hauseingangstreppe, die Terrasse und einen Balkon gerichtlich verfolgte (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, 1 K 903/08.KO), schafft ebenfalls keine Vertrauensgrundlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Vorgehensweise der Klägerin, die anwaltlich in dem ersten Gerichtsverfahren vertreten wurde, die Gefahr in sich birgt, dass gegen ein einheitliches Bauvorhaben gleichzeitig oder innerhalb von kurzen zeitlichen Abständen mehrere bauaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden, was wiederum zu einer Vergrößerung des durch die Rechtsverletzung einhergehenden Schadens beim Grundstücksnachbarn führen kann. Indes besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von Seiten der Klägerin bezogen auf die bauliche Erweiterung stets die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift verlangt worden ist und während des oben erwähnten Rechtsstreits gegenüber der Beklagten die Forderung erhoben wurde, durch eine Einmessung des Gebäudes J...-Straße nachzuweisen, dass die erforderlichen Abstände auch tatsächlich eingehalten worden sind. Ein Bauherr kann aber nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Abschluss eines Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, bei dem lediglich ein gesondert genehmigter Teil der baulichen Anlage auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift überprüft worden ist, die übrige bauliche Anlage, wie sie errichtet worden ist, hingenommen wird, wenn der Nachbar – wie hier – gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass er mit der baulichen Anlage insgesamt aus anderen Gründen nicht einverstanden ist“

49

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese zutreffenden Ausführungen Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass die Tochter der Klägerin bereits mit Schreiben vom 3. Januar 2006, also wenige Wochen nach der auf den 21. November 2005 datierten Baubeginnanzeige, die Beklagte darüber informiert hat, „dass der Erweiterungsbau zum Haus J...-Straße 5 in den genehmigten Planunterlagen dargestellten Grenzabstände von 3,0 m vom Bauwerk zum Grundstück J...-Straße ..“ unterschreite.

50

Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlas zu einer anderen Beurteilung. Namentlich kann aus dem Schreiben des Dipl.-Ing. H... vom 7. März 2006 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin bei einer Versetzung der Wandscheiben mit der nachträglich genehmigten Ausführung des Anbaus einverstanden gewesen war. Darin heißt es vielmehr hinsichtlich der aufgehenden „Mauer unter dem Erdgeschoss, dass diese oberhalb der in den Genehmigungsunterlagen eingetretenen Erdoberfläche die nach LBauO zugelassenen Abstände unterschreite“. Sodann wird der Beklagten mitgeteilt:

51

„Dem Vorschlag der Behörde zur Ausbildung der Wandscheiben im Erdgeschoss und ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände wird unter folgender Bedingung zugestimmt: Das von der Behörde in den Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3,00 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze ist zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern“.

52

Eine Einwilligung und damit die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes liegen damit allenfalls hinsichtlich der Wandscheiben, nicht aber im Übrigen vor.

53

II.

54

Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil war ebenfalls zurückzuweisen.

55

Soweit sie mit Bezug auf den vorderen Gebäudeteil und bei sachgerechter Auslegung ihres Berufungsantrages den teilweisen Rückbau der über dem Altbestand liegenden Stockwerke auf dem Anwesen der Beigeladenen verlangt, steht dem Begehren der Einwand der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO) entgegen. Denn mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (1 A 11137/12.OVG) hat der Senat die Berufung nur insoweit zugelassen, als zwischen den Beteiligten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den „Neubau des Gebäudes“ im Streit steht. Gemeint ist damit, wie dem Verweis auf „Satz 1 des Tenors“ des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, ausschließlich der dem Garten der Klägerin zugewandte Anbau. Auf die oberen Geschosse, soweit sie über dem Altbestand liegen, erstreckte sich die Berufungszulassung demgegenüber nicht.

56

Ein hier allein in Betracht zu ziehendes Begehren der Klägerin zu einem weitergehenden bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Mauerwerk oberhalb der Deckenkante des zweiten Geschosses (erstes Obergeschoss) des Erweiterungsteils scheidet mangels Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung aus.

57

Ein Verstoß gegen § 8 LBauO ist nicht ersichtlich. Die Klägerin begründet eine Verletzung im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Vermessung des von ihr beauftragten Dipl.-Ing. T… S… (vgl. die von ihm unter dem 20. September 2013 vorgelegte Abstandsflächenbetrachtung), laut der gerade auch im nordwestlichen Grenzbereich zur Parzelle Nr. …/.. eine Unterschreitung der Abstandsflächen gegeben sein soll. Diese Berechnung kann vorliegend indes nicht zugrunde gelegt werden, da der Gutachter bei seinen Feststellungen fehlerhaft eine nördliche Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,10 m in Ansatz gebracht hat, anstatt die (derzeit) aufgrund der Abmarkung der Grenzmarkierung „A“ maßgebende Breite von 16,24 m zu berücksichtigen.

58

Ferner ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 34 Abs. 2 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BaunutzungsverordnungBauNVO –) gegeben. Denn die Klägerin hat eine Veränderung der Grundstückssituation durch eine ihrer Art nach zulässiger Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, also etwa die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück, grundsätzlich hinzunehmen. Namentlich besteht kein Anspruch auf Fortbestand eines faktischen Ruhebereichs, mit dem sie die Bebauung des Nachbargrundstücks verhindern könne (vgl. auch im Einzelnen, Urteil des Senats vom 4. August 2014 – 1 A 10854/13.OVG –). Die Dimensionen des Anbaus führen weiterhin nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin im Sinne einer „erdrückenden“ Wirkung. Das ist in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des “Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 A 11803/03.OVG –; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 – 1 A 75/87 –, BRS 48, Nr. 104). Das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 ½-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 Meter entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegengesetzten Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS Bd. 38, Nr. 186). Demzufolge ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen verschlechtert hat. Das vergrößerte Gebäude hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht und führt auch nicht zu einer für die Klägerin unzumutbaren Abriegelung. Allein die Erhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens ist, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Klägerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher auch insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.

59

III.

60

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. In Rechnung gestellt wurde zunächst, dass die Beigeladene zu 2) einen eigenen Antrag gestellt hat, mit dem sie unterlegen war, sodass es angezeigt erschien, sie an den angefallenen Kosten anteilsmäßig zu beteiligen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da die Klägerin im Rahmen der hier zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung nach Auffassung des Senats lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, wurden die Kosten insgesamt der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auferlegt.

61

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

62

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

63

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

64

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat den sich aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.bverwg.de/information/streitwertkatalog) ergebenden und im erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten Wert von 7.500 Euro als Ausgangspunkt angesehen. Mit Blick auf den erfolgten Abtrennungsbeschluss wurde dieser Wert für das vorliegende Berufungsverfahren reduziert.

Tenor

Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen 1 und 2 auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 - 6 K 2034/13 - werden abgelehnt.

Die Beklagte und die Beigeladenen 1 und 2 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen 3 je zur Hälfte. Die Beigeladenen 1 und 2 haften für den von ihnen zu tragenden Anteil an den Kosten als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...) in Baden-Baden. Die Beigeladenen 1 und 2 sind Eigentümer des nach Nordwesten angrenzenden, ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 25.8.1967 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Straßen- und Baulinienplan Hardberg“, der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubaren Grundstücksflächen enthält.
Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 4.8.2011 eine Baugenehmigung zur Aufstockung des bestehenden Wohnhauses und die Errichtung einer Garage auf dem ihm gehörenden Grundstück. Mit der Baugenehmigung wurden Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl, der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie sowie der Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse erteilt. Auf den gegen die Baugenehmigung eingelegten Widerspruch der Beigeladenen 1 und 2 veranlasste das Regierungspräsidium Karlsruhe eine Begutachtung durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur und kam danach zu dem Ergebnis, dass in den Bauvorlagen die Wandhöhen aufgrund der Zugrundelegung falscher Gebäudehöhen nicht zutreffend dargestellt würden, was im Bereich des abgeschrägten vorderen Anbaus zu der Ermittlung einer zu geringen Abstandsflächen geführt habe. Aus der korrekten Geländehöhe ergäben sich an den maßgeblichen Eckpunkten Wandhöhen von 8,61 m (8,23 m + 0,38 m) und 10,71 m, woraus sich bei einer gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO zu einem Viertel anzurechnenden Giebelhöhe des Pultdachs von 0,28 m eine relevante Wandhöhe von 9,73 m und nach Multiplikation mit dem Faktor 0,4 eine Abstandsflächentiefe von 3,89 m errechne, die nach den tatsächlichen Abständen an den beiden Ecken zum Nachbargrundstück um 17 cm bzw. 18 cm unterschritten werde. Nach Anhörung des Klägers half die Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen mit Bescheid vom 19.7.2013 ab und hob die Baugenehmigung vom 4.8.2001 „in Bezug auf die Sanierung und Aufstockung des Wohnhauses“ auf.
Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28.5.2014 den Bescheid vom 19.7.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abhilfeentscheidung der Beklagten sei rechtswidrig und verletze den Kläger als betroffenen Bauherrn in seinen Rechten, da die Baugenehmigung keine nachbarschützenden Vorschriften verletze. Zwar sei hinsichtlich der dem Grundstück der Beigeladenen zugewandten Schrägwand die bei den Bauvorlagen befindliche Berechnung der einzuhaltenden Abstandsfläche fehlerhaft. Aus dem arithmetischen Mittel der nördlichen und der südlichen Wandhöhe von 9,596 m errechne sich eine notwendige Abstandsfläche von 3,838 m. Diese werde ausweislich der Genehmigungsplanung, die einen Grenzabstand von 3,75 m vorsehe, um 8,8 cm unterschritten. Diese Abstandsflächenunterschreitung sei jedoch gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen, weil sich das Vorhaben auf die Modernisierung eines Wohngebäudes und die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Aufstockung beziehe, die Baugenehmigung für die Errichtung des Hauses bereits mehr als fünf Jahre zurückliege und die Planung mit öffentlichen Belangen vereinbar sei. § 56 Abs. 2 LBO ermögliche auch bei einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange eine Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen. Diese Abwägung müsse hier zugunsten des Klägers ausfallen.
II.
Die Anträge der Beklagten sowie der Beigeladenen 1 und 2, die Berufung gegen das bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zuzulassen, bleiben ohne Erfolg. Die von der Beklagten und den Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur im Rahmen ihrer jeweiligen Darlegungen zu prüfen sind, liegen nicht vor.
1. Aus dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dem Verwaltungsgericht ist zwar bei der Berechnung der Abstandsfläche, die nach § 5 LBO vor der dem Grundstück der Beigeladenen zugewandten, dem Verlauf der Grundstücksgrenze entsprechend abgeschrägten Außenwand liegen muss, insoweit ein Fehler unterlaufen, als es dabei die Höhe der Giebelfläche nicht berücksichtigt hat. Dieser Fehler führt dazu, dass sich die Wandhöhe, gegen deren Berechnung ansonsten keine Bedenken bestehen, gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO um ein Viertel von 27,7 cm, d.h. um 6,92 cm erhöht, woraus sich eine um 2,77 cm größere Abstandsflächentiefe errechnet, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Für die weiteren Überlegungen des Verwaltungsgerichts ist dieser Umstand jedoch ohne Bedeutung.
a) Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage des in den Bauvorlagen dargestellten Geländes zu einer am nördlichen Bezugspunkt gemessenen Höhe der in Rede stehenden Außenwand von 8,722 m und einer am südlichen Bezugspunkt gemessenen Höhe von ,47 m gekommen, woraus es eine im Mittel gemessene Wandhöhe von 9,596 m sowie eine notwendige Abstandsfläche von 3,838 m errechnet hat. Die Genehmigungsplanung, die einen Grenzabstand von 3,75 m vorsehe, werde somit um 8,8 cm unterschritten.
Gegen diese Berechnung bestehen im Grundsatz keine Bedenken. Die Berechnung ist entgegen der Ansicht der Beigeladenen insbesondere nicht deshalb zu beanstanden, weil das Verwaltungsgericht dabei auf die im Zusammenhang mit der Ausführung des Bauvorhabens geplante Veränderung des Geländes abgestellt hat. Wie § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO in ihrer am 1.3.2015 in Kraft getretenen Fassung vom 5.11.2014 klarstellt, ist unter Geländeoberfläche im Sinne der in § 5 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 LBO getroffenen Regelungen die „tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens“ zu verstehen, „soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde.“ Das entspricht jedenfalls im Wesentlichen den bereits zuvor in der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg zum Begriff der Geländeoberfläche im Sinne der Abstandsflächenvorschriften entwickelten Grundsätzen (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 8..2014 - 3 S 1279/14 - BauR 2015, 307; Beschl. v. 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272). Maßgeblich ist danach grundsätzlich die tatsächliche, sich nach Ausführung des geplanten Bauvorhabens ergebende Geländeoberfläche. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mangels nachvollziehbarer rechtfertigender Gründe davon auszugehen ist, dass die neue tatsächliche Geländeoberfläche nur zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird, was bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet, bei Aufschüttungen dagegen in Betracht zu ziehen ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 15/5294, S. 17).
Der Senat sieht ebenso wie das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Zusammenhang mit der Ausführung des Bauvorhabens geplanten Veränderungen des Geländes mit dem Ziel vorgenommen werden sollen, die Abstandsflächenvorschriften zu umgehen. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass der Geländeverlauf nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins den örtlichen Notwendigkeiten folge, um zwischen Garage und Wohnhaus eine Treppenverbindung von der Gartenterrasse zur Straße herzustellen. Dem Gutachten des Sachverständigen ... sei zudem zu entnehmen, dass in dem hier maßgeblichen mittleren Treppenabschnitt im Vergleich zu dem ursprünglich vorhandenen Gelände sogar in Bezug auf die Abstandsflächen für den Kläger nachteilige Abgrabungen vorgenommen worden seien, so dass eine manipulative Geländemodellierung fern liege.
Das Vorbringen der Beigeladenen in der Begründung ihres Zulassungsantrags rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Behauptung der Beigeladenen, dass das Gelände zu einem Großteil zugunsten des Klägers angehoben worden sei, wird von ihnen nicht näher erläutert. Die Beigeladenen verweisen stattdessen pauschal auf Fotografien, die den früheren Geländeverlauf vor der Baumaßnahme zeigen. Die von ihnen vorgelegten Fotografien vermögen die Behauptung jedoch nicht zu stützen. Für die bei den Behördenakten und den Akten des Verwaltungsgerichts befindlichen Fotografien gilt das Gleiche. Die von den Beigeladenen ferner erwähnten Messungen des Vermessungsbüros ... vom 8.5.2012 zeigen nicht den ursprünglichen Geländeverlauf, sondern den Geländeverlauf zu einem Zeitpunkt, als die Bauarbeiten bereits im Gang waren.
10 
b) Dem Verwaltungsgericht kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit es angenommen hat, dass die Höhe der Giebelfläche von 27,7 cm auf die Wandhöhe gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO in seiner im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung noch geltenden früheren Fassung nicht angerechnet werden könne, da das aufgesetzte Pultdach an keiner Stelle eine größere Neigung als 45° aufweise. Nach dieser Vorschrift wird die Höhe einer Giebelfläche zur Hälfte des Verhältnisses, in dem ihre tatsächliche Fläche zur gedachten Gesamtfläche einer rechtwinkligen Wand mit denselben Maximalabmessungen steht, auf die Wandhöhe angerechnet, wenn zumindest ein Teil der Dachfläche eine Neigung von mehr als 45° aufweist. Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gilt diese Vorschrift auch für Gebäude bzw. Gebäudeteile mit einem Pultdach (Urt. v. 14.7.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501; Beschl. v. 7.5.1986 - 8 S 1171/86 - unveröffentlicht). Bei der senkrechten seitlichen Begrenzung eines Pultdachs handelt es sich zwar nicht um eine Dachfläche im bautechnischen Sinn. Von ihr gehen jedoch dieselben nachteiligen Wirkungen für Beleuchtung und Belüftung aus wie von einer mehr als 45 Grad geneigten Dachfläche, was es erforderlich macht, die in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO a. F. getroffene Regelung auch in diesen Fällen anzuwenden. Die durch eine Dachfläche und eine senkrechte Wand gebildete Fläche eines Pultdachs ist auch eine „Giebelfläche“ im Sinne des § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO a. F., da dieser Begriff nur auf einer Seite eine seitliche Begrenzung durch eine „echte“ Dachfläche erfordert (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.7.2000, a.a.O.).
11 
Zu der vom Verwaltungsgericht errechneten Wandhöhe von 9,596 m ist danach die 27,7 cm betragende Höhe der Giebelfläche zu einem Viertel hinzuzurechnen, woraus sich eine notwendigen Abstandsfläche von 3,866 m ergibt. Verglichen mit der geplanten Abstandsflächentiefe von 3,75 m führt dies statt der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unterschreitung der notwendigen Abstandsfläche von 8,8 cm zu einer Unterschreitung von 11,6 cm. Für den weiteren Gedankengang des Verwaltungsgerichts ist die insoweit erforderliche Korrektur bei der Berechnung der notwendigen Abstandsfläche jedoch ohne Bedeutung.
12 
c) Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, die dem Kläger erteilte Baugenehmigung verstoße gleichwohl nicht gegen § 5 LBO, da die Unterschreitung der an sich notwendigen Abstandsfläche gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen sei. Auch dagegen bestehen keine Bedenken.
13 
Nach dieser Vorschrift sind (u.a.) zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung, Aufstockung oder Änderung des Daches Abweichungen von den §§ 4 bis 37 LBO zuzulassen, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt und die Abweichungen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten und der Beigeladenen rechtfertigen keine andere Beurteilung.
14 
aa) Nach Ansicht der Beigeladenen gestattet § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO nur „Maßnahmen im Bestand“. Danach sei zwar bspw. der Einbau eines Kniestocks oder ein anderweitiges Anheben des Dachs, nicht aber das Aufbringen eines weiteren Vollgeschosses Gegenstand der Vorschrift. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die von den Beigeladenen vertretene restriktive Auslegung ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck zu vereinbaren. Zu den gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO privilegierten Vorhaben zählt das Gesetz ausdrücklich die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch „Aufstockung“, worunter nach allgemeinem Sprachgebrauch die Erweiterung eines vorhandenen Gebäudes durch das Hinzufügen eines weiteren Geschosses zu verstehen ist. Ob es sich bei dem weiteren Geschoss um ein Vollgeschoss im Sinne der Definition in § 2 Abs. 6 LBO handelt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Dafür, dass § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO den Begriff der „Aufstockung“ in einem hiervon abweichenden, engeren Sinn verwendet, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nichts entnehmen. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich nichts anderes. Die hier in Rede stehende Tatbestandsalternative des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO bezweckt, die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch nachträgliche bauliche Veränderungen eines bestehenden Gebäudes zu erleichtern, indem sie für solche Vorhaben Abweichungen von den §§ 4 bis 37 LBO gestattet, soweit die Abweichungen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Zu der von den Beigeladenen für richtig gehaltenen restriktiven Auslegung des Begriffs der Aufstockung als Beispiel einer solchen nachträglichen baulichen Veränderung besteht auch im Hinblick darauf keine Veranlassung.
15 
bb) Die Abweichung von § 5 LBO unter Zulassung einer Abstandsfläche mit einer etwas geringeren Tiefe ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch mit öffentlichen Belangen vereinbar. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass das Erfordernis der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen den Schutz von Rechten Dritter einschließt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387) und die Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 6.6.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483; Beschl. v. 13.6.2003 - 3 S 938/03 - BauR 2003, 1549; Urt. v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201). Das steht jedoch, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, der Annahme nicht entgegen, die Zulassung einer Abstandsfläche mit einer geringeren Tiefe als von § 5 LBO vorgeschrieben könne ebenso wie Abweichungen von den anderen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Vorschriften mit öffentlichen Belangen vereinbar sein. Wollte man dies anders sehen, liefe § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO insoweit leer.
16 
Um festzustellen, ob eine Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und deshalb bei Vorliegen der übrigen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Voraussetzungen auf der Grundlage dieser Vorschrift zuzulassen ist, bedarf es deshalb einer Abwägung des mit § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfolgten öffentlichen Interesses an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums gegen die von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.2010, a.a.O.; ebenso Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 56 Rn. 13), wie sie auch das Verwaltungsgericht vorgenommen hat. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist dabei im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums der Vorrang einzuräumen. Das Verwaltungsgericht hat dies zum einen damit begründet, dass das Gebäude des Klägers nach der genehmigten Aufstockung der sonstigen Bebauung entlang der Sonnenhalde entspreche, die dort zweigeschossig in Erscheinung trete. Es hat zum anderen berücksichtigt, dass die abstandsflächenrechtliche Problematik im Verhältnis zum Grundstück der Beigeladenen im Wesentlichen darauf zurückzuführen sei, dass die gemeinsame Grenze nicht gerade, sondern schräg verlaufe und das Grundstück des Klägers deshalb im rückwärtigen Bereich schmaler sei als im vorderen. Dem habe der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass die dem Grundstück des Beigeladene gegenüberliegende Wand im hinteren Teil des Grundstücks abknicke und dem Grenzverlauf folge. Aus dem Umstand, dass die Wand nicht weiter nach hinten zurückversetzt sei oder das Gebäude im südlichen Bereich nicht niedriger geplant worden sei, ergebe sich im Hinblick auf die von § 5 LBO geschützten Belange der Beleuchtung und Belüftung sowie des Brandschutzes und im Vergleich zu einer die Abstandsflächen noch einhaltenden Bebauung keine erhebliche zusätzliche Belastung. Das Wohnhaus des Klägers befinde sich auf der nordöstlichen Seite des Wohnhauses der Beigeladenen. Die natürliche Sonneneinstrahlung aus dieser Richtung sei deshalb von vorneherein eingeschränkt. In diesem Bereich befinde sich zudem in Richtung auf das Grundstück des Klägers eine steil aufragende, stark bepflanzte Böschung, die zu einer weiteren Verschattung des nördlichen und östlichen Terrassenabschnitts mit Wintergarten führe. Angesichts dieser örtlichen Gegebenheiten könne eine zusätzliche Gebäudehöhe von im Schnitt 22 cm im Hinblick auf die Besonnung nicht wesentlich ins Gewicht fallen.
17 
Dem ist trotz der Einwendungen der Beklagten und der Beigeladenen zuzustimmen.
18 
Die Beklagte macht geltend, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei und nur in Ausnahmefällen etwas anderes gelten könne, da das Abstandsflächenrecht ansonsten bei Aufstockungen völlig konturlos wäre. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben, da eine minimale Verschiebung der betreffenden Außenwand genüge, um die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe einzuhalten. Der damit verbundene Verlust an zusätzlichem Wohnraum sei dementsprechend ebenfalls nur minimal.
19 
Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird durch dieses Vorbringen nicht in Frage gestellt. Die Auffassung der Beklagten, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei und nur in Ausnahmefällen etwas anderes gelten könne, widerspricht den Intentionen des Gesetzgebers, sofern die Ausführungen der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollten, dass eine Abweichung von § 5 LBO nur in atypischen Fällen in Betracht komme. Nach der Begründung des Entwurfs der Landesbauordnung 1995, mit der § 56 Abs. 2 LBO seine heutige Fassung erhalten hat, sollte damit ein „allgemeiner gesetzlicher Vorbehalt“ geschaffen werden, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von der Baurechtsbehörde zuzulassen sind, ohne dass es einer atypischen Fallgestaltung bedarf (vgl. die Begründung zur Landesbauordnung 1995, LT-Drs. 11/5337, S. 117). Um trotz einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsfläche die Vereinbarkeit der Abweichung von dieser Vorschrift mit öffentlichen Belangen zu bejahen, ist deshalb - im Unterschied zu § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO - das Vorliegen eines atypischen Falls keine Voraussetzung.
20 
Der Beklagten ist gleichwohl insoweit zuzustimmen, als sie auf die Gefahr einer „Aufweichung“ der Abstandsvorschriften bei nachträglichen Aufstockungen eines bestehenden Gebäudes hinweist. Die Berechnung der erforderlichen Abstandsflächentiefe ist in § 5 LBO exakt geregelt. Die Regelung ist gleichzeitig sehr differenziert und berücksichtigt verschiedene besondere Fallkonstellationen. Das gilt bspw. für die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen ergeben, die Frage nach der Bildung von Wandabschnitten, wenn einer Wand die Schnittpunkte mit der Dachhaut oder die oberen Abschlüsse verschieden hoch sind, oder die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Höhe von Dächern oder Dachaufbauten sowie die Höhe von Giebelflächen zu berücksichtigen sind. § 6 LBO ergänzt diese Regelungen durch einen ebenfalls umfangreichen Katalog von unter bestimmten Voraussetzungen geltenden Einschränkungen und Vergünstigungen zugunsten des Bauherrn. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO darf vor diesem Hintergrund nicht in einer Weise gehandhabt werden, welche die in §§ 5 und 6 LBO getroffenen Regelungen in einem Maße relativierte, die den Sinn des gesamten komplizierten Berechnungssystems in Frage stellte. Das macht es erforderlich, die Vorschrift in den Fällen der nachträglichen Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes in Bezug auf § 5 LBO nur zurückhaltend anzuwenden.
21 
Dabei darf aber auf der anderen Seite auch nicht das gesetzgeberische Anliegen vernachlässigt werden, die Schaffung zusätzlichen Wohnraums durch nachträgliche Veränderungen bestehender Gebäude zu erleichtern und dazu auch Abweichungen von § 5 LBO in Kauf zu nehmen. Die Annahme der Beklagten, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei, ist damit unvereinbar. Das Gleiche gilt, soweit sie meint, dass eine Abweichung von § 5 LBO in den Fällen der Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes nur dann in Betracht komme, wenn die Aufstockung nur bei einer Unterschreitung des von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe möglich sei.
22 
Der Begriff der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen ist daher in den Fällen der Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes zwar restriktiv auszulegen, aber doch in einer Weise, die dem gesetzgeberischen Anliegen in substantieller Weise Rechnung trägt. Die Vereinbarkeit der Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen dürfte danach nur dann bejaht werden können, wenn die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe nur geringfügig unterschritten wird oder die mit der Unterschreitung verbundenen Nachteile für den Nachbarn aus anderen Gründen als noch hinnehmbar angesehen werden können. Der vorliegende Fall gibt jedoch keinen Anlass zu einer abschließenden Klärung dieser Frage, da die in Rede stehende Abweichung auch bei einem solchen restriktiven Verständnis der Vorschrift als mit öffentlichen Belangen vereinbar anzusehen ist. Die dafür maßgebenden Umstände hat das Verwaltungsgericht genannt: Die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe von 3,866 m wird nur geringfügig, nämlich um 11,6 cm unterschritten. Die mit dieser Unterschreitung verbundenen zusätzlichen Nachteile für die Beigeladenen sind angesichts der Lage ihres Wohnhauses zu dem Wohnhaus des Klägers sowie der topografischen Verhältnisse noch als hinnehmbar zu betrachten. Das gilt um so mehr, als das Gebäude des Klägers auch nach seiner Aufstockung von der Sonnenhalde her betrachtet nur zweigeschossig in Erscheinung tritt und damit aus diesem Blickwinkel der Bebauung der Nachbargrundstücke entspricht. Die von den Beigeladenen hervorgehobene Hanglage des Grundstücks des Klägers sowie ihres eigenen Grundstücks rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
23 
2. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung.
24 
a) Die von den Beigeladenen als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO auch dann Anwendung finden kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - auf ein vorhandenes Flachdach ein komplettes Vollgeschoss aufgesetzt wird, ist nicht klärungsbedürftig. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erst im Berufungsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Berufungszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine obergerichtliche Entscheidung verlangt. Daran fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (vgl. zur Revisionszulassungsrecht BVerwG, Beschl. v. 7.2.2005 - 4 BN 1.05 - NVwZ 2005, 584; Beschl. v. 10.9.2002 - 4 BN 39.02 - Juris).
25 
Die von den Beigeladenen formulierte Frage hat danach keine grundsätzliche Bedeutung, da sich ihre Beantwortung unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsmethoden ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Zu den unter die Vorschrift fallenden Vorhaben zählt § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO ausdrücklich die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch „Aufstockung“, worunter, wie bereits ausgeführt, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Erweiterung eines vorhandenen Gebäudes durch das Hinzufügen eines weiteren Geschosses zu verstehen ist. Zu einem hiervon abweichenden Verständnis besteht aus den bereits genannten Gründen kein Anlass.
26 
b) Die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis zwischen § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO und § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO ist durch den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 14.1.2010 bereits geklärt. Die für die Vorschriften in den §§ 4 bis 37 LBO sowie für Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung geltende generelle Abweichungsregelung in § 56 Abs. 2 LBO wird danach durch § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO nicht verdrängt, sondern gilt ergänzend.
27 
c) Die von der Beklagten formulierte weitere Frage, ob bei der im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen erforderlichen Abwägung der Schaffung von Wohnraum nur in atypischen Fällen der Vorrang zukommt, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig, da sich auch ihre Beantwortung unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsmethoden ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Die oben zitierten Gesetzgebungsmaterialien lassen keinen Zweifel daran, dass die Anwendung des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO keine atypische Fallgestaltung bedingt.
28 
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht gegeben. Wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt, weist die Rechtssache keine besondere tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.
29 
4. Eine die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz liegt nicht vor. Das Urteil des Verwaltungsgericht steht zwar in Widerspruch zu dem von der Beklagten bezeichneten Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 17.7.2000, indem es angenommen hat, dass die Giebelfläche des Pultdachs bei der Berechnung der Wandhöhe nicht zu berücksichtigen sei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht jedoch nicht auf dieser Abweichung, da auch das Verwaltungsgericht von einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe ausgegangen ist. Nach seiner Ansicht ist jedoch diese Abweichung von § 5 LBO gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen. Ob dies richtig ist, hängt nicht davon ab, ob das Ausmaß der Unterschreitung 8,8 cm beträgt, wie dies das Verwaltungsgerichts angenommen hat, oder in Folge der Anwendung der in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO getroffenen Regelung 11,6 cm.
30 
5. Der von den Beigeladenen geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
31 
Die von den Beigeladenen erhobene Aufklärungsrüge scheitert schon daran, dass die Beigeladenen ausweislich des Sitzungsprotokolls einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gestellt haben. Nach ständiger Rechtsprechung kann von einer anwaltlich vertretenen Partei im Allgemeinen erwartet werden, dass eine von ihr für notwendig erachtete Beweisaufnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt wird. Wenn der Anwalt dies versäumt hat, kann sein Mandant eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. u. a. BVerwG, Beschl. v. 20.9.2007 - 4 B 38.07 - Juris; Beschl. v. 14.9.2007 - 4 B 37.07 - Juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die fehlende Stellung eines Beweisantrags wäre nur dann unschädlich, wenn sich dem Verwaltungsgericht auch ohne einen solchen Antrag eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Das ist jedoch aus den bereits genannten Gründen nicht der Fall.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.
20
(1) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kaufvertragsparteien, wenn sie das Grundstück nach dem Grundbuch bezeichnen, dieses mit dem sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang übereignen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Anders ist es, wenn die Vertragsparteien das Grundstück so veräußern wollen, wie es sich ihnen nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1040 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Die Bezugnahme in dem Vertrag auf die Eintragungen im Grundbuch stellt sich dann als eine versehentliche Falschbezeichnung dar, mit der Folge, dass nach § 133 BGB auch bei einem formbedürftigen Vertrag das wirklich Gewollte gilt (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1659 Rn. 12 f.). Die Partei die sich auf einen solchen, von dem Urkundstext abweichenden Vertragswillen beruft, hat die dafür sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165). Ein diese Haupttatsache betreffendes Beweisangebot des Beklagten zeigt die Revision jedoch nicht auf.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus und Garage bebauten Grundstücks Bergstraße ... in Uhldingen-Mühlhofen (Flst. Nr. 400/2). Die Bebauung des Grundstücks erfolgte Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Baugrundstück war seinerzeit das ca. 40 a große Hanggrundstück Flst. Nr. 400; durch Abtrennung einer Teilfläche wurde 1977 das heutige Grundstück Flst. Nr. 400/2 gebildet. Der Beigeladene ist Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus und Garage bebauten südöstlich angrenzenden Grundstücks Bergstraße ... (Flst. Nr. 401/1). Auch dieses Grundstück war 1959 durch die Abtrennung einer Teilfläche vom damaligen Grundstück Flst. Nr. 400 - zusammen mit einer Teilfläche des früheren Grundstücks Flst. Nr. 401 - gebildet worden.
Mit Kaufvertrag vom 31.7.1959 erwarb der Vater des Beigeladenen von den Eltern des Klägers, ... und ... ..., das zu dieser Zeit neu gebildete, 532 qm große Baugrundstück Flst. Nr. 401/1. In dem Kaufvertrag hieß es unter „§ 6 weitere Vereinbarungen“:
„Die Verkäufer verpflichten sich, den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen. Sie verzichten insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht. ...“
Auf dem Grundstück des Beigeladenen errichtete dessen Vater in der Folge ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung (Baubescheid des Landratsamts Überlingen/See vom 26.6.1961), das zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2 m einhielt. Im Zusammenhang damit wurde am 13.7.1961 auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Vaters des Klägers vom 26.4.1961 und einer dahingehenden Anordnung des Landratsamts Überlingen vom 30.5.1961 folgende Baulast in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen:
„Herr ... in Unteruhldingen übernimmt als grundbuchmäßiger Eigentümer des Grundstücks Lgb. Nr. 400 der Gemarkung Unteruhldingen für sich und seine Rechtsnachfolger die baurechtliche Verpflichtung, im Falle eines eigenen Bauvorhabens von der Grenze des Grundstücks Lgb. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4 m einzuhalten.“
Aufgrund einer weiteren Baugenehmigung vom 20.7.1984 wurde das Gebäude später erweitert und umgebaut.
Beide Grundstücke sind baurechtlich nicht überplant.
Am 27.10.1998 erteilte das Landratsamt Bodenseekreis dem Beigeladenen die Baugenehmigung für den Um- und Erweiterungsbau des bestehenden Wohnhauses, den Einbau eines Aufzugs, den Abbruch einer bestehenden Garage und den Neubau einer Doppelgarage sowie den Umbau der bisherigen ÖI- in eine Gasheizung; das erweiterte Gebäude sollte dabei auf weniger als 50 cm an die Grenze zum Grundstück des Klägers heranrücken. Während das Vorhaben bereits ausgeführt wurde, erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er jedoch zunächst erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.5.2001). Erst das Verwaltungsgericht Sigmaringen hob die Baugenehmigung mit Urteil vom 18.7.2002 (2 K 913/01) auf. Zur Begründung hieß es in dem Urteil unter anderem, dass der erforderliche Grenzabstand von 2,5 m nicht eingehalten werde. Der Kläger sei auch nicht aufgrund der übernommenen Baulast vom 13.7.1961 verpflichtet, die Bebauung in Grenznähe zu dulden. Nach deren Wortlaut müsse der Kläger lediglich bei der Bebauung seines eigenen Grundstücks einen Mindestabstand von 4 m zur Grundstücksgrenze des Beigeladenen einhalten. Die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück (Nr. 401/1) auf sein Grundstück (Nr. 400/2) sei nicht erklärt worden. Bei der Auslegung der Baulastübernahme als Willenserklärung sei entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und dabei auch der Kaufvertrag vom 31.7.1959 heranzuziehen. Dort hätten sich die Eltern und der Großvater des Klägers lediglich verpflichtet, "den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen", und "insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht" verzichtet. Aus dem Wort "insoweit" werde deutlich, dass nur ein Herannahen der Bebauung bis auf 2 m von der Grundstücksgrenze, nicht hingegen bis auf 50 oder gar 30 cm habe zugelassen werden sollen. Dementsprechend sei auch der Baubescheid vom 26.6.1961 erteilt worden. Auch nach heutiger Rechtslage (§ 7 Abs. 1 Satz 1 LBO) dürften sich Abstandsflächen nur dann ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert sei, dass sie nicht überbaut und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei aber nur die erste dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Die Baugenehmigung verstoße wegen der Treppenhausfenster außerdem auch gegen Brandschutzvorschriften (Öffnungsverbot bei grenznahen Wänden). Der Kläger sei weder durch Treu und Glauben an der Geltendmachung seiner Nachbarrechte gehindert, noch habe er seine Rechte verwirkt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
10 
Am 26.9.2002 beantragte der Kläger beim Landratsamt Bodenseekreis unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts den Erlass einer Abbruchsverfügung insoweit, als mit dem - inzwischen nahezu fertiggestellten - Bau gegen die Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften verstoßen worden sei. Mit Bescheid vom 12.11.2002 lehnte das Landratsamt Bodenseekreis den Erlass der beantragten Abbruchsverfügung als unverhältnismäßig ab; auch der am 20.11.2002 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 6.5.2003). Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 24.7.2006 auf und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen, über den Antrag des Klägers auf Erlass einer Abbruchsverfügung hinsichtlich des Anbaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Auf die vom Senat zugelassene Berufung ist das Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen worden (Senatsurteil vom 15.4.2008 – 8 S 11/07 -).
11 
Bereits unter dem 3.12.2004 hatte der Beigeladene erneut die Genehmigung seines Vorhabens beantragt. Gegenüber der ursprünglichen Planung hatte er u. a. den Einbau von G-30 Fenstern im grenznahen Treppenhaus vorgesehen. Der Kläger verwies im Rahmen der Angrenzeranhörung wiederum auf die nicht eingehaltene Abstandsfläche und die Verletzung der Brandschutzvorschriften.
12 
Am 15.4.2005 wurde die beantragte Baugenehmigung unter Zulassung geringerer Abstandsflächentiefen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erteilt. Die Einwendungen des Klägers wurden mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Kläger sei durch die nach wie vor geltende Baulastübernahmeerklärung verpflichtet, im Fall eines eigenen Vorhabens von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4,00 m einzuhalten. Danach ergebe sich zwischen den Gebäuden ein Gesamtabstand von 4,50 m. Seine Rechtsposition bleibe unverändert. Beleuchtung mit Tageslicht sowie ausreichende Belüftung der Gebäude auf dem Baugrundstück und auf dem Nachbargrundstück seien nicht beeinträchtigt. Gründe des Brandschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Zwar solle nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBOAVO entweder ein Abstand zwischen Gebäuden von 5,00 m eingehalten werden oder die betreffenden Außenwände dürften keine Öffnungen haben. Aufgrund der Baulast sei ein Gebäudeabstand von 4,50 m gewährleistet. Zur Gewährleistung des erforderlichen Brandschutzes sei der Bauherr bereits im Sommer 2003 veranlasst worden, die unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand zum Grundstück Flst. Nr. 400/2 hin mit nicht zu öffnenden Brandschutzgläsern (G 30) zur Vermeidung des Funkenübersprungs auf das Nachbargrundstück zu verschließen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Klägers sei nicht zu erkennen. Ein Recht auf das Weiterbestehen vorhandener Sichtverhältnisse gebe es nicht. Die Baugenehmigung wurde dem Kläger am 21.4.2005 zugestellt.
13 
Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger am 4.5.2005 Widerspruch, den er unter anderem damit begründete, dass der Abstand des Gebäudes bis zu seiner Grenze nur noch 0,3 m betrage. Sein Grundstück werde erheblich beschattet und verliere auch an Wert. Die Wohngegend könne als villenartig bezeichnet werden; dort sei eine enge Bebauung nicht üblich und wirke sich negativ auf den Wert des jeweiligen Grundstücks aus.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch zurück. Das Landratsamt habe zu Recht eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen. Bei der Frage, ob nachbarliche Belange erheblich, d.h. unzumutbar beeinträchtigt würden, komme es auf die konkrete Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der nachbarlichen Interessen an. Die Frage, ob eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zulässig sei, sei daher aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beantworten. Das Interesse des Klägers gehe vor allem dahin, eine Verschlechterung der bisherigen baulichen Situation zu vermeiden. Der Beigeladene sei dagegen daran interessiert, sein Gebäude entsprechend umzubauen. Aufgrund der besonderen Umstände sei das Interesse des Beigeladenen aber höher zu bewerten. Dies folge einerseits daraus, dass sich Belichtung und Belüftung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand jedenfalls nicht wesentlich verschlechterten. Das Bauvorhaben liege aus Sicht des Klägers im Osten, so dass allein schon deswegen die Belichtung und Besonnung seines Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt sein könne. Vor allem aber sei die geltend gemachte Beschattung nicht vorrangig und ausschlaggebend auf den Umbau bzw. Treppenhausneubau zurückzuführen. Vielmehr werde diese - sofern überhaupt von Belang - bereits seit über 40 Jahren durch den bestehenden Hauptbaukörper auf dem Grundstück Flst. Nr. 401/1 verursacht. Dies zeigten die Schnitte der genehmigten Bauvorlagen, aus denen sich keine derartige Erhöhung des Nachbargebäudes ergebe, die nun erstmalig eine wesentliche und unzumutbare Verschattung zu Lasten des Klägers bewirken könne, zumal das Gelände zum Grundstück des Klägers hin ansteige. Nicht zuletzt sei der Kläger durch die auf seinem Grundstück liegende Baulast an einer weiteren Bebauung des fraglichen Bereichs ohnehin gehindert, so dass sich insoweit - ungeachtet der bereits vorhandenen Situation - keine neuen oder zusätzlichen Verschlechterungen für dortige Wohnräume ergeben könnten. Diese insgesamt schon vorhandene "Vorbelastung" sei zu Ungunsten des Klägers zu werten. Insofern sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich diese Verhältnisse bezüglich Besonnung und Belichtung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand wesentlich verschlechtern würden. Der Kläger werde somit in der (baulichen) Nutzbarkeit seines Grundstücks durch die Zulassung der Abweichung im Wesentlichen nicht weiter beeinträchtigt, als dies durch die bestehenden Verhältnisse ohnehin schon der Fall sei. Damit lägen in Bezug auf das betroffene Nachbargrundstück besondere Umstände vor, d.h. die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück sei durch Besonderheiten topographischer und anderer Art gekennzeichnet, die das Interesse des Klägers an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern und damit weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung komme deshalb den Belangen des Klägers gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung seines Bauwunsches weniger Gewicht zu. Der Erteilung der Baugenehmigung stehe auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 nicht entgegen. Der Einwand der "res iudicata" verpflichte nach § 121 VwGO allein die Verwaltungsgerichte, kein abweichendes Sachurteil über diesen Streitgegenstand zu fällen. Dagegen sei die Verwaltungsbehörde nicht gehindert, eine neue Sachentscheidung zu treffen. Das gelte umso mehr, als vorliegend durch die vom Bauherrn vorgenommene Schließung der unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand eine neue Sach- und Rechtslage herbeigeführt worden sei. Insoweit sei schon der Streitgegenstand nicht mehr derselbe. Im Übrigen werde auf die zutreffenden Gründe des Ausgangsbescheides verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18.11.2005 zugestellt.
15 
Am 9.12.2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Anfechtungsklage erhoben und beantragt, die Baugenehmigung des Landratsamtes Bodenseekreis vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.11.2005 aufzuheben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass er nach den rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Urteil vom 18.7.2002 nicht verpflichtet sei, einen Grenzabstand von weniger als 2,0 m zu seiner Grundstücksgrenze zu dulden. Allein der Austausch der Verglasung der Fensterflächen gegen eine brandschutzhemmende Verglasung könne im Ergebnis nicht zur Rechtmäßigkeit der nunmehr erteilten Baugenehmigung führen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO seien nicht gegeben. Die Grenzbebauung stelle eine erhebliche und nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar. Selbst wenn man von einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks ausgehe, verstoße das Bauvorhaben weiterhin gegen brandschutzrechtliche Vorschriften und verletze darüber hinaus auch den nachbarlichen Wohnfrieden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBOAVO seien Außenwände, die einen Abstand von weniger als 2,5 m zur Nachbargrenze haben, ohne Öffnungen herzustellen. Das nunmehr genehmigte Bauvorhaben weise jedoch weiterhin zwei ca. 2 qm große Fensteröffnungen auf. Gegenüber dieser Fensterverglasung, die nicht die Voraussetzungen einer in diesem Abstand erforderlichen Brandschutzmauer erfülle, befinde sich in ca. 4 m Entfernung sein Wintergartenanbau. Dieser sei großflächig verglast und werde von ihm über das gesamte Jahr hinweg als Wohnraum genutzt. Die nunmehr dem Beigeladenen eröffnete Möglichkeit, seine Wohnräumlichkeiten einzusehen, beeinträchtige ihn und seine Familie in ihrer Privatsphäre nicht nur unerheblich. Es sei vorhersehbar, dass sein Grundstück für Reinigungs-, Maler-, Reparatur- und sonstige Arbeiten in Anspruch genommen werden müsse. Eine hierfür erforderliche Gerüsterstellung sowie erforderliche Rettungsmaßnahmen im Brandfall könnten nunmehr ausschließlich über sein Grundstück erfolgen. Dies alles stelle in der Summe eine erhebliche Belastung dar. Die Versäumnisse der Beteiligten dürften nicht dazu führen, dass er im Ergebnis rechtlos gestellt werde und der Nachbarschutz leer laufe. Eine Grenzbebauung sei auch bauplanungsrechtlich nicht vorgesehen, so dass diese im Ergebnis auch nicht über die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erreicht werden könne. Allenfalls eine geringfügige Unterschreitung des Grenzabstandes habe er im Rahmen des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen.
16 
Mit Urteil vom 24.7.2006 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 aufgehoben. Zur Begründung heißt es in den Entscheidungsgründen u. a., dass der Treppenhausanbau gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 LBO verstoße. Die Einhaltung der Tiefe der Abstandsfläche von 2 m bei einer Wand von bis zu 5 m Breite diene kraft gesetzlicher Anordnung dem Schutz des Nachbarn. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage auf dem Grundstück des Beigeladenen aber nur 0,5 m. Die Baulast aus dem Jahr 1961 bestimme lediglich eine Fläche der Unbebaubarkeit auf dem klägerischen Grundstück. Mit ihr sei keine Übernahme von Abstandsflächen, die nach der gesetzlichen Regelung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu liegen hätten, auf das klägerische Grundstück bestimmt worden. Auch bei erneuter Überprüfung bleibe die Kammer bei der Auslegung der Baulasterklärung wie im Urteil vom 18.7.2002. Die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO komme nicht in Betracht, weil die Tiefe der Abstandsflächen des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werde und nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Als nachbarliche Belange in diesem Sinn seien Besonnung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks, nicht hingegen der allgemeine Wohnfriede zu berücksichtigen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Brandschutzverglasungen von innen nach außen durchsichtig seien, nicht ankommen könne. Besondere Gegebenheiten, welche ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe rechtfertigen könnten, seien nicht zu erkennen. Die Unterschreitung dieser Tiefe führe hier zu erheblichen Beeinträchtigungen des Grundstücks des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Die zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen bestehende Baulast sei nicht geeignet, eine Sondersituation zu begründen, in welcher die Abstandsflächentiefe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werden dürfe. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Überlegungen: Zum einen würde die Auffassung des Beklagten, dass mittels der Baulast ein ausreichender Gesamtabstand zwischen den beiden Wohnhäusern sichergestellt sei, dazu führen, dass der Baulast de facto doch der Inhalt einer Abstandsflächenbaulast zukommen würde. Dies sei aber gerade nicht der Inhalt dieser Baulast und dürfe über den Umweg des § 6 Abs. 4 LBO auch nicht zu deren Inhalt gemacht werden. Zum anderen sei aber auch erheblich, dass die Baulast nur die Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks einschränke, nicht aber dessen sonstige Nutzung als Garten und mögliche Liege- und Nutzfläche. Der betroffene Grundstücksteil sei solchen Nutzungen zugänglich, wie der Augenschein ergeben habe. Nur wenn jede sinnvolle Nutzung ausgeschlossen sei, könne von dem Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung durch die Abstandsflächenunterschreitung ausgegangen werden. Eine bedeutsame topographische Besonderheit in Gestalt eines deutlichen Höhenunterschieds lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Zwar liege der Eingang zum Haus des Beigeladenen aufgrund von Abgrabungen deutlich unterhalb des Geländeverlaufs auf dem Grundstück des Klägers. Selbst wenn man dies berücksichtigen wolle, könne darin keine - geschaffene - topographische Besonderheit erkannt werden, welche eine Sondersituation schaffe, in der ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe zulässig wäre. Der Baukörper des Anbaus rage nämlich weiterhin deutlich sichtbar erheblich über die Abgrabung hinaus und wirke damit in erheblicher Weise auf das Grundstück des Klägers ein. Eine Sondersituation aufgrund topographischer Besonderheiten könne aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn dadurch das Nachbargrundstück deutlich weniger beeinträchtigt werde und die Hanglage bereits dafür sorge, dass ein Bauvorhaben das Nachbargrundstück hinsichtlich Belüftung, Besonnung und Belichtung nicht oder kaum beeinträchtigen könne. So liege der Fall hier aber nicht. Der Umstand, dass das Gebäude durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden sei und es sich im Osten des klägerischen Grundstücks befinde, führe ebenfalls nicht zu einer Sondersituation. Es sei beim Augenschein nicht zu erkennen gewesen, dass eine Verschlechterung in Bezug auf Besonnung und Belüftung nicht eingetreten sei. Durch das Heranrücken der Bebauung sei der Schattenwurf auf das klägerische Grundstück im Bereich des Treppenhauses des Beigeladenen erkennbar größer geworden und das klägerische Grundstück werde somit erheblich beeinträchtigt. Angesichts der Höhe des Baukörpers entstehe auf dem Grundstück des Klägers auch deutlich der Eindruck eines "Eingemauertseins", welcher ebenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange führe. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums im Widerspruchsbescheid sei die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorliege, nicht anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die Interessen des Bauherrn an der Verwirklichung des Projekts mit einzufließen hätten. Es sei nur das Nachbargrundstück, nicht auch dasjenige des Bauherrn oder gar vom Grundstück losgelöste Interessen in den Blick zu nehmen, so dass Interessen des Beigeladenen das Ergebnis nicht beeinflussen könnten. Eine teilweise Aufhebung der Baugenehmigung komme nicht in Betracht, da für den Fall, dass nur die Genehmigung für das Treppenhaus aufgehoben werden würde, ein nicht genehmigungsfähiger Torso als Gegenstand der Baugenehmigung zurückbleibe, nämlich ein mehrstöckiges Gebäude ohne Eingang und ohne Treppenhaus.
17 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 21.12.2006 - 8 S 2123/06 - zugelassene Berufung des beklagten Landes, mit der es beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Es macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorlägen. Die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung blieben in ausreichendem Maße gewährleistet. Das Gebäude sei durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden und der Anbau befinde sich im Osten des Wohnhauses des Klägers. Auf dem Grundstück des Klägers hätten bisher auch keine Beeinträchtigungen wegen fehlender Belichtung wie beispielsweise eine Versumpfung festgestellt werden können. Gründe des Brandschutzes stünden der Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ebenfalls nicht entgegen, nachdem der Beigeladene die Öffnungen in der Treppenhauswand mit dem Einbau einer Brandschutzverglasung (G 30), vergleichbar einer Brandschutzwand, geschlossen habe. Die Belange des Klägers würden trotz der Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe nicht erheblich beeinträchtigt, da aufgrund der vorhandenen grenznahen Bebauung mit einer Grenzgarage eine Sondersituation gegeben sei. Der Kläger habe sich bei der Errichtung dieser Garage weder an die bestehende Baulastverpflichtung, noch an die Auflagen der ihm erteilten Baugenehmigung, noch an die maßgeblichen Abstandsflächenvorschriften gehalten. Die Baulastverpflichtung unterscheide nicht zwischen einem Wohnhaus und einer Garage. Es sei auf ein Versäumnis der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen zurückzuführen, dass die Baugenehmigung dennoch erteilt worden sei. Dem Vater des Klägers, der die Baulast 1961 übernommen habe, habe dieses Versäumnis bewusst sein müssen. Die Baugenehmigung sei 1975 bzw. 1976 mit der Auflage erteilt worden, dass das Garagendach nicht als Terrasse genutzt werden dürfe. Das in den Planunterlagen im Gebäudeschnitt eingetragene Geländer sowie der mit Grüneintrag angebrachte Vermerk „keine Terrasse“ hätten die Umsetzung dieser Auflage sicherstellen sollen. Eine Terrasse auf einer ansonsten grenzprivilegierten Garage sei unzulässig. Abweichend von den genehmigten Planunterlagen sei anstatt des ursprünglich über der Rückwand der Garage angedachten Geländers ein weitaus längeres Geländer über der Garagenfront und den seitlichen Wänden angebracht worden, so dass das gekieste Garagendach problemlos als Terrasse genutzt werden könne. Es könne nicht angehen, dass durch die vorhandene Garage auf dem Grundstück des Klägers nachbarschützende Belange beeinträchtigt würden, gleichzeitig aber beim Bauvorhaben des Beigeladenen auf der uneingeschränkten Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen beharrt werde.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag im Klageverfahren und bringt noch vor, dass die heranrückende Bebauung den Schattenwurf nicht unerheblich erhöht habe und die angelegte Rasenfläche erheblich unter diesem Lichtmangel leide, was eine großflächig auftretende Vermoosung zur Folge habe. In seinem Wintergarten, der lediglich 4 m von der Grundstücksgrenze entfernt liege, entstehe angesichts der Höhe des Baukörpers deutlich der Eindruck des Eingemauertseins. Auf dem Garagendach gebe es weder eine Terrasse noch einen Sitzplatz.
23 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, pflichtet aber den Ausführungen des Beklagten bei. Ergänzend weist er darauf hin, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange führen könne, da bei diesem Verständnis der Norm das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit entbehrlich sei. Im Übrigen sei eine Besonderheit im Sinne der Rechtsprechung nicht nur die Lage östlich vom Grundstück des Klägers, sondern auch das Zurücktreten des Schattenwurfs des Anbaus hinter die Verschattung durch das Gebäude insgesamt, die auch nach nunmehr zehnjährigem Bestehen des Gebäudes zu keinen negativen Auswirkungen auf dem Grundstück des Klägers geführt habe. Das Gelände zu seinem Gebäude falle außerdem ab, so dass die Belastung durch den Treppenhausanbau deutlich verringert werde.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
33 
c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
35 
(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
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c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
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(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
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(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Baulast.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. ... (...) in Ludwigsburg. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „ Tammer Feld“ Nr. .../01 vom 21.07.1969, der für das Grundstück ein Mischgebiet ausweist.
Anlässlich eines Antrages auf Erteilung einer Baugenehmigung gab die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 25.03.1986 folgende Baulasterklärung ab:
„Die Fa. A.-R., …, beantragt eine Genehmigung für einen Heimwerkermarkt im EG des Gebäudes ... in Ludwigsburg-Nord nach den Planunterlagen der Planungsgruppe … .
Anlässlich dieser Nutzungsänderung verpflichtet sich die Fa. A.-R. für sich und ihre Rechtsnachfolger, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die negative Auswirkungen auf die Innenstadt und Stadtteilzentren („innenstadtschädliche“) haben könnten. Dies sind gemäß GMA-Gutachten vom Januar 1984 insbesondere die Branchen: Nahrungs-, Genuss-, Lebensmittel, Obst und Gemüse, Textilwaren, Schuhe, Lederwaren, Sport- und Freizeitartikel, Kleinelektrik einschließlich Radio, Fernsehen und Video.“
Die Baulast wurde am 12.06.1987 in das Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragen.
Mit Schreiben vom 18.09.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Löschung der Baulast. Diese sei wegen Verstoßes gegen materielles Baurecht nie wirksam entstanden. Die Sortimentsbeschränkung diene nicht der Sicherung öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Zumindest sei ihre Wirksamkeit zwischenzeitlich entfallen, da auf den Nachbargrundstücken die Firmen B. und I. großflächige Einzelhandelszentren errichtet hätten. Mit Schreiben vom 17.10.2002 lehnte die Beklagte die Löschung der Baulast ab. Diese sei wirksam bestellt worden und es bestehe nach wie vor ein öffentliches Interesse.
Am 17.01.2003 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zur Löschung hilfsweise zum Verzicht auf die Baulast zu verurteilen. Mit Urteil vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Löschung der Baulast verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Baulast sei unwirksam, da nie eine baurechtliche Bedeutsamkeit vorgelegen und nie ein baurechtlich relevantes öffentliches Interesse an ihr bestanden habe. Die Genehmigungsfähigkeit des Heimwerkermarktes habe nicht von der Baulast abgehangen; eine der Baugenehmigung entsprechende Nutzung sei ohne die Baulast gesichert gewesen. Die Voraussetzungen für eine Baulast auf Vorrat hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Der Bebauungsplan enthalte keine sortimentsbeschränkenden Festsetzungen. Das Ziel der Verhinderung von Konsumabgang aus der Innenstadt habe keinen baurechtlichen Niederschlag gefunden. Die Ausweisung von Sondergebieten und die Errichtung großer Einkaufsmärkte in unmittelbarer Nähe sprächen gegen eine baurechtliche Bedeutsamkeit. Die Befürchtung der Beklagten, ohne die Sortimentsbeschränkung könnte aus dem Mischgebiet ein Sondergebiet entstehen, sei nicht nachvollziehbar. Nach dem Bebauungsplan seien Einzelhandelsbetriebe ohne Sortimentsbeschränkungen zulässig, sofern sie nicht der Einschränkung nach § 11 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 BauNVO unterlägen oder sonst der Eigenart des Gebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO widersprächen. Die Beklagte könne bei zukünftigen Genehmigungsverfahren auf die Einhaltung dieser Vorschrift achten und damit eine unzulässige Bebauung verhindern. Das öffentliche Interesse ergebe sich auch nicht aus dem Gebot der Konfliktbewältigung, zumal der Bebauungsplan von 1969 stamme, die Baulast aber erst 1996 übernommen worden sei. Unerheblich sei, dass sich ein Grundstückseigentümer durch eine Baulast enger binden könne als ihn möglicherweise die Bauaufsichtsbehörde - etwa im Wege einer Auflage - hätte binden können, da für die Selbstbindung eine baurechtliche Bedeutsamkeit erforderlich sei, an der es fehle. Der Löschungsanspruch sei auch nicht verwirkt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23.01.2006 zugestellte Urteil am 14.02.2006 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 22.05.2006 - 3 S 454/06 - hat der Senat die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich das Grundstück bei Stellung des Bauantrags für die Ansiedlung innenstadtschädlicher Sortimente geeignet habe. Im Rahmen ihrer Planungshoheit habe sie ein Märktekonzept entwickelt, das die Standorte innenstadtrelevanter Sortimente festlege und beabsichtige, andere Standorte von derartigen Sortimenten freizuhalten. Dies hätte auf dem Grundstück der Klägerin durch Änderung des Bebauungsplans umgesetzt werden können. Wegen der Baulast sei hierauf verzichtet worden. Dies zeige deren hohe bodenrechtliche Relevanz. Die Baulast verbiete grundstücksbezogen, die genehmigte innenstadtunschädliche Einzelhandelsnutzung in eine innenstadtschädliche umzuwandeln. Ob eine solche Nutzungsänderung genehmigungspflichtig sei, werde im Einzelfall unterschiedlich beantwortet. Selbst im Falle einer Genehmigungspflicht könnte die Nutzung formell illegal, jedoch materiell im Einklang mit dem Bebauungsplan geändert und auf diese Weise eine innenstadtschädliche Einzelhandelsnutzung bestandsgeschützt aufgenommen werden. Derartige Nutzungsänderungen verbiete die Baulast, weshalb sie von der Baurechtsbehörde unterbunden werden könnten. Auch aus diesem Grund habe sie baurechtliche Bedeutsamkeit. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht ein öffentliches Interesse am Ausschluss innenstadtrelevanter Einzelhandelsnutzung verneint, wenn in einem angrenzenden Plangebiet ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel ohne derartige Einzelhandelsbeschränkung zugelassen werde. Das Einzelhandelskonzept ziele gerade darauf, im Rahmen des planerischen Ermessens Standorte auszuweisen, an denen innenstadtrelevanter Einzelhandel stattfinden solle. Durch ein Sondergebiet könnten Sortimente und Flächen so festgelegt werden, dass mit einer Beeinträchtigung der Innenstadt nicht gerechnet werden müsse. Dies habe nicht zur Folge, dass auch in angrenzenden Plangebieten innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen zugelassen werden müssten. Logische Folge der Festsetzung eines Einzelhandel-Sondergebiets sei der Ausschluss innenstadtrelevanter Einzelhandelsnutzungen in den anschließenden Gebieten, um die Steuerungsfunktion des Märktekonzeptes und der Festsetzung greifen zu lassen. Dass es dabei Grenzziehungen gebe, die für die anschließenden Grundstückseigentümer nachteilig seien und deren Interessen widersprächen, liege in der Natur der Sache. Deshalb könne aber nicht das baurechtlich relevante öffentliche Interesse verneint werden. Zu berücksichtigen sei, dass in Mischgebieten ein öffentliches Interesse am Ausschluss innenstadtrelevanter Nutzungen daraus folgen könne, dass dort zwar nur nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig seien, eine Agglomeration aber schwer zu verhindern sei. Um die negativen städtebaulichen Agglomerationswirkungen selbstständiger Betriebe unterhalb der Großflächigkeit zu vermeiden, bestehe nur die Möglichkeit, innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen insgesamt auszuschließen. Dies habe vorliegend durch Änderung des Bebauungsplans oder durch Übernahme der Baulast geschehen können. Das öffentliche Interesse, außerhalb des Sondergebiets innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen nicht zuzulassen, bestehe fort, weshalb das baurechtlich relevante öffentliche Interesse am Bestand der Baulast heute noch vorliege. Die Baulast beinhalte die Verpflichtung, ein sich aus dem Bebauungsplan ergebendes Recht nicht auszuüben. Damit handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, zu einem das Grundstück der Klägerin betreffenden Unterlassen, das sich nicht schon aus einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift ergebe. Aufgrund der Baulast könne die Baurechtsbehörde gegen baulastwidrige Verhaltensweisen vorgehen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, auf die Baulast zu verzichten. Unerheblich sei, dass sich die Baulast nach ihrem Wortlaut nur auf die Verpflichtung beziehe, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Es sei offenkundig, dass damit die Verpflichtung des Eigentümers habe geregelt werden sollen, das Grundstück nicht in dem genannten Sinne zu nutzen. Bei der Erklärung handle es sich um eine auslegungsbedürftige und -fähige Willensäußerung. Dabei komme es nach § 133 BGB für den Bedeutungsgehalt auf den Empfängerhorizont an. Es bestehe kein ernsthafter Zweifel, dass die Beklagte bei Annahme der Erklärung davon habe ausgehen dürfen und ausgegangen sei, dass mit dieser eine öffentlich-rechtliche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit begründet werden sollte. Den Beteiligen seien die Zusammenhänge bekannt gewesen. Deshalb könne dem objektiven Erklärungswert nur die Bedeutung beigemessen werden, die sich auf die Grundstücksnutzung beziehe und von der bisher alle Beteiligten ausgegangen seien.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen,
15 
hilfsweise,
16 
die Beklagte zu verpflichten, auf die im Baulastenverzeichnis der Beklagten im Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 unter der lfd. Nr. 1 eingetragene Baulast zu verzichten und diese zu löschen.
17 
Zur Begründung wird ausgeführt, nach dem eindeutigen Wortlaut beziehe sich die Baulast auf Vermietungen. Dies sei baurechtlich ohne Bedeutung und von der Baurechtsbehörde nicht zu berücksichtigen. Damit habe die Baulast keine baurechtlich relevante öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Inhalt. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts bedürfe es keiner korrigierenden oder erweiternden Auslegung. Ausgeschlossen sei nur eine Vermietung, nicht aber eine Nutzung insbesondere durch die Eigentümerin selbst. Auch fehle es an baurechtlichen Vorgaben, die die Verpflichtung rechtfertigen könnten. Es sei daher konsequent, dass sich die Verpflichtung ausschließlich auf ein privatrechtliches Tun beziehe. Eine solche zivilrechtliche Verpflichtung habe durch Baulast nicht übernommen werden können. Zudem fehle es an der baurechtlichen Bedeutsamkeit. Soweit sich die Beklagte auf ihr Märktekonzept und die Möglichkeit einer Bebauungsplanänderung berufe, belege dies die fehlende baurechtliche Relevanz. Erst mit Umsetzung in einem Bebauungsplan wäre das Märktekonzept baurechtlich bedeutsam. Eine Nutzungsänderung wäre derzeit ohne die Baulast problemlos zulässig. Das von der Beklagten ins Feld geführte Märktekonzept sei Wirtschaftspolitik, aber keine Bodenordnung im Sinne des Bauplanungsrechts. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass jedenfalls zwischenzeitlich kein öffentliches Interesse an der Verpflichtung mehr bestehe. Die Ausweisung von Sondergebieten und die Errichtung großer Einkaufsmärkte unmittelbar angrenzend an ihr Grundstück lasse einen denkbaren Schutz innenstadtrelevanter Sortimente obsolet werden. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass die Ausweisung derartiger Sondergebiete es erforderlich mache, Grenzen zu ziehen und eine weitere Ausweitung innenstadtschädlicher Sortimente zu verhindern. Die Erforderlichkeit einer Grenzziehung ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass in dem angrenzenden Mischgebiet durch Agglomeration kleinerer Einzelhandelsbetriebe eine Beeinträchtigung des Einzelhandels in der Innenstadt erfolgen könne. Ein baurechtliches öffentliches Interesse würde voraussetzen, dass das Märktekonzept planungsrechtlichen Niederschlag gefunden habe und eine Abgrenzung im Einzelnen tatsächlich bestehe. Solange es an der planungsrechtlichen Umsetzung fehle, bestehe kein öffentliches Interesse.
18 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die dem Senat vorgelegten Aktenauszüge der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 19 K 211/03 - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere genügt der innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz der Beklagten den Formerfordernissen des § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht hinsichtlich des von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag verfolgten Löschungsbegehrens stattgegeben. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag.
20 
Die Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragenen Baulast ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - im Wege einer allgemeine Leistungsklage zu verfolgen, da weder die Eintragung einer Baulasterklärung in das Baulastenverzeichnis noch die Löschung einer derartigen Eintragung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 LVwVfG darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - 8 S 637/90 -, VBlBW 1991, 59 m.w.N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Baulast. Da diese nicht wirksam ist, ist das Baulastenverzeichnis insoweit unrichtig. Die Ausweisung einer nicht vorhandenen öffentlich-rechtlichen Beschränkung in einem öffentlichen Register, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit immerhin eine tatsächliche Vermutung streitet, ist eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Eigentümer aufgrund seines Eigentumsrechts verlangen kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 12.12.1986 - 1 A 172/86 -, BRS 46, Nr. 164).
22 
1. Nach § 71 Abs. 1 LBO können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten). Da die Baulast öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des jeweiligen Grundstückseigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schafft, die ggf. durch eine bauaufsichtliche Verfügung durchzusetzen sind, müssen Umfang und Inhalt der übernommenen Verpflichtung aus der Erklärung heraus hinreichend bestimmbar sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Baulasterklärung um eine einseitige Willenserklärung handelt, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB auszulegen ist. Danach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Wirklicher Wille ist nicht der innere, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille, sondern nur der erklärte Wille. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt ist, nämlich der Adressat der Baulast, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 13.06.1984 - 3 S 696/84 -, VBlBW 1984, 381, und vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -).
23 
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Baulast die Verpflichtung der damaligen Grundstückseigentümerin und ihrer Rechtsnachfolger enthält, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die aufgrund des von ihnen geführten Warensortiments innenstadtschädliche Auswirkungen haben. Soweit die Beklagte die Verpflichtung in einem weitergehenden Sinne dahin verstanden haben möchte, das Grundstück - auch etwa durch den jeweiligen Eigentümer - nicht in einer entsprechenden Art und Weise zu nutzen, kann ein entsprechender Verpflichtungswille dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Unterlassungserklärung nicht entnommen werden. Auch die offensichtlich nur noch rudimentär vorhandenen Unterlagen aus dem Baugenehmigungsverfahren, anlässlich dessen die Erklärung von der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgegeben worden ist, enthalten keine Hinweise für die von der Beklagten gewünschte Auslegung. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ging es im damaligen Genehmigungsverfahren offensichtlich um die Umnutzung von der Eigentümerin zuvor als Autohaus - selbst - genutzter Räume in einen - fremd genutzten - Baumarkt. Dies dürfte erklären, warum die Verpflichtung sich auf den Tatbestand der Vermietung bezieht. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei Abgabe der Erklärung die Gefahr einer innenstadtschädlichen Eigennutzung eher fern gelegen habe. Damit sind die Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich davon ausgegangen, dass eine auf den Tatbestand der Vermietung beschränkte Unterlassungsverpflichtung der Grundstückseigentümerin den von der Beklagten angestrebten Zentrenschutz ausreichend sichert. Auch in den von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftstücken wird nur darauf abgestellt, dass die Eigentümerin sich durch Baulast verpflichtet habe, nicht an entsprechende Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Allein der Umstand, dass eine Erklärung diesen Inhalts den angestrebten Zentrenschutz objektiv nicht wirksam sicherstellt, rechtfertigt es nicht, die von der damaligen Grundstückseigentümerin übernommene Verpflichtung über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus in dem von der Beklagten gewünschten weitergehenden Sinne zu verstehen, zumal ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterrichtung des Bauausschusses durch das Bauordnungsamt vom 17.09.1986 schon damals auf Seiten der Beklagten gesehen wurde, dass durch die Baulast zwar möglicherweise bezogen auf das konkrete Bauvorhaben planungsrechtliche Bedenken beseitigt werden könnten, dessen ungeachtet eine Änderung des Bebauungsplans aber für notwendig erachtet und ausdrücklich empfohlen worden ist.
24 
2. Die so auszulegende Verpflichtung konnte im Wege einer Baulast nicht wirksam eingegangen werden. Wie oben dargelegt können durch Baulast nur öffentlich-rechtliche Verpflichtungen begründet werden. Auch kann nicht jedes grundstücksbezogene Verhalten Gegenstand einer Baulast sein. § 71 LBO erlaubt nicht, Baulasten durch Entgegennahme entsprechender Verpflichtungserklärungen seitens der Baurechtsbehörde schlechthin mit jedem beliebigen Inhalt zu begründen. Der zulässige Inhalt einer Baulast ist aus dem Gesamtzusammenhang der Normen des öffentlichen Baurechts zu bestimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.1974 - III 1343/72 -, BRS 28, Nr. 123 zu § 108 LBO a.F.). Bei der Baulast handelt es sich um ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Mit der Baulast sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung oder Nutzungsänderung entgegenstehen können. Damit setzt die Baulast einen Zusammenhang mit dem Baugeschehen voraus. An der baurechtlichen Relevanz fehlt es, wenn keinerlei Zusammenhang mit einem Bauvorhaben i.S.d. LBO besteht. Sinn und Zweck der Baulast besteht nicht darin, unabhängig vom Baugeschehen grundstücksbezogenen Verpflichtungen eine öffentlich-rechtliche dingliche Wirkung zu verleihen, gewissermaßen im Sinne einer generellen öffentlich-rechtlichen Grunddienstbarkeit. Die Baulast setzt damit einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun, Dulden oder Unterlassen voraus; als ein spezifisch bauaufsichtliches Instrument greift sie unmittelbar in das Regelungsgefüge ein, das für die Zulässigkeit der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung bestimmend ist. Dagegen eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.1994 - 4 B 175/94 -, BauR 1995, 377 m.w.N.). Wegen mangelnder baurechtlicher Bedeutsamkeit inhaltlich unzulässig ist eine baulastmäßige Verpflichtung, wenn kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar ist, auf Grund dessen sie in absehbarer Zeit baurechtliche Bedeutung gewinnen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.10.2004 - 3 S 1743/03 -, VBlBW 2005, 73 m.w.N.).
25 
Baurechtliche Bedeutsamkeit ist gegeben, wenn zwischen der durch Baulast übernommenen Verpflichtung und der Wahrnehmung der der Baurechtsbehörde obliegenden Aufgaben ein Zusammenhang besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Aufgabenbereich der Baurechtsbehörde nicht nur die Beachtung der bauordnungsrechtlichen, sondern auch sonstiger öffentlich-rechtlicher Anforderungen gehört. Auch die Erfüllung dieser Anforderungen kann durch Baulast gesichert werden. Die Vorschriften müssen aber in die Entscheidungskompetenz der Baurechtsbehörde im Zusammenhang mit der baurechtlichen Beurteilung von Anlagen fallen. Gegenstand der Baulast können deshalb grundsätzlich alle Anforderungen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 58 Abs. 1 LBO sein (vgl. Sauter, LBO Bad.-Württ., 3. Auflage, Stand Januar 2006). Damit darf sich eine Baulast auch auf die Nutzung eines Grundstücks in bodenrechtlicher (bebauungsrechtlicher) Hinsicht beziehen; denn darauf erstreckt sich allgemein das bauaufsichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.11.1987 - 4 B 216/87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend keine wirksame Baulast entstanden. Die in der Baulast übernommene Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, knüpft an einen privatrechtlichen Rechtsvorgang an. Allein der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch die ausdrücklich als „Baulasterklärung“ bezeichnete Verpflichtung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eingehen wollte, ändert daran nichts. Das Baurecht enthält zwar Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung (vgl. etwa § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Diese betreffen aber die tatsächliche Nutzung und nicht den einer Nutzung möglicherweise vorgelagerten Vorgang der zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung. Mithin handelt es bei der Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, schon nicht um dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verpflichtung. Im Übrigen fehlt der übernommenen Verpflichtung auch die erforderliche baurechtliche Bedeutsamkeit, da sie nur die Vermietung des Grundstücks an ein Einzelhandelsunternehmen mit zentrenrelevantem Sortiment verbietet, nicht aber eine entsprechende Nutzung des Grundstücks, etwa unmittelbar durch den jeweiligen Grundstückseigentümer. Durch die Baulast sollten zwar möglicherweise planungsrechtliche Bedenken bezüglich der beabsichtigten und zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung ausgeräumt werden. Der bloße Tatbestand der Vermietung stellt aber keine Handlung dar, die nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Baurechtsvorschriften eine Verfügung der Baurechtsbehörde gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin rechtfertigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baulast ausschließlich öffentlichen Interessen dient (vgl. Sauter, a.a.O., § 71 RdNr. 14) und sich nur auf Regelungen beziehen darf, die für die Baurechtsbehörde entscheidungserheblich sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.12.1986 - 8 S 1282/86 -). Hieran fehlt es vorliegend, da die Baulast ihrem Inhalt nach keine Verpflichtung bezüglich der - für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblichen - Nutzung des Grundstücks der Klägerin enthält, sondern sich ausschließlich auf den vorgelagerten zivilrechtlichen Vorgang der Vermietung bezieht, der für sich gesehen für die Baurechtsbehörde bei der Erfüllung ihrer bauaufsichtlichen Aufgaben ohne Bedeutung ist. Zivilrechtliche Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich nicht der Prüfungskompetenz der Baurechtsbehörde und sind damit baurechtlich irrelevant (vgl. auch § 58 Abs. 3 LBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird). Damit fehlt der Baulast die Eignung, einen etwaigen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen von der Baurechtsbehörde zu beachtenden Vorschriften auszuräumen.
27 
3. Ist die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast mithin unwirksam, hat die Klägerin einen Anspruch auf Löschung. Dieser Anspruch ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt neben einem erheblichen Zeitraum zwischen Entstehung und Geltendmachung des Rechts besondere Umstände voraus, nach denen der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - a.a.O. - m.w.N.). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist.
28 
Damit hat das Verwaltungsgericht der Klage hinsichtlich des Hauptantrags zu Recht stattgegeben und ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
32 
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG n.F. endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere genügt der innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz der Beklagten den Formerfordernissen des § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht hinsichtlich des von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag verfolgten Löschungsbegehrens stattgegeben. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag.
20 
Die Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragenen Baulast ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - im Wege einer allgemeine Leistungsklage zu verfolgen, da weder die Eintragung einer Baulasterklärung in das Baulastenverzeichnis noch die Löschung einer derartigen Eintragung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 LVwVfG darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - 8 S 637/90 -, VBlBW 1991, 59 m.w.N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Baulast. Da diese nicht wirksam ist, ist das Baulastenverzeichnis insoweit unrichtig. Die Ausweisung einer nicht vorhandenen öffentlich-rechtlichen Beschränkung in einem öffentlichen Register, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit immerhin eine tatsächliche Vermutung streitet, ist eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Eigentümer aufgrund seines Eigentumsrechts verlangen kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 12.12.1986 - 1 A 172/86 -, BRS 46, Nr. 164).
22 
1. Nach § 71 Abs. 1 LBO können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten). Da die Baulast öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des jeweiligen Grundstückseigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schafft, die ggf. durch eine bauaufsichtliche Verfügung durchzusetzen sind, müssen Umfang und Inhalt der übernommenen Verpflichtung aus der Erklärung heraus hinreichend bestimmbar sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Baulasterklärung um eine einseitige Willenserklärung handelt, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB auszulegen ist. Danach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Wirklicher Wille ist nicht der innere, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille, sondern nur der erklärte Wille. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt ist, nämlich der Adressat der Baulast, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 13.06.1984 - 3 S 696/84 -, VBlBW 1984, 381, und vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -).
23 
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Baulast die Verpflichtung der damaligen Grundstückseigentümerin und ihrer Rechtsnachfolger enthält, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die aufgrund des von ihnen geführten Warensortiments innenstadtschädliche Auswirkungen haben. Soweit die Beklagte die Verpflichtung in einem weitergehenden Sinne dahin verstanden haben möchte, das Grundstück - auch etwa durch den jeweiligen Eigentümer - nicht in einer entsprechenden Art und Weise zu nutzen, kann ein entsprechender Verpflichtungswille dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Unterlassungserklärung nicht entnommen werden. Auch die offensichtlich nur noch rudimentär vorhandenen Unterlagen aus dem Baugenehmigungsverfahren, anlässlich dessen die Erklärung von der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgegeben worden ist, enthalten keine Hinweise für die von der Beklagten gewünschte Auslegung. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ging es im damaligen Genehmigungsverfahren offensichtlich um die Umnutzung von der Eigentümerin zuvor als Autohaus - selbst - genutzter Räume in einen - fremd genutzten - Baumarkt. Dies dürfte erklären, warum die Verpflichtung sich auf den Tatbestand der Vermietung bezieht. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei Abgabe der Erklärung die Gefahr einer innenstadtschädlichen Eigennutzung eher fern gelegen habe. Damit sind die Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich davon ausgegangen, dass eine auf den Tatbestand der Vermietung beschränkte Unterlassungsverpflichtung der Grundstückseigentümerin den von der Beklagten angestrebten Zentrenschutz ausreichend sichert. Auch in den von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftstücken wird nur darauf abgestellt, dass die Eigentümerin sich durch Baulast verpflichtet habe, nicht an entsprechende Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Allein der Umstand, dass eine Erklärung diesen Inhalts den angestrebten Zentrenschutz objektiv nicht wirksam sicherstellt, rechtfertigt es nicht, die von der damaligen Grundstückseigentümerin übernommene Verpflichtung über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus in dem von der Beklagten gewünschten weitergehenden Sinne zu verstehen, zumal ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterrichtung des Bauausschusses durch das Bauordnungsamt vom 17.09.1986 schon damals auf Seiten der Beklagten gesehen wurde, dass durch die Baulast zwar möglicherweise bezogen auf das konkrete Bauvorhaben planungsrechtliche Bedenken beseitigt werden könnten, dessen ungeachtet eine Änderung des Bebauungsplans aber für notwendig erachtet und ausdrücklich empfohlen worden ist.
24 
2. Die so auszulegende Verpflichtung konnte im Wege einer Baulast nicht wirksam eingegangen werden. Wie oben dargelegt können durch Baulast nur öffentlich-rechtliche Verpflichtungen begründet werden. Auch kann nicht jedes grundstücksbezogene Verhalten Gegenstand einer Baulast sein. § 71 LBO erlaubt nicht, Baulasten durch Entgegennahme entsprechender Verpflichtungserklärungen seitens der Baurechtsbehörde schlechthin mit jedem beliebigen Inhalt zu begründen. Der zulässige Inhalt einer Baulast ist aus dem Gesamtzusammenhang der Normen des öffentlichen Baurechts zu bestimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.1974 - III 1343/72 -, BRS 28, Nr. 123 zu § 108 LBO a.F.). Bei der Baulast handelt es sich um ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Mit der Baulast sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung oder Nutzungsänderung entgegenstehen können. Damit setzt die Baulast einen Zusammenhang mit dem Baugeschehen voraus. An der baurechtlichen Relevanz fehlt es, wenn keinerlei Zusammenhang mit einem Bauvorhaben i.S.d. LBO besteht. Sinn und Zweck der Baulast besteht nicht darin, unabhängig vom Baugeschehen grundstücksbezogenen Verpflichtungen eine öffentlich-rechtliche dingliche Wirkung zu verleihen, gewissermaßen im Sinne einer generellen öffentlich-rechtlichen Grunddienstbarkeit. Die Baulast setzt damit einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun, Dulden oder Unterlassen voraus; als ein spezifisch bauaufsichtliches Instrument greift sie unmittelbar in das Regelungsgefüge ein, das für die Zulässigkeit der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung bestimmend ist. Dagegen eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.1994 - 4 B 175/94 -, BauR 1995, 377 m.w.N.). Wegen mangelnder baurechtlicher Bedeutsamkeit inhaltlich unzulässig ist eine baulastmäßige Verpflichtung, wenn kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar ist, auf Grund dessen sie in absehbarer Zeit baurechtliche Bedeutung gewinnen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.10.2004 - 3 S 1743/03 -, VBlBW 2005, 73 m.w.N.).
25 
Baurechtliche Bedeutsamkeit ist gegeben, wenn zwischen der durch Baulast übernommenen Verpflichtung und der Wahrnehmung der der Baurechtsbehörde obliegenden Aufgaben ein Zusammenhang besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Aufgabenbereich der Baurechtsbehörde nicht nur die Beachtung der bauordnungsrechtlichen, sondern auch sonstiger öffentlich-rechtlicher Anforderungen gehört. Auch die Erfüllung dieser Anforderungen kann durch Baulast gesichert werden. Die Vorschriften müssen aber in die Entscheidungskompetenz der Baurechtsbehörde im Zusammenhang mit der baurechtlichen Beurteilung von Anlagen fallen. Gegenstand der Baulast können deshalb grundsätzlich alle Anforderungen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 58 Abs. 1 LBO sein (vgl. Sauter, LBO Bad.-Württ., 3. Auflage, Stand Januar 2006). Damit darf sich eine Baulast auch auf die Nutzung eines Grundstücks in bodenrechtlicher (bebauungsrechtlicher) Hinsicht beziehen; denn darauf erstreckt sich allgemein das bauaufsichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.11.1987 - 4 B 216/87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend keine wirksame Baulast entstanden. Die in der Baulast übernommene Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, knüpft an einen privatrechtlichen Rechtsvorgang an. Allein der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch die ausdrücklich als „Baulasterklärung“ bezeichnete Verpflichtung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eingehen wollte, ändert daran nichts. Das Baurecht enthält zwar Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung (vgl. etwa § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Diese betreffen aber die tatsächliche Nutzung und nicht den einer Nutzung möglicherweise vorgelagerten Vorgang der zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung. Mithin handelt es bei der Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, schon nicht um dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verpflichtung. Im Übrigen fehlt der übernommenen Verpflichtung auch die erforderliche baurechtliche Bedeutsamkeit, da sie nur die Vermietung des Grundstücks an ein Einzelhandelsunternehmen mit zentrenrelevantem Sortiment verbietet, nicht aber eine entsprechende Nutzung des Grundstücks, etwa unmittelbar durch den jeweiligen Grundstückseigentümer. Durch die Baulast sollten zwar möglicherweise planungsrechtliche Bedenken bezüglich der beabsichtigten und zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung ausgeräumt werden. Der bloße Tatbestand der Vermietung stellt aber keine Handlung dar, die nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Baurechtsvorschriften eine Verfügung der Baurechtsbehörde gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin rechtfertigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baulast ausschließlich öffentlichen Interessen dient (vgl. Sauter, a.a.O., § 71 RdNr. 14) und sich nur auf Regelungen beziehen darf, die für die Baurechtsbehörde entscheidungserheblich sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.12.1986 - 8 S 1282/86 -). Hieran fehlt es vorliegend, da die Baulast ihrem Inhalt nach keine Verpflichtung bezüglich der - für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblichen - Nutzung des Grundstücks der Klägerin enthält, sondern sich ausschließlich auf den vorgelagerten zivilrechtlichen Vorgang der Vermietung bezieht, der für sich gesehen für die Baurechtsbehörde bei der Erfüllung ihrer bauaufsichtlichen Aufgaben ohne Bedeutung ist. Zivilrechtliche Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich nicht der Prüfungskompetenz der Baurechtsbehörde und sind damit baurechtlich irrelevant (vgl. auch § 58 Abs. 3 LBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird). Damit fehlt der Baulast die Eignung, einen etwaigen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen von der Baurechtsbehörde zu beachtenden Vorschriften auszuräumen.
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3. Ist die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast mithin unwirksam, hat die Klägerin einen Anspruch auf Löschung. Dieser Anspruch ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt neben einem erheblichen Zeitraum zwischen Entstehung und Geltendmachung des Rechts besondere Umstände voraus, nach denen der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - a.a.O. - m.w.N.). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist.
28 
Damit hat das Verwaltungsgericht der Klage hinsichtlich des Hauptantrags zu Recht stattgegeben und ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Beschluss
32 
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG n.F. endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus und Garage bebauten Grundstücks Bergstraße ... in Uhldingen-Mühlhofen (Flst. Nr. 400/2). Die Bebauung des Grundstücks erfolgte Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Baugrundstück war seinerzeit das ca. 40 a große Hanggrundstück Flst. Nr. 400; durch Abtrennung einer Teilfläche wurde 1977 das heutige Grundstück Flst. Nr. 400/2 gebildet. Der Beigeladene ist Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus und Garage bebauten südöstlich angrenzenden Grundstücks Bergstraße ... (Flst. Nr. 401/1). Auch dieses Grundstück war 1959 durch die Abtrennung einer Teilfläche vom damaligen Grundstück Flst. Nr. 400 - zusammen mit einer Teilfläche des früheren Grundstücks Flst. Nr. 401 - gebildet worden.
Mit Kaufvertrag vom 31.7.1959 erwarb der Vater des Beigeladenen von den Eltern des Klägers, ... und ... ..., das zu dieser Zeit neu gebildete, 532 qm große Baugrundstück Flst. Nr. 401/1. In dem Kaufvertrag hieß es unter „§ 6 weitere Vereinbarungen“:
„Die Verkäufer verpflichten sich, den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen. Sie verzichten insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht. ...“
Auf dem Grundstück des Beigeladenen errichtete dessen Vater in der Folge ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung (Baubescheid des Landratsamts Überlingen/See vom 26.6.1961), das zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2 m einhielt. Im Zusammenhang damit wurde am 13.7.1961 auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Vaters des Klägers vom 26.4.1961 und einer dahingehenden Anordnung des Landratsamts Überlingen vom 30.5.1961 folgende Baulast in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen:
„Herr ... in Unteruhldingen übernimmt als grundbuchmäßiger Eigentümer des Grundstücks Lgb. Nr. 400 der Gemarkung Unteruhldingen für sich und seine Rechtsnachfolger die baurechtliche Verpflichtung, im Falle eines eigenen Bauvorhabens von der Grenze des Grundstücks Lgb. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4 m einzuhalten.“
Aufgrund einer weiteren Baugenehmigung vom 20.7.1984 wurde das Gebäude später erweitert und umgebaut.
Beide Grundstücke sind baurechtlich nicht überplant.
Am 27.10.1998 erteilte das Landratsamt Bodenseekreis dem Beigeladenen die Baugenehmigung für den Um- und Erweiterungsbau des bestehenden Wohnhauses, den Einbau eines Aufzugs, den Abbruch einer bestehenden Garage und den Neubau einer Doppelgarage sowie den Umbau der bisherigen ÖI- in eine Gasheizung; das erweiterte Gebäude sollte dabei auf weniger als 50 cm an die Grenze zum Grundstück des Klägers heranrücken. Während das Vorhaben bereits ausgeführt wurde, erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er jedoch zunächst erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.5.2001). Erst das Verwaltungsgericht Sigmaringen hob die Baugenehmigung mit Urteil vom 18.7.2002 (2 K 913/01) auf. Zur Begründung hieß es in dem Urteil unter anderem, dass der erforderliche Grenzabstand von 2,5 m nicht eingehalten werde. Der Kläger sei auch nicht aufgrund der übernommenen Baulast vom 13.7.1961 verpflichtet, die Bebauung in Grenznähe zu dulden. Nach deren Wortlaut müsse der Kläger lediglich bei der Bebauung seines eigenen Grundstücks einen Mindestabstand von 4 m zur Grundstücksgrenze des Beigeladenen einhalten. Die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück (Nr. 401/1) auf sein Grundstück (Nr. 400/2) sei nicht erklärt worden. Bei der Auslegung der Baulastübernahme als Willenserklärung sei entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und dabei auch der Kaufvertrag vom 31.7.1959 heranzuziehen. Dort hätten sich die Eltern und der Großvater des Klägers lediglich verpflichtet, "den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen", und "insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht" verzichtet. Aus dem Wort "insoweit" werde deutlich, dass nur ein Herannahen der Bebauung bis auf 2 m von der Grundstücksgrenze, nicht hingegen bis auf 50 oder gar 30 cm habe zugelassen werden sollen. Dementsprechend sei auch der Baubescheid vom 26.6.1961 erteilt worden. Auch nach heutiger Rechtslage (§ 7 Abs. 1 Satz 1 LBO) dürften sich Abstandsflächen nur dann ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert sei, dass sie nicht überbaut und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei aber nur die erste dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Die Baugenehmigung verstoße wegen der Treppenhausfenster außerdem auch gegen Brandschutzvorschriften (Öffnungsverbot bei grenznahen Wänden). Der Kläger sei weder durch Treu und Glauben an der Geltendmachung seiner Nachbarrechte gehindert, noch habe er seine Rechte verwirkt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
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Am 26.9.2002 beantragte der Kläger beim Landratsamt Bodenseekreis unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts den Erlass einer Abbruchsverfügung insoweit, als mit dem - inzwischen nahezu fertiggestellten - Bau gegen die Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften verstoßen worden sei. Mit Bescheid vom 12.11.2002 lehnte das Landratsamt Bodenseekreis den Erlass der beantragten Abbruchsverfügung als unverhältnismäßig ab; auch der am 20.11.2002 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 6.5.2003). Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 24.7.2006 auf und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen, über den Antrag des Klägers auf Erlass einer Abbruchsverfügung hinsichtlich des Anbaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Auf die vom Senat zugelassene Berufung ist das Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen worden (Senatsurteil vom 15.4.2008 – 8 S 11/07 -).
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Bereits unter dem 3.12.2004 hatte der Beigeladene erneut die Genehmigung seines Vorhabens beantragt. Gegenüber der ursprünglichen Planung hatte er u. a. den Einbau von G-30 Fenstern im grenznahen Treppenhaus vorgesehen. Der Kläger verwies im Rahmen der Angrenzeranhörung wiederum auf die nicht eingehaltene Abstandsfläche und die Verletzung der Brandschutzvorschriften.
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Am 15.4.2005 wurde die beantragte Baugenehmigung unter Zulassung geringerer Abstandsflächentiefen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erteilt. Die Einwendungen des Klägers wurden mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Kläger sei durch die nach wie vor geltende Baulastübernahmeerklärung verpflichtet, im Fall eines eigenen Vorhabens von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4,00 m einzuhalten. Danach ergebe sich zwischen den Gebäuden ein Gesamtabstand von 4,50 m. Seine Rechtsposition bleibe unverändert. Beleuchtung mit Tageslicht sowie ausreichende Belüftung der Gebäude auf dem Baugrundstück und auf dem Nachbargrundstück seien nicht beeinträchtigt. Gründe des Brandschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Zwar solle nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBOAVO entweder ein Abstand zwischen Gebäuden von 5,00 m eingehalten werden oder die betreffenden Außenwände dürften keine Öffnungen haben. Aufgrund der Baulast sei ein Gebäudeabstand von 4,50 m gewährleistet. Zur Gewährleistung des erforderlichen Brandschutzes sei der Bauherr bereits im Sommer 2003 veranlasst worden, die unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand zum Grundstück Flst. Nr. 400/2 hin mit nicht zu öffnenden Brandschutzgläsern (G 30) zur Vermeidung des Funkenübersprungs auf das Nachbargrundstück zu verschließen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Klägers sei nicht zu erkennen. Ein Recht auf das Weiterbestehen vorhandener Sichtverhältnisse gebe es nicht. Die Baugenehmigung wurde dem Kläger am 21.4.2005 zugestellt.
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Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger am 4.5.2005 Widerspruch, den er unter anderem damit begründete, dass der Abstand des Gebäudes bis zu seiner Grenze nur noch 0,3 m betrage. Sein Grundstück werde erheblich beschattet und verliere auch an Wert. Die Wohngegend könne als villenartig bezeichnet werden; dort sei eine enge Bebauung nicht üblich und wirke sich negativ auf den Wert des jeweiligen Grundstücks aus.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch zurück. Das Landratsamt habe zu Recht eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen. Bei der Frage, ob nachbarliche Belange erheblich, d.h. unzumutbar beeinträchtigt würden, komme es auf die konkrete Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der nachbarlichen Interessen an. Die Frage, ob eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zulässig sei, sei daher aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beantworten. Das Interesse des Klägers gehe vor allem dahin, eine Verschlechterung der bisherigen baulichen Situation zu vermeiden. Der Beigeladene sei dagegen daran interessiert, sein Gebäude entsprechend umzubauen. Aufgrund der besonderen Umstände sei das Interesse des Beigeladenen aber höher zu bewerten. Dies folge einerseits daraus, dass sich Belichtung und Belüftung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand jedenfalls nicht wesentlich verschlechterten. Das Bauvorhaben liege aus Sicht des Klägers im Osten, so dass allein schon deswegen die Belichtung und Besonnung seines Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt sein könne. Vor allem aber sei die geltend gemachte Beschattung nicht vorrangig und ausschlaggebend auf den Umbau bzw. Treppenhausneubau zurückzuführen. Vielmehr werde diese - sofern überhaupt von Belang - bereits seit über 40 Jahren durch den bestehenden Hauptbaukörper auf dem Grundstück Flst. Nr. 401/1 verursacht. Dies zeigten die Schnitte der genehmigten Bauvorlagen, aus denen sich keine derartige Erhöhung des Nachbargebäudes ergebe, die nun erstmalig eine wesentliche und unzumutbare Verschattung zu Lasten des Klägers bewirken könne, zumal das Gelände zum Grundstück des Klägers hin ansteige. Nicht zuletzt sei der Kläger durch die auf seinem Grundstück liegende Baulast an einer weiteren Bebauung des fraglichen Bereichs ohnehin gehindert, so dass sich insoweit - ungeachtet der bereits vorhandenen Situation - keine neuen oder zusätzlichen Verschlechterungen für dortige Wohnräume ergeben könnten. Diese insgesamt schon vorhandene "Vorbelastung" sei zu Ungunsten des Klägers zu werten. Insofern sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich diese Verhältnisse bezüglich Besonnung und Belichtung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand wesentlich verschlechtern würden. Der Kläger werde somit in der (baulichen) Nutzbarkeit seines Grundstücks durch die Zulassung der Abweichung im Wesentlichen nicht weiter beeinträchtigt, als dies durch die bestehenden Verhältnisse ohnehin schon der Fall sei. Damit lägen in Bezug auf das betroffene Nachbargrundstück besondere Umstände vor, d.h. die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück sei durch Besonderheiten topographischer und anderer Art gekennzeichnet, die das Interesse des Klägers an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern und damit weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung komme deshalb den Belangen des Klägers gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung seines Bauwunsches weniger Gewicht zu. Der Erteilung der Baugenehmigung stehe auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 nicht entgegen. Der Einwand der "res iudicata" verpflichte nach § 121 VwGO allein die Verwaltungsgerichte, kein abweichendes Sachurteil über diesen Streitgegenstand zu fällen. Dagegen sei die Verwaltungsbehörde nicht gehindert, eine neue Sachentscheidung zu treffen. Das gelte umso mehr, als vorliegend durch die vom Bauherrn vorgenommene Schließung der unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand eine neue Sach- und Rechtslage herbeigeführt worden sei. Insoweit sei schon der Streitgegenstand nicht mehr derselbe. Im Übrigen werde auf die zutreffenden Gründe des Ausgangsbescheides verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18.11.2005 zugestellt.
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Am 9.12.2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Anfechtungsklage erhoben und beantragt, die Baugenehmigung des Landratsamtes Bodenseekreis vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.11.2005 aufzuheben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass er nach den rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Urteil vom 18.7.2002 nicht verpflichtet sei, einen Grenzabstand von weniger als 2,0 m zu seiner Grundstücksgrenze zu dulden. Allein der Austausch der Verglasung der Fensterflächen gegen eine brandschutzhemmende Verglasung könne im Ergebnis nicht zur Rechtmäßigkeit der nunmehr erteilten Baugenehmigung führen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO seien nicht gegeben. Die Grenzbebauung stelle eine erhebliche und nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar. Selbst wenn man von einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks ausgehe, verstoße das Bauvorhaben weiterhin gegen brandschutzrechtliche Vorschriften und verletze darüber hinaus auch den nachbarlichen Wohnfrieden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBOAVO seien Außenwände, die einen Abstand von weniger als 2,5 m zur Nachbargrenze haben, ohne Öffnungen herzustellen. Das nunmehr genehmigte Bauvorhaben weise jedoch weiterhin zwei ca. 2 qm große Fensteröffnungen auf. Gegenüber dieser Fensterverglasung, die nicht die Voraussetzungen einer in diesem Abstand erforderlichen Brandschutzmauer erfülle, befinde sich in ca. 4 m Entfernung sein Wintergartenanbau. Dieser sei großflächig verglast und werde von ihm über das gesamte Jahr hinweg als Wohnraum genutzt. Die nunmehr dem Beigeladenen eröffnete Möglichkeit, seine Wohnräumlichkeiten einzusehen, beeinträchtige ihn und seine Familie in ihrer Privatsphäre nicht nur unerheblich. Es sei vorhersehbar, dass sein Grundstück für Reinigungs-, Maler-, Reparatur- und sonstige Arbeiten in Anspruch genommen werden müsse. Eine hierfür erforderliche Gerüsterstellung sowie erforderliche Rettungsmaßnahmen im Brandfall könnten nunmehr ausschließlich über sein Grundstück erfolgen. Dies alles stelle in der Summe eine erhebliche Belastung dar. Die Versäumnisse der Beteiligten dürften nicht dazu führen, dass er im Ergebnis rechtlos gestellt werde und der Nachbarschutz leer laufe. Eine Grenzbebauung sei auch bauplanungsrechtlich nicht vorgesehen, so dass diese im Ergebnis auch nicht über die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erreicht werden könne. Allenfalls eine geringfügige Unterschreitung des Grenzabstandes habe er im Rahmen des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen.
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Mit Urteil vom 24.7.2006 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 aufgehoben. Zur Begründung heißt es in den Entscheidungsgründen u. a., dass der Treppenhausanbau gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 LBO verstoße. Die Einhaltung der Tiefe der Abstandsfläche von 2 m bei einer Wand von bis zu 5 m Breite diene kraft gesetzlicher Anordnung dem Schutz des Nachbarn. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage auf dem Grundstück des Beigeladenen aber nur 0,5 m. Die Baulast aus dem Jahr 1961 bestimme lediglich eine Fläche der Unbebaubarkeit auf dem klägerischen Grundstück. Mit ihr sei keine Übernahme von Abstandsflächen, die nach der gesetzlichen Regelung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu liegen hätten, auf das klägerische Grundstück bestimmt worden. Auch bei erneuter Überprüfung bleibe die Kammer bei der Auslegung der Baulasterklärung wie im Urteil vom 18.7.2002. Die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO komme nicht in Betracht, weil die Tiefe der Abstandsflächen des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werde und nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Als nachbarliche Belange in diesem Sinn seien Besonnung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks, nicht hingegen der allgemeine Wohnfriede zu berücksichtigen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Brandschutzverglasungen von innen nach außen durchsichtig seien, nicht ankommen könne. Besondere Gegebenheiten, welche ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe rechtfertigen könnten, seien nicht zu erkennen. Die Unterschreitung dieser Tiefe führe hier zu erheblichen Beeinträchtigungen des Grundstücks des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Die zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen bestehende Baulast sei nicht geeignet, eine Sondersituation zu begründen, in welcher die Abstandsflächentiefe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werden dürfe. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Überlegungen: Zum einen würde die Auffassung des Beklagten, dass mittels der Baulast ein ausreichender Gesamtabstand zwischen den beiden Wohnhäusern sichergestellt sei, dazu führen, dass der Baulast de facto doch der Inhalt einer Abstandsflächenbaulast zukommen würde. Dies sei aber gerade nicht der Inhalt dieser Baulast und dürfe über den Umweg des § 6 Abs. 4 LBO auch nicht zu deren Inhalt gemacht werden. Zum anderen sei aber auch erheblich, dass die Baulast nur die Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks einschränke, nicht aber dessen sonstige Nutzung als Garten und mögliche Liege- und Nutzfläche. Der betroffene Grundstücksteil sei solchen Nutzungen zugänglich, wie der Augenschein ergeben habe. Nur wenn jede sinnvolle Nutzung ausgeschlossen sei, könne von dem Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung durch die Abstandsflächenunterschreitung ausgegangen werden. Eine bedeutsame topographische Besonderheit in Gestalt eines deutlichen Höhenunterschieds lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Zwar liege der Eingang zum Haus des Beigeladenen aufgrund von Abgrabungen deutlich unterhalb des Geländeverlaufs auf dem Grundstück des Klägers. Selbst wenn man dies berücksichtigen wolle, könne darin keine - geschaffene - topographische Besonderheit erkannt werden, welche eine Sondersituation schaffe, in der ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe zulässig wäre. Der Baukörper des Anbaus rage nämlich weiterhin deutlich sichtbar erheblich über die Abgrabung hinaus und wirke damit in erheblicher Weise auf das Grundstück des Klägers ein. Eine Sondersituation aufgrund topographischer Besonderheiten könne aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn dadurch das Nachbargrundstück deutlich weniger beeinträchtigt werde und die Hanglage bereits dafür sorge, dass ein Bauvorhaben das Nachbargrundstück hinsichtlich Belüftung, Besonnung und Belichtung nicht oder kaum beeinträchtigen könne. So liege der Fall hier aber nicht. Der Umstand, dass das Gebäude durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden sei und es sich im Osten des klägerischen Grundstücks befinde, führe ebenfalls nicht zu einer Sondersituation. Es sei beim Augenschein nicht zu erkennen gewesen, dass eine Verschlechterung in Bezug auf Besonnung und Belüftung nicht eingetreten sei. Durch das Heranrücken der Bebauung sei der Schattenwurf auf das klägerische Grundstück im Bereich des Treppenhauses des Beigeladenen erkennbar größer geworden und das klägerische Grundstück werde somit erheblich beeinträchtigt. Angesichts der Höhe des Baukörpers entstehe auf dem Grundstück des Klägers auch deutlich der Eindruck eines "Eingemauertseins", welcher ebenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange führe. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums im Widerspruchsbescheid sei die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorliege, nicht anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die Interessen des Bauherrn an der Verwirklichung des Projekts mit einzufließen hätten. Es sei nur das Nachbargrundstück, nicht auch dasjenige des Bauherrn oder gar vom Grundstück losgelöste Interessen in den Blick zu nehmen, so dass Interessen des Beigeladenen das Ergebnis nicht beeinflussen könnten. Eine teilweise Aufhebung der Baugenehmigung komme nicht in Betracht, da für den Fall, dass nur die Genehmigung für das Treppenhaus aufgehoben werden würde, ein nicht genehmigungsfähiger Torso als Gegenstand der Baugenehmigung zurückbleibe, nämlich ein mehrstöckiges Gebäude ohne Eingang und ohne Treppenhaus.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 21.12.2006 - 8 S 2123/06 - zugelassene Berufung des beklagten Landes, mit der es beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Es macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorlägen. Die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung blieben in ausreichendem Maße gewährleistet. Das Gebäude sei durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden und der Anbau befinde sich im Osten des Wohnhauses des Klägers. Auf dem Grundstück des Klägers hätten bisher auch keine Beeinträchtigungen wegen fehlender Belichtung wie beispielsweise eine Versumpfung festgestellt werden können. Gründe des Brandschutzes stünden der Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ebenfalls nicht entgegen, nachdem der Beigeladene die Öffnungen in der Treppenhauswand mit dem Einbau einer Brandschutzverglasung (G 30), vergleichbar einer Brandschutzwand, geschlossen habe. Die Belange des Klägers würden trotz der Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe nicht erheblich beeinträchtigt, da aufgrund der vorhandenen grenznahen Bebauung mit einer Grenzgarage eine Sondersituation gegeben sei. Der Kläger habe sich bei der Errichtung dieser Garage weder an die bestehende Baulastverpflichtung, noch an die Auflagen der ihm erteilten Baugenehmigung, noch an die maßgeblichen Abstandsflächenvorschriften gehalten. Die Baulastverpflichtung unterscheide nicht zwischen einem Wohnhaus und einer Garage. Es sei auf ein Versäumnis der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen zurückzuführen, dass die Baugenehmigung dennoch erteilt worden sei. Dem Vater des Klägers, der die Baulast 1961 übernommen habe, habe dieses Versäumnis bewusst sein müssen. Die Baugenehmigung sei 1975 bzw. 1976 mit der Auflage erteilt worden, dass das Garagendach nicht als Terrasse genutzt werden dürfe. Das in den Planunterlagen im Gebäudeschnitt eingetragene Geländer sowie der mit Grüneintrag angebrachte Vermerk „keine Terrasse“ hätten die Umsetzung dieser Auflage sicherstellen sollen. Eine Terrasse auf einer ansonsten grenzprivilegierten Garage sei unzulässig. Abweichend von den genehmigten Planunterlagen sei anstatt des ursprünglich über der Rückwand der Garage angedachten Geländers ein weitaus längeres Geländer über der Garagenfront und den seitlichen Wänden angebracht worden, so dass das gekieste Garagendach problemlos als Terrasse genutzt werden könne. Es könne nicht angehen, dass durch die vorhandene Garage auf dem Grundstück des Klägers nachbarschützende Belange beeinträchtigt würden, gleichzeitig aber beim Bauvorhaben des Beigeladenen auf der uneingeschränkten Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen beharrt werde.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag im Klageverfahren und bringt noch vor, dass die heranrückende Bebauung den Schattenwurf nicht unerheblich erhöht habe und die angelegte Rasenfläche erheblich unter diesem Lichtmangel leide, was eine großflächig auftretende Vermoosung zur Folge habe. In seinem Wintergarten, der lediglich 4 m von der Grundstücksgrenze entfernt liege, entstehe angesichts der Höhe des Baukörpers deutlich der Eindruck des Eingemauertseins. Auf dem Garagendach gebe es weder eine Terrasse noch einen Sitzplatz.
23 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, pflichtet aber den Ausführungen des Beklagten bei. Ergänzend weist er darauf hin, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange führen könne, da bei diesem Verständnis der Norm das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit entbehrlich sei. Im Übrigen sei eine Besonderheit im Sinne der Rechtsprechung nicht nur die Lage östlich vom Grundstück des Klägers, sondern auch das Zurücktreten des Schattenwurfs des Anbaus hinter die Verschattung durch das Gebäude insgesamt, die auch nach nunmehr zehnjährigem Bestehen des Gebäudes zu keinen negativen Auswirkungen auf dem Grundstück des Klägers geführt habe. Das Gelände zu seinem Gebäude falle außerdem ab, so dass die Belastung durch den Treppenhausanbau deutlich verringert werde.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
33 
c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
35 
(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
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c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
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(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
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3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2004 - 13 K 4554/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die - zulässige - Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat mit eingehender und zutreffender Begründung den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11.11.2004 anzuordnen, abgelehnt, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung die angefochtene Baugenehmigung keine nachbarschützenden Vorschriften zu Lasten der Antragstellerin verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die sich der Senat zu Eigen macht, verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen, das keine wesentlichen neuen Aspekte enthält und auf das die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Erwägungen:
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht ersichtlich ist. Dass das Vorhaben, soweit mit ihm zum Grundstück der Antragstellerin ein Abstand von 4,98 m eingehalten wird, die nach § 5 Abs. 7 LBO erforderlich Abstandsflächentiefe unterschreitet, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Allerdings ist sie - ohne nähere Begründung - der Auffassung, mit dem an dieser Seite des Gebäudes vorgesehenen Treppenhaus werde die gebotene Tiefe der Abstandsfläche nicht eingehalten. Dies trifft jedoch schon deshalb nicht zu, weil nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie nicht breiter als fünf Meter sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrundstücken mindestens 2 Meter entfernt bleiben. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Treppenhauses erfüllt. Insoweit handelt es sich um einen Vorbau im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO, da das Treppenhaus aus dem Gebäude „auskragt“; die Aufzählung von Vorbauten in dieser Vorschrift ist lediglich beispielhaft und daher nicht abschließend (vgl. Schlotterbeck/von Arnim, LBO für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 5 RdNr. 68). Auch hält sich das Treppenhaus innerhalb des von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO gezogenen Rahmens, da es lediglich 0,80 m vor die entsprechende Wand vortritt, nur 2,97 m breit ist und über 4 m von der Grundstücksgrenze der Antragstellerin entfernt bleibt.
Auch einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nach wie vor die Auffassung vertritt, die Festsetzungen des hier einschlägigen Bebauungsplans über die Grundflächen- und Geschossflächenzahl - insoweit hat die Antragsgegnerin eine Befreiung erteilt - sowie über die Zahl der Vollgeschosse seien nachbarschützend, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass derartige Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung - anders als die Festsetzung von Baugebieten (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1993, BVerwGE 94, 151 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 28) - kraft Bundesrechts grundsätzlich nicht dem Schutz des Nachbarn dienen, sondern nur dann, wenn sich den Bebauungsplanunterlagen hinreichend deutlich der Wille der Gemeinde als Planungsträgerin entnehmen lässt, den Maßfestsetzungen diese Wirkung beizulegen (BVerwG, Beschluss vom 23.06.1995, BauR 1995, 823 = PBauE § 31 BauGB Nr. 11; Beschluss vom 19.10.1995, BauR 1996, 82 = PBauE § 30 BauGB Nr. 13). Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin derartige Planungsabsichten bei der Aufstellung des hier maßgeblichen Bebauungsplans verfolgte, werden in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt und sind darüber hinaus auch nicht ersichtlich. Was die Zahl der Vollgeschosse angeht - insoweit hat die Antragsgegnerin keine Befreiung erteilt - hat die Antragstellerin im Übrigen in keiner Weise dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Auffassung der Antragsgegnerin, bei dem Untergeschoss handle es sich nicht um ein Vollgeschoss, weshalb die festgesetzte Zahl von zwei Vollgeschossen nicht überschritten sei, unzutreffend sein soll.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB sind allerdings die nachbarlichen Belange auch bei der Befreiung von nicht nachbarschützenden Normen unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme zu würdigen (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 06.10.1989, BVerwGE 82, 343). Zu Recht ist das Verwaltungsgericht aber davon ausgegangen, dass die von der Antragsgegnerin erteilte Befreiung von der festgesetzten Grundflächen- und Geschossflächenzahl nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte kann ein Nachbar, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens zur Wehr setzt, unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgeht, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 06.12.1996, ZfBR 1997, 227 m.w.N.). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, d.h. Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen möglich sein, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31.08.2000, BVerwGE 112, 41 = PBauE § 17 BauNVO Nr. 9 sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.09.1999 - 3 S 1932/99 -, VBlBW 2000, 113, 114).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folgendes: Mit dem Vorhaben der Beigeladenen werden die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten, so dass das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Blickwinkel einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände (etwa bei besonderen topografischen Verhältnissen), die geeignet sind, trotz Einhaltung des bauordnungsrechtlichen Grenzabstandes zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn zu führen, verletzt sein könnte. Derartige Umstände lassen sich dem Beschwerdevorbringen jedoch nicht entnehmen.
Allerdings bezieht sich die Konkretisierung des Gebots der Rücksichtnahme durch die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften nur auf die genannten Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung, was sich im Wesentlichen mit der Auffassung des Senats zur Schutzrichtung des Abstandsflächenrechts deckt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -, VBlBW 1999, 26). Dagegen erfährt das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme keine Konkretisierung oder gar Einschränkung durch das Abstandsflächenrecht des Landes, soweit nachbarliche Belange in Rede stehen, die von diesem nicht erfasst werden, wie etwa gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder die Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des nachbarlichen Wohnfriedens (vgl. Senatsbeschluss vom 10.09.1998 a.a.O. und Senatsbeschluss vom 12.10.1004 - 8 S 1661/04 -, zur Veröffentlichung in VBlBW bestimmt). Dass der Antragstellerin unzumutbare Beeinträchtigungen dieser Art durch die Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen drohen könnten, lässt sich jedoch ihrem Vorbringen ebenfalls nicht entnehmen.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die straßenseitige (vordere) Baugrenze, die nicht eingehalten und von der ebenfalls befreit worden ist, keine nachbarschützende Funktion zu Gunsten des seitlich an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstücks der Antragstellerin zukommt. Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung von Baugrenzen werden sich regelmäßig hinsichtlich der seitlichen oder hinteren Baugrenzen zu Gunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn ergeben. Denn zu dem an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn wird ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründet, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur wechselseitigen Beachtung der festgesetzten Baugrenzen verpflichtet. Dies gilt aber nicht für eine vordere, straßenseitige Baugrenze. Dieser kommt lediglich die Funktion zu, die Anordnung der Gebäude zur Straße aus städtebaulichen Gründen zu gestalten. Einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze kommt daher regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung zu (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.1992 - 5 S 1475/92 -, ESVGH 43, 81 = NVwZ-RR 1993, 347 sowie Beschluss vom 1.10.1999 - 5 S 2014/99 -, NVwZ-RR 2000, 348, 349).
Da das Vorhaben der Beigeladenen mit dem Erker zur Grünewaldstraße hin die dortige Baugrenze - relativ geringfügig - überschreitet, bedurfte es allerdings auch insoweit einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auch der Eintritt unzumutbarer Beeinträchtigungen und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot als Folge der insoweit von der Antragsgegnerin erteilten Befreiung angesichts des geringfügigen Maßes der Überschreitung und des erheblichen Abstandes des betreffenden Gebäudeteils zum Grundstück der Antragstellerin ohne Weiteres ausgeschlossen werden kann. Die Beschwerdebegründung enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
Mit dem Treppenhausanbau an der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Seite wird die dortige Baugrenze überschritten. Diese seitliche Baugrenze hat auch nachbarschützende Wirkung zu Gunsten des Grundstücks der Antragstellerin, da zu dem an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn grundsätzlich ein Austauschverhältnis begründet wird, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur wechselseitigen Beachtung der festgesetzten Baugrenze verpflichtet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.1992 a.a.O. und Beschluss vom 1.10.1999 a.a.O.). Die Antragsgegnerin hat die entsprechende Überschreitung aber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zugelassen. Nach dieser Vorschrift kann ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen (hierzu gehören auch Treppenhäuser, vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 23 RdNr. 14) in geringfügigem Ausmaß zugelassen werden. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „in geringfügigem Ausmaß“ entzieht sich einer generellen Festlegung; sie ist vielmehr jeweils bezogen auf die Größenordnung des Gebäudes zu bestimmen und daher relativ (vgl. Fickert/Fieseler a.a.O., § 23 RdNr. 13). Zur Bestimmung des Begriffs „in geringfügigem Ausmaß“ kann ferner unter Berücksichtigung des in § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO enthaltenen Rechtsgedankens auf die bauordnungsrechtliche Regelung des § 5 Abs. 6 LBO zurückgegriffen werden, d.h. bei Gebäudeteilen, die den in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen entsprechen und die deshalb bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben, kann zugleich auch angenommen werden, dass sie nur „in geringfügigem Ausmaß“ im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO „vortreten“ (so bereits bezüglich § 23 Abs. 2 Satz 2 BauNVO VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.1993 - 5 S 1029/93 -; ebenso Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 23 BauNVO RdNr. 49). Da - wie oben bereits ausgeführt - im Hinblick auf das Treppenhaus die Voraussetzungen des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO erfüllt sind, liegen somit auch die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 3 Satz 2 LBO für eine Zulassung des „Vortretens“ des Treppenhauses „in geringfügigem Ausmaß“ vor. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Zulassung auch als ermessensfehlerfrei erweist, da nicht ersichtlich ist, dass sie unzumutbare Beeinträchtigungen der Antragstellerin als Eigentümerin des östlich angrenzenden Nachbargrundstücks zur Folge haben könnte. Mit der Beschwerdebegründung werden auch insoweit keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
10 
Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob die in § 31 Abs. 2 BauGB festgelegten Voraussetzungen für die erteilten Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegen, geht dies fehl. Zwar stellt eine Befreiung von nachbarschützenden Festsetzungen, die nicht durch die rechtlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB gedeckt ist, zugleich eine Verletzung von Rechten des Nachbarn dar (vgl. Dürr, Baurecht Baden-Württemberg, 11. Aufl., RdNr. 273). Hier sind aber lediglich Befreiungen von   n i c h t   nachbarschützenden Festsetzungen bezüglich der Geschossflächen- und Grundflächenzahl sowie der vorderen straßenseitigen Baugrenze erteilt worden (bezüglich des Treppenhauses erfolgte die Zulassung aufgrund von § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO, insoweit handelte es sich nicht um eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB). In derartigen Fällen kommt - unabhängig davon, ob die rechtlichen Voraussetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen - eine Verletzung von Nachbarrechten nur in Betracht, wenn bei Erteilung der Befreiung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen worden ist. An einem solchen Verstoß fehlt es hier aber gerade.
11 
Neben der Sache liegt schließlich der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO nicht geprüft. Denn die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Baugenehmigung eine Befreiung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften der LBO nach dieser Bestimmung gar nicht erteilt.
12 
Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Lasten der Antragstellerin gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Einnahme eines Augenscheins kam im vorliegenden summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem grundsätzlich aufgrund präsenter Beweismittel zu entscheiden ist, nicht in Betracht.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
14 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718 - GKG n.F. -; vgl. § 72 Nr. 1 GKG n.F.).
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n.F.).

(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.

(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.

(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.

(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 setzte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg im Verfahren Au 4 K 13.443, das durch einen Prozessvergleich beendet worden war, den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Hinweis auf Nr. 9.2 i. V. m. 9.1.1.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.000 Euro fest. Mit am 11. Februar beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. Februar 2014 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus eigenem Recht (unter Hinweis auf § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss mit dem Ziel, den Streitwert auf 10.000 Euro festzusetzen. Mit Beschluss vom 5. März 2014 lehnte das Verwaltungsgericht eine Abhilfe ab und legte das Verfahren dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vor. Die Landesanwaltschaft Bayern hält die Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht für zutreffend, Umstände, die einen höheren Ansatz rechtfertigen, seien nicht erkennbar.

II.

Die statthafte (§ 32 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 RVG) und fristgerecht eingelegte (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) Beschwerde, über die der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, hat keinen Erfolg. Die mit Beschluss vom 28. Januar 2014 erfolgte Festsetzung des Streitwerts für das mit Klage vom 25. März 2013 eingeleitete verwaltungsgerichtliche Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Teilung einer bestehenden Wohnung in zwei Wohnungen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bereits kein Fehlgebrauch des Ermessens feststellbar; erst recht nicht kommt nur eine Entscheidung im Sinn des zuletzt gestellten Antrags als allein ermessensrichtig in Betracht.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn bestimmenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert - wie hier - gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung gemäß § 32 Abs. 1 GKG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.

Empfehlungen zur Ausübung des Ermessens im Einzelfall bei der Festsetzung des Werts für die Gerichtsgebühren bzw. des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) enthält der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (hier vom Juli 2004 - NVwZ 2004, 1327), der zuletzt in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen als Streitwertkatalog 2013 (BayVBl Beilage 1/2014) veröffentlicht wurde. Im Zusammenhang mit den Wertansätzen für die Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids lautete die einschlägige Nr. 9.2 i. d. F. des Streitwertkatalogs 2004: „mindestens ½ des Ansatzes für die Baugenehmigung“. Im Streitwertkatalog 2013 heißt es an der gleichen Stelle: „Bruchteil des Streitwerts für eine Baugenehmigung, sofern nicht Anhaltspunkte für eine Bodenwertsteigerung bestehen“.

Unabhängig davon, dass es sich dabei um Empfehlungen handelt, denen das Gericht aus eigenem Ermessen folgt oder nicht (vgl. die Vorbemerkung Nr. 3 zum Streitwertkatalog in beiden zitierten Fassungen), spricht wohl grundsätzlich nichts dagegen, die in § 71 Abs. 1 GKG für die Kostenerhebung nach dem Gerichtskostengesetz enthaltenen Rechtsgedanken sinngemäß auf die Heranziehung verschiedener Fassungen des Streitwertkatalogs bei der Ausübung des Ermessens im Einzelfall zu übertragen. Davon geht wohl auch der Beschwerdeführer selbst aus, indem er ausdrücklich auf Nr. 9.1.3 des Streitwertkatalogs 2004 verweist, wonach bei der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ein Wert von 10.000,- € vorgeschlagen wird; Nr. 9.1.1.3 Streitwertkatalog 2013 enthält im Übrigen dieselbe Empfehlung. Die in der jüngsten Fassung des Streitwertkatalogs hinzugekommene Erwähnung der Bodenwertsteigerung dürfte auf einen in der Rechtsprechung für die Streitwertbemessung bei der Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids stellenweise vertretenen Ansatz zurückgehen (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2003 - 1 C 02.785 - juris Rn. 5; B. v. 20.2.2001 - 1 C 00.1287 - VwRR BY 2001, 173 = juris Rn. 7 ff.: ein Zehntel der Bodenwertsteigerung, wenn allein oder überwiegend die Bebaubarkeit des Grundstücks in Streit steht; ablehnend: BayVGH, B. v. 2.3.2001 - 15 ZB 99.643 - BayVBl 2002, 158 = juris Rn. 20: die Hälfte des Streitwerts für die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung, Bodenwertsteigerung als „Bedeutung der Sache“ aufgrund des Antrags des Klägers im Gegensatz zum Investitionsvolumen des konkreten Vorhabens generell nicht objektivierbar; allen zitierten Entscheidungen vorangegangen waren Urteile der 9. Kammer des VG München). Nennenswerte praktische Auswirkungen hat die Heranziehung des Streitwertkatalogs 2004 statt des Streitwertkatalogs 2013 indessen nicht, zumal beide Empfehlungen „nach oben offen“ waren bzw. sind.

Nicht zuletzt angesichts des inzwischen durch Art. 59 Satz 1 BayBO 2008 für das Baugenehmigungsverfahren in einem in der Praxis bedeutsamen, weiten Bereich im Wesentlichen auf das Bauplanungsrecht reduzierten Prüfumfangs ist es im Einzelfall vertretbar, die Streitwertfestsetzung auch in - nur - auf die Erteilung eines Vorbescheids gerichteten Verfahren an dem für die Verpflichtung auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Neuerrichtung desselben Objekts zu orientieren, etwa wenn mit dem Vorbescheid abschließend über die Baulandqualität und damit über den Wert des betroffenen Grundstücks entschieden wird (so BayVGH, B. v. 7.7.2014 -1 ZB 12.2014 - juris Rn. 9; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.1.2014 - 2 C 13.2187 - juris Rn. 4: 2/3 des Streitwerts für das Baugenehmigungsverfahren, wenn mit dem Vorbescheid die wesentlichen planungsrechtlichen Fragen positiv beantwortet wurden; ferner BayVGH, B. v. 10.1.2013 - 1 ZB 12.24 - juris: keine Herabsetzung gegenüber dem für die Baugenehmigung für ein Doppelhaus vorgesehenen Streitwert, wenn im Vorbescheidsverfahren die planungsrechtliche Zulässigkeit mittels umfassender Fragestellung abschließend geklärt werden soll).

Eine mit den zuletzt angesprochenen Fällen vergleichbare, abschließende Tiefe im Untersuchungs- und Entscheidungsumfang ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Hier war nicht über die grundsätzliche Bebaubarkeit eines Grundstücks mit einem nach Art, Lage und Maß näher umrissenen neuen Vorhaben endgültig zu entscheiden, sondern zunächst allein darüber, ob in einem vorhandenen Bestand eine weitere (fünfte) Wohneinheit nachträglich legalisiert werden konnte. Nach der Klärung dieser ursprünglichen, den alleinigen Klagegegenstand bildenden planungsrechtlichen Frage nahmen die Beteiligten das anhängige gerichtliche Verfahren zum Anlass, die darüber hinaus noch bestehenden Hinderungsgründe (Herstellung bzw. rechtliche Sicherung der notwendigen Stellplätze für das Vorhaben) für die spätere Erteilung der Baugenehmigung vorbereitend abzuarbeiten. Erst nachdem dies (u. a. durch eine notariell beglaubigte Zuweisungserklärung bestimmter Stellplätze zu konkret bezeichneten Eigentumswohnungen) geschehen war, waren der Beklagte und die Beigeladene in der Sitzung vom 24. Januar 2014 zum Abschluss eines vom Gericht schon mit Beschluss vom 6. November 2013 vorgeschlagenen Vergleichs bereit. Diese Erweiterung des Prozessstoffs war nicht Gegenstand der sich aus dem ursprünglichen Antrag des Klägers für ihn bei objektiver Betrachtung ergebenden Bedeutung der Sache. Diese hatte sich nach Lage der Dinge bei Klageerhebung darauf beschränkt, dass auch in dem Wohnhaus auf dem Baugrundstück fünf Wohnungen für planungsrechtlich zulässig erklärt werden sollten. Ob die Aktivitäten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Vergleichs eigene Gebühren auslösen, ist hier nicht zu erörtern. Eine höhere Streitwertfestsetzung als ½ des für das Verfahren über die Erteilung einer Baugenehmigung anzusetzenden Wertes ist im vorliegenden Fall nach alledem jedenfalls nicht geboten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2014 - 11 K 3170/13 - ist - mit Ausnahme des Ausspruchs der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Kläger - unwirksam.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen je ein Drittel der Gerichtskosten und je ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen sowie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO) in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und zur Klarstellung auszusprechen, dass das angefochtene Urteil unwirksam ist. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen der Beklagten sowie den beiden Beigeladenen zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Es entspricht nämlich in der Regel billigem Ermessen, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Wenn das erledigende Ereignis eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage ist, kommt es darauf an, wie der Rechtsstreit ohne die Rechtsänderung voraussichtlich entschieden worden wäre (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.1994 - 10 S 1603/94 -juris; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 17).
Das erledigende Ereignis, das der Klage die Erfolgsaussichten genommen hat, ist hier entweder die Einführung von § 246 Abs. 10 BauGB durch Art. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 (BGBl I S. 1748) mit Wirkung vom 26.11.2014 (vgl. dessen Art. 2) oder die Einführung von § 246 Abs. 17 BauGB durch Art. 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (BGBl I S. 1722<1731>) vom 20.10.2015 mit Wirkung vom 24.10.2015. Vor Inkrafttreten der genannten Änderungen des Baugesetzbuchs war die Klage sehr wahrscheinlich begründet, weil die erteilte Baugenehmigung die Kläger wohl in eigenen Rechten verletzte (Senatsbeschlüsse vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - und von 17.12.2013 - 8 S 2350/13). Erst mit der Möglichkeit, von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ der Beklagten ohne Rücksicht auf die Grundzüge der Planung zu befreien (§ 246 Abs. 10 BauGB), möglicherweise auch erst mit der gesetzlichen Regelung, wonach die Befristung bis zum 31.12.2019 in Absatz 10 sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung bezieht, sind die Erfolgsaussichten der Klagen gegen die Baugenehmigung vom 12.09.2012 entfallen. Dem entsprechend hatten auch die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen bis zu den Änderungen des § 246 BauGB keine Aussicht auf Erfolg, das verwaltungsgerichtliche Urteil hätte sich ohne diese Rechtsänderungen wohl als zutreffend erwiesen.
Nach dem eben Ausgeführten hätten die Kläger ohne Änderung des Baugesetzbuchs hier sehr wahrscheinlich obsiegt, so dass es billigem Ermessen entspricht, der Beklagten und den Beigeladenen, die auch erstinstanzlich Sachanträge gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) die Verfahrenskosten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (vgl. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO). Unerheblich ist insoweit, dass die Kläger - bezogen auf die Einführung des § 246 Abs. 10 BauGB - nicht unverzüglich auf die Rechtsänderung reagiert haben. Denn das Prozessrecht kennt keine zeitliche Grenze für den Übergang zur Erledigungserklärung und auch keine Pflicht zur unverzüglichen Reaktion auf den Eintritt eines erledigenden Ereignisses (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 40.91 - NVwZ 1993, 979).
Dem entsprechend hatten auch die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen bis zu den Änderungen des § 246 BauGB keine Aussicht auf Erfolg, das verwaltungsgerichtliche Urteil hätte sich ohne diese Rechtsänderungen wohl als zutreffend erwiesen. Daher ist kein getrennte Kostenlastentscheidung für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren zu treffen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorverfahren bleibt von dem - deklaratorischen - Ausspruch der Unwirksamkeit des Urteils nach beidseitiger Erledigungserklärung in der Berufungsinstanz unberührt. Das erstinstanzliche Urteil wird mit Eingang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen zwar wirkungslos, weil die Rechtshängigkeit mit Rückwirkung beendet wird (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 10). Hingegen ist die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ein das Kostenfestsetzungsverfahren betreffender Ausspruch des Gerichts. Dieser darf in das Urteil aufgenommen werden. Dadurch wird er aber nicht materieller Bestandteil des Urteils (BVerwG, Urteil vom 28.04.1967 - 7 C 128.66 - BVerwGE 27, 39). Insbesondere kann er - vorbehaltlich des Erreichens der Beschwerdegegenstandswerts aus § 146 Abs. 3 VwGO selbstständig mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22.08.1988 - 8 S 2479/88 - juris). Als nur formeller Urteilsbestandteil wird die Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO demzufolge auch nicht unwirksam.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat in Anwendung des Rechtsgedankens des § 71 Abs. 1 GKG an Nr. II 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) - und nicht am Streitwertkatalog 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil die Klage vor dem 01.01.2014 erhoben worden ist (vgl auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.01.2015 - 15 C 14.508 -juris und Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.09.2014 - 7 LA 73/13 -juris). Einer Berücksichtigung des Streitwertkatalogs 2013 für das Berufungsverfahren steht § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG entgegen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 171/04 Verkündet am:
15. Februar 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Auch die mehrfache Einlegung einer Berufung führt nicht zu einer Vervielfachung
der Berufungsverfahren, sondern zu einem einheitlichen Rechtsmittel, über das
einheitlich zu entscheiden ist. Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften
bei verschiedenen Gerichten, wenn die Berufungen nach Verweisung ein und
demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.
BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - OLG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 2004 - 9 U 90/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, nimmt al s Vertragsunternehmen das beklagte Kreditkartenunternehmen aus einem Kreditkartengeschäft in Anspruch.
Am 15. Februar 1999 schloß die Beklagte mit der Kl ägerin einen Vertrag über die Akzeptanz von VISA/Electron Karten. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war vorgesehen, daß die Beklagte alle fälligen Forderungen der Klägerin gegen Karteninhaber "kauft", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Unter Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde u.a. folgendes vereinbart:

"Das Vertragsunternehmen steht ... (Beklagte) dafür ein, daß Kartenbelastungen nur für Leistungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes erfolgen und keine nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Leistungen, insbesondere keine Kreditgewährungen oder andere Geldzahlungen zugrunde liegen." Mit "Vermittlungsauftrag und Vereinbarung einer Le istungsvergütung" verpflichtete sich ein Ehepaar aus der Schweiz im Mai 1999, für die Vermittlung des Objekts "G. " an die Klägerin eine sofort fällige Leistungsvergütung in Höhe von 2.000 CHF zu zahlen. Die Zahlung erfolgte per Kreditkarte. Die Beklagte schrieb den Betrag der Klägerin abzüglich Provision und Umsatzsteuer gut, nahm später aber eine Rückbelastung der Klägerin vor.
Ende 2001 hat die Klägerin unter ihrer deutschen N iederlassung Klage auf Zahlung von 2.316,48 DM nebst Zinsen erhoben. Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin vermittelte Vertrag sei ein TimeSharing -Vertrag, dieser sei unwirksam, gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin und sei deshalb von dem Kartenakzeptanzvertrag nicht erfaßt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Nachde m im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht klargestellt worden war, daß der in der Klage angegebene Geschäftsführer der Klägerin lediglich Leiter ihrer Niederlassung in Deutschland war, und die in der Schweiz ansässige Klägerin einen Handelsregisterauszug vorgelegt hatte, daß es sich hierbei nur um ihre unselbständige deutsche Niederlassung handelt, hat die Beklagte am 7. Oktober 2003 Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil beim
Oberlandesgericht eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt. Mit Beschluß vom 17. Dezember 2003 hat sich das Landgericht auf Antrag der Beklagten für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Oberlandesgericht verwiesen. Dieses hat die Berufung der Beklagten unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

A.


I.


Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten ist statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urtei lsformel ohne Einschränkung zugelassen. Der allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Begründung, die Zulassung erfolge wegen der bislang "nicht hinreichend geklärten Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels" , läßt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht die Einschränkung entnehmen, die Revision sei nur zugunsten der Klägerin
zugelassen worden. Die Klägerin ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert. Eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung wäre außerdem unzulässig mit der Folge, daß nur die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam wäre (Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

II.


Die Berufung der Beklagten ist entgegen der Ansich t der Revisionserwiderung nicht unzulässig.
1. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgeric hts sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Legt eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich zu entscheiden ist (BGHZ 45, 380, 383; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1985 - IVb ZR 129/84, NJW 1985, 2834, vom 15. Oktober 1992 - I ZB 8/92, NJW 1993, 269, vom 20. September 1993 - II ZB 10/93, WM 1993, 2141 und vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659 f.). Das gilt auch bei Einreichung der Berufungsschriften bei verschiedenen Gerichten jedenfalls dann, wenn die Berufungen nach Verweisung - wie hier - ein und demselben Gericht zur Entscheidung vorliegen.

2. Das Oberlandesgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch als funktionell zuständiges Gericht über die einheitliche Berufung der Beklagten entschieden.

a) Die Zuständigkeit ergibt sich, anders als das O berlandesgericht gemeint hat, allerdings nicht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem - erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils veröffentlichten - Beschluß vom 28. Januar 2004 (VIII ZB 66/03, WM 2004, 2227) entschieden, daß bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG im Berufungsverfahren regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Sie entspricht dem aus dem Grundsatz der Rechtssic herheit abgeleiteten Postulat der Rechtsmittelklarheit. Diese gebietet, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen und ihm insbesondere die Prüfung zu ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416 f.; 108, 341, 349). Würde in der Berufungsinstanz neues Vorbringen zum vor dem Amtsgericht unstreitigen Gerichtsstand einer Partei mit Konsequenzen für die Zulässigkeit der Berufung zugelassen , würde der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert und damit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 78, 88, 99; 96, 27, 39).

Funktionell zuständig wäre danach hier nicht das O berlandesgericht , sondern das Landgericht; denn in erster Instanz vor dem Amtsgericht war unstreitig, daß es sich bei der Klägerin um eine GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland handelte.

b) Gleichwohl ist das angefochtene Urteil nicht du rch ein funktionell nicht zuständiges Gericht erlassen worden. Das Landgericht hat sich nämlich durch Beschluß vom 17. Dezember 2003 für funktionell unzuständig erklärt und die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das Oberlandesgericht verwiesen.
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist der Verweisungsb eschluß für das in ihm bezeichnete Gericht bindend. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn er auf Willkür beruht. Hierfür genügt es aber nicht, daß der Beschluß inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn dem Beschluß jede rechtliche Grundlage fehlt; dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluß bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498 und vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201 f. jeweils m.w.Nachw.).
Das ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat b ei Erlaß des Verweisungsbeschlusses nicht verkannt, daß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Fall einer fehlenden funktionellen Zuständigkeit nicht gilt (vgl. BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95,
NJW-RR 1997, 55), daß Ausnahmen von diesem Grundsatz aber für den Fall anerkannt sind, daß aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes die Berufung bei verschiedenen Gerichten eingelegt werden kann (vgl. BGHZ 72, 182, 193; 155, 46, 51; BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - IVb ARZ 24/85, NJW 1986, 2764 f. und vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95, aaO). Das Landgericht ist dann zu dem Ergebnis gelangt, daß es im Hinblick auf die aus rechtsstaatlichen Gründen gebotene Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes in einem Fall wie hier erforderlich sei, § 281 ZPO entsprechend anzuwenden. Das ist auf der Grundlage der Annahme des Landgerichts, für die Entscheidung über die Berufung des Beklagten sei das Oberlandesgericht zuständig, jedenfalls nicht willkürlich. Das Oberlandesgericht hat über die Berufung des Beklagten deshalb als zuständiges Gericht entschieden.

B.


Auch in der Sache selbst hat die Revision keinen E rfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung - soweit für die Revision noch von Interesse - im wesentlichen ausgeführt :
Ein Anspruch auf Zahlung der Kartenumsätze stehe d er Klägerin aus Nr. 2 i.V. mit Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zu. Bei diesem Vertrag
handele es sich um ein abstraktes Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB, das unter der aufschiebenden Bedingung der Einreichung vertragsgemäßer Zahlungsbelege stehe. Daß die Klägerin hier einen den Anforderungen des Vertrages entsprechenden Beleg vorgelegt habe, sei unstreitig. Dem Anspruch der Klägerin stehe Nr. 5 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entgegen. Durch diese Klausel solle nur verhindert werden, daß Karteninhaber sich an anderen als den vom Kartenausgeber dafür vorgesehenen Stellen unkontrolliert und kostenfrei Bargeld verschaffen könnten. Daß darüber hinaus auch der Abschluß von Verträgen über Sach- oder Dienstleistungen ausgeschlossen werden solle, folge aus dem Wortlaut der Klausel nicht unmittelbar. Es sei nicht ersichtlich, warum Reisevermittlungsumsätze akzeptiert werden sollten, Umsätze aus Verträgen über andere Leistungen aber nicht. Zweifel am Umfang des Ausschlußtatbestandes gingen nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten keinen Vorbehalt, der Time-SharingGeschäfte ausnehme.
Dem Anspruch der Klägerin stehe auch nicht entgege n, daß ihr ein wirksamer Anspruch gegen ihre Kunden möglicherweise nicht zustehe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte beruhe auf einem abstrakten Schuldversprechen. Einwendungen aus dem Vertrag zwischen dem Vertragsunternehmen und dem Kunden seien der Beklagten daher grundsätzlich versagt. Die Parteien hätten eine Leistungsfreiheit der Beklagten in den Nr. 5, 7 und 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen. Die Unwirksamkeit von Time-Sharing-Verträgen werde davon nicht erfaßt. Darüber hinaus lasse der Vortrag der Beklagten weder
erkennen, ob ein Vertrag über Teilzeitwohnrechte vorliege, noch ob seitens der Kunden ein wirksamer Widerruf erfolgt sei.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung sta nd.
Die Klägerin hat als Vertragsunternehmen gegen das beklagte Kreditkartenunternehmen in der geltend gemachten Höhe einen Anspruch auf Auszahlung des getätigten Kreditkartenumsatzes.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, bei dem der Kreditkartenzahlung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft handele es sich um die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrags. Ein solches Geschäft gehöre nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Reisebüros. Die Vermittlung eines Time-Sharing-Vertrages liegt nicht außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes eines Reisebüros. Beim Time-Sharing handelt es sich in der Regel um zeitanteilige Nutzungsrechte an Ferienimmobilien , vor allem Ferienwohnungen und Ferienhäusern (Hildenbrand/ Kappus/Mäsch, Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz S. 17, 18; Drasdo, Teilzeit-Wohnrechtegesetz Einführung Rdn. 7; MünchKommBGB /Franzen 4. Aufl. Vor § 481 Rdn. 10, 11). Daß Time-Sharing vor allem als "Tourismusprodukt" (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2001) Einl. zum TzWrG Rdn. 39) Bedeutung hat, kommt auch in § 1 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. zum Ausdruck, wenn dort die Anwendung des Gesetzes an die entgeltliche Nutzung eines Wohngebäudes zu Erholungs- oder Wohnzwecken geknüpft wird. Nicht anders als
die Vermittlung von Ferienwohnungen kann deshalb auch die Vermittlung von Time-Sharing-Verträgen zum Geschäftsbetrieb eines Reisebüros gehören. Hier weist sowohl die Handelsregistereintragung der Klägerin als auch die Gewerbeanmeldung ihrer deutschen Niederlassung als Geschäftszweck unter anderem die Vermittlung von Teilzeitwohnrechten aus. Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß die Vermittlung solcher Verträge zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehört. Ob der Beklagten dies bekannt war, ist ohne Belang.
2. Zu Unrecht ist die Revision der Auffassung, dem Anspruch der Klägerin als Vertragsunternehmen eine vermeintliche Unwirksamkeit des mit ihren Kunden geschlossenen Vermittlungsvertrages entgegenhalten zu können.

a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen (BGHZ 150, 286, 294; 152, 75, 80; 157, 256, 261 ff.; Senatsurteile vom 16. März 2004 - XI ZR 13/03, WM 2004, 1031, 1032 und XI ZR 169/03, WM 2004, 1130, 1131), wobei die Entstehung des Anspruchs unter der aufschiebenden Bedingung der Unterzeichnung und Übergabe eines ordnungsgemäßen Belastungsbeleges durch den Karteninhaber steht. An dieser Rechtsprechung, die von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ist festzuhalten. Kreditkartenunternehmen können Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Kreditkarteninhaber und dem Vertragsunternehmen diesem - vorbehaltlich hier nicht getroffener abweichender vertraglicher Vereinbarungen - deshalb nur dann entgegenhalten , wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunterneh-
men rechtsmißbräuchlich in Anspruch nimmt. Eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt; das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, daß dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGHZ 152, 75, 82 m.w.Nachw.). Selbst wenn unterstellt wird, daß der zwischen der Klägerin und ihren in der Schweiz ansässigen Kunden geschlossene Vertrag über ein in Österreich auszuübendes Teilzeitnutzungsrecht widerruflich ist, ist das nicht der Fall. Denn die rechtzeitige Ausübung eines Widerrufs durch die Kunden ist streitig und ungeklärt.

b) Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg da rauf berufen, die Unwirksamkeit des Vermittlungsauftrags folge jedenfalls aus § 7 i.V. mit § 9 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F., da die Vereinbarung einer sofort fälligen Vermittlungsprovision in Höhe von ca. 15% des Preises eine Umgehung des Anzahlungsverbots des Teilzeit-Wohnrechtegesetzes a.F. darstelle. Ein Verstoß gegen das in § 7 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. normierte Anzahlungsverbot führt nach zutreffender ganz herrschender Meinung nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, weil das Fordern oder Annehmen der Anzahlung nur für den Unternehmer verboten ist (MünchKommBGB/Franzen 4. Aufl. § 486 Rdn. 15; Bamberger/Roth/ Eckert, BGB § 486 Rdn. 7; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 486 Rdn. 4; Palandt/Putzo, BGB 64. Aufl. § 486 Rdn. 7).

III.


Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

Tenor

Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.

2

Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.

3

Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.

5

Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.

7

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.

        
8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.

9

Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

10

Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.

12

B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

14

1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.

15

2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

16

II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.

17

C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

18

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

19

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.

20

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.

21

1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.

22

2. Die Parteien unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.

23

a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.

24

b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

25

3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

26

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.

27

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

28

bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.

29

cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

30

(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

31

(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.

32

(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.

33

dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.

34

ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.

35

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).

36

ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.

37

b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.

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4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.

39

a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).

40

b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

41

aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.

43

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.

44

5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

45

D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.

46

E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Rosemarie Koglin    

        

    Mallmann    

                 

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - wird geändert. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer terrassiert angelegten Stützmauer.
Die Kläger sind Eigentümer des in Heilbronn gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. … (…straße …). Das östlich angrenzende Baugrundstück Flst.-Nr. … (…-Straße …) steht im Eigentum der Beigeladenen und ist mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut. Das Gelände steigt in seinem natürlichen Verlauf nach Osten hin stark an. Im Rahmen des das Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Beigeladenen betreffenden Baugenehmigungsverfahrens erhoben die Kläger Einwendungen wegen der in den Bauvorlagen nicht dargestellten Geländeabsicherung zu ihrem Grundstück. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass eine terrassiert angelegte Stützmauer genehmigungsabweichend ausgeführt worden war, gab sie der Beigeladenen mit Verfügung vom 23.07.2003 auf, für die Stützmauer auf der Westseite ihres Grundstücks einen Antrag auf Baugenehmigung einzureichen.
Am 29.08.2003 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur „Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken“ entlang der ca. 14,50 m langen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Kläger. Die eingereichten Pläne sehen eine Geländeaufschüttung (natürliche Geländehöhe 216,28 m) auf dem Baugrundstück von ca. einem Meter vor (EFH 217,25); die Erdgeschossfußbodenhöhe des Einfamilienhauses liegt nochmals etwa ½ Meter höher (EFH 217,60 m). Nach dem Bauantrag wird die Stützmauer nach Steinreihen versetzt bei einem Neigungswinkel von ca. 50 Grad gestuft ausgeführt. Die Stufenmauer besteht aus drei Natursteinreihen mit jeweils zwei Steinblöcken übereinander. Die untere Steinreihe wird auf einem Betonstreifenfundament entlang der Grundstücksgrenze zu den Klägern errichtet; die weiteren beiden Steinreihen sind jeweils um eine Steinbreite nach Osten zurückversetzt und ohne Fundament in den Hang eingesetzt. Mit den Steinreihen wird ein Höhenunterschied von insgesamt 3,62 m zwischen der Grundstücksgrenze und dem Baugrundstück der Beigeladenen überbrückt. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem nachfolgenden Schnitt:
Gegen das Vorhaben erhoben die Kläger im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung Einwendungen. Sie machten geltend, es fehle der Nachweis der Standsicherheit der Stützmauer, zumal die beiden oberen Mauerreihen ohne Fundament errichtet worden seien. Die Entwässerung auf dem Grundstück der Beigeladenen sei nicht sichergestellt, die vorgesehene Sickergrube sei nicht angelegt worden. Ferner seien die Abstandsflächen nicht eingehalten und dem Verunstaltungsverbot (§ 11 LBO) nicht Rechnung getragen worden.
Nachdem in der Folgezeit die Pläne nochmals - vor allem im Blick auf die Entwässerung - geändert worden waren, erteilte die Beklagte am 24.11.2003 die beantragte Baugenehmigung und wies die Einwendungen der Kläger zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004, den Klägern zugestellt am 23.09.2004, zurück.
Am 25.10.2004 - einem Montag - haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Beigeladene habe den erforderlichen Nachweis der Standsicherheit nach wie vor nicht geführt. Auch die einwandfreie Beseitigung des Niederschlagwassers sei nicht gesichert. Dies ergebe sich zweifelfrei aus der Stellungnahme eines von ihnen beauftragten Sachverständigen. Die Abstandsflächen seien nicht eingehalten und die genehmigungsabweichende Ausführung der Stützmauer müsse der Genehmigung selbst entgegen gehalten werden können.
Die Beklagte und die Beigeladene sind der Klage mit der Begründung entgegen getreten, die Abstandsflächen seien eingehalten. Die mittlere Doppelsteinreihe überschreite die Höhe von 2,50 m nicht und sei somit ohne Einhaltung einer Abstandsfläche zulässig. Für die obere Doppelsteinreihe sei eine Abstandsfläche von mindestens 2,50 m erforderlich, die eingehalten sei. Die errichtete und die genehmigte Stützmauer seien nicht identisch; die Beigeladene müsse bauliche Änderungen vornehmen, insbesondere die beiden oberen Steinreihen versetzen und die in den genehmigten Plänen dargestellten Höhen und Abstände einhalten. Der Bausachverständige Dipl-Ing. xxxxx (Ingenieur für Geotechnik) habe die Standsicherheit der Mauer bestätigt.
Mit Urteil vom 24.10.2006 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Baugenehmigung der Beklagten vom 24.11.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21.09.2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die angefochtene Baugenehmigung verletze die zugunsten der Klägerin nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften der §§ 5 und 6 LBO. Die terrassiert angelegte Stützmauer erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 9 LBO, so dass Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Mauer stelle bei natürlicher Betrachtungsweise „eine“ bauliche Anlage dar, deren Höhe von der ersten Steinlage bis zur oberen Steinlage knapp vier Meter erreiche. Das Gericht teile nicht die Einschätzung der Beklagten, dass die Stützmauer abstandsflächenrechtlich je nach Steinreihe horizontal unterteilt werden könne. Die Stützmauer sei auch nicht nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO innerhalb der Abstandsflächen anderer Gebäude zulässig. Ebenso scheide eine Zulassung der Stützmauer nach § 6 Abs. 4 LBO aus.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 18.07.2007 die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
10 
Am 09.08.2007 hat die Beklagte die Berufung im Einzelnen begründet und geltend gemacht: Zwar stimme sie dem Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit zu, als die terrassiert angelegte Stützmauer eine einheitliche bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO darstelle und somit Abstandsflächen einhalten müsse. Vorliegend seien jedoch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gegeben. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Kläger eine Mauer in Höhe von 2,50 m direkt auf der Grenze und darüber eine Böschung mit einer Neigung von 45 Grad akzeptieren müssten, ohne dass Abstandsflächen einzuhalten seien. Die genehmigte Situation sei für die Kläger hingegen wesentlich günstiger. Daher würden ihre nachbarlichen Belange geringer beeinträchtigt als bei der gesetzlich (ohne Abweichung) zulässigen Ausführung.
11 
Zu Veranschaulichung hat die Beklagte folgende (vergleichende) Skizze gefertigt:
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angegriffene Urteil und führen weiter aus, die steile Anböschung durch die Natursteinmauer diene allein der besseren Ausnutzung des Grundstücks der Beigeladenen. Die von der Beklagten hypothetisch angenommene Anböschung von 45 Grad über einer 2,50 m hohen Mauer ließe sich gar nicht umsetzen. Ihrem Grundstück nehme die steile und massive Grenzmauer Sonne und Licht, so dass auch das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei.
17 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2006 - 5 K 4204/04 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
19 
Sie führt aus, die erforderlichen Maße des § 5 Abs. 9 LBO seien durch die terrassenförmig angelegte Stützmauer nicht überschritten. Für die Berechnung der Höhe der baulichen Anlage seien die Wertungen des Gesetzgebers in § 5 Abs. 5 LBO zu berücksichtigen. Ein auf einem Haus befindliches Dach sei bei der Abstandsflächenberechnung des Gebäudes bei einer Neigung von mehr als 45 Grad nur zu einem Viertel zu berücksichtigen. Entsprechendes müsse für die Berechnung der Höhe der „Stufenmauer“ gelten. Zu Unrecht setze das Verwaltungsgericht die terrassenförmig angelegte Mauer mit einer senkrechten Mauer, die den Nachbar wesentlich stärker beeinträchtige, gleich. Jedenfalls sei die Mauer aber nach § 6 Abs. 4 LBO zuzulassen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und Urkunden sowie auf die dem Gericht vorliegenden Behördenakten und die Akten des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der Monatsfrist den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO entsprechend begründet.
22 
Die Berufung ist begründet, denn die im Streit stehende Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken vom 24.11.2003 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Namentlich steht die angefochtene Baugenehmigung mit den Normen des öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenrechts (§§ 5 und 6 LBO) und den weiteren von den Klägern thematisierten bauordnungsrechtlichen Vorschriften sowie dem Gebot der Rücksichtnahme im Einklang.
23 
1. a) Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat - anders als die Beigeladene - zunächst davon aus, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts auf die in Rede stehende, terrassiert angelegte Stützmauer Anwendung finden. Nach § 5 Abs. 9 LBO gelten die - für Gebäude anwendbaren - Absätze 1 bis 8 des § 5 LBO entsprechend für bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 m 2 beträgt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift finden die Abstandsvorschriften somit auf bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nur Anwendung, wenn beide der in der Regelung genannten Maße überschritten sind (st. Rspr., vgl. etwa Urteile des Senats vom 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23, und vom 01.06.1994 - 3 S 2617/92 - juris). Die im Streit stehende Stützmauer ist ohne weiteres eine bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO (vgl. auch Sauter, LBO, Band 1, § 5 RdNr. 111; zu einem Lärmschutzwall vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.11.1995 - 5 S 5/95 -, VBlBW 1997, 178). Bei der Frage, ob sie höher ist als 2,5 m, ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat - auf die Höhe der gesamten baulichen Anlage abzustellen. Zu dieser Annahme zwingt zunächst eine rein formelle Betrachtungsweise, denn die Beigeladene hat die Stützmauer als einheitliche bauliche Anlage zur Genehmigung gestellt und - trotz deren terrassiert geplanter Errichtung - nicht etwa mehrere Bauanträge für mehrere Mauern eingereicht. Nur diese Betrachtungsweise wird aber auch materiell-rechtlich dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 9 LBO gerecht, der bauliche Anlagen, von denen eine Wirkung wie von Gebäuden ausgeht, dem Regime des Abstandsflächenrechts unterwerfen will (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984 - 3 S 976/84 -; siehe auch § 6 Abs. 1 Satz 2 der Musterbauordnung). Dass insoweit auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen ist, liegt auf der Hand und entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 8 LBO 1983 (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984, a.a.O., UA S. 4 zu zwei nebeneinander errichteten Werbeanlagen, die insgesamt, nicht aber jede für sich, die zulässige Wandfläche von 25 m 2 überschritten haben). Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise ist die Stützmauer gerade im Blick auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) als einheitliche bauliche Anlage anzusehen, zumal die einzelnen Abschnitte der Stützmauer auch funktional - gerade hinsichtlich der Standsicherheit und Entwässerung - miteinander verknüpft und „aufeinander angewiesen“ sind. Hierfür spricht letztlich auch das Wortlautargument im systematischen Kontext des § 5 Abs. 9 LBO. Denn anders als die sonstigen Regelungen des § 5 LBO (vgl. etwa Absätze 4 und 5) knüpft dessen Absatz 9 nicht an das Tatbestandsmerkmal der Wandhöhe an, sondern spricht von der „Höhe der baulichen Anlage“. Daher ist für die Frage nach dem „Ob“ der Anwendbarkeit der Abstandsvorschriften auf eine einheitliche Betrachtungsweise abzustellen, während bei der Frage nach dem „Wie“ der Anwendung, insbesondere der Bemessung der Abstandsflächentiefen bezogen auf einzelne Mauerabschnitte, der Wandhöhe eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dass auch die für § 5 Abs. 9 LBO maßgebliche Wandfläche von 25 m 2 deutlich überschritten ist, ist offensichtlich und steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
24 
b) Finden somit auf die im Streit stehende Stützmauer die Abstandsflächenvorschriften Anwendung, bedarf der Klärung, welche Tiefe die Abstandsflächen zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einhalten müssen und ob sie - wie es § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO bestimmt - auf dem Baugrundstück selbst zu liegen kommen. Nach § 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche (unterer Bezugspunkt) bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (oberer Bezugspunkt). Das Verwaltungsgericht hat eine einheitliche Wandhöhe für die gesamte Stützmauer errechnet und damit fingiert, dass die terrassiert angelegte Stützmauer als einheitliche Wand mit einer Wandhöhe von 3,62 m (die auf UA S. 5 angegebene Differenz von 3,97 m dürfte rechnerisch unrichtig sein) an der Grundstücksgrenze genehmigt worden ist. Diese Betrachtungsweise wird indes § 5 Abs. 4 LBO nicht gerecht. Denn die nach hinten versetzte Bauweise ist für die Kläger in Bezug auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) vorteilhaft. Darüber hinaus negiert die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts die nach Osten hin stark ansteigende natürliche Geländeoberfläche. Beiden Umständen wird somit nur eine Berechnung der Abstandsflächenvorschriften gerecht, welche die - die Nachbarn „schonendere“ - Terrassenbauweise berücksichtigt (vgl. zu Terrassenhäusern ebenso Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65 und Abbildungen zu § 5 Nrn. 7 und 8; v. Arnim, in: Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO, § 5 RdNr. 45). Hierbei ist die Wandhöhe der zurückliegenden Wände durch eine gedachte Verlängerung dieser Wände bis zum Schnitt mit der natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln (Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65). Bezogen auf die genehmigte Stützmauer ergeben sich demnach Wandhöhen von 100 cm (unterste Terrasse), 170 cm (mittlere Terrasse) und 230 cm (oberste Terrasse). Aus den auf diese Weise errechneten Wandhöhen ist sodann - wie auch sonst bei der Bemessung von Abstandsflächen - nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO der nachbarschützende Teil der Abstandstiefe zu errechnen. Er beträgt 40 cm für die unterste Terrasse, 68 cm (mittlere Terrasse) und 92 cm (oberste Terrasse). Da die Grenzmauer - anders als etwa kleinere Grenzgaragen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO oder niedrige Gebäudeteile mit einer Grenzbebauung von höchstens 9 m Länge (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 4 LBO) - nicht gesetzlich privilegiert ist, muss sie den Mindestabstand des § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO wahren und demnach eine Abstandsfläche von 2,5 m einhalten. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die genehmigte Stützmauer - dies räumt mittlerweile auch die Beklagte ein - ohne die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nicht genehmigungsfähig wäre.
25 
2. Die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der im Streit stehenden Stützmauer ergibt sich indes aus § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegen stehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden, ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO nachbarschützenden Teil unterschreitende Tiefe der Abstandsfläche regelmäßig zu einer erheblichen und damit nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des betreffenden Nachbarn führt. Denn mit der Beschränkung des Nachbarschutzes auf ein bestimmtes Maß der Abstandsflächentiefe bestimmt der Gesetzgeber zugleich die Grenzen dessen, was einem Grundstückseigentümer durch die Bebauung eines Nachbargrundstücks in Bezug auf die damit verbundene Beeinträchtigung der Besonnung, Belichtung und Belüftung seines eigenen Grundstücks (noch) zugemutet werden kann. Eine Unterschreitung dieses Maßes stellt damit grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (kritisch hierzu allerdings Sauter, a.a.O., § 6 RdNr. 48 b). Wegen der Anknüpfung dieser Rechtsprechung an die normative Wertung der Abstandsflächenvorschriften bedarf diese Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO indes - jenseits der durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichneten Fälle (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -; Urteil vom 04.08.1997 - 5 S 663/96 -; Beschluss vom 29.01.1999 - 5 S 2971/98 -; Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -; Urteil vom 08.11.1999 - 8 S 1668/999 -; Beschluss vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 - juris), um die es hier nicht geht - dann der Korrektur, wenn sich den Abstandsflächenvorschriften selbst eine andere Wertung des Gesetzgebers entnehmen lässt. Dies ist hier der Fall.
26 
Denn der Gesetzgeber hat für die identische Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen wie die hier in Rede stehende deren abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO angeordnet. Nach dieser Vorschrift sind in den Abstandsflächen zulässig bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 m² beträgt. Nach der Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Verwaltungsgerichtshofs sind die in § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO bezeichneten baulichen Anlagen nicht bereits dann in den Abstandsflächen unzulässig, wenn eines der beiden genannten Maße überschritten wird, sondern erst dann, wenn beide Maße überschritten werden (vgl. dazu jüngst ausführlich - auch zur Historie der Norm - VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, juris m.w.N.; Sauter, a.a.O. § 6 RdNr. 56). Zwar findet § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO auf die genehmigte und hier im Streit stehende abgetreppte Grenzmauer keine Anwendung, weil diese sich nicht in den Abstandsflächen einer anderen baulichen Anlage befindet. Indes lässt sich der Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO entnehmen, dass die untere und die mittlere Terrasse in den Abstandsflächen der obersten Terrasse zulässig wären, hätte die Beigeladene diese als selbstständige Mauer errichtet. Denn die oberste Terrasse hält nach der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung die Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger mit einem Abstand von 2,5 m ein. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Im Blick auf die mit den Abstandsflächenvorschriften geschützten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung ist gänzlich unerheblich, ob diese letzte Stufe der abgetreppten Stützmauer als (unselbstständige) Terrasse oder als (selbstständige) Mauer errichtet wird. Hätte sich die Beigeladene für die zweite Variante entschieden, wären die beiden unteren Stufen der terrassiert angelegten Mauer - da sie in den Abstandsflächen der fiktiv als Mauer ausgeführten obersten Stufe nicht höher als 2,5 m wären - nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO zulässig. Der Gesetzgeber hält somit die Beeinträchtigung der Kläger nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO für zumutbar, auch wenn die in Rede stehende bauliche Anlage - die genehmigte Stützmauer - durch diese Vorschrift abstandsflächenrechtlich nicht gedeckt wird.
27 
In solchen besonderen Fällen muss von dem Grundsatz, dass jede Unterschreitung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß und die Wirkung dieser Unterschreitung ankommt (vgl. statt vieler: Urteil des Senats vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris), eine Ausnahme auch dann zugelassen werden, wenn die Situation nicht durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichnet ist. Denn es wäre mit dem abstandsflächenrechtlichen Regelungsregime nicht vereinbar, die Genehmigung einer baulichen Anlage abzulehnen, wenn von dieser nur solche Beeinträchtigungen ausgehen, die der Gesetzgeber selbst für abstandsflächenrechtlich zulässig hält. Dies ist hier - wie gezeigt - im Blick auf die Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO der Fall.
28 
Obwohl es nach dem Vorstehenden hierauf nicht mehr ankommt, hält der Senat den von der Beklagten aufgezeigten Vergleich (vgl. hierzu die Skizze oben Seite 6) mit einer unmittelbar an der Grenze errichteten 2,5 m hohen Mauer und einer hierauf ansetzenden Böschung von 45 Grad dem gegenüber für wenig überzeugend. Zwar trifft zu, dass eine Grenzmauer mit einer Höhe von 2,5 m abstandsflächenrechtlich ohne weiteres zulässig wäre (arg. e. § 5 Abs. 9 LBO). Soweit hierauf allerdings zusätzlich eine Anböschung im Neigungswinkel von 45 Grad aufsetzen soll, dürfte diese aber - anders als die Beklagte unter missverständlicher Berufung auf Sauter (a.a.O., § 6 RdNr. 48 d und Abbildung 7 zu § 6 LBO) meint - kaum ohne weiteres anrechnungsfrei bleiben. Zwar hat der Gesetzgebers Entsprechendes für Dächer angeordnet (vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), und auch § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO ist zu entnehmen, dass die Anböschung von unter der Geländeroberfläche liegenden Aufenthaltsräumen nicht größer als 45 Grad sein darf. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Aufbauten mit Neigungen bis zu 45 Grad grundsätzlich abstandsflächenrechtlich anrechnungsfrei bleiben, hat der Gesetzgeber jedoch gerade nicht konstatiert. Vielmehr handelt es sich in den Fällen des § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO regelmäßig nicht um Grenzbauten, sondern um abstandsflächenpflichtige Gebäude und damit um gänzlich andere Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks. Soweit Dächer mit einer Dachneigung bis 45 Grad auf Grenzgaragen anrechnungsfrei bleiben (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), handelt es sich zum einen wiederum um eine Ausnahmevorschrift. Zum anderen wirkt insoweit § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO als Korrektiv, der die Grenzbebauung - und damit die Beeinträchtigung des Nachbarn - auf 9 m je Grundstücksgrenze beschränkt. Bei § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO wiederum steht nicht das nachbarliche Austauschverhältnis in Rede, sondern die Mindestanforderungen an die Eignung eines Aufenthaltsraums. Insoweit erscheint dem Senat der von der Beklagten angestellte Vergleich für dem vorliegenden Fall unbehelflich.
29 
3. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Kläger ferner nicht aus anderen - bauordnungsrechtlichen - Gründen in eigenen Rechten.
30 
a) Nach § 33 Abs. 3 LBO dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die einwandfreie Beseitigung des Abwassers und des Niederschlagswassers dauernd gesichert ist. Ob diese Vorschrift nachbarschützend ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Klärung (vgl. dazu Hessischer VGH, Urteil vom 31.01.2002 - 4 UE 2231/95 -, BauR 2003, 866; Beschluss vom 25.03.2004 - 9 UZ 2458/03 - BauR 2005, 762; Sauter, LBO, Band 1, § 33 RdNr. 20 m.w.N.). Denn die genehmigten Bauvorlagen sehen neben Drainagen und einem Streifenfundament auch zwei Sickergruben zur Aufnahme und Ableitung des Niederschlagswassers vor. Damit ist - was auch die Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt haben - den Anforderungen des § 33 Abs. 3 LBO hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen findet sich in der Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung eine entsprechende Auflage, von deren Einhaltbarkeit nach dem Vorstehenden ohne weiteres ausgegangen werden kann; Gegenteiliges machen die Kläger auch nicht geltend. Ob der derzeitige Zustand der Stützmauer diesen Vorgaben bereits entspricht, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne Belang.
31 
b) Soweit die Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemacht haben, die Stützmauer verunstalte die Umgebung, namentlich ihr eigenes Grundstück, da sie wie „das Bollwerk eines Steinbruchs“ auf ihr Grundstück wirke, verhilft auch dieses Vorbringen ihrer Klage nicht zum Erfolg. Denn die damit in Bezug genommene Vorschrift ist bereits nicht nachbarschützend und kann daher eine Verletzung in eigenen Rechten nicht begründen (vgl. Sauter, a.a.O, § 11 RdNr. 9 m.w.N.).
32 
c) Soweit die Kläger schließlich die Standsicherheit der errichteten Mauer im Blick auf den auf sie wirkenden seitlichen Schub und die fehlerhafte Gründung bezweifeln, bleibt ihr Begehren ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LBO, dem nachbarschützende Wirkung zukommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.02.1987 - 8 S 2582/86 -, ESVGH 38, 75; Sauter, a.a.O., § 13 RdNr. 2), müssen bauliche Anlagen sowohl im ganzen als auch in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Diese Vorschrift ist durch die angefochtene Baugenehmigung erkennbar nicht verletzt. Das Vorbringen der Kläger zielte vielmehr allein auf die ursprünglich errichtete Mauer ab, die mit der genehmigten - hier in Rede stehenden - Stützmauer gerade wegen der weitergehenden Anforderungen an die Standsicherheit (Drainage, Gründung, Entwässerung) nicht identisch ist. Anhaltspunkte, dass die genehmigte Stützmauer nicht standsicher errichtet werden kann, bestehen nicht. Auch die Kläger haben Entsprechendes nicht behauptet.
33 
4. Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen das - bauplanungsrechtliche - Gebot der Rücksichtnahme nicht vor (vgl. zu dessen Inhalt: Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147). Denn bei Berücksichtigung der natürlichen Geländeoberfläche, der Lage der Mauer im Osten des Grundstücks der Kläger und ihrer - absolut gesehen - geringen Höhe über der Geländeroberfläche sowie der Vereinbarkeit der durch sie ausgehenden Beeinträchtigungen mit den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben, ist für die Annahme einer rücksichtslosen Betroffenheit der Kläger durch die Mauer kein Raum.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
35 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
36 
B e s c h l u s s vom 13. August 2008
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der Monatsfrist den Anforderungen des § 124 a Abs. 6 VwGO entsprechend begründet.
22 
Die Berufung ist begründet, denn die im Streit stehende Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer aus Felsblöcken vom 24.11.2003 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Namentlich steht die angefochtene Baugenehmigung mit den Normen des öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenrechts (§§ 5 und 6 LBO) und den weiteren von den Klägern thematisierten bauordnungsrechtlichen Vorschriften sowie dem Gebot der Rücksichtnahme im Einklang.
23 
1. a) Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat - anders als die Beigeladene - zunächst davon aus, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts auf die in Rede stehende, terrassiert angelegte Stützmauer Anwendung finden. Nach § 5 Abs. 9 LBO gelten die - für Gebäude anwendbaren - Absätze 1 bis 8 des § 5 LBO entsprechend für bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 m 2 beträgt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift finden die Abstandsvorschriften somit auf bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, nur Anwendung, wenn beide der in der Regelung genannten Maße überschritten sind (st. Rspr., vgl. etwa Urteile des Senats vom 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23, und vom 01.06.1994 - 3 S 2617/92 - juris). Die im Streit stehende Stützmauer ist ohne weiteres eine bauliche Anlage im Sinne des § 5 Abs. 9 LBO (vgl. auch Sauter, LBO, Band 1, § 5 RdNr. 111; zu einem Lärmschutzwall vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.11.1995 - 5 S 5/95 -, VBlBW 1997, 178). Bei der Frage, ob sie höher ist als 2,5 m, ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat - auf die Höhe der gesamten baulichen Anlage abzustellen. Zu dieser Annahme zwingt zunächst eine rein formelle Betrachtungsweise, denn die Beigeladene hat die Stützmauer als einheitliche bauliche Anlage zur Genehmigung gestellt und - trotz deren terrassiert geplanter Errichtung - nicht etwa mehrere Bauanträge für mehrere Mauern eingereicht. Nur diese Betrachtungsweise wird aber auch materiell-rechtlich dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 9 LBO gerecht, der bauliche Anlagen, von denen eine Wirkung wie von Gebäuden ausgeht, dem Regime des Abstandsflächenrechts unterwerfen will (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984 - 3 S 976/84 -; siehe auch § 6 Abs. 1 Satz 2 der Musterbauordnung). Dass insoweit auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen ist, liegt auf der Hand und entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 8 LBO 1983 (vgl. Urteil des Senats vom 18.07.1984, a.a.O., UA S. 4 zu zwei nebeneinander errichteten Werbeanlagen, die insgesamt, nicht aber jede für sich, die zulässige Wandfläche von 25 m 2 überschritten haben). Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise ist die Stützmauer gerade im Blick auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) als einheitliche bauliche Anlage anzusehen, zumal die einzelnen Abschnitte der Stützmauer auch funktional - gerade hinsichtlich der Standsicherheit und Entwässerung - miteinander verknüpft und „aufeinander angewiesen“ sind. Hierfür spricht letztlich auch das Wortlautargument im systematischen Kontext des § 5 Abs. 9 LBO. Denn anders als die sonstigen Regelungen des § 5 LBO (vgl. etwa Absätze 4 und 5) knüpft dessen Absatz 9 nicht an das Tatbestandsmerkmal der Wandhöhe an, sondern spricht von der „Höhe der baulichen Anlage“. Daher ist für die Frage nach dem „Ob“ der Anwendbarkeit der Abstandsvorschriften auf eine einheitliche Betrachtungsweise abzustellen, während bei der Frage nach dem „Wie“ der Anwendung, insbesondere der Bemessung der Abstandsflächentiefen bezogen auf einzelne Mauerabschnitte, der Wandhöhe eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dass auch die für § 5 Abs. 9 LBO maßgebliche Wandfläche von 25 m 2 deutlich überschritten ist, ist offensichtlich und steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
24 
b) Finden somit auf die im Streit stehende Stützmauer die Abstandsflächenvorschriften Anwendung, bedarf der Klärung, welche Tiefe die Abstandsflächen zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einhalten müssen und ob sie - wie es § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO bestimmt - auf dem Baugrundstück selbst zu liegen kommen. Nach § 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 LBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche (unterer Bezugspunkt) bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder - wie hier - bis zum oberen Abschluss der Wand (oberer Bezugspunkt). Das Verwaltungsgericht hat eine einheitliche Wandhöhe für die gesamte Stützmauer errechnet und damit fingiert, dass die terrassiert angelegte Stützmauer als einheitliche Wand mit einer Wandhöhe von 3,62 m (die auf UA S. 5 angegebene Differenz von 3,97 m dürfte rechnerisch unrichtig sein) an der Grundstücksgrenze genehmigt worden ist. Diese Betrachtungsweise wird indes § 5 Abs. 4 LBO nicht gerecht. Denn die nach hinten versetzte Bauweise ist für die Kläger in Bezug auf die mit den Abstandsvorschriften geschützten Belange (z.B. Besonnung, Belichtung, Belüftung) vorteilhaft. Darüber hinaus negiert die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts die nach Osten hin stark ansteigende natürliche Geländeoberfläche. Beiden Umständen wird somit nur eine Berechnung der Abstandsflächenvorschriften gerecht, welche die - die Nachbarn „schonendere“ - Terrassenbauweise berücksichtigt (vgl. zu Terrassenhäusern ebenso Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65 und Abbildungen zu § 5 Nrn. 7 und 8; v. Arnim, in: Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO, § 5 RdNr. 45). Hierbei ist die Wandhöhe der zurückliegenden Wände durch eine gedachte Verlängerung dieser Wände bis zum Schnitt mit der natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln (Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 65). Bezogen auf die genehmigte Stützmauer ergeben sich demnach Wandhöhen von 100 cm (unterste Terrasse), 170 cm (mittlere Terrasse) und 230 cm (oberste Terrasse). Aus den auf diese Weise errechneten Wandhöhen ist sodann - wie auch sonst bei der Bemessung von Abstandsflächen - nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO der nachbarschützende Teil der Abstandstiefe zu errechnen. Er beträgt 40 cm für die unterste Terrasse, 68 cm (mittlere Terrasse) und 92 cm (oberste Terrasse). Da die Grenzmauer - anders als etwa kleinere Grenzgaragen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO oder niedrige Gebäudeteile mit einer Grenzbebauung von höchstens 9 m Länge (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 4 LBO) - nicht gesetzlich privilegiert ist, muss sie den Mindestabstand des § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO wahren und demnach eine Abstandsfläche von 2,5 m einhalten. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die genehmigte Stützmauer - dies räumt mittlerweile auch die Beklagte ein - ohne die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nicht genehmigungsfähig wäre.
25 
2. Die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der im Streit stehenden Stützmauer ergibt sich indes aus § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegen stehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden, ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO nachbarschützenden Teil unterschreitende Tiefe der Abstandsfläche regelmäßig zu einer erheblichen und damit nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des betreffenden Nachbarn führt. Denn mit der Beschränkung des Nachbarschutzes auf ein bestimmtes Maß der Abstandsflächentiefe bestimmt der Gesetzgeber zugleich die Grenzen dessen, was einem Grundstückseigentümer durch die Bebauung eines Nachbargrundstücks in Bezug auf die damit verbundene Beeinträchtigung der Besonnung, Belichtung und Belüftung seines eigenen Grundstücks (noch) zugemutet werden kann. Eine Unterschreitung dieses Maßes stellt damit grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (kritisch hierzu allerdings Sauter, a.a.O., § 6 RdNr. 48 b). Wegen der Anknüpfung dieser Rechtsprechung an die normative Wertung der Abstandsflächenvorschriften bedarf diese Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO indes - jenseits der durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichneten Fälle (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -; Urteil vom 04.08.1997 - 5 S 663/96 -; Beschluss vom 29.01.1999 - 5 S 2971/98 -; Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -; Urteil vom 08.11.1999 - 8 S 1668/999 -; Beschluss vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 - juris), um die es hier nicht geht - dann der Korrektur, wenn sich den Abstandsflächenvorschriften selbst eine andere Wertung des Gesetzgebers entnehmen lässt. Dies ist hier der Fall.
26 
Denn der Gesetzgeber hat für die identische Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen wie die hier in Rede stehende deren abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO angeordnet. Nach dieser Vorschrift sind in den Abstandsflächen zulässig bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 m² beträgt. Nach der Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Verwaltungsgerichtshofs sind die in § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO bezeichneten baulichen Anlagen nicht bereits dann in den Abstandsflächen unzulässig, wenn eines der beiden genannten Maße überschritten wird, sondern erst dann, wenn beide Maße überschritten werden (vgl. dazu jüngst ausführlich - auch zur Historie der Norm - VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, juris m.w.N.; Sauter, a.a.O. § 6 RdNr. 56). Zwar findet § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO auf die genehmigte und hier im Streit stehende abgetreppte Grenzmauer keine Anwendung, weil diese sich nicht in den Abstandsflächen einer anderen baulichen Anlage befindet. Indes lässt sich der Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO entnehmen, dass die untere und die mittlere Terrasse in den Abstandsflächen der obersten Terrasse zulässig wären, hätte die Beigeladene diese als selbstständige Mauer errichtet. Denn die oberste Terrasse hält nach der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung die Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger mit einem Abstand von 2,5 m ein. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Im Blick auf die mit den Abstandsflächenvorschriften geschützten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung ist gänzlich unerheblich, ob diese letzte Stufe der abgetreppten Stützmauer als (unselbstständige) Terrasse oder als (selbstständige) Mauer errichtet wird. Hätte sich die Beigeladene für die zweite Variante entschieden, wären die beiden unteren Stufen der terrassiert angelegten Mauer - da sie in den Abstandsflächen der fiktiv als Mauer ausgeführten obersten Stufe nicht höher als 2,5 m wären - nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO zulässig. Der Gesetzgeber hält somit die Beeinträchtigung der Kläger nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO für zumutbar, auch wenn die in Rede stehende bauliche Anlage - die genehmigte Stützmauer - durch diese Vorschrift abstandsflächenrechtlich nicht gedeckt wird.
27 
In solchen besonderen Fällen muss von dem Grundsatz, dass jede Unterschreitung der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß und die Wirkung dieser Unterschreitung ankommt (vgl. statt vieler: Urteil des Senats vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris), eine Ausnahme auch dann zugelassen werden, wenn die Situation nicht durch Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück gekennzeichnet ist. Denn es wäre mit dem abstandsflächenrechtlichen Regelungsregime nicht vereinbar, die Genehmigung einer baulichen Anlage abzulehnen, wenn von dieser nur solche Beeinträchtigungen ausgehen, die der Gesetzgeber selbst für abstandsflächenrechtlich zulässig hält. Dies ist hier - wie gezeigt - im Blick auf die Wertung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO der Fall.
28 
Obwohl es nach dem Vorstehenden hierauf nicht mehr ankommt, hält der Senat den von der Beklagten aufgezeigten Vergleich (vgl. hierzu die Skizze oben Seite 6) mit einer unmittelbar an der Grenze errichteten 2,5 m hohen Mauer und einer hierauf ansetzenden Böschung von 45 Grad dem gegenüber für wenig überzeugend. Zwar trifft zu, dass eine Grenzmauer mit einer Höhe von 2,5 m abstandsflächenrechtlich ohne weiteres zulässig wäre (arg. e. § 5 Abs. 9 LBO). Soweit hierauf allerdings zusätzlich eine Anböschung im Neigungswinkel von 45 Grad aufsetzen soll, dürfte diese aber - anders als die Beklagte unter missverständlicher Berufung auf Sauter (a.a.O., § 6 RdNr. 48 d und Abbildung 7 zu § 6 LBO) meint - kaum ohne weiteres anrechnungsfrei bleiben. Zwar hat der Gesetzgebers Entsprechendes für Dächer angeordnet (vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), und auch § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO ist zu entnehmen, dass die Anböschung von unter der Geländeroberfläche liegenden Aufenthaltsräumen nicht größer als 45 Grad sein darf. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Aufbauten mit Neigungen bis zu 45 Grad grundsätzlich abstandsflächenrechtlich anrechnungsfrei bleiben, hat der Gesetzgeber jedoch gerade nicht konstatiert. Vielmehr handelt es sich in den Fällen des § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO regelmäßig nicht um Grenzbauten, sondern um abstandsflächenpflichtige Gebäude und damit um gänzlich andere Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks. Soweit Dächer mit einer Dachneigung bis 45 Grad auf Grenzgaragen anrechnungsfrei bleiben (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Nr. 1 LBO), handelt es sich zum einen wiederum um eine Ausnahmevorschrift. Zum anderen wirkt insoweit § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO als Korrektiv, der die Grenzbebauung - und damit die Beeinträchtigung des Nachbarn - auf 9 m je Grundstücksgrenze beschränkt. Bei § 34 Abs. 3 Satz 1 LBO wiederum steht nicht das nachbarliche Austauschverhältnis in Rede, sondern die Mindestanforderungen an die Eignung eines Aufenthaltsraums. Insoweit erscheint dem Senat der von der Beklagten angestellte Vergleich für dem vorliegenden Fall unbehelflich.
29 
3. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Kläger ferner nicht aus anderen - bauordnungsrechtlichen - Gründen in eigenen Rechten.
30 
a) Nach § 33 Abs. 3 LBO dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die einwandfreie Beseitigung des Abwassers und des Niederschlagswassers dauernd gesichert ist. Ob diese Vorschrift nachbarschützend ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Klärung (vgl. dazu Hessischer VGH, Urteil vom 31.01.2002 - 4 UE 2231/95 -, BauR 2003, 866; Beschluss vom 25.03.2004 - 9 UZ 2458/03 - BauR 2005, 762; Sauter, LBO, Band 1, § 33 RdNr. 20 m.w.N.). Denn die genehmigten Bauvorlagen sehen neben Drainagen und einem Streifenfundament auch zwei Sickergruben zur Aufnahme und Ableitung des Niederschlagswassers vor. Damit ist - was auch die Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt haben - den Anforderungen des § 33 Abs. 3 LBO hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen findet sich in der Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung eine entsprechende Auflage, von deren Einhaltbarkeit nach dem Vorstehenden ohne weiteres ausgegangen werden kann; Gegenteiliges machen die Kläger auch nicht geltend. Ob der derzeitige Zustand der Stützmauer diesen Vorgaben bereits entspricht, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne Belang.
31 
b) Soweit die Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemacht haben, die Stützmauer verunstalte die Umgebung, namentlich ihr eigenes Grundstück, da sie wie „das Bollwerk eines Steinbruchs“ auf ihr Grundstück wirke, verhilft auch dieses Vorbringen ihrer Klage nicht zum Erfolg. Denn die damit in Bezug genommene Vorschrift ist bereits nicht nachbarschützend und kann daher eine Verletzung in eigenen Rechten nicht begründen (vgl. Sauter, a.a.O, § 11 RdNr. 9 m.w.N.).
32 
c) Soweit die Kläger schließlich die Standsicherheit der errichteten Mauer im Blick auf den auf sie wirkenden seitlichen Schub und die fehlerhafte Gründung bezweifeln, bleibt ihr Begehren ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LBO, dem nachbarschützende Wirkung zukommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.02.1987 - 8 S 2582/86 -, ESVGH 38, 75; Sauter, a.a.O., § 13 RdNr. 2), müssen bauliche Anlagen sowohl im ganzen als auch in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Diese Vorschrift ist durch die angefochtene Baugenehmigung erkennbar nicht verletzt. Das Vorbringen der Kläger zielte vielmehr allein auf die ursprünglich errichtete Mauer ab, die mit der genehmigten - hier in Rede stehenden - Stützmauer gerade wegen der weitergehenden Anforderungen an die Standsicherheit (Drainage, Gründung, Entwässerung) nicht identisch ist. Anhaltspunkte, dass die genehmigte Stützmauer nicht standsicher errichtet werden kann, bestehen nicht. Auch die Kläger haben Entsprechendes nicht behauptet.
33 
4. Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen das - bauplanungsrechtliche - Gebot der Rücksichtnahme nicht vor (vgl. zu dessen Inhalt: Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147). Denn bei Berücksichtigung der natürlichen Geländeoberfläche, der Lage der Mauer im Osten des Grundstücks der Kläger und ihrer - absolut gesehen - geringen Höhe über der Geländeroberfläche sowie der Vereinbarkeit der durch sie ausgehenden Beeinträchtigungen mit den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben, ist für die Annahme einer rücksichtslosen Betroffenheit der Kläger durch die Mauer kein Raum.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
35 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
36 
B e s c h l u s s vom 13. August 2008
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, gegen den Antragsgegner eine einstweilige Anordnung gerichtet auf baurechtliches Einschreiten in Form einer Baueinstellungsverfügung gegen die Beigeladene zu erlassen. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. a) Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die auf der ihrem Grundstück zugewandten Seite vorgesehenen Vorbauten hielten den erforderlichen Abstand nicht ein. Das Verwaltungsgericht hat insoweit entschieden, dass es sich bei dem geplanten Vorbau um einen solchen nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO handele, weil er nach seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sei und sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstelle. Er erstrecke sich an der Nordseite des Gebäudes über das Unter- und das Erdgeschoss. In der Höhe reiche er über zwei Stockwerke. Im darüber liegenden Dachgeschoss sei ein Balkon vorgesehen. Die um einen knappen Meter vor die Hauptwand tretende Wand weise eine Länge von 4,65 m auf. Der dominierende Eindruck der Hauptwand, die im Erdgeschoss eine Länge von 17,43 m und im Untergeschoss vom 16,06 m aufweise, nicht in Frage gestellt. Da der Vorbau auch mit 2,06 m mehr als 2 m von der Nachbargrenze entfernt bleibe, bleibe er bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht.
b) Hiergegen bringen die Antragsteller vor, dass der umstrittene Vorbau zur Grundstücksgrenze ihres Grundstücks nicht im Sinne der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs deutlich untergeordnet sei. Zwar halte das vorgestellte Bauteil die in § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein, aber es erweise sich nicht als deutlich untergeordnet. Das Verwaltungsgericht habe nicht darauf abgestellt, dass das vorgestellte Bauteil mit seiner Oberkante bis in das Dachgeschoss hineinrage. Im Blick auf seine höhenmäßige Ausdehnung sei es nicht mehr deutlich untergeordnet, sondern stelle vielmehr ein dominantes Bauteil dar. Vom Erdgeschoss bis zur Oberkante der Balkonbrüstung weise es eine Höhe von 6 m auf. Aufgrund der nachgereichten Schnitte errechne sich eine Wandhöhe von 6,18 m. Hinzukomme, dass der Vorbau sich in Form des Balkons fortsetze. Erweise sich das Bauvorhaben aber im Hinblick auf die Abstandsfläche des vorgestellten Bauteils als rechtswidrig, verletze es die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller in Form der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen.
c) Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der geplante Vorbau abstandsflächenrechtlich nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist und deshalb bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht zu bleiben hat.
aa) Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben, außer Betracht. Vorbauten im Sinne dieser Vorschrift müssen nicht oberhalb der Erdoberfläche oder unterhalb des Daches enden. Sie müssen aber dem hinter ihnen liegenden Gebäude zu- und untergeordnet sein. Ein vor die Außenwand gesetzter Bauteil fällt danach jedenfalls im Grundsatz nur dann unter diesen Begriff, wenn er diese Wand nicht überragt (Senatsbeschluss vom 04.07.2003 - 8 S 1251/03 - juris Rn. 9). Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen (Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184). Mehrere Vorbauten im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vor der Außenwand eines Gebäudes sind nach dieser Vorschrift nur dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie sich in ihrer Gesamtheit unterordnen und das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: März 2010, § 5 Rn. 99 zur vertikalen Verteilung von Vorbauten einer Außenwand).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben sind sowohl der erkerähnliche Vorbau als auch der auf ihm vorgesehene Balkon abstandsflächenrechtlich privilegiert. Rechtlich unzutreffend ist der Ansatz der Beschwerde, den erkergleichen, sich über Unter- und Erdgeschoss erstreckenden Vorbau und den auf ihm im Dachgeschoss vorgesehenen Balkon als einheitlichen Vorbau im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu betrachten. Vielmehr sind die beiden Vorbauten nach den obigen Maßstäben zunächst getrennt voneinander zu betrachten und zu bewerten.
(1) Der erkerähnliche Vorbau ist ein untergeordneter Vorbau im Sinne von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO. Er hält - wie die Beschwerde einräumt - die von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein und ragt selbst auch nicht über die Außenwand in die Giebelfläche des Bauvorhabens hinein. Weiter erstreckt sich auf deutlich weniger als ein Drittel der Länge der Außenwand und ist mithin im Verhältnis zu ihr untergeordnet.
(2) Der auf dem erkerähnlichen Vorbau vorgesehene, im Dachgeschoss teilweise in die Giebelfläche des geplanten Gebäudes hineinragende Balkon ist eigenständig an § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu messen. Denn er wäre ohne den erkerähnlichen Vorbau konstruierbar, da er ihn nicht als Fundament benötigt. Es handelt sich damit um einen eigenständigen Vorbau, der als Balkon ebenfalls nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist. Er ist nämlich für sich betrachtet erkennbar der Außenwand untergeordnet.
10 
(3) Die Gesamtheit der vor der Außenwand befindlichen Vorbauten - Erker und Balkon - erweist sich ebenfalls als untergeordnet und im Umkehrschluss die Außenwand weiterhin als optisch dominierend. Dafür ist im Wesentlichen die Ausdehnung in der Länge von deutlich weniger als einem Drittel der Außenwand und ergänzend ausschlaggebend, dass die Außenwand und die Giebelfläche hinter dem Balkon weiterhin sichtbar bleiben und nicht etwa vollständig verdeckt werden.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten den unterlegenen Antragstellern aufzuerlegen.
12 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an Nr. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 57) an. Eine Reduzierung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht in Betracht, da sich die Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks zur Wehr setzten.
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Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorgenannten Entscheidung zur Klarstellung im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst wird:

Unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2011 wird die Beklagte verpflichtet, gegen das Gebäude J…-Straße .. in …. K… bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit die oberirdisch gelegene Wand des rückwärtigen Erweiterungsbaus zum Grundstück der Klägerin einen Grenzabstand von drei Metern unterschreitet.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) dürfen die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Teil eines Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem sie zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine rückwärtige Wand des Wohngebäudes der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin verpflichtet worden ist. Die Klägerin begehrt ihrerseits eine weitergehende Teilbeseitigung des vorgenannten Gebäudes.

2

Sie ist Eigentümerin des 476 m² großen und mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebauten Grundstücks J...-Straße .. in K… (Gemarkung K…, Flur .., Parzelle Nr. …/..). Unmittelbar östlich davon befindet sich das Anwesen J...-Straße .. (Parzelle Nr. …./..), das ursprünglich ebenfalls mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war. Die Zugänge zu den jeweiligen Hauseingängen liegen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Abstände zu den Gebäuden betragen jeweils weniger als 2,50 m. Die Parzelle Nr. …./.. wird neben der J...-Straße im Süden durch die in Nord-Süd-Richtung − und damit parallel zur Grenze des Flurstücks Nr. …/.. − verlaufende Bismarckstraße im Osten erschlossen.

3

Erstmalig vermessen wurden die Parzellen der Klägerin und der Beigeladenen zwischen 1808 und 1839 (sog. Uraufnahme). Nachfolgende Liegenschaftsvermessungen (Neu- oder Fortführungsvermessungen) erfolgten auf der Grundlage der Geo-Dokumente der Uraufnahme. Infolge von Kriegseinwirkungen durch Luftangriffe auf die Katastergebäude in K…. während des Zweiten Weltkrieges wurden die Geo-Dokumente der Uraufnahme sowie weitere Vermessungsrisse aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört. Auskunft über den Grenzverlauf des Grundstücks der Beigeladenen zum Anwesen der Klägerin geben unter anderem eigene Liegenschaftsvermessungen des damaligen Stadtverwaltungsamtes Koblenz, die bei der Katasterbehörde einzureichen waren. Hierzu zählt ein Feldbuch (Vermessungsriss) von 1893 (in den Verwaltungsunterlagen teilweise auch als „Urmessung“ mit der Zeitangabe „1870/80“ bezeichnet). Die Breite der Parzelle der Beigeladenen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. …/.. (B…straße ..) ist darin mit 16,10 m angegeben. Eine Grenzmarkierung zur Parzelle Nr. …/.. an der nordwestlichen Grundstücksecke des Flurstücks der Beigeladenen weisen die zeichnerischen Darstellungen nicht auf. In einem weiteren Feldbuch des Stadtvermessungsamts vom 18. Mai 1920 ist demgegenüber an dieser Ecke ein Punkt eingetragen. Daneben findet sich der Vermerk „16,1 Mitte Pf. Gr.“. Auf der Grundlage der vorgenannten Risse wurde im Juni 1948 der Sammelriss Nr. 14 mit einer gleichlautenden Breitenangabe erstellt. Im Fortführungsriss des Katasteramtes K… Nr. 142, Bl. 255, Jahrgang 1966, wird die nördliche Grundstücksbreite der Parzelle Nr. …./.. mit 16,24 m angegeben. In dem Dokument befinden sich außerdem die Eintragungen „Ohne Abmarkungsniederschrift“ sowie „Die Messungszahlen sind für die Herstellung von Grenzen nicht bestimmt“. Ein weiterer Riss aus dem Jahre 1996 übernimmt diese Feststellungen.

4

Unter dem 16. Juni 2005 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) eine Baugenehmigung zur Sanierung und Erweiterung des auf dem Flurstück Nr. …./.. stehenden Gebäudes, das zuvor als Bürogebäude genutzt worden war. Dem Bauantrag lag eine Lageskizze zugrunde, auf der eine nördliche Grundstücksbreite von 17,05 m eingetragen wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten entstanden auf dem viergeschossig in Erscheinung tretenden Haus fünf Eigentumswohnungen. Jeweils eine Wohnung veräußerte die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) sowie an die Beigeladenen zu 3) und 4).

5

Mit Beginn der Bauphase kam es zwischen den Beteiligten zu Streitigkeiten über die Einhaltung des Grenzabstands zum Grundstück der Klägerin, die unter anderem den rückwärtigen Anbau, einen in diesem Bereich angelegten Balkon (erstes Obergeschoss) und eine ebenerdige Terrasse sowie die über dem Altbestand errichteten Stockwerke zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus beanstandete die Klägerin, dass der Treppenaufgang mit Anschüttungen und die zunächst errichtete Hauseingangstreppe nicht mit den Vorgaben des § 8 Landesbauordnung – LBauO – in Einklang stünden.

6

Am 9. Januar 2006 führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Grüne eine das Wohngebäude der Beigeladenen betreffende Vermessung mit Abmarkung des nordwestlichen Grenzpunktes durch. Dabei legte er die tatsächliche Entfernung des Grenzpunktes bis zur B…straße von 16,24 m zugrunde und stellte fest, dass die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Rohbau befindliche nordwestliche Außenkante des rückwärtigen Anbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen einen Abstand von 2,88 m zur Parzelle der Klägerin aufwies.

7

In der Folgezeit entwickelte sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin bevollmächtigten Dipl.-Ing. H…, der erklärte, dass nach der Vermessung der gesetzliche Mindestabstand durch den Rohbau nicht eingehalten werde. Teile der Bauerweiterung oberhalb des unter Bestandsschutz stehenden Hausbereichs unterlägen der Abstandsflächenvorschrift. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin unter dem 16. Januar 2006 mit, dass der Architekt eine Umplanung vorgelegt habe. Unter der Bedingung, dass die gemauerte Wandscheibe von ca. 1 m Länge um das erforderliche Maß rückversetzt werde und die Fenster bzw. die Fassade in einem Abstand von mindestens 3 m angeordnet würden, sei die Beklagte bereit, den Standort des sog. Eckpfeilers an der nordwestlichen Gebäudekante mit einer Breite von ca. 30 cm sowie die Deckenkanten über dem Estrich und ersten Obergeschoss mit einer Breite von jeweils ca. 35 cm als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 8 Abs. 5 Landesbauordnung – LBauO – einzustufen. Daraufhin ließ sich Dipl.-Ing. H… für die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. Januar und 20. Januar 2006 hierzu ein. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erwiderte die Beklagte, dass der Bauherr den Rückbau der Fassade des Anbaus auf ein Maß von 3 m zur Grundstücksgrenze bis auf den Außenpfeiler und die Deckenplatten einschließlich deren bautechnischen Verkleidungen, die als untergeordnete Bestandteile einzustufen seien, zu veranlassen habe. Nach weiterem Schriftverkehr teilte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin unter dem 7. März 2006 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. Januar 2006 mit, dass dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde zur Ausbildung von Wandscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände unter folgender Bedingung zugestimmt werde: Das von der Behörde in Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze sei zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2006, dass sie das Schreiben vom 7. März 2006 nicht mehr als Widerspruchschreiben zu der getroffenen Abstandsflächenregelung im Bereich des An-/Neubaus auffasse. Ergänzend werde festgehalten, dass der Rückbau der ca. 1 m breiten Mauerwerksscheibe im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das Abstandsflächenmaß von 3 m einschließlich Wandverkleidung/Wärmedämmung einhalten müsse. Der Bauherr habe hierüber der Behörde das entsprechende Messprotokoll eines Vermessungsingenieurs vorzulegen.

8

Nachdem die Beklagte am 19. Juni 2006 die Fertigstellung des Rohbaus festgestellt hatte, erteilte sie der Beigeladenen zu 1) unter dem 18. Juli 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach entsprechend den vorgelegten neuen Planzeichnungen die ursprünglich erteilte Genehmigung wie folgt geändert wurde: „Verschiebung der Erkeraußenwand an der nördlichen Giebelfassade, Errichtung von zwei zusätzlichen Fensteröffnungen im Erdgeschoss an der nördlichen Giebelfassade sowie Errichtung eines Balkonsaustritts an der westlichen, zum Gebäude der Klägerin gelegenen Fassade im ersten Obergeschoss als untergeordnetes Bauteil“.

9

Danach kam es zu einem weiteren umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 führte Dipl.-Ing. H... für die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) sei von dem Vorschlag der Bauaufsichtsbehörde vom 16. Januar 2006 abgewichen. So sei die Breite des Pfeilers an der Nordwestseite des Anbaus nicht wie vereinbart 30 cm x 30 cm, sondern 40 cm x 40 cm. Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass ursprünglich nur die Nettobreite oder das Rohbaumaß gemeint gewesen und hierauf auch schriftlich hingewiesen worden sei, werde angekündigt, dass die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes bis zum Vorliegen einer Endvermessung zurückgestellt und die Regelung des Netto- anstelle des Bruttoabstands gerichtlich überprüft werde, falls bei der Endvermessung eine Grenzabstandsunterschreitung festzustellen sei. Mit E-Mail vom 15. Januar 2007 führte die Dipl.-Ing. H... aus, aufgrund der Fehlplanung des Architekten des Bauherrn unterschreite die tragende äußere Wandscheibe am Nordwestbereich des Anbaus vom Fundament kommend unter dem Erdgeschoss den zulässigen Grundstücksabstand von 3 m. In den bisherigen Verhandlungen sei vereinbart worden, diese Unterschreitung dann zu belassen, wenn im Sinne einer häufig kommentierten Regelung zu § 8 LBauO eine „schräge Einschüttung“ vorgenommen oder ein „Steingärtchen auf ganzer Länge“ angelegt werde. Dieser Sachverhalt sollte, weil direkt mit dem Genehmigungsverfahren im Zusammenhang stehend, in dem überarbeiteten Unterlagen dargestellt werden. Nach einem Gespräch mit der Beklagten teilte Dipl.-Ing. H... in weiteren E-Mails unter anderem folgendes mit: Da derzeit eine kompakte Wand mit voller Grenzabstandsunterschreitung ohne Sondergenehmigung vorliege, habe dieser Bauteil keine gültige Genehmigung, und es werde Anzeige erstattet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 verlangte die Klägerin die Einmessung des fertiggestellten Gebäudes durch einen Vermessungsingenieur.

10

Die Klägerin blieb in den folgenden Monaten bei ihrer Einschätzung, dass der erforderliche Abstand zu ihrer Parzelle nicht eingehalten werde. Der Balkon an der westlichen Fassade zu ihrer Grundstücksgrenze entspreche nicht den Vorgaben des § 8 LBauO. Auch die Anlegung der Terrasse nebst Treppenaufgang sowie die neue Hauseingangstreppe seien unzulässig. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, durch die Vorlage des Protokolls über die Messung des Sachverständigen Grüne sei der Nachweis für die Einhaltung des Grenzabstandes des Balkonvorbaus erbracht. Das Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement der Beklagten ermittelte am 17. September 2007, dass der umstrittene Balkon an der westlichen Fassade 2,06 m bzw. 2,07 m und die dreistufige Treppe zur Terrasse 1,96 m bzw. 1,97 m von der Grundstücksgrenze entfernt seien. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 lehnte die Beklagte diesbezüglich ein Einschreiten ab.

11

Unter dem 26. Oktober 2007 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) auf den von deren Architekten gestellten Antrag „Nachtrag Balkon“ vom 24. Juli 2007 eine weitere Nachtragsbaugenehmigung, die den Balkon im ersten Obergeschoss an der westlichen, zum Haus der Klägerin stehenden Fassade des Erweiterungsbaus zum Gegenstand hat.

12

Nach erfolgter Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. hierzu Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008), in dem über Widersprüche der Klägerin gegen die Nachtragsbaugenehmigungen vom 18. Juli 2006 und 26. Oktober 2007 sowie gegen die Ablehnung eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Terrasse, den Balkon (West) sowie die Außentreppe entschieden worden war, erhob die Klägerin Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (1 K 903/08.KO) verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, gegen die Hauseingangstreppe einzuschreiten. Daraufhin gestaltete die Beigeladene zu 1) im Verlauf des Jahres 2009 diesen Bereich um. Dabei schüttete sie das Gelände zwischen der J...-Straße und dem bestehenden seitlichen Hauseingang (sog. Rampe) – in nördlicher Richtung ansteigend – bis zu einer Höhe von ca. 1 m (einschließlich eines Pflasterbelages) und von dort in etwa gleicher Höhe bis zur nördlichen Grundstücksgrenze weiter an. Entlang der Grundstücksgrenze wurde die Anschüttung mit ca. 0,13 m breiten L-Steinen eingefasst. Außerdem ließ die Beigeladene zu 1) vor dem Eingang zwei ca. 1,5 m lange Treppenstufen errichten.

13

Bereits zuvor, mit Schreiben vom 14. April 2008, hatte die Klägerin Widerspruch „gegen die erteilte Baugenehmigung“ für die Wohnanlage J...-Straße .. eingelegt, da das gesamte Gebäude als Neubau anzusehen sei, für den ein Bestandsschutz nicht bestehe. In diesem Verfahren führte sie unter anderem aus, dass sie den Abriss des Altbaus, der Balkone, der Hauseingangstreppe, der Terrassen, der Dachkonstruktion und die Wiederherstellung der alten Fensteröffnungen begehre. Unter dem 17. Dezember 2009 erließ der Stadtrechtsausschuss der Beklagten einen Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde. Als Antrag der Klägerin ist hierin vermerkt, dass die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2005 zur Sanierung und Erweiterung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Flurstück Nr. …./.. aufzuheben sei und der Bauherr verpflichtet werden solle, alle Fenster im Bereich des Altbestands mit einem blickdichten Glas zu versehen. Der Widerspruch wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen.

14

Unter dem 29. Oktober 2009 beantragte die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Umgestaltung des äußeren Hauseingangsbereichs, den die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2009 und − nach erneutem Antrag − mit Bescheiden vom 24. November 2009 und 25. Januar 2010 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 wies die Klägerin unter Beifügung von Lichtbildern insbesondere auf Anschüttungen im rückwärtigen Grenzbereich hin und bat diesbezüglich ebenfalls um ein bauaufsichtliches Einschreiten. Mit Bescheid vom 1. März 2010 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab.

15

Unter dem 16. April 2010 beantragte die Klägerin weiterhin, das Gesamtgebäude einschließlich des Anbaus und der Hauseingangsrampe mit Treppe und anschließender Terrasse, hilfsweise den neuerrichteten Anbau mit Rampe, Treppe und angrenzender Terrasse abzureißen und die Nutzung der Hauseingangsrampe mit Treppe und angrenzender Terrasse unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu untersagen. Am 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte den Antrag wiederum ab.

16

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück.

17

Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011“ dazu „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen das Gebäude J...-Straße .. in ….. K… bauaufsichtlich einzuschreiten“ (Satz 1 des Tenors). Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit die Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den neu angebauten Teil der baulichen Anlage begehrte, wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass dieser den notwendigen Abstand von 3 m nach § 8 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht einhalte. Die Beigeladene zu 1) habe bei der Verwirklichung des angebauten Teils entgegen des Inhalts der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich hierbei um Wandteile, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln seien (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße … nicht verwirkt.

18

Die Klägerin und die Beklagte haben die Zulassung der Berufung gegen die sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Teile des erstinstanzlichen Urteils beantragt.

19

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2013 insoweit abgetrennt, als sich die Klägerin gegen die bauliche Neugestaltung des Hauseingangsbereichs (Treppe mit Rampe bzw. Anschüttung) sowie die Anschüttungen vor dem Gebäude J...-Straße … wendet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat er „auf Antrag der Klägerin und der Beklagten“ die Berufung zugelassen, „soweit Satz 1 des Tenors des Urteils (bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Gebäudes J...-Straße 5, … K…) betroffen ist. Darüber hinaus wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieser Ausspruch „insbesondere den geltend gemachten Anspruch, auch gegen den Altbestand des Wohngebäudes einzuschreiten“, betreffe.

20

Die Beklagte macht geltend, die an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Stahlbetonstütze („Pfeiler“) habe eine statische Funktion für das Mauerwerk und stelle ebenso wie die Deckenvorsprünge ein gestalterisches Mittel dar, wie es bei ungeordneten Vorbauten nach § 8 Abs. 5 LBauO häufig der Fall sei. Hinzu komme, dass die Vorsprünge nicht dazu dienen, eine nennenswerte Steigerung der Wohnfläche zu begründen. Die Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks würden in keiner Weise gemindert. Die Vorsprünge seien minimal und nähmen eine geringe Fläche ein. Eine Vergleichbarkeit mit Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Erkern, Balkonen könne nach allem ohne weiteres angenommen werden. Ungeachtet dessen sei ein Anspruch der Klägerin jedenfalls verwirkt. Aufgrund des Schriftwechsels mit dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H..., habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der genehmigten Ausführung des Anbaus nach dem Rückbau der Wandscheibe einverstanden gewesen sei. Hierauf habe sich die Beigeladene zu 1) eingerichtet und entsprechende Investitionen getätigt. Insbesondere sei das von Dipl.-Ing. H... unter dem 7. März 2006 verfasste Schreiben als Zustimmung anzusehen. Weiterhin habe die Klägerin mehrere zivil- und verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen einzelne Bauteile betrieben, nicht aber gegen den rückwärtigen Anbau als solchen. Deshalb sei es treuwidrig, wenn zunächst gegen die Auskragung eines Balkons vorgegangen werde, der an einer Wand hänge, deren Beseitigung man anschließend fordere.

21

Die Beigeladene zu 2) schließt sich mit eigenen Darlegungen den Ausführungen der Beklagten an.

22

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

23

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

25

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 sowie unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 3. November 2009, 24. November 200, 25. Januar 2010, 1. März 2010 und 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, gegen das Gebäude auf dem Grundstück Gemarkung K…., Flur .., Flurstück ……, J...-Straße … (Altbau und Anbau) bauaufsichtlich einzuschreiten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

26

Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) entgegen und trägt zur Begründung ihres weitergehenden Begehrens vor, dass das benachbarte Gebäude eine erdrückende Wirkung auf ihr eigenes Grundstück habe. Der Erweiterungsbau verstoße unabhängig davon, dass die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung durch den nachbarschützenden Charakter der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen geschützt seien, in hohem Maße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und diene nicht der Erhaltung des Wohnfriedens. Durch die massive Aufstockung würden neue, nicht hinzunehmende Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück eröffnet. Dies gelte umso mehr, als der rückwärtige Erweiterungsbau ihrem Gartenbereich zugewandt sei. Darüber hinaus führe auch die Aufstockung um zwei weitere Geschosse auf dem ehemaligen Altbestand zu einer gravierenden Beeinträchtigung. Maßgebend für die Ermittlung des Grenzabstandes seien nicht die sich aus der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Sachverständigen G… ergebenden Werte. Insbesondere sei das dort angegebene Abstandsflächenmaß von 2,88 m an der nordwestlichen Kante des Gebäudes der Beigeladenen unrichtig. Tatsächlich betrage der Abstand des von der Beklagten als „Eckpfeiler“ bezeichneten Gebäudeteils des Erweiterungsbaus lediglich 2,67 m. Zu beanstanden sei vor allem, dass die Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage einer Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m vorgenommen worden sei. Richtigerweise habe man nur eine Breite von 16,10 m ansetzen dürfen, die den Eintragungen in allen vorhandenen Vermessungsrissen bis 1948 entsprochen habe.

27

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag und haben sich zum Verfahren nicht geäußert.

28

Im Verlaufe des Rechtsstreits wurden entlang der gemeinsamen Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und der Beigeladenen mehrere für die Ermittlung des Abstands relevante Messungen durchgeführt: Nach der Gebäudeeinmessung des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs H. Grüne vom 9. Januar 2006 erstellte der Dipl.-Ing. C… E… am 6. November 2009 im Auftrag der Klägerin zur „Beweissicherung“ ein Gutachten, wonach der Abstand der Außenkante der L-Steine bis zum verputzen Pfosten ca. 2,68 m betragen soll. Weitere Aufmaße nahmen die Baukontrolleure L…. und F… der Beklagten am 17. April und 18. Oktober 2012 vor. Die Klägerin reichte außerdem Vermessungen des in ihrem Auftrag tätig gewordenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs T…S…vom 22. Mai 2013 (Bericht vom 12. Juni 2013) und vom 19. September 2013 (Bericht vom 20. September 2013) zu den Gerichtsakten. Darüber hinaus liegt dem Senat das aufgrund eines am 23. November 2012 verkündeten Beweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz erstellte Gutachten des öffentlich-bestellten Vermessungsingenieurs W. S… vom 11. September 2013 über eine sieben Tage zuvor durchgeführte Vermessung vor, die unter anderem zum Ziel hatte, den Verlauf der Grenze im Bereich der L-Steine zu ermitteln.

29

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (21 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten) und den beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz (1 K 903/08.KO) sowie des Landgerichts Koblenz (16 O 276/10 = 1 U 755/11 des Oberlandesgerichts Koblenz), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufungen der Beklagten (I.) und der Klägerin (II.) gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg und waren daher mit den sich hieraus ergebenden Nebenentscheidungen (III.) zurückzuweisen.

31

I.

32

Die zulässige Berufung der Beklagten, die der Senat zum Anlass genommen hat, den Tenor im Hauptausspruch aus Gründen der Klarstellung wie geschehen neu zu fassen, ist unbegründet.

33

Vorweg ist festzuhalten, dass der von der Beklagten angefochtene und sie auch nur beschwerende Teil des erstinstanzlichen Urteils sich lediglich auf den Ausspruch eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den „Eckpfeiler“ an der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens der Beigeladenen und die drei Deckenkanten des rückwärtigen Erweiterungsbaues (Sockelkante Kellergeschoss, soweit oberirdisch, sowie Deckenkanten des darüber liegenden Erd- und des ersten Obergeschosses) bezieht. Die Verpflichtung zu einem Einschreiten gegen den Altbestand oder das zweite und dritte Obergeschoss (Altbau und rückwärtige Erweiterung) war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung.

34

Soweit die Klägerin auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen verweist, worin von dem „Gebäude auf dem Grundstück J...-Straße …“ (Urteil S. 16, Abs. 3), dem „neu angebauten Teil dieser baulichen Anlage“ (Urteil S. 16 Abs. 3, Zeile 4), der „Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses“ (Urteil S. 18, Abs. 2, Zeile 10), der „baulichen Erweiterung“ bzw. der „baulichen Erweiterung des Gebäudes J...-Straße ..“ (Urteil S. 19, Abs. 2) die Rede ist sowie anführt, dass „der neu angebaute Teil dieser baulichen Anlage“ den notwendigen Abstand nicht einhalte (Urteil, S. 16, Abs. 3), überzeugt ihre Argumentation nicht. Diese Aussagen stehen nämlich im Kontext zu weiteren Feststellungen, die den Umfang der auferlegten Verpflichtung zum Einschreiten in dem vorgenannten Umfang inhaltlich beschränken: So führt die Vorinstanz im Einzelnen aus, dass die Bauherrn bei Verwirklichung des angebauten Teils keinen Pfeiler oder Vorsprung im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO errichtet habe (Urteil S. 16, Abs. 3) und es sich„hierbei“, also mit Bezug auf den Pfeiler bzw. den angebauten Teil, um Wandteile handele, für welche die Abstandsfläche gesondert zu ermitteln sei (Urteil S. 16, Abs. 3). Sodann wird auf den „nordwestlichen“ Teil der Erweiterung des Hauses J...-Straße … mit der sich dahinter befindenden Wandscheibe und auf „diesen Teil“ der Außenwand (Urteil S. 17, Abs. 1) hingewiesen, der „vom (angeschütteten) Boden bis zum Abschluss des ersten Obergeschosses“ verlaufe. Ferner spricht die Kammer die Überzeugung aus, „dass der Abstand von diesen beiden Wandteilen“ des in Frage stehenden Gebäudes und des benachbarten Grundstücks der Klägerin weniger als 3 m betrage (Urteil S. 17, Abs. 2) und nimmt auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. G… (Urteil S. 17, Abs. 2) sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007 (Urteil S. 16, Abs. 3 und S. 17 Abs. 2) Bezug. Aus der Zeichnung zum vorgenannten Nachtrag folgt indes, dass der sog. Pfeiler und darüber hinaus der Sockelbereich des Kellers den Mindestabstand von 3 m nicht einhalten. Aus allem folgt, dass auch nur diese Teile einschließlich der darüber liegenden Deckenkanten von Satz 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung erfasst sein können (so auch das Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. Juli 2013). Dass sich das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen nicht zu dem mit der Klage geltend gemachten weitergehenden Begehren der Klägerin – mit Ausnahme des hier nicht streitgegenständlichen Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Hauseingangstreppenanlage und die rückwärtigen Anschüttungen (vgl. hierzu 1 A 10776/14.OVG) − verhält, ist demgegenüber unerheblich.

35

Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat in dem vorbeschriebenen Umfang einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten und ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 in eigenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

36

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen ist § 81 Satz 1 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz – LBauO –, wonach die Bauaufsichtsbehörde gegen solche baulichen Anlagen einschreiten kann, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dabei ist ein Einschreiten grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf den Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/00.OVG –, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 3. November 1966 – 1 A 54/65 −, BRS Bd. 17 Nr. 12, und vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85 –; Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG –, ESOVGRP, st. Rspr.; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 −; juris).

37

Nach diesen Maßstäben kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen.

38

Anders als die Beklagte und die Beigeladene zu 2) meinen, verstoßen die vorgenannten baulichen Anlagen (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 LBauO) gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Als Abstandsfläche auslösende Außenwand ist die gesamte zu einer Grundstücksgrenze hin ausgerichtete, das Gebäude abschließende Wand zu verstehen, auch wenn sie gegliedert ist. Außenwände sind demnach die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen Außenluft abschließen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris). Abs. 6 Satz 3 der genannten Norm bestimmt, dass die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Für vor- und zurücktretende Wandteile wird die Abstandsfläche gesondert ermittelt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO). Damit wird eine Regelung für den Fall getroffen, dass sich die Außenwand zur Nachbargrenze hin als gegliederte Fläche darstellt. Ist die Außenwand horizontal gestaffelt oder vertikal durch stufenweise zurückbleibende Obergeschosse gegliedert, ergeben sich somit Abschnitte der Außenwand (im Gesetz als Wandteile bezeichnet), für die das Gesetz jeweils eine gesonderte Abstandsfläche vorsieht.

39

Von den Wandteilen im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 LBauO zu unterscheiden sind die vor die Wand vortretenden Gebäudeteile wie Pfeiler, Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie untergeordnete Vorbauten wie Erker und Balkone. Diese Gebäudeteile sind gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze 2 m entfernt bleiben. Wie sich aus der Wortfolge „vor die Wand vortretende“ bzw. aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorbauten“ ergibt, werden die hier privilegierten Gebäudeteile mit Blick auf die jeweilige Wand bzw. den jeweiligen Wandteil definiert: Die Bezugsfläche für das Vortreten des Gebäudeteils (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO) ist mithin eine vorhandene Wand oder ein vorhandener Wandteil, die ihrerseits den erforderlichen Abstand einhalten müssen. Gleiches gilt für einen Vorbau im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO. Erforderlich ist in beiden Fällen ferner, dass die Gebäudeteile nach Art und Umfang nicht nennenswert ins Gewicht fallen oder in Erscheinung treten (BayVGH, Urteil vom 13. April 2005 – 1 B 04.636 –; HessVGH, Beschluss vom 12. Oktober 1995 –4 TG 2941/95 –, jeweils juris). Der Charakter der unter § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 LBauO beispielhaft genannten Gebäudeteile und das in § 8 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 LBauO aufgeführte Tatbestandsmerkmal „untergeordnet“ lassen erkennen, dass das Gesetz die genannten baulichen Anlagen privilegiert, weil sie die durch die Abstandsflächenregelung unter anderem geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung typischerweise nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigen.

40

Unter welchen Voraussetzungen ein Fall des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO gegeben ist, kann nicht abstrakt festgelegt, sondern muss anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des optischen Eindrucks entschieden werden.

41

Ausgehend von diesen Kriterien geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die nordwestliche Eckkante des rückwärtigen Anbaus auf der Parzelle der Beigeladenen und die drei Deckenkanten keine vortretenden Gebäudeteile oder untergeordnete Vorbauten im Sinne der vorerwähnten Bestimmung, sondern vielmehr die rückwärtige Außenwand des Gebäudes darstellen. Wie insbesondere die in der mündlichen Verhandlung des Senats zu den Gerichtsakten überreichten Lichtbildaufnahmen vom Rohbau anschaulich belegen, beruhen diese baulichen Anlagen auf einer einheitlichen Konstruktion, die das Gebäude vom Kellergeschoss aufwärts bis zum ersten Obergeschoss – also über zumindest zwei Stockwerke hinweg – in gleicher Tiefe sowie über eine Länge von ca. 5,21 m durchgehend umschließen und – zusammen mit den Fenstern − das Eindringen von Außenluft verhindern. Schon von ihrer Dimensionierung und Funktion sind diese Anlagen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht vergleichbar mit einzelnen Pfeilern, Gesimsen, Dachvorsprüngen, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erkern oder Balkonen. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf den über die Geländeoberfläche herausragenden Sockel des Kellergeschosses, hinter dem kein weiteres Mauerwerk zurücktritt. Dieser erscheint nämlich als natürlicher Abschluss der darunter liegenden Kelleraußenwand. Gleichfalls ist auch die nordwestliche Eckstütze Teil der Wand, weil sie den Anbau nach dem insoweit maßgeblichen optischen Eindruck an der westlichen Gebäudefront ebenso wie auf seiner Nordseite begrenzt. Mit ihrem Einwand, die Stahlbetonstütze habe eine statische Funktion, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Gerade dann, wenn bauliche Anlagen aus Gründen der Statik unerlässlich sind und das Gebäude als solches tragen, ist dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass derartige Anlagen nicht mehr als untergeordnet in Erscheinung treten.

42

Können sich somit die Beklagte und die Beigeladenen auf die Privilegierung des § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO nicht mit Erfolg berufen, so bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Abstand von der so definierten rückwärtigen Außenwand des Anbaus zum benachbarten Grundstück der Klägerin weniger als 3 m beträgt und den gesetzlich notwendigen Mindestabstand unterschreitet. Diese Bewertung folgt nicht nur aus der angesprochenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G…, sondern auch aus den Feststellungen der Beklagten selbst sowie den Angaben in der Nachtragsbaugenehmigung vom 26. Oktober 2007, wonach diese Teile des Gebäudeanbaus den gebotenen Mindestabstand nicht einhalten.

43

Die Ermittlung des Abstands beruht dabei auf einer nördlichen Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,24 m. Diese Feststellung ist für den Umfang des bauaufsichtlichen Einschreitens hier maßgebend. Denn für die Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück sind die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, entscheidend, wie sie sich aus dem Katasterwerk ergeben. Hinsichtlich der Richtigkeit des Grenzverlaufs können sich Behörden und Gerichte grundsätzlich auf die amtlichen Vermessungsunterlagen verlassen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Bd. 1, 2008, Art. 6 Nr. 69). Dies gilt umso mehr, wenn eine bestandskräftig festgestellte Abmarkung vorliegt, solange diese wirksam ist. So verhält es sich hier mit Bezug auf die an der nordwestlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Beigeladenen angebrachte Grenzmarkierung, die im Januar 2006 von dem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Grüne abgemarkt wurde, ohne dass die Klägerin hiergegen rechtzeitig Widerspruch erhoben hätte.

44

Mit ihren nunmehr erhobenen Einwendungen stellt die Klägerin in der Sache allenfalls den Grenzverlauf, nicht aber die Grenzabmarkung substantiiert in Frage. Die Grenzabmarkung selbst bezweckt nur, die katastermäßigen Aufzeichnungen über den Verlauf der Grenze in die Örtlichkeit zu übertragen; sie besagt nicht, dass die katastermäßige Aufzeichnungen mit der wirklichen „Eigentumsgrenze“ eines Grundstücks übereinstimmen. Die Klägerin mag etwaige Rechte an einem Teil der Nachbarparzelle in einem zivilgerichtlichen Verfahren oder mit einem Wiederaufgreifensantrag bei der Katasterverwaltung geltend machen und im Fall ihres Obsiegens eine entsprechende Abänderung des Liegenschaftskatasters erreichen können. Bis zu einer Klärung sind indessen die von ihr geltend gemachten Zweifel an der Übereinstimmung des katastermäßig ausgewiesenen Grenzverlaufs mit der tatsächlichen Grenze, die sich aus der Lage des abgemarkten Grenzpunkts ergibt, unbeachtlich (vgl. zum Ganzen auch Thür.OVG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 1 EO 423/95 –, juris).

45

Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die fehlende Übereinstimmung der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Grenze mit den Eigentumsgrenzen offenkundig ist oder die Eintragungen im Liegenschaftskataster selbst offenkundig unklar oder widersprüchlich sind, mag dahin stehen. Ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Die Lage des sog. Grenzpunktes „A“ (vgl. die Terminologie im Gutachten des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. Schmidt vom 11. September 2013) an der nordwestlichen Grundstücksgrenze steht eindeutig fest. Es existieren derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verrückung. Zu welchem Zeitpunkt die Markierung angebracht worden ist, lässt sich zudem nicht mehr aufklären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die Längenangabe „16,10 m“, die auf Unterlagen des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, ihrerseits fehlerhaft sein könnte.

46

Im Hinblick auf den von der Klägerin am 17. Juni 2015 bei den Katasterbehörden gestellten Wiederaufgreifensantrag weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Beklagte von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung und deren Vollstreckung absehen kann, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist. Denn es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Vollstreckung betreiben würde und zugleich ein Verfahren mit dem Ziel verfolgt, hinsichtlich der gleichen Gebäudeteile zu einem noch nicht feststehenden späteren Zeitpunkt einen unter Umständen weitergehenden Rückbau durchzusetzen.

47

Darüber hinaus hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Erweiterung des Hauses J...-Straße .. auch nicht verwirkt. Denn die Beigeladene zu 1) durfte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Einwände mehr erheben würde. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

48

„Hiervon ausgehend hat die Klägerin keine Vertrauensgrundlage geschaffen, auf die sich die Beigeladenen berufen können, auch wenn das Gebäude J...-Straße .. der Klägerin seinerseits den gesetzlich gebotenen Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen unterschreitet. Die Kammer hat keinen Hinweis darauf, dass dieses Haus, bei dem es sich um einen Altbau handelt, unter Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist bzw. nach Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung in seinem Bestand verändert wurde. Ferner hat die Klägerin schon während der Bauphase von der Beklagten die Sicherstellung des gesetzlichen Mindestabstands bzgl. der Erweiterung des streitgegenständlichen Nachbarhauses gefordert. Überdies gibt der Schriftwechsel, der zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin Dipl.-Ing. H... und der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 geführt worden ist, nicht zu erkennen, dass über die Gestaltung der zum Grundstück der Klägerin hin gelegenen Außenfassade des Anbaus eine abschließende Einigung erzielt worden ist. Die Klägerin oder ein von ihr ausdrücklich hierzu Bevollmächtigter haben zudem entsprechende Planzeichnungen nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich ein Einschreiten gegen die Hauseingangstreppe, die Terrasse und einen Balkon gerichtlich verfolgte (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, 1 K 903/08.KO), schafft ebenfalls keine Vertrauensgrundlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Vorgehensweise der Klägerin, die anwaltlich in dem ersten Gerichtsverfahren vertreten wurde, die Gefahr in sich birgt, dass gegen ein einheitliches Bauvorhaben gleichzeitig oder innerhalb von kurzen zeitlichen Abständen mehrere bauaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden, was wiederum zu einer Vergrößerung des durch die Rechtsverletzung einhergehenden Schadens beim Grundstücksnachbarn führen kann. Indes besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von Seiten der Klägerin bezogen auf die bauliche Erweiterung stets die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift verlangt worden ist und während des oben erwähnten Rechtsstreits gegenüber der Beklagten die Forderung erhoben wurde, durch eine Einmessung des Gebäudes J...-Straße nachzuweisen, dass die erforderlichen Abstände auch tatsächlich eingehalten worden sind. Ein Bauherr kann aber nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Abschluss eines Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, bei dem lediglich ein gesondert genehmigter Teil der baulichen Anlage auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift überprüft worden ist, die übrige bauliche Anlage, wie sie errichtet worden ist, hingenommen wird, wenn der Nachbar – wie hier – gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass er mit der baulichen Anlage insgesamt aus anderen Gründen nicht einverstanden ist“

49

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese zutreffenden Ausführungen Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass die Tochter der Klägerin bereits mit Schreiben vom 3. Januar 2006, also wenige Wochen nach der auf den 21. November 2005 datierten Baubeginnanzeige, die Beklagte darüber informiert hat, „dass der Erweiterungsbau zum Haus J...-Straße 5 in den genehmigten Planunterlagen dargestellten Grenzabstände von 3,0 m vom Bauwerk zum Grundstück J...-Straße ..“ unterschreite.

50

Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlas zu einer anderen Beurteilung. Namentlich kann aus dem Schreiben des Dipl.-Ing. H... vom 7. März 2006 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin bei einer Versetzung der Wandscheiben mit der nachträglich genehmigten Ausführung des Anbaus einverstanden gewesen war. Darin heißt es vielmehr hinsichtlich der aufgehenden „Mauer unter dem Erdgeschoss, dass diese oberhalb der in den Genehmigungsunterlagen eingetretenen Erdoberfläche die nach LBauO zugelassenen Abstände unterschreite“. Sodann wird der Beklagten mitgeteilt:

51

„Dem Vorschlag der Behörde zur Ausbildung der Wandscheiben im Erdgeschoss und ersten Stock unter Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzabstände wird unter folgender Bedingung zugestimmt: Das von der Behörde in den Skizzen dargestellte Abstandsmaß von 3,00 m vom Rohbau zur Grundstücksgrenze ist zu ändern und um die dem Amt bekannte Stärke von Wärmedämmung und Putz zwingend zu vergrößern“.

52

Eine Einwilligung und damit die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes liegen damit allenfalls hinsichtlich der Wandscheiben, nicht aber im Übrigen vor.

53

II.

54

Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil war ebenfalls zurückzuweisen.

55

Soweit sie mit Bezug auf den vorderen Gebäudeteil und bei sachgerechter Auslegung ihres Berufungsantrages den teilweisen Rückbau der über dem Altbestand liegenden Stockwerke auf dem Anwesen der Beigeladenen verlangt, steht dem Begehren der Einwand der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO) entgegen. Denn mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (1 A 11137/12.OVG) hat der Senat die Berufung nur insoweit zugelassen, als zwischen den Beteiligten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den „Neubau des Gebäudes“ im Streit steht. Gemeint ist damit, wie dem Verweis auf „Satz 1 des Tenors“ des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, ausschließlich der dem Garten der Klägerin zugewandte Anbau. Auf die oberen Geschosse, soweit sie über dem Altbestand liegen, erstreckte sich die Berufungszulassung demgegenüber nicht.

56

Ein hier allein in Betracht zu ziehendes Begehren der Klägerin zu einem weitergehenden bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Mauerwerk oberhalb der Deckenkante des zweiten Geschosses (erstes Obergeschoss) des Erweiterungsteils scheidet mangels Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung aus.

57

Ein Verstoß gegen § 8 LBauO ist nicht ersichtlich. Die Klägerin begründet eine Verletzung im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Vermessung des von ihr beauftragten Dipl.-Ing. T… S… (vgl. die von ihm unter dem 20. September 2013 vorgelegte Abstandsflächenbetrachtung), laut der gerade auch im nordwestlichen Grenzbereich zur Parzelle Nr. …/.. eine Unterschreitung der Abstandsflächen gegeben sein soll. Diese Berechnung kann vorliegend indes nicht zugrunde gelegt werden, da der Gutachter bei seinen Feststellungen fehlerhaft eine nördliche Breite des Grundstücks der Beigeladenen von 16,10 m in Ansatz gebracht hat, anstatt die (derzeit) aufgrund der Abmarkung der Grenzmarkierung „A“ maßgebende Breite von 16,24 m zu berücksichtigen.

58

Ferner ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 34 Abs. 2 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BaunutzungsverordnungBauNVO –) gegeben. Denn die Klägerin hat eine Veränderung der Grundstückssituation durch eine ihrer Art nach zulässiger Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, also etwa die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück, grundsätzlich hinzunehmen. Namentlich besteht kein Anspruch auf Fortbestand eines faktischen Ruhebereichs, mit dem sie die Bebauung des Nachbargrundstücks verhindern könne (vgl. auch im Einzelnen, Urteil des Senats vom 4. August 2014 – 1 A 10854/13.OVG –). Die Dimensionen des Anbaus führen weiterhin nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin im Sinne einer „erdrückenden“ Wirkung. Das ist in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des “Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 A 11803/03.OVG –; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. September 1988 – 1 A 75/87 –, BRS 48, Nr. 104). Das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 ½-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 Meter entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegengesetzten Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans genehmigt worden war (Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS Bd. 38, Nr. 186). Demzufolge ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen verschlechtert hat. Das vergrößerte Gebäude hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht und führt auch nicht zu einer für die Klägerin unzumutbaren Abriegelung. Allein die Erhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens ist, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Klägerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher auch insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.

59

III.

60

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. In Rechnung gestellt wurde zunächst, dass die Beigeladene zu 2) einen eigenen Antrag gestellt hat, mit dem sie unterlegen war, sodass es angezeigt erschien, sie an den angefallenen Kosten anteilsmäßig zu beteiligen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da die Klägerin im Rahmen der hier zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung nach Auffassung des Senats lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, wurden die Kosten insgesamt der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auferlegt.

61

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

62

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

63

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

64

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat den sich aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.bverwg.de/information/streitwertkatalog) ergebenden und im erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten Wert von 7.500 Euro als Ausgangspunkt angesehen. Mit Blick auf den erfolgten Abtrennungsbeschluss wurde dieser Wert für das vorliegende Berufungsverfahren reduziert.

Tenor

Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen 1 und 2 auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 - 6 K 2034/13 - werden abgelehnt.

Die Beklagte und die Beigeladenen 1 und 2 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen 3 je zur Hälfte. Die Beigeladenen 1 und 2 haften für den von ihnen zu tragenden Anteil an den Kosten als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...) in Baden-Baden. Die Beigeladenen 1 und 2 sind Eigentümer des nach Nordwesten angrenzenden, ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 25.8.1967 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Straßen- und Baulinienplan Hardberg“, der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubaren Grundstücksflächen enthält.
Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 4.8.2011 eine Baugenehmigung zur Aufstockung des bestehenden Wohnhauses und die Errichtung einer Garage auf dem ihm gehörenden Grundstück. Mit der Baugenehmigung wurden Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl, der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie sowie der Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse erteilt. Auf den gegen die Baugenehmigung eingelegten Widerspruch der Beigeladenen 1 und 2 veranlasste das Regierungspräsidium Karlsruhe eine Begutachtung durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur und kam danach zu dem Ergebnis, dass in den Bauvorlagen die Wandhöhen aufgrund der Zugrundelegung falscher Gebäudehöhen nicht zutreffend dargestellt würden, was im Bereich des abgeschrägten vorderen Anbaus zu der Ermittlung einer zu geringen Abstandsflächen geführt habe. Aus der korrekten Geländehöhe ergäben sich an den maßgeblichen Eckpunkten Wandhöhen von 8,61 m (8,23 m + 0,38 m) und 10,71 m, woraus sich bei einer gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO zu einem Viertel anzurechnenden Giebelhöhe des Pultdachs von 0,28 m eine relevante Wandhöhe von 9,73 m und nach Multiplikation mit dem Faktor 0,4 eine Abstandsflächentiefe von 3,89 m errechne, die nach den tatsächlichen Abständen an den beiden Ecken zum Nachbargrundstück um 17 cm bzw. 18 cm unterschritten werde. Nach Anhörung des Klägers half die Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen mit Bescheid vom 19.7.2013 ab und hob die Baugenehmigung vom 4.8.2001 „in Bezug auf die Sanierung und Aufstockung des Wohnhauses“ auf.
Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28.5.2014 den Bescheid vom 19.7.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abhilfeentscheidung der Beklagten sei rechtswidrig und verletze den Kläger als betroffenen Bauherrn in seinen Rechten, da die Baugenehmigung keine nachbarschützenden Vorschriften verletze. Zwar sei hinsichtlich der dem Grundstück der Beigeladenen zugewandten Schrägwand die bei den Bauvorlagen befindliche Berechnung der einzuhaltenden Abstandsfläche fehlerhaft. Aus dem arithmetischen Mittel der nördlichen und der südlichen Wandhöhe von 9,596 m errechne sich eine notwendige Abstandsfläche von 3,838 m. Diese werde ausweislich der Genehmigungsplanung, die einen Grenzabstand von 3,75 m vorsehe, um 8,8 cm unterschritten. Diese Abstandsflächenunterschreitung sei jedoch gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen, weil sich das Vorhaben auf die Modernisierung eines Wohngebäudes und die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Aufstockung beziehe, die Baugenehmigung für die Errichtung des Hauses bereits mehr als fünf Jahre zurückliege und die Planung mit öffentlichen Belangen vereinbar sei. § 56 Abs. 2 LBO ermögliche auch bei einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange eine Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen. Diese Abwägung müsse hier zugunsten des Klägers ausfallen.
II.
Die Anträge der Beklagten sowie der Beigeladenen 1 und 2, die Berufung gegen das bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zuzulassen, bleiben ohne Erfolg. Die von der Beklagten und den Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur im Rahmen ihrer jeweiligen Darlegungen zu prüfen sind, liegen nicht vor.
1. Aus dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dem Verwaltungsgericht ist zwar bei der Berechnung der Abstandsfläche, die nach § 5 LBO vor der dem Grundstück der Beigeladenen zugewandten, dem Verlauf der Grundstücksgrenze entsprechend abgeschrägten Außenwand liegen muss, insoweit ein Fehler unterlaufen, als es dabei die Höhe der Giebelfläche nicht berücksichtigt hat. Dieser Fehler führt dazu, dass sich die Wandhöhe, gegen deren Berechnung ansonsten keine Bedenken bestehen, gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO um ein Viertel von 27,7 cm, d.h. um 6,92 cm erhöht, woraus sich eine um 2,77 cm größere Abstandsflächentiefe errechnet, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Für die weiteren Überlegungen des Verwaltungsgerichts ist dieser Umstand jedoch ohne Bedeutung.
a) Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage des in den Bauvorlagen dargestellten Geländes zu einer am nördlichen Bezugspunkt gemessenen Höhe der in Rede stehenden Außenwand von 8,722 m und einer am südlichen Bezugspunkt gemessenen Höhe von ,47 m gekommen, woraus es eine im Mittel gemessene Wandhöhe von 9,596 m sowie eine notwendige Abstandsfläche von 3,838 m errechnet hat. Die Genehmigungsplanung, die einen Grenzabstand von 3,75 m vorsehe, werde somit um 8,8 cm unterschritten.
Gegen diese Berechnung bestehen im Grundsatz keine Bedenken. Die Berechnung ist entgegen der Ansicht der Beigeladenen insbesondere nicht deshalb zu beanstanden, weil das Verwaltungsgericht dabei auf die im Zusammenhang mit der Ausführung des Bauvorhabens geplante Veränderung des Geländes abgestellt hat. Wie § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO in ihrer am 1.3.2015 in Kraft getretenen Fassung vom 5.11.2014 klarstellt, ist unter Geländeoberfläche im Sinne der in § 5 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 LBO getroffenen Regelungen die „tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens“ zu verstehen, „soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde.“ Das entspricht jedenfalls im Wesentlichen den bereits zuvor in der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg zum Begriff der Geländeoberfläche im Sinne der Abstandsflächenvorschriften entwickelten Grundsätzen (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 8..2014 - 3 S 1279/14 - BauR 2015, 307; Beschl. v. 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272). Maßgeblich ist danach grundsätzlich die tatsächliche, sich nach Ausführung des geplanten Bauvorhabens ergebende Geländeoberfläche. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mangels nachvollziehbarer rechtfertigender Gründe davon auszugehen ist, dass die neue tatsächliche Geländeoberfläche nur zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird, was bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet, bei Aufschüttungen dagegen in Betracht zu ziehen ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 15/5294, S. 17).
Der Senat sieht ebenso wie das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Zusammenhang mit der Ausführung des Bauvorhabens geplanten Veränderungen des Geländes mit dem Ziel vorgenommen werden sollen, die Abstandsflächenvorschriften zu umgehen. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass der Geländeverlauf nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins den örtlichen Notwendigkeiten folge, um zwischen Garage und Wohnhaus eine Treppenverbindung von der Gartenterrasse zur Straße herzustellen. Dem Gutachten des Sachverständigen ... sei zudem zu entnehmen, dass in dem hier maßgeblichen mittleren Treppenabschnitt im Vergleich zu dem ursprünglich vorhandenen Gelände sogar in Bezug auf die Abstandsflächen für den Kläger nachteilige Abgrabungen vorgenommen worden seien, so dass eine manipulative Geländemodellierung fern liege.
Das Vorbringen der Beigeladenen in der Begründung ihres Zulassungsantrags rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Behauptung der Beigeladenen, dass das Gelände zu einem Großteil zugunsten des Klägers angehoben worden sei, wird von ihnen nicht näher erläutert. Die Beigeladenen verweisen stattdessen pauschal auf Fotografien, die den früheren Geländeverlauf vor der Baumaßnahme zeigen. Die von ihnen vorgelegten Fotografien vermögen die Behauptung jedoch nicht zu stützen. Für die bei den Behördenakten und den Akten des Verwaltungsgerichts befindlichen Fotografien gilt das Gleiche. Die von den Beigeladenen ferner erwähnten Messungen des Vermessungsbüros ... vom 8.5.2012 zeigen nicht den ursprünglichen Geländeverlauf, sondern den Geländeverlauf zu einem Zeitpunkt, als die Bauarbeiten bereits im Gang waren.
10 
b) Dem Verwaltungsgericht kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit es angenommen hat, dass die Höhe der Giebelfläche von 27,7 cm auf die Wandhöhe gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO in seiner im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung noch geltenden früheren Fassung nicht angerechnet werden könne, da das aufgesetzte Pultdach an keiner Stelle eine größere Neigung als 45° aufweise. Nach dieser Vorschrift wird die Höhe einer Giebelfläche zur Hälfte des Verhältnisses, in dem ihre tatsächliche Fläche zur gedachten Gesamtfläche einer rechtwinkligen Wand mit denselben Maximalabmessungen steht, auf die Wandhöhe angerechnet, wenn zumindest ein Teil der Dachfläche eine Neigung von mehr als 45° aufweist. Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gilt diese Vorschrift auch für Gebäude bzw. Gebäudeteile mit einem Pultdach (Urt. v. 14.7.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501; Beschl. v. 7.5.1986 - 8 S 1171/86 - unveröffentlicht). Bei der senkrechten seitlichen Begrenzung eines Pultdachs handelt es sich zwar nicht um eine Dachfläche im bautechnischen Sinn. Von ihr gehen jedoch dieselben nachteiligen Wirkungen für Beleuchtung und Belüftung aus wie von einer mehr als 45 Grad geneigten Dachfläche, was es erforderlich macht, die in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO a. F. getroffene Regelung auch in diesen Fällen anzuwenden. Die durch eine Dachfläche und eine senkrechte Wand gebildete Fläche eines Pultdachs ist auch eine „Giebelfläche“ im Sinne des § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO a. F., da dieser Begriff nur auf einer Seite eine seitliche Begrenzung durch eine „echte“ Dachfläche erfordert (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.7.2000, a.a.O.).
11 
Zu der vom Verwaltungsgericht errechneten Wandhöhe von 9,596 m ist danach die 27,7 cm betragende Höhe der Giebelfläche zu einem Viertel hinzuzurechnen, woraus sich eine notwendigen Abstandsfläche von 3,866 m ergibt. Verglichen mit der geplanten Abstandsflächentiefe von 3,75 m führt dies statt der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unterschreitung der notwendigen Abstandsfläche von 8,8 cm zu einer Unterschreitung von 11,6 cm. Für den weiteren Gedankengang des Verwaltungsgerichts ist die insoweit erforderliche Korrektur bei der Berechnung der notwendigen Abstandsfläche jedoch ohne Bedeutung.
12 
c) Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, die dem Kläger erteilte Baugenehmigung verstoße gleichwohl nicht gegen § 5 LBO, da die Unterschreitung der an sich notwendigen Abstandsfläche gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen sei. Auch dagegen bestehen keine Bedenken.
13 
Nach dieser Vorschrift sind (u.a.) zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung, Aufstockung oder Änderung des Daches Abweichungen von den §§ 4 bis 37 LBO zuzulassen, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt und die Abweichungen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten und der Beigeladenen rechtfertigen keine andere Beurteilung.
14 
aa) Nach Ansicht der Beigeladenen gestattet § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO nur „Maßnahmen im Bestand“. Danach sei zwar bspw. der Einbau eines Kniestocks oder ein anderweitiges Anheben des Dachs, nicht aber das Aufbringen eines weiteren Vollgeschosses Gegenstand der Vorschrift. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die von den Beigeladenen vertretene restriktive Auslegung ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck zu vereinbaren. Zu den gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO privilegierten Vorhaben zählt das Gesetz ausdrücklich die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch „Aufstockung“, worunter nach allgemeinem Sprachgebrauch die Erweiterung eines vorhandenen Gebäudes durch das Hinzufügen eines weiteren Geschosses zu verstehen ist. Ob es sich bei dem weiteren Geschoss um ein Vollgeschoss im Sinne der Definition in § 2 Abs. 6 LBO handelt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Dafür, dass § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO den Begriff der „Aufstockung“ in einem hiervon abweichenden, engeren Sinn verwendet, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nichts entnehmen. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich nichts anderes. Die hier in Rede stehende Tatbestandsalternative des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO bezweckt, die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch nachträgliche bauliche Veränderungen eines bestehenden Gebäudes zu erleichtern, indem sie für solche Vorhaben Abweichungen von den §§ 4 bis 37 LBO gestattet, soweit die Abweichungen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Zu der von den Beigeladenen für richtig gehaltenen restriktiven Auslegung des Begriffs der Aufstockung als Beispiel einer solchen nachträglichen baulichen Veränderung besteht auch im Hinblick darauf keine Veranlassung.
15 
bb) Die Abweichung von § 5 LBO unter Zulassung einer Abstandsfläche mit einer etwas geringeren Tiefe ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch mit öffentlichen Belangen vereinbar. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass das Erfordernis der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen den Schutz von Rechten Dritter einschließt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387) und die Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 6.6.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483; Beschl. v. 13.6.2003 - 3 S 938/03 - BauR 2003, 1549; Urt. v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201). Das steht jedoch, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, der Annahme nicht entgegen, die Zulassung einer Abstandsfläche mit einer geringeren Tiefe als von § 5 LBO vorgeschrieben könne ebenso wie Abweichungen von den anderen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Vorschriften mit öffentlichen Belangen vereinbar sein. Wollte man dies anders sehen, liefe § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO insoweit leer.
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Um festzustellen, ob eine Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und deshalb bei Vorliegen der übrigen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Voraussetzungen auf der Grundlage dieser Vorschrift zuzulassen ist, bedarf es deshalb einer Abwägung des mit § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfolgten öffentlichen Interesses an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums gegen die von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.2010, a.a.O.; ebenso Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 56 Rn. 13), wie sie auch das Verwaltungsgericht vorgenommen hat. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist dabei im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums der Vorrang einzuräumen. Das Verwaltungsgericht hat dies zum einen damit begründet, dass das Gebäude des Klägers nach der genehmigten Aufstockung der sonstigen Bebauung entlang der Sonnenhalde entspreche, die dort zweigeschossig in Erscheinung trete. Es hat zum anderen berücksichtigt, dass die abstandsflächenrechtliche Problematik im Verhältnis zum Grundstück der Beigeladenen im Wesentlichen darauf zurückzuführen sei, dass die gemeinsame Grenze nicht gerade, sondern schräg verlaufe und das Grundstück des Klägers deshalb im rückwärtigen Bereich schmaler sei als im vorderen. Dem habe der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass die dem Grundstück des Beigeladene gegenüberliegende Wand im hinteren Teil des Grundstücks abknicke und dem Grenzverlauf folge. Aus dem Umstand, dass die Wand nicht weiter nach hinten zurückversetzt sei oder das Gebäude im südlichen Bereich nicht niedriger geplant worden sei, ergebe sich im Hinblick auf die von § 5 LBO geschützten Belange der Beleuchtung und Belüftung sowie des Brandschutzes und im Vergleich zu einer die Abstandsflächen noch einhaltenden Bebauung keine erhebliche zusätzliche Belastung. Das Wohnhaus des Klägers befinde sich auf der nordöstlichen Seite des Wohnhauses der Beigeladenen. Die natürliche Sonneneinstrahlung aus dieser Richtung sei deshalb von vorneherein eingeschränkt. In diesem Bereich befinde sich zudem in Richtung auf das Grundstück des Klägers eine steil aufragende, stark bepflanzte Böschung, die zu einer weiteren Verschattung des nördlichen und östlichen Terrassenabschnitts mit Wintergarten führe. Angesichts dieser örtlichen Gegebenheiten könne eine zusätzliche Gebäudehöhe von im Schnitt 22 cm im Hinblick auf die Besonnung nicht wesentlich ins Gewicht fallen.
17 
Dem ist trotz der Einwendungen der Beklagten und der Beigeladenen zuzustimmen.
18 
Die Beklagte macht geltend, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei und nur in Ausnahmefällen etwas anderes gelten könne, da das Abstandsflächenrecht ansonsten bei Aufstockungen völlig konturlos wäre. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben, da eine minimale Verschiebung der betreffenden Außenwand genüge, um die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe einzuhalten. Der damit verbundene Verlust an zusätzlichem Wohnraum sei dementsprechend ebenfalls nur minimal.
19 
Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird durch dieses Vorbringen nicht in Frage gestellt. Die Auffassung der Beklagten, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei und nur in Ausnahmefällen etwas anderes gelten könne, widerspricht den Intentionen des Gesetzgebers, sofern die Ausführungen der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollten, dass eine Abweichung von § 5 LBO nur in atypischen Fällen in Betracht komme. Nach der Begründung des Entwurfs der Landesbauordnung 1995, mit der § 56 Abs. 2 LBO seine heutige Fassung erhalten hat, sollte damit ein „allgemeiner gesetzlicher Vorbehalt“ geschaffen werden, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von der Baurechtsbehörde zuzulassen sind, ohne dass es einer atypischen Fallgestaltung bedarf (vgl. die Begründung zur Landesbauordnung 1995, LT-Drs. 11/5337, S. 117). Um trotz einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsfläche die Vereinbarkeit der Abweichung von dieser Vorschrift mit öffentlichen Belangen zu bejahen, ist deshalb - im Unterschied zu § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO - das Vorliegen eines atypischen Falls keine Voraussetzung.
20 
Der Beklagten ist gleichwohl insoweit zuzustimmen, als sie auf die Gefahr einer „Aufweichung“ der Abstandsvorschriften bei nachträglichen Aufstockungen eines bestehenden Gebäudes hinweist. Die Berechnung der erforderlichen Abstandsflächentiefe ist in § 5 LBO exakt geregelt. Die Regelung ist gleichzeitig sehr differenziert und berücksichtigt verschiedene besondere Fallkonstellationen. Das gilt bspw. für die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen ergeben, die Frage nach der Bildung von Wandabschnitten, wenn einer Wand die Schnittpunkte mit der Dachhaut oder die oberen Abschlüsse verschieden hoch sind, oder die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Höhe von Dächern oder Dachaufbauten sowie die Höhe von Giebelflächen zu berücksichtigen sind. § 6 LBO ergänzt diese Regelungen durch einen ebenfalls umfangreichen Katalog von unter bestimmten Voraussetzungen geltenden Einschränkungen und Vergünstigungen zugunsten des Bauherrn. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO darf vor diesem Hintergrund nicht in einer Weise gehandhabt werden, welche die in §§ 5 und 6 LBO getroffenen Regelungen in einem Maße relativierte, die den Sinn des gesamten komplizierten Berechnungssystems in Frage stellte. Das macht es erforderlich, die Vorschrift in den Fällen der nachträglichen Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes in Bezug auf § 5 LBO nur zurückhaltend anzuwenden.
21 
Dabei darf aber auf der anderen Seite auch nicht das gesetzgeberische Anliegen vernachlässigt werden, die Schaffung zusätzlichen Wohnraums durch nachträgliche Veränderungen bestehender Gebäude zu erleichtern und dazu auch Abweichungen von § 5 LBO in Kauf zu nehmen. Die Annahme der Beklagten, dass bei einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe grundsätzlich eine Unvereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen anzunehmen sei, ist damit unvereinbar. Das Gleiche gilt, soweit sie meint, dass eine Abweichung von § 5 LBO in den Fällen der Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes nur dann in Betracht komme, wenn die Aufstockung nur bei einer Unterschreitung des von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe möglich sei.
22 
Der Begriff der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen ist daher in den Fällen der Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes zwar restriktiv auszulegen, aber doch in einer Weise, die dem gesetzgeberischen Anliegen in substantieller Weise Rechnung trägt. Die Vereinbarkeit der Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen dürfte danach nur dann bejaht werden können, wenn die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe nur geringfügig unterschritten wird oder die mit der Unterschreitung verbundenen Nachteile für den Nachbarn aus anderen Gründen als noch hinnehmbar angesehen werden können. Der vorliegende Fall gibt jedoch keinen Anlass zu einer abschließenden Klärung dieser Frage, da die in Rede stehende Abweichung auch bei einem solchen restriktiven Verständnis der Vorschrift als mit öffentlichen Belangen vereinbar anzusehen ist. Die dafür maßgebenden Umstände hat das Verwaltungsgericht genannt: Die von § 5 LBO vorgeschriebene Abstandsflächentiefe von 3,866 m wird nur geringfügig, nämlich um 11,6 cm unterschritten. Die mit dieser Unterschreitung verbundenen zusätzlichen Nachteile für die Beigeladenen sind angesichts der Lage ihres Wohnhauses zu dem Wohnhaus des Klägers sowie der topografischen Verhältnisse noch als hinnehmbar zu betrachten. Das gilt um so mehr, als das Gebäude des Klägers auch nach seiner Aufstockung von der Sonnenhalde her betrachtet nur zweigeschossig in Erscheinung tritt und damit aus diesem Blickwinkel der Bebauung der Nachbargrundstücke entspricht. Die von den Beigeladenen hervorgehobene Hanglage des Grundstücks des Klägers sowie ihres eigenen Grundstücks rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
23 
2. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung.
24 
a) Die von den Beigeladenen als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO auch dann Anwendung finden kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - auf ein vorhandenes Flachdach ein komplettes Vollgeschoss aufgesetzt wird, ist nicht klärungsbedürftig. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erst im Berufungsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Berufungszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine obergerichtliche Entscheidung verlangt. Daran fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (vgl. zur Revisionszulassungsrecht BVerwG, Beschl. v. 7.2.2005 - 4 BN 1.05 - NVwZ 2005, 584; Beschl. v. 10.9.2002 - 4 BN 39.02 - Juris).
25 
Die von den Beigeladenen formulierte Frage hat danach keine grundsätzliche Bedeutung, da sich ihre Beantwortung unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsmethoden ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Zu den unter die Vorschrift fallenden Vorhaben zählt § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO ausdrücklich die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch „Aufstockung“, worunter, wie bereits ausgeführt, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Erweiterung eines vorhandenen Gebäudes durch das Hinzufügen eines weiteren Geschosses zu verstehen ist. Zu einem hiervon abweichenden Verständnis besteht aus den bereits genannten Gründen kein Anlass.
26 
b) Die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis zwischen § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO und § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO ist durch den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 14.1.2010 bereits geklärt. Die für die Vorschriften in den §§ 4 bis 37 LBO sowie für Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung geltende generelle Abweichungsregelung in § 56 Abs. 2 LBO wird danach durch § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO nicht verdrängt, sondern gilt ergänzend.
27 
c) Die von der Beklagten formulierte weitere Frage, ob bei der im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen erforderlichen Abwägung der Schaffung von Wohnraum nur in atypischen Fällen der Vorrang zukommt, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig, da sich auch ihre Beantwortung unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsmethoden ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Die oben zitierten Gesetzgebungsmaterialien lassen keinen Zweifel daran, dass die Anwendung des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO keine atypische Fallgestaltung bedingt.
28 
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht gegeben. Wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt, weist die Rechtssache keine besondere tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.
29 
4. Eine die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz liegt nicht vor. Das Urteil des Verwaltungsgericht steht zwar in Widerspruch zu dem von der Beklagten bezeichneten Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 17.7.2000, indem es angenommen hat, dass die Giebelfläche des Pultdachs bei der Berechnung der Wandhöhe nicht zu berücksichtigen sei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht jedoch nicht auf dieser Abweichung, da auch das Verwaltungsgericht von einer Unterschreitung der von § 5 LBO vorgeschriebenen Abstandsflächentiefe ausgegangen ist. Nach seiner Ansicht ist jedoch diese Abweichung von § 5 LBO gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO zuzulassen. Ob dies richtig ist, hängt nicht davon ab, ob das Ausmaß der Unterschreitung 8,8 cm beträgt, wie dies das Verwaltungsgerichts angenommen hat, oder in Folge der Anwendung der in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO getroffenen Regelung 11,6 cm.
30 
5. Der von den Beigeladenen geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
31 
Die von den Beigeladenen erhobene Aufklärungsrüge scheitert schon daran, dass die Beigeladenen ausweislich des Sitzungsprotokolls einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gestellt haben. Nach ständiger Rechtsprechung kann von einer anwaltlich vertretenen Partei im Allgemeinen erwartet werden, dass eine von ihr für notwendig erachtete Beweisaufnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt wird. Wenn der Anwalt dies versäumt hat, kann sein Mandant eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. u. a. BVerwG, Beschl. v. 20.9.2007 - 4 B 38.07 - Juris; Beschl. v. 14.9.2007 - 4 B 37.07 - Juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die fehlende Stellung eines Beweisantrags wäre nur dann unschädlich, wenn sich dem Verwaltungsgericht auch ohne einen solchen Antrag eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Das ist jedoch aus den bereits genannten Gründen nicht der Fall.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.
20
(1) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kaufvertragsparteien, wenn sie das Grundstück nach dem Grundbuch bezeichnen, dieses mit dem sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang übereignen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Anders ist es, wenn die Vertragsparteien das Grundstück so veräußern wollen, wie es sich ihnen nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1040 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Die Bezugnahme in dem Vertrag auf die Eintragungen im Grundbuch stellt sich dann als eine versehentliche Falschbezeichnung dar, mit der Folge, dass nach § 133 BGB auch bei einem formbedürftigen Vertrag das wirklich Gewollte gilt (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1659 Rn. 12 f.). Die Partei die sich auf einen solchen, von dem Urkundstext abweichenden Vertragswillen beruft, hat die dafür sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165). Ein diese Haupttatsache betreffendes Beweisangebot des Beklagten zeigt die Revision jedoch nicht auf.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus und Garage bebauten Grundstücks Bergstraße ... in Uhldingen-Mühlhofen (Flst. Nr. 400/2). Die Bebauung des Grundstücks erfolgte Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Baugrundstück war seinerzeit das ca. 40 a große Hanggrundstück Flst. Nr. 400; durch Abtrennung einer Teilfläche wurde 1977 das heutige Grundstück Flst. Nr. 400/2 gebildet. Der Beigeladene ist Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus und Garage bebauten südöstlich angrenzenden Grundstücks Bergstraße ... (Flst. Nr. 401/1). Auch dieses Grundstück war 1959 durch die Abtrennung einer Teilfläche vom damaligen Grundstück Flst. Nr. 400 - zusammen mit einer Teilfläche des früheren Grundstücks Flst. Nr. 401 - gebildet worden.
Mit Kaufvertrag vom 31.7.1959 erwarb der Vater des Beigeladenen von den Eltern des Klägers, ... und ... ..., das zu dieser Zeit neu gebildete, 532 qm große Baugrundstück Flst. Nr. 401/1. In dem Kaufvertrag hieß es unter „§ 6 weitere Vereinbarungen“:
„Die Verkäufer verpflichten sich, den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen. Sie verzichten insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht. ...“
Auf dem Grundstück des Beigeladenen errichtete dessen Vater in der Folge ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung (Baubescheid des Landratsamts Überlingen/See vom 26.6.1961), das zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2 m einhielt. Im Zusammenhang damit wurde am 13.7.1961 auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Vaters des Klägers vom 26.4.1961 und einer dahingehenden Anordnung des Landratsamts Überlingen vom 30.5.1961 folgende Baulast in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen:
„Herr ... in Unteruhldingen übernimmt als grundbuchmäßiger Eigentümer des Grundstücks Lgb. Nr. 400 der Gemarkung Unteruhldingen für sich und seine Rechtsnachfolger die baurechtliche Verpflichtung, im Falle eines eigenen Bauvorhabens von der Grenze des Grundstücks Lgb. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4 m einzuhalten.“
Aufgrund einer weiteren Baugenehmigung vom 20.7.1984 wurde das Gebäude später erweitert und umgebaut.
Beide Grundstücke sind baurechtlich nicht überplant.
Am 27.10.1998 erteilte das Landratsamt Bodenseekreis dem Beigeladenen die Baugenehmigung für den Um- und Erweiterungsbau des bestehenden Wohnhauses, den Einbau eines Aufzugs, den Abbruch einer bestehenden Garage und den Neubau einer Doppelgarage sowie den Umbau der bisherigen ÖI- in eine Gasheizung; das erweiterte Gebäude sollte dabei auf weniger als 50 cm an die Grenze zum Grundstück des Klägers heranrücken. Während das Vorhaben bereits ausgeführt wurde, erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er jedoch zunächst erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.5.2001). Erst das Verwaltungsgericht Sigmaringen hob die Baugenehmigung mit Urteil vom 18.7.2002 (2 K 913/01) auf. Zur Begründung hieß es in dem Urteil unter anderem, dass der erforderliche Grenzabstand von 2,5 m nicht eingehalten werde. Der Kläger sei auch nicht aufgrund der übernommenen Baulast vom 13.7.1961 verpflichtet, die Bebauung in Grenznähe zu dulden. Nach deren Wortlaut müsse der Kläger lediglich bei der Bebauung seines eigenen Grundstücks einen Mindestabstand von 4 m zur Grundstücksgrenze des Beigeladenen einhalten. Die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück (Nr. 401/1) auf sein Grundstück (Nr. 400/2) sei nicht erklärt worden. Bei der Auslegung der Baulastübernahme als Willenserklärung sei entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und dabei auch der Kaufvertrag vom 31.7.1959 heranzuziehen. Dort hätten sich die Eltern und der Großvater des Klägers lediglich verpflichtet, "den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen", und "insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht" verzichtet. Aus dem Wort "insoweit" werde deutlich, dass nur ein Herannahen der Bebauung bis auf 2 m von der Grundstücksgrenze, nicht hingegen bis auf 50 oder gar 30 cm habe zugelassen werden sollen. Dementsprechend sei auch der Baubescheid vom 26.6.1961 erteilt worden. Auch nach heutiger Rechtslage (§ 7 Abs. 1 Satz 1 LBO) dürften sich Abstandsflächen nur dann ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert sei, dass sie nicht überbaut und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei aber nur die erste dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Die Baugenehmigung verstoße wegen der Treppenhausfenster außerdem auch gegen Brandschutzvorschriften (Öffnungsverbot bei grenznahen Wänden). Der Kläger sei weder durch Treu und Glauben an der Geltendmachung seiner Nachbarrechte gehindert, noch habe er seine Rechte verwirkt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
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Am 26.9.2002 beantragte der Kläger beim Landratsamt Bodenseekreis unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts den Erlass einer Abbruchsverfügung insoweit, als mit dem - inzwischen nahezu fertiggestellten - Bau gegen die Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften verstoßen worden sei. Mit Bescheid vom 12.11.2002 lehnte das Landratsamt Bodenseekreis den Erlass der beantragten Abbruchsverfügung als unverhältnismäßig ab; auch der am 20.11.2002 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 6.5.2003). Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 24.7.2006 auf und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen, über den Antrag des Klägers auf Erlass einer Abbruchsverfügung hinsichtlich des Anbaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Auf die vom Senat zugelassene Berufung ist das Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen worden (Senatsurteil vom 15.4.2008 – 8 S 11/07 -).
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Bereits unter dem 3.12.2004 hatte der Beigeladene erneut die Genehmigung seines Vorhabens beantragt. Gegenüber der ursprünglichen Planung hatte er u. a. den Einbau von G-30 Fenstern im grenznahen Treppenhaus vorgesehen. Der Kläger verwies im Rahmen der Angrenzeranhörung wiederum auf die nicht eingehaltene Abstandsfläche und die Verletzung der Brandschutzvorschriften.
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Am 15.4.2005 wurde die beantragte Baugenehmigung unter Zulassung geringerer Abstandsflächentiefen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erteilt. Die Einwendungen des Klägers wurden mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Kläger sei durch die nach wie vor geltende Baulastübernahmeerklärung verpflichtet, im Fall eines eigenen Vorhabens von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4,00 m einzuhalten. Danach ergebe sich zwischen den Gebäuden ein Gesamtabstand von 4,50 m. Seine Rechtsposition bleibe unverändert. Beleuchtung mit Tageslicht sowie ausreichende Belüftung der Gebäude auf dem Baugrundstück und auf dem Nachbargrundstück seien nicht beeinträchtigt. Gründe des Brandschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Zwar solle nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBOAVO entweder ein Abstand zwischen Gebäuden von 5,00 m eingehalten werden oder die betreffenden Außenwände dürften keine Öffnungen haben. Aufgrund der Baulast sei ein Gebäudeabstand von 4,50 m gewährleistet. Zur Gewährleistung des erforderlichen Brandschutzes sei der Bauherr bereits im Sommer 2003 veranlasst worden, die unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand zum Grundstück Flst. Nr. 400/2 hin mit nicht zu öffnenden Brandschutzgläsern (G 30) zur Vermeidung des Funkenübersprungs auf das Nachbargrundstück zu verschließen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Klägers sei nicht zu erkennen. Ein Recht auf das Weiterbestehen vorhandener Sichtverhältnisse gebe es nicht. Die Baugenehmigung wurde dem Kläger am 21.4.2005 zugestellt.
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Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger am 4.5.2005 Widerspruch, den er unter anderem damit begründete, dass der Abstand des Gebäudes bis zu seiner Grenze nur noch 0,3 m betrage. Sein Grundstück werde erheblich beschattet und verliere auch an Wert. Die Wohngegend könne als villenartig bezeichnet werden; dort sei eine enge Bebauung nicht üblich und wirke sich negativ auf den Wert des jeweiligen Grundstücks aus.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch zurück. Das Landratsamt habe zu Recht eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen. Bei der Frage, ob nachbarliche Belange erheblich, d.h. unzumutbar beeinträchtigt würden, komme es auf die konkrete Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der nachbarlichen Interessen an. Die Frage, ob eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zulässig sei, sei daher aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beantworten. Das Interesse des Klägers gehe vor allem dahin, eine Verschlechterung der bisherigen baulichen Situation zu vermeiden. Der Beigeladene sei dagegen daran interessiert, sein Gebäude entsprechend umzubauen. Aufgrund der besonderen Umstände sei das Interesse des Beigeladenen aber höher zu bewerten. Dies folge einerseits daraus, dass sich Belichtung und Belüftung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand jedenfalls nicht wesentlich verschlechterten. Das Bauvorhaben liege aus Sicht des Klägers im Osten, so dass allein schon deswegen die Belichtung und Besonnung seines Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt sein könne. Vor allem aber sei die geltend gemachte Beschattung nicht vorrangig und ausschlaggebend auf den Umbau bzw. Treppenhausneubau zurückzuführen. Vielmehr werde diese - sofern überhaupt von Belang - bereits seit über 40 Jahren durch den bestehenden Hauptbaukörper auf dem Grundstück Flst. Nr. 401/1 verursacht. Dies zeigten die Schnitte der genehmigten Bauvorlagen, aus denen sich keine derartige Erhöhung des Nachbargebäudes ergebe, die nun erstmalig eine wesentliche und unzumutbare Verschattung zu Lasten des Klägers bewirken könne, zumal das Gelände zum Grundstück des Klägers hin ansteige. Nicht zuletzt sei der Kläger durch die auf seinem Grundstück liegende Baulast an einer weiteren Bebauung des fraglichen Bereichs ohnehin gehindert, so dass sich insoweit - ungeachtet der bereits vorhandenen Situation - keine neuen oder zusätzlichen Verschlechterungen für dortige Wohnräume ergeben könnten. Diese insgesamt schon vorhandene "Vorbelastung" sei zu Ungunsten des Klägers zu werten. Insofern sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich diese Verhältnisse bezüglich Besonnung und Belichtung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand wesentlich verschlechtern würden. Der Kläger werde somit in der (baulichen) Nutzbarkeit seines Grundstücks durch die Zulassung der Abweichung im Wesentlichen nicht weiter beeinträchtigt, als dies durch die bestehenden Verhältnisse ohnehin schon der Fall sei. Damit lägen in Bezug auf das betroffene Nachbargrundstück besondere Umstände vor, d.h. die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück sei durch Besonderheiten topographischer und anderer Art gekennzeichnet, die das Interesse des Klägers an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern und damit weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung komme deshalb den Belangen des Klägers gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung seines Bauwunsches weniger Gewicht zu. Der Erteilung der Baugenehmigung stehe auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 nicht entgegen. Der Einwand der "res iudicata" verpflichte nach § 121 VwGO allein die Verwaltungsgerichte, kein abweichendes Sachurteil über diesen Streitgegenstand zu fällen. Dagegen sei die Verwaltungsbehörde nicht gehindert, eine neue Sachentscheidung zu treffen. Das gelte umso mehr, als vorliegend durch die vom Bauherrn vorgenommene Schließung der unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand eine neue Sach- und Rechtslage herbeigeführt worden sei. Insoweit sei schon der Streitgegenstand nicht mehr derselbe. Im Übrigen werde auf die zutreffenden Gründe des Ausgangsbescheides verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18.11.2005 zugestellt.
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Am 9.12.2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Anfechtungsklage erhoben und beantragt, die Baugenehmigung des Landratsamtes Bodenseekreis vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.11.2005 aufzuheben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass er nach den rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Urteil vom 18.7.2002 nicht verpflichtet sei, einen Grenzabstand von weniger als 2,0 m zu seiner Grundstücksgrenze zu dulden. Allein der Austausch der Verglasung der Fensterflächen gegen eine brandschutzhemmende Verglasung könne im Ergebnis nicht zur Rechtmäßigkeit der nunmehr erteilten Baugenehmigung führen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO seien nicht gegeben. Die Grenzbebauung stelle eine erhebliche und nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar. Selbst wenn man von einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks ausgehe, verstoße das Bauvorhaben weiterhin gegen brandschutzrechtliche Vorschriften und verletze darüber hinaus auch den nachbarlichen Wohnfrieden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBOAVO seien Außenwände, die einen Abstand von weniger als 2,5 m zur Nachbargrenze haben, ohne Öffnungen herzustellen. Das nunmehr genehmigte Bauvorhaben weise jedoch weiterhin zwei ca. 2 qm große Fensteröffnungen auf. Gegenüber dieser Fensterverglasung, die nicht die Voraussetzungen einer in diesem Abstand erforderlichen Brandschutzmauer erfülle, befinde sich in ca. 4 m Entfernung sein Wintergartenanbau. Dieser sei großflächig verglast und werde von ihm über das gesamte Jahr hinweg als Wohnraum genutzt. Die nunmehr dem Beigeladenen eröffnete Möglichkeit, seine Wohnräumlichkeiten einzusehen, beeinträchtige ihn und seine Familie in ihrer Privatsphäre nicht nur unerheblich. Es sei vorhersehbar, dass sein Grundstück für Reinigungs-, Maler-, Reparatur- und sonstige Arbeiten in Anspruch genommen werden müsse. Eine hierfür erforderliche Gerüsterstellung sowie erforderliche Rettungsmaßnahmen im Brandfall könnten nunmehr ausschließlich über sein Grundstück erfolgen. Dies alles stelle in der Summe eine erhebliche Belastung dar. Die Versäumnisse der Beteiligten dürften nicht dazu führen, dass er im Ergebnis rechtlos gestellt werde und der Nachbarschutz leer laufe. Eine Grenzbebauung sei auch bauplanungsrechtlich nicht vorgesehen, so dass diese im Ergebnis auch nicht über die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erreicht werden könne. Allenfalls eine geringfügige Unterschreitung des Grenzabstandes habe er im Rahmen des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen.
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Mit Urteil vom 24.7.2006 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 aufgehoben. Zur Begründung heißt es in den Entscheidungsgründen u. a., dass der Treppenhausanbau gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 LBO verstoße. Die Einhaltung der Tiefe der Abstandsfläche von 2 m bei einer Wand von bis zu 5 m Breite diene kraft gesetzlicher Anordnung dem Schutz des Nachbarn. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage auf dem Grundstück des Beigeladenen aber nur 0,5 m. Die Baulast aus dem Jahr 1961 bestimme lediglich eine Fläche der Unbebaubarkeit auf dem klägerischen Grundstück. Mit ihr sei keine Übernahme von Abstandsflächen, die nach der gesetzlichen Regelung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu liegen hätten, auf das klägerische Grundstück bestimmt worden. Auch bei erneuter Überprüfung bleibe die Kammer bei der Auslegung der Baulasterklärung wie im Urteil vom 18.7.2002. Die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO komme nicht in Betracht, weil die Tiefe der Abstandsflächen des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werde und nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Als nachbarliche Belange in diesem Sinn seien Besonnung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks, nicht hingegen der allgemeine Wohnfriede zu berücksichtigen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Brandschutzverglasungen von innen nach außen durchsichtig seien, nicht ankommen könne. Besondere Gegebenheiten, welche ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe rechtfertigen könnten, seien nicht zu erkennen. Die Unterschreitung dieser Tiefe führe hier zu erheblichen Beeinträchtigungen des Grundstücks des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Die zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen bestehende Baulast sei nicht geeignet, eine Sondersituation zu begründen, in welcher die Abstandsflächentiefe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werden dürfe. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Überlegungen: Zum einen würde die Auffassung des Beklagten, dass mittels der Baulast ein ausreichender Gesamtabstand zwischen den beiden Wohnhäusern sichergestellt sei, dazu führen, dass der Baulast de facto doch der Inhalt einer Abstandsflächenbaulast zukommen würde. Dies sei aber gerade nicht der Inhalt dieser Baulast und dürfe über den Umweg des § 6 Abs. 4 LBO auch nicht zu deren Inhalt gemacht werden. Zum anderen sei aber auch erheblich, dass die Baulast nur die Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks einschränke, nicht aber dessen sonstige Nutzung als Garten und mögliche Liege- und Nutzfläche. Der betroffene Grundstücksteil sei solchen Nutzungen zugänglich, wie der Augenschein ergeben habe. Nur wenn jede sinnvolle Nutzung ausgeschlossen sei, könne von dem Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung durch die Abstandsflächenunterschreitung ausgegangen werden. Eine bedeutsame topographische Besonderheit in Gestalt eines deutlichen Höhenunterschieds lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Zwar liege der Eingang zum Haus des Beigeladenen aufgrund von Abgrabungen deutlich unterhalb des Geländeverlaufs auf dem Grundstück des Klägers. Selbst wenn man dies berücksichtigen wolle, könne darin keine - geschaffene - topographische Besonderheit erkannt werden, welche eine Sondersituation schaffe, in der ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe zulässig wäre. Der Baukörper des Anbaus rage nämlich weiterhin deutlich sichtbar erheblich über die Abgrabung hinaus und wirke damit in erheblicher Weise auf das Grundstück des Klägers ein. Eine Sondersituation aufgrund topographischer Besonderheiten könne aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn dadurch das Nachbargrundstück deutlich weniger beeinträchtigt werde und die Hanglage bereits dafür sorge, dass ein Bauvorhaben das Nachbargrundstück hinsichtlich Belüftung, Besonnung und Belichtung nicht oder kaum beeinträchtigen könne. So liege der Fall hier aber nicht. Der Umstand, dass das Gebäude durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden sei und es sich im Osten des klägerischen Grundstücks befinde, führe ebenfalls nicht zu einer Sondersituation. Es sei beim Augenschein nicht zu erkennen gewesen, dass eine Verschlechterung in Bezug auf Besonnung und Belüftung nicht eingetreten sei. Durch das Heranrücken der Bebauung sei der Schattenwurf auf das klägerische Grundstück im Bereich des Treppenhauses des Beigeladenen erkennbar größer geworden und das klägerische Grundstück werde somit erheblich beeinträchtigt. Angesichts der Höhe des Baukörpers entstehe auf dem Grundstück des Klägers auch deutlich der Eindruck eines "Eingemauertseins", welcher ebenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange führe. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums im Widerspruchsbescheid sei die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorliege, nicht anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die Interessen des Bauherrn an der Verwirklichung des Projekts mit einzufließen hätten. Es sei nur das Nachbargrundstück, nicht auch dasjenige des Bauherrn oder gar vom Grundstück losgelöste Interessen in den Blick zu nehmen, so dass Interessen des Beigeladenen das Ergebnis nicht beeinflussen könnten. Eine teilweise Aufhebung der Baugenehmigung komme nicht in Betracht, da für den Fall, dass nur die Genehmigung für das Treppenhaus aufgehoben werden würde, ein nicht genehmigungsfähiger Torso als Gegenstand der Baugenehmigung zurückbleibe, nämlich ein mehrstöckiges Gebäude ohne Eingang und ohne Treppenhaus.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 21.12.2006 - 8 S 2123/06 - zugelassene Berufung des beklagten Landes, mit der es beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Es macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorlägen. Die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung blieben in ausreichendem Maße gewährleistet. Das Gebäude sei durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden und der Anbau befinde sich im Osten des Wohnhauses des Klägers. Auf dem Grundstück des Klägers hätten bisher auch keine Beeinträchtigungen wegen fehlender Belichtung wie beispielsweise eine Versumpfung festgestellt werden können. Gründe des Brandschutzes stünden der Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ebenfalls nicht entgegen, nachdem der Beigeladene die Öffnungen in der Treppenhauswand mit dem Einbau einer Brandschutzverglasung (G 30), vergleichbar einer Brandschutzwand, geschlossen habe. Die Belange des Klägers würden trotz der Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe nicht erheblich beeinträchtigt, da aufgrund der vorhandenen grenznahen Bebauung mit einer Grenzgarage eine Sondersituation gegeben sei. Der Kläger habe sich bei der Errichtung dieser Garage weder an die bestehende Baulastverpflichtung, noch an die Auflagen der ihm erteilten Baugenehmigung, noch an die maßgeblichen Abstandsflächenvorschriften gehalten. Die Baulastverpflichtung unterscheide nicht zwischen einem Wohnhaus und einer Garage. Es sei auf ein Versäumnis der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen zurückzuführen, dass die Baugenehmigung dennoch erteilt worden sei. Dem Vater des Klägers, der die Baulast 1961 übernommen habe, habe dieses Versäumnis bewusst sein müssen. Die Baugenehmigung sei 1975 bzw. 1976 mit der Auflage erteilt worden, dass das Garagendach nicht als Terrasse genutzt werden dürfe. Das in den Planunterlagen im Gebäudeschnitt eingetragene Geländer sowie der mit Grüneintrag angebrachte Vermerk „keine Terrasse“ hätten die Umsetzung dieser Auflage sicherstellen sollen. Eine Terrasse auf einer ansonsten grenzprivilegierten Garage sei unzulässig. Abweichend von den genehmigten Planunterlagen sei anstatt des ursprünglich über der Rückwand der Garage angedachten Geländers ein weitaus längeres Geländer über der Garagenfront und den seitlichen Wänden angebracht worden, so dass das gekieste Garagendach problemlos als Terrasse genutzt werden könne. Es könne nicht angehen, dass durch die vorhandene Garage auf dem Grundstück des Klägers nachbarschützende Belange beeinträchtigt würden, gleichzeitig aber beim Bauvorhaben des Beigeladenen auf der uneingeschränkten Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen beharrt werde.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag im Klageverfahren und bringt noch vor, dass die heranrückende Bebauung den Schattenwurf nicht unerheblich erhöht habe und die angelegte Rasenfläche erheblich unter diesem Lichtmangel leide, was eine großflächig auftretende Vermoosung zur Folge habe. In seinem Wintergarten, der lediglich 4 m von der Grundstücksgrenze entfernt liege, entstehe angesichts der Höhe des Baukörpers deutlich der Eindruck des Eingemauertseins. Auf dem Garagendach gebe es weder eine Terrasse noch einen Sitzplatz.
23 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, pflichtet aber den Ausführungen des Beklagten bei. Ergänzend weist er darauf hin, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange führen könne, da bei diesem Verständnis der Norm das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit entbehrlich sei. Im Übrigen sei eine Besonderheit im Sinne der Rechtsprechung nicht nur die Lage östlich vom Grundstück des Klägers, sondern auch das Zurücktreten des Schattenwurfs des Anbaus hinter die Verschattung durch das Gebäude insgesamt, die auch nach nunmehr zehnjährigem Bestehen des Gebäudes zu keinen negativen Auswirkungen auf dem Grundstück des Klägers geführt habe. Das Gelände zu seinem Gebäude falle außerdem ab, so dass die Belastung durch den Treppenhausanbau deutlich verringert werde.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
33 
c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
35 
(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
33 
c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
35 
(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Baulast.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. ... (...) in Ludwigsburg. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „ Tammer Feld“ Nr. .../01 vom 21.07.1969, der für das Grundstück ein Mischgebiet ausweist.
Anlässlich eines Antrages auf Erteilung einer Baugenehmigung gab die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 25.03.1986 folgende Baulasterklärung ab:
„Die Fa. A.-R., …, beantragt eine Genehmigung für einen Heimwerkermarkt im EG des Gebäudes ... in Ludwigsburg-Nord nach den Planunterlagen der Planungsgruppe … .
Anlässlich dieser Nutzungsänderung verpflichtet sich die Fa. A.-R. für sich und ihre Rechtsnachfolger, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die negative Auswirkungen auf die Innenstadt und Stadtteilzentren („innenstadtschädliche“) haben könnten. Dies sind gemäß GMA-Gutachten vom Januar 1984 insbesondere die Branchen: Nahrungs-, Genuss-, Lebensmittel, Obst und Gemüse, Textilwaren, Schuhe, Lederwaren, Sport- und Freizeitartikel, Kleinelektrik einschließlich Radio, Fernsehen und Video.“
Die Baulast wurde am 12.06.1987 in das Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragen.
Mit Schreiben vom 18.09.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Löschung der Baulast. Diese sei wegen Verstoßes gegen materielles Baurecht nie wirksam entstanden. Die Sortimentsbeschränkung diene nicht der Sicherung öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Zumindest sei ihre Wirksamkeit zwischenzeitlich entfallen, da auf den Nachbargrundstücken die Firmen B. und I. großflächige Einzelhandelszentren errichtet hätten. Mit Schreiben vom 17.10.2002 lehnte die Beklagte die Löschung der Baulast ab. Diese sei wirksam bestellt worden und es bestehe nach wie vor ein öffentliches Interesse.
Am 17.01.2003 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zur Löschung hilfsweise zum Verzicht auf die Baulast zu verurteilen. Mit Urteil vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Löschung der Baulast verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Baulast sei unwirksam, da nie eine baurechtliche Bedeutsamkeit vorgelegen und nie ein baurechtlich relevantes öffentliches Interesse an ihr bestanden habe. Die Genehmigungsfähigkeit des Heimwerkermarktes habe nicht von der Baulast abgehangen; eine der Baugenehmigung entsprechende Nutzung sei ohne die Baulast gesichert gewesen. Die Voraussetzungen für eine Baulast auf Vorrat hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Der Bebauungsplan enthalte keine sortimentsbeschränkenden Festsetzungen. Das Ziel der Verhinderung von Konsumabgang aus der Innenstadt habe keinen baurechtlichen Niederschlag gefunden. Die Ausweisung von Sondergebieten und die Errichtung großer Einkaufsmärkte in unmittelbarer Nähe sprächen gegen eine baurechtliche Bedeutsamkeit. Die Befürchtung der Beklagten, ohne die Sortimentsbeschränkung könnte aus dem Mischgebiet ein Sondergebiet entstehen, sei nicht nachvollziehbar. Nach dem Bebauungsplan seien Einzelhandelsbetriebe ohne Sortimentsbeschränkungen zulässig, sofern sie nicht der Einschränkung nach § 11 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 BauNVO unterlägen oder sonst der Eigenart des Gebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO widersprächen. Die Beklagte könne bei zukünftigen Genehmigungsverfahren auf die Einhaltung dieser Vorschrift achten und damit eine unzulässige Bebauung verhindern. Das öffentliche Interesse ergebe sich auch nicht aus dem Gebot der Konfliktbewältigung, zumal der Bebauungsplan von 1969 stamme, die Baulast aber erst 1996 übernommen worden sei. Unerheblich sei, dass sich ein Grundstückseigentümer durch eine Baulast enger binden könne als ihn möglicherweise die Bauaufsichtsbehörde - etwa im Wege einer Auflage - hätte binden können, da für die Selbstbindung eine baurechtliche Bedeutsamkeit erforderlich sei, an der es fehle. Der Löschungsanspruch sei auch nicht verwirkt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23.01.2006 zugestellte Urteil am 14.02.2006 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 22.05.2006 - 3 S 454/06 - hat der Senat die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.12.2005 - 19 K 211/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich das Grundstück bei Stellung des Bauantrags für die Ansiedlung innenstadtschädlicher Sortimente geeignet habe. Im Rahmen ihrer Planungshoheit habe sie ein Märktekonzept entwickelt, das die Standorte innenstadtrelevanter Sortimente festlege und beabsichtige, andere Standorte von derartigen Sortimenten freizuhalten. Dies hätte auf dem Grundstück der Klägerin durch Änderung des Bebauungsplans umgesetzt werden können. Wegen der Baulast sei hierauf verzichtet worden. Dies zeige deren hohe bodenrechtliche Relevanz. Die Baulast verbiete grundstücksbezogen, die genehmigte innenstadtunschädliche Einzelhandelsnutzung in eine innenstadtschädliche umzuwandeln. Ob eine solche Nutzungsänderung genehmigungspflichtig sei, werde im Einzelfall unterschiedlich beantwortet. Selbst im Falle einer Genehmigungspflicht könnte die Nutzung formell illegal, jedoch materiell im Einklang mit dem Bebauungsplan geändert und auf diese Weise eine innenstadtschädliche Einzelhandelsnutzung bestandsgeschützt aufgenommen werden. Derartige Nutzungsänderungen verbiete die Baulast, weshalb sie von der Baurechtsbehörde unterbunden werden könnten. Auch aus diesem Grund habe sie baurechtliche Bedeutsamkeit. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht ein öffentliches Interesse am Ausschluss innenstadtrelevanter Einzelhandelsnutzung verneint, wenn in einem angrenzenden Plangebiet ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel ohne derartige Einzelhandelsbeschränkung zugelassen werde. Das Einzelhandelskonzept ziele gerade darauf, im Rahmen des planerischen Ermessens Standorte auszuweisen, an denen innenstadtrelevanter Einzelhandel stattfinden solle. Durch ein Sondergebiet könnten Sortimente und Flächen so festgelegt werden, dass mit einer Beeinträchtigung der Innenstadt nicht gerechnet werden müsse. Dies habe nicht zur Folge, dass auch in angrenzenden Plangebieten innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen zugelassen werden müssten. Logische Folge der Festsetzung eines Einzelhandel-Sondergebiets sei der Ausschluss innenstadtrelevanter Einzelhandelsnutzungen in den anschließenden Gebieten, um die Steuerungsfunktion des Märktekonzeptes und der Festsetzung greifen zu lassen. Dass es dabei Grenzziehungen gebe, die für die anschließenden Grundstückseigentümer nachteilig seien und deren Interessen widersprächen, liege in der Natur der Sache. Deshalb könne aber nicht das baurechtlich relevante öffentliche Interesse verneint werden. Zu berücksichtigen sei, dass in Mischgebieten ein öffentliches Interesse am Ausschluss innenstadtrelevanter Nutzungen daraus folgen könne, dass dort zwar nur nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig seien, eine Agglomeration aber schwer zu verhindern sei. Um die negativen städtebaulichen Agglomerationswirkungen selbstständiger Betriebe unterhalb der Großflächigkeit zu vermeiden, bestehe nur die Möglichkeit, innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen insgesamt auszuschließen. Dies habe vorliegend durch Änderung des Bebauungsplans oder durch Übernahme der Baulast geschehen können. Das öffentliche Interesse, außerhalb des Sondergebiets innenstadtrelevante Einzelhandelsnutzungen nicht zuzulassen, bestehe fort, weshalb das baurechtlich relevante öffentliche Interesse am Bestand der Baulast heute noch vorliege. Die Baulast beinhalte die Verpflichtung, ein sich aus dem Bebauungsplan ergebendes Recht nicht auszuüben. Damit handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, zu einem das Grundstück der Klägerin betreffenden Unterlassen, das sich nicht schon aus einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift ergebe. Aufgrund der Baulast könne die Baurechtsbehörde gegen baulastwidrige Verhaltensweisen vorgehen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, auf die Baulast zu verzichten. Unerheblich sei, dass sich die Baulast nach ihrem Wortlaut nur auf die Verpflichtung beziehe, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Es sei offenkundig, dass damit die Verpflichtung des Eigentümers habe geregelt werden sollen, das Grundstück nicht in dem genannten Sinne zu nutzen. Bei der Erklärung handle es sich um eine auslegungsbedürftige und -fähige Willensäußerung. Dabei komme es nach § 133 BGB für den Bedeutungsgehalt auf den Empfängerhorizont an. Es bestehe kein ernsthafter Zweifel, dass die Beklagte bei Annahme der Erklärung davon habe ausgehen dürfen und ausgegangen sei, dass mit dieser eine öffentlich-rechtliche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit begründet werden sollte. Den Beteiligen seien die Zusammenhänge bekannt gewesen. Deshalb könne dem objektiven Erklärungswert nur die Bedeutung beigemessen werden, die sich auf die Grundstücksnutzung beziehe und von der bisher alle Beteiligten ausgegangen seien.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen,
15 
hilfsweise,
16 
die Beklagte zu verpflichten, auf die im Baulastenverzeichnis der Beklagten im Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 unter der lfd. Nr. 1 eingetragene Baulast zu verzichten und diese zu löschen.
17 
Zur Begründung wird ausgeführt, nach dem eindeutigen Wortlaut beziehe sich die Baulast auf Vermietungen. Dies sei baurechtlich ohne Bedeutung und von der Baurechtsbehörde nicht zu berücksichtigen. Damit habe die Baulast keine baurechtlich relevante öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Inhalt. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts bedürfe es keiner korrigierenden oder erweiternden Auslegung. Ausgeschlossen sei nur eine Vermietung, nicht aber eine Nutzung insbesondere durch die Eigentümerin selbst. Auch fehle es an baurechtlichen Vorgaben, die die Verpflichtung rechtfertigen könnten. Es sei daher konsequent, dass sich die Verpflichtung ausschließlich auf ein privatrechtliches Tun beziehe. Eine solche zivilrechtliche Verpflichtung habe durch Baulast nicht übernommen werden können. Zudem fehle es an der baurechtlichen Bedeutsamkeit. Soweit sich die Beklagte auf ihr Märktekonzept und die Möglichkeit einer Bebauungsplanänderung berufe, belege dies die fehlende baurechtliche Relevanz. Erst mit Umsetzung in einem Bebauungsplan wäre das Märktekonzept baurechtlich bedeutsam. Eine Nutzungsänderung wäre derzeit ohne die Baulast problemlos zulässig. Das von der Beklagten ins Feld geführte Märktekonzept sei Wirtschaftspolitik, aber keine Bodenordnung im Sinne des Bauplanungsrechts. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass jedenfalls zwischenzeitlich kein öffentliches Interesse an der Verpflichtung mehr bestehe. Die Ausweisung von Sondergebieten und die Errichtung großer Einkaufsmärkte unmittelbar angrenzend an ihr Grundstück lasse einen denkbaren Schutz innenstadtrelevanter Sortimente obsolet werden. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass die Ausweisung derartiger Sondergebiete es erforderlich mache, Grenzen zu ziehen und eine weitere Ausweitung innenstadtschädlicher Sortimente zu verhindern. Die Erforderlichkeit einer Grenzziehung ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass in dem angrenzenden Mischgebiet durch Agglomeration kleinerer Einzelhandelsbetriebe eine Beeinträchtigung des Einzelhandels in der Innenstadt erfolgen könne. Ein baurechtliches öffentliches Interesse würde voraussetzen, dass das Märktekonzept planungsrechtlichen Niederschlag gefunden habe und eine Abgrenzung im Einzelnen tatsächlich bestehe. Solange es an der planungsrechtlichen Umsetzung fehle, bestehe kein öffentliches Interesse.
18 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die dem Senat vorgelegten Aktenauszüge der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 19 K 211/03 - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere genügt der innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz der Beklagten den Formerfordernissen des § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht hinsichtlich des von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag verfolgten Löschungsbegehrens stattgegeben. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag.
20 
Die Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragenen Baulast ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - im Wege einer allgemeine Leistungsklage zu verfolgen, da weder die Eintragung einer Baulasterklärung in das Baulastenverzeichnis noch die Löschung einer derartigen Eintragung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 LVwVfG darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - 8 S 637/90 -, VBlBW 1991, 59 m.w.N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Baulast. Da diese nicht wirksam ist, ist das Baulastenverzeichnis insoweit unrichtig. Die Ausweisung einer nicht vorhandenen öffentlich-rechtlichen Beschränkung in einem öffentlichen Register, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit immerhin eine tatsächliche Vermutung streitet, ist eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Eigentümer aufgrund seines Eigentumsrechts verlangen kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 12.12.1986 - 1 A 172/86 -, BRS 46, Nr. 164).
22 
1. Nach § 71 Abs. 1 LBO können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten). Da die Baulast öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des jeweiligen Grundstückseigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schafft, die ggf. durch eine bauaufsichtliche Verfügung durchzusetzen sind, müssen Umfang und Inhalt der übernommenen Verpflichtung aus der Erklärung heraus hinreichend bestimmbar sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Baulasterklärung um eine einseitige Willenserklärung handelt, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB auszulegen ist. Danach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Wirklicher Wille ist nicht der innere, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille, sondern nur der erklärte Wille. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt ist, nämlich der Adressat der Baulast, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 13.06.1984 - 3 S 696/84 -, VBlBW 1984, 381, und vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -).
23 
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Baulast die Verpflichtung der damaligen Grundstückseigentümerin und ihrer Rechtsnachfolger enthält, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die aufgrund des von ihnen geführten Warensortiments innenstadtschädliche Auswirkungen haben. Soweit die Beklagte die Verpflichtung in einem weitergehenden Sinne dahin verstanden haben möchte, das Grundstück - auch etwa durch den jeweiligen Eigentümer - nicht in einer entsprechenden Art und Weise zu nutzen, kann ein entsprechender Verpflichtungswille dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Unterlassungserklärung nicht entnommen werden. Auch die offensichtlich nur noch rudimentär vorhandenen Unterlagen aus dem Baugenehmigungsverfahren, anlässlich dessen die Erklärung von der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgegeben worden ist, enthalten keine Hinweise für die von der Beklagten gewünschte Auslegung. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ging es im damaligen Genehmigungsverfahren offensichtlich um die Umnutzung von der Eigentümerin zuvor als Autohaus - selbst - genutzter Räume in einen - fremd genutzten - Baumarkt. Dies dürfte erklären, warum die Verpflichtung sich auf den Tatbestand der Vermietung bezieht. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei Abgabe der Erklärung die Gefahr einer innenstadtschädlichen Eigennutzung eher fern gelegen habe. Damit sind die Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich davon ausgegangen, dass eine auf den Tatbestand der Vermietung beschränkte Unterlassungsverpflichtung der Grundstückseigentümerin den von der Beklagten angestrebten Zentrenschutz ausreichend sichert. Auch in den von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftstücken wird nur darauf abgestellt, dass die Eigentümerin sich durch Baulast verpflichtet habe, nicht an entsprechende Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Allein der Umstand, dass eine Erklärung diesen Inhalts den angestrebten Zentrenschutz objektiv nicht wirksam sicherstellt, rechtfertigt es nicht, die von der damaligen Grundstückseigentümerin übernommene Verpflichtung über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus in dem von der Beklagten gewünschten weitergehenden Sinne zu verstehen, zumal ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterrichtung des Bauausschusses durch das Bauordnungsamt vom 17.09.1986 schon damals auf Seiten der Beklagten gesehen wurde, dass durch die Baulast zwar möglicherweise bezogen auf das konkrete Bauvorhaben planungsrechtliche Bedenken beseitigt werden könnten, dessen ungeachtet eine Änderung des Bebauungsplans aber für notwendig erachtet und ausdrücklich empfohlen worden ist.
24 
2. Die so auszulegende Verpflichtung konnte im Wege einer Baulast nicht wirksam eingegangen werden. Wie oben dargelegt können durch Baulast nur öffentlich-rechtliche Verpflichtungen begründet werden. Auch kann nicht jedes grundstücksbezogene Verhalten Gegenstand einer Baulast sein. § 71 LBO erlaubt nicht, Baulasten durch Entgegennahme entsprechender Verpflichtungserklärungen seitens der Baurechtsbehörde schlechthin mit jedem beliebigen Inhalt zu begründen. Der zulässige Inhalt einer Baulast ist aus dem Gesamtzusammenhang der Normen des öffentlichen Baurechts zu bestimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.1974 - III 1343/72 -, BRS 28, Nr. 123 zu § 108 LBO a.F.). Bei der Baulast handelt es sich um ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Mit der Baulast sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung oder Nutzungsänderung entgegenstehen können. Damit setzt die Baulast einen Zusammenhang mit dem Baugeschehen voraus. An der baurechtlichen Relevanz fehlt es, wenn keinerlei Zusammenhang mit einem Bauvorhaben i.S.d. LBO besteht. Sinn und Zweck der Baulast besteht nicht darin, unabhängig vom Baugeschehen grundstücksbezogenen Verpflichtungen eine öffentlich-rechtliche dingliche Wirkung zu verleihen, gewissermaßen im Sinne einer generellen öffentlich-rechtlichen Grunddienstbarkeit. Die Baulast setzt damit einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun, Dulden oder Unterlassen voraus; als ein spezifisch bauaufsichtliches Instrument greift sie unmittelbar in das Regelungsgefüge ein, das für die Zulässigkeit der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung bestimmend ist. Dagegen eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.1994 - 4 B 175/94 -, BauR 1995, 377 m.w.N.). Wegen mangelnder baurechtlicher Bedeutsamkeit inhaltlich unzulässig ist eine baulastmäßige Verpflichtung, wenn kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar ist, auf Grund dessen sie in absehbarer Zeit baurechtliche Bedeutung gewinnen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.10.2004 - 3 S 1743/03 -, VBlBW 2005, 73 m.w.N.).
25 
Baurechtliche Bedeutsamkeit ist gegeben, wenn zwischen der durch Baulast übernommenen Verpflichtung und der Wahrnehmung der der Baurechtsbehörde obliegenden Aufgaben ein Zusammenhang besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Aufgabenbereich der Baurechtsbehörde nicht nur die Beachtung der bauordnungsrechtlichen, sondern auch sonstiger öffentlich-rechtlicher Anforderungen gehört. Auch die Erfüllung dieser Anforderungen kann durch Baulast gesichert werden. Die Vorschriften müssen aber in die Entscheidungskompetenz der Baurechtsbehörde im Zusammenhang mit der baurechtlichen Beurteilung von Anlagen fallen. Gegenstand der Baulast können deshalb grundsätzlich alle Anforderungen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 58 Abs. 1 LBO sein (vgl. Sauter, LBO Bad.-Württ., 3. Auflage, Stand Januar 2006). Damit darf sich eine Baulast auch auf die Nutzung eines Grundstücks in bodenrechtlicher (bebauungsrechtlicher) Hinsicht beziehen; denn darauf erstreckt sich allgemein das bauaufsichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.11.1987 - 4 B 216/87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend keine wirksame Baulast entstanden. Die in der Baulast übernommene Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, knüpft an einen privatrechtlichen Rechtsvorgang an. Allein der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch die ausdrücklich als „Baulasterklärung“ bezeichnete Verpflichtung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eingehen wollte, ändert daran nichts. Das Baurecht enthält zwar Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung (vgl. etwa § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Diese betreffen aber die tatsächliche Nutzung und nicht den einer Nutzung möglicherweise vorgelagerten Vorgang der zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung. Mithin handelt es bei der Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, schon nicht um dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verpflichtung. Im Übrigen fehlt der übernommenen Verpflichtung auch die erforderliche baurechtliche Bedeutsamkeit, da sie nur die Vermietung des Grundstücks an ein Einzelhandelsunternehmen mit zentrenrelevantem Sortiment verbietet, nicht aber eine entsprechende Nutzung des Grundstücks, etwa unmittelbar durch den jeweiligen Grundstückseigentümer. Durch die Baulast sollten zwar möglicherweise planungsrechtliche Bedenken bezüglich der beabsichtigten und zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung ausgeräumt werden. Der bloße Tatbestand der Vermietung stellt aber keine Handlung dar, die nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Baurechtsvorschriften eine Verfügung der Baurechtsbehörde gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin rechtfertigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baulast ausschließlich öffentlichen Interessen dient (vgl. Sauter, a.a.O., § 71 RdNr. 14) und sich nur auf Regelungen beziehen darf, die für die Baurechtsbehörde entscheidungserheblich sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.12.1986 - 8 S 1282/86 -). Hieran fehlt es vorliegend, da die Baulast ihrem Inhalt nach keine Verpflichtung bezüglich der - für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblichen - Nutzung des Grundstücks der Klägerin enthält, sondern sich ausschließlich auf den vorgelagerten zivilrechtlichen Vorgang der Vermietung bezieht, der für sich gesehen für die Baurechtsbehörde bei der Erfüllung ihrer bauaufsichtlichen Aufgaben ohne Bedeutung ist. Zivilrechtliche Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich nicht der Prüfungskompetenz der Baurechtsbehörde und sind damit baurechtlich irrelevant (vgl. auch § 58 Abs. 3 LBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird). Damit fehlt der Baulast die Eignung, einen etwaigen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen von der Baurechtsbehörde zu beachtenden Vorschriften auszuräumen.
27 
3. Ist die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast mithin unwirksam, hat die Klägerin einen Anspruch auf Löschung. Dieser Anspruch ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt neben einem erheblichen Zeitraum zwischen Entstehung und Geltendmachung des Rechts besondere Umstände voraus, nach denen der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - a.a.O. - m.w.N.). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist.
28 
Damit hat das Verwaltungsgericht der Klage hinsichtlich des Hauptantrags zu Recht stattgegeben und ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
32 
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG n.F. endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere genügt der innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz der Beklagten den Formerfordernissen des § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht hinsichtlich des von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag verfolgten Löschungsbegehrens stattgegeben. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag.
20 
Die Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 3462, S. 1 lfd. Nr. 1 eingetragenen Baulast ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - im Wege einer allgemeine Leistungsklage zu verfolgen, da weder die Eintragung einer Baulasterklärung in das Baulastenverzeichnis noch die Löschung einer derartigen Eintragung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 LVwVfG darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - 8 S 637/90 -, VBlBW 1991, 59 m.w.N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Baulast. Da diese nicht wirksam ist, ist das Baulastenverzeichnis insoweit unrichtig. Die Ausweisung einer nicht vorhandenen öffentlich-rechtlichen Beschränkung in einem öffentlichen Register, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit immerhin eine tatsächliche Vermutung streitet, ist eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Eigentümer aufgrund seines Eigentumsrechts verlangen kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 12.12.1986 - 1 A 172/86 -, BRS 46, Nr. 164).
22 
1. Nach § 71 Abs. 1 LBO können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten). Da die Baulast öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des jeweiligen Grundstückseigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schafft, die ggf. durch eine bauaufsichtliche Verfügung durchzusetzen sind, müssen Umfang und Inhalt der übernommenen Verpflichtung aus der Erklärung heraus hinreichend bestimmbar sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Baulasterklärung um eine einseitige Willenserklärung handelt, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB auszulegen ist. Danach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Wirklicher Wille ist nicht der innere, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille, sondern nur der erklärte Wille. Für die Auslegung des erklärten Willens ist maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt ist, nämlich der Adressat der Baulast, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 13.06.1984 - 3 S 696/84 -, VBlBW 1984, 381, und vom 07.12.2001 - 3 S 2425/00 -).
23 
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Baulast die Verpflichtung der damaligen Grundstückseigentümerin und ihrer Rechtsnachfolger enthält, nicht an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, die aufgrund des von ihnen geführten Warensortiments innenstadtschädliche Auswirkungen haben. Soweit die Beklagte die Verpflichtung in einem weitergehenden Sinne dahin verstanden haben möchte, das Grundstück - auch etwa durch den jeweiligen Eigentümer - nicht in einer entsprechenden Art und Weise zu nutzen, kann ein entsprechender Verpflichtungswille dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Unterlassungserklärung nicht entnommen werden. Auch die offensichtlich nur noch rudimentär vorhandenen Unterlagen aus dem Baugenehmigungsverfahren, anlässlich dessen die Erklärung von der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgegeben worden ist, enthalten keine Hinweise für die von der Beklagten gewünschte Auslegung. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ging es im damaligen Genehmigungsverfahren offensichtlich um die Umnutzung von der Eigentümerin zuvor als Autohaus - selbst - genutzter Räume in einen - fremd genutzten - Baumarkt. Dies dürfte erklären, warum die Verpflichtung sich auf den Tatbestand der Vermietung bezieht. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei Abgabe der Erklärung die Gefahr einer innenstadtschädlichen Eigennutzung eher fern gelegen habe. Damit sind die Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich davon ausgegangen, dass eine auf den Tatbestand der Vermietung beschränkte Unterlassungsverpflichtung der Grundstückseigentümerin den von der Beklagten angestrebten Zentrenschutz ausreichend sichert. Auch in den von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftstücken wird nur darauf abgestellt, dass die Eigentümerin sich durch Baulast verpflichtet habe, nicht an entsprechende Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Allein der Umstand, dass eine Erklärung diesen Inhalts den angestrebten Zentrenschutz objektiv nicht wirksam sicherstellt, rechtfertigt es nicht, die von der damaligen Grundstückseigentümerin übernommene Verpflichtung über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus in dem von der Beklagten gewünschten weitergehenden Sinne zu verstehen, zumal ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterrichtung des Bauausschusses durch das Bauordnungsamt vom 17.09.1986 schon damals auf Seiten der Beklagten gesehen wurde, dass durch die Baulast zwar möglicherweise bezogen auf das konkrete Bauvorhaben planungsrechtliche Bedenken beseitigt werden könnten, dessen ungeachtet eine Änderung des Bebauungsplans aber für notwendig erachtet und ausdrücklich empfohlen worden ist.
24 
2. Die so auszulegende Verpflichtung konnte im Wege einer Baulast nicht wirksam eingegangen werden. Wie oben dargelegt können durch Baulast nur öffentlich-rechtliche Verpflichtungen begründet werden. Auch kann nicht jedes grundstücksbezogene Verhalten Gegenstand einer Baulast sein. § 71 LBO erlaubt nicht, Baulasten durch Entgegennahme entsprechender Verpflichtungserklärungen seitens der Baurechtsbehörde schlechthin mit jedem beliebigen Inhalt zu begründen. Der zulässige Inhalt einer Baulast ist aus dem Gesamtzusammenhang der Normen des öffentlichen Baurechts zu bestimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.1974 - III 1343/72 -, BRS 28, Nr. 123 zu § 108 LBO a.F.). Bei der Baulast handelt es sich um ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Mit der Baulast sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung oder Nutzungsänderung entgegenstehen können. Damit setzt die Baulast einen Zusammenhang mit dem Baugeschehen voraus. An der baurechtlichen Relevanz fehlt es, wenn keinerlei Zusammenhang mit einem Bauvorhaben i.S.d. LBO besteht. Sinn und Zweck der Baulast besteht nicht darin, unabhängig vom Baugeschehen grundstücksbezogenen Verpflichtungen eine öffentlich-rechtliche dingliche Wirkung zu verleihen, gewissermaßen im Sinne einer generellen öffentlich-rechtlichen Grunddienstbarkeit. Die Baulast setzt damit einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun, Dulden oder Unterlassen voraus; als ein spezifisch bauaufsichtliches Instrument greift sie unmittelbar in das Regelungsgefüge ein, das für die Zulässigkeit der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung bestimmend ist. Dagegen eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.1994 - 4 B 175/94 -, BauR 1995, 377 m.w.N.). Wegen mangelnder baurechtlicher Bedeutsamkeit inhaltlich unzulässig ist eine baulastmäßige Verpflichtung, wenn kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar ist, auf Grund dessen sie in absehbarer Zeit baurechtliche Bedeutung gewinnen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.10.2004 - 3 S 1743/03 -, VBlBW 2005, 73 m.w.N.).
25 
Baurechtliche Bedeutsamkeit ist gegeben, wenn zwischen der durch Baulast übernommenen Verpflichtung und der Wahrnehmung der der Baurechtsbehörde obliegenden Aufgaben ein Zusammenhang besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Aufgabenbereich der Baurechtsbehörde nicht nur die Beachtung der bauordnungsrechtlichen, sondern auch sonstiger öffentlich-rechtlicher Anforderungen gehört. Auch die Erfüllung dieser Anforderungen kann durch Baulast gesichert werden. Die Vorschriften müssen aber in die Entscheidungskompetenz der Baurechtsbehörde im Zusammenhang mit der baurechtlichen Beurteilung von Anlagen fallen. Gegenstand der Baulast können deshalb grundsätzlich alle Anforderungen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 58 Abs. 1 LBO sein (vgl. Sauter, LBO Bad.-Württ., 3. Auflage, Stand Januar 2006). Damit darf sich eine Baulast auch auf die Nutzung eines Grundstücks in bodenrechtlicher (bebauungsrechtlicher) Hinsicht beziehen; denn darauf erstreckt sich allgemein das bauaufsichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.11.1987 - 4 B 216/87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend keine wirksame Baulast entstanden. Die in der Baulast übernommene Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, knüpft an einen privatrechtlichen Rechtsvorgang an. Allein der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch die ausdrücklich als „Baulasterklärung“ bezeichnete Verpflichtung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eingehen wollte, ändert daran nichts. Das Baurecht enthält zwar Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung (vgl. etwa § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Diese betreffen aber die tatsächliche Nutzung und nicht den einer Nutzung möglicherweise vorgelagerten Vorgang der zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung. Mithin handelt es bei der Verpflichtung, nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen zu vermieten, schon nicht um dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verpflichtung. Im Übrigen fehlt der übernommenen Verpflichtung auch die erforderliche baurechtliche Bedeutsamkeit, da sie nur die Vermietung des Grundstücks an ein Einzelhandelsunternehmen mit zentrenrelevantem Sortiment verbietet, nicht aber eine entsprechende Nutzung des Grundstücks, etwa unmittelbar durch den jeweiligen Grundstückseigentümer. Durch die Baulast sollten zwar möglicherweise planungsrechtliche Bedenken bezüglich der beabsichtigten und zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung ausgeräumt werden. Der bloße Tatbestand der Vermietung stellt aber keine Handlung dar, die nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Baurechtsvorschriften eine Verfügung der Baurechtsbehörde gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin rechtfertigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baulast ausschließlich öffentlichen Interessen dient (vgl. Sauter, a.a.O., § 71 RdNr. 14) und sich nur auf Regelungen beziehen darf, die für die Baurechtsbehörde entscheidungserheblich sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.12.1986 - 8 S 1282/86 -). Hieran fehlt es vorliegend, da die Baulast ihrem Inhalt nach keine Verpflichtung bezüglich der - für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblichen - Nutzung des Grundstücks der Klägerin enthält, sondern sich ausschließlich auf den vorgelagerten zivilrechtlichen Vorgang der Vermietung bezieht, der für sich gesehen für die Baurechtsbehörde bei der Erfüllung ihrer bauaufsichtlichen Aufgaben ohne Bedeutung ist. Zivilrechtliche Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich nicht der Prüfungskompetenz der Baurechtsbehörde und sind damit baurechtlich irrelevant (vgl. auch § 58 Abs. 3 LBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird). Damit fehlt der Baulast die Eignung, einen etwaigen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen von der Baurechtsbehörde zu beachtenden Vorschriften auszuräumen.
27 
3. Ist die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast mithin unwirksam, hat die Klägerin einen Anspruch auf Löschung. Dieser Anspruch ist - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt neben einem erheblichen Zeitraum zwischen Entstehung und Geltendmachung des Rechts besondere Umstände voraus, nach denen der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.06.1990 - a.a.O. - m.w.N.). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist.
28 
Damit hat das Verwaltungsgericht der Klage hinsichtlich des Hauptantrags zu Recht stattgegeben und ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
32 
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG n.F. endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus und Garage bebauten Grundstücks Bergstraße ... in Uhldingen-Mühlhofen (Flst. Nr. 400/2). Die Bebauung des Grundstücks erfolgte Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Baugrundstück war seinerzeit das ca. 40 a große Hanggrundstück Flst. Nr. 400; durch Abtrennung einer Teilfläche wurde 1977 das heutige Grundstück Flst. Nr. 400/2 gebildet. Der Beigeladene ist Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus und Garage bebauten südöstlich angrenzenden Grundstücks Bergstraße ... (Flst. Nr. 401/1). Auch dieses Grundstück war 1959 durch die Abtrennung einer Teilfläche vom damaligen Grundstück Flst. Nr. 400 - zusammen mit einer Teilfläche des früheren Grundstücks Flst. Nr. 401 - gebildet worden.
Mit Kaufvertrag vom 31.7.1959 erwarb der Vater des Beigeladenen von den Eltern des Klägers, ... und ... ..., das zu dieser Zeit neu gebildete, 532 qm große Baugrundstück Flst. Nr. 401/1. In dem Kaufvertrag hieß es unter „§ 6 weitere Vereinbarungen“:
„Die Verkäufer verpflichten sich, den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen. Sie verzichten insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht. ...“
Auf dem Grundstück des Beigeladenen errichtete dessen Vater in der Folge ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung (Baubescheid des Landratsamts Überlingen/See vom 26.6.1961), das zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2 m einhielt. Im Zusammenhang damit wurde am 13.7.1961 auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Vaters des Klägers vom 26.4.1961 und einer dahingehenden Anordnung des Landratsamts Überlingen vom 30.5.1961 folgende Baulast in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen:
„Herr ... in Unteruhldingen übernimmt als grundbuchmäßiger Eigentümer des Grundstücks Lgb. Nr. 400 der Gemarkung Unteruhldingen für sich und seine Rechtsnachfolger die baurechtliche Verpflichtung, im Falle eines eigenen Bauvorhabens von der Grenze des Grundstücks Lgb. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4 m einzuhalten.“
Aufgrund einer weiteren Baugenehmigung vom 20.7.1984 wurde das Gebäude später erweitert und umgebaut.
Beide Grundstücke sind baurechtlich nicht überplant.
Am 27.10.1998 erteilte das Landratsamt Bodenseekreis dem Beigeladenen die Baugenehmigung für den Um- und Erweiterungsbau des bestehenden Wohnhauses, den Einbau eines Aufzugs, den Abbruch einer bestehenden Garage und den Neubau einer Doppelgarage sowie den Umbau der bisherigen ÖI- in eine Gasheizung; das erweiterte Gebäude sollte dabei auf weniger als 50 cm an die Grenze zum Grundstück des Klägers heranrücken. Während das Vorhaben bereits ausgeführt wurde, erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er jedoch zunächst erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.5.2001). Erst das Verwaltungsgericht Sigmaringen hob die Baugenehmigung mit Urteil vom 18.7.2002 (2 K 913/01) auf. Zur Begründung hieß es in dem Urteil unter anderem, dass der erforderliche Grenzabstand von 2,5 m nicht eingehalten werde. Der Kläger sei auch nicht aufgrund der übernommenen Baulast vom 13.7.1961 verpflichtet, die Bebauung in Grenznähe zu dulden. Nach deren Wortlaut müsse der Kläger lediglich bei der Bebauung seines eigenen Grundstücks einen Mindestabstand von 4 m zur Grundstücksgrenze des Beigeladenen einhalten. Die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück (Nr. 401/1) auf sein Grundstück (Nr. 400/2) sei nicht erklärt worden. Bei der Auslegung der Baulastübernahme als Willenserklärung sei entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und dabei auch der Kaufvertrag vom 31.7.1959 heranzuziehen. Dort hätten sich die Eltern und der Großvater des Klägers lediglich verpflichtet, "den Käufer bis auf 2 m an ihre Grundstücksgrenze Flurst. Nr. 400 bauen zu lassen", und "insoweit auf ihr nachbarliches Einspruchsrecht" verzichtet. Aus dem Wort "insoweit" werde deutlich, dass nur ein Herannahen der Bebauung bis auf 2 m von der Grundstücksgrenze, nicht hingegen bis auf 50 oder gar 30 cm habe zugelassen werden sollen. Dementsprechend sei auch der Baubescheid vom 26.6.1961 erteilt worden. Auch nach heutiger Rechtslage (§ 7 Abs. 1 Satz 1 LBO) dürften sich Abstandsflächen nur dann ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert sei, dass sie nicht überbaut und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei aber nur die erste dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Die Baugenehmigung verstoße wegen der Treppenhausfenster außerdem auch gegen Brandschutzvorschriften (Öffnungsverbot bei grenznahen Wänden). Der Kläger sei weder durch Treu und Glauben an der Geltendmachung seiner Nachbarrechte gehindert, noch habe er seine Rechte verwirkt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
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Am 26.9.2002 beantragte der Kläger beim Landratsamt Bodenseekreis unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts den Erlass einer Abbruchsverfügung insoweit, als mit dem - inzwischen nahezu fertiggestellten - Bau gegen die Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften verstoßen worden sei. Mit Bescheid vom 12.11.2002 lehnte das Landratsamt Bodenseekreis den Erlass der beantragten Abbruchsverfügung als unverhältnismäßig ab; auch der am 20.11.2002 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 6.5.2003). Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 24.7.2006 auf und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen, über den Antrag des Klägers auf Erlass einer Abbruchsverfügung hinsichtlich des Anbaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Auf die vom Senat zugelassene Berufung ist das Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen worden (Senatsurteil vom 15.4.2008 – 8 S 11/07 -).
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Bereits unter dem 3.12.2004 hatte der Beigeladene erneut die Genehmigung seines Vorhabens beantragt. Gegenüber der ursprünglichen Planung hatte er u. a. den Einbau von G-30 Fenstern im grenznahen Treppenhaus vorgesehen. Der Kläger verwies im Rahmen der Angrenzeranhörung wiederum auf die nicht eingehaltene Abstandsfläche und die Verletzung der Brandschutzvorschriften.
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Am 15.4.2005 wurde die beantragte Baugenehmigung unter Zulassung geringerer Abstandsflächentiefen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erteilt. Die Einwendungen des Klägers wurden mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Kläger sei durch die nach wie vor geltende Baulastübernahmeerklärung verpflichtet, im Fall eines eigenen Vorhabens von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von mindestens 4,00 m einzuhalten. Danach ergebe sich zwischen den Gebäuden ein Gesamtabstand von 4,50 m. Seine Rechtsposition bleibe unverändert. Beleuchtung mit Tageslicht sowie ausreichende Belüftung der Gebäude auf dem Baugrundstück und auf dem Nachbargrundstück seien nicht beeinträchtigt. Gründe des Brandschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Zwar solle nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 LBOAVO entweder ein Abstand zwischen Gebäuden von 5,00 m eingehalten werden oder die betreffenden Außenwände dürften keine Öffnungen haben. Aufgrund der Baulast sei ein Gebäudeabstand von 4,50 m gewährleistet. Zur Gewährleistung des erforderlichen Brandschutzes sei der Bauherr bereits im Sommer 2003 veranlasst worden, die unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand zum Grundstück Flst. Nr. 400/2 hin mit nicht zu öffnenden Brandschutzgläsern (G 30) zur Vermeidung des Funkenübersprungs auf das Nachbargrundstück zu verschließen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Klägers sei nicht zu erkennen. Ein Recht auf das Weiterbestehen vorhandener Sichtverhältnisse gebe es nicht. Die Baugenehmigung wurde dem Kläger am 21.4.2005 zugestellt.
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Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger am 4.5.2005 Widerspruch, den er unter anderem damit begründete, dass der Abstand des Gebäudes bis zu seiner Grenze nur noch 0,3 m betrage. Sein Grundstück werde erheblich beschattet und verliere auch an Wert. Die Wohngegend könne als villenartig bezeichnet werden; dort sei eine enge Bebauung nicht üblich und wirke sich negativ auf den Wert des jeweiligen Grundstücks aus.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch zurück. Das Landratsamt habe zu Recht eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen. Bei der Frage, ob nachbarliche Belange erheblich, d.h. unzumutbar beeinträchtigt würden, komme es auf die konkrete Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der nachbarlichen Interessen an. Die Frage, ob eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zulässig sei, sei daher aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beantworten. Das Interesse des Klägers gehe vor allem dahin, eine Verschlechterung der bisherigen baulichen Situation zu vermeiden. Der Beigeladene sei dagegen daran interessiert, sein Gebäude entsprechend umzubauen. Aufgrund der besonderen Umstände sei das Interesse des Beigeladenen aber höher zu bewerten. Dies folge einerseits daraus, dass sich Belichtung und Belüftung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand jedenfalls nicht wesentlich verschlechterten. Das Bauvorhaben liege aus Sicht des Klägers im Osten, so dass allein schon deswegen die Belichtung und Besonnung seines Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt sein könne. Vor allem aber sei die geltend gemachte Beschattung nicht vorrangig und ausschlaggebend auf den Umbau bzw. Treppenhausneubau zurückzuführen. Vielmehr werde diese - sofern überhaupt von Belang - bereits seit über 40 Jahren durch den bestehenden Hauptbaukörper auf dem Grundstück Flst. Nr. 401/1 verursacht. Dies zeigten die Schnitte der genehmigten Bauvorlagen, aus denen sich keine derartige Erhöhung des Nachbargebäudes ergebe, die nun erstmalig eine wesentliche und unzumutbare Verschattung zu Lasten des Klägers bewirken könne, zumal das Gelände zum Grundstück des Klägers hin ansteige. Nicht zuletzt sei der Kläger durch die auf seinem Grundstück liegende Baulast an einer weiteren Bebauung des fraglichen Bereichs ohnehin gehindert, so dass sich insoweit - ungeachtet der bereits vorhandenen Situation - keine neuen oder zusätzlichen Verschlechterungen für dortige Wohnräume ergeben könnten. Diese insgesamt schon vorhandene "Vorbelastung" sei zu Ungunsten des Klägers zu werten. Insofern sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich diese Verhältnisse bezüglich Besonnung und Belichtung des Nachbargebäudes gegenüber dem bisherigen Zustand wesentlich verschlechtern würden. Der Kläger werde somit in der (baulichen) Nutzbarkeit seines Grundstücks durch die Zulassung der Abweichung im Wesentlichen nicht weiter beeinträchtigt, als dies durch die bestehenden Verhältnisse ohnehin schon der Fall sei. Damit lägen in Bezug auf das betroffene Nachbargrundstück besondere Umstände vor, d.h. die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück sei durch Besonderheiten topographischer und anderer Art gekennzeichnet, die das Interesse des Klägers an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern und damit weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung komme deshalb den Belangen des Klägers gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung seines Bauwunsches weniger Gewicht zu. Der Erteilung der Baugenehmigung stehe auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 nicht entgegen. Der Einwand der "res iudicata" verpflichte nach § 121 VwGO allein die Verwaltungsgerichte, kein abweichendes Sachurteil über diesen Streitgegenstand zu fällen. Dagegen sei die Verwaltungsbehörde nicht gehindert, eine neue Sachentscheidung zu treffen. Das gelte umso mehr, als vorliegend durch die vom Bauherrn vorgenommene Schließung der unzulässigen Öffnungen in der Treppenhauswand eine neue Sach- und Rechtslage herbeigeführt worden sei. Insoweit sei schon der Streitgegenstand nicht mehr derselbe. Im Übrigen werde auf die zutreffenden Gründe des Ausgangsbescheides verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18.11.2005 zugestellt.
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Am 9.12.2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Anfechtungsklage erhoben und beantragt, die Baugenehmigung des Landratsamtes Bodenseekreis vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.11.2005 aufzuheben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass er nach den rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Urteil vom 18.7.2002 nicht verpflichtet sei, einen Grenzabstand von weniger als 2,0 m zu seiner Grundstücksgrenze zu dulden. Allein der Austausch der Verglasung der Fensterflächen gegen eine brandschutzhemmende Verglasung könne im Ergebnis nicht zur Rechtmäßigkeit der nunmehr erteilten Baugenehmigung führen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO seien nicht gegeben. Die Grenzbebauung stelle eine erhebliche und nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar. Selbst wenn man von einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks ausgehe, verstoße das Bauvorhaben weiterhin gegen brandschutzrechtliche Vorschriften und verletze darüber hinaus auch den nachbarlichen Wohnfrieden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBOAVO seien Außenwände, die einen Abstand von weniger als 2,5 m zur Nachbargrenze haben, ohne Öffnungen herzustellen. Das nunmehr genehmigte Bauvorhaben weise jedoch weiterhin zwei ca. 2 qm große Fensteröffnungen auf. Gegenüber dieser Fensterverglasung, die nicht die Voraussetzungen einer in diesem Abstand erforderlichen Brandschutzmauer erfülle, befinde sich in ca. 4 m Entfernung sein Wintergartenanbau. Dieser sei großflächig verglast und werde von ihm über das gesamte Jahr hinweg als Wohnraum genutzt. Die nunmehr dem Beigeladenen eröffnete Möglichkeit, seine Wohnräumlichkeiten einzusehen, beeinträchtige ihn und seine Familie in ihrer Privatsphäre nicht nur unerheblich. Es sei vorhersehbar, dass sein Grundstück für Reinigungs-, Maler-, Reparatur- und sonstige Arbeiten in Anspruch genommen werden müsse. Eine hierfür erforderliche Gerüsterstellung sowie erforderliche Rettungsmaßnahmen im Brandfall könnten nunmehr ausschließlich über sein Grundstück erfolgen. Dies alles stelle in der Summe eine erhebliche Belastung dar. Die Versäumnisse der Beteiligten dürften nicht dazu führen, dass er im Ergebnis rechtlos gestellt werde und der Nachbarschutz leer laufe. Eine Grenzbebauung sei auch bauplanungsrechtlich nicht vorgesehen, so dass diese im Ergebnis auch nicht über die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erreicht werden könne. Allenfalls eine geringfügige Unterschreitung des Grenzabstandes habe er im Rahmen des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen.
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Mit Urteil vom 24.7.2006 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 aufgehoben. Zur Begründung heißt es in den Entscheidungsgründen u. a., dass der Treppenhausanbau gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 LBO verstoße. Die Einhaltung der Tiefe der Abstandsfläche von 2 m bei einer Wand von bis zu 5 m Breite diene kraft gesetzlicher Anordnung dem Schutz des Nachbarn. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage auf dem Grundstück des Beigeladenen aber nur 0,5 m. Die Baulast aus dem Jahr 1961 bestimme lediglich eine Fläche der Unbebaubarkeit auf dem klägerischen Grundstück. Mit ihr sei keine Übernahme von Abstandsflächen, die nach der gesetzlichen Regelung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu liegen hätten, auf das klägerische Grundstück bestimmt worden. Auch bei erneuter Überprüfung bleibe die Kammer bei der Auslegung der Baulasterklärung wie im Urteil vom 18.7.2002. Die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO komme nicht in Betracht, weil die Tiefe der Abstandsflächen des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werde und nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Als nachbarliche Belange in diesem Sinn seien Besonnung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks, nicht hingegen der allgemeine Wohnfriede zu berücksichtigen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Brandschutzverglasungen von innen nach außen durchsichtig seien, nicht ankommen könne. Besondere Gegebenheiten, welche ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe rechtfertigen könnten, seien nicht zu erkennen. Die Unterschreitung dieser Tiefe führe hier zu erheblichen Beeinträchtigungen des Grundstücks des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Die zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen bestehende Baulast sei nicht geeignet, eine Sondersituation zu begründen, in welcher die Abstandsflächentiefe des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschritten werden dürfe. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Überlegungen: Zum einen würde die Auffassung des Beklagten, dass mittels der Baulast ein ausreichender Gesamtabstand zwischen den beiden Wohnhäusern sichergestellt sei, dazu führen, dass der Baulast de facto doch der Inhalt einer Abstandsflächenbaulast zukommen würde. Dies sei aber gerade nicht der Inhalt dieser Baulast und dürfe über den Umweg des § 6 Abs. 4 LBO auch nicht zu deren Inhalt gemacht werden. Zum anderen sei aber auch erheblich, dass die Baulast nur die Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks einschränke, nicht aber dessen sonstige Nutzung als Garten und mögliche Liege- und Nutzfläche. Der betroffene Grundstücksteil sei solchen Nutzungen zugänglich, wie der Augenschein ergeben habe. Nur wenn jede sinnvolle Nutzung ausgeschlossen sei, könne von dem Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung durch die Abstandsflächenunterschreitung ausgegangen werden. Eine bedeutsame topographische Besonderheit in Gestalt eines deutlichen Höhenunterschieds lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Zwar liege der Eingang zum Haus des Beigeladenen aufgrund von Abgrabungen deutlich unterhalb des Geländeverlaufs auf dem Grundstück des Klägers. Selbst wenn man dies berücksichtigen wolle, könne darin keine - geschaffene - topographische Besonderheit erkannt werden, welche eine Sondersituation schaffe, in der ein Unterschreiten der nachbarschützenden Abstandsflächentiefe zulässig wäre. Der Baukörper des Anbaus rage nämlich weiterhin deutlich sichtbar erheblich über die Abgrabung hinaus und wirke damit in erheblicher Weise auf das Grundstück des Klägers ein. Eine Sondersituation aufgrund topographischer Besonderheiten könne aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn dadurch das Nachbargrundstück deutlich weniger beeinträchtigt werde und die Hanglage bereits dafür sorge, dass ein Bauvorhaben das Nachbargrundstück hinsichtlich Belüftung, Besonnung und Belichtung nicht oder kaum beeinträchtigen könne. So liege der Fall hier aber nicht. Der Umstand, dass das Gebäude durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden sei und es sich im Osten des klägerischen Grundstücks befinde, führe ebenfalls nicht zu einer Sondersituation. Es sei beim Augenschein nicht zu erkennen gewesen, dass eine Verschlechterung in Bezug auf Besonnung und Belüftung nicht eingetreten sei. Durch das Heranrücken der Bebauung sei der Schattenwurf auf das klägerische Grundstück im Bereich des Treppenhauses des Beigeladenen erkennbar größer geworden und das klägerische Grundstück werde somit erheblich beeinträchtigt. Angesichts der Höhe des Baukörpers entstehe auf dem Grundstück des Klägers auch deutlich der Eindruck eines "Eingemauertseins", welcher ebenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange führe. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums im Widerspruchsbescheid sei die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorliege, nicht anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die Interessen des Bauherrn an der Verwirklichung des Projekts mit einzufließen hätten. Es sei nur das Nachbargrundstück, nicht auch dasjenige des Bauherrn oder gar vom Grundstück losgelöste Interessen in den Blick zu nehmen, so dass Interessen des Beigeladenen das Ergebnis nicht beeinflussen könnten. Eine teilweise Aufhebung der Baugenehmigung komme nicht in Betracht, da für den Fall, dass nur die Genehmigung für das Treppenhaus aufgehoben werden würde, ein nicht genehmigungsfähiger Torso als Gegenstand der Baugenehmigung zurückbleibe, nämlich ein mehrstöckiges Gebäude ohne Eingang und ohne Treppenhaus.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 21.12.2006 - 8 S 2123/06 - zugelassene Berufung des beklagten Landes, mit der es beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Juli 2006 - 2 K 2146/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Es macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO vorlägen. Die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung blieben in ausreichendem Maße gewährleistet. Das Gebäude sei durch den Anbau insgesamt nicht höher geworden und der Anbau befinde sich im Osten des Wohnhauses des Klägers. Auf dem Grundstück des Klägers hätten bisher auch keine Beeinträchtigungen wegen fehlender Belichtung wie beispielsweise eine Versumpfung festgestellt werden können. Gründe des Brandschutzes stünden der Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ebenfalls nicht entgegen, nachdem der Beigeladene die Öffnungen in der Treppenhauswand mit dem Einbau einer Brandschutzverglasung (G 30), vergleichbar einer Brandschutzwand, geschlossen habe. Die Belange des Klägers würden trotz der Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe nicht erheblich beeinträchtigt, da aufgrund der vorhandenen grenznahen Bebauung mit einer Grenzgarage eine Sondersituation gegeben sei. Der Kläger habe sich bei der Errichtung dieser Garage weder an die bestehende Baulastverpflichtung, noch an die Auflagen der ihm erteilten Baugenehmigung, noch an die maßgeblichen Abstandsflächenvorschriften gehalten. Die Baulastverpflichtung unterscheide nicht zwischen einem Wohnhaus und einer Garage. Es sei auf ein Versäumnis der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen zurückzuführen, dass die Baugenehmigung dennoch erteilt worden sei. Dem Vater des Klägers, der die Baulast 1961 übernommen habe, habe dieses Versäumnis bewusst sein müssen. Die Baugenehmigung sei 1975 bzw. 1976 mit der Auflage erteilt worden, dass das Garagendach nicht als Terrasse genutzt werden dürfe. Das in den Planunterlagen im Gebäudeschnitt eingetragene Geländer sowie der mit Grüneintrag angebrachte Vermerk „keine Terrasse“ hätten die Umsetzung dieser Auflage sicherstellen sollen. Eine Terrasse auf einer ansonsten grenzprivilegierten Garage sei unzulässig. Abweichend von den genehmigten Planunterlagen sei anstatt des ursprünglich über der Rückwand der Garage angedachten Geländers ein weitaus längeres Geländer über der Garagenfront und den seitlichen Wänden angebracht worden, so dass das gekieste Garagendach problemlos als Terrasse genutzt werden könne. Es könne nicht angehen, dass durch die vorhandene Garage auf dem Grundstück des Klägers nachbarschützende Belange beeinträchtigt würden, gleichzeitig aber beim Bauvorhaben des Beigeladenen auf der uneingeschränkten Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen beharrt werde.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag im Klageverfahren und bringt noch vor, dass die heranrückende Bebauung den Schattenwurf nicht unerheblich erhöht habe und die angelegte Rasenfläche erheblich unter diesem Lichtmangel leide, was eine großflächig auftretende Vermoosung zur Folge habe. In seinem Wintergarten, der lediglich 4 m von der Grundstücksgrenze entfernt liege, entstehe angesichts der Höhe des Baukörpers deutlich der Eindruck des Eingemauertseins. Auf dem Garagendach gebe es weder eine Terrasse noch einen Sitzplatz.
23 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, pflichtet aber den Ausführungen des Beklagten bei. Ergänzend weist er darauf hin, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange führen könne, da bei diesem Verständnis der Norm das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit entbehrlich sei. Im Übrigen sei eine Besonderheit im Sinne der Rechtsprechung nicht nur die Lage östlich vom Grundstück des Klägers, sondern auch das Zurücktreten des Schattenwurfs des Anbaus hinter die Verschattung durch das Gebäude insgesamt, die auch nach nunmehr zehnjährigem Bestehen des Gebäudes zu keinen negativen Auswirkungen auf dem Grundstück des Klägers geführt habe. Das Gelände zu seinem Gebäude falle außerdem ab, so dass die Belastung durch den Treppenhausanbau deutlich verringert werde.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
33 
c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
35 
(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
36 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung vom 15.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
26 
Die Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.7.2002 - 2 K 913/01 - steht weder der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15.4.2005 noch der gerichtlichen Sachprüfung (vgl. hierzu: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 26 mwN.) entgegen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. In dem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 18.7.2002 ergangenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts wurde die dem Beigeladenen am 27.10.1998 erteilte Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften und die Brandschutzvorschriften aufgehoben. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht erneut diese bereits aufgehobene Baugenehmigung aus dem Jahre 1998, sondern eine andere neue Baugenehmigung vom 15.4.2005, über deren Rechtmäßigkeit bisher noch nicht entschieden worden ist und über die daher im vorliegenden Verfahren entschieden werden kann, ohne dass gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage rechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, NVwZ 1993, 672 mwN.).
27 
Dem beklagten Land war es auch nicht infolge der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 18.7.2002 verwehrt, auf den erneuten Genehmigungsantrag des Beigeladenen die nunmehr angefochtene Baugenehmigung zu erlassen. Zwar erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Damit soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht den gleichen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erneut erlassen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Vorliegend hat sich die maßgebliche Sachlage jedoch verändert. Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 3.12.2004 betrifft zwar insgesamt gesehen das gleiche Vorhaben; in wesentlichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden, die eine für die Entscheidung relevante neue Sachlage begründeten. Denn die Änderungen betrafen u. a. den Brandschutz und die Verkürzung der dem Grundstück des Klägers zugewandten grenznahen Außenwand und waren somit für die Prüfung von Vorschriften bedeutsam, auf deren Verletzung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Klägers gestützt worden war. Ob diese Veränderungen es letztlich rechtfertigten, die Baugenehmigung zu erteilen, ist eine Frage, die sich erst auf der Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung stellt und keinen Einfluss auf die Sachprüfungsbefugnis des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung des vorangegangenen Urteils hat.
II.
28 
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden, da die Baugenehmigung vom 15.4.2005 nicht hätte erteilt werden dürfen; dem Vorhaben stehen die Vorschriften der Landesbauordnung über die Abstandsflächen entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO).
29 
1. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderliche Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand des Treppenhauses liegt nicht – wie nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO für den Regelfall vorgesehen – auf dem Baugrundstück selbst, sondern zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass aus planungsrechtlichen Gründen eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, bestehen nicht; außerdem wäre selbst bei einer nach Planungsrecht möglichen Grenzbebauung nicht öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO).
30 
2. Die Abstandsfläche darf auch nicht - jedenfalls nicht in voller Tiefe - aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO auf dem Grundstück des Klägers liegen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen, soweit sie auf dem Grundstück selbst liegen müssen, ganz oder teilweise auf ein anderes Grundstück erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass diese Abstandsflächen nicht überbaut werden und auf die auf diesem anderen Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Zwar besteht vorliegend – zumindest nach Aktenlage - eine derartige Baulast; sie sichert jedoch nicht im erforderlichen Umfang, dass die Abstandsfläche vor der Außenmauer des Treppenhauses nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsfläche angerechnet wird.
31 
a) Nach dem für das - bis zur Kreisreform 1971 - badische Unteruhldingen geltenden § 27 Abs. 1 des badischen Ortsstraßengesetzes vom 30.10.1936 (GVBl. S. 179) hafteten besondere, nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften sich ergebende Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Nichtbebauung von Grundstücksteilen auf Verlangen der Baupolizeibehörde gegenüber dieser Behörde von dem Eigentümer mit Rücksicht auf ein von einem anderen Eigentümer eingereichtes Baugesuch übernommenen wurden, wenn sie in dem Baulastenbuch eingetragen waren, als öffentlich-rechtliche Lasten (Baulasten) auf dem Grundstück und gingen als solche auf jeden späteren Erwerber des Grundstücks über. Der Vater des Klägers hat als dessen Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem vom Vater des Beigeladenen eingereichten Baugesuch die sich nicht schon aus den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften ergebende Verpflichtung übernommen, mit einem eigenen Vorhaben auf seinem Grundstück Flst. Nr. 400 von der Grenze des Grundstücks Flst. Nr. 401/1 einen Abstand von 4 m einzuhalten. Diese Verpflichtung wurde in das Baulastenbuch der Gemeinde Unteruhldingen eingetragen und liegt daher als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück Flst. Nr. 400/2, das insoweit an die Stelle des früheren Grundstücks Flst. Nr. 400 getreten ist. Sie blieb als eigenständige Verpflichtung mangels einer anders lautenden Übergangsregelung in der 1964 in Kraft getretenen Landesbauordnung (vgl. §§ 116 ff. LBO 1964) auch nach Außerkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 5 LBO 1964) bestehen.
32 
b) Die Baulast ist auch grundsätzlich geeignet, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO genannte Rechtsfolge herbeizuführen. Insbesondere fehlt es nicht an dem vom Verwaltungsgericht vermissten Anrechnungsverbot. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Übernahme der Verpflichtung als einseitige Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen und dabei der wirkliche Wille zu erforschen ist. Für die Auslegung des erklärten Willens ist dabei maßgeblich, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt war, also die Baurechtsbehörde, diese nach Treu und Glauben verstehen durfte (sog. „objektiver Empfängerhorizont“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.1.2007 – 3 S 1251/06 -, VBlBW 2007, 225 = NVwZ-RR 2007, 662 mwN.). Abweichend von diesem rechtlich zutreffenden Ansatz hat sich das Verwaltungsgericht aber bei seinen Ausführungen nicht am wirklichen Willen des Erklärenden, sondern am objektiven Wortlaut der Erklärung orientiert, indem es darauf abgestellt hat, dass die Übernahme von Abstandsflächen vom Baugrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht erklärt worden sei bzw. dass eine Erklärung fehle, wonach die mit dem Überbauungsverbot belegte Fläche nicht auf die auf dem Grundstück des Klägers erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfe. Mit dieser Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Terminologie gestützt, die zum für die Auslegung maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung - 1961 - gesetzlich noch nicht vorgesehen war und die dementsprechend auch nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entsprechen konnte. Sowohl den Begriff der Abstandsfläche vor Außenwänden wie auch das Problem der Anrechnung von Abstandsflächen gibt es in dem für § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO maßgeblichen Verständnis terminologisch erst seit der Neufassung der Abstandsvorschriften durch die LBO 1983. Zuvor ging das Gesetz – sowohl die LBO 1964 wie auch die badische Bauordnung - von Abständen aus, die u. a. zur Grundstücksgrenze hin eingehalten werden mussten (vgl. § 7 LBO 1964, §§ 31, 32 badBauO). Da dieser Abstand bei Gebäuden auf benachbarten Grundstücken von beiden Gebäuden einzuhalten war, entsprach der Abstand zwischen den Gebäuden dem doppelten Abstand von der Grenze. Auf diese Rechtslage bezog sich erkennbar das Schreiben des Landratsamtes Überlingen vom 13.3.1961 an den Vater des Beigeladenen, worin darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 2 (3) der Kreisbauordnung für den Landkreis Überlingen vom 11.6.1959 die Hauptgebäude von den seitlich angrenzenden Nachbargrundstücken einen Grenzabstand von mind. 3,00 m einhalten müssten und dass daher angesichts des bei dem geplanten Vorhaben beidseitig nur verbleibenden Grenzabstands von 2,00 m das Baugesuch nur dann genehmigungsfähig sei, wenn durch Übernahme von Baulasten durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke sichergestellt sei, dass von den Umfassungswänden des Gebäudes bei der künftigen Bebauung der Nachbargrundstücke ein Abstand von mindestens 6,00 m eingehalten werde. Wenn sich der Vater des Klägers in der Folge zur Nichtüberbauung seines Grundstücks in einem Abstand von 4 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtete, sollte damit offensichtlich dieser behördlichen Forderung Rechnung getragen werden. Denn damit war trotz des auf dem Baugrundstück seinerzeit nur vorgesehenen und vom Vater des Klägers auch vertraglich zugestandenen geringeren Grenzabstand von 2 m insgesamt gleichwohl ein Gebäudeabstand von 6 m gewährleistet. Das Gebäude des Klägers war daher so zu errichten, als ob die gemeinsame Grenze um 1 m nach Westen verschoben worden wäre. Damit war aber eine Situation geschaffen, die in ihren rechtlichen Wirkungen dem Anrechnungsverbot nach heutiger Rechtslage entspricht. Denn auch das heutige Anrechnungsverbot dient der Sache nach der Gewährleistung des beschriebenen Gebäudeabstands. Regelungsgehalt der Vorschriften über die Abstandsflächen ist, dass sie nicht überbaut werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO) und dass sie sich grundsätzlich nicht überdecken dürfen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 LBO). Die Abstandsflächen dürfen also auch dann, wenn sie auf dem Nachbargrundstück liegen, nicht überbaut und nicht von den aufgrund der dortigen Bebauung notwendigen Abstandsflächen überdeckt werden; das ist gemeint, wenn das Gesetz davon spricht, dass sie nicht angerechnet werden dürfen. In diesem Sinn ist es daher gerechtfertigt, die Konsequenzen der Baulastübernahme für den Grundstücksnachbarn mit einer fiktiven Grenzverschiebung zu umschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2001 - 8 S 1485/01 - VBlBW 2002, 127; Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 - VBlBW 2001, 188; Senatsbeschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 - VGHBW-Ls 1991, Beilage 3, B 8).
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c) Aus all dem ergibt sich aber auch, dass von den 4 m auf dem Grundstück des Klägers nur 1 m dem zu geringen Grenzabstand des Gebäudes auf dem Baugrundstück geschuldet war, die restlichen 3 m aber dem Grenzabstand eines zukünftigen Gebäudes auf dem Grundstück des Vaters des Klägers dienen sollten. Das bedeutet, dass die für das Vorhaben des Beigeladenen zur Verfügung stehende Abstandsflächentiefe maximal 1,50 m beträgt. Dieses Maß genügt aber selbst dann nicht, wenn man einen Fall abstandsrechtlicher Privilegierung in Betracht zieht.
34 
(1) Nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO außer Betracht bleiben kann das Treppenhaus nicht, weil es auch von der „verschobenen“ Nachbargrenze nicht mindestens 2 m entfernt bleibt. Außerdem ist zweifelhaft, ob es sich um einen Vorbau in diesem Sinn handelt. Auch wenn sich solche Vorbauten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken können (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 6.9.1996 - 5 S 2049/96 - VBlBW 1997, 144), muss der Vorbau dennoch in seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sein. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen. Die Außenwand muss noch optisch prägend in Erscheinung treten (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 22.6.1993 - 3 S 379/93 - VGHBW-Ls 1993, Beil. 9, B 12). Der Vorbau darf also beispielsweise die Außenwand in ihren Ausmaßen nicht überschreiten. Ein Vorbau, der höher als die Außenwand ist und somit in den Dachraum hineinragt, kann nicht mehr nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 -). Zwar bietet die vorgeschriebene Größenbeschränkung von maximal 5 m Breite und 1,5 m Tiefe insoweit einen gewissen Anhaltspunkt (vgl. LT-DrS. 11/5337, 81); gleichwohl ist der Vorbau zusätzlich noch in Beziehung zum Gebäude, insbesondere zu der dazugehörenden Außenwand zu setzen. So ist eine Wand, die 5 m breit ist und 1,5 m vortritt, dann kein für die Berechnung der Abstandsflächentiefe unbeachtlicher Vorbau, wenn die dazugehörende Außenwand insgesamt nur 10 m breit ist und daher ihrerseits gegenüber dem Vorbau nur unter- bzw. allenfalls gleichgeordnet in Erscheinung tritt. So liegt der Fall hier: Die Außenwand des Gebäudes bietet vom Grundstück des Klägers aus betrachtet aufgrund ihrer Gliederung in einzelne Abschnitte (rückwärtiger, mittlerer und vorderer Gebäudeteil) im Verhältnis zum grenznäheren, in der Mitte liegenden Treppenhaus keinen einheitlichen dominierenden Eindruck. Vielmehr erscheint die Außenwand des Treppenhauses eher als gleichberechtigter Teil dieser Gliederung. Gegenüber dem rückwärtigen Gebäudeteil fehlt es bereits von der Breite her an einem eindeutigen Über-/Unterordnungsverhältnis; dies gilt auch gegenüber dem vorderen Gebäudeteil, der schon wegen der geringeren Höhe – jedenfalls von außen betrachtet - seinerseits eher den Eindruck eines (südlichen) Anbaus vermittelt.
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(2) Auch das sog. Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 7 iVm. Abs. 8 LBO führt zu keiner Abstandsflächentiefe, die bei der gegebenen Sachlage das Vorhaben abstandsrechtlich unbedenklich machen würde. Denn selbst wenn man die maßgebliche tatsächliche Wandhöhe unberücksichtigt lassen würde, müsste vor der weniger als 5 m breiten Außenwand zumindest eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 2 m liegen, was jedoch – wie gezeigt - nicht der Fall ist.
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3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Verpflichtung der Baurechtsbehörde verneint, eine geringere Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen. Denn die von der Rechtsprechung geforderte Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liegt ersichtlich nicht vor. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs ist dabei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig dann vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 4.7.2003 - 8 S 1251/03 - und vom 8.10.1996 - 8 S 2566/96 - BRS 58 Nr. 109; Beschluss vom 13.6.2003 – 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 = BRS 66 Nr. 129; Urteil vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201 = BRS 65 Nr. 121; Beschluss vom 26.4.2002 – 5 S 629/02 - VBlBW 2002, 445). Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999 - 8 S 1668/999 - BRS 62 Nr. 94); auf eine Interessenabwägung kommt es dagegen - wie schon das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - nicht an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.1999 - 5 S 2971/98 -, VBlBW 1999, 347 = NVwZ-RR 1999, 491 = BRS 62 Nr 132; Beschluss vom 10.3.1999 - 3 S 332/99 -, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 4). Solche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen bei unterschiedlicher Höhenlage beider Grundstücke, d. h. wenn das Baugrundstück wesentlich tiefer liegt als das Nachbargrundstück, bei einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 - VBlBW 1997, 266; Beschluss vom 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) oder bei schmalen oder topographisch besonders gelagerten Grundstücken, die weder bebaut noch sonst gärtnerisch oder zu Freizeitzwecken sinnvoll genutzt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.9.1999, - 3 S 1437/99 - VGHBW-Ls 1999, Beil. 12, B 4), wie bei einem als Zufahrt genutzten Grundstücksteil (vgl. Senatsbeschluss vom 19.12.1996 - 8 S 3190/96 - BRS 59 Nr. 107). Aber auch bei einem vorhandenen grenznahen Gebäude auf dem Nachbargrundstück, das die verlässliche Aussage zulässt, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002 a.a.O.), wie z.B. einer privilegierten Grenzgarage (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000 - 5 S 2996/99 -, VBlBW 2000, 286; Beschluss vom 12.9.1996, aaO.) oder einer Grenzmauer, die das Vorhaben verdeckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.1.2000, a.a.O.), und auch bei erklärtem Einverständnis des Nachbarn (vgl. Senatsurteil vom 8.11.1999, a.a.O.) liegt eine Sondersituation in diesem Sinn vor.
37 
Keine der genannten Sondersituationen ist hier gegeben. Zwar liegt das Baugrundstück insgesamt gesehen tiefer als das Grundstück des Klägers; jedoch ergibt sich daraus keine die Abweichung von der regulären Abstandsflächentiefe rechtfertigende Situation. Denn die für die Abstandsflächentiefe maßgebliche Außenwand des Treppenhauses beginnt im Wesentlichen auf der Höhe der an der Grenze bestehenden Grundstücksoberfläche des Nachbargrundstücks, so dass sich die tiefere Lage des Gesamtgebäudes für den Kläger nicht in entscheidendem Umfang entlastend auswirkt. Ebenso wenig ist der Fall eines ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts gegeben, aufgrund dessen das Nachbargrundstück an dieser Stelle nicht bebaut werden kann. Denn das Grundstück ist in dem gegenüberliegenden Bereich tatsächlich bebaut; dass die Bebauung nicht bis zur Grenze reicht, hat keine tatsächlichen, sondern rechtliche Gründe, nämlich die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bzw. der Baulast. Aber selbst wenn man in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch Besonderheiten rechtlicher Art in Betracht ziehen würde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190), ergäbe sich daraus vorliegend keine Sondersituation, weil die Baulast gerade die Einhaltung von Abständen gewährleisten soll und daher nicht das Interesse des Klägers daran mindert. Und schließlich geht auch die Annahme des Beklagten fehl, dass die Grenzgarage als ein vorhandenes grenznahes Gebäude eine Sondersituation begründe. Die Garage lässt nicht die verlässliche Aussage zu, dass durch das konkrete Bauvorhaben keine oder nur eine unerhebliche Beeinträchtigung verursacht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.4.2002, a.a.O.), weil die Garage und das Bauvorhaben nicht im selben Grenzbereich liegen. Anhaltspunkte für die Annahme einer durch andere Umstände begründeten Sondersituation sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38 
4. Der Kläger ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Abstandsflächenverstoß geltend zu machen. Zwar gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 18.11.2002 - 3 S 882/02 -, VBlBW 2003, 235). Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst mit seiner Grenzgarage den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Garage geltenden Rechtslage war sie als privilegiertes Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Maße an der Grenze zulässig (vgl. § 7 Abs. 3 LBO 1972). Eine Terrassennutzung, die eventuell zu einer Entprivilegierung hätte führen können (vgl. insoweit zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 1983: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.3.1995 - 3 S 1121/94 -, VBlBW 1995, 321; siehe aber auch Senatsurteil vom 24.7.1998 - 8 S 1306/98 -, VBlBW 1999, 64) wurde nicht genehmigt; der Augenschein hat auch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass das Dach der Garage faktisch als Terrasse genutzt wird. Ob die bestehende Baulast der Errichtung der privilegierten Garage entgegenstand (in diesem Sinn § 10 Abs. 4 2. HS LBO 1972 interpretierend Senatsurteil vom 7.4.1978 - VIII 2147/77 -; anders dagegen Sauter, LBO, Kommentar, Stand September 1979, § 10 Rn. 4; s. a. § 7 Abs. 1 Satz 2 LBO in der aktuellen Fassung), kann offen bleiben; denn jedenfalls würde die dadurch vorliegende Verletzung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber derjenigen durch das aufsteigende Treppenhaus ersichtlich weniger schwer wiegen, da die Grenzgarage im hinteren Bereich gänzlich von Erde bedeckt ist.
39 
5. Erweist sich die Baugenehmigung somit bereits aufgrund des Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften als rechtswidrig, braucht auf die vom Kläger außerdem noch geltend gemachten brandschutzrechtlichen Bedenken nicht weiter eingegangen zu werden.
40 
6. Das Verwaltungsgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Baugenehmigung im Hinblick darauf nur teilweise aufzuheben, dass der genehmigte Um- und Erweiterungsbau in seinem überwiegenden Umfang nachbarschützende Vorschriften nicht tangiert, denn eine solche Teilaufhebung kommt mangels Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 Rn. 16 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3.11.1982 - 3 S 1168/82 -, VBlBW 1983, 266).
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
42 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
43 
Beschluss vom 10. April 2008
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
45 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2004 - 13 K 4554/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die - zulässige - Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat mit eingehender und zutreffender Begründung den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11.11.2004 anzuordnen, abgelehnt, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung die angefochtene Baugenehmigung keine nachbarschützenden Vorschriften zu Lasten der Antragstellerin verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die sich der Senat zu Eigen macht, verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen, das keine wesentlichen neuen Aspekte enthält und auf das die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Erwägungen:
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht ersichtlich ist. Dass das Vorhaben, soweit mit ihm zum Grundstück der Antragstellerin ein Abstand von 4,98 m eingehalten wird, die nach § 5 Abs. 7 LBO erforderlich Abstandsflächentiefe unterschreitet, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Allerdings ist sie - ohne nähere Begründung - der Auffassung, mit dem an dieser Seite des Gebäudes vorgesehenen Treppenhaus werde die gebotene Tiefe der Abstandsfläche nicht eingehalten. Dies trifft jedoch schon deshalb nicht zu, weil nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie nicht breiter als fünf Meter sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrundstücken mindestens 2 Meter entfernt bleiben. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Treppenhauses erfüllt. Insoweit handelt es sich um einen Vorbau im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO, da das Treppenhaus aus dem Gebäude „auskragt“; die Aufzählung von Vorbauten in dieser Vorschrift ist lediglich beispielhaft und daher nicht abschließend (vgl. Schlotterbeck/von Arnim, LBO für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 5 RdNr. 68). Auch hält sich das Treppenhaus innerhalb des von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO gezogenen Rahmens, da es lediglich 0,80 m vor die entsprechende Wand vortritt, nur 2,97 m breit ist und über 4 m von der Grundstücksgrenze der Antragstellerin entfernt bleibt.
Auch einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nach wie vor die Auffassung vertritt, die Festsetzungen des hier einschlägigen Bebauungsplans über die Grundflächen- und Geschossflächenzahl - insoweit hat die Antragsgegnerin eine Befreiung erteilt - sowie über die Zahl der Vollgeschosse seien nachbarschützend, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass derartige Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung - anders als die Festsetzung von Baugebieten (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1993, BVerwGE 94, 151 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 28) - kraft Bundesrechts grundsätzlich nicht dem Schutz des Nachbarn dienen, sondern nur dann, wenn sich den Bebauungsplanunterlagen hinreichend deutlich der Wille der Gemeinde als Planungsträgerin entnehmen lässt, den Maßfestsetzungen diese Wirkung beizulegen (BVerwG, Beschluss vom 23.06.1995, BauR 1995, 823 = PBauE § 31 BauGB Nr. 11; Beschluss vom 19.10.1995, BauR 1996, 82 = PBauE § 30 BauGB Nr. 13). Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin derartige Planungsabsichten bei der Aufstellung des hier maßgeblichen Bebauungsplans verfolgte, werden in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt und sind darüber hinaus auch nicht ersichtlich. Was die Zahl der Vollgeschosse angeht - insoweit hat die Antragsgegnerin keine Befreiung erteilt - hat die Antragstellerin im Übrigen in keiner Weise dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Auffassung der Antragsgegnerin, bei dem Untergeschoss handle es sich nicht um ein Vollgeschoss, weshalb die festgesetzte Zahl von zwei Vollgeschossen nicht überschritten sei, unzutreffend sein soll.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB sind allerdings die nachbarlichen Belange auch bei der Befreiung von nicht nachbarschützenden Normen unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme zu würdigen (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 06.10.1989, BVerwGE 82, 343). Zu Recht ist das Verwaltungsgericht aber davon ausgegangen, dass die von der Antragsgegnerin erteilte Befreiung von der festgesetzten Grundflächen- und Geschossflächenzahl nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte kann ein Nachbar, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens zur Wehr setzt, unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgeht, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 06.12.1996, ZfBR 1997, 227 m.w.N.). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, d.h. Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen möglich sein, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31.08.2000, BVerwGE 112, 41 = PBauE § 17 BauNVO Nr. 9 sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.09.1999 - 3 S 1932/99 -, VBlBW 2000, 113, 114).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folgendes: Mit dem Vorhaben der Beigeladenen werden die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten, so dass das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Blickwinkel einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände (etwa bei besonderen topografischen Verhältnissen), die geeignet sind, trotz Einhaltung des bauordnungsrechtlichen Grenzabstandes zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn zu führen, verletzt sein könnte. Derartige Umstände lassen sich dem Beschwerdevorbringen jedoch nicht entnehmen.
Allerdings bezieht sich die Konkretisierung des Gebots der Rücksichtnahme durch die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften nur auf die genannten Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung, was sich im Wesentlichen mit der Auffassung des Senats zur Schutzrichtung des Abstandsflächenrechts deckt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -, VBlBW 1999, 26). Dagegen erfährt das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme keine Konkretisierung oder gar Einschränkung durch das Abstandsflächenrecht des Landes, soweit nachbarliche Belange in Rede stehen, die von diesem nicht erfasst werden, wie etwa gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder die Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des nachbarlichen Wohnfriedens (vgl. Senatsbeschluss vom 10.09.1998 a.a.O. und Senatsbeschluss vom 12.10.1004 - 8 S 1661/04 -, zur Veröffentlichung in VBlBW bestimmt). Dass der Antragstellerin unzumutbare Beeinträchtigungen dieser Art durch die Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen drohen könnten, lässt sich jedoch ihrem Vorbringen ebenfalls nicht entnehmen.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die straßenseitige (vordere) Baugrenze, die nicht eingehalten und von der ebenfalls befreit worden ist, keine nachbarschützende Funktion zu Gunsten des seitlich an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstücks der Antragstellerin zukommt. Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung von Baugrenzen werden sich regelmäßig hinsichtlich der seitlichen oder hinteren Baugrenzen zu Gunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn ergeben. Denn zu dem an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn wird ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründet, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur wechselseitigen Beachtung der festgesetzten Baugrenzen verpflichtet. Dies gilt aber nicht für eine vordere, straßenseitige Baugrenze. Dieser kommt lediglich die Funktion zu, die Anordnung der Gebäude zur Straße aus städtebaulichen Gründen zu gestalten. Einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze kommt daher regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung zu (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.1992 - 5 S 1475/92 -, ESVGH 43, 81 = NVwZ-RR 1993, 347 sowie Beschluss vom 1.10.1999 - 5 S 2014/99 -, NVwZ-RR 2000, 348, 349).
Da das Vorhaben der Beigeladenen mit dem Erker zur Grünewaldstraße hin die dortige Baugrenze - relativ geringfügig - überschreitet, bedurfte es allerdings auch insoweit einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auch der Eintritt unzumutbarer Beeinträchtigungen und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot als Folge der insoweit von der Antragsgegnerin erteilten Befreiung angesichts des geringfügigen Maßes der Überschreitung und des erheblichen Abstandes des betreffenden Gebäudeteils zum Grundstück der Antragstellerin ohne Weiteres ausgeschlossen werden kann. Die Beschwerdebegründung enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
Mit dem Treppenhausanbau an der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Seite wird die dortige Baugrenze überschritten. Diese seitliche Baugrenze hat auch nachbarschützende Wirkung zu Gunsten des Grundstücks der Antragstellerin, da zu dem an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn grundsätzlich ein Austauschverhältnis begründet wird, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur wechselseitigen Beachtung der festgesetzten Baugrenze verpflichtet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.1992 a.a.O. und Beschluss vom 1.10.1999 a.a.O.). Die Antragsgegnerin hat die entsprechende Überschreitung aber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zugelassen. Nach dieser Vorschrift kann ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen (hierzu gehören auch Treppenhäuser, vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 23 RdNr. 14) in geringfügigem Ausmaß zugelassen werden. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „in geringfügigem Ausmaß“ entzieht sich einer generellen Festlegung; sie ist vielmehr jeweils bezogen auf die Größenordnung des Gebäudes zu bestimmen und daher relativ (vgl. Fickert/Fieseler a.a.O., § 23 RdNr. 13). Zur Bestimmung des Begriffs „in geringfügigem Ausmaß“ kann ferner unter Berücksichtigung des in § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO enthaltenen Rechtsgedankens auf die bauordnungsrechtliche Regelung des § 5 Abs. 6 LBO zurückgegriffen werden, d.h. bei Gebäudeteilen, die den in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen entsprechen und die deshalb bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben, kann zugleich auch angenommen werden, dass sie nur „in geringfügigem Ausmaß“ im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO „vortreten“ (so bereits bezüglich § 23 Abs. 2 Satz 2 BauNVO VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.1993 - 5 S 1029/93 -; ebenso Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 23 BauNVO RdNr. 49). Da - wie oben bereits ausgeführt - im Hinblick auf das Treppenhaus die Voraussetzungen des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO erfüllt sind, liegen somit auch die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 3 Satz 2 LBO für eine Zulassung des „Vortretens“ des Treppenhauses „in geringfügigem Ausmaß“ vor. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Zulassung auch als ermessensfehlerfrei erweist, da nicht ersichtlich ist, dass sie unzumutbare Beeinträchtigungen der Antragstellerin als Eigentümerin des östlich angrenzenden Nachbargrundstücks zur Folge haben könnte. Mit der Beschwerdebegründung werden auch insoweit keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
10 
Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob die in § 31 Abs. 2 BauGB festgelegten Voraussetzungen für die erteilten Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegen, geht dies fehl. Zwar stellt eine Befreiung von nachbarschützenden Festsetzungen, die nicht durch die rechtlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB gedeckt ist, zugleich eine Verletzung von Rechten des Nachbarn dar (vgl. Dürr, Baurecht Baden-Württemberg, 11. Aufl., RdNr. 273). Hier sind aber lediglich Befreiungen von   n i c h t   nachbarschützenden Festsetzungen bezüglich der Geschossflächen- und Grundflächenzahl sowie der vorderen straßenseitigen Baugrenze erteilt worden (bezüglich des Treppenhauses erfolgte die Zulassung aufgrund von § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO, insoweit handelte es sich nicht um eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB). In derartigen Fällen kommt - unabhängig davon, ob die rechtlichen Voraussetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen - eine Verletzung von Nachbarrechten nur in Betracht, wenn bei Erteilung der Befreiung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen worden ist. An einem solchen Verstoß fehlt es hier aber gerade.
11 
Neben der Sache liegt schließlich der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO nicht geprüft. Denn die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Baugenehmigung eine Befreiung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften der LBO nach dieser Bestimmung gar nicht erteilt.
12 
Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Lasten der Antragstellerin gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Einnahme eines Augenscheins kam im vorliegenden summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem grundsätzlich aufgrund präsenter Beweismittel zu entscheiden ist, nicht in Betracht.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
14 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718 - GKG n.F. -; vgl. § 72 Nr. 1 GKG n.F.).
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n.F.).

(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.

(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.

(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.

(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 setzte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg im Verfahren Au 4 K 13.443, das durch einen Prozessvergleich beendet worden war, den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG unter Hinweis auf Nr. 9.2 i. V. m. 9.1.1.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.000 Euro fest. Mit am 11. Februar beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. Februar 2014 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus eigenem Recht (unter Hinweis auf § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss mit dem Ziel, den Streitwert auf 10.000 Euro festzusetzen. Mit Beschluss vom 5. März 2014 lehnte das Verwaltungsgericht eine Abhilfe ab und legte das Verfahren dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vor. Die Landesanwaltschaft Bayern hält die Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht für zutreffend, Umstände, die einen höheren Ansatz rechtfertigen, seien nicht erkennbar.

II.

Die statthafte (§ 32 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 RVG) und fristgerecht eingelegte (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) Beschwerde, über die der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, hat keinen Erfolg. Die mit Beschluss vom 28. Januar 2014 erfolgte Festsetzung des Streitwerts für das mit Klage vom 25. März 2013 eingeleitete verwaltungsgerichtliche Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Teilung einer bestehenden Wohnung in zwei Wohnungen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bereits kein Fehlgebrauch des Ermessens feststellbar; erst recht nicht kommt nur eine Entscheidung im Sinn des zuletzt gestellten Antrags als allein ermessensrichtig in Betracht.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn bestimmenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert - wie hier - gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung gemäß § 32 Abs. 1 GKG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.

Empfehlungen zur Ausübung des Ermessens im Einzelfall bei der Festsetzung des Werts für die Gerichtsgebühren bzw. des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) enthält der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (hier vom Juli 2004 - NVwZ 2004, 1327), der zuletzt in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen als Streitwertkatalog 2013 (BayVBl Beilage 1/2014) veröffentlicht wurde. Im Zusammenhang mit den Wertansätzen für die Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids lautete die einschlägige Nr. 9.2 i. d. F. des Streitwertkatalogs 2004: „mindestens ½ des Ansatzes für die Baugenehmigung“. Im Streitwertkatalog 2013 heißt es an der gleichen Stelle: „Bruchteil des Streitwerts für eine Baugenehmigung, sofern nicht Anhaltspunkte für eine Bodenwertsteigerung bestehen“.

Unabhängig davon, dass es sich dabei um Empfehlungen handelt, denen das Gericht aus eigenem Ermessen folgt oder nicht (vgl. die Vorbemerkung Nr. 3 zum Streitwertkatalog in beiden zitierten Fassungen), spricht wohl grundsätzlich nichts dagegen, die in § 71 Abs. 1 GKG für die Kostenerhebung nach dem Gerichtskostengesetz enthaltenen Rechtsgedanken sinngemäß auf die Heranziehung verschiedener Fassungen des Streitwertkatalogs bei der Ausübung des Ermessens im Einzelfall zu übertragen. Davon geht wohl auch der Beschwerdeführer selbst aus, indem er ausdrücklich auf Nr. 9.1.3 des Streitwertkatalogs 2004 verweist, wonach bei der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ein Wert von 10.000,- € vorgeschlagen wird; Nr. 9.1.1.3 Streitwertkatalog 2013 enthält im Übrigen dieselbe Empfehlung. Die in der jüngsten Fassung des Streitwertkatalogs hinzugekommene Erwähnung der Bodenwertsteigerung dürfte auf einen in der Rechtsprechung für die Streitwertbemessung bei der Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids stellenweise vertretenen Ansatz zurückgehen (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2003 - 1 C 02.785 - juris Rn. 5; B. v. 20.2.2001 - 1 C 00.1287 - VwRR BY 2001, 173 = juris Rn. 7 ff.: ein Zehntel der Bodenwertsteigerung, wenn allein oder überwiegend die Bebaubarkeit des Grundstücks in Streit steht; ablehnend: BayVGH, B. v. 2.3.2001 - 15 ZB 99.643 - BayVBl 2002, 158 = juris Rn. 20: die Hälfte des Streitwerts für die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung, Bodenwertsteigerung als „Bedeutung der Sache“ aufgrund des Antrags des Klägers im Gegensatz zum Investitionsvolumen des konkreten Vorhabens generell nicht objektivierbar; allen zitierten Entscheidungen vorangegangen waren Urteile der 9. Kammer des VG München). Nennenswerte praktische Auswirkungen hat die Heranziehung des Streitwertkatalogs 2004 statt des Streitwertkatalogs 2013 indessen nicht, zumal beide Empfehlungen „nach oben offen“ waren bzw. sind.

Nicht zuletzt angesichts des inzwischen durch Art. 59 Satz 1 BayBO 2008 für das Baugenehmigungsverfahren in einem in der Praxis bedeutsamen, weiten Bereich im Wesentlichen auf das Bauplanungsrecht reduzierten Prüfumfangs ist es im Einzelfall vertretbar, die Streitwertfestsetzung auch in - nur - auf die Erteilung eines Vorbescheids gerichteten Verfahren an dem für die Verpflichtung auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Neuerrichtung desselben Objekts zu orientieren, etwa wenn mit dem Vorbescheid abschließend über die Baulandqualität und damit über den Wert des betroffenen Grundstücks entschieden wird (so BayVGH, B. v. 7.7.2014 -1 ZB 12.2014 - juris Rn. 9; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.1.2014 - 2 C 13.2187 - juris Rn. 4: 2/3 des Streitwerts für das Baugenehmigungsverfahren, wenn mit dem Vorbescheid die wesentlichen planungsrechtlichen Fragen positiv beantwortet wurden; ferner BayVGH, B. v. 10.1.2013 - 1 ZB 12.24 - juris: keine Herabsetzung gegenüber dem für die Baugenehmigung für ein Doppelhaus vorgesehenen Streitwert, wenn im Vorbescheidsverfahren die planungsrechtliche Zulässigkeit mittels umfassender Fragestellung abschließend geklärt werden soll).

Eine mit den zuletzt angesprochenen Fällen vergleichbare, abschließende Tiefe im Untersuchungs- und Entscheidungsumfang ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Hier war nicht über die grundsätzliche Bebaubarkeit eines Grundstücks mit einem nach Art, Lage und Maß näher umrissenen neuen Vorhaben endgültig zu entscheiden, sondern zunächst allein darüber, ob in einem vorhandenen Bestand eine weitere (fünfte) Wohneinheit nachträglich legalisiert werden konnte. Nach der Klärung dieser ursprünglichen, den alleinigen Klagegegenstand bildenden planungsrechtlichen Frage nahmen die Beteiligten das anhängige gerichtliche Verfahren zum Anlass, die darüber hinaus noch bestehenden Hinderungsgründe (Herstellung bzw. rechtliche Sicherung der notwendigen Stellplätze für das Vorhaben) für die spätere Erteilung der Baugenehmigung vorbereitend abzuarbeiten. Erst nachdem dies (u. a. durch eine notariell beglaubigte Zuweisungserklärung bestimmter Stellplätze zu konkret bezeichneten Eigentumswohnungen) geschehen war, waren der Beklagte und die Beigeladene in der Sitzung vom 24. Januar 2014 zum Abschluss eines vom Gericht schon mit Beschluss vom 6. November 2013 vorgeschlagenen Vergleichs bereit. Diese Erweiterung des Prozessstoffs war nicht Gegenstand der sich aus dem ursprünglichen Antrag des Klägers für ihn bei objektiver Betrachtung ergebenden Bedeutung der Sache. Diese hatte sich nach Lage der Dinge bei Klageerhebung darauf beschränkt, dass auch in dem Wohnhaus auf dem Baugrundstück fünf Wohnungen für planungsrechtlich zulässig erklärt werden sollten. Ob die Aktivitäten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Vergleichs eigene Gebühren auslösen, ist hier nicht zu erörtern. Eine höhere Streitwertfestsetzung als ½ des für das Verfahren über die Erteilung einer Baugenehmigung anzusetzenden Wertes ist im vorliegenden Fall nach alledem jedenfalls nicht geboten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2014 - 11 K 3170/13 - ist - mit Ausnahme des Ausspruchs der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Kläger - unwirksam.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen je ein Drittel der Gerichtskosten und je ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen sowie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO) in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und zur Klarstellung auszusprechen, dass das angefochtene Urteil unwirksam ist. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen der Beklagten sowie den beiden Beigeladenen zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Es entspricht nämlich in der Regel billigem Ermessen, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Wenn das erledigende Ereignis eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage ist, kommt es darauf an, wie der Rechtsstreit ohne die Rechtsänderung voraussichtlich entschieden worden wäre (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.1994 - 10 S 1603/94 -juris; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 17).
Das erledigende Ereignis, das der Klage die Erfolgsaussichten genommen hat, ist hier entweder die Einführung von § 246 Abs. 10 BauGB durch Art. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 (BGBl I S. 1748) mit Wirkung vom 26.11.2014 (vgl. dessen Art. 2) oder die Einführung von § 246 Abs. 17 BauGB durch Art. 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (BGBl I S. 1722<1731>) vom 20.10.2015 mit Wirkung vom 24.10.2015. Vor Inkrafttreten der genannten Änderungen des Baugesetzbuchs war die Klage sehr wahrscheinlich begründet, weil die erteilte Baugenehmigung die Kläger wohl in eigenen Rechten verletzte (Senatsbeschlüsse vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - und von 17.12.2013 - 8 S 2350/13). Erst mit der Möglichkeit, von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ der Beklagten ohne Rücksicht auf die Grundzüge der Planung zu befreien (§ 246 Abs. 10 BauGB), möglicherweise auch erst mit der gesetzlichen Regelung, wonach die Befristung bis zum 31.12.2019 in Absatz 10 sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung bezieht, sind die Erfolgsaussichten der Klagen gegen die Baugenehmigung vom 12.09.2012 entfallen. Dem entsprechend hatten auch die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen bis zu den Änderungen des § 246 BauGB keine Aussicht auf Erfolg, das verwaltungsgerichtliche Urteil hätte sich ohne diese Rechtsänderungen wohl als zutreffend erwiesen.
Nach dem eben Ausgeführten hätten die Kläger ohne Änderung des Baugesetzbuchs hier sehr wahrscheinlich obsiegt, so dass es billigem Ermessen entspricht, der Beklagten und den Beigeladenen, die auch erstinstanzlich Sachanträge gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) die Verfahrenskosten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (vgl. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO). Unerheblich ist insoweit, dass die Kläger - bezogen auf die Einführung des § 246 Abs. 10 BauGB - nicht unverzüglich auf die Rechtsänderung reagiert haben. Denn das Prozessrecht kennt keine zeitliche Grenze für den Übergang zur Erledigungserklärung und auch keine Pflicht zur unverzüglichen Reaktion auf den Eintritt eines erledigenden Ereignisses (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 40.91 - NVwZ 1993, 979).
Dem entsprechend hatten auch die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen bis zu den Änderungen des § 246 BauGB keine Aussicht auf Erfolg, das verwaltungsgerichtliche Urteil hätte sich ohne diese Rechtsänderungen wohl als zutreffend erwiesen. Daher ist kein getrennte Kostenlastentscheidung für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren zu treffen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorverfahren bleibt von dem - deklaratorischen - Ausspruch der Unwirksamkeit des Urteils nach beidseitiger Erledigungserklärung in der Berufungsinstanz unberührt. Das erstinstanzliche Urteil wird mit Eingang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen zwar wirkungslos, weil die Rechtshängigkeit mit Rückwirkung beendet wird (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 10). Hingegen ist die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ein das Kostenfestsetzungsverfahren betreffender Ausspruch des Gerichts. Dieser darf in das Urteil aufgenommen werden. Dadurch wird er aber nicht materieller Bestandteil des Urteils (BVerwG, Urteil vom 28.04.1967 - 7 C 128.66 - BVerwGE 27, 39). Insbesondere kann er - vorbehaltlich des Erreichens der Beschwerdegegenstandswerts aus § 146 Abs. 3 VwGO selbstständig mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22.08.1988 - 8 S 2479/88 - juris). Als nur formeller Urteilsbestandteil wird die Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO demzufolge auch nicht unwirksam.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat in Anwendung des Rechtsgedankens des § 71 Abs. 1 GKG an Nr. II 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) - und nicht am Streitwertkatalog 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil die Klage vor dem 01.01.2014 erhoben worden ist (vgl auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.01.2015 - 15 C 14.508 -juris und Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.09.2014 - 7 LA 73/13 -juris). Einer Berücksichtigung des Streitwertkatalogs 2013 für das Berufungsverfahren steht § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG entgegen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.