Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 11. Okt. 2016 - 2 L 134/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2016:1011.2L134.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.10.2016

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendeter Städtebauförderungsmittel.

2

Nachdem der Beklagte angekündigt hatte, Zinsforderungen wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebauförderungsmitteln der Jahr 1991 bis 2003 gegen eine Vielzahl von Städten und Gemeinden, so auch gegen die Klägerin, geltend machen zu wollen, trafen diese mit dem Beklagten Musterverfahrensvereinbarungen. Mit der am 09.09./07.10.2011 abgeschlossenen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten wurden folgende Regelungen getroffen:

3

"1. Das Landesverwaltungsamt erlässt unverzüglich gegen die Stadt C. (Saale) einen Zinsbescheid wegen nicht alsbaldiger Verwendung von Städtebaufördermitteln in den Jahren 1991 bis 2003.

4

2. Die Stadt C. (Saale) wird die Rechtmäßigkeit dieses Zinsbescheides in Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt in einem Musterverfahren zur gerichtlichen Überprüfung stellen.

5

3. Das Land Sachsen-Anhalt erlässt bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Musterverfahrens keinen Zinsbescheid gegen die Stadt A. (Harz) wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln in den Programmen der städtebaulichen Sanierung, des städtebaulichen Denkmalschutzes oder der städtebaulichen Sanierung des ländlichen Bereichs.

6

4. Für den Zeitraum vom Erlass des Zinsbescheides gegen die Stadt C. (Saale) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens gilt die Verjährung als gehemmt im Sinne von § 209 BGB, soweit nicht bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Zinsbescheides gegen die Stadt C. (Saale) Verjährung auch im Verhältnis zur Stadt A. (Harz) eingetreten war."

7

Vor dem Abschluss der Musterverfahrensvereinbarung hatte ein Mitarbeiter des Beklagten gegenüber dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr in einer E-Mail vom 29.06.2011, die einem Vertreter des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt übermittelt wurde, zu dem Entwurf der Vereinbarung Stellung genommen. Hierin hieß es:

8

"Ich halte die Vereinbarung für begrüßenswert, da wir eine Menge Verwaltungsarbeit ersparen, egal wie der Musterprozess endet.

9

Verliert das Land, brauchen die ca. 175 Bescheide mit all der Vorarbeit und den möglichen sich anschließenden Gerichtsverfahren nicht erstellt zu werden.

10

Gewinnt das Land, wäre nach der Erstellung der Bescheide nicht mehr großartig mit Klagen zu rechnen, da die Rechtsfragen ja geklärt sind.

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12

Mir ist bei Durchsicht der Vereinbarung nur eine Ungenauigkeit aufgefallen. Und zwar heißt es unter Nr. 3 beispielhaft für die Kommune S.:

13

"Das Land Sachsen-Anhalt erlässt bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Musterverfahrens keinen Zinsbescheid gegen die Stadt S. wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebauförderungsmitteln."

14

Es müsste jedoch genauer heißen:

15

"3. Das Land Sachsen-Anhalt erlässt bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Musterverfahrens keinen Zinsbescheid gegen die Stadt S. wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebauförderungsmitteln in den Programmen der städtebaulichen Sanierung, des städtebaulichen Denkmalschutzes oder der städtebaulichen Sanierung des ländlichen Bereichs."

16

In den anderen städtebaulichen Programmen werden die isolierten Zinsansprüche ja schon immer geltend gemacht und dies jetzt zu stoppen ist nicht Sinn der vorliegenden Vereinbarung."

17

Nachfolgend setzte der Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2011 gegen die Stadt C. Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung erfolgter Verwendung von Städtebauförderungsmitteln für die Haushaltsjahre bis 2003 fest. Der Bescheid wurde der Stadt C. am 01.10.2011 zugestellt. Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht den Bescheid mit Urteil vom 09.07.2012 – 4 A 300/11 MD – auf. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten wurde mit Urteil des Senats vom 28.11.2013 – 2 L 140/12 – zurückgewiesen. Das Urteil ist seit dem 12.01.2014 rechtskräftig.

18

Mit dem angefochtenen Zinsbescheid vom 25.03.2014 setzte der Beklagte gegen die Klägerin – nach Anhörung – Zinsen für die nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendete Mittel für den städtebaulichen Denkmalschutz für das Haushaltsjahr 2007 (Maßnahme D-Stadt "Altstadt") in Höhe von 13.788,70 € fest. Grundlage hierfür war eine am 10.07.2008 bei dem Beklagten eingegangene Zwischenabrechnung. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die geltend gemachten Zinsansprüche seien nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für Zinsansprüche nach § 49a Abs. 4 VwVfG betrage drei Jahre (§ 195 BGB analog) und beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und das Landesverwaltungsamt von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dieser Zeitpunkt sei für verspätete Mittelverwendungen im Jahr 2007 das Jahr 2008 mit Eingang des Zwischennachweises für 2007 gewesen. Unter Berücksichtigung von § 199 Abs. 1 BGB gelte hier rechnerisch der 01.01.1999 als Beginn des Laufs der o.g. Verjährungsfrist. Diese wäre folglich am 31.12.2011 abgelaufen gewesen. Unter weiterer Berücksichtigung der Hemmungswirkung der Nr. 4 der Einredeverzichtsvereinbarung aus 2011 und der Laufzeit des Musterverfahrens sei hier bis mindestens zum 11.04.2014 keine Verjährung eingetreten.

19

Mit Urteil vom 16.09.2014 – 4 A 96/14 MD – hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 25.03.2014 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die festgesetzte Zinsforderung sei verjährt. Die Verjährung sei nicht aufgrund der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vereinbarung vom 09.09./07.10.2011 gehemmt gewesen. Die Regelung in Nr. 4 dieser Vereinbarung beschränke sich auf Zinsforderungen für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003. Zwar ergebe sich eine zeitliche Beschränkung des Anwendungsbereichs nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Verjährungshemmung solle dazu dienen, dass in den Verfahren, in denen gemäß Nr. 3 der Vereinbarung auf den Erlass von Zinsbescheiden verzichtet werde, nicht aufgrund des Verzichts Verjährung eintreten könne. Auch in Nr. 3 finde sich keine zeitliche Beschränkung des Anwendungsbereichs. Aus der Präambel der Vereinbarung gehe jedoch hervor, dass Hintergrund für die getroffene Vereinbarung die Ankündigung des Landes Sachsen-Anhalt gewesen sei, Zinsforderungen wegen nicht alsbaldiger Verwendung von Städtebaufördermitteln der Jahre 1991 bis 2003 gegen eine Vielzahl von Städten und Gemeinden geltend zu machen. Dieser Umstand lege es nahe, dass sich der Gegenstand der Vereinbarung auf die seinerzeit angekündigten Zinsbescheide für den genannten Zeitraum beschränke. Vor diesem Hintergrund bedürften die Regelungen der Nr. 3 und 4 der Auslegung. Aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung ergebe sich, dass die Klägerin und andere Kommunen die Durchführung des Musterverfahrens vereinbart hätten, um zu vermeiden, dass für sämtliche der seinerzeit im Anhörungsverfahren befindlichen Zinsforderungen für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 Bescheide erlassen und Klageverfahren durchgeführt werden müssen. Die Beteiligten seien davon ausgegangen, dass durch die Führung der Musterverfahren (nur) die seinerzeit im Anhörungsverfahren befindlichen Verfahren entbehrlich würden. Dies ergebe sich aus der E-Mail vom 29.06.2011. Zinsforderungen für die Jahre nach 2003 seien weder in dieser E-Mail noch in Vertragsentwürfen erwähnt worden und auch nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Weder seitens der Kommunen noch seitens des Landes sei ein Interesse daran geäußert worden, über den erörterten Sachverhalt hinaus eine umfassende Lösung für alle künftigen Abrechnungszeiträume zu finden. Auch die Änderung der Nr. 3, mit der eine genaue Bezeichnung der Förderprogramme in den Vertragstext aufgenommen worden sei, stehe in keinem Zusammenhang mit dem Förderzeitraum. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Vertragsparteien in Nr. 3 und 4 der Vereinbarung bewusst auf eine Benennung der maßgeblichen Förderjahre verzichtet hätten, um damit eine unbeschränkte zeitliche Anwendung der Regelung zu ermöglichen. Demgegenüber komme eine Beschränkung auf die Abrechnungszeiträume bis 2003 im Text der Vereinbarung durch einen entsprechenden Einleitungssatz der Präambel zum Ausdruck. Die Beteiligten hätten mit der Mustervereinbarung ersichtlich lediglich das seinerzeit "akute" Problem der angekündigten 175 Verfahren wegen Zinsforderungen für die Jahre 1991 bis 2003 praktikabel und mit geringem Verwaltungsaufwand lösen wollen. Grund für die zeitliche Beschränkung auf die Förderjahre bis 2003 mag zwar – jedenfalls aus der Sicht des Beklagten – der Umstand gewesen sein, dass nur bis dahin ein "revolvierender Einsatz von Zinsen" möglich gewesen sei. Dies ändere aber nichts daran, dass die späteren Förderjahre nicht Vertragsgegenstand gewesen seien. Eine abweichende Auslegung sei auch nicht deshalb geboten, weil es keinen praktischen Anwendungsfall für die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 gebe, wenn sich die Regelung nur auf Zinsbescheide für die Förderjahre 1991 bis 2003 bezöge. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Kommunen seien die Zinsforderungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2011 verjährt gewesen. Nach der Rechtsauffassung des Landes habe eine Verjährung vor Erlass der Zinsfestsetzungsbescheide nicht eintreten können. Demgemäß hätte es keiner Regelung über die Verjährungshemmung bedurft, wenn sich der Anwendungsbereich der Vereinbarung auf die Förderjahre bis 2003 beschränke. Gleichwohl gebe es keinen Grund für die Annahme, die Regelung über die Verjährungshemmung sei in die Vereinbarung aufgenommen worden, um die Verjährung von Zinsforderungen für spätere Förderzeiträume zu verhindern. Vielmehr sei angesichts der Schwierigkeiten bei der Berechnung der Verjährung davon auszugehen, dass die Vertragsparteien keine genauen und differenzierten Überlegungen zu den möglichen Anwendungsfällen der Nr. 4 angestellt hätten und lediglich sicherstellen wollten, dass in keiner der vom Vertragsgegenstand erfassten Fallkonstellationen aufgrund des in Nr. 3 vereinbarten Verzichts auf die Zinsfestsetzung Verjährung eintrete. Für die Auslegung der Vereinbarung komme es auch nicht darauf an, dass es zweckmäßig gewesen wäre, die späteren Förderjahre in die Mustervereinbarung einzubeziehen. Bezögen sich die Regelungen auf den Zeitraum bis zum Jahr 2003, hätten das Land und die Kommunen unmittelbar nach Abschluss der Mustervereinbarung mit einer Vielzahl weiterer Verfahren für die Folgejahre rechnen müssen. Wie sich aus der E-Mail vom 29.06.2011 ergebe, hätten die Vertragsparteien diese weiteren Verfahren aber gerade nicht in ihre Überlegungen einbezogen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nicht möglich. Da die Abrede über die Verjährungshemmung in Nr. 4 der Vereinbarung auf die vorliegende Zinsforderung für das Haushaltsjahr 2007 nicht anwendbar sei, sei die Zinsforderung gemäß §§ 195, 199 BGB seit dem 01.01.2012 verjährt.

II.

20

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

21

Die vom Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel ist erfüllt, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 -, Juris RdNr. 11). Das ist vorliegend nicht der Fall.

22

1. Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, der Wortlaut der Regelungen in Nr. 3 und 4 der Vereinbarung vom 09.09./07.10.2011 sei derart eindeutig, dass es einer Auslegung nicht bedürfe. Das trifft nicht zu. Die genannten Regelungen bedürfen der Auslegung. Zwar ist Voraussetzung einer Auslegung die Auslegungsfähigkeit der Erklärung. Hat eine Willenserklärung einen eindeutigen Wortlaut, ist für eine Auslegung kein Raum (vgl. OLG Köln, Urt. v. 21.09.2012 – 1 U 37/12 –, juris RdNr. 40). So liegt es hier aber nicht. Der Wortlaut der Musterverfahrensvereinbarung ist nicht derart eindeutig, dass sie hinsichtlich der Frage, welche Haushaltsjahre von der unter Nr. 4 vereinbarten Verjährungshemmung erfasst sind, keiner Auslegung zugänglich ist. Nach dem Wortlaut der Regelung unter Nr. 4 der Vereinbarung soll "die Verjährung" unter bestimmten Voraussetzungen für einen bestimmten Zeitraum als gehemmt im Sinne von § 209 BGB gelten. Die Regelung enthält jedoch keine Bestimmung des Bezugspunkts der Verjährung, also der Frage, wessen Verjährung als gehemmt gelten soll. Bereits deshalb bedarf sie der Auslegung. Anhaltspunkte für den durch Auslegung zu bestimmenden Bezugspunkt der gemäß Nr. 4 als gehemmt geltenden Verjährung ergeben sich aus dem Zusammenhang mit der Regelung unter Nr. 3 der Vereinbarung. Die Verjährungshemmung dient – wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – dazu sicherzustellen, dass in den Verfahren, in denen gemäß Nr. 3 auf den Erlass von Zinsbescheiden verzichtet wird, nicht aufgrund des Verzichts Verjährung eintritt. Nach Nr. 3 der Vereinbarung soll bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens kein Zinsbescheid "wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebauförderungsmitteln in den Programmen der städtebaulichen Sanierung, des städtebaulichen Denkmalschutzes oder der städtebaulichen Sanierung des ländlichen Bereichs" erlassen werden. Diese Regelung ist im Hinblick auf ihren zeitlichen Anwendungsbereich nicht eindeutig, sondern offen, da sie keine Bestimmung der von ihr erfassten Haushaltsjahre enthält. Nach dem Wortlaut der Regelung ist ein Verständnis dahin denkbar, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens für sämtliche in Betracht kommenden Haushaltsjahre, also auch für die dem Jahr 2003 nachfolgenden Haushaltsjahre, einstweilen keine Zinsbescheide erlassen werden sollen. Mit Blick auf den in der Präambel wiedergegebenen Anlass der Vereinbarung ist aber auch ein Verständnis dahin möglich, dass nur für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 eine einstweilige Unterlassung weiterer Zinsbescheide vereinbart werden sollte. Eine genaue Klärung der Frage, für welche Haushaltsjahre die Verjährung als gehemmt gelten soll, kann vor diesem Hintergrund nur eine Auslegung der Regelungen in Nr. 3 und 4 der Vereinbarung erbringen.

23

2. Ohne Erfolg rügt der Beklagte, das Verwaltungsgericht ziehe aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung, insbesondere aus der E-Mail vom 29.06.2011, die falschen Schlüsse, da es Sinn und Zweck dieser E-Mail verkenne. Zwar werde in dieser E-Mail zunächst auf die bereits angekündigten 175 Bescheide für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 als "Einspareffekt" hingewiesen. Entscheidend sei aber der in Nr. 3 aufgenommene Zusatz. Dieser bringe zum Ausdruck, dass nur in den dort näher genannten Programmen die Geltendmachung von Zinsansprüchen gestoppt werden und in den anderen städtebaulichen Programmen die Geltendmachung isolierter Zinsansprüche weitergehen sollte. Die Konkretisierung der Programme in Nr. 3 habe den Zweck gehabt, den Stopp der Geltendmachung von Zinsforderungen für die Haushaltsjahre nach 2003 auf diese Programme zu beschränken. Die in der E-Mail vom 29.06.2011 angesprochenen "anderen städtebaulichen Programmen" sollten demgegenüber aus dem Verzicht auf den Erlass von Zinsbescheiden nach Nr. 3 ausgenommen werden, da hier keine Verjährungsproblematik bestanden habe und man deshalb die weitere Geltendmachung der Ansprüche nicht durch den Abschluss der Vereinbarung habe unmöglich machen wollen. Dieser Einwand greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die auf Initiative des Beklagten in den Text der Nr. 3 aufgenommene Konkretisierung der Programme in keinem Zusammenhang mit dem Förderzeitraum stehe. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass sich durch die Konkretisierung der Programme in Nr. 3 für die anderen städtebaulichen Programme in zeitlicher Hinsicht keine Beschränkung für die Geltendmachung von Zinsansprüchen ergibt. Hieraus lässt sich jedoch nicht zwingend der Umkehrschluss ableiten, dass in den von Nr. 3 erfassten Programmen auch in den Haushaltsjahren nach 2003 der Erlass von Zinsbescheiden ausgeschlossen sein soll. Vielmehr ist auch nach Berücksichtigung der Angaben des Beklagten in der E-Mail vom 29.06.2011 nicht eindeutig, ob sich der Verzicht auf den Erlass von Zinsbescheiden für die in Nr. 3 genannten Programme auf die in der Präambel genannten Haushaltsjahre 1991 bis 2003 beschränken oder die nach 2003 liegenden Haushaltsjahre ebenfalls erfassen sollte. Soweit der Beklagte geltend macht, die Herausnahme der anderen Programme aus der Verzichtsvereinbarung in Nr. 3 sei vorgenommen worden, da in diesen Programmen keine Verjährungsproblematik bestanden habe, so gilt dies auch für die in Nr. 3 genannten Programme, soweit die von den Kommunen geltend gemachte dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung im Jahr 2011 noch nicht abgelaufen war.

24

3. Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht ziehe aus dem Umstand, dass der "revolvierende Einsatz von Zinsen" nur bis zum Jahr 2003 zulässig gewesen sei, zu Unrecht den Schluss, dass die späteren Förderjahre nicht Vertragsgegenstand geworden seien. Diesen Schluss hat das Verwaltungsgericht nicht gezogen. Es hat zwar erwogen, dass der Grund für die zeitliche Beschränkung der Anhörungen auf die Förderjahre bis 2003 – jedenfalls aus der Sicht des Beklagten – der Umstand gewesen sein mag, dass nur bis dahin ein "revolvierender Einsatz von Zinsen" möglich gewesen sei. Dem hat das Verwaltungsgericht indessen keine Bedeutung für seine Annahme beigemessen, die späteren Förderjahre seien nicht Vertragsgegenstand gewesen.

25

4. Zu Unrecht wendet sich der Beklagte gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass die Regelung über die Verjährungshemmung in die Vereinbarung aufgenommen worden sei, um die Verjährung von Zinsforderungen für spätere Förderzeiträume zu verhindern, selbst wenn es keinen praktischen Anwendungsfall für die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 gebe, wenn sich die Regelung nur auf Zinsbescheide für die Förderjahre 1991 bis 2003 beziehe. Das Verwaltungsgericht hat insoweit vielmehr schlüssig angenommen, angesichts der Schwierigkeiten bei der Berechnung der Verjährung sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien keine genauen und differenzierten Überlegungen zu den möglichen Anwendungsfällen der Nr. 4 angestellt hätten und lediglich hätten sicherstellen wollen, dass in keiner der vom Vertragsgegenstand erfassten Fallkonstellationen aufgrund des in Nr. 3 vereinbarten Verzichts auf die Zinsfestsetzung Verjährung eintrete. Ohne Erfolg wendet der Beklagte hiergegen ein, dass Gericht solle den Vertragsparteien getrost unterstellen, dass sie durchaus im Stande gewesen seien, sich über die praktische Relevanz der Regelung über die Verjährungshemmung Gedanken zu machen und einen derart tragenden Gesichtspunkt nicht einfach übersehen hätten. Auch der Senat hält es für möglich, dass die Beteiligten die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 der Vereinbarung mit einem Inhalt abgeschlossen haben, der sich – im Rückblick – als überflüssig erweist. Jedenfalls enthält die zwischen der Stadt C. und dem Beklagten abgeschlossene Musterverfahrensvereinbarung vom 13.09./07.10.2011 ohne Zweifel eine Regelung über die Verjährungshemmung, die – rückblickend – ohne praktische Relevanz war. In Nr. 4 dieser Regelung vereinbarten die Beteiligten für den Zeitraum vom Erlass des gegen die Stadt C. zu erlassenden Zinsbescheides bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens, dass die Verjährung von Zinsforderungen für die Maßnahme "C. Berg- und Talstadt mit Schloss, Haushaltsjahre 1991 bis 2003" als gehemmt im Sinne von § 209 BGB gilt, soweit nicht bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Zinsbescheides Verjährung eingetreten war. Diese Regelung hatte ausgehend vom damaligen Rechtsstandpunkt des Beklagten keine praktische Bedeutung, da dieser annahm, die Verjährung beginne nicht vor Erlass eines Zinsbescheides. Auch bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Kommunen hatte die Regelung keine praktische Bedeutung, da diese davon ausgingen, dass Zinsforderungen für die Haushaltsjahre bis 2003 im Jahr 2011 bereits verjährt seien. Gleichwohl wurde die Verjährungshemmung für die in Nr. 3 genannten Maßnahme in den Haushaltsjahren 1991 bis 2003 vereinbart. Vor diesem Hintergrund spricht der Umstand, dass es keinen praktischen Anwendungsfall für die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 der Vereinbarung gibt, nicht zwingend gegen das vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis.

26

5. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, aus dem Zweck der Vereinbarung, eine effektive Verwaltungsersparnis herbeizuführen und überflüssige Prozesse (über den vereinbarten Musterprozess hinaus) zu vermeiden, ergebe sich, dass der Verzicht auf den Erlass von Zinsbescheiden nach Nr. 3 und damit die Verjährungshemmung nach Nr. 4 auch für die Haushaltsjahre nach 2003 gelten müsse. Die Musterverfahrensvereinbarung unterliegt als materiell-rechtlicher Vertrag den für privatrechtliche Verträge geltenden allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Hiernach kommt es neben dem Wortlaut und dem daraus zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen entscheidend auf den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck der Regelung, die beiderseitige Interessenlage und die Begleitumstände der Vereinbarung an (vgl. OVG NW, Beschl. v. 03.12.2014 – 13 A 302/14 –, juris RdNr. 5). Lässt der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so ist derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2005 – XII ZR 241/03 –, juris RdNr.13). Gemessen daran ist die Vereinbarung vom 09.09./07.10.2011 dahin zu verstehen, dass sie nur Zinsbescheide bzw. Zinsforderungen für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 betrifft. Zweck der Vereinbarung ist die Ersparung von Verwaltungsaufwand und Kosten durch den Verzicht auf Zinsbescheide und Gerichtsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens in den Fallkonstellationen, in denen die im Musterverfahren zu klärende Verjährungsproblematik relevant ist. Es sollte bis zum Abschluss des Musterverfahrens keine weiteren Bescheide und Gerichtsverfahren in den Fallkonstellationen geben, in denen die Verjährung streitig war. Dies betraf jedenfalls die Haushaltsjahre 1991 bis 2003, die nach der Präambel – und auch ausweislich der Ausführungen in der E-Mail vom 29.06.2011 – Anlass für den Abschluss der Musterverfahrensvereinbarung waren. Demgegenüber fallen diejenigen Haushaltsjahre, in denen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung im Jahr 2011 keine Verjährungsproblematik bestand, in denen also auch nach der Rechtsauffassung der Kommunen im Jahr 2011 noch keine Verjährung eingetreten war, nicht unter den Zweck der Vereinbarung. Dies betrifft jedenfalls die Haushaltsjahre ab 2007. Für dieses Haushaltsjahr begann die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB entsprechend § 199 Abs. 1 BGB auf der Grundlage der Zwischenabrechnung vom 10.07.2008 am 31.12.2008. Erst mit Ablauf des 31.12.2011 lief sie ab. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 09.09./07.10.2011 war die Verjährungsfrist für Zinsforderungen gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49a Abs. 4 VwVfG damit noch nicht abgelaufen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Klägerin auch in einem solchen – im Hinblick auf die Verjährung unproblematischen – Fall auf eine allein zu ihren Lasten wirkende Verjährungshemmung einlassen sollte. Eine derart weitgehende Vereinbarung der Hemmung der Verjährung würde eine deutliche Schlechterstellung gegenüber denjenigen Gemeinden bedeuten, die keine Musterverfahrensvereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen haben. Dies wäre ein evidenter Widerspruch zu der Interessenlage der Klägerin. Ein derartiger Inhalt der Vereinbarung ist als Regelungsinhalt nicht anzunehmen. Vielmehr folgt aus dem Zweck der Vereinbarung, in Fällen unklarer Verjährung zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung den Ausgang des Musterverfahrens abzuwarten, und unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten, keinen zur Erreichung dieses Zwecks nicht erforderlichen Rechtsverzicht anzunehmen, dass der zeitliche Anwendungsbereich der Vereinbarung vom 09.09./07.10.2011 auf die in der Präambel genannten Haushaltsjahre 1991 bis 2003 beschränkt ist, die auch den Anlass zum Abschluss der Vereinbarung gaben.

27

6. Nicht zu folgen ist dem Beklagten schließlich, soweit er meint, jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 der Vereinbarung auch auf die Haushaltsjahre nach 2003 zu erstrecken. Wie oben dargelegt, ist – ausgehend von der jeweiligen Interessenlage – anzunehmen, dass die Beteiligten, jedenfalls die Klägerin, eine Regelung für die Haushaltsjahre nach 2003 nicht gewollt haben.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

29

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 11. Okt. 2016 - 2 L 134/14

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 11. Okt. 2016 - 2 L 134/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 11. Okt. 2016 - 2 L 134/14 zitiert 11 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden 1. des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,2. der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sons

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 49a Erstattung, Verzinsung


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Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung erfolgter Verwendung von Zuwendungen.

2

Nachdem die Klägerin in das Programm „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ aufgenommen worden war, beantragte sie für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 beim Regierungspräsidium Dessau und beim Beklagten Städtebauförderungsmittel nach den jeweiligen Richtlinien zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Mit diversen Bescheiden zwischen dem 19.12.1995 und dem 30.09.2003 wurden der Klägerin Fördermittel bewilligt. In den Bescheiden war die Geltung der jeweiligen Förderrichtlinien, der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO und der Nebenbestimmungen (AN-Best-Gk) geregelt. Im Auftrag der Klägerin erstellte die Sachsen-Anhaltinische Landesgesellschaft mbH (SALEG) nach Abschluss der jeweiligen Haushaltsjahre Verwendungsnachweise und Zwischenabrechnungen. Diese wurden vom städtischen Rechnungsprüfungsamt geprüft und an die jeweilige Landesbewilligungsbehörde weitergeleitet. Der letzte Prüfbericht – für das Haushaltsjahr 2003 – wurde am 13.01.2005 abgesandt.

3

Mit Anhörungsschreiben vom 30.09.2008 teilte der Beklagte der Klägerin seine Absicht mit, für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 Zinsen in Höhe von 42.772,04 € für die nicht fristgemäße Verwendung der Fördermittel festzusetzen. Die Klägerin berief sich auf Verjährung, bezweifelte das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zeit vor dem 01. 03.1998 und hielt die Berechnungen für nicht prüffähig. Nachdem der Beklagte seine Absicht mitgeteilt hatte, für alle bis zum 31.08.1999 ausgereichten Fördermittel einen Abschlag von 20 % zu gewähren, hörte er die Klägerin unter Neuberechnung der Zinsforderung mit Schreiben vom 02.08.2011 erneut an.

4

Mit Bescheid vom 27.09.2011 setzte der Beklagte die Zinsen auf 46.167,84 € fest. Auf der Grundlage der eingereichten Zwischenverwendungsnachweise und nachgeforderten Unterlagen habe er festgestellt, dass die Zuwendungen nicht alsbald nach der Auszahlung für fällige Zahlungen verwendet worden seien. Daraus ergäben sich Zinsforderungen. Rechtsgrundlage sei § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in den jeweils aktuellen Fassungen. Die Höhe der vor dem 01.12.2005 angefallenen Zinsen bemesse sich nach den Gesetzen über die Feststellung des Haushaltsplans, dem Vorschaltgesetz zum Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Verwaltungsverfahrensgesetz i. V. m. den jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorschriften. Eine alsbaldige Verwendung einer Zuwendung liege nach den Verwaltungsvorschriften vor, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung für fällige Zahlungen verbraucht worden sei. Zu Gunsten der Klägerin sei man davon ausgegangen, dass die Auszahlungen innerhalb eines Monats bereits am ersten Tag des Monats geleistet worden seien. Das ihm bei der Zinserhebung zustehende Ermessen sei nach den Verwaltungsvorschriften dahingehend eingeschränkt, dass regelmäßig Zinsen zu verlangen seien, wenn der Zuwendungsbescheid nicht widerrufen werde. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Das öffentliche Interesse an der Zinsforderung wiege schwerer als das Interesse der Klägerin, nicht mit den Zinsen belastet zu werden. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beginne bei Verwaltungsakten, bei denen Ermessen eröffnet sei, erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts.

5

Die Klägerin hat am 28.10.2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Eine Berechnung der Zinsen nach dem VwVfG in der Fassung vom 18.11.2005 sei rechtswidrig, weil die Rechtslage zum Zeitpunkt der Zinslaufzeit anzusetzen gewesen sei, also für jedes einzelne Projekt ab dem Zeitpunkt, in dem die Zuwendung nicht alsbald verwendet worden sei. Aus dem Bescheid und den Anlagen sei nicht erkennbar, warum nach Ansicht des Beklagten Mittel zu spät abgerufen sein sollten. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Qualität die dem Bescheid beigefügten Prüfungsmitteilungen hätten und welchen Zeitraum der Beklagte für die Zinslaufzeit bis zur Verwendung angesetzt habe. Anders als nach der Berechnung des Beklagten könne die Frist für die alsbaldige Verwendung erst ab der Auszahlung an die Treuhänderin beginnen, weil sich durch die Einzahlung auf das Treuhandkonto unvermeidbare Verzögerungen ergeben hätten. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht ausgeübt. Die Verwaltungsvorschrift könne das Ermessen nicht einschränken, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften keine Beschränkung vorsähen. Zu den Verzögerungen sei es aus verschiedenen Gründen (Bauverzögerungen, mangelnder Prüffähigkeit von Rechnungen, Insolvenzen oder ungünstigen Witterungsverhältnissen) gekommen. Die Zinsforderungen seien im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Zinsbescheides verjährt gewesen. Für vor dem 01.01.2002 entstandene Ansprüche habe eine vierjährige Verjährungsfrist, anschließend die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gegolten. Der Zinsanspruch entstehe nicht erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts, sondern in dem Zeitpunkt der nicht alsbaldigen Verwendung. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, in dem der Zinsanspruch objektiv habe geltend gemacht werden können. Die Auffassung des Beklagten, dass es für den Verjährungsbeginn auf die Fälligkeit ankomme, führe dazu, dass ein nicht festgesetzter Anspruch gar nicht verjähren könne.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 27.09.2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er erwiderte: Die Unterlagen zur Zinsberechnung seien hinreichend prüffähig. Aus den Zinskarten könne eindeutig entnommen werden, welche Summen zu welchem Zinssatz zu verzinsen gewesen seien. Die Klägerin könne den Zinsforderungen nicht entgegen halten, dass sie sich einer Treuhänderin bedient habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für Verzögerungen griffen nicht, da die Frist für die Verwendung von zwei Monaten angemessen sei, um Verzögerungen aufzufangen. Die Zinsforderungen seien nicht verjährt. Die Festsetzung des isolierten Zinsanspruchs durch Bescheid betreffe nicht nur die Fälligkeit, sondern lasse den Anspruch erst entstehen. Das Erfordernis einer Ermessensausübung sei konstitutiv.

11

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 09.07.2012 den Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Zinsforderungen seien verjährt. Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Zinsansprüche für nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendete Leistungen komme nur § 49 a Abs. 4 VwVfG LSA a. F. und § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. d. F. vom 18.11.2005 i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in Betracht.

12

Es teile die Auffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.02.2012 (– 1 LC 150/11 –), dass für die hier strittigen Zinsforderungen mangels spezialgesetzlicher Regelungen die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 sei für Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die Regelung des § 195 BGB anwendbar, nach der die Ansprüche in 3 Jahren verjährten.

13

Die Verjährung beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend sei, ab wann die Behörde den Anspruch auf Zwischenzinsen mittels Verwaltungsakt hätte geltend machen können. Diese Auffassung werde auch von den Oberverwaltungsgerichten der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin-Brandenburg sowie vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof geteilt. Soweit das Verwaltungsgericht Dessau mit Urteil vom 19.02.2004 – 2 A 422/01 – die Auffassung vertrete habe, dass der isolierte Zinsanspruch erst entstehe, wenn er tatsächlich geltend gemacht werde, teile es mit den vorgenannten Oberverwaltungsgerichten diese Auffassung nicht. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass der Anspruch auch durch einen entsprechenden Zinsbescheid geltend gemacht werde. Bei dem Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG handele es sich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Daher entstehe der Anspruch, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien, also bereits alsbald nach Auszahlung der Mittel. Hingegen trete die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides ein. Andernfalls ginge die Ermessensvorschrift des § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfG ins Leere. Für den Beginn der Verjährungsvorschriften sei nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Ansonsten hätte es die Behörde in der Hand, den Verjährungsbeginn beliebig lange hinaus zu schieben. Eine Festsetzungsverjährung könnte gar nicht eintreten. Für die vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 entstandenen Ansprüche richte sich die Verjährung nach der Übergangsvorschrift des Art. 29 EGBGB § 6 Abs. 4. Es sei umstritten, ob für bis dahin entstandene Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 197 BGB a. F. oder die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. gelte. Die Frage könne aber dahinstehen, weil die Anwendung der verschiedenen Regelungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führe; denn sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen seien verjährt. Gehe man davon aus, dass bis zum 01.01.2002 die 30-jährige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB a. F. gelte, so sei für vor diesem Stichtag entstandene Forderungen ab dem 01.01.2002 die kürzere Verjährungsfrist von 3 Jahren anzuwenden, so dass die Verjährung am 01.01.2005 eingetreten sei. Bei Anwendung der 4-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a. F. seien die Forderungen - unabhängig davon, ob der Beginn der Frist nach dieser Vorschrift die Kenntnis der zuständigen Behörde voraussetze – jedenfalls nicht zu einem späteren Zeitpunkt verjährt. Für die nach dem 01.01.2002 entstandenen Zinsforderungen sei der letzte Prüfbericht für das Haupthaltsjahr 2003 im Januar 2005 beim Beklagten eingegangen, so dass die letzte Forderung am 01.01.2009 verjährt sei. Damit sei im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 27.09.2011 auch die jüngste Zinsforderung verjährt.

14

Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung am 22.08. 2012 eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, für den Beginn der Verjährung bei einem auf § 49 a Abs. 4 VwVfG beruhenden Anspruch sei auf den Zeitpunkt des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Kenntnis der Behörde hiervon abzustellen, sei unzutreffend. § 49 a VwVfG Abs. 4 sei eine Ermessensvorschrift. Das bedeute, dass ein Zinsanspruch nicht schon dann entstehe, wenn die Mittel nicht alsbald verwendet worden seien und die Behörde davon Kenntnis erlangt habe, sondern erst dann, wenn die Behörde ihr Ermessen ausgeübt habe. Dass diese Ansicht zutreffend sei, werde klar, wenn man davon ausginge, dass dann, wenn eine Behörde auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zinsen nicht erhoben werden könnten, kein Anspruch auf Zinsen entstände. In diesem Fall wäre gerade nicht nur die Fälligkeit des Zinsanspruchs betroffen. Das Bedürfnis nach einer zeitnahen Entscheidung über das Bestehen von Zahlungsverpflichtungen dürfe klare dogmatische Regeln für das Entstehen von Ansprüchen nicht ersetzen. Seine Rechtsauffassung stütze er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 19.02.2004 sowie eine interne rechtsgutachtliche Stellungnahme des Ministeriums der Justiz im Rahmen einer Kabinettsvorlage vom 06.05.2005. Diese Stellungnahme des Ministeriums sei seit 2005 Grundlage für das Vorgehen der Landesverwaltung bei Zinserhebungen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 9. Juli 2012 – 4 A 300/11 MD – abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das verwaltungsgerichtliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und der des Bundesverwaltungsgerichts beginne die Verjährung in entsprechender Anwendung der §§ 195, 199 BGB in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass er durch Zinsbescheid geltend gemacht werde. Die Auffassung des Beklagten, des Verwaltungsgerichts Dessau und des Justizministeriums des Landes Sachsen-Anhalt sei veraltet und durch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 27.04.2005 eindeutig klar gestellt, dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG entstehe, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien. Mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides werde der Zwischenzinsanspruch lediglich fällig, weil das in § 49 a Abs. 4 VwVfG eingeräumte Ermessen ins Leere ginge, wenn die Zinsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig würde. Diese öffentlich-rechtliche Besonderheit rechtfertige es nicht, im Rahmen der entsprechenden Anwendung der BGB-Verjährungsvorschriften entgegen deren Wortlaut für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Fälligkeit des Anspruches und nicht auf die Entstehung abzustellen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Zinsbescheid des Beklagten vom 27.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

Vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger unterliegen der Verjährung, wie die Regelung des § 53 VwVfGüber die Hemmung der Verjährung zeigt. Soweit spezialgesetzliche Vorschriften fehlen und auch keine sachnäheren öffentlich-rechtlichen Vorschriften – insbesondere die Abgabenordnung für den Bereich der Abgabenerhebung – für eine Analogie in Betracht kommen, finden auf die Verjährung öffentlich-rechtlicher Vermögensansprüche die §§ 195 ff. BGB entsprechende Anwendung (so auch OVG NRW, Urt. v. 20.04.2012 – 4 A 2005/10 –, nach Juris m.w.N).

23

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d. F. vom 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG einer kurzen Verjährungsfrist unterworfen ist, die bei Anwendung des BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung vier Jahre betrug (§ 197 BGB a.F. analog) und bei Anwendung des BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung drei Jahre beträgt (§ 195 BGB analog). Diese Ansicht, die von der Beklagten nicht angegriffen wird, entspricht der Auffassung verschiedener Oberverwaltungsgerichte und wird vom erkennenden Senat geteilt (vgl. OVG M-V, Urt. v. 09.02.2005 – 2 L 66/03 –, nach Juris RdNr. 21 ff. und Beschl. v.14. 02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 12 ff; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris RdNr. 42; Thür. OVG, Urt. v. 07.04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris, RdNr. 30 ff.; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 – 1 A 963/10 –, nach Juris RdNr. 18 und Urt. v. 28.02.2013 – 1 A 346709 –, nach Juris RdNr. 46; a.A. lediglich OVG Brandenburg, Urt. v. 11.02.2004 – 2 A 680/03 –, nach Juris, RdNr. 30. Wonach auf den Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg i.V.m. § 195 a.F. BGB mit einer 30-jährigen Verjährungsfrist anzuwenden sei, da es sich bei den Zinsen nach § 49a Abs.4 VwVfG Bbg weder um „Zinsen“ noch um andere „regelmäßig wiederkehrende Leistungen“ im Sinne von § 197 BGB n. F. handele).

24

Weiter zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier der Beklagte – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.04.2005 – 8 C 5/04 –, nach Juris, RdNr. 12 ff. und Beschl. v. 21.10.2010 – 3 C 3/10 –, nach Juris. RdNr. 11) sowie der Rechtsprechung zahlreicher Oberverwaltungsgerichte und mit den Auffassungen in der Literatur (vgl. OVG M-V, Beschl. v.14.02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 16; Hess. VGH, Urt. 09.12.2011 – 8 A 909/11 – nach Juris RdNr. 42 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris, RdNr. 47; OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 11.03.2010 – OVG 2 B 1.09 –, nach Juris RdNr. 27 ff.; Thür. OVG, Urt. v. 07. 04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris RdNr. 40 ff; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 –1 A 963/10 –, nach Juris RdNr.20 ff.; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 84; Meyer, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 9.Aufl. § 49 a RdNr. 28; Graupeter, LKV, 2006, S.206).

25

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Dessau (Urt. v. 19.02.2012 – 2 A 422/01 –, nach Juris RdNr.40) und die sich dieser Auffassung anschließende Ansicht des VG Halle (Urt. v. 15.11.2012 – 1 A 28/11 –, nach Juris RdNr. 41), dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG erst entstehe, wenn der Anspruch durch Bescheid geltend gemacht worden sei, weil der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs nicht vor dem Zeitpunkt liegen könne, in dem die Alternativität der Reaktionsmöglichkeiten auf eine nicht alsbaldige Verwendung gewährter Zuwendungen entfalle und der Zuwendungsgeber sich entschieden habe, unter Verzicht auf seine Widerrufsmöglichkeit nur den Zinsanspruch geltend zu machen, teilt der Senat nicht. Er teilt vielmehr die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O., RdNr. 14,15), dass der Zinsanspruch bei verzögertem Mitteleinsatz in dem Zeitpunkt entstehe, zu dem die Leistung nicht „alsbald“ nach Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden ist und mit dem Erlass des ihn festsetzenden Zahlungsbescheides (oder des darin genannten Zeitpunktes) fällig wird. In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht auch ausgeführt, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts Potsdam in den zu entscheidenden Verfahren, „die Fälligkeit des Verzögerungszinsanspruchs nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg trete in jenem Zeitpunkt ein, in welchem die berechtigte (Bewilligungs-)behörde nach Anhörung des Betroffenen über die Frage entscheiden könne, ob sie den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid widerrufe oder stattdessen Verzögerungszinsen geltend mache, nicht tragfähig sei“.

26

Zur Begründung seiner Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O.) in Bezug auf das Entstehen von Zinsansprüchen das Folgende ausgeführt:

27

„Der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs ergibt sich aus dem Sinn der Regelung. (…) ´Zweck des § 49 a Abs. 4 VwVfG ist es ..., der Behörde für den Fall, dass eine Leistung nicht alsbald verwendet wird, neben dem Widerruf eine mildere Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Erbringung verwendet, kann der die Leistung bewilligende rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 VwVfG) und die Erstattung der Leistung gefordert werden (§ 49 a Abs. 1 VwVfG). Sieht der Zuwendungsgeber angesichts der letztlich doch noch erfolgten zweckentsprechenden Verwendung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vom Widerruf ab, wird ihm durch die Bestimmung des § 49 a Abs. 4 VwVfG die Möglichkeit eröffnet, zumindest den Vorteil abzuschöpfen, den der Zuwendungsempfänger daraus gezogen hat - oder zumindest hätte ziehen können -, dass er die Mittel zinsbringend eingesetzt oder Zinsen für eine sonst notwendige Darlehensaufnahme vermieden hat. Gleichzeitig wird der Nachteil ausgeglichen, der dem Zuwendungsgeber dadurch entstanden ist, dass er in dem maßgebenden Zeitraum die Mittel nicht selbst zinsbringend oder anderweitig fördernd einsetzen konnte.’

28

Bei diesem Zinsanspruch handelt es sich folglich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Diese Funktion wird durch § 49 a Abs. 4 Satz 2 VwVfG Bbg bestätigt, wonach ein behördliches Zinsverlangen nicht einen späteren Widerruf der Bewilligung ausschließt. Deshalb wird der Anspruch existent, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. alsbald nach Bewilligung der Mittel.“

29

Soweit der Beklagte einwendet, wenn er auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zwischenzinsen nicht erhoben werden könnten, könnte ein Anspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG nicht vor dieser Entscheidung entstehen, vermag er damit die Richtigkeit der oben dargestellten Auffassung nicht in Frage zu stellen.

30

Bei § 49 a Abs. 4 VwVfG ist auch das positive Zinsverlangen in das Ermessen der Behörde gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht lässt gleichwohl im Urteil vom 27.04.2005 den Anspruch bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen, also alsbald nach Bewilligung der Mittel, existent werden, verschiebt nur mit Rücksicht auf das Ermessen der Behörde, ob sie den Anspruch überhaupt geltend macht, die Fälligkeit auf die Bekanntgabe des – wie beim Erlass nach Abs. 3 Satz 2 VwVfG erforderlichen – Zahlungsbescheides bzw. einen darin genannten Zahlungszeitpunkt (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., RdNr. 84).

31

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es für diese Auffassung auch nicht an der rechtsdogmatischen Herleitung.

32

Nach der Zivilrechtsdogmatik beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit der Entstehung eines Anspruchs. Eine Forderung ist danach im allgemeinen dann „entstanden“, wenn der vom Gesetz zu ihrer Entstehung verlangte Tatbestand verwirklicht ist, auch wenn der Gläubiger die Leistung in diesem Zeitpunkt noch nicht verlangen kann, also die „Fälligkeit“ der Forderung hinausgeschoben ist – § 271 Abs.2 BGB – (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, S. 255).

33

Nichts anders gilt für die Verjährung von vermögensrechtlichen Ansprüchen im öffentlichen Recht. Gegenstand der Verjährung sind auch hier nur ausübbare Rechtspositionen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Verjährung, welcher darin besteht, eine bestimmte Person dazu zu veranlassen, eine ihr gegenüber einem anderen zustehende Rechtsposition innerhalb der Verjährungsfrist geltend zu machen. Die Verjährung wird auch im öffentlichen Recht als Nichtausübung eines Rechts während einer bestimmten Zeit umschrieben, obwohl der Berechtigte dies gegenüber dem Verpflichteten hätte ausüben sollen und können (vgl. Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, Habil.-Schrift, 2004, S. 173, m.w.N.). Das konkrete Rechtsverhältnis, welches die Verjährung auslöst, liegt bereits dann vor, wenn die Eckpunkte des Rechtsverhältnisses – die beteiligten Rechtssubjekte und der rechtserhebliche Sachverhalt – feststehen. Die daran anknüpfenden Rechtsfolgen, die Befugnis, Verzögerungszinsen zu erheben, betrifft nicht die Tatbestandsverwirklichung, sondern nur die Rechtsfolgenseite; hier im Fall des Ermessens den vom Gesetz nach der Tatbestandsverwirklichung eingeräumten administrativen Optionsraum. Aus heutiger Sicht trifft es nicht mehr zu, dass im Bereich der Eingriffsverwaltung ein Rechtsverhältnis generell erst mit dem Erlass eines Bescheides entsteht. Verursacht beispielsweise eine Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, liegt ein konkretres Rechtsverhältnis bereits ab dem Augenblick vor, ab dem die Verwaltung die notwendigen Schritte zur Gefahrenabwehr einleiten kann; denn die Rechtsbeziehungen zwischen den jeweiligen Personen haben sich so verdichtet, dass (re-)agiert werden kann. Dass ein solches Maß an Verdichtung für die Möglichkeit einer Verjährung ausreicht, wird mittelbar durch § 53 VwVfG bestätigt. Wenn die Verjährung des Anspruchs eines öffentlichrechtlichen Rechtsträgers durch den Erlass eines Verwaltungsakts unterbrochen werden kann, muss der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns vor diesem Ereignis liegen. Es macht wenig Sinn, den Verjährungsbeginn und die Verjährungsunterbrechung zeitlich zusammenfallen zu lassen (vgl. Guckelberger, a.a.O., S. 168, 169, m.w.N.).

34

Auf der rechtlichen Basis des oben Ausgeführten ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen gemäß § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d.F. v. 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG verjährt sind. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, die insoweit von der Berufung auch nicht angegriffen werden.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

36

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.2 VwGO nicht vorliegen.


(1) Soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.

(2) Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben.

(3) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet.

(4) Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, so können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Absatz 3 Satz 1 verlangt werden. Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind. § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 241/03 Verkündet am:
14. Dezember 2005
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 305 c Abs. 2; AGBG § 5
Zur Anwendung des § 5 AGBG, wenn unklar bleibt, ob eine automatische Verlängerungsklausel
erst nach Ausübung aller Verlängerungsoptionen des Mieters
oder auch schon zuvor Anwendung findet.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2005 - XII ZR 241/03 - OLG Karlsruhe
LG Offenburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Sprick, Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. November 2003 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 26. März 2002 wird zurückgewiesen. Der Beklagten werden die Kosten der Berufung und der Revision auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein gewerbliches Mietverhältnis fortbesteht.
2
Mit schriftlichem Vertrag vom 18. Januar 1989 vermietete die Rechtsvorgängerin des Klägers an die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein erst zu erstellendes Ladenlokal.
3
§ 3 des von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellten Formularmietvertrages lautet: "(1) Das Mietverhältnis beginnt mit Übernahme des schlüsselfertigen Mietobjektes und läuft 12 Jahre … (2) Der Mieter ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung, die dem Vermieter spätestens 6 Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses zugehen muß, die Verlängerung des Mietverhältnisses um 5 Jahre zu verlangen (Option). Dieses Recht kann der Mieter dreimal ausüben. Dem Mieter wird ein weiteres Optionsrecht eingeräumt (Vertragsverlängerung um 3 Jahre - Entscheidungsfrist wiederum 6 Monate

).

(3) Nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) verlängert sich das Mietverhältnis jeweils um 5 Jahre, falls es nicht seitens einer Vertragspartei spätestens 12 Monate vor seiner Beendigung beendigt wird."
4
Das Mietverhältnis begann am 1. Juli 1990.
5
Am 9. Oktober 1998 schrieb die Beklagte an die Klägerin: "… Wir teilen Ihnen mit, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen das Mietobjekt zum 31.12.1998 schließen werden. Selbstverständlich ändert sich dadurch nichts an unseren mietvertraglichen Verpflichtungen, die wir auch weiter vollumfänglich erfüllen werden. In beiderseitigem Interesse schlagen wir schon jetzt gemeinsam zu prüfen vor, welche Anschlussverwertungen möglich sind."
6
Zum 31. Dezember 1998 schloss die Beklagte das in den Mieträumen betriebene Filialgeschäft. Anfang Juli 2001 bat die Beklagte den Kläger, einer Untervermietung zuzustimmen. Im anschließenden Schriftwechsel vertrat die Beklagte die Auffassung, dass das Mietverhältnis mit dem 30. Juni 2002 durch Zeitablauf ende.
7
Das Landgericht hat der Klage festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über den 30. Juni 2002 hinaus fortbestehe und durch ordentliche Kündigung frühestens zum 30. Juni 2007 beendet werden könne, stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
9
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, das Mietverhältnis zwischen den Parteien sei mit Ablauf des 30. Juni 2002 beendet. Zu diesem Zeitpunkt sei die in § 3 Abs. 1 des Mietvertrages vereinbarte Mietzeit von 12 Jahren abgelaufen , ohne dass es einer vorherigen "Kündigung" des Vertragsverhältnisses durch die Parteien bedurft habe. Das Optionsrecht nach § 3 Abs. 2 des Vertrages habe die Beklagte nicht ausgeübt. Die in § 3 Abs. 3 vereinbarte Verlängerungsklausel sei nach Ablauf der fest vereinbarten ursprünglichen Mietzeit noch nicht anwendbar. Das ergebe eine Auslegung dieser Bestimmung. Bei § 3 Abs. 3 des Mietvertrages handele es sich um eine von der Unternehmensgrup- pe T. für eine Vielzahl von Verträgen verwendete Vertragsbedingung im Sinne von § 1 AGBG. Die Auslegung sei nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB dahin vorzunehmen, dass die Verlängerungsklausel nicht schon nach Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit von 12 Jahren, sondern erst nach dieser zuzüglich der vier Optionszeiträume, also erst 30 Jahre nach Mietbeginn, zur Anwendung komme. Die Voraussetzungen des § 5 AGBG seien nicht erfüllt, weil nur eine einzige Auslegung vertretbar sei. Der Wortlaut führe allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar lege die Formulierung "nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) …" ein Verständnis nahe, dass damit der nach Ausübung aller der Mieterin vertraglich eingeräumten Optionsrechte verstrichene Zeitraum gemeint sei. Indessen erscheine aber auch eine Interpretation dahin möglich, dass die Verlängerungsklausel sowohl für die fest vereinbarte Mietzeit von 12 Jahren als auch für aufgrund Optionsausübung begründete weitere Vertragsabschlüsse gelten solle.
10
Lasse der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so sei derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führe. Dem entspreche allein das Verständnis der Beklagten. Die Kumulation von Verlängerungsklausel , Kündigungsmöglichkeit zum Ablauf der festen Mietzeit für beide Parteien und Optionsrechte könne bei Vereinbarung einer festen Mietzeit zwar sinnvoll sein, weil sie dem Mieter die Möglichkeit gebe, durch seine Optionserklärung die Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter zu verhindern. Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine solche Kumulation aber nicht immer sinnvoll und im Zweifel nicht gewollt. Bei der hier vorliegenden Vertragsgestaltung führe sie zu Widersprüchlichkeiten, weil für beide Parteien die Frist nach § 3 Abs. 3 12 Monate, die Frist für die Option des Mieters nach § 3 Abs. 2 aber nur sechs Monate betrage. Lasse man die Verlängerungsklausel bereits nach Ablauf der zunächst vereinbarten Mietzeit von 12 Monaten und nicht erst nach Ablauf der Mietzeit zuzüglich der Optionszeiträume eingreifen, werde der Mieterin die in § 3 Abs. 2 eingeräumte Möglichkeit genommen, sich erst sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit zu entscheiden, ob sie von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen wolle oder nicht. Bei Unentschiedenheit werde sie gezwungen, vorsorglich bereits 12 Monate vor dem vereinbarten Vertragsende einer Verlängerung des Mietvertrages zu widersprechen, um ein möglicherweise gegen ihren Willen erfolgendes Wirksamwerden der Verlängerungsklausel nach § 3 Abs. 3 des Vertrages zu verhindern. Entscheide sie sich später dann für eine Verlängerung des Vertrages und übe sie ihr Optionsrecht nach § 3 Abs. 2 aus, laufe sie Gefahr, dass ihr die Einrede widersprüchlichen Verhaltens entgegengesetzt werde.
11
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
12
a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Regelung in § 3 Abs. 3 des Mietvertrages um eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 1 AGBG, die von der Unternehmensgruppe T. für eine Vielzahl von Verträgen verwendet worden ist. Der Senat kann die Klausel selbst auslegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Unternehmensgruppe die Klausel über den Bezirk des Oberlandesgerichts hinaus verwendet hat, da nunmehr auch gegen Berufungsurteile der Landgerichte eine Revision stattfinden kann (vgl. Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - NJW 2005, 2919, 2921).
13
b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei der Auslegung vorformulierter Vertragsbedingungen die allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB gelten (MünchKomm/Basedow AGB-Gesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 1) und in erster Linie vom Wortlaut der Erklärung auszugehen ist (Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 133 Rdn. 14 m.w.N.). Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass der Wortlaut hier zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Die Formulierung "nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume)" lässt die Auslegung zu, dass es erst nach Ausübung aller der Mieterin eingeräumter Optionsmöglichkeiten zu einer Verlängerung des Mietvertrages nach Abs. 3 kommen soll. Aber auch die Meinung, dass schon nach Ablauf der regulären Mietzeit von 12 Jahren eine Vertragsverlängerung gemäß Abs. 3 eintritt, wenn keine der Parteien ein Jahr vor Ablauf der Mietzeit die Beendigung erklärt, ist mit dem Wortlaut der Klausel ohne weiteres vereinbar. Lässt der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so ist, wie das Berufungsgericht richtig sieht, derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (Palandt/Heinrichs aaO Rdn. 18 m.w.N.).
14
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anwendung der Verlängerungsklausel bereits nach Ablauf der regulären Mietzeit führe zu Widersprüchlichkeiten , die den Interessen der Parteien entgegenstünden, teilt der Senat jedoch nicht. Zwar trifft es zu, dass bei dieser Auslegung der Mieter bereits 12 Monate vor dem vereinbarten Vertragsende eine Entscheidung treffen muss; auch kann es sein, dass ihm widersprüchliches Verhalten entgegengehalten wird, wenn er zunächst eine Verlängerung ablehnt, aber später seine Meinung ändert und von seinem Optionsrecht Gebrauch machen will. Das Berufungsgericht räumt bei seiner Interessenabwägung diesem Umstand aber ein Gewicht ein, das ihm bei ausgewogener Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht zukommt.
15
aa) Die Verlängerungsklausel mit der einjährigen "Kündigungsfrist" (§ 3 Abs. 3) und die Optionsregelung mit der Sechsmonatsfrist (§ 3 Abs. 2) stehen selbständig nebeneinander. Insbesondere ist das Verlängerungsrecht in Abs. 3 eigenständig und nicht als Unterfall des Optionsrechts geregelt. Dafür spricht bereits die Ausgestaltung beider Regelungen in jeweils selbständigen Absätzen. Aber auch inhaltlich beeinträchtigt die Verlängerungsklausel das Optionsrecht über den vom Berufungsgericht angeführten - eher seltenen und vom Mieter beherrschbaren - Fall hinaus nicht. Vielmehr kann der Mieter nach Ablauf der Verlängerung das ihm eingeräumte Optionsrecht uneingeschränkt ausüben. Wenn der Vermieter die Verlängerung nicht will und deshalb "kündigt", kommt das Optionsrecht zur Geltung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung kann der Gesamtregelung auch nicht entnommen werden, dass der Mieter für jedwede Art der Vertragsverlängerung die Entscheidungsfreiheit bis sechs Monate vor Erreichen des regulären Vertragsendes haben sollte. Im Gegenteil müsste, käme die Verlängerungsklausel entsprechend der Auffassung des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der gesamten Optionszeit zur Anwendung, der Mieter ebenfalls bereits ein Jahr vor Ablauf entscheiden, ob er nach Ende des letzten Optionszeitraumes die Verlängerung will.
16
bb) Der Senat sieht keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten, wenn sie sich spätestens ein Jahr und nicht erst sechs Monate vor Ablauf der regulären Mietzeit entscheiden muss, ob sie eine automatische Verlängerung nach § 3 Abs. 3 verhindern will. Entscheidet sie sich gegen eine Beendigung und damit für die Verlängerung, wird der Mietvertrag um weitere fünf Jahre fortgesetzt und die Beklagte behält im Anschluss daran die Optionsmöglichkeit nach § 3 Abs. 2. Ein Nachteil kann ihr überhaupt nur entstehen, wenn sie sich zunächst gegen die Verlängerung ausspricht, aber später ihr Optionsrecht dennoch ausüben will. Vor den Folgen eines solchen widersprüchlichen Verhaltens muss sie jedoch nicht durch eine zu Lasten des Vermieters gehende Interessenauslegung geschützt werden. Den vom Berufungsgericht geschilderten Entscheidungskonflikt im Falle der Unentschlossen- heit kann die Beklagte ohne Schwierigkeiten bewältigen. So kann sie etwa dem Einwand widersprüchlichen Verhaltens dadurch vorbeugen, dass sie sich bei Ablehnung der Verlängerung nach § 3 Abs. 3 das Optionsrecht ausdrücklich vorbehält. Will der Vermieter den Vertrag nicht fortsetzen und "kündigt" er deshalb seinerseits, dann entsteht auch bei dieser Auslegung für die Mieterin kein Nachteil, weil sie durch Ausübung ihres Optionsrechts die Verlängerung gegen den Willen des Vermieters erzwingen kann.
17
cc) Geht man demgegenüber davon aus, dass sich der Vertrag nicht schon nach Ablauf der regulären Mietzeit (12 Jahre) automatisch verlängert, ist der Vorteil für die Mieterin gering. Zwar verbleiben ihr sechs Monate mehr an Bedenkzeit. Es ist aber eher fern liegend, dass die Entscheidung für sie dann leichter wird. Wenn sie nach elf Jahren unentschlossen ist, wird ihr die Entscheidung nach elfeinhalb Jahren in aller Regel nicht leichter fallen. Der Entscheidungsdruck könnte sich für sie sogar erhöhen. Macht sie nämlich von der ersten Option keinen Gebrauch, so verliert sie ihr gesamtes Optionsrecht endgültig.
18
dd) Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Mieterin bei dieser Auslegung neben dem (geringen) Nachteil, sich bereits ein Jahr vor Vertragsende entscheiden zu müssen, einen erheblichen Vorteil erlangt. Sie hat, wenn der Vermieter nicht "kündigt", die Möglichkeit, das Mietverhältnis über die in Abs. 2 eingeräumten Optionsmöglichkeiten hinaus um weitere fünf Jahre zu verlängern, ein Vorteil, der den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Nachteil ausgleichen kann. "Kündigt" der Vermieter, so erleidet die Mieterin keinen Nachteil, weil ihr in jedem Falle 18 Jahre Optionsmöglichkeit gemäß Abs. 2 verbleiben.
19
ee) Schließlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verlängerungsklausel mit der einjährigen "Kündigungsfrist" für beide Seiten gilt. Ein Entscheidungskonflikt kann auch beim Vermieter entstehen. Kündigt er nicht ein Jahr vor Ablauf der regulären Mietzeit, dann verlängert sich das Mietverhältnis ebenfalls um fünf Jahre. Entscheidet er sich für die Kündigung, so kann ihm die Mieterin mit der Ausübung der Option entgegentreten. Der Vermieter muss damit seine Entscheidung genauso früh wie die Mieterin treffen, ohne seinerseits die Möglichkeit einer Option zu haben, wenn die Mieterin sich gegen eine Fortsetzung entscheidet.
20
ff) Letztlich kann die Verlängerungsmöglichkeit bereits am Ende der regulären Mietzeit auch zu einem gewissen Ausgleich der beiderseitigen Interessen führen. Die in Abs. 2 vorgesehene Optionsmöglichkeit begünstigt nämlich einseitig die Mieterin. Sie hat jeweils viereinhalb Jahre Zeit, um sich klar zu werden, ob sie die Option ausüben will, und muss ihre Entscheidung dem Vermieter erst sechs Monate vor Mietende mitteilen. Schöpft sie diese Möglichkeit voll aus, verbleiben dem Vermieter gerade sechs Monate Zeit zur Suche eines Nachmieters. Es wäre deshalb interessengerecht, wenn dem Vermieter bei der erstmaligen Verlängerung nach immerhin 12 Jahren gemäß § 3 Abs. 3 ein Jahr Zeit verbliebe, um einen neuen Mieter zu suchen.
21
c) Aus den dargelegten Überlegungen hält der Senat eine vom Berufungsgericht abweichende Auslegung für möglich. Andererseits ist eine Auslegung zugunsten des Klägers ebenfalls nicht zwingend. Da nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt, geht nach § 5 AGBG die Unsicherheit zulasten der Beklagten, deren Rechtsvorgängerin die Klausel verwendet hat und die deshalb die Folgen der fehlenden Eindeutigkeit tragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1997 - X ZR 146/94 - NJW 1997, 3434, 3435). Das bedeutet, dass der Vertrag nach Ablauf der regulären Laufzeit mangels "Kündigung" um fünf Jahre verlängert wurde.
22
d) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat die Beklagte nicht rechtzeitig einer Verlängerung nach Abs. 3 widersprochen. Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 1998 nicht ausgelegt. Da weiterer Vortrag hierzu nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Erklärung selbst auslegen (BGH, Urteil vom 19. März 1992 aaO). Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte die Fortsetzung des Mietverhältnisses abgelehnt hat. Die Beklagte hat lediglich erklärt, in beiderseitigem Interesse solle die Möglichkeit der Anschlussverwertung geprüft werden. Eine Beendigung im Sinne von § 3 Abs. 3 ist darin nicht zu sehen. Die Beklagte hätte das Mietobjekt auch selbst verwerten können, weil ihr in § 5 die Möglichkeit der Untervermietung eingeräumt ist.
23
3. Das Landgericht hat der Feststellungsklage daher zu Recht stattgegeben. Diese Entscheidung kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen selbst treffen, da weiterer entscheidungserheblicher Sachvortrag nicht zu erwarten ist.
Hahne Sprick Fuchs Vézina RiBGH Dose ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne

Vorinstanzen:
LG Offenburg, Entscheidung vom 26.03.2002 - 4 O 64/01 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 07.11.2003 - 14 U 74/02 -

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.

(2) Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben.

(3) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet.

(4) Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, so können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Absatz 3 Satz 1 verlangt werden. Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind. § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.