Sozialgericht Berlin Urteil, 22. Feb. 2019 - S 80 AL 1485/16
Eingereicht durch
Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner
Sozialgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
_____ _____, _____Straße __, ______ Berlin.
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte Bierbach Streifler & Partner mbB, Oranienburger Str. 69, 10117 Berlin,
- 16/00621 PM/Kanz/PM -
gegen
Bundesagentur für Arbeit,
vertreten durch die Geschäftsführerin des Operativen Service der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte
Charlottenstr. 87-90, 10969 Berlin,
- 922D371483K-P-96201-0171/16 -
hat die 80. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 22. Februar 2019 durch die Richterin am Sozialgericht Brückner sowie die ehrenamtliche Richterin Zim mermann und den ehrenamtlichen Richter Schenker
für Recht erkannt:
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbe scheides vom 27. September 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses vom 12. April 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu be scheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt streitig.
Der 1984 geborene Kläger bestand am 19. November 2015 das Zweite Juristische Staats examen und beantragte am 20. November 2015 bei der Beklagten die Gewährung von Ar beitslosengeld. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 2015 für 360 Tage in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 15,73 Euro. Ausweislich der bei der Beklagten vorhandenen Beratungsvermerke bat der Kläger am 22. Februar 2016 um Beratung zum Gründungszuschuss, die am 15. März 2016 stattfand. Am 5. April 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 2. Mai 2016 eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in Vollzeit aufnehmen werde und beantragte am 12. April 2016 hierfür die Gewährung eines Gründungszuschusses. Er reichte einen Businessplan und die Stellungnahme einer fachkun digen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung ein. Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab, da ausreichend Integra tionsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gegeben seien. Der Kläger verfüge über zwei befriedigende Staatsexamina und sei damit gut für den allgemeinen Arbeitsmarkt und die übliche Anwaltstätigkeit qualifiziert. Der Vermittlungsvorrang ergebe sich aus zahlreichen passenden Stellenangeboten in Berlin und bundesweit. In der Jobbörse der Beklagten seien am 30. Juni 2016 38 Stellen in Berlin und 552 passende Stellenangebote bundesweit vorhanden gewesen. Die bundesweite Suche sei zumutbar. Die Erfolgsaussichten der Eigenbemühungen sowie der Vermittlungstätigkeiten der Beklagten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit seien als günstig zu bewerten.
Zur Begründung seines am 27. Juli 2016 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, dass die Beklagte sich hinsichtlich seiner Vermittlung für unzuständig erklärt und ihn an das Job center verwiesen habe. Das dort wahrgenommene Beratungsgespräch sei hinsichtlich einer Vermittlung erfolglos geblieben. Ihm seien im Übrigen erst Ende Juni 2016 zwei Vermittlungs vorschläge übersandt worden. Unter Vorlage einer Liste seiner Bewerbungen wies der Kläger auf die Erfolglosigkeit seiner Eigenbemühungen hin. Bei Annahme eines Vermittlungsvorrangs hätte die Beklagte frühzeitig vermitteln müssen. Es sei jedoch keine Vermittlungstätigkeit der Beklagten erfolgt. Wenn keine Vermittlung stattfinde, könne die Beklagte sich nicht ermes sensfehlerfrei auf den Vermittlungsvorrang berufen. Im Übrigen seien bereits die Tatsachen feststellungen unvollständig und fehlerhaft. Der Kläger werde zudem im September Vater und sei auf einen Arbeitsplatz in Berlin angewiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 27. September 2016 zurück. Es bestehe nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Im Zeitpunkt der Antragstellung sei eine bundesweite Suche zumutbar gewesen, da die Vaterschaftsanerkennung erst am 26. Mai 2016 er folgt sei. Eine bundesweite Stellensuche am 31. Mai 2016 habe 591 passende Stellen erge ben. Aber auch ein regionaler Stellensuchlauf habe 36 passende Stellen ergeben, wobei 23 eine maximale Übereinstimmung mit dem Profil des Klägers aufgewiesen hätten. Nach einge hender Stellenbegutachtung hätten sich hätten sich sechs Stellen als sehr gut auf das Profil des Klägers passend erwiesen. Die geringe Anzahl an Bewerbungen des Klägers (13) sei nicht nachvollziehbar.
Mit seiner am 31. Oktober 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es sei ihm seit Beginn der Schwangerschaft familiär unmöglich gewesen, eine Beschäftigung außerhalb Berlins anzunehmen. Die sechs passenden Stellen hätten ebenso gut auf das Profil anderer Bewerber gepasst und seien nicht exklusiv für den Kläger gewesen. Die vom Kläger nachgewiesenen 13 Bewerbungen überstiegen zudem das Vermittlungsangebot der Beklag ten. Das Argument, dass eine Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachhaltiger sei als die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, spreche für einen deutlichen Ermessensfehlgebrauch, da dann nur freischaffende Künstler und Schulabbrecher in die Selbständigkeit entlassen werden könnten. Dies sei nicht im Sinne des Gesetzgebers. Im Be rufsfeld des Rechtsanwaltes gebe es eine große Anzahl an Selbständigen. Die gesetzlich vor geschriebenen Instrumente der Potentialanalyse und der Eingliederungsvereinbarung seien vorliegend nicht genutzt worden. Wenn eine Vermittlung in abhängige Beschäftigung nicht in Betracht komme, sei das Ermessen auf Null reduziert. Zudem seien die Neigungen des Klä gers unberücksichtigt geblieben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbeschei des vom 27. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren,
hilfsweise, den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vorliegend seien die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt und das Entschließungsermessen erkannt und ausgeübt worden. Der Antrag sei abgelehnt worden, da die lntegrationsaussichten in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als gut bewertet worden seien. Bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hätten dem Kläger keine Stellenangebote unterbreitet werden können. Die Zuständigkeit für die Arbeitsvermittlung habe durchgehend beim Jobcenter Berlin Neukölln gelegen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge richtsakte und der Akten der Beklagten (eAkten Gründungszuschuss, Vermittlung/Beratung und Arbeitslosengeld) verwiesen. Die Akten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhand lung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und im Hilfsantrag auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat An spruch auf Neubescheidung seines Antrags. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nach § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenz gründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann der Grün dungszuschuss geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständi gen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selb ständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnah me einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Indust rie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III sind beim Kläger erfüllt. Er gehört auch als sog. Aufstocker, der neben dem Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat - zum anspruchsberechtigten Personenkreis (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, 2018, § 16 Rn. 36; Hölzer in: Gagel, SGB III, 72. Ergänzungslieferung, 2018, § 22 Rn 79). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 2. Mai 2016 noch einen Arbeitslosengeldanspruch von mindestens 150 Tagen. Er hat auch die Tragfähigkeit der Exis tenzgründung durch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachgewiesen. Weiterhin ist keiner der in § 93 Abs. 3 bis 5 SGB III genannten Ausschlussgründe gegeben.
Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen hat die Beklagte auf der Rechtsfolgen seite eine Ermessensentscheidung zu treffen. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Ein gliederungschancen am Arbeitsmarkt (EinglVerbG) vom 20. 12. 2011 (BGBI 1 2854) wurde der Gründungszuschuss mit Wirkung vom 28. Dezember 2011 wieder vollständig in eine Ermes sensleistung umgewandelt.
Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt lediglich die Erfüllung der Voraussetzungen für das Bestehen der Ermessensbetätigungspflicht der vollen gerichtlichen Überprüfung. Hingegen sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bezüglich der Ermessensbetätigung und ihres Er gebnisses, der Ermessensentscheidung, gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG darauf beschränkt zu kontrollieren, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekom men ist (Ermessensausfall), sein Ermessen zu eng eingeschätzt hat (Ermessensunterschrei tung), mit seiner Ermessensentscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens über schritten, d. h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessens überschreitung), oder von seinem Ermessen in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch). § 93 SGB III enthält selbst keine Kriterien für die Ermessensaus übung. Maßgeblich ist demnach § 39 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB 1), wonach die Verwaltung ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Da die Rechtsfolgen, nämlich die mög lichen Leistungen für eine Existenzgründung in § 94 SGB III genau festgelegt sind, bezieht sich das Ermessen vorliegend nur auf das „Ob" der Bewilligung, nicht auf Art und Umfang der Leistungen. Der Beklagten kommt nur ein Entschließungsermessen zu. Die Bindung des Gründungszuschusses an gesetzlich festgelegte strikte Voraussetzungen und der Charakter einer Versicherungsleistung engen den Ermessensspielraum der Beklagten ein. Sie muss sachlich überzeugende Gründe benennen, warum im Einzelfall ein Gründungszuschuss nicht gezahlt wird, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Winkler in: Gagel, SGB 111111, 72. Ergänzungslieferung 2018, § 93 Rn. 63).
Darüber hinaus kann im Einzelfall ein Rechtsanspruch auf die Leistung ausnahmsweise bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes Er gebnis gibt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. November 2010 zum Az. B 2 U 10/10 Rm. w. N., zitiert nach juris). Gründe für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Eine Einschränkung des Ermessensspielraums der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aufgrund ermessenslenkender Festlegungen der Beklagten in einer Eingliederungsvereinbarung, da vorliegend überhaupt keine Eingliede rungsvereinbarung mit dem Kläger geschlossen wurde. Dem Kläger ist ausweislich der vor handenen Aktenunterlagen die Gewährung eines Gründungszuschusses auch sonst nicht zugesichert oder in Aussicht gestellt worden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist vorlie gend auch keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben, weil eine Vermittlung in abhängige Beschäftigung nicht in Frage kommt. Da der Beruf des Rechtsanwaltes sowohl in selbständi ger Tätigkeit als auch in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden kann, ist nicht ersicht lich, dass eine Vermittlung in abhängige Beschäftigung nicht in Betracht kommen könnte.
Die Ablehnung des vom Kläger beantragten Gründungszuschusses erfolgte jedoch ermes sensfehlerhaft. Die Beklagte hat zwar das ihr eröffnete Entschließungsermessen erkannt und ausgeübt, es ist aber ein Ermessensfehlgebrauch gegeben. Indem die Beklagte darauf abge stellt hat, ob der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie zwar einen dem § 93 SGB III entsprechenden Zweck verfolgt. Der Gründungszuschuss dient der möglichst früh zeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist der allgemeine Vor rang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungszuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d. h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Einglie derung in den Arbeitsmarkt führt. Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Be klagte in Rahmen des Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Bezugszeitraumes des Arbeitslosengeldes realistisch ist oder ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2013 zum Az. L 9 AL 81/13, zitiert nach juris). Der Vermittlungsvorrang nach § 4 SGB III kann danach dazu führen, dass die Förderung mit dem Gründungszuschuss im Rahmen des Ermessens abgelehnt wird. Voraussetzung hierfür ist aber, dass dem Antragsteller konkret eine zumutbare Arbeit angebo ten wird, die zu einer voraussichtlich dauerhaften Integration in den Arbeitsmarkt führen wird (Link in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Mai 2018, § 93, Rn. 138). Die Beklagte muss die Vermittlung tatsächlich betreiben und ihre Bemühungen und die Eingliederungschancen do kumentieren (Winkler, a. a. 0., Rn. 66 m. w. N.). Vorliegend hat die Beklagte jedoch - bis zur Übersendung der Vermittlungsvorschläge vom 20. Juni 2016 - keinerlei Vermittlungstätigkeit entfaltet, obwohl der Kläger gemäß § 35 SGB III einen Anspruch auf Vermittlung durch die
Beklagte hatte. Dem Personenkreis der sog. Aufstocker steht als SGB III-Leistung u. a. die Vermittlung gemäß § 35 SGB III zu. Bereits nach § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB III i. d. bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung wurde der gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III grundsätz lich bestehende Leistungsausschluss erwerbsfähiger Leistungsberechtigter i. S. des SGB II von bestimmten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung abgemildert, da Aufstocker nach dieser Sonderregelung abweichend von den für die übrigen Grundsicherungsberechtigten geltenden Normen einen Rechtsanspruch u. a. auf Leistungen zur Vermittlung haben. Für diese Leistungen wird eine Doppelzuständigkeit zwischen der Beklagten und dem Grundsi cherungsträger begründet. Aufstocker können folglich parallel Vermittlung durch die Beklagte einerseits und durch den Grundsicherungsträger andererseits beanspruchen (Janda in: ju risPK, Stand 15. Januar 2019, § 22 SGB III, Rn. 83). Solange ein Leistungsbezug für beide Leistungen stattfindet, sind auch beide Leistungsträger in der Verantwortung (Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2012 zum Az. L 7 AS 2177/11 B ER, zitiert nach juris). Eine belastbare Prognose, die es zulässt, die zu treffende Ermessensent scheidung auf den Vermittlungsvorrang zu stützen, erfordert somit die Entfaltung einer Ver mittlungstätigkeit, die vorliegend unterblieben ist. Die Beklagte hat vielmehr den Gründungs zuschuss unter Hinweis auf die günstig zu bewertenden Erfolgsaussichten der Eigenbemü hungen des Klägers und der eigenen Vermittlungstätigkeiten abgelehnt, ohne näher auf die erfolglosen Eigenbemühungen einzugehen oder eigene Vermittlungstätigkeiten zu entfalten. Die Übersendung von zwei Vermittlungsvorschlägen beinahe zwei Monate nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vermag hieran nichts zu ändern. Die Beklagte hatte auch ausrei chend Zeit, den Kläger zu vermitteln, da dieser bereits seit dem 31. Juli 2015 arbeitsuchend und seit dem 20. November 2015 arbeitslos bei ihr gemeldet war und seit dem 1. Dezember 2015 Arbeitslosengeld bezog.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Beklagte auch noch im Widerspruchsbescheid hin sichtlich der familiären Bindungen des Klägers von einem unzutreffenden Sachverhalt ausge gangen ist.
Nach alldem war der Klage hinsichtlich des Hilfsantrags stattzugeben und sie war im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Sie berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers.
Gegen dieses Urteil ist gemäß §§ 143, 144 SGG das Rechtsmittel der Berufung statthaft.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht Ber lin-Brandenburg, Försterweg 2 - 6, 14482 Potsdam, schriftlich, in elektronischer Form oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Berlin, lnvalidenstraße 52, 10557 Berlin, schriftlich, in elektronischer Form oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begrün dung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Berlin schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulas sung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Geg ners beigefügt war.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- entweder von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das elekt ronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird
oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem.
§ 65 a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERW). Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzun gen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Brückner
Richter
Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Berlin Urteil, 22. Feb. 2019 - S 80 AL 1485/16
Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Berlin Urteil, 22. Feb. 2019 - S 80 AL 1485/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Sozialgericht Berlin Urteil, 22. Feb. 2019 - S 80 AL 1485/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich nach
- 1.
der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um 30 Monate erweiterten Rahmenfrist und - 2.
dem Lebensalter, das die oder der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat.
(2) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt
nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monaten | und nach Vollendung des … Lebensjahres | … Monate |
---|---|---|
12 | 6 | |
16 | 8 | |
20 | 10 | |
24 | 12 | |
30 | 50. | 15 |
36 | 55. | 18 |
48 | 58. | 24 |
(3) Bei Erfüllung der Anwartschaftszeit nach § 142 Absatz 2 beträgt die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld unabhängig vom Lebensalter
nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monaten | … Monate |
---|---|
6 | 3 |
8 | 4 |
10 | 5 |
Abweichend von Absatz 1 sind nur die Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der Rahmenfrist des § 143 zu berücksichtigen.
(4) Die Dauer des Anspruchs verlängert sich um die Restdauer des wegen Entstehung eines neuen Anspruchs erloschenen Anspruchs, wenn nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht fünf Jahre verstrichen sind; sie verlängert sich längstens bis zu der dem Lebensalter der oder des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Als Gründungszuschuss wird für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro.
(2) Der Gründungszuschuss kann für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit.
(2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit fehlendem Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Der Vermittlungsvorrang gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Gründungszuschuss nach § 93.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab dem 02.01.2012.
3Der im August 1960 geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann und Diplomsozialpädagoge (FH). Er war von September 2007 bis 31.12.2011 als Pädagogischer Leiter bei N versicherungspflichtig beschäftigt. Am 07.10.2011 erfolgte die Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31.12.2011.
4Am 10.11.2011 meldete sich der Kläger arbeitsuchend. Es fand bereits ein erstes Gespräch mit seiner Arbeitsvermittlerin statt. In ihrem Vermerk über dieses Gespräch hielt die Arbeitsvermittlerin fest, der Kläger würde ungern in Schichtarbeit und in der Heimerziehung tätig werden und wolle sich noch nicht arbeitslos melden. Auf die Erkundigung zum Thema Gründungszuschuss sei der Kläger auf die Gesetzesänderung zum 01.01.2011 hingewiesen worden. Anlässlich eines weiteren Gesprächs hielt die Arbeitsvermittlerin in einem Vermerk fest, der Kläger sei noch einmal ausführlich über den Gründungszuschuss und anstehende Neuerungen informiert worden.
5Am 15.12.2011 meldete sich der Kläger arbeitslos mit Wirkung zum 01.01.2012. Er gab an, er werde sich zum 02.01.2012 selbständig machen. Er sei seit 1998 im geringfügigen Umfang selbständig als Erziehungsbeistandsschaft im Umfang von bis 8 Stunden wöchentlich tätig. Ein Termin bei der Arbeitsvermittlung wurde für den 19.12.2011 vereinbart.
6Am 19.12.2011 rief der Kläger bei der Beklagten an und bat um Übersendung eines Antrags auf Gründungszuschuss wegen der für den 02.01.2012 geplanten selbstständigen Tätigkeit. Nach einem in den Akten befindlichen Vermerk der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau C, wurde der Kläger bei diesem Telefonat darauf hingewiesen, dass für den Gründungszuschuss neues Recht gelte.
7Mit Bescheid vom 23.12.2011 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für den 01.01.2012. Ab dem 02.01.2012 erfolge wegen der angekündigten selbstständigen Tätigkeit keine Bewilligung.
8Am 03.01.2012 meldete der Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2012 ein Gewerbe an, und zwar Beratung und Therapie (Kinder-, Jugendliche- und Familienberatung).
9In seinem am 17.01.2012 bei der Beklagten eingegangenen, schriftlichen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses gab der Kläger an, er werde ab dem 02.01.2012 eine selbständige Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagoge, Projektentwickler, Coach in X aufnehmen. Unter dem 26.01.2012 gab der Kläger an, Ziel seiner selbständigen Tätigkeit sei es, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherheit für sich und seine Familie zu erwirtschaften. In seinem Alter (52) sei die Chance auf eine Festeinstellung gering; dies habe er durch einige Absagen feststellen müssen. Seine familiäre Situation als Vater dreier unterhaltspflichtiger Kinder (8, 10, 23) bringe eine hohe Verantwortung und finanzielle Belastung mit sich, zumal er alleinverdienend sei. Es würden finanzielle Verbindlichkeiten durch die Finanzierung des Eigenheims bestehen. In der Rentabilitätsvorschau stelle sich eine optimistische Entwicklung dar. Mit der Auftragsannahme ergebe sich jedoch noch keine finanzielle Stabilität, da Zahlungen häufig erst nach Auftragserledigung erfolgen würden und auch nach Rechnungsstellung mit zeitlichen Verzögerungen bis zum Zahlungseingang zu rechnen sei. Der Kläger reichte eine fachkundige Stellungnahme der H H GmbH ein, zudem ein wirtschaftliches Konzept. Danach plante er ab März 2012 einen Überschuss in Höhe von 1.272,00 Euro und im gesamten Jahr 2012 insgesamt 26.759,00 Euro bei einem Umsatz von 41.160,00 Euro.
10Die Beklagte stellte daraufhin bei einer Recherche in den ihr gemeldeten offenen Arbeitsstellen insgesamt 13 Angebote für Sozialpädagogen in der näheren Umgebung des Wohnortes des Klägers fest. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 41 bis 58 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
11Mit Bescheid vom 06.02.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Gründungszuschuss ab. Sie führte aus, Gründungszuschuss sei eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III. Diese Leistungen dürften nur gewährt werden, wenn sie notwendig seien, um den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Agentur für Arbeit C fördere Existenzgründer, deren Selbständigkeit einerseits aufgrund des nachgewiesenen Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine Förderung zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten. Die vom Kläger dargelegten Nachweise über die Tragfähigkeit und die eingereichte Rentabilitätsvorschau lasse die Beklagte zu dem Entschluss kommen, dass sein Einkommen zur Sicherung seines Lebensunterhalts ausreiche. Zudem sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Eingliederung in den erreichbaren Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit für ihn möglich wäre, da aktuell eine ausreichende Anzahl an offenen Stellenangeboten gegeben sei, die eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen würden.
12Mit Schreiben vom 20.02.2012 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 06.02.2012. Er gab an, inzwischen sei abzusehen, dass die Prognose für Januar und Februar 2012 hinsichtlich der Rentabilität zu optimistisch gewesen sei und die Kosten des Lebensunterhalts nicht decken würden. Ohne die Absicherung durch den Gründungszuschuss könne er die Selbständigkeit nicht aufbauen. In letzter Konsequenz hieße dies, das Vorhaben einzustellen und sich kurzfristig arbeitslos zu melden. Mit Schreiben vom 27.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei ihrer Entscheidung.
13Am 12.03.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Er reichte in der Folge ein Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. vom 30.03.2012 ein, auf das Bezug genommen wird.
14Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2012 wies die Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe überhaupt kein ernsthaftes Interesse an der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt gehabt, sondern allein beabsichtigt, sich selbständig zu machen. Dies zeige sich insbesondere darin, dass er anlässlich seines ersten Gespräches mit seiner Arbeitsvermittlerin sich noch nicht arbeitslos habe melden wollen und dazu auch noch erklärt habe, an welchen Tätigkeiten er nicht interessiert sei. Erst als festgestanden habe, dass er sich zum 02.01.2012 selbständig machen werde, habe er sich arbeitslos gemeldet und damit der Arbeitsvermittlung überhaupt keine Chance gegeben, auch nur in ernsthafte vermittlerische Bemühungen einzutreten. Es dürfe klar sein, dass eine Vermittlung für den 01.01.2012, einem Feiertag keine ernsthafte Vermittlung habe sein können. Von Seiten der Bundesagentur seien deshalb keine Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung notwendig. Die Gewährung eines Gründungszuschusses komme vor dem Hintergrund der Marktgängigkeit als nachrangiges Förderinstrument bezüglich der Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht in Betracht. Zudem rechne der Kläger selber im Jahr 2012 mit einem Betriebsergebnis von 26.759,00 Euro vor Steuer. In der Stellungnahme im Widerspruchsverfahren sei ein durchschnittliches Einkommen im 1. Jahr von monatlich etwa 1.500,00 Euro aufgeführt. Beide Einkommen würden jedoch oberhalb des Regelsatzes nach dem SGB II liegen.
15Am 04.05.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er verweist auf das Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. und trägt vor, ihm seien durch die Arbeitsvermittlerin lediglich 2 Stellenangebote vorgelegt worden. Auf beide Stellen habe er sich beworben, jedoch ein Absage erhalten. Insgesamt habe er der Beklagten 5 Absagen auf seine Bewerbungen vorgelegt. Weitere Absagen könne er noch nachreichen. Die Arbeitssuchendmeldung sei am 11.10.2011 erfolgt. Eine Tätigkeit im Heimbereich habe er, anders als von der Beklagten dargestellt, nie abgelehnt. Er habe lediglich geäußert, dass er aus familiären Gründen möglichst keine Nachtschichten ausüben wolle. Er hat mehrere Absagen von Arbeitgebern eingereicht.
16Der Kläger hat beantragt,
17die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2012 zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochten Bescheiden Bezug genommen und eine Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin eingereicht.
21Mit Urteil vom 22.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der hier anwendbaren, vom 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), der § 93 SGB III in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung entspreche, handele es sich bei dem Gründungszuschuss um eine Ermessensleistung. Es sei nicht ermessenfehlerhaft, soweit die Beklagte darauf hinweise, dass der Gründungszuschuss als eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III nur insoweit gewährt werden dürfe, als er notwendig sei, um den Antragsteller dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Insoweit berufe sich die Beklagte zu Recht darauf, dass die Bundesagentur u.a. den Vorrang der Vermittlung in Arbeit gemäß § 4 SGB III zu beachten habe. Die Beklagte habe ausreichend geprüft, ob eine Vermittlung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge möglich gewesen sei. In der Akte der Beklagten seien insgesamt 13 Stellenangebote enthalten, die für den Kläger in Betracht gekommen seien. Dabei sei dem Kläger auch Schichtdienst zumutbar gewesen. Nach seinen eigenen Angaben sei er Alleinverdiener, seine Frau betreue die noch minderjährigen Kinder. Es sei insoweit kein Grund ersichtlich, der dem Kläger den Schichtdienst in einem Heim nicht zumutbar erscheinen ließe. Zwar habe der Kläger mehrere Absagen durch Arbeitgeber eingereicht. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass eine Vermittlung innerhalb einer zumutbaren Zeit von 6 Monaten nicht möglich gewesen wäre. Gerade die Zahl offener Stellen, die für den Kläger in Betracht gekommen seien, spreche dafür, dass nach einiger Zeit eine Vermittlung möglich gewesen wäre. Die Beklagte weise auch zu Recht darauf hin, dass angesichts der nur kurzfristigen Arbeitslosigkeit des Klägers von 1 Tag und auch der erst am 15.12.2012 erfolgten Arbeitslosmeldung eine Vermittlung nicht ernsthaft habe erfolgen können. Die Stellungnahme des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. spreche auch nicht dagegen, dass eine Vermittlung in absehbarer Zeit möglich gewesen sei. Das umfassende Qualifikationsprofil dürfte wegen einer Überqualifizierung nicht unbedingt gegen Vermittlungschancen des Klägers sprechen, angesichts der nur sehr kurzen Arbeitslosigkeit des Klägers handele es sich insoweit nur um eine Vermutung des Vereins. Ähnliches gelte hinsichtlich des Vermittlungshemmnisses des Alters des Klägers.
22Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 28.02.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2013 Berufung eingelegt. Er meint, die Klage sei aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Wäre er zutreffend beraten worden, hätte er seinen Sachvortrag an die neue Rechtslage anpassen oder seine Tätigkeit früher aufnehmen und dadurch noch die alte Rechtslage in Anspruch nehmen können. Er müsse so behandelt werden, als hätte er noch unter der alten Rechtslage einen Antrag auf Gründungszuschuss gestellt, dem die Beklagte dann ohne Ermessensausübung hätte entsprechen müssen.
23Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,
24das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
25Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für nicht gegeben.
28Mit Richterbrief vom 26.06.2013, dem Kläger zugestellt am 27.06.2013, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt ist. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats waren, Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Berufung ist zulässig, aber nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
32Das SG hat die zulässige Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
33Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung.
341. Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses ist, weil der Kläger seine selbstständige Tätigkeit am 02.01.2012 und nicht früher aufgenommen hat und mithin auch der geltend gemachte Anspruch frühestens am 02.01.2012 entstanden sein kann, nach Maßgabe von § 422 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) § 57 SGB III in der ab dem 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I, S. 2854). Danach steht die Gewährung eines Gründungszuschusses im Ermessen der Beklagten ("können erhalten").
35Der Kläger kann aus mehreren Gründen nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, dass zu seinen Gunsten noch die bis zum 27.12.2011 geltende Fassung des § 57 SGB III, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses ohne Ermessen der Beklagten vorsah, zur Anwendung kommt.
36Ausweislich der aktenkundigen Vermerke der zuständigen Arbeitsvermittlerin des Klägers ist schon nichts für eine Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten durch die Beklagte ersichtlich. Vielmehr geht aus den aktenkundigen Vermerken hervor, dass die Arbeitsvermittlerin den Kläger mehrfach auf die rechtlichen Änderungen beim Gründungszuschuss zum Jahreswechsel 2011/2012 hingewiesen hat.
37Darüber hinaus verbleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum, wenn ein eingetretener Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R - juris Rn. 18). Dies ist vorliegend jedoch der Fall, weil eine Amtshandlung nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt zu ersetzen vermag (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 03.12.2009 - B 11 AL 28/08 R -, juris Rn. 18). Tatsächliche Gegebenheiten, wie die unterbliebene Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder die fehlende Verfügbarkeit können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
38Schließlich hätten bei einer unterstellten Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bis zum 27.12.2011 auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung nicht vorgelegen. Aus § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 SGB III a.F. geht eindeutig hervor, dass nur derjenige Anspruch auf Gründungszuschuss hat, der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Dies war bei dem Kläger bis zum 27.12.2011 aus mehreren Gründen nicht der Fall. Zum einen hatte er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Zum anderen war er wegen seines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht arbeitslos im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., da er weder beschäftigungslos (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.) noch verfügbar (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) war.
392. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Neubescheidung zu. Die Beklagte hat vielmehr ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt.
40Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich sind (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, a.a.O., Rn. 27). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier vor.
41a) Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt.
42b) Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass sie den Gründungszuschuss hätte bewilligen können und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt.
43c) Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden (siehe zum Ermessensfehlgebrauch zusammenfassend BSG, Urt. v. 09.11.2010 - B 2 U 10/10 R -, juris Rn. 15).
44aa) Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 57 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt (vgl. zur einschlägigen Fassung des § 57 SGB III insoweit auch BT-Drucks 17/6177, S. 86). Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungzuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 21; so auch SG München, Urt. v. 11.06.2013 - S 35 AL 883/12 -, juris Rn. 26; SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 - S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 24; zum Überbrückungsgeld nach der früheren Rechtslage als "Kann-Leistung" ebenso BSG, Urt. v. 25.10.1990 - 7 RAr 14/90 -, juris Rn. 33). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle des Klägers geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Arbeitslosengeld-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können (vgl. insoweit auch die Geschäftsanweisungen der Beklagten zu § 93 SGB III, Ziffer 93.02, abrufbar unter http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A06-Schaffung/A065-Existenzgruender/ Publikation/pdf/GA-Gruendungszuschuss.pdf).
45bb) Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre - als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare - Prognose, dass der Kläger bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, nicht zu beanstanden. In Anbetracht der durchaus beträchtlichen Anzahl offener Stellen für Diplom-Sozialarbeiter in der Nähe des Wohnortes des Klägers im Tagespendelbereich (nach Aktenlage 13 Stück) und der sehr kurzen Zeitspanne (frühestens am 11.10.2011 bis zum 01.01.2012), in der der Kläger die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Anspruch genommen hat, durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für den Kläger gute Vermittlungschancen bestanden. Für die offenen Stellen war der Kläger nach seinem bisherigen beruflichen Werdegang hinreichend qualifiziert und auch nicht "branchenfremd" (vgl. insoweit aber den Sachverhalt in SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 - S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 25). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, waren die von der Beklagten ermittelten offenen Stellen dem Kläger auch zumutbar.
46Die vom Kläger vorgelegten Absagen auf eigenen Bewerbungen führen zu keiner anderen Bewertung, da sich der Kläger keineswegs auf alle aktenkundigen Stellen beworben und zudem nicht besonders viele Bewerbungen geschrieben hat. Dass der Kläger, wie er meint, wegen seines Alters schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, ist reine Spekulation und bislang nicht durch mangelnden Bewerbungserfolg dokumentiert. Gerade bei Sozialpädagogen liegt es nahe, dass sich Alter und eine damit verbundene Berufserfahrung durchaus positiv auf die Eingliederungschancen auswirken.
47In jedem Fall kann eine belastbare negative Vermittlungsprognose erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben. Dies kann bei dem hier insoweit maximal zu berücksichtigenden Zeitraum von etwa zweieinhalb Monaten vom 11.10.2011 bis zum 01.01.2012, der zudem ganz überwiegend vor Beginn der Arbeitslosigkeit des Klägers lag, nicht angenommen werden. Gerade auch § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F., wonach bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von mindestens 150 Tagen bestehen muss, spricht in Anbetracht der bereits nach zweijährigen Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen (vgl. § 127 Abs. 2, 339 Satz 2 SGB III) dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 09.11.1989 - 11 RAr 83/88 -; juris Rn. 23; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.08.2006 - L 6 AL 1161/05 -, juris Rn. 25; Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 81 Rn. 45 a.E., jeweils zur Notwendigkeit einer Weiterbildung).
48cc) Schließlich liegt auch kein Abwägungsfehler vor. Ein für die Bewilligung sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen des Klägers, ist nicht ersichtlich. In Anbetracht der kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers (1 Tag) und der ausreichenden Anzahl verfügbarer offener Arbeitsstellen dürfte das Ermessen der Beklagten sogar im Sinne einer Ablehnung auf Null reduziert gewesen sein.
493. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
504. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit.
(2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit fehlendem Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Der Vermittlungsvorrang gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Gründungszuschuss nach § 93.
(1) Die Agentur für Arbeit hat Ausbildungsuchenden, Arbeitsuchenden und Arbeitgebern Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung (Vermittlung) anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Die Agentur für Arbeit stellt sicher, dass Ausbildungsuchende und Arbeitslose, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird, eine verstärkte vermittlerische Unterstützung erhalten.
(2) Die Agentur für Arbeit hat durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungsuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Auszubildende sowie geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten. Sie hat dabei die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ausbildungsuchenden und Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen.
(3) Die Agentur für Arbeit hat Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen nach § 40 Absatz 2 im Internet durchzuführen. Soweit es für diesen Zweck erforderlich ist, darf sie die Daten aus den Selbstinformationseinrichtungen nutzen und übermitteln.
(1) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dürfen nur erbracht werden, wenn nicht andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind.
(1a) Leistungen nach § 82 dürfen nur erbracht werden, wenn die berufliche Weiterbildung nicht auf ein nach § 2 Absatz 1 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes förderfähiges Fortbildungsziel vorbereitet.
(2) Allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dürfen nur erbracht werden, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches zuständig ist. Dies gilt nicht für Leistungen nach den §§ 44 und 45, sofern nicht bereits der nach Satz 1 zuständige Rehabilitationsträger nach dem jeweiligen für ihn geltenden Leistungsgesetz gleichartige Leistungen erbringt. Der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen nach § 90 Absatz 2 bis 4 und Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für schwerbehinderte Menschen nach § 73 dürfen auch dann erbracht werden, wenn ein anderer Leistungsträger zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet ist oder, ohne gesetzlich verpflichtet zu sein, Leistungen erbringt. In diesem Fall werden die Leistungen des anderen Leistungsträgers angerechnet.
(3) Soweit Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung und zur Förderung der beruflichen Weiterbildung der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen, gehen sie der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 des Strafvollzugsgesetzes vor. Die Leistungen für Gefangene dürfen die Höhe der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 des Strafvollzugsgesetzes nicht übersteigen. Sie werden den Gefangenen nach einer Förderzusage der Agentur für Arbeit in Vorleistung von den Ländern erbracht und von der Bundesagentur erstattet.
(4) Folgende Leistungen des Dritten Kapitels werden nicht an oder für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des Zweiten Buches erbracht:
- 1.
Leistungen nach § 35, - 2.
Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt, - 3.
Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a, - 4.
Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt, mit Ausnahme von Leistungen nach § 82 Absatz 6, und Leistungen nach den §§ 131a und 131b, - 5.
Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Ersten Unterabschnitt des Fünften Abschnitts, - 6.
Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben nach - a)
den §§ 112 bis 114, 115 Nummer 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe sowie § 116 Absatz 1, 2 und 6, - b)
§ 117 Absatz 1 und § 118 Nummer 1 und 3 für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung, - c)
den §§ 119 bis 121, - d)
den §§ 127 und 128 für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.