Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 20. Sept. 2018 - Au 5 K 18.31209

bei uns veröffentlicht am20.09.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Juni 2018 wird in den Nrn. 1, 3, 4, 5 und 6 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzstatus sowie hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten in den Irak bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.

Der am ... 1982 in ... (Irak) und die am ... 1977 ebenfalls in ... (Irak) geborene Kläger sind irakische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischem Glauben.

Ihren Angaben zufolge reiste sie am 21. März 2018 erstmalig auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie unter dem 10. April 2018 Asylerstanträge stellten. Eine Beschränkung der Asylanträge gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.

Die persönliche Anhörung der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 16. April 2018. Die Kläger trugen hierbei im Wesentlichen vor, sie seien Yeziden und ihr Heimatdorf ... sei im Jahr 2014 von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angegriffen worden. Sie seien daher zunächst nach Syrien und später nach ... geflohen. Seitdem sei ihnen nichts mehr passiert. Aber die Situation im Flüchtlingslager sei schlecht gewesen. Es habe zu wenig Nahrungsmittel gegeben. Im Zelt sei es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt gewesen. Nach Deutschland seien die Kläger gekommen, weil sie Sicherheit und Freiheit suchten. Weiter trugen die Kläger vor, zwei Brüder und eine Schwester des Klägers zu 1 befänden sich ebenfalls in Deutschland. Auch halte sich der gemeinsame Sohn der Kläger in Deutschland auf.

Für das weitere Vorbringen der Kläger wird auf die über die Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamtes verwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. Juni 2018 wurden die Anträge der Kläger auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass den Klägern auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen im Fall der Kläger nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 werden die Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde den Klägern die Abschiebung in den Irak angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass die Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden können, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorliegen. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze (§ 3 AsylG). Die Kläger seien keine Flüchtlinge im Sinne dieser Definition. Sie hätten keine individuelle Vorverfolgung vorgetragen. Eine Gruppenverfolgung gegen Yeziden im Irak sei zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mehr feststellbar. Der Heimatort ... der Kläger liege in der Provinz Ninive, die nach aktueller Kenntnislage nicht mehr vom IS besetzt oder bedroht sei. Selbst bei drohender Verfolgung der Kläger wären in diese auf einen internen Schutz in der Autonomen Region Kurdistan zu verweisen. Abgeleiteter Flüchtlingsschutz gemäß § 26 Abs. 3 AsylG komme nicht in Betracht, da der gemeinsame Sohn... (Gz. des Bundesamts: ...) am ... 2018 volljährig geworden ist. Eltern könnten nur solange Schutz von ihrem Kind ableiten, wie diese zum Zeitpunkt der Entscheidung noch minderjährig sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere scheide eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG aus. Anhaltspunkte für individuelle gefahrerhöhende Merkmale lägen im Falle der Kläger nicht vor. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Den Klägern drohe im Irak keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte, Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Darüber hinaus könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr liefen, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Kläger. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 29. Juni 2018 wird ergänzend Bezug genommen.

Die Kläger haben gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Juni 2018, den Klägern zugestellt am 4. Juli 2018, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

3. hilfsweise, den Klägern subsidiären Schutz zuzuerkennen,

4. hilfshilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung ist vorgetragen, dass der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten rechtswidrig sei und die Kläger in ihren Rechten verletze. Ergänzend ist mit Schriftsatz vom 20. August 2018 vorgebracht, dass die Kläger nicht in ihre irakische Heimstadt,, zurückkehren könnten, da diese Stadt aufgrund der massiven Zerstörungen durch den IS nicht mehr bewohnt sei. Der Sohn, zu dem die Kläger nach Deutschland nachgezogen seien, habe eine in Deutschland festgestellte Schwerbehinderung mit einem GdB von 50. Der diesbezügliche Schwerbehindertenausweis wurde vorgelegt.

Auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze vom 6. Juli 2018 bzw. 20. August 2018 wird ergänzend verwiesen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Dem Sohn der Kläger ... (Gz. ...) wurde mit Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 AsylG). Der vorbezeichnete Bescheid, auf den verwiesen wird, ist nachfolgend bestandskräftig geworden.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. August 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2018 hat der Bevollmächtigte des Klägers auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Beklagte hat sich mit Generalerklärung vom 27. Juni 2018 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakten verwiesen. Das Gericht hat die Verfahrensakte des Sohnes der Kläger mit dem Gz.: ... im Verfahren beigezogen.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Kläger ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer solchen Einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage hat Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 29. Juni 2018 ist in Nrn. 1, 3, 4, 5 und 6 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Kläger besitzen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) aufgrund der Bestimmungen über das Familienasyl in § 26 AsylG.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung von Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG.

Nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Art. 2 j) der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn 1. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist, 2. Die Familie im Sinne des Art. 2 j) der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Flüchtling verfolgt wird, 3. sie vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben, 4. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und 5. sie die Personensorge für den Flüchtling innehaben.

Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Dem am ... 2000 in ... (Irak) geborenen Sohn der Kläger ... (Gz. des Bundesamtes: ...) wurde mit unanfechtbar gewordenem Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2017 die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt.

Auch die weiteren in § 26 Abs. 3 Satz 1 Ziffern 2 bis 5 AsylG genannten Voraussetzungen des in „Elternschutzes“ liegen vor. Die Familie im Sinne des Art. 2 j) der Richtlinie 2011/95/EU, mithin die maßgebliche Eltern-Sohn-Beziehung, bestand bereits im Irak. Die Kläger sind am 21. März 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und haben in unmittelbaren Zusammenhang am 10. April 2018 Asylerstanträge gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme (§ 73 AsylG) betreffend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Sohnes der Kläger derzeit vorliegen oder das die Kläger im Zeitpunkt ihrer Einreise nicht mehr die Personensorge für ihren Sohn innehatten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ausschlussgründe nach § 26 Abs. 4 und 6 AsylG liegen ebenfalls nicht vor.

Der am ... 2000 geborene Sohn ... der Kläger war im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung der Kläger am 10. April 2018 auch noch unter 18 Jahre alt und damit minderjährig (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Entgegen der im angegriffenen Bescheid geäußerten Rechtsauffassung des Bundesamtes ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Minderjährigkeit im Rahmen des „Elternschutzes“ nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung der Eltern und nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Bundesamtes über den Antrag der Eltern (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 8.2.2018 - A 2 K 7425/16 - juris Rn. 20; VG Stuttgart, U.v. 23.5.2018 - A 1 K 17/17 - juris Rn. 24 f.; VG Sigmaringen, U.v. 21.4.2017 - A 3 K 3159/16 - juris Rn. 19, 20).

Zwar ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im schriftlichen Verfahren auf die Entscheidung in diesem abzustellen. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn - wie hier - nach dem materiellen Recht ein früherer Zeitpunkt entscheidend ist. Die Maßgeblichkeit eines früheren Beurteilungszeitpunktes folgt zwar nicht bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG, ergibt sich allerdings aus einer unionsrechtlich geprägten teleologischen und historischen Auslegung der Norm.

§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG trifft keine explizite Bestimmung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das stammberechtigte Kind minderjährig und ledig gewesen sein muss.

Unionsrechtlich geprägte Erwägungen sprechen dafür, dass - ungeachtet des insoweit offenen Wortlautes in § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG - auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich ist.

Gemäß Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) tragen die Mitgliedsstaaten Sorge dafür, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus tragen sie dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß dem nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Art. 24 bis 25 der Richtlinie 2011/95/EU genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Tragende Erwägungen und zentraler Zweck der Qualifikationsrichtlinie ist mithin in zusammenfassender Würdigung die Wahrung des Familienverbandes. Diesem Ziel wird nur dann effektiv Rechnung getragen, wenn der Familienverband durchgängig aufrechterhalten wird. Diesen in Art. 23 Qualifikationsrichtlinie zum Ausdruck kommenden unionsrechtlichen Vorgaben wird nur dann genügt, wenn für die relevante Frage der Minderjährigkeit nicht nur bei § 26 Abs. 2 AsylG, sondern auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG auf den früheren Zeitpunkt der Asylantragstellung und nicht denjenigen der mündlichen Verhandlung bzw. denjenigen der Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag der nachreisenden Eltern abgestellt wird.

Das Unionsrecht gibt einen einheitlichen Schutz des Familienverbandes vor, womit ein gespaltenes Schutzniveau abhängig davon, ob Eltern zu ihren Kindern ziehen oder umgekehrt, nicht zu vereinbaren wäre (vgl. zum Ganzen VG Karlsruhe, U.v. 8.2.2018 - A 2 K 7425/16 - juris Rn. 24). Denn in beiden Fällen geht es letztlich um die Wahrung des im Fluchtstaat (neu) bestehenden Familienverbandes und die Integration der nahen Angehörigen eines Stammberechtigten. Die beiden Schutztatbestände in § 26 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG basieren auf derselben unionsrechtlichen Grundlage und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Person des zuziehenden Familienmitglieds.

Dem Abstellen auf die Asylantragstellung statt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der behördlichen Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag der nachziehenden Eltern liegt der sachgerechte Gedanke zugrunde, dass sich die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (vgl. BT-Drs. 12/2718 S. 60).

Das Recht der Familienangehörigen vom Stammberechtigten einen Schutzstatus abzuleiten, ist zeitlich, anders als bei § 36 AufenthG, nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt (vgl. VG Hamburg, U.v. 5.2.2014 - 8 A 1236/14 - juris Rn. 19). Es hängt stattdessen vom Bestand von dessen internationalem Schutz des Stammberechtigten ab, der mit der Volljährigkeit gerade nicht endet (vgl. VG Stuttgart, U.v. 23.5.2018 - A 1 K 17/17 - juris Rn. 33).

Da nach den vorstehenden Ausführungen mithin auf die Asylantragstellung der nachziehenden Eltern im Rahmen des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG abzustellen ist, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob die Kläger die begünstigenden Regeln des „Elternschutzes“ für sich in Anspruch nehmen können, auf den 10. April 2018 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war der stammberechtigte Sohn der Kläger, der am ... 2000 geborene ... jedoch noch minderjährig. Dass er sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag der Kläger (29. Juni 2018) bzw. im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) bereits volljährig ist, lässt nach dem vorstehend Gesagten den Anspruch der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus § 26 Abs. 5 i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht entfallen.

Ob die Kläger darüber hinaus einen eigenen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, 4 AsylG besitzen bedarf keiner Entscheidung.

Der Bescheid des Bundesamtes war daher in seinen Nrn. 1, 3, 4, 5 und 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Da die Klage bereits im Hauptantrag Erfolg hat, bedurfte es weiter keiner Entscheidung über die von den Klägern gestellten Hilfsanträge.

Der Klage war mithin stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 20. Sept. 2018 - Au 5 K 18.31209

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 20. Sept. 2018 - Au 5 K 18.31209 zitiert 21 §§.

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1.
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2.
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3.
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(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre.

(2) Bei der Anwendung dieses Gesetzes sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Die Geschäftsfähigkeit und die sonstige rechtliche Handlungsfähigkeit eines nach dem Recht seines Heimatstaates volljährigen Ausländers bleiben davon unberührt.

(3) Im Asylverfahren ist vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Familiengerichts jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist.

Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger zu 1. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass bezüglich der Kläger zu 2. - 6. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger zu 11/18 und die Beklagte zu 7/18.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens vom Volk der Ghazalbash. Sie reisten am 22.01.2016 auf dem Landweg über Griechenland und Kroatien in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich am 03.02.2016 als Asylsuchende in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe. Am 21.04.2016 stellten die Kläger förmliche Asylanträge. Der am 01.01.1968 geborene Kläger zu 1. ist der Vater der Kläger zu 2. - 6. und der gesetzliche Vertreter der zwischen dem 15.05.2003 und dem 21.03.2013 geborenen Kläger zu 3. - 6.
In der persönlichen Anhörung vor der Beklagten am 07.12.2016 trugen die Kläger im Wesentlichen vor, sie hätten ihr Heimatland aufgrund von Landstreitigkeiten verlassen müssen. Der Kläger zu 1. gab an, es handele sich um Streitigkeiten mit Personen, welche in der Herkunftsgegend der Kläger als „Grundstücks-Mafia" bekannt seien. In seinem Fall hätten diese Personen Anspruch auf ein Grundstück erhoben, welches in seinem Eigentum gestanden habe. Das Grundstück sei bereits „beschlagnahmt" worden, aber dann habe man noch seine Unterschrift verlangt, um das Eigentum zu übertragen. Dazu seien der Kläger und seine Frau mehrfach zu Hause aufgesucht und dort bedroht worden. Nach einer solchen Bedrohung habe die Frau des Klägers zu 1. eine Herzattacke erlitten. Der Kläger zu 1. habe sie beerdigt und dann Anzeigen gegen seine Peiniger gestellt. Er habe sogar vor Gericht gewonnen, aber das habe nichts genützt. Es sei ihm bisher nicht möglich gewesen, sein Recht durchzusetzen. Weiter habe der Kläger zu 1. ein gut gehendes Heizungsgeschäft gehabt. Seine wirtschaftliche Lage sei durchschnittlich gewesen. Er habe aber gut verdient. Trotz seiner Augenprobleme sei er immer problemlos seiner Arbeit nachgegangen, wozu er auch noch heute in der Lage sei. Befragt, was ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe, erklärte der Kläger zu 1., dass man ihn wohl nicht töten würde, da diese Leute ja seine Unterschrift bräuchten. Auch sei über massive verbale Drohungen hinaus nichts weiter geschehen, da er sich nicht in der Nähe der betroffenen Grundstücke aufgehalten habe. Kurz vor der Ausreise der Familie sei jedoch die Klägerin zu 2. angesprochen worden. Man habe ihr gedroht, dass man sie mitnehmen werde, falls der Kläger zu 1. die Papiere nicht herausgebe.
Mit Bescheid vom 19.12.2016 lehnte die Beklagte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und Asylanerkennung (2.) sowie jenen auf Gewährung subsidiären Schutzes ab (3.). Sie stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG nicht bestehen (4.) und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen ab Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall des Verbleibes drohte sie den Klägern die Abschiebung nach Afghanistan an (5.). Schließlich befristete die Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (6.). Zur Begründung führte die Beklagte aus, es sei nicht von einer schwerwiegenden Bedrohung der Kläger auszugehen, weil sie sich noch mehrere Jahre nach Aufkommen der ersten verbalen Drohungen in Afghanistan aufgehalten hätten. Weiter sei dem Kläger zu 1. sogar im afghanischen gerichtlichen Verfahren Recht zugesprochen worden. Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung bestünden nicht.
Dagegen haben die Kläger am 02.01.2017 Klage erhoben.
Die Kläger trugen schriftsätzlich vor, der Kläger zu 1. sei aufgrund einer Augenerkrankung zu 60% schwerbehindert und verweisen insoweit auf einen Schwerbehindertenausweis der Stadt Heilbronn vom 07.09.2016 (GZ: ...). Auch die Kläger zu 3. (Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Pneumonie) litten an erheblichen Krankheiten. Ein weiterer Sohn des Klägers zu 1., Herr S. A. R. H., geboren am 20.04.1998 in Kabul, habe am 21.08.2012 einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 13.05.2016 sei ihm rechtskräftig der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden (AZ: ...). Die Kläger hätten nun einen Anspruch darauf, dass dieser Schutz auch auf sie erstreckt werde. Sie hätten sich bereits am 03.02.2016 als Asylsuchende in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe gemeldet. Für den Zeitpunkt der Minderjährigkeit i.S.v. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG komme es nicht auf die gerichtliche Entscheidung oder die Asylantragstellung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Beklagte von dem Asylgesuch Kenntnis erlangt hat.
In der mündlichen Verhandlung wurden die Kläger mittels einer Dolmetscherin erneut zu den Gründen ihrer Flucht angehört. Sie bestätigten dabei im Wesentlichen den bis dahin geleisteten Vortrag und führten weiter aus, der Kläger zu 1. hätte den Lebensunterhalt der Familie in Afghanistan verdient, indem er Heizungen verkauft habe. Er hätte auch Reparaturen angeboten. Das sei trotz seiner körperlichen Einschränkungen möglich gewesen, weil ihm zunächst sein ältester Sohn und nach dessen Flucht der Kläger zu 3. geholfen habe. Der Grund für ihre Flucht seien Grundstücksstreitigkeiten gewesen. Der Kläger zu 1. habe Felder mit einer Fläche von 180.000 m² von seinem Vater geerbt, der Landwirt gewesen sei. Als diese Flächen als Bauland erschlossen worden seien und ihr Wert damit erheblich gestiegen sei, hätten die Streitigkeiten begonnen, weil eine Gruppe von Männern um einen gewissen Momtaz, einen Neffen des afghanischen Parlamentsabgeordneten Ostet Sayaf, versucht habe, die Grundstücke an sich zu bringen. Zu der Gruppe hätten auch Ingenior Sher und Moslen Sayed gehört. Der Kläger zu 1. sei auch bei der Polizei gewesen, diese sei aber nicht mit den Männern fertig geworden. Sie seien in das Haus der Familie gekommen, hätten die Klägerin zu 2. bedroht, den Kläger zu 3. geschlagen und die Klägerin zu 2. sogar aus dem Fenster geworfen. Der Kläger zu 1. habe die Grundstücke bis heute nicht übereignet. Wenn eines Tages eine ordentliche Regierung an der Macht sei, könne er sie vielleicht wieder in Besitz nehmen. Heute seien sie mit einer Wohnsiedlung bebaut, was trotz ungeklärter Eigentumsverhältnisse möglich sei, weil Eigentumsverhältnisse in Afghanistan niemanden interessieren würden. Befragt, warum er die Grundstücke angesichts der behaupteten Bedrohungslage nicht einfach aufgegeben habe, erklärte der Kläger zu 1., das sei sein Eigentum und man habe die Folgen nicht absehen können. In Afghanistan gebe es für die Familie grundsätzlich nirgendwo Sicherheit. Insbesondere in Kabul seien sie als Schiiten besonders in Gefahr. Im Übrigen wird insoweit auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Kläger beantragen zuletzt, unter Zurücknahme ihrer Klage hinsichtlich der zunächst ebenfalls begehrten Flüchtlingsanerkennung und - betreffend die Kläger zu 2. - 6. - auch hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger zu 1. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und
die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass für die Kläger zu 2. - 6. ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegt und
den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2016 (AZ: ...) aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf die Erwägungen im angegriffenen Bescheid.
12 
Zur weiteren Sachverhaltsermittlung hat das Gericht mangels entsprechenden Akteninhaltes bei der Beklagten angefragt, wann diese Kenntnis vom Asylgesuch der Kläger erhalten habe und was zwischen dem Asylgesuch am 03.02.2016 und der förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 geschehen sei. Die Beklagte teilte dazu mit, dass im fraglichen Zeitraum eine kaum bearbeitbare Vielzahl von Asylanträgen gestellt worden sei. Auf die Asylgesuche hin hätten die Ausländer ihre förmlichen Anträge nicht „spontan“ bei der Beklagten stellen können. Stattdessen seien ihnen auf Zetteln oder über Listen Termine zur Antragstellung vorgegeben worden. Diese Dokumente seien nicht zur Asylakte gelangt, weil es damals eine enorme Arbeitsbelastung gegeben habe und die Dokumente teilweise von anderen Stellen, etwa der Ausländerbehörde oder der Erstaufnahmeeinrichtung ausgestellt worden seien. Zwischen Terminvergabe und förmlicher Asylantragstellung hätten immer mindestens einige Tage gelegen.
13 
Dem Gericht liegen die Behördenakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten, die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
15 
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
16 
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
17 
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
II.
18 
Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes aus § 26 Abs. 5 i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG.
19 
Gemäß § 26 Abs. 3 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (1.), die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (2.), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (3.), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (4.) und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (5.).
20 
Gemäß § 26 Abs. 5 AsylG ist sind die Absätze 1 bis 4 auf Familienangehörige von international Schutzberechtigten entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG vorliegt.
21 
Die Beklagte hat den ältesten Sohn des Klägers zu 1. mit Bescheid vom 13.05.2016 (AZ: ...) unanfechtbar als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. Sie erfolgte nach der Einreise der Kläger im Januar 2016. Außerdem hat die Familie auch bereits im Heimatstaat des Klägers zu 1. und seines Sohnes, in Afghanistan bestanden, § 26 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 AsylG und in der Person des Klägers zu 1. ist auch kein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG erfüllt.
22 
Der älteste Sohn des Klägers zu 1., S. A. R. H., ist ledig. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt des § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG minderjährig, weil es insoweit nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt (1.), sondern auf jene bei Stellung des Asylantrages und damit zu jenem Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat (2.).
23 
Dabei geht das Gericht in tatsächlicher Hinsicht angesichts der Behördenakten davon aus, dass der Kläger zu 1. am 21.04.2016 und damit (einen Tag) nach der Volljährigkeit seines stammberechtigten Sohnes einen förmlichen Asylantrag gestellt hat. Weiter geht das Gericht geht nach der Auskunft der Beklagten davon aus, dass das Asylgesuch der Kläger nach ihrer Registrierung an die Beklagte übermittelt wurde und dass die Kläger dann wegen des außergewöhnlichen Anstiegs der Zahl der in diesem Zeitraum nach Deutschland eingereisten Asylbewerber erst mehrere Wochen später ihre förmlichen Asylanträge stellen konnten (vgl. zu diesen Umständen auch: EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 37). Somit hatte das Bundesamt vor dem 20.04.2016 Kenntnis vom Asylbegehren der Kläger und räumte ihnen dann, ggf. mittelbar, einen Termin zur förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 ein. Bei Kenntniserlangung des Bundesamtes war der stammberechtigte Sohn des Klägers zu 1. demnach minderjährig.
24 
1. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG trifft keine explizite Bestimmung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das stammberechtigte Kind minderjährig und ledig gewesen sein muss. Die allgemeine Vorgabe des § 77 Abs. 1 AsylG findet aus systematischen und teleologischen Erwägungen keine Anwendung (anders: VG Sigmaringen, Urteil vom 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, Rn. 20 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2016 - 3 S 106/16 -, juris, in einer Entscheidung zu § 36 AsylG).
25 
Nach § 77 Abs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
26 
Systematisch steht einer Übernahme dieser allgemeinen Bestimmung § 26 Abs. 2, AsylG entgegen. Er legt fest, dass es für den umgekehrten Fall, dass ein minderjähriges, lediges Kind den Schutzstatus vom Stammberechtigten ableiten will, auf den „Zeitpunkt der Asylantragstellung“ ankommen soll, weil die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer sich nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Auch nach § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG (von einem Minderjährigen abgeleiteter Schutz für seine Geschwister) kommt es auf die Minderjährigkeit der Ableitenden zum Zeitpunkt der Asylantragstellung an. Aus der einheitlichen unionsrechtlichen Grundlage beider Absätze des § 26 AsylG (RL 2011/95/EU) wird in der Rechtsprechung abgeleitet, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG auf die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ankommt (VG Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris; VG Köln - 16 K 6233/16.A -, S. 5 nicht veröffentlicht; VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 17 ff.).
27 
Zwar ist der systematische Rückschluss aus § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG maßgeblich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ankomme, für sich allein nicht zwingend, weil sich mit demselben dogmatischen Gewicht argumentieren lässt, der Gesetzgeber hätte dort und nur dort eine ausdrückliche Regelung getroffen, weil er sie nur dort für erforderlich halte und alle anderen Fälle wie üblich zu behandeln seien. Eine solche Ausnahme für § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG wäre auch nicht zwingend systemwidrig, weil die explizit geregelten Fälle des § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG einen anderen Sachverhalt regeln als § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG. Jene klären, wer vom Stammberechtigten Schutz ableiten kann, dieser wer solchen Schutz vermitteln kann.
28 
Allerdings ist in der Zusammenschau mit dem Sinn und Zweck der Norm ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung geboten. So dient § 26 AsylGeinheitlich der Wahrung der Familieneinheit und damit insbesondere dem Schutz Minderjähriger (BT-Drs. 17/13063 S. 21), indem er es Familienangehörigen ermöglicht, unabhängig von der persönlichen Verfolgung einen Schutzstatus von einem Familienmitglied abzuleiten.
29 
Weiter liegt es in der Konsequenz des § 77 Abs. 1 AsylG, dass Veränderungen in der Zeit zwischen dem Asylgesuch und der Entscheidung einen Anspruch auf internationalen Schutz zu Fall bringen oder auch erst entstehen lassen können. Weil das Flüchtlingsrecht seinem Zweck nach einerseits auf den Schutz der Ausländer ausgerichtet ist, andererseits aber auch nur der davon profitieren soll, der den Schutz wirklich braucht, ist dieses Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung nicht von vornherein als rechtlich unhaltbar anzusehen (zur Schutzfunktion der Norm zugunsten der Asylantragsteller: BVerfG, Beschluss vom 27.03.2017 - 2 BvR 681/17 -, juris).
30 
Das Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung begegnet aber dann Bedenken, wenn es nicht um politische, gesellschaftliche und soziale Zustände geht. Ihr Wandel ist letztlich nicht prognostizierbar, sodass es für den Antragsteller und die beteiligten staatlichen Stellen dem Zufall unterliegt, ob die eintretenden Veränderungen zum Entfallen oder Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für das Schutzbegehren des Asylantragstellers führen. Anders liegt die Sach- und Interessenlage dann, wenn der Zeitablauf irreversible Fakten schafft, indem Termine oder Fristen ablaufen, etwa weil die Antragsteller oder ihre Stammberechtigten volljährig werden. In einem solchen Fall hängt der Anspruch auf internationalen Schutz unbilliger Weise nicht mehr von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Heimatstaat und damit dem konkreten Schutzbedarf der Betroffenen zum Verhandlungs- oder Entscheidungszeitpunkt ab, sondern allein davon, ob die deutschen Behörden und Gerichte ihre Entscheidungen hinreichend schnell treffen.
31 
2. Ist danach die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich, meint dies nicht erst jenen der förmlichen Asylantragstellung, sondern bereits den Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat.
32 
Dem Abstellen auf die Asylantragstellung statt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Dieser Gedanke wird mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben nur vollständig verwirklicht, wenn bereits die Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Asylgesuch des Schutzsuchenden genügt und es nicht auf die förmliche Asylantragstellung ankommt (so zu § 26 Abs. 2 AsylG: VG Stuttgart, Urteil vom 22.09.2017 - A 1 K 7628/16 -, juris Rn. 58).
33 
Das Recht der Familienangehörigen vom Stammberechtigten einen Schutzstatus abzuleiten, ist zeitlich, anders als bei § 36 AufenthG, nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt (VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 19). Es hängt stattdessen vom Bestand von dessen internationalem Schutz ab, der mit der Volljährigkeit gerade nicht endet. Die ratio der § 26 AsylG zugrundeliegenden RL 2011/95/EU geht demnach dahin, den Familienverband unter einheitlichem Status im Aufnahmestaat zu bewahren. Laut ihrem Erwägungsgrund 18 zielt die Richtlinie darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen. Laut ihrem Erwägungsgrund 36 sind Familienangehörige aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Das deckt sich auch mit dem Zweck der nationalen Umsetzungsvorschrift, § 26 AsylG. Er besteht weiter darin, das Bundesamt und die Gerichte zu entlasten, indem sich eine unter Umständen schwierige Prüfung eigener Verfolgungsgründe der nahen Angehörigen eines Verfolgten erübrigt. Außerdem soll die Norm die Integration der Anerkannten fördern (BT-Drs. 11/6960 S. 29 f.).
34 
In einem ähnlichen Fall hat der EuGH entschieden, dass ein Asylantrag i.S.v. Art. 20 Abs. 2 VO 604/2013 (Dublin III VO) gestellt ist, sobald die zuständige Behörde Kenntnis vom Asylbegehren des Schutzsuchenden erhält (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 103). Er stellte dabei u.a. darauf ab, dass das Begehren in diesem Stadium noch keine bestimmte Form haben muss, um die notwendigen Verfahrensschritte einzuleiten und die ersten rechtstaatlichen Garantien für den Antragsteller zu begründen (Rn. 88). Außerdem würden anderenfalls wichtige Ansprüche des Betroffenen Minderjährigen, insbesondere jener auf Familienzusammenführung verkürzt (Rn. 91). Weiter spreche für eine solche Auslegung die Verpflichtung des Mitgliedstaates, das Prüfverfahren zeitnah zum Abschluss zu bringen (Rn. 96).
35 
Diese Argumente lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Auch § 26 AsylG dient der Einheit des Familienverbundes. Weiter besteht auch für Asylverfahren die nicht (mehr) dem Dublin-Regime unterliegen ein Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung des Antrages, Art. 31 Abs. 2 der RL 2013/32. Dass Art. 20 Abs. 2 Dublin-III VO eine andere textliche Grundlage hat als der vorliegend einschlägige Art. 23 RL 2011/95/EU bzw. § 26 Abs. 3 AsylG und als Antragstellung bereits ein Formblatt oder ein behördliches Protokoll genügen lässt, steht einer Übertragung der Rechtsprechung nicht entgegen. Auch § 13 Abs. 1 AsylG lässt bereits den schriftlich, mündlich oder anderweitig geäußerten Willen, Schutz zu suchen, genügen und die aus Art. 6 der Asylverfahrensrichtlinie abgeleitete Unterscheidung zwischen der „Stellung“ und der „förmlichen Stellung“ eines Asylantrages findet sich nur in wenigen Sprachfassungen (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 99). Andererseits sieht Art. 23 der RL 2011/95/EU als Grundlage des § 26 AsylG im Gegensatz zur Dublin III VO Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten vor.
36 
Weiter drohen bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder auch nur jenen der förmlichen Asylantragstellung Probleme im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtsicherheit. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass zwei identische Familienmitglieder zweier identischer international Schutzberechtigter, die ihr Asylgesuch zeitgleich äußern, je nach dem Zeitpunkt der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen unterschiedliche Entscheidungen erhalten, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen könnten. Zudem würde so, in Anbetracht der Tatsache, dass die Dauer eines Asylverfahrens erheblich sein kann und dass insbesondere in Zeiten eines starken Zustroms von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, die vom Unionsrecht in diesem Zusammenhang vorgesehenen Fristen oft überschritten werden, einem großen Teil der Flüchtlinge ihr Recht aus § 26 AsylG vereitelt (so EuGH, Urteil vom 12.04.2018 - C 550/16 -, juris Rn. 55 ff. zum Familiennachzug nach Art. 10 Abs. 3 lit. a RL 2003/86).
37 
Ist dem Kläger zu 1. demnach subsidiärer Schutz aus dem abgeleiteten Recht nach § 26 Abs. 3 AsylG zuzuerkennen, sind darüber hinaus möglicherweise bestehende Ansprüche auf Gewährung desselben Schutzstatus aus einem „eigenen Recht“ des Klägers zu 1., § 4 AsylG, nicht zu prüfen. Zwar gewährten jene dem Kläger bzw. seinen Angehörigen grundsätzlich rechtlich eine bessere Position (vgl. § 26 Abs. 4 S. 2 AsylG). Im vorliegenden Fall jedoch sind die Bescheide dieser Angehörigen, der Kläger zu 2. - 6., mit der Klagerücknahme insoweit bestandskräftig geworden. Weiter vertragen sich ein Vorrang der persönlichen Anerkennung als international Schutzberechtigter und die nur zurückgesetzte Bedeutung des abgeleiteten internationalen Schutzes nicht mit dem Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs 11/6960 S. 29 f.), eine weitergehende, unter Umständen aufwändige Ermittlung und Prüfung eigener Asylgründe der nahen Angehörigen i.S.v. § 26 Abs. 3 AsylG zu erübrigen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 18, Günther, in: BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 4).
III.
38 
In Bezug auf die Kläger zu 3. - 6. ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. Ihre insoweit noch aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und auch begründet, sodass der angegriffene Bescheid insoweit rechtswidrig ergangen ist, die Kläger zu 3. - 6. in ihren subjektiven Rechten verletzt und dementsprechend aufzuheben ist.
39 
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann danach - in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen - als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, EZAR-NF 95 Nr. 30 m.w.N. insbesondere zur einschlägigen EGMR-Rechtsprechung).
40 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger zu 3. - 6. sind minderjährige Kinder. Sie müssen befürchten, aufgrund der Situation in Afghanistan einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend eine solche Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu bejahen ist (so BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 11.01.2017 - 13a ZB 16.30878 -, juris). Jedenfalls angesichts der konkreten Rückkehrsituation der Kläger zu 3. - 6. liegt ein solches Abschiebungsverbot vor. Nach ihrer Abschiebung oder einer eventuellen freiwilligen Rückkehr wären die Kläger zu 3.- 6. darauf verwiesen, sich in ihrer Heimatregion, Kabul, eine Existenz aufzubauen, was ihnen zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt nicht möglich wäre.
41 
Das ökonomische Überleben in Afghanistan und gerade auch in Kabul ist stark von der konkreten Rückkehrsituation abhängig. Die Situation, die Rückkehrer in Kabul vorfinden, wird maßgeblich davon mitbestimmt, ob sie sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Je stärker noch die soziale Verwurzelung der Rückkehrer oder je besser ihre Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser können sie sich in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls das Überleben sichern (Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, S. 73, 76 f.).
42 
Für das hiesige Verfahren kann dahinstehen, ob die bisherige Rechtsprechung des Gerichts, wonach vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Leitsatz), auch angesichts der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan Bestand haben kann.
43 
Jedenfalls kann sich nach Auffassung des Gerichts selbst in Kabul für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit minderjährigen Kindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, durchaus eine extreme Gefahrenlage ergeben, die es nicht ermöglicht, das Existenzminimum zu erwirtschaften und die nach den aufgezeigten Maßstäben ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Folge hat.
44 
Wären die Kläger zu 3. - 6. zu einer Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, stünde der Kläger zu 1. vor der Wahl, die Kläger zu 3. - 6. alleine zurückkehren zu lassen oder sie trotz des ihm zuzuerkennenden Schutzstatus zu begleiten. In beiden Fällen treffen bei den Klägern mehrere gefahrerhöhende Faktoren zusammen, die es nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen, dass es ihnen gelingen könnte, das notwendige Existenzminimum zu erwirtschaften.
45 
Für den Fall der alleinigen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. ergibt sich das daraus, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass aufgrund der allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan selbst für Familien mit jüngeren Kindern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK anzunehmen ist, soweit nicht besondere begünstigende Faktoren vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 464 ff., BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 15 ff.), an denen es im Fall der Kläger fehlt. Das muss erst recht dann gelten, wenn die Minderjährigen ohne hinreichenden Familienanschluss im Zielstaat zu einer alleinigen Rückkehr gezwungen wären und wenn sie weiter, wie die Kläger zu 3. (Verdacht auf Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Thrombozytose) unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leiden.
46 
Für den Fall der gemeinsamen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. mit dem Kläger zu 1. wäre es alleine an Letzterem, den erhöhten allgemeinen Lebensbedarf der Familie zu sichern. Das ihm dies hinreichend sicher gelänge, erscheint ausgeschlossen.
47 
Der erhöhte Lebensbedarf der Kläger ergibt sich zum einen aus den mit der besonderen Vulnerabilität in der ersten Lebensphase einhergehenden, erhöhten Anforderungen an Nahrung, Hygiene und Schutz der Kläger zu 3. - 6. Dieser Lebensbedarf wird weiter durch die gesundheitlichen Einschränkungen der Kläger zu 3., 5. und 6. gesteigert (s.o.).
48 
Die Mutter der Kläger zu 2. - 6. ist verstorben, sodass es die alleinige Aufgabe des Klägers zu 1. wäre, den erhöhten Lebensbedarf der Familie mit mehreren kleinen Kindern zu sichern. Dass ihm dies und sei es am Rande des Existenzminimums gelingen würde, steht nicht zu erwarten.
49 
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger zu 1. eine Arbeitsaufnahme nur schwer möglich sein dürfte. Am mutmaßlichen Zielort der Abschiebung in Kabul liegt die Arbeitslosenquote bei mindestens 40 % (AA, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 22 - die Zahl bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung, stellt man in Rechnung, dass die Landwirtschaft 60% der Erwerbsarbeitsplätze generiert, dürfe sich in den Städten insbesondere in Kabul deutlich höher liegen - vgl. Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73, 76). Seine Ursprungstätigkeit als Heizungshändler könnte der Kläger zu 1. nicht ohne weiteres wieder aufnehmen, weil er seinen Betrieb vor der Ausreise an seine ehemaligen Mitarbeiter veräußert hat. Die damit erzielten Erlöse haben die Flucht der Kläger finanziert. Für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit bedürfte der Kläger zu 1. demnach erheblichen Startkapitals, das ihm nach Lage der Dinge nicht zur Verfügung steht und wäre überdies einer stärkeren Konkurrenzsituation ausgesetzt.
50 
Schließlich leidet der Kläger zu 1. unter derart erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, dass er in der Bundesrepublik als Schwerbehinderter anerkannt ist. Angesichts dieser Gesamtumstände mit einem extrem schwierigen und hart umkämpften Arbeitsmarkt, dem erhöhten Lebensunterhalt einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern und der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1. erscheint die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie in Afghanistan, und sei es an der Grenze des Existenzminimums, ausgeschlossen.
51 
Ob sich daneben mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG auch aus den gesundheitlichen Problemen der Klägerin zu 5. ein Abschiebungsverbot ergibt, oder ein solches auch besteht, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 Rn. 17).
IV.
52 
Auch in Bezug auf die Klägerin zu 2. als, zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt, § 77 Abs. 1 AsylG, volljährige, alleinstehende junge Frau, ist ein Abschiebeverbot in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Es ergibt sich ebenfalls aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Auch insoweit war der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtswidrig und demnach aufzuheben.
53 
Mit Blick auf die Entscheidungen des Gerichts zu den Klägern zu 1. und 3. - 6. müsste die Klägerin zu 2. nach Lage der Dinge alleine nach Afghanistan zurückkehren. Damit wäre es ihr nach den vorgenannten Grundsätzen nicht möglich, hinreichend sicher ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 15.12.2011, online Abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/ assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/afghanistan-allein stehende-frau-mit-kindern.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) hängen afghanische Frauen ihr Leben lang von ihren Ehemännern, Brüdern oder Vätern ab. Frauen ohne oder mit abwesenden Ehemännern sind von männlichen Verwandten abhängig; sie sind gefährdet, geschlagen und sexuell missbraucht zu werden. Alleinstehende Frauen werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Wenn sie nicht wieder von ihrer Herkunftsfamilie aufgenommen werden, haben sie kaum einen Ort, an dem sie Zuflucht finden können. Es ist demnach in Afghanistan als alleinstehende Frau schlicht nicht möglich, eine Wohnung zu mieten oder eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Darum können alleinstehende Frauen nur schwer überleben. Religiöse Autoritäten hätten vermehrt darauf gepocht, dass es sozial inakzeptabel sei, wenn Frauen ohne männlichen Begleiter das Haus verlassen. Ohne männliche Unterstützung haben Frauen aufgrund der sozialen Restriktionen und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit keine Lebensgrundlage. Der Zugang zu Arbeit, aber auch zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung bleibt ihnen verwehrt (vgl. auch VG Magdeburg, Urteil vom 31.01.2018 - 5 A 142/17 MD -, juris Rn. 38).
54 
Weiter berichtet EASO von erheblichen Schwierigkeiten oder gar dem Verbot an Frauen, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 24 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/ en/file/local/1405774/1226_1503567243_easo-coi-afghanistan-ipa-august2017.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) und von geschlechtsbasierten Benachteiligungen, Misshandlungen und einer strikten Bindung von Frauen an Normen und gesellschaftliche Moralvorstellungen, die ihr alleinstehendes Überleben als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (EASO COI Report AFGHANISTAN: Individuals targeted under societal and legal norms, S. 33 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/en/file/local/1419802/90_1513325370_easo-201712-afghanistan-targe ting-society.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018).
55 
Schließlich kommt Friederike Stahlmann in ihrem Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28.03.2018 (abrufbar unter ecoi.net - https://www.ecoi.net/en/file/local/1431611/ 90_1527075858_gutachten-afghanistan-stahlmann-28-03-2018.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) zu dem Ergebnis, dass nicht einmal für alleinstehende männliche abgelehnte Asylbewerber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Sicherung des Lebensunterhaltes ausgegangen werden kann (Frage 8). Selbst wenn man diese Bewertung für junge Männer als zu weitgehend ansieht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Leitsatz), kann nach den dem zugrunde liegenden Erkenntnismitteln jedenfalls davon ausgegangen werden, dass bei alleinstehenden jungen Frauen in Ermangelung besonderer Umstände, wie vorliegend, der Lebensunterhalt in Afghanistan nicht hinreichend gesichert ist (VGH Baden-Württemberg, aaO, Rn. 333 und Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Rn. 338).
V.
56 
Wegen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG der unter Ziffer 5 verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenfalls aufzuheben ist.
VI.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 159 VwGO. Die Kläger beantragten ursprünglich für insgesamt sechs Personen jeweils Flüchtlingsschutz und im Hilfsantrag subsidiären Schutz sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten, stellten also insgesamt 18 Anträge. In Bezug auf die Kläger zu 2. - 6. nahmen die Kläger jeweils zwei, in Bezug auf den Kläger zu 1. einen, insgesamt also elf Anträge zurück. Insoweit waren ihnen die Kosten aufzuerlegen, §§ 155 Abs. 2, 159 VwGO. Mit den noch verbleibenden Anträgen obsiegen die Kläger, sodass insoweit die Beklagte die Kosten zu tragen hat.
58 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, auf welchen Zeitpunkt es für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG ankommt. Die Frage ist bisher höchstrichterlich nicht behandelt und wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt.

Gründe

 
14 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
15 
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
16 
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
17 
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
II.
18 
Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes aus § 26 Abs. 5 i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG.
19 
Gemäß § 26 Abs. 3 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (1.), die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (2.), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (3.), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (4.) und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (5.).
20 
Gemäß § 26 Abs. 5 AsylG ist sind die Absätze 1 bis 4 auf Familienangehörige von international Schutzberechtigten entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG vorliegt.
21 
Die Beklagte hat den ältesten Sohn des Klägers zu 1. mit Bescheid vom 13.05.2016 (AZ: ...) unanfechtbar als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. Sie erfolgte nach der Einreise der Kläger im Januar 2016. Außerdem hat die Familie auch bereits im Heimatstaat des Klägers zu 1. und seines Sohnes, in Afghanistan bestanden, § 26 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 AsylG und in der Person des Klägers zu 1. ist auch kein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG erfüllt.
22 
Der älteste Sohn des Klägers zu 1., S. A. R. H., ist ledig. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt des § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG minderjährig, weil es insoweit nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt (1.), sondern auf jene bei Stellung des Asylantrages und damit zu jenem Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat (2.).
23 
Dabei geht das Gericht in tatsächlicher Hinsicht angesichts der Behördenakten davon aus, dass der Kläger zu 1. am 21.04.2016 und damit (einen Tag) nach der Volljährigkeit seines stammberechtigten Sohnes einen förmlichen Asylantrag gestellt hat. Weiter geht das Gericht geht nach der Auskunft der Beklagten davon aus, dass das Asylgesuch der Kläger nach ihrer Registrierung an die Beklagte übermittelt wurde und dass die Kläger dann wegen des außergewöhnlichen Anstiegs der Zahl der in diesem Zeitraum nach Deutschland eingereisten Asylbewerber erst mehrere Wochen später ihre förmlichen Asylanträge stellen konnten (vgl. zu diesen Umständen auch: EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 37). Somit hatte das Bundesamt vor dem 20.04.2016 Kenntnis vom Asylbegehren der Kläger und räumte ihnen dann, ggf. mittelbar, einen Termin zur förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 ein. Bei Kenntniserlangung des Bundesamtes war der stammberechtigte Sohn des Klägers zu 1. demnach minderjährig.
24 
1. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG trifft keine explizite Bestimmung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das stammberechtigte Kind minderjährig und ledig gewesen sein muss. Die allgemeine Vorgabe des § 77 Abs. 1 AsylG findet aus systematischen und teleologischen Erwägungen keine Anwendung (anders: VG Sigmaringen, Urteil vom 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, Rn. 20 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2016 - 3 S 106/16 -, juris, in einer Entscheidung zu § 36 AsylG).
25 
Nach § 77 Abs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
26 
Systematisch steht einer Übernahme dieser allgemeinen Bestimmung § 26 Abs. 2, AsylG entgegen. Er legt fest, dass es für den umgekehrten Fall, dass ein minderjähriges, lediges Kind den Schutzstatus vom Stammberechtigten ableiten will, auf den „Zeitpunkt der Asylantragstellung“ ankommen soll, weil die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer sich nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Auch nach § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG (von einem Minderjährigen abgeleiteter Schutz für seine Geschwister) kommt es auf die Minderjährigkeit der Ableitenden zum Zeitpunkt der Asylantragstellung an. Aus der einheitlichen unionsrechtlichen Grundlage beider Absätze des § 26 AsylG (RL 2011/95/EU) wird in der Rechtsprechung abgeleitet, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG auf die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ankommt (VG Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris; VG Köln - 16 K 6233/16.A -, S. 5 nicht veröffentlicht; VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 17 ff.).
27 
Zwar ist der systematische Rückschluss aus § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG maßgeblich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ankomme, für sich allein nicht zwingend, weil sich mit demselben dogmatischen Gewicht argumentieren lässt, der Gesetzgeber hätte dort und nur dort eine ausdrückliche Regelung getroffen, weil er sie nur dort für erforderlich halte und alle anderen Fälle wie üblich zu behandeln seien. Eine solche Ausnahme für § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG wäre auch nicht zwingend systemwidrig, weil die explizit geregelten Fälle des § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG einen anderen Sachverhalt regeln als § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG. Jene klären, wer vom Stammberechtigten Schutz ableiten kann, dieser wer solchen Schutz vermitteln kann.
28 
Allerdings ist in der Zusammenschau mit dem Sinn und Zweck der Norm ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung geboten. So dient § 26 AsylGeinheitlich der Wahrung der Familieneinheit und damit insbesondere dem Schutz Minderjähriger (BT-Drs. 17/13063 S. 21), indem er es Familienangehörigen ermöglicht, unabhängig von der persönlichen Verfolgung einen Schutzstatus von einem Familienmitglied abzuleiten.
29 
Weiter liegt es in der Konsequenz des § 77 Abs. 1 AsylG, dass Veränderungen in der Zeit zwischen dem Asylgesuch und der Entscheidung einen Anspruch auf internationalen Schutz zu Fall bringen oder auch erst entstehen lassen können. Weil das Flüchtlingsrecht seinem Zweck nach einerseits auf den Schutz der Ausländer ausgerichtet ist, andererseits aber auch nur der davon profitieren soll, der den Schutz wirklich braucht, ist dieses Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung nicht von vornherein als rechtlich unhaltbar anzusehen (zur Schutzfunktion der Norm zugunsten der Asylantragsteller: BVerfG, Beschluss vom 27.03.2017 - 2 BvR 681/17 -, juris).
30 
Das Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung begegnet aber dann Bedenken, wenn es nicht um politische, gesellschaftliche und soziale Zustände geht. Ihr Wandel ist letztlich nicht prognostizierbar, sodass es für den Antragsteller und die beteiligten staatlichen Stellen dem Zufall unterliegt, ob die eintretenden Veränderungen zum Entfallen oder Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für das Schutzbegehren des Asylantragstellers führen. Anders liegt die Sach- und Interessenlage dann, wenn der Zeitablauf irreversible Fakten schafft, indem Termine oder Fristen ablaufen, etwa weil die Antragsteller oder ihre Stammberechtigten volljährig werden. In einem solchen Fall hängt der Anspruch auf internationalen Schutz unbilliger Weise nicht mehr von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Heimatstaat und damit dem konkreten Schutzbedarf der Betroffenen zum Verhandlungs- oder Entscheidungszeitpunkt ab, sondern allein davon, ob die deutschen Behörden und Gerichte ihre Entscheidungen hinreichend schnell treffen.
31 
2. Ist danach die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich, meint dies nicht erst jenen der förmlichen Asylantragstellung, sondern bereits den Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat.
32 
Dem Abstellen auf die Asylantragstellung statt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Dieser Gedanke wird mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben nur vollständig verwirklicht, wenn bereits die Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Asylgesuch des Schutzsuchenden genügt und es nicht auf die förmliche Asylantragstellung ankommt (so zu § 26 Abs. 2 AsylG: VG Stuttgart, Urteil vom 22.09.2017 - A 1 K 7628/16 -, juris Rn. 58).
33 
Das Recht der Familienangehörigen vom Stammberechtigten einen Schutzstatus abzuleiten, ist zeitlich, anders als bei § 36 AufenthG, nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt (VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 19). Es hängt stattdessen vom Bestand von dessen internationalem Schutz ab, der mit der Volljährigkeit gerade nicht endet. Die ratio der § 26 AsylG zugrundeliegenden RL 2011/95/EU geht demnach dahin, den Familienverband unter einheitlichem Status im Aufnahmestaat zu bewahren. Laut ihrem Erwägungsgrund 18 zielt die Richtlinie darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen. Laut ihrem Erwägungsgrund 36 sind Familienangehörige aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Das deckt sich auch mit dem Zweck der nationalen Umsetzungsvorschrift, § 26 AsylG. Er besteht weiter darin, das Bundesamt und die Gerichte zu entlasten, indem sich eine unter Umständen schwierige Prüfung eigener Verfolgungsgründe der nahen Angehörigen eines Verfolgten erübrigt. Außerdem soll die Norm die Integration der Anerkannten fördern (BT-Drs. 11/6960 S. 29 f.).
34 
In einem ähnlichen Fall hat der EuGH entschieden, dass ein Asylantrag i.S.v. Art. 20 Abs. 2 VO 604/2013 (Dublin III VO) gestellt ist, sobald die zuständige Behörde Kenntnis vom Asylbegehren des Schutzsuchenden erhält (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 103). Er stellte dabei u.a. darauf ab, dass das Begehren in diesem Stadium noch keine bestimmte Form haben muss, um die notwendigen Verfahrensschritte einzuleiten und die ersten rechtstaatlichen Garantien für den Antragsteller zu begründen (Rn. 88). Außerdem würden anderenfalls wichtige Ansprüche des Betroffenen Minderjährigen, insbesondere jener auf Familienzusammenführung verkürzt (Rn. 91). Weiter spreche für eine solche Auslegung die Verpflichtung des Mitgliedstaates, das Prüfverfahren zeitnah zum Abschluss zu bringen (Rn. 96).
35 
Diese Argumente lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Auch § 26 AsylG dient der Einheit des Familienverbundes. Weiter besteht auch für Asylverfahren die nicht (mehr) dem Dublin-Regime unterliegen ein Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung des Antrages, Art. 31 Abs. 2 der RL 2013/32. Dass Art. 20 Abs. 2 Dublin-III VO eine andere textliche Grundlage hat als der vorliegend einschlägige Art. 23 RL 2011/95/EU bzw. § 26 Abs. 3 AsylG und als Antragstellung bereits ein Formblatt oder ein behördliches Protokoll genügen lässt, steht einer Übertragung der Rechtsprechung nicht entgegen. Auch § 13 Abs. 1 AsylG lässt bereits den schriftlich, mündlich oder anderweitig geäußerten Willen, Schutz zu suchen, genügen und die aus Art. 6 der Asylverfahrensrichtlinie abgeleitete Unterscheidung zwischen der „Stellung“ und der „förmlichen Stellung“ eines Asylantrages findet sich nur in wenigen Sprachfassungen (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 99). Andererseits sieht Art. 23 der RL 2011/95/EU als Grundlage des § 26 AsylG im Gegensatz zur Dublin III VO Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten vor.
36 
Weiter drohen bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder auch nur jenen der förmlichen Asylantragstellung Probleme im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtsicherheit. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass zwei identische Familienmitglieder zweier identischer international Schutzberechtigter, die ihr Asylgesuch zeitgleich äußern, je nach dem Zeitpunkt der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen unterschiedliche Entscheidungen erhalten, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen könnten. Zudem würde so, in Anbetracht der Tatsache, dass die Dauer eines Asylverfahrens erheblich sein kann und dass insbesondere in Zeiten eines starken Zustroms von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, die vom Unionsrecht in diesem Zusammenhang vorgesehenen Fristen oft überschritten werden, einem großen Teil der Flüchtlinge ihr Recht aus § 26 AsylG vereitelt (so EuGH, Urteil vom 12.04.2018 - C 550/16 -, juris Rn. 55 ff. zum Familiennachzug nach Art. 10 Abs. 3 lit. a RL 2003/86).
37 
Ist dem Kläger zu 1. demnach subsidiärer Schutz aus dem abgeleiteten Recht nach § 26 Abs. 3 AsylG zuzuerkennen, sind darüber hinaus möglicherweise bestehende Ansprüche auf Gewährung desselben Schutzstatus aus einem „eigenen Recht“ des Klägers zu 1., § 4 AsylG, nicht zu prüfen. Zwar gewährten jene dem Kläger bzw. seinen Angehörigen grundsätzlich rechtlich eine bessere Position (vgl. § 26 Abs. 4 S. 2 AsylG). Im vorliegenden Fall jedoch sind die Bescheide dieser Angehörigen, der Kläger zu 2. - 6., mit der Klagerücknahme insoweit bestandskräftig geworden. Weiter vertragen sich ein Vorrang der persönlichen Anerkennung als international Schutzberechtigter und die nur zurückgesetzte Bedeutung des abgeleiteten internationalen Schutzes nicht mit dem Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs 11/6960 S. 29 f.), eine weitergehende, unter Umständen aufwändige Ermittlung und Prüfung eigener Asylgründe der nahen Angehörigen i.S.v. § 26 Abs. 3 AsylG zu erübrigen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 18, Günther, in: BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 4).
III.
38 
In Bezug auf die Kläger zu 3. - 6. ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. Ihre insoweit noch aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und auch begründet, sodass der angegriffene Bescheid insoweit rechtswidrig ergangen ist, die Kläger zu 3. - 6. in ihren subjektiven Rechten verletzt und dementsprechend aufzuheben ist.
39 
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann danach - in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen - als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, EZAR-NF 95 Nr. 30 m.w.N. insbesondere zur einschlägigen EGMR-Rechtsprechung).
40 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger zu 3. - 6. sind minderjährige Kinder. Sie müssen befürchten, aufgrund der Situation in Afghanistan einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend eine solche Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu bejahen ist (so BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 11.01.2017 - 13a ZB 16.30878 -, juris). Jedenfalls angesichts der konkreten Rückkehrsituation der Kläger zu 3. - 6. liegt ein solches Abschiebungsverbot vor. Nach ihrer Abschiebung oder einer eventuellen freiwilligen Rückkehr wären die Kläger zu 3.- 6. darauf verwiesen, sich in ihrer Heimatregion, Kabul, eine Existenz aufzubauen, was ihnen zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt nicht möglich wäre.
41 
Das ökonomische Überleben in Afghanistan und gerade auch in Kabul ist stark von der konkreten Rückkehrsituation abhängig. Die Situation, die Rückkehrer in Kabul vorfinden, wird maßgeblich davon mitbestimmt, ob sie sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Je stärker noch die soziale Verwurzelung der Rückkehrer oder je besser ihre Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser können sie sich in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls das Überleben sichern (Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, S. 73, 76 f.).
42 
Für das hiesige Verfahren kann dahinstehen, ob die bisherige Rechtsprechung des Gerichts, wonach vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Leitsatz), auch angesichts der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan Bestand haben kann.
43 
Jedenfalls kann sich nach Auffassung des Gerichts selbst in Kabul für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit minderjährigen Kindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, durchaus eine extreme Gefahrenlage ergeben, die es nicht ermöglicht, das Existenzminimum zu erwirtschaften und die nach den aufgezeigten Maßstäben ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Folge hat.
44 
Wären die Kläger zu 3. - 6. zu einer Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, stünde der Kläger zu 1. vor der Wahl, die Kläger zu 3. - 6. alleine zurückkehren zu lassen oder sie trotz des ihm zuzuerkennenden Schutzstatus zu begleiten. In beiden Fällen treffen bei den Klägern mehrere gefahrerhöhende Faktoren zusammen, die es nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen, dass es ihnen gelingen könnte, das notwendige Existenzminimum zu erwirtschaften.
45 
Für den Fall der alleinigen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. ergibt sich das daraus, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass aufgrund der allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan selbst für Familien mit jüngeren Kindern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK anzunehmen ist, soweit nicht besondere begünstigende Faktoren vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 464 ff., BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 15 ff.), an denen es im Fall der Kläger fehlt. Das muss erst recht dann gelten, wenn die Minderjährigen ohne hinreichenden Familienanschluss im Zielstaat zu einer alleinigen Rückkehr gezwungen wären und wenn sie weiter, wie die Kläger zu 3. (Verdacht auf Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Thrombozytose) unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leiden.
46 
Für den Fall der gemeinsamen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. mit dem Kläger zu 1. wäre es alleine an Letzterem, den erhöhten allgemeinen Lebensbedarf der Familie zu sichern. Das ihm dies hinreichend sicher gelänge, erscheint ausgeschlossen.
47 
Der erhöhte Lebensbedarf der Kläger ergibt sich zum einen aus den mit der besonderen Vulnerabilität in der ersten Lebensphase einhergehenden, erhöhten Anforderungen an Nahrung, Hygiene und Schutz der Kläger zu 3. - 6. Dieser Lebensbedarf wird weiter durch die gesundheitlichen Einschränkungen der Kläger zu 3., 5. und 6. gesteigert (s.o.).
48 
Die Mutter der Kläger zu 2. - 6. ist verstorben, sodass es die alleinige Aufgabe des Klägers zu 1. wäre, den erhöhten Lebensbedarf der Familie mit mehreren kleinen Kindern zu sichern. Dass ihm dies und sei es am Rande des Existenzminimums gelingen würde, steht nicht zu erwarten.
49 
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger zu 1. eine Arbeitsaufnahme nur schwer möglich sein dürfte. Am mutmaßlichen Zielort der Abschiebung in Kabul liegt die Arbeitslosenquote bei mindestens 40 % (AA, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 22 - die Zahl bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung, stellt man in Rechnung, dass die Landwirtschaft 60% der Erwerbsarbeitsplätze generiert, dürfe sich in den Städten insbesondere in Kabul deutlich höher liegen - vgl. Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73, 76). Seine Ursprungstätigkeit als Heizungshändler könnte der Kläger zu 1. nicht ohne weiteres wieder aufnehmen, weil er seinen Betrieb vor der Ausreise an seine ehemaligen Mitarbeiter veräußert hat. Die damit erzielten Erlöse haben die Flucht der Kläger finanziert. Für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit bedürfte der Kläger zu 1. demnach erheblichen Startkapitals, das ihm nach Lage der Dinge nicht zur Verfügung steht und wäre überdies einer stärkeren Konkurrenzsituation ausgesetzt.
50 
Schließlich leidet der Kläger zu 1. unter derart erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, dass er in der Bundesrepublik als Schwerbehinderter anerkannt ist. Angesichts dieser Gesamtumstände mit einem extrem schwierigen und hart umkämpften Arbeitsmarkt, dem erhöhten Lebensunterhalt einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern und der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1. erscheint die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie in Afghanistan, und sei es an der Grenze des Existenzminimums, ausgeschlossen.
51 
Ob sich daneben mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG auch aus den gesundheitlichen Problemen der Klägerin zu 5. ein Abschiebungsverbot ergibt, oder ein solches auch besteht, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 Rn. 17).
IV.
52 
Auch in Bezug auf die Klägerin zu 2. als, zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt, § 77 Abs. 1 AsylG, volljährige, alleinstehende junge Frau, ist ein Abschiebeverbot in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Es ergibt sich ebenfalls aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Auch insoweit war der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtswidrig und demnach aufzuheben.
53 
Mit Blick auf die Entscheidungen des Gerichts zu den Klägern zu 1. und 3. - 6. müsste die Klägerin zu 2. nach Lage der Dinge alleine nach Afghanistan zurückkehren. Damit wäre es ihr nach den vorgenannten Grundsätzen nicht möglich, hinreichend sicher ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 15.12.2011, online Abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/ assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/afghanistan-allein stehende-frau-mit-kindern.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) hängen afghanische Frauen ihr Leben lang von ihren Ehemännern, Brüdern oder Vätern ab. Frauen ohne oder mit abwesenden Ehemännern sind von männlichen Verwandten abhängig; sie sind gefährdet, geschlagen und sexuell missbraucht zu werden. Alleinstehende Frauen werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Wenn sie nicht wieder von ihrer Herkunftsfamilie aufgenommen werden, haben sie kaum einen Ort, an dem sie Zuflucht finden können. Es ist demnach in Afghanistan als alleinstehende Frau schlicht nicht möglich, eine Wohnung zu mieten oder eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Darum können alleinstehende Frauen nur schwer überleben. Religiöse Autoritäten hätten vermehrt darauf gepocht, dass es sozial inakzeptabel sei, wenn Frauen ohne männlichen Begleiter das Haus verlassen. Ohne männliche Unterstützung haben Frauen aufgrund der sozialen Restriktionen und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit keine Lebensgrundlage. Der Zugang zu Arbeit, aber auch zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung bleibt ihnen verwehrt (vgl. auch VG Magdeburg, Urteil vom 31.01.2018 - 5 A 142/17 MD -, juris Rn. 38).
54 
Weiter berichtet EASO von erheblichen Schwierigkeiten oder gar dem Verbot an Frauen, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 24 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/ en/file/local/1405774/1226_1503567243_easo-coi-afghanistan-ipa-august2017.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) und von geschlechtsbasierten Benachteiligungen, Misshandlungen und einer strikten Bindung von Frauen an Normen und gesellschaftliche Moralvorstellungen, die ihr alleinstehendes Überleben als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (EASO COI Report AFGHANISTAN: Individuals targeted under societal and legal norms, S. 33 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/en/file/local/1419802/90_1513325370_easo-201712-afghanistan-targe ting-society.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018).
55 
Schließlich kommt Friederike Stahlmann in ihrem Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28.03.2018 (abrufbar unter ecoi.net - https://www.ecoi.net/en/file/local/1431611/ 90_1527075858_gutachten-afghanistan-stahlmann-28-03-2018.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) zu dem Ergebnis, dass nicht einmal für alleinstehende männliche abgelehnte Asylbewerber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Sicherung des Lebensunterhaltes ausgegangen werden kann (Frage 8). Selbst wenn man diese Bewertung für junge Männer als zu weitgehend ansieht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Leitsatz), kann nach den dem zugrunde liegenden Erkenntnismitteln jedenfalls davon ausgegangen werden, dass bei alleinstehenden jungen Frauen in Ermangelung besonderer Umstände, wie vorliegend, der Lebensunterhalt in Afghanistan nicht hinreichend gesichert ist (VGH Baden-Württemberg, aaO, Rn. 333 und Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Rn. 338).
V.
56 
Wegen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG der unter Ziffer 5 verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenfalls aufzuheben ist.
VI.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 159 VwGO. Die Kläger beantragten ursprünglich für insgesamt sechs Personen jeweils Flüchtlingsschutz und im Hilfsantrag subsidiären Schutz sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten, stellten also insgesamt 18 Anträge. In Bezug auf die Kläger zu 2. - 6. nahmen die Kläger jeweils zwei, in Bezug auf den Kläger zu 1. einen, insgesamt also elf Anträge zurück. Insoweit waren ihnen die Kosten aufzuerlegen, §§ 155 Abs. 2, 159 VwGO. Mit den noch verbleibenden Anträgen obsiegen die Kläger, sodass insoweit die Beklagte die Kosten zu tragen hat.
58 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, auf welchen Zeitpunkt es für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG ankommt. Die Frage ist bisher höchstrichterlich nicht behandelt und wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29.11.2016 verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger, denen von der Beklagten bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1946 und am … 1950 in Chan Schaichun geborenen Kläger sind syrische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit und islamisch-sunnitischen Glaubens. Sie reisten eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit ihrem am … 1999 geborenen Sohn M. N. am 03.03.2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 23.05.2016 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Die Kläger wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24.08.2016 zu den Gründen für ihr Asylbegehren angehört. Hierbei trugen sie im Wesentlichen vor, sie hätten fünf Söhne und sieben Töchter. Der Kläger zu 1) gab an, er habe von 1968 bis 1971 Wehrdienst geleistet. Anschließend sei er sechs Monate lang Reservist gewesen und dann zur Polizei gegangen. Die Kläger erklärten, sie hätten Syrien aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte den Klägern sowie deren Sohn M. mit Bescheid vom 29.11.2016 den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab (Ziffer 2). Der Bescheid wurde am 01.12.2016 zugestellt.
Die Kläger sowie ihr Sohn M. N. haben am 14.12.2016 Klagen beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Soweit das Verfahren M. N. betraf, wurde es mit Beschluss vom 11.09.2017 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen A 2 K 12399/17 fortgeführt. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit rechtskräftigem Urteil vom 11.10.2017 - A 2 K 12399/17 - unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29.11.2016 verpflichtet, dem M. N. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Das Verwaltungsgericht nahm Bezug auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteile vom 02.05.2017 - A 11 S 562/17 -, juris und vom 14.06.2017 - A 11 S 511/17 -, juris) und führte aus, dem 1999 geborenen Kläger drohe bereits deshalb Verfolgung, weil er sich durch eine unerlaubte Ausreise aus Syrien und einem Verbleib im Ausland dem Militärdienst entzogen habe.
Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, ihnen drohten schwerste Menschenrechtsverletzungen in Anknüpfung an eine ihnen unterstellte politische Gegnerschaft zum Regime des syrischen Machthabers Assad. Bei den syrischen Kriegsverbrechen handele es sich nicht lediglich um willkürliche Gewalt, sondern um Gewalt, die gezielt dazu eingesetzt werde, Gegner der Regierung zu vernichten. Es bestehe die Gefahr, dass die Kläger vom syrischen Geheimdienst auch deshalb als potenzielle Regimegegner behandelt würden, weil sich drei ihrer Söhne dem Wehrdienst entzogen hätten. Es handele sich um M., zu dessen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft das Verwaltungsgericht die Beklagte bereits rechtskräftig verpflichtet habe, um den in Hamburg wohnenden Ib. und den in Neuenkirchen wohnenden I.. Ein weiterer Sohn namens J. halte sich noch in Chan Schaichun auf und lebe dort „unter der Erde“. Die Kläger berufen sich darüber hinaus auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Familienflüchtlingsschutzes nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Insbesondere stehe dem nicht die inzwischen eingetretene Volljährigkeit des stammberechtigten Sohnes entgegen. Die Nähe zum Verfolgungsschicksal des Sohnes sei nicht dadurch entfallen, dass dieser volljährig geworden sei. Auch dürfe es nicht in der Hand der Beklagten liegen, den Elternschutz dadurch zu unterlaufen, dass das Verfahren verzögert betrieben werde.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29.11.2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klagen abzuweisen.
11 
Das Bundesamt bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
12 
Die Kläger wurden in der mündlichen Verhandlung zu ihren Asylgründen angehört. Insoweit wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte des Bundesamts und auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
14 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn die Ladung, die aufgrund des allgemeinen Verzichts der Beklagten auf die Förmlichkeiten der Ladung formlos erfolgt ist, enthielt einen entsprechenden Hinweis (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässigen Klagen sind begründet.
16 
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29.11.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger können die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz beanspruchen (I.). Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener politischer Verfolgung der Kläger kommt dagegen nicht in Betracht (II.).
I.
17 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung von Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG.
18 
Nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j) der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn 1. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist, 2. die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j) der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Flüchtling verfolgt wird, 3. sie vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben, 4. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und 5. sie die Personensorge für den Flüchtling innehaben.
19 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte dem Sohn M. N. bereits die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt hat. Denn die rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung der Beklagten ist der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gleichzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.05.2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308; VG Lüneburg, Urt. v. 06.09.2017 - 3 A 156/17 -, juris). Vorliegend wurde die Beklagte durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11.10.2017 - A 2 K 12399/17 - dazu verpflichtet, M. N. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Auch die weiteren, in § 26 Abs. 3 Satz 1 Ziffern 2 bis 5 AsylG genannten Voraussetzungen des „Elternschutzes“ liegen vor. Die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchst. j) der Richtlinie 2011/95/EU, mithin die Eltern-Sohn-Beziehung, bestand bereits in Syrien. Ferner sind die Kläger nach eigenen Angaben am 03.03.2016 und damit vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Sohnes M. im Jahr 2017 in die Bundesrepublik eingereist und haben zeitgleich mit ihm am 23.05.2016 einen Asylantrag gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme (§ 73 AsylG) der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Sohnes der Kläger derzeit vorliegen oder dass die Kläger nicht mehr die Personensorge für ihren Sohn inne hatten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ferner liegen Ausschlussgründe nach § 26 Abs. 4 und Abs. 6 AsylG nicht vor.
20 
Der am ... 1999 geborene stammberechtigte Sohn M. N. war im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung der Kläger am 03.03.2016 auch noch unter 18 Jahre alt und damit minderjährig (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 2 BGB). Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Minderjährigkeit im Rahmen des „Elternschutzes“ nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist der Zeitpunkt der Asylantragstellung der Eltern und nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. ebenso VG Hamburg, Urt. v. 05.02.2014 - 8 A 1236/12 -, juris Rn. 17 ff.; a. A. VG Sigmaringen, Urt. v. 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, juris Rn. 20 unter Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.12.2016 - OVG 3 S 106.16 -, juris zu § 36 AufenthG).
21 
Zwar ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn – wie hier – nach dem materiellen Recht ein früherer Zeitpunkt entscheidend ist. Die Maßgeblichkeit eines früheren Beurteilungszeitpunktes folgt zwar nicht bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG (1.), ergibt sich allerdings aus einer unionsrechtlich geprägten teleologische und historischen Auslegung der Norm (2.).
22 
1. Dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann nicht entnommen werden, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Frage der Minderjährigkeit des Stammberechtigten abzustellen ist. Lediglich § 26 Abs. 2 AsylG benennt im umgekehrten Fall, in dem minderjährige Kinder zu ihren stammberechtigten Eltern zuziehen, ausdrücklich den Zeitpunkt der Asylantragstellung.
23 
2. Unionsrechtlich geprägte teleologische Erwägungen (a) und eine historische Betrachtung (b) sprechen dafür, dass – ungeachtet des insoweit offenen Wortlautes – auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich ist.
24 
a) Gemäß Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 v. 20.12.2011 – sog. Qualifikationsrichtlinie) – im Folgenden: RL 2011/95/EU – tragen die Mitgliedstaaten Sorge dafür, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus tragen sie dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Artikeln 24 bis 35 genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist (Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU). Tragende Erwägung und zentraler Zweck der RL 2011/95/EU ist mithin in zusammenfassender Würdigung die Wahrung des Familienverbandes. Diesem Ziel wird nur dann effektiv Rechnung getragen, wenn der Familienverband durchgängig aufrechterhalten wird. Diesen in Art. 23 RL 2011/95/EU zum Ausdruck kommenden unionsrechtlichen Vorgaben wird nur dann genügt, wenn für die relevante Frage der Minderjährigkeit nicht nur bei § 26 Abs. 2 AsylG, sondern auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG auf den früheren Zeitpunkt der Asylantragstellung und nicht denjenigen der mündlichen Verhandlung abgestellt wird.
25 
Das Unionsrecht gibt einen einheitlichen Schutz des Familienverbandes vor, womit ein gespaltenes Schutzniveau abhängig davon, ob Eltern zu ihren Kindern ziehen oder umgekehrt, nicht zu vereinbaren wäre. Es wäre widersprüchlich, beim Familienflüchtlingsschutz für Eltern, die zu ihren Kindern ziehen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG), andere Maßstäbe anzulegen als im umgekehrten Fall, in dem Kinder den Flüchtlingsschutz von den stammberechtigten Eltern (§ 26 Abs. 2 AsylG) ableiten. Denn in beiden Fällen geht es um die Wahrung des im Fluchtstaat (neu) bestehenden Familienverbandes (Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU) und die Integration der nahen Angehörigen eines Stammberechtigten. Die beiden Schutztatbestände in § 26 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG basieren auf derselben unionsrechtlichen Grundlage und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Person des zuziehenden Familienmitglieds.
26 
Es wäre gleichfalls mit Blick auf das einheitliche Schutzziel des Art. 23 RL 2011/95/EU nicht nachvollziehbar, minderjährige Stammberechtigte, zu denen ein Elternteil zuziehen will (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG), schlechter zu stellen als solche, zu denen ein Geschwisterkind zuziehen will (§ 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Während im ersten Fall die Eltern – stellte man auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ab – Flüchtlingsschutz nur erhielten, wenn das stammberechtigte Kind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch minderjährig ist, reicht es nach der – soweit ersichtlich einhelligen – verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu etwa VG Hamburg, Urt. v. 13.11.2013, 8 A 214/12 -, juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, juris) im zweiten Fall aus, dass der Stammberechtigte bei Asylantragstellung des zuziehenden Geschwisterkindes (das bereits nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG ebenfalls minderjährig sein muss) noch minderjährig ist. Ein solches Ergebnis wäre insbesondere deshalb unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben zweifelhaft, weil der Zuzug von Geschwistern nicht von der Richtlinie 2011/95/EU gefordert wird, der Zuzug von Eltern dagegen schon (vgl. gemäß Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Buchst. j) RL 2011/95/EU).
27 
Eine vollständige Umsetzung der RL 2011/95/EU verlangt daher, dass Familienflüchtlingsschutz gewährt werden muss, sobald bei Entstehung des Familienverbandes im Fluchtstaat und erfolgter Asylantragstellung die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
28 
b) Den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 26 Abs. 3 AsylG zwar den schutzberechtigten Personenkreis erweitern, ihm allerdings – entgegen dem unionsrechtlichen Schutzzweck – ein verringertes Schutzniveau zusprechen wollte. Vielmehr ist auch unter Berücksichtigung der Historie davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz lediglich der unionsrechtlich gebotenen Erweiterung des geschützten Personenkreises Rechnung tragen und hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes in Absatz 2 und 3 des § 26 AsylG nicht differenzieren wollte.
29 
Die Überlegung, dass sich die – behördliche und gerichtliche – Verfahrensdauer nicht nachteilig auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll, hat den Gesetzgeber im Fall des zu seinen stammberechtigten Eltern zuziehenden Minderjährigen (§ 26 Abs. 2 AsylG) dazu bewogen, auf den – frühen – Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (so ausdrücklich die „Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses - 4. Ausschuss“, BT-Drs. 12/2718 v. 02.06.1992, S. 60). Es liegt auf der Hand, dass diese Erwägung im hier vorliegenden Fall der zu ihren Kindern nachziehenden Eltern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gleichermaßen Geltung beansprucht. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung drängen sich weder auf noch können sie den Gesetzesmaterialien entnommen werden. In der Begründung des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird nicht erläutert, weshalb § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG den maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung der Minderjährigkeit nicht nennt. Dort wird lediglich mitgeteilt, dass § 26 Abs. 2 AsylVfG unverändert bleiben könne und in § 26 Abs. 3 Satz 1 der „Familienschutz erstmalig auf die Eltern minderjähriger lediger Asylberechtigter“ ausgedehnt werde (BR-Drs. 218/13, S. 30). Aus der Historie ergibt sich damit einzig, dass der schutzberechtigte Personenkreis ausgedehnt werden, nicht dagegen, dass die Erweiterung Änderungen hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes nach sich ziehen sollte. Sofern der Gesetzgeber einen unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkt intendiert hätte, wäre angesichts seines erklärten Ziels, den Familienschutz auf die Eltern minderjähriger lediger Asylberechtigter auszudehnen, zu erwarten gewesen, dass er dies im Zuge der Rechtsänderung bekundet und in der Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes – ggf. die Gründe für die unterschiedliche rechtliche Betrachtung benennend – äußert. Da dies jedoch – im Übrigen auch nachträglich – unterblieben ist, muss davon ausgegangen werden, dass auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich sein sollte.
II.
30 
Die Kläger haben jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener politischer Verfolgung nach § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG.
31 
1. Den Klägern kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zugute. Denn sie sind nach ihren eigenen Angaben bürgerkriegsbedingt geflohen und waren daher keiner anlassgeprägten Einzelverfolgung ausgesetzt.
32 
2. Eine begründete Furcht der Kläger vor flüchtlingsrelevanter Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem sie Syrien verlassen haben.
33 
a) Die illegale Ausreise der Kläger sowie ihre Asylantragstellung und ihr Aufenthalt im westlichen Ausland begründet – ohne das Hinzutreten weiterer Risikofaktoren – keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an und nimmt auf dessen Urteile vom 09.08.2017 (- A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317) und 21.08.2017 (- A 11 S 513/17 -, n. v.) vollumfänglich Bezug. Es lässt sich nicht feststellen, dass der syrische Staat jedem für längere Zeit ausgereisten syrischen Staatsangehörigen, der im Ausland ein Asylverfahren betrieben hatte und wieder zurückkehrt, pauschal unterstellt, ein Regimegegner zu sein, auch wenn keine besonderen zusätzlichen Anhaltspunkte bzw. gefahrerhöhende Merkmale vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317; Urt. v. 21.08.2017 - A 11 S 513/17 -, n. v.; vgl. ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2017 - 14 A 2316/16.A -, DVBl 2017, 639; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris; OVG Saarland, 22.08.2017 - 2 A 262/17 -, juris; BayVGH, Urt. v. 21.03.2017 - 21 B 16.31013 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29.03.2017 - 3 L 249/16 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - 3 B 12.17 -, juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris).
34 
b) Im Fall der Kläger sind keine risikoerhöhenden Faktoren ersichtlich. Insbesondere vermag der Vortrag der Kläger, ihnen drohe bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien eine flüchtlingsrelevante Reflexverfolgung, weil sie ihre Söhne unterstützt hätten, sich dem Militärdienst zu entziehen, keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Das erkennende Gericht schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317) an und nimmt vollumfänglich auf diese Bezug. Eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Reflexverfolgung ist demnach nur anzunehmen, wenn die Angehörigen – hier die Kläger – in irgendeiner Weise als Gegner des herrschenden Regimes in Erscheinung getreten waren (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317 unter Verweis auf Danish Refugee Council vom September 2015, S. 19 und Amnesty International Between Prison and the Grave vom November 2015, S. 48 ff.). Dies ist bei den Klägern indes nicht der Fall. Ein dementsprechender substantiierter Vortrag ist weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren erfolgt.
35 
Eine politische Verfolgung können die Kläger schließlich auch nicht aus dem schweren Giftgasangriff herleiten, der sich am 04.04.2017 in ihrer Heimatstadt Chan Schaichun ereignet hat. Denn insoweit fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung zwischen einem Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) und der (drohenden) Rechtsgutsverletzung, die im Sinne einer „objektiven Gerichtetheit“ festzustellen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55).
III.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
14 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn die Ladung, die aufgrund des allgemeinen Verzichts der Beklagten auf die Förmlichkeiten der Ladung formlos erfolgt ist, enthielt einen entsprechenden Hinweis (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässigen Klagen sind begründet.
16 
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29.11.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger können die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz beanspruchen (I.). Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener politischer Verfolgung der Kläger kommt dagegen nicht in Betracht (II.).
I.
17 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung von Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG.
18 
Nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Flüchtlings oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j) der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn 1. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist, 2. die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j) der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Flüchtling verfolgt wird, 3. sie vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben, 4. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und 5. sie die Personensorge für den Flüchtling innehaben.
19 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte dem Sohn M. N. bereits die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt hat. Denn die rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung der Beklagten ist der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gleichzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.05.2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308; VG Lüneburg, Urt. v. 06.09.2017 - 3 A 156/17 -, juris). Vorliegend wurde die Beklagte durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11.10.2017 - A 2 K 12399/17 - dazu verpflichtet, M. N. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Auch die weiteren, in § 26 Abs. 3 Satz 1 Ziffern 2 bis 5 AsylG genannten Voraussetzungen des „Elternschutzes“ liegen vor. Die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchst. j) der Richtlinie 2011/95/EU, mithin die Eltern-Sohn-Beziehung, bestand bereits in Syrien. Ferner sind die Kläger nach eigenen Angaben am 03.03.2016 und damit vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Sohnes M. im Jahr 2017 in die Bundesrepublik eingereist und haben zeitgleich mit ihm am 23.05.2016 einen Asylantrag gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme (§ 73 AsylG) der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Sohnes der Kläger derzeit vorliegen oder dass die Kläger nicht mehr die Personensorge für ihren Sohn inne hatten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ferner liegen Ausschlussgründe nach § 26 Abs. 4 und Abs. 6 AsylG nicht vor.
20 
Der am ... 1999 geborene stammberechtigte Sohn M. N. war im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung der Kläger am 03.03.2016 auch noch unter 18 Jahre alt und damit minderjährig (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 2 BGB). Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Minderjährigkeit im Rahmen des „Elternschutzes“ nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist der Zeitpunkt der Asylantragstellung der Eltern und nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. ebenso VG Hamburg, Urt. v. 05.02.2014 - 8 A 1236/12 -, juris Rn. 17 ff.; a. A. VG Sigmaringen, Urt. v. 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, juris Rn. 20 unter Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.12.2016 - OVG 3 S 106.16 -, juris zu § 36 AufenthG).
21 
Zwar ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn – wie hier – nach dem materiellen Recht ein früherer Zeitpunkt entscheidend ist. Die Maßgeblichkeit eines früheren Beurteilungszeitpunktes folgt zwar nicht bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG (1.), ergibt sich allerdings aus einer unionsrechtlich geprägten teleologische und historischen Auslegung der Norm (2.).
22 
1. Dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann nicht entnommen werden, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Frage der Minderjährigkeit des Stammberechtigten abzustellen ist. Lediglich § 26 Abs. 2 AsylG benennt im umgekehrten Fall, in dem minderjährige Kinder zu ihren stammberechtigten Eltern zuziehen, ausdrücklich den Zeitpunkt der Asylantragstellung.
23 
2. Unionsrechtlich geprägte teleologische Erwägungen (a) und eine historische Betrachtung (b) sprechen dafür, dass – ungeachtet des insoweit offenen Wortlautes – auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich ist.
24 
a) Gemäß Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 v. 20.12.2011 – sog. Qualifikationsrichtlinie) – im Folgenden: RL 2011/95/EU – tragen die Mitgliedstaaten Sorge dafür, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus tragen sie dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Artikeln 24 bis 35 genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist (Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU). Tragende Erwägung und zentraler Zweck der RL 2011/95/EU ist mithin in zusammenfassender Würdigung die Wahrung des Familienverbandes. Diesem Ziel wird nur dann effektiv Rechnung getragen, wenn der Familienverband durchgängig aufrechterhalten wird. Diesen in Art. 23 RL 2011/95/EU zum Ausdruck kommenden unionsrechtlichen Vorgaben wird nur dann genügt, wenn für die relevante Frage der Minderjährigkeit nicht nur bei § 26 Abs. 2 AsylG, sondern auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG auf den früheren Zeitpunkt der Asylantragstellung und nicht denjenigen der mündlichen Verhandlung abgestellt wird.
25 
Das Unionsrecht gibt einen einheitlichen Schutz des Familienverbandes vor, womit ein gespaltenes Schutzniveau abhängig davon, ob Eltern zu ihren Kindern ziehen oder umgekehrt, nicht zu vereinbaren wäre. Es wäre widersprüchlich, beim Familienflüchtlingsschutz für Eltern, die zu ihren Kindern ziehen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG), andere Maßstäbe anzulegen als im umgekehrten Fall, in dem Kinder den Flüchtlingsschutz von den stammberechtigten Eltern (§ 26 Abs. 2 AsylG) ableiten. Denn in beiden Fällen geht es um die Wahrung des im Fluchtstaat (neu) bestehenden Familienverbandes (Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU) und die Integration der nahen Angehörigen eines Stammberechtigten. Die beiden Schutztatbestände in § 26 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG basieren auf derselben unionsrechtlichen Grundlage und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Person des zuziehenden Familienmitglieds.
26 
Es wäre gleichfalls mit Blick auf das einheitliche Schutzziel des Art. 23 RL 2011/95/EU nicht nachvollziehbar, minderjährige Stammberechtigte, zu denen ein Elternteil zuziehen will (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG), schlechter zu stellen als solche, zu denen ein Geschwisterkind zuziehen will (§ 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Während im ersten Fall die Eltern – stellte man auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ab – Flüchtlingsschutz nur erhielten, wenn das stammberechtigte Kind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch minderjährig ist, reicht es nach der – soweit ersichtlich einhelligen – verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu etwa VG Hamburg, Urt. v. 13.11.2013, 8 A 214/12 -, juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, juris) im zweiten Fall aus, dass der Stammberechtigte bei Asylantragstellung des zuziehenden Geschwisterkindes (das bereits nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG ebenfalls minderjährig sein muss) noch minderjährig ist. Ein solches Ergebnis wäre insbesondere deshalb unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben zweifelhaft, weil der Zuzug von Geschwistern nicht von der Richtlinie 2011/95/EU gefordert wird, der Zuzug von Eltern dagegen schon (vgl. gemäß Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Buchst. j) RL 2011/95/EU).
27 
Eine vollständige Umsetzung der RL 2011/95/EU verlangt daher, dass Familienflüchtlingsschutz gewährt werden muss, sobald bei Entstehung des Familienverbandes im Fluchtstaat und erfolgter Asylantragstellung die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
28 
b) Den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 26 Abs. 3 AsylG zwar den schutzberechtigten Personenkreis erweitern, ihm allerdings – entgegen dem unionsrechtlichen Schutzzweck – ein verringertes Schutzniveau zusprechen wollte. Vielmehr ist auch unter Berücksichtigung der Historie davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz lediglich der unionsrechtlich gebotenen Erweiterung des geschützten Personenkreises Rechnung tragen und hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes in Absatz 2 und 3 des § 26 AsylG nicht differenzieren wollte.
29 
Die Überlegung, dass sich die – behördliche und gerichtliche – Verfahrensdauer nicht nachteilig auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll, hat den Gesetzgeber im Fall des zu seinen stammberechtigten Eltern zuziehenden Minderjährigen (§ 26 Abs. 2 AsylG) dazu bewogen, auf den – frühen – Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (so ausdrücklich die „Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses - 4. Ausschuss“, BT-Drs. 12/2718 v. 02.06.1992, S. 60). Es liegt auf der Hand, dass diese Erwägung im hier vorliegenden Fall der zu ihren Kindern nachziehenden Eltern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gleichermaßen Geltung beansprucht. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung drängen sich weder auf noch können sie den Gesetzesmaterialien entnommen werden. In der Begründung des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird nicht erläutert, weshalb § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG den maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung der Minderjährigkeit nicht nennt. Dort wird lediglich mitgeteilt, dass § 26 Abs. 2 AsylVfG unverändert bleiben könne und in § 26 Abs. 3 Satz 1 der „Familienschutz erstmalig auf die Eltern minderjähriger lediger Asylberechtigter“ ausgedehnt werde (BR-Drs. 218/13, S. 30). Aus der Historie ergibt sich damit einzig, dass der schutzberechtigte Personenkreis ausgedehnt werden, nicht dagegen, dass die Erweiterung Änderungen hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes nach sich ziehen sollte. Sofern der Gesetzgeber einen unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkt intendiert hätte, wäre angesichts seines erklärten Ziels, den Familienschutz auf die Eltern minderjähriger lediger Asylberechtigter auszudehnen, zu erwarten gewesen, dass er dies im Zuge der Rechtsänderung bekundet und in der Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes – ggf. die Gründe für die unterschiedliche rechtliche Betrachtung benennend – äußert. Da dies jedoch – im Übrigen auch nachträglich – unterblieben ist, muss davon ausgegangen werden, dass auch beim „Elternschutz“ des § 26 Abs. 3 AsylG der Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich sein sollte.
II.
30 
Die Kläger haben jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener politischer Verfolgung nach § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG.
31 
1. Den Klägern kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zugute. Denn sie sind nach ihren eigenen Angaben bürgerkriegsbedingt geflohen und waren daher keiner anlassgeprägten Einzelverfolgung ausgesetzt.
32 
2. Eine begründete Furcht der Kläger vor flüchtlingsrelevanter Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem sie Syrien verlassen haben.
33 
a) Die illegale Ausreise der Kläger sowie ihre Asylantragstellung und ihr Aufenthalt im westlichen Ausland begründet – ohne das Hinzutreten weiterer Risikofaktoren – keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an und nimmt auf dessen Urteile vom 09.08.2017 (- A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317) und 21.08.2017 (- A 11 S 513/17 -, n. v.) vollumfänglich Bezug. Es lässt sich nicht feststellen, dass der syrische Staat jedem für längere Zeit ausgereisten syrischen Staatsangehörigen, der im Ausland ein Asylverfahren betrieben hatte und wieder zurückkehrt, pauschal unterstellt, ein Regimegegner zu sein, auch wenn keine besonderen zusätzlichen Anhaltspunkte bzw. gefahrerhöhende Merkmale vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317; Urt. v. 21.08.2017 - A 11 S 513/17 -, n. v.; vgl. ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2017 - 14 A 2316/16.A -, DVBl 2017, 639; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris; OVG Saarland, 22.08.2017 - 2 A 262/17 -, juris; BayVGH, Urt. v. 21.03.2017 - 21 B 16.31013 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29.03.2017 - 3 L 249/16 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - 3 B 12.17 -, juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris).
34 
b) Im Fall der Kläger sind keine risikoerhöhenden Faktoren ersichtlich. Insbesondere vermag der Vortrag der Kläger, ihnen drohe bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien eine flüchtlingsrelevante Reflexverfolgung, weil sie ihre Söhne unterstützt hätten, sich dem Militärdienst zu entziehen, keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Das erkennende Gericht schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317) an und nimmt vollumfänglich auf diese Bezug. Eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Reflexverfolgung ist demnach nur anzunehmen, wenn die Angehörigen – hier die Kläger – in irgendeiner Weise als Gegner des herrschenden Regimes in Erscheinung getreten waren (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 - A 11 S 710/17 -, DVBl 2017, 1317 unter Verweis auf Danish Refugee Council vom September 2015, S. 19 und Amnesty International Between Prison and the Grave vom November 2015, S. 48 ff.). Dies ist bei den Klägern indes nicht der Fall. Ein dementsprechender substantiierter Vortrag ist weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren erfolgt.
35 
Eine politische Verfolgung können die Kläger schließlich auch nicht aus dem schweren Giftgasangriff herleiten, der sich am 04.04.2017 in ihrer Heimatstadt Chan Schaichun ereignet hat. Denn insoweit fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung zwischen einem Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) und der (drohenden) Rechtsgutsverletzung, die im Sinne einer „objektiven Gerichtetheit“ festzustellen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55).
III.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt, ist abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und § 29 Absatz 1 Nummer 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.

(2) Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind § 30 Abs. 3 und § 31, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger zu 1. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass bezüglich der Kläger zu 2. - 6. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger zu 11/18 und die Beklagte zu 7/18.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens vom Volk der Ghazalbash. Sie reisten am 22.01.2016 auf dem Landweg über Griechenland und Kroatien in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich am 03.02.2016 als Asylsuchende in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe. Am 21.04.2016 stellten die Kläger förmliche Asylanträge. Der am 01.01.1968 geborene Kläger zu 1. ist der Vater der Kläger zu 2. - 6. und der gesetzliche Vertreter der zwischen dem 15.05.2003 und dem 21.03.2013 geborenen Kläger zu 3. - 6.
In der persönlichen Anhörung vor der Beklagten am 07.12.2016 trugen die Kläger im Wesentlichen vor, sie hätten ihr Heimatland aufgrund von Landstreitigkeiten verlassen müssen. Der Kläger zu 1. gab an, es handele sich um Streitigkeiten mit Personen, welche in der Herkunftsgegend der Kläger als „Grundstücks-Mafia" bekannt seien. In seinem Fall hätten diese Personen Anspruch auf ein Grundstück erhoben, welches in seinem Eigentum gestanden habe. Das Grundstück sei bereits „beschlagnahmt" worden, aber dann habe man noch seine Unterschrift verlangt, um das Eigentum zu übertragen. Dazu seien der Kläger und seine Frau mehrfach zu Hause aufgesucht und dort bedroht worden. Nach einer solchen Bedrohung habe die Frau des Klägers zu 1. eine Herzattacke erlitten. Der Kläger zu 1. habe sie beerdigt und dann Anzeigen gegen seine Peiniger gestellt. Er habe sogar vor Gericht gewonnen, aber das habe nichts genützt. Es sei ihm bisher nicht möglich gewesen, sein Recht durchzusetzen. Weiter habe der Kläger zu 1. ein gut gehendes Heizungsgeschäft gehabt. Seine wirtschaftliche Lage sei durchschnittlich gewesen. Er habe aber gut verdient. Trotz seiner Augenprobleme sei er immer problemlos seiner Arbeit nachgegangen, wozu er auch noch heute in der Lage sei. Befragt, was ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe, erklärte der Kläger zu 1., dass man ihn wohl nicht töten würde, da diese Leute ja seine Unterschrift bräuchten. Auch sei über massive verbale Drohungen hinaus nichts weiter geschehen, da er sich nicht in der Nähe der betroffenen Grundstücke aufgehalten habe. Kurz vor der Ausreise der Familie sei jedoch die Klägerin zu 2. angesprochen worden. Man habe ihr gedroht, dass man sie mitnehmen werde, falls der Kläger zu 1. die Papiere nicht herausgebe.
Mit Bescheid vom 19.12.2016 lehnte die Beklagte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und Asylanerkennung (2.) sowie jenen auf Gewährung subsidiären Schutzes ab (3.). Sie stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG nicht bestehen (4.) und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen ab Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall des Verbleibes drohte sie den Klägern die Abschiebung nach Afghanistan an (5.). Schließlich befristete die Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (6.). Zur Begründung führte die Beklagte aus, es sei nicht von einer schwerwiegenden Bedrohung der Kläger auszugehen, weil sie sich noch mehrere Jahre nach Aufkommen der ersten verbalen Drohungen in Afghanistan aufgehalten hätten. Weiter sei dem Kläger zu 1. sogar im afghanischen gerichtlichen Verfahren Recht zugesprochen worden. Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung bestünden nicht.
Dagegen haben die Kläger am 02.01.2017 Klage erhoben.
Die Kläger trugen schriftsätzlich vor, der Kläger zu 1. sei aufgrund einer Augenerkrankung zu 60% schwerbehindert und verweisen insoweit auf einen Schwerbehindertenausweis der Stadt Heilbronn vom 07.09.2016 (GZ: ...). Auch die Kläger zu 3. (Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Pneumonie) litten an erheblichen Krankheiten. Ein weiterer Sohn des Klägers zu 1., Herr S. A. R. H., geboren am 20.04.1998 in Kabul, habe am 21.08.2012 einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 13.05.2016 sei ihm rechtskräftig der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden (AZ: ...). Die Kläger hätten nun einen Anspruch darauf, dass dieser Schutz auch auf sie erstreckt werde. Sie hätten sich bereits am 03.02.2016 als Asylsuchende in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe gemeldet. Für den Zeitpunkt der Minderjährigkeit i.S.v. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG komme es nicht auf die gerichtliche Entscheidung oder die Asylantragstellung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Beklagte von dem Asylgesuch Kenntnis erlangt hat.
In der mündlichen Verhandlung wurden die Kläger mittels einer Dolmetscherin erneut zu den Gründen ihrer Flucht angehört. Sie bestätigten dabei im Wesentlichen den bis dahin geleisteten Vortrag und führten weiter aus, der Kläger zu 1. hätte den Lebensunterhalt der Familie in Afghanistan verdient, indem er Heizungen verkauft habe. Er hätte auch Reparaturen angeboten. Das sei trotz seiner körperlichen Einschränkungen möglich gewesen, weil ihm zunächst sein ältester Sohn und nach dessen Flucht der Kläger zu 3. geholfen habe. Der Grund für ihre Flucht seien Grundstücksstreitigkeiten gewesen. Der Kläger zu 1. habe Felder mit einer Fläche von 180.000 m² von seinem Vater geerbt, der Landwirt gewesen sei. Als diese Flächen als Bauland erschlossen worden seien und ihr Wert damit erheblich gestiegen sei, hätten die Streitigkeiten begonnen, weil eine Gruppe von Männern um einen gewissen Momtaz, einen Neffen des afghanischen Parlamentsabgeordneten Ostet Sayaf, versucht habe, die Grundstücke an sich zu bringen. Zu der Gruppe hätten auch Ingenior Sher und Moslen Sayed gehört. Der Kläger zu 1. sei auch bei der Polizei gewesen, diese sei aber nicht mit den Männern fertig geworden. Sie seien in das Haus der Familie gekommen, hätten die Klägerin zu 2. bedroht, den Kläger zu 3. geschlagen und die Klägerin zu 2. sogar aus dem Fenster geworfen. Der Kläger zu 1. habe die Grundstücke bis heute nicht übereignet. Wenn eines Tages eine ordentliche Regierung an der Macht sei, könne er sie vielleicht wieder in Besitz nehmen. Heute seien sie mit einer Wohnsiedlung bebaut, was trotz ungeklärter Eigentumsverhältnisse möglich sei, weil Eigentumsverhältnisse in Afghanistan niemanden interessieren würden. Befragt, warum er die Grundstücke angesichts der behaupteten Bedrohungslage nicht einfach aufgegeben habe, erklärte der Kläger zu 1., das sei sein Eigentum und man habe die Folgen nicht absehen können. In Afghanistan gebe es für die Familie grundsätzlich nirgendwo Sicherheit. Insbesondere in Kabul seien sie als Schiiten besonders in Gefahr. Im Übrigen wird insoweit auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Kläger beantragen zuletzt, unter Zurücknahme ihrer Klage hinsichtlich der zunächst ebenfalls begehrten Flüchtlingsanerkennung und - betreffend die Kläger zu 2. - 6. - auch hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger zu 1. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und
die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass für die Kläger zu 2. - 6. ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegt und
den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2016 (AZ: ...) aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf die Erwägungen im angegriffenen Bescheid.
12 
Zur weiteren Sachverhaltsermittlung hat das Gericht mangels entsprechenden Akteninhaltes bei der Beklagten angefragt, wann diese Kenntnis vom Asylgesuch der Kläger erhalten habe und was zwischen dem Asylgesuch am 03.02.2016 und der förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 geschehen sei. Die Beklagte teilte dazu mit, dass im fraglichen Zeitraum eine kaum bearbeitbare Vielzahl von Asylanträgen gestellt worden sei. Auf die Asylgesuche hin hätten die Ausländer ihre förmlichen Anträge nicht „spontan“ bei der Beklagten stellen können. Stattdessen seien ihnen auf Zetteln oder über Listen Termine zur Antragstellung vorgegeben worden. Diese Dokumente seien nicht zur Asylakte gelangt, weil es damals eine enorme Arbeitsbelastung gegeben habe und die Dokumente teilweise von anderen Stellen, etwa der Ausländerbehörde oder der Erstaufnahmeeinrichtung ausgestellt worden seien. Zwischen Terminvergabe und förmlicher Asylantragstellung hätten immer mindestens einige Tage gelegen.
13 
Dem Gericht liegen die Behördenakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten, die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
15 
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
16 
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
17 
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
II.
18 
Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes aus § 26 Abs. 5 i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG.
19 
Gemäß § 26 Abs. 3 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (1.), die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (2.), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (3.), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (4.) und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (5.).
20 
Gemäß § 26 Abs. 5 AsylG ist sind die Absätze 1 bis 4 auf Familienangehörige von international Schutzberechtigten entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG vorliegt.
21 
Die Beklagte hat den ältesten Sohn des Klägers zu 1. mit Bescheid vom 13.05.2016 (AZ: ...) unanfechtbar als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. Sie erfolgte nach der Einreise der Kläger im Januar 2016. Außerdem hat die Familie auch bereits im Heimatstaat des Klägers zu 1. und seines Sohnes, in Afghanistan bestanden, § 26 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 AsylG und in der Person des Klägers zu 1. ist auch kein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG erfüllt.
22 
Der älteste Sohn des Klägers zu 1., S. A. R. H., ist ledig. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt des § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG minderjährig, weil es insoweit nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt (1.), sondern auf jene bei Stellung des Asylantrages und damit zu jenem Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat (2.).
23 
Dabei geht das Gericht in tatsächlicher Hinsicht angesichts der Behördenakten davon aus, dass der Kläger zu 1. am 21.04.2016 und damit (einen Tag) nach der Volljährigkeit seines stammberechtigten Sohnes einen förmlichen Asylantrag gestellt hat. Weiter geht das Gericht geht nach der Auskunft der Beklagten davon aus, dass das Asylgesuch der Kläger nach ihrer Registrierung an die Beklagte übermittelt wurde und dass die Kläger dann wegen des außergewöhnlichen Anstiegs der Zahl der in diesem Zeitraum nach Deutschland eingereisten Asylbewerber erst mehrere Wochen später ihre förmlichen Asylanträge stellen konnten (vgl. zu diesen Umständen auch: EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 37). Somit hatte das Bundesamt vor dem 20.04.2016 Kenntnis vom Asylbegehren der Kläger und räumte ihnen dann, ggf. mittelbar, einen Termin zur förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 ein. Bei Kenntniserlangung des Bundesamtes war der stammberechtigte Sohn des Klägers zu 1. demnach minderjährig.
24 
1. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG trifft keine explizite Bestimmung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das stammberechtigte Kind minderjährig und ledig gewesen sein muss. Die allgemeine Vorgabe des § 77 Abs. 1 AsylG findet aus systematischen und teleologischen Erwägungen keine Anwendung (anders: VG Sigmaringen, Urteil vom 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, Rn. 20 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2016 - 3 S 106/16 -, juris, in einer Entscheidung zu § 36 AsylG).
25 
Nach § 77 Abs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
26 
Systematisch steht einer Übernahme dieser allgemeinen Bestimmung § 26 Abs. 2, AsylG entgegen. Er legt fest, dass es für den umgekehrten Fall, dass ein minderjähriges, lediges Kind den Schutzstatus vom Stammberechtigten ableiten will, auf den „Zeitpunkt der Asylantragstellung“ ankommen soll, weil die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer sich nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Auch nach § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG (von einem Minderjährigen abgeleiteter Schutz für seine Geschwister) kommt es auf die Minderjährigkeit der Ableitenden zum Zeitpunkt der Asylantragstellung an. Aus der einheitlichen unionsrechtlichen Grundlage beider Absätze des § 26 AsylG (RL 2011/95/EU) wird in der Rechtsprechung abgeleitet, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG auf die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ankommt (VG Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris; VG Köln - 16 K 6233/16.A -, S. 5 nicht veröffentlicht; VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 17 ff.).
27 
Zwar ist der systematische Rückschluss aus § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG maßgeblich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ankomme, für sich allein nicht zwingend, weil sich mit demselben dogmatischen Gewicht argumentieren lässt, der Gesetzgeber hätte dort und nur dort eine ausdrückliche Regelung getroffen, weil er sie nur dort für erforderlich halte und alle anderen Fälle wie üblich zu behandeln seien. Eine solche Ausnahme für § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG wäre auch nicht zwingend systemwidrig, weil die explizit geregelten Fälle des § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG einen anderen Sachverhalt regeln als § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG. Jene klären, wer vom Stammberechtigten Schutz ableiten kann, dieser wer solchen Schutz vermitteln kann.
28 
Allerdings ist in der Zusammenschau mit dem Sinn und Zweck der Norm ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung geboten. So dient § 26 AsylGeinheitlich der Wahrung der Familieneinheit und damit insbesondere dem Schutz Minderjähriger (BT-Drs. 17/13063 S. 21), indem er es Familienangehörigen ermöglicht, unabhängig von der persönlichen Verfolgung einen Schutzstatus von einem Familienmitglied abzuleiten.
29 
Weiter liegt es in der Konsequenz des § 77 Abs. 1 AsylG, dass Veränderungen in der Zeit zwischen dem Asylgesuch und der Entscheidung einen Anspruch auf internationalen Schutz zu Fall bringen oder auch erst entstehen lassen können. Weil das Flüchtlingsrecht seinem Zweck nach einerseits auf den Schutz der Ausländer ausgerichtet ist, andererseits aber auch nur der davon profitieren soll, der den Schutz wirklich braucht, ist dieses Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung nicht von vornherein als rechtlich unhaltbar anzusehen (zur Schutzfunktion der Norm zugunsten der Asylantragsteller: BVerfG, Beschluss vom 27.03.2017 - 2 BvR 681/17 -, juris).
30 
Das Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung begegnet aber dann Bedenken, wenn es nicht um politische, gesellschaftliche und soziale Zustände geht. Ihr Wandel ist letztlich nicht prognostizierbar, sodass es für den Antragsteller und die beteiligten staatlichen Stellen dem Zufall unterliegt, ob die eintretenden Veränderungen zum Entfallen oder Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für das Schutzbegehren des Asylantragstellers führen. Anders liegt die Sach- und Interessenlage dann, wenn der Zeitablauf irreversible Fakten schafft, indem Termine oder Fristen ablaufen, etwa weil die Antragsteller oder ihre Stammberechtigten volljährig werden. In einem solchen Fall hängt der Anspruch auf internationalen Schutz unbilliger Weise nicht mehr von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Heimatstaat und damit dem konkreten Schutzbedarf der Betroffenen zum Verhandlungs- oder Entscheidungszeitpunkt ab, sondern allein davon, ob die deutschen Behörden und Gerichte ihre Entscheidungen hinreichend schnell treffen.
31 
2. Ist danach die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich, meint dies nicht erst jenen der förmlichen Asylantragstellung, sondern bereits den Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat.
32 
Dem Abstellen auf die Asylantragstellung statt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Dieser Gedanke wird mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben nur vollständig verwirklicht, wenn bereits die Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Asylgesuch des Schutzsuchenden genügt und es nicht auf die förmliche Asylantragstellung ankommt (so zu § 26 Abs. 2 AsylG: VG Stuttgart, Urteil vom 22.09.2017 - A 1 K 7628/16 -, juris Rn. 58).
33 
Das Recht der Familienangehörigen vom Stammberechtigten einen Schutzstatus abzuleiten, ist zeitlich, anders als bei § 36 AufenthG, nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt (VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 19). Es hängt stattdessen vom Bestand von dessen internationalem Schutz ab, der mit der Volljährigkeit gerade nicht endet. Die ratio der § 26 AsylG zugrundeliegenden RL 2011/95/EU geht demnach dahin, den Familienverband unter einheitlichem Status im Aufnahmestaat zu bewahren. Laut ihrem Erwägungsgrund 18 zielt die Richtlinie darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen. Laut ihrem Erwägungsgrund 36 sind Familienangehörige aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Das deckt sich auch mit dem Zweck der nationalen Umsetzungsvorschrift, § 26 AsylG. Er besteht weiter darin, das Bundesamt und die Gerichte zu entlasten, indem sich eine unter Umständen schwierige Prüfung eigener Verfolgungsgründe der nahen Angehörigen eines Verfolgten erübrigt. Außerdem soll die Norm die Integration der Anerkannten fördern (BT-Drs. 11/6960 S. 29 f.).
34 
In einem ähnlichen Fall hat der EuGH entschieden, dass ein Asylantrag i.S.v. Art. 20 Abs. 2 VO 604/2013 (Dublin III VO) gestellt ist, sobald die zuständige Behörde Kenntnis vom Asylbegehren des Schutzsuchenden erhält (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 103). Er stellte dabei u.a. darauf ab, dass das Begehren in diesem Stadium noch keine bestimmte Form haben muss, um die notwendigen Verfahrensschritte einzuleiten und die ersten rechtstaatlichen Garantien für den Antragsteller zu begründen (Rn. 88). Außerdem würden anderenfalls wichtige Ansprüche des Betroffenen Minderjährigen, insbesondere jener auf Familienzusammenführung verkürzt (Rn. 91). Weiter spreche für eine solche Auslegung die Verpflichtung des Mitgliedstaates, das Prüfverfahren zeitnah zum Abschluss zu bringen (Rn. 96).
35 
Diese Argumente lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Auch § 26 AsylG dient der Einheit des Familienverbundes. Weiter besteht auch für Asylverfahren die nicht (mehr) dem Dublin-Regime unterliegen ein Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung des Antrages, Art. 31 Abs. 2 der RL 2013/32. Dass Art. 20 Abs. 2 Dublin-III VO eine andere textliche Grundlage hat als der vorliegend einschlägige Art. 23 RL 2011/95/EU bzw. § 26 Abs. 3 AsylG und als Antragstellung bereits ein Formblatt oder ein behördliches Protokoll genügen lässt, steht einer Übertragung der Rechtsprechung nicht entgegen. Auch § 13 Abs. 1 AsylG lässt bereits den schriftlich, mündlich oder anderweitig geäußerten Willen, Schutz zu suchen, genügen und die aus Art. 6 der Asylverfahrensrichtlinie abgeleitete Unterscheidung zwischen der „Stellung“ und der „förmlichen Stellung“ eines Asylantrages findet sich nur in wenigen Sprachfassungen (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 99). Andererseits sieht Art. 23 der RL 2011/95/EU als Grundlage des § 26 AsylG im Gegensatz zur Dublin III VO Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten vor.
36 
Weiter drohen bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder auch nur jenen der förmlichen Asylantragstellung Probleme im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtsicherheit. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass zwei identische Familienmitglieder zweier identischer international Schutzberechtigter, die ihr Asylgesuch zeitgleich äußern, je nach dem Zeitpunkt der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen unterschiedliche Entscheidungen erhalten, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen könnten. Zudem würde so, in Anbetracht der Tatsache, dass die Dauer eines Asylverfahrens erheblich sein kann und dass insbesondere in Zeiten eines starken Zustroms von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, die vom Unionsrecht in diesem Zusammenhang vorgesehenen Fristen oft überschritten werden, einem großen Teil der Flüchtlinge ihr Recht aus § 26 AsylG vereitelt (so EuGH, Urteil vom 12.04.2018 - C 550/16 -, juris Rn. 55 ff. zum Familiennachzug nach Art. 10 Abs. 3 lit. a RL 2003/86).
37 
Ist dem Kläger zu 1. demnach subsidiärer Schutz aus dem abgeleiteten Recht nach § 26 Abs. 3 AsylG zuzuerkennen, sind darüber hinaus möglicherweise bestehende Ansprüche auf Gewährung desselben Schutzstatus aus einem „eigenen Recht“ des Klägers zu 1., § 4 AsylG, nicht zu prüfen. Zwar gewährten jene dem Kläger bzw. seinen Angehörigen grundsätzlich rechtlich eine bessere Position (vgl. § 26 Abs. 4 S. 2 AsylG). Im vorliegenden Fall jedoch sind die Bescheide dieser Angehörigen, der Kläger zu 2. - 6., mit der Klagerücknahme insoweit bestandskräftig geworden. Weiter vertragen sich ein Vorrang der persönlichen Anerkennung als international Schutzberechtigter und die nur zurückgesetzte Bedeutung des abgeleiteten internationalen Schutzes nicht mit dem Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs 11/6960 S. 29 f.), eine weitergehende, unter Umständen aufwändige Ermittlung und Prüfung eigener Asylgründe der nahen Angehörigen i.S.v. § 26 Abs. 3 AsylG zu erübrigen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 18, Günther, in: BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 4).
III.
38 
In Bezug auf die Kläger zu 3. - 6. ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. Ihre insoweit noch aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und auch begründet, sodass der angegriffene Bescheid insoweit rechtswidrig ergangen ist, die Kläger zu 3. - 6. in ihren subjektiven Rechten verletzt und dementsprechend aufzuheben ist.
39 
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann danach - in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen - als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, EZAR-NF 95 Nr. 30 m.w.N. insbesondere zur einschlägigen EGMR-Rechtsprechung).
40 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger zu 3. - 6. sind minderjährige Kinder. Sie müssen befürchten, aufgrund der Situation in Afghanistan einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend eine solche Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu bejahen ist (so BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 11.01.2017 - 13a ZB 16.30878 -, juris). Jedenfalls angesichts der konkreten Rückkehrsituation der Kläger zu 3. - 6. liegt ein solches Abschiebungsverbot vor. Nach ihrer Abschiebung oder einer eventuellen freiwilligen Rückkehr wären die Kläger zu 3.- 6. darauf verwiesen, sich in ihrer Heimatregion, Kabul, eine Existenz aufzubauen, was ihnen zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt nicht möglich wäre.
41 
Das ökonomische Überleben in Afghanistan und gerade auch in Kabul ist stark von der konkreten Rückkehrsituation abhängig. Die Situation, die Rückkehrer in Kabul vorfinden, wird maßgeblich davon mitbestimmt, ob sie sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Je stärker noch die soziale Verwurzelung der Rückkehrer oder je besser ihre Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser können sie sich in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls das Überleben sichern (Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, S. 73, 76 f.).
42 
Für das hiesige Verfahren kann dahinstehen, ob die bisherige Rechtsprechung des Gerichts, wonach vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Leitsatz), auch angesichts der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan Bestand haben kann.
43 
Jedenfalls kann sich nach Auffassung des Gerichts selbst in Kabul für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit minderjährigen Kindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, durchaus eine extreme Gefahrenlage ergeben, die es nicht ermöglicht, das Existenzminimum zu erwirtschaften und die nach den aufgezeigten Maßstäben ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Folge hat.
44 
Wären die Kläger zu 3. - 6. zu einer Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, stünde der Kläger zu 1. vor der Wahl, die Kläger zu 3. - 6. alleine zurückkehren zu lassen oder sie trotz des ihm zuzuerkennenden Schutzstatus zu begleiten. In beiden Fällen treffen bei den Klägern mehrere gefahrerhöhende Faktoren zusammen, die es nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen, dass es ihnen gelingen könnte, das notwendige Existenzminimum zu erwirtschaften.
45 
Für den Fall der alleinigen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. ergibt sich das daraus, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass aufgrund der allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan selbst für Familien mit jüngeren Kindern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK anzunehmen ist, soweit nicht besondere begünstigende Faktoren vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 464 ff., BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 15 ff.), an denen es im Fall der Kläger fehlt. Das muss erst recht dann gelten, wenn die Minderjährigen ohne hinreichenden Familienanschluss im Zielstaat zu einer alleinigen Rückkehr gezwungen wären und wenn sie weiter, wie die Kläger zu 3. (Verdacht auf Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Thrombozytose) unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leiden.
46 
Für den Fall der gemeinsamen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. mit dem Kläger zu 1. wäre es alleine an Letzterem, den erhöhten allgemeinen Lebensbedarf der Familie zu sichern. Das ihm dies hinreichend sicher gelänge, erscheint ausgeschlossen.
47 
Der erhöhte Lebensbedarf der Kläger ergibt sich zum einen aus den mit der besonderen Vulnerabilität in der ersten Lebensphase einhergehenden, erhöhten Anforderungen an Nahrung, Hygiene und Schutz der Kläger zu 3. - 6. Dieser Lebensbedarf wird weiter durch die gesundheitlichen Einschränkungen der Kläger zu 3., 5. und 6. gesteigert (s.o.).
48 
Die Mutter der Kläger zu 2. - 6. ist verstorben, sodass es die alleinige Aufgabe des Klägers zu 1. wäre, den erhöhten Lebensbedarf der Familie mit mehreren kleinen Kindern zu sichern. Dass ihm dies und sei es am Rande des Existenzminimums gelingen würde, steht nicht zu erwarten.
49 
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger zu 1. eine Arbeitsaufnahme nur schwer möglich sein dürfte. Am mutmaßlichen Zielort der Abschiebung in Kabul liegt die Arbeitslosenquote bei mindestens 40 % (AA, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 22 - die Zahl bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung, stellt man in Rechnung, dass die Landwirtschaft 60% der Erwerbsarbeitsplätze generiert, dürfe sich in den Städten insbesondere in Kabul deutlich höher liegen - vgl. Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73, 76). Seine Ursprungstätigkeit als Heizungshändler könnte der Kläger zu 1. nicht ohne weiteres wieder aufnehmen, weil er seinen Betrieb vor der Ausreise an seine ehemaligen Mitarbeiter veräußert hat. Die damit erzielten Erlöse haben die Flucht der Kläger finanziert. Für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit bedürfte der Kläger zu 1. demnach erheblichen Startkapitals, das ihm nach Lage der Dinge nicht zur Verfügung steht und wäre überdies einer stärkeren Konkurrenzsituation ausgesetzt.
50 
Schließlich leidet der Kläger zu 1. unter derart erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, dass er in der Bundesrepublik als Schwerbehinderter anerkannt ist. Angesichts dieser Gesamtumstände mit einem extrem schwierigen und hart umkämpften Arbeitsmarkt, dem erhöhten Lebensunterhalt einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern und der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1. erscheint die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie in Afghanistan, und sei es an der Grenze des Existenzminimums, ausgeschlossen.
51 
Ob sich daneben mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG auch aus den gesundheitlichen Problemen der Klägerin zu 5. ein Abschiebungsverbot ergibt, oder ein solches auch besteht, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 Rn. 17).
IV.
52 
Auch in Bezug auf die Klägerin zu 2. als, zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt, § 77 Abs. 1 AsylG, volljährige, alleinstehende junge Frau, ist ein Abschiebeverbot in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Es ergibt sich ebenfalls aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Auch insoweit war der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtswidrig und demnach aufzuheben.
53 
Mit Blick auf die Entscheidungen des Gerichts zu den Klägern zu 1. und 3. - 6. müsste die Klägerin zu 2. nach Lage der Dinge alleine nach Afghanistan zurückkehren. Damit wäre es ihr nach den vorgenannten Grundsätzen nicht möglich, hinreichend sicher ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 15.12.2011, online Abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/ assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/afghanistan-allein stehende-frau-mit-kindern.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) hängen afghanische Frauen ihr Leben lang von ihren Ehemännern, Brüdern oder Vätern ab. Frauen ohne oder mit abwesenden Ehemännern sind von männlichen Verwandten abhängig; sie sind gefährdet, geschlagen und sexuell missbraucht zu werden. Alleinstehende Frauen werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Wenn sie nicht wieder von ihrer Herkunftsfamilie aufgenommen werden, haben sie kaum einen Ort, an dem sie Zuflucht finden können. Es ist demnach in Afghanistan als alleinstehende Frau schlicht nicht möglich, eine Wohnung zu mieten oder eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Darum können alleinstehende Frauen nur schwer überleben. Religiöse Autoritäten hätten vermehrt darauf gepocht, dass es sozial inakzeptabel sei, wenn Frauen ohne männlichen Begleiter das Haus verlassen. Ohne männliche Unterstützung haben Frauen aufgrund der sozialen Restriktionen und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit keine Lebensgrundlage. Der Zugang zu Arbeit, aber auch zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung bleibt ihnen verwehrt (vgl. auch VG Magdeburg, Urteil vom 31.01.2018 - 5 A 142/17 MD -, juris Rn. 38).
54 
Weiter berichtet EASO von erheblichen Schwierigkeiten oder gar dem Verbot an Frauen, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 24 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/ en/file/local/1405774/1226_1503567243_easo-coi-afghanistan-ipa-august2017.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) und von geschlechtsbasierten Benachteiligungen, Misshandlungen und einer strikten Bindung von Frauen an Normen und gesellschaftliche Moralvorstellungen, die ihr alleinstehendes Überleben als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (EASO COI Report AFGHANISTAN: Individuals targeted under societal and legal norms, S. 33 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/en/file/local/1419802/90_1513325370_easo-201712-afghanistan-targe ting-society.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018).
55 
Schließlich kommt Friederike Stahlmann in ihrem Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28.03.2018 (abrufbar unter ecoi.net - https://www.ecoi.net/en/file/local/1431611/ 90_1527075858_gutachten-afghanistan-stahlmann-28-03-2018.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) zu dem Ergebnis, dass nicht einmal für alleinstehende männliche abgelehnte Asylbewerber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Sicherung des Lebensunterhaltes ausgegangen werden kann (Frage 8). Selbst wenn man diese Bewertung für junge Männer als zu weitgehend ansieht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Leitsatz), kann nach den dem zugrunde liegenden Erkenntnismitteln jedenfalls davon ausgegangen werden, dass bei alleinstehenden jungen Frauen in Ermangelung besonderer Umstände, wie vorliegend, der Lebensunterhalt in Afghanistan nicht hinreichend gesichert ist (VGH Baden-Württemberg, aaO, Rn. 333 und Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Rn. 338).
V.
56 
Wegen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG der unter Ziffer 5 verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenfalls aufzuheben ist.
VI.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 159 VwGO. Die Kläger beantragten ursprünglich für insgesamt sechs Personen jeweils Flüchtlingsschutz und im Hilfsantrag subsidiären Schutz sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten, stellten also insgesamt 18 Anträge. In Bezug auf die Kläger zu 2. - 6. nahmen die Kläger jeweils zwei, in Bezug auf den Kläger zu 1. einen, insgesamt also elf Anträge zurück. Insoweit waren ihnen die Kosten aufzuerlegen, §§ 155 Abs. 2, 159 VwGO. Mit den noch verbleibenden Anträgen obsiegen die Kläger, sodass insoweit die Beklagte die Kosten zu tragen hat.
58 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, auf welchen Zeitpunkt es für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG ankommt. Die Frage ist bisher höchstrichterlich nicht behandelt und wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt.

Gründe

 
14 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
15 
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
16 
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
17 
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
II.
18 
Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes aus § 26 Abs. 5 i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG.
19 
Gemäß § 26 Abs. 3 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (1.), die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (2.), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (3.), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (4.) und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (5.).
20 
Gemäß § 26 Abs. 5 AsylG ist sind die Absätze 1 bis 4 auf Familienangehörige von international Schutzberechtigten entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG vorliegt.
21 
Die Beklagte hat den ältesten Sohn des Klägers zu 1. mit Bescheid vom 13.05.2016 (AZ: ...) unanfechtbar als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. Sie erfolgte nach der Einreise der Kläger im Januar 2016. Außerdem hat die Familie auch bereits im Heimatstaat des Klägers zu 1. und seines Sohnes, in Afghanistan bestanden, § 26 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 AsylG und in der Person des Klägers zu 1. ist auch kein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG erfüllt.
22 
Der älteste Sohn des Klägers zu 1., S. A. R. H., ist ledig. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt des § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG minderjährig, weil es insoweit nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt (1.), sondern auf jene bei Stellung des Asylantrages und damit zu jenem Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat (2.).
23 
Dabei geht das Gericht in tatsächlicher Hinsicht angesichts der Behördenakten davon aus, dass der Kläger zu 1. am 21.04.2016 und damit (einen Tag) nach der Volljährigkeit seines stammberechtigten Sohnes einen förmlichen Asylantrag gestellt hat. Weiter geht das Gericht geht nach der Auskunft der Beklagten davon aus, dass das Asylgesuch der Kläger nach ihrer Registrierung an die Beklagte übermittelt wurde und dass die Kläger dann wegen des außergewöhnlichen Anstiegs der Zahl der in diesem Zeitraum nach Deutschland eingereisten Asylbewerber erst mehrere Wochen später ihre förmlichen Asylanträge stellen konnten (vgl. zu diesen Umständen auch: EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 37). Somit hatte das Bundesamt vor dem 20.04.2016 Kenntnis vom Asylbegehren der Kläger und räumte ihnen dann, ggf. mittelbar, einen Termin zur förmlichen Asylantragstellung am 21.04.2016 ein. Bei Kenntniserlangung des Bundesamtes war der stammberechtigte Sohn des Klägers zu 1. demnach minderjährig.
24 
1. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG trifft keine explizite Bestimmung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das stammberechtigte Kind minderjährig und ledig gewesen sein muss. Die allgemeine Vorgabe des § 77 Abs. 1 AsylG findet aus systematischen und teleologischen Erwägungen keine Anwendung (anders: VG Sigmaringen, Urteil vom 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 -, Rn. 20 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2016 - 3 S 106/16 -, juris, in einer Entscheidung zu § 36 AsylG).
25 
Nach § 77 Abs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
26 
Systematisch steht einer Übernahme dieser allgemeinen Bestimmung § 26 Abs. 2, AsylG entgegen. Er legt fest, dass es für den umgekehrten Fall, dass ein minderjähriges, lediges Kind den Schutzstatus vom Stammberechtigten ableiten will, auf den „Zeitpunkt der Asylantragstellung“ ankommen soll, weil die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer sich nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Auch nach § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG (von einem Minderjährigen abgeleiteter Schutz für seine Geschwister) kommt es auf die Minderjährigkeit der Ableitenden zum Zeitpunkt der Asylantragstellung an. Aus der einheitlichen unionsrechtlichen Grundlage beider Absätze des § 26 AsylG (RL 2011/95/EU) wird in der Rechtsprechung abgeleitet, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG auf die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ankommt (VG Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris; VG Köln - 16 K 6233/16.A -, S. 5 nicht veröffentlicht; VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 17 ff.).
27 
Zwar ist der systematische Rückschluss aus § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG, dass es auch nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG maßgeblich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ankomme, für sich allein nicht zwingend, weil sich mit demselben dogmatischen Gewicht argumentieren lässt, der Gesetzgeber hätte dort und nur dort eine ausdrückliche Regelung getroffen, weil er sie nur dort für erforderlich halte und alle anderen Fälle wie üblich zu behandeln seien. Eine solche Ausnahme für § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG wäre auch nicht zwingend systemwidrig, weil die explizit geregelten Fälle des § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 AsylG einen anderen Sachverhalt regeln als § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG. Jene klären, wer vom Stammberechtigten Schutz ableiten kann, dieser wer solchen Schutz vermitteln kann.
28 
Allerdings ist in der Zusammenschau mit dem Sinn und Zweck der Norm ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung geboten. So dient § 26 AsylGeinheitlich der Wahrung der Familieneinheit und damit insbesondere dem Schutz Minderjähriger (BT-Drs. 17/13063 S. 21), indem er es Familienangehörigen ermöglicht, unabhängig von der persönlichen Verfolgung einen Schutzstatus von einem Familienmitglied abzuleiten.
29 
Weiter liegt es in der Konsequenz des § 77 Abs. 1 AsylG, dass Veränderungen in der Zeit zwischen dem Asylgesuch und der Entscheidung einen Anspruch auf internationalen Schutz zu Fall bringen oder auch erst entstehen lassen können. Weil das Flüchtlingsrecht seinem Zweck nach einerseits auf den Schutz der Ausländer ausgerichtet ist, andererseits aber auch nur der davon profitieren soll, der den Schutz wirklich braucht, ist dieses Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung nicht von vornherein als rechtlich unhaltbar anzusehen (zur Schutzfunktion der Norm zugunsten der Asylantragsteller: BVerfG, Beschluss vom 27.03.2017 - 2 BvR 681/17 -, juris).
30 
Das Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung/der Entscheidung begegnet aber dann Bedenken, wenn es nicht um politische, gesellschaftliche und soziale Zustände geht. Ihr Wandel ist letztlich nicht prognostizierbar, sodass es für den Antragsteller und die beteiligten staatlichen Stellen dem Zufall unterliegt, ob die eintretenden Veränderungen zum Entfallen oder Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für das Schutzbegehren des Asylantragstellers führen. Anders liegt die Sach- und Interessenlage dann, wenn der Zeitablauf irreversible Fakten schafft, indem Termine oder Fristen ablaufen, etwa weil die Antragsteller oder ihre Stammberechtigten volljährig werden. In einem solchen Fall hängt der Anspruch auf internationalen Schutz unbilliger Weise nicht mehr von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Heimatstaat und damit dem konkreten Schutzbedarf der Betroffenen zum Verhandlungs- oder Entscheidungszeitpunkt ab, sondern allein davon, ob die deutschen Behörden und Gerichte ihre Entscheidungen hinreichend schnell treffen.
31 
2. Ist danach die Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung maßgeblich, meint dies nicht erst jenen der förmlichen Asylantragstellung, sondern bereits den Zeitpunkt, in dem die Beklagte in Person des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals Kenntnis von dem Asylgesuch des Asylantragstellers erlangt hat.
32 
Dem Abstellen auf die Asylantragstellung statt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die behördliche und gerichtliche Verfahrensdauer nicht auf das Entstehen des Familienasyls auswirken soll (BT-Drs. 12/2718 S. 60). Dieser Gedanke wird mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben nur vollständig verwirklicht, wenn bereits die Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Asylgesuch des Schutzsuchenden genügt und es nicht auf die förmliche Asylantragstellung ankommt (so zu § 26 Abs. 2 AsylG: VG Stuttgart, Urteil vom 22.09.2017 - A 1 K 7628/16 -, juris Rn. 58).
33 
Das Recht der Familienangehörigen vom Stammberechtigten einen Schutzstatus abzuleiten, ist zeitlich, anders als bei § 36 AufenthG, nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt (VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 1236/14 -, juris Rn. 19). Es hängt stattdessen vom Bestand von dessen internationalem Schutz ab, der mit der Volljährigkeit gerade nicht endet. Die ratio der § 26 AsylG zugrundeliegenden RL 2011/95/EU geht demnach dahin, den Familienverband unter einheitlichem Status im Aufnahmestaat zu bewahren. Laut ihrem Erwägungsgrund 18 zielt die Richtlinie darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen. Laut ihrem Erwägungsgrund 36 sind Familienangehörige aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Das deckt sich auch mit dem Zweck der nationalen Umsetzungsvorschrift, § 26 AsylG. Er besteht weiter darin, das Bundesamt und die Gerichte zu entlasten, indem sich eine unter Umständen schwierige Prüfung eigener Verfolgungsgründe der nahen Angehörigen eines Verfolgten erübrigt. Außerdem soll die Norm die Integration der Anerkannten fördern (BT-Drs. 11/6960 S. 29 f.).
34 
In einem ähnlichen Fall hat der EuGH entschieden, dass ein Asylantrag i.S.v. Art. 20 Abs. 2 VO 604/2013 (Dublin III VO) gestellt ist, sobald die zuständige Behörde Kenntnis vom Asylbegehren des Schutzsuchenden erhält (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 103). Er stellte dabei u.a. darauf ab, dass das Begehren in diesem Stadium noch keine bestimmte Form haben muss, um die notwendigen Verfahrensschritte einzuleiten und die ersten rechtstaatlichen Garantien für den Antragsteller zu begründen (Rn. 88). Außerdem würden anderenfalls wichtige Ansprüche des Betroffenen Minderjährigen, insbesondere jener auf Familienzusammenführung verkürzt (Rn. 91). Weiter spreche für eine solche Auslegung die Verpflichtung des Mitgliedstaates, das Prüfverfahren zeitnah zum Abschluss zu bringen (Rn. 96).
35 
Diese Argumente lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Auch § 26 AsylG dient der Einheit des Familienverbundes. Weiter besteht auch für Asylverfahren die nicht (mehr) dem Dublin-Regime unterliegen ein Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung des Antrages, Art. 31 Abs. 2 der RL 2013/32. Dass Art. 20 Abs. 2 Dublin-III VO eine andere textliche Grundlage hat als der vorliegend einschlägige Art. 23 RL 2011/95/EU bzw. § 26 Abs. 3 AsylG und als Antragstellung bereits ein Formblatt oder ein behördliches Protokoll genügen lässt, steht einer Übertragung der Rechtsprechung nicht entgegen. Auch § 13 Abs. 1 AsylG lässt bereits den schriftlich, mündlich oder anderweitig geäußerten Willen, Schutz zu suchen, genügen und die aus Art. 6 der Asylverfahrensrichtlinie abgeleitete Unterscheidung zwischen der „Stellung“ und der „förmlichen Stellung“ eines Asylantrages findet sich nur in wenigen Sprachfassungen (Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 [Mengesteab] -, juris Rn. 99). Andererseits sieht Art. 23 der RL 2011/95/EU als Grundlage des § 26 AsylG im Gegensatz zur Dublin III VO Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten vor.
36 
Weiter drohen bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder auch nur jenen der förmlichen Asylantragstellung Probleme im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtsicherheit. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass zwei identische Familienmitglieder zweier identischer international Schutzberechtigter, die ihr Asylgesuch zeitgleich äußern, je nach dem Zeitpunkt der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen unterschiedliche Entscheidungen erhalten, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen könnten. Zudem würde so, in Anbetracht der Tatsache, dass die Dauer eines Asylverfahrens erheblich sein kann und dass insbesondere in Zeiten eines starken Zustroms von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, die vom Unionsrecht in diesem Zusammenhang vorgesehenen Fristen oft überschritten werden, einem großen Teil der Flüchtlinge ihr Recht aus § 26 AsylG vereitelt (so EuGH, Urteil vom 12.04.2018 - C 550/16 -, juris Rn. 55 ff. zum Familiennachzug nach Art. 10 Abs. 3 lit. a RL 2003/86).
37 
Ist dem Kläger zu 1. demnach subsidiärer Schutz aus dem abgeleiteten Recht nach § 26 Abs. 3 AsylG zuzuerkennen, sind darüber hinaus möglicherweise bestehende Ansprüche auf Gewährung desselben Schutzstatus aus einem „eigenen Recht“ des Klägers zu 1., § 4 AsylG, nicht zu prüfen. Zwar gewährten jene dem Kläger bzw. seinen Angehörigen grundsätzlich rechtlich eine bessere Position (vgl. § 26 Abs. 4 S. 2 AsylG). Im vorliegenden Fall jedoch sind die Bescheide dieser Angehörigen, der Kläger zu 2. - 6., mit der Klagerücknahme insoweit bestandskräftig geworden. Weiter vertragen sich ein Vorrang der persönlichen Anerkennung als international Schutzberechtigter und die nur zurückgesetzte Bedeutung des abgeleiteten internationalen Schutzes nicht mit dem Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs 11/6960 S. 29 f.), eine weitergehende, unter Umständen aufwändige Ermittlung und Prüfung eigener Asylgründe der nahen Angehörigen i.S.v. § 26 Abs. 3 AsylG zu erübrigen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 18, Günther, in: BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG Rn. 4).
III.
38 
In Bezug auf die Kläger zu 3. - 6. ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. Ihre insoweit noch aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und auch begründet, sodass der angegriffene Bescheid insoweit rechtswidrig ergangen ist, die Kläger zu 3. - 6. in ihren subjektiven Rechten verletzt und dementsprechend aufzuheben ist.
39 
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann danach - in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen - als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, EZAR-NF 95 Nr. 30 m.w.N. insbesondere zur einschlägigen EGMR-Rechtsprechung).
40 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger zu 3. - 6. sind minderjährige Kinder. Sie müssen befürchten, aufgrund der Situation in Afghanistan einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend eine solche Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu bejahen ist (so BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 11.01.2017 - 13a ZB 16.30878 -, juris). Jedenfalls angesichts der konkreten Rückkehrsituation der Kläger zu 3. - 6. liegt ein solches Abschiebungsverbot vor. Nach ihrer Abschiebung oder einer eventuellen freiwilligen Rückkehr wären die Kläger zu 3.- 6. darauf verwiesen, sich in ihrer Heimatregion, Kabul, eine Existenz aufzubauen, was ihnen zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt nicht möglich wäre.
41 
Das ökonomische Überleben in Afghanistan und gerade auch in Kabul ist stark von der konkreten Rückkehrsituation abhängig. Die Situation, die Rückkehrer in Kabul vorfinden, wird maßgeblich davon mitbestimmt, ob sie sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Je stärker noch die soziale Verwurzelung der Rückkehrer oder je besser ihre Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser können sie sich in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls das Überleben sichern (Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, S. 73, 76 f.).
42 
Für das hiesige Verfahren kann dahinstehen, ob die bisherige Rechtsprechung des Gerichts, wonach vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Leitsatz), auch angesichts der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan Bestand haben kann.
43 
Jedenfalls kann sich nach Auffassung des Gerichts selbst in Kabul für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit minderjährigen Kindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, durchaus eine extreme Gefahrenlage ergeben, die es nicht ermöglicht, das Existenzminimum zu erwirtschaften und die nach den aufgezeigten Maßstäben ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Folge hat.
44 
Wären die Kläger zu 3. - 6. zu einer Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, stünde der Kläger zu 1. vor der Wahl, die Kläger zu 3. - 6. alleine zurückkehren zu lassen oder sie trotz des ihm zuzuerkennenden Schutzstatus zu begleiten. In beiden Fällen treffen bei den Klägern mehrere gefahrerhöhende Faktoren zusammen, die es nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen, dass es ihnen gelingen könnte, das notwendige Existenzminimum zu erwirtschaften.
45 
Für den Fall der alleinigen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. ergibt sich das daraus, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass aufgrund der allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan selbst für Familien mit jüngeren Kindern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK anzunehmen ist, soweit nicht besondere begünstigende Faktoren vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 464 ff., BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 15 ff.), an denen es im Fall der Kläger fehlt. Das muss erst recht dann gelten, wenn die Minderjährigen ohne hinreichenden Familienanschluss im Zielstaat zu einer alleinigen Rückkehr gezwungen wären und wenn sie weiter, wie die Kläger zu 3. (Verdacht auf Epilepsie), 5. (Abwesenheitszustände) und 6. (Thrombozytose) unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leiden.
46 
Für den Fall der gemeinsamen Rückkehr der Kläger zu 3. - 6. mit dem Kläger zu 1. wäre es alleine an Letzterem, den erhöhten allgemeinen Lebensbedarf der Familie zu sichern. Das ihm dies hinreichend sicher gelänge, erscheint ausgeschlossen.
47 
Der erhöhte Lebensbedarf der Kläger ergibt sich zum einen aus den mit der besonderen Vulnerabilität in der ersten Lebensphase einhergehenden, erhöhten Anforderungen an Nahrung, Hygiene und Schutz der Kläger zu 3. - 6. Dieser Lebensbedarf wird weiter durch die gesundheitlichen Einschränkungen der Kläger zu 3., 5. und 6. gesteigert (s.o.).
48 
Die Mutter der Kläger zu 2. - 6. ist verstorben, sodass es die alleinige Aufgabe des Klägers zu 1. wäre, den erhöhten Lebensbedarf der Familie mit mehreren kleinen Kindern zu sichern. Dass ihm dies und sei es am Rande des Existenzminimums gelingen würde, steht nicht zu erwarten.
49 
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger zu 1. eine Arbeitsaufnahme nur schwer möglich sein dürfte. Am mutmaßlichen Zielort der Abschiebung in Kabul liegt die Arbeitslosenquote bei mindestens 40 % (AA, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 22 - die Zahl bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung, stellt man in Rechnung, dass die Landwirtschaft 60% der Erwerbsarbeitsplätze generiert, dürfe sich in den Städten insbesondere in Kabul deutlich höher liegen - vgl. Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73, 76). Seine Ursprungstätigkeit als Heizungshändler könnte der Kläger zu 1. nicht ohne weiteres wieder aufnehmen, weil er seinen Betrieb vor der Ausreise an seine ehemaligen Mitarbeiter veräußert hat. Die damit erzielten Erlöse haben die Flucht der Kläger finanziert. Für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit bedürfte der Kläger zu 1. demnach erheblichen Startkapitals, das ihm nach Lage der Dinge nicht zur Verfügung steht und wäre überdies einer stärkeren Konkurrenzsituation ausgesetzt.
50 
Schließlich leidet der Kläger zu 1. unter derart erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, dass er in der Bundesrepublik als Schwerbehinderter anerkannt ist. Angesichts dieser Gesamtumstände mit einem extrem schwierigen und hart umkämpften Arbeitsmarkt, dem erhöhten Lebensunterhalt einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern und der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1. erscheint die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie in Afghanistan, und sei es an der Grenze des Existenzminimums, ausgeschlossen.
51 
Ob sich daneben mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG auch aus den gesundheitlichen Problemen der Klägerin zu 5. ein Abschiebungsverbot ergibt, oder ein solches auch besteht, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 Rn. 17).
IV.
52 
Auch in Bezug auf die Klägerin zu 2. als, zum insoweit maßgeblichen, aktuellen Zeitpunkt, § 77 Abs. 1 AsylG, volljährige, alleinstehende junge Frau, ist ein Abschiebeverbot in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Es ergibt sich ebenfalls aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Auch insoweit war der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtswidrig und demnach aufzuheben.
53 
Mit Blick auf die Entscheidungen des Gerichts zu den Klägern zu 1. und 3. - 6. müsste die Klägerin zu 2. nach Lage der Dinge alleine nach Afghanistan zurückkehren. Damit wäre es ihr nach den vorgenannten Grundsätzen nicht möglich, hinreichend sicher ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 15.12.2011, online Abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/ assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/afghanistan-allein stehende-frau-mit-kindern.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) hängen afghanische Frauen ihr Leben lang von ihren Ehemännern, Brüdern oder Vätern ab. Frauen ohne oder mit abwesenden Ehemännern sind von männlichen Verwandten abhängig; sie sind gefährdet, geschlagen und sexuell missbraucht zu werden. Alleinstehende Frauen werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Wenn sie nicht wieder von ihrer Herkunftsfamilie aufgenommen werden, haben sie kaum einen Ort, an dem sie Zuflucht finden können. Es ist demnach in Afghanistan als alleinstehende Frau schlicht nicht möglich, eine Wohnung zu mieten oder eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Darum können alleinstehende Frauen nur schwer überleben. Religiöse Autoritäten hätten vermehrt darauf gepocht, dass es sozial inakzeptabel sei, wenn Frauen ohne männlichen Begleiter das Haus verlassen. Ohne männliche Unterstützung haben Frauen aufgrund der sozialen Restriktionen und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit keine Lebensgrundlage. Der Zugang zu Arbeit, aber auch zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung bleibt ihnen verwehrt (vgl. auch VG Magdeburg, Urteil vom 31.01.2018 - 5 A 142/17 MD -, juris Rn. 38).
54 
Weiter berichtet EASO von erheblichen Schwierigkeiten oder gar dem Verbot an Frauen, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 24 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/ en/file/local/1405774/1226_1503567243_easo-coi-afghanistan-ipa-august2017.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) und von geschlechtsbasierten Benachteiligungen, Misshandlungen und einer strikten Bindung von Frauen an Normen und gesellschaftliche Moralvorstellungen, die ihr alleinstehendes Überleben als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (EASO COI Report AFGHANISTAN: Individuals targeted under societal and legal norms, S. 33 - online abrufbar unter: www.ecoi.net/en/file/local/1419802/90_1513325370_easo-201712-afghanistan-targe ting-society.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018).
55 
Schließlich kommt Friederike Stahlmann in ihrem Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28.03.2018 (abrufbar unter ecoi.net - https://www.ecoi.net/en/file/local/1431611/ 90_1527075858_gutachten-afghanistan-stahlmann-28-03-2018.pdf - zuletzt abgerufen am 23.05.2018) zu dem Ergebnis, dass nicht einmal für alleinstehende männliche abgelehnte Asylbewerber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Sicherung des Lebensunterhaltes ausgegangen werden kann (Frage 8). Selbst wenn man diese Bewertung für junge Männer als zu weitgehend ansieht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Leitsatz), kann nach den dem zugrunde liegenden Erkenntnismitteln jedenfalls davon ausgegangen werden, dass bei alleinstehenden jungen Frauen in Ermangelung besonderer Umstände, wie vorliegend, der Lebensunterhalt in Afghanistan nicht hinreichend gesichert ist (VGH Baden-Württemberg, aaO, Rn. 333 und Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris Rn. 338).
V.
56 
Wegen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG der unter Ziffer 5 verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenfalls aufzuheben ist.
VI.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 159 VwGO. Die Kläger beantragten ursprünglich für insgesamt sechs Personen jeweils Flüchtlingsschutz und im Hilfsantrag subsidiären Schutz sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten, stellten also insgesamt 18 Anträge. In Bezug auf die Kläger zu 2. - 6. nahmen die Kläger jeweils zwei, in Bezug auf den Kläger zu 1. einen, insgesamt also elf Anträge zurück. Insoweit waren ihnen die Kosten aufzuerlegen, §§ 155 Abs. 2, 159 VwGO. Mit den noch verbleibenden Anträgen obsiegen die Kläger, sodass insoweit die Beklagte die Kosten zu tragen hat.
58 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, auf welchen Zeitpunkt es für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten nach § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG ankommt. Die Frage ist bisher höchstrichterlich nicht behandelt und wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.