Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 19. Juni 2007 - 4 A 168/07


Gericht
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, einen Transport des Schülers M. W. von seinem Wohnort zum Gymnasium Greifswald für das Schuljahr 2006/07 durchzuführen. Der Bescheid des Beklagten vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Übernahme von Schülerbeförderungskosten für ihren Sohn M..
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Der Sohn der Klägerin, die im Gebiet des Beklagten wohnt, besucht seit Dezember 2006 im Schuljahr 2006/2007 die Hochbegabtenklasse am Gymnasium in Greifswald. Eine öffentliche Schülerbeförderung findet nicht statt, eine Benutzung des ÖPNV könnte eine Erreichbarkeit bis zum Schulanfang nicht gewährleisten. Die Klägerin fährt ihren Sohn daher bis zur B 96, wo er dann einen privaten Zubringerbus zur Waldorfschule besteigt. Hierfür entstehen ihr Kosten in Höhe von ca. 70,- EUR pro Monat.
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Auf den Antrag der Klägerin vom 03.12.2006 bewilligte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 12.12.2006 die Beförderung von Schönwalde bis zur Kreisgrenze. In Betracht käme eine Busbeförderung mit Umstieg in Grimmen. Den Widerspruch der Klägerin vom 17.12.2006 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2007 zurück. Nach § 113 SchulG M-V bestehe eine Verpflichtung zur Schülerbeförderung nur innerhalb des Kreisgebiets. Zudem regele die Satzung über die Schülerbeförderung, dass eine Beförderung von Schülern, die eine örtlich nicht zuständige Schule besuchten, nur im Rahmen eines ohnehin stattfindenden Schulbusverkehrs erfolge. Nach Greifswald, das außerhalb des Kreisgebiets liege, finde kein Schulbusverkehr statt.
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Die Klägerin hat am 06.02.2007 Klage erhoben.
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Sie beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007 zu verpflichten, für ihren Sohn M. einen Schülertransport zum Gymnasium in Greifswald für das Schuljahr 2006/2007 durchzuführen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Bescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Durchführung eines Schülertransports durch den Beklagten.
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Nach der Konzeption des Schulgesetzes hat der Landkreis innerhalb seines Kreisgebietes den Transport der Schüler zur Schule sicherzustellen und zu finanzieren (vgl. hierzu OVG M-V, Urt. v. 24.04.2001, 2 L 199/00, zit. nach JURIS). Transporte zu Schulen außerhalb seines Kreisgebietes muss der Landkreis nicht anbieten und auch nicht finanzieren. In den von der Kammer im Rahmen ihrer ständigen Rechtsprechung entschiedenen Fällen handelte es sich jedoch jeweils um den Besuch einer privaten Ersatzschule oder den Besuch einer örtlich unzuständigen staatlichen Schule aufgrund einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 SchulG. Fälle wie den vorliegenden hatte die Kammer bislang nicht zu entscheiden.
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Der Besuch einer Klasse für Hochbegabte stellt nach der Verwaltungsvorschrift des Bildungsministeriums "Die Beschulung von hoch begabten Schülerinnen und Schülern im Sekundarbereich in Mecklenburg-Vorpommern" vom 31.01.2006 einen Grund dar, der die Erteilung einer Genehmigung zum Besuch einer örtlich unzuständigen Schule nach § 46 Abs. 3 Nr. 2 SchulG M-V rechtfertigt.
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Nach der Konzeption dieser Verwaltungsvorschrift, die Grundlage der Schulversuche zur Hochbegabtenförderung ist, soll die Beschulung dazu dienen, die Teilbereiche zu stärken, in denen sie besonders leistungsfähig sind, gleichzeitig aber auch dazu, Defizite in anderen Bereichen abzubauen. Hierzu werden Förderklassen eingerichtet, in denen die Hochbegabten Schüler beschult werden.
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Nach der Konzeption der Beschulung handelt es sich bei den Schülern also um solche, die aufgrund ihres Förderbedarfs im gemeinsamen Unterricht in allgemeinen Schulen nicht hinreichend gefördert werden können. Diese Beschreibung deckt sich vollständig mit der Beschreibung der Schüler, die nach § 36 SchulG M-V eine Förderschule besuchen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Förderung der hoch begabten Schüler an einem Gymnasium angesiedelt ist und nicht an einer Förderschule.
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Für den Bereich des Behindertentransports zu Förderschulen hat die Kammer mit Urteil vom 20.01.2000 im Verfahren 4 A 1932/96 ausgeführt, dass insoweit ein Transport der Behinderten zu einer geeigneten Förderschule vom Landkreis auch dann zu organisieren und zu finanzieren ist, wenn diese Schule außerhalb des eigenen Landkreis liegt. Insoweit geht der Anspruch des Behinderten auf eine angemessene Förderung dem öffentlichen Interesse an einem kostengünstigen Schülertransport vor.
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Diese Überlegungen sind auf den Fall eines hoch begabten Schülers zu übertragen. Wenn eine angemessene und pädagogisch erforderliche Förderung im Bereich eines Landkreises durch die dort vorgehaltenen Schulen nicht möglich ist, hat der Landkreis auch den Transport zu einer außerhalb seines Gebietes liegenden Schule sicherzustellen. Der einzige Unterschied, nämlich die Anbindung der jeweiligen Förderklasse an ein Gymnasium statt an eine Förderschule, rechtfertigt es nicht, hoch begabte Schüler anders zu behandeln.
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Wie sich aus der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums ergibt, können Hochbegabte an einer Regelschule nicht ausreichend gefördert werden, innerhalb des beklagten Landkreises gibt es also keine angemessene und ausreichende Beschulungsmöglichkeit. Diese bietet nur eine Schule im Schulamtsbereich, hier das Gymnasium in Greifswald. Die Beschulung dorthin ist daher vom Landkreis durch die Organisation des Transports zu fördern.
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Allerdings ergibt sich aus § 113 Abs. 2 SchulG, dass die Landkreise selbst darüber zu bestimmen haben, in welcher Form der Schülertransport durchgeführt werden soll. Diese Entscheidung steht nicht den Erziehungsberechtigten und daher auch nicht der Klägerin zu. Eine Verpflichtung zur Zahlung der Kosten der derzeit praktizierten Form der Beförderung kommt daher nicht in Betracht. Dem Landkreis steht es frei, in welcher Form er den Transport durchführt, bei entsprechender Bereitschaft der Klägerin kommt auch eine Kostenübernahme für den derzeitigen Transport in Betracht. Dies müsste allerdings neben den Kosten des Busses auch die Kosten für die Fahrt der Klägerin von ihrem Wohnort bis zur B 96 umfassen. Für die Vergangenheit sind jedenfalls diese Kosten zu erstatten, da ein Transport durch den Beklagten selbst nur noch für die Zukunft möglich ist. Insoweit trifft die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises ausreichende Regelungen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 VwGO. Da jeweils nur eine Schule im Schulamtsbereich eine Hochbegabtenförderung anbietet, der Transport der Schüler über Landkreisgrenzen hinweg also den Regelfall darstellt, handelt es sich bei der vorliegenden Frage um eine grundsätzliche Fragestellung. Aus diesem Grund ist die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zuzulassen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.