Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Feb. 2014 - 2 K 16/14

bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.12.2013, mit der dem Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- EUR (Nr. 3) untersagt wurde, in zwei von ihm betriebenen Gaststätten Sportwetten zu vermitteln oder derartige Tätigkeiten zu unterstützen, und ihm aufgegeben wurde, die hierfür vorgehaltenen Geräte dauerhaft aus der Gaststätte zu entfernen (Nr. 1) sowie die untersagten Tätigkeiten unverzüglich und dauerhaft einzustellen und die Einstellung der Tätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzuteilen (Nr. 2), ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 9 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.2011 (im Folgenden: Glücksspieländerungsstaatsvertrag - GlüÄndStV -) bzw. § 12 LVwVG zulässig, aber weder im Haupt- noch im lediglich zeitlich eingegrenzten Hilfsantrag begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Bei dieser Entscheidung sind die Interessen des Antragstellers und die des Antragsgegners sowie auch betroffene Interessen der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Neben der jeweiligen Bedeutung, die den einzelnen Interessen zukommt, sind insbesondere auch die voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache zu berücksichtigen. Bei der Abwägung auf Grund summarischer Erfolgsprüfung gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass das Suspensivinteresse umso größeres Gewicht hat, je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind, und umgekehrt dem Vollzugsinteresse umso größeres Gewicht beizumessen ist, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, juris Rn. 3). Auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ist dabei mit Blick auf den Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris Rn. 21 m.w.N.).
Ausgehend hiervon überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die angefochtene Verfügung dürfte voraussichtlich rechtmäßig sein (dazu 1.). Auch im Übrigen besteht im Rahmen der Interessenabwägung kein Anlass, den Antragsteller von der kraft Gesetzes vorgesehenen sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung zu verschonen (dazu 2.).
1. Die Untersagungsverfügung (Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids) findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüÄndStV i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 des Landesglücksspielgesetzes vom 20. November 2012 - LGlüG -. Der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüÄndStV zufolge kann die zuständige Behörde alle erforderlichen Anordnungen treffen, um die nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Vertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen. Gemäß dem auf Grund des Glücksspieländerungsstaatsvertrages erlassenen § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG darf eine Wettvermittlungsstelle zur Vermittlung von Sportwetten unter anderem nicht in einer Gaststätte betrieben werden. Das Anbieten von Sportwetten in Gaststätten ist nur zulässig, soweit dies nicht in Form einer Wettvermittlungsstelle im Sinne von § 20 LGlüG, sondern in Form einer Annahmestelle im Sinne von § 13 LGlüG erfolgt (vgl. § 20 Abs. 7 Satz 1 LGlüG), die Sportwetten nicht in den Räumlichkeiten einer Gaststätte, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden (§ 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 LGlüG), und nicht in Form von Live-Wetten angeboten werden (§ 20 Abs. 7 Satz 2 LGlüG).
Der Antragsteller betreibt in zwei von ihm betriebenen Gaststätten eine Wettvermittlungsstelle für Sportwetten (in Form von Live-Wetten, vgl. hierzu § 21 Abs. 4 GlüÄndStV) und verstößt damit gegen das Verbot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG.
Die Verbotsvorschrift ist voraussichtlich auch nicht wegen einer Verletzung der Dienstleistungsfreiheit des Antragstellers unanwendbar. Art. 56 Satz 1 AEUV verbietet den Mitgliedstaaten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, wobei die Dienstleistungsfreiheit über den Wortlaut hinaus auch für Korrespondenzdienstleistungen gilt, in denen die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungsempfänger und -erbringer keine Ortsveränderung vornehmen, sondern nur das Produkt die Grenze überschreitet (vgl. Grabitz/Hilf/Randelzhofer/Forsthoff, AEUV, Art. 56/57, Stand März 2011, Rn. 54 m.w.N.). Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit läge vor, wenn das in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG normierte Verbot des Betriebs von Wettvermittlungsstellen in Gaststätten geeignet wäre, die grenzüberschreitende Erbringung der Dienstleistung zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 29.03.2011 - C-565/08 -, Kommission/Italienische Republik, Rn. 45). Entscheidend sind dabei die Wirkungen der Vorschrift auf den Marktzugang des Dienstleistungserbringers: Erschwert diese den Zugang zum nationalen deutschen Markt, ist sie am Beschränkungsverbot zu messen, erschwert sie den Zugang nicht, so ist sie nur dann verboten, wenn sie direkt oder indirekt diskriminiert (vgl. etwa EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 28.04.2009 - C-518/06 -, Kommission/Italienische Republik, Rn. 64; Urteil vom 29.03.2011, a.a.O., Rn. 46; Grabitz/Hilf/Randelzhofer/Forsthoff, AEUV, Art. 56/57, Stand März 2011, Rn. 110 m.w.N.).
Danach spricht viel dafür, bereits das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Antragsstellers durch § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG zu verneinen. Zwar ist der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit insoweit eröffnet, als der Antragsteller, ein deutscher Staatsangehöriger, ein (zur Weitervermittlung an Dritte bestimmtes) Live-Sportwettenangebot eines in Malta ansässigen Dienstleistungserbringers in Anspruch nimmt. Es ist allerdings nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass gerade der mit dem Verbot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG untersagte Vertrieb von Live-Sportwetten an Gaststättenbetreiber ausländischen Marktteilnehmern den Zugang zum deutschen bzw. baden-württembergischen Sportwettenmarkt erschwert. Insbesondere ist nicht vorgetragen oder erkennbar, dass ausländische Anbieter gerade auf diesen Vertriebskanal für ihren Marktzugang angewiesen sein könnten, etwa weil Live-Sportwetten typischerweise in Gaststätten angeboten würden. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass es in Baden-Württemberg eine Vielzahl von Wettvermittlungsstellen für Live-Sportwetten außerhalb von Gaststätten gibt und zudem der Markt für Live-Sportwetten in Baden-Württemberg praktisch ausschließlich von ausländischen Anbietern bedient wird, dafür, dass diese für ihren Zugang zum deutschen Markt auf die Möglichkeit des Verkaufs ihrer Dienstleistungen an Gaststättenbetreiber nicht angewiesen sind. Aus den gleichen Gründen ist auch nicht feststellbar, dass in Deutschland ansässigen Dienstleistungsempfängern die Inanspruchnahme der von dem ausländischen Dienstleistungserbringer angebotenen Live-Sportwetten dadurch erschwert würde, dass sie die Sportwetten nicht in Gaststätten an Dritte weitervermitteln dürfen.
Das Verbot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG ist auch auf inländische sowie ausländische Anbieter gleichermaßen anwendbar und stellt weder eine direkte noch indirekte Diskriminierung dar. Dem steht aller Voraussicht nach nicht entgegen, dass das Landesglückspielgesetz dem (staatlichen) baden-württembergischen Anbieter durch § 20 Abs. 7 Satz 1 LGlüG eine Opt-Out-Option hinsichtlich des Verbotes des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG einräumt. Denn die Ausübung dieser Option setzt voraus, dass das Land gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 LGlüG landesweit auf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen verzichtet (und Sportwetten ausschließlich in den - insbesondere für den staatlichen Vertrieb von Lottoprodukten bereits bestehenden - Annahmestellen anbietet), Sportwetten nur in solchen Räumen von Gaststätten vermittelt, in denen kein Alkohol ausgeschenkt wird (§ 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 LGlüG) und (vor allem) im ganzen Land keine Live-Wetten anbietet (§ 20 Abs. 7 Satz 2 LGlüG). Damit betrifft § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG alle Anbieter von Live-Sportwetten gleichermaßen. Allenfalls könnte europarechtlich bedenklich sein, dass die Opt-Out-Option des § 20 Abs. 7 Satz 1 LGlüG nur dem staatlichen Glücksspielanbieter eingeräumt ist, soweit ein ausländischer Dienstleistungserbringer (oder ein inländischer Dienstleistungsempfänger) geltend machte, Sportwetten zu den gleichen Bedingungen vermitteln zu wollen, wie es dem Land im Fall der Ausübung seiner Option erlaubt ist. Der Antragsteller möchte aber gerade nicht Sportwetten zu den gleichen Bedingungen wie das Land (an Dritte weiter-)vermitteln, sondern Live-Wetten in einer Wettvermittlungsstelle in den Räumlichkeiten seiner Gaststätte anbieten, in denen Alkohol angeboten wird.
Letztlich kann aber offen bleiben, ob es bereits an einer Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit fehlt, weil eine solche entgegen der Ansicht des VG Sigmaringen in seinem Beschluss vom 18.12.2013 - 1 K 1976/13 - (juris) gerechtfertigt sein dürfte.
10 
Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielmarkt können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein, soweit die Beschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wobei die nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn die eingesetzten Mittel kohärent und systematisch sind (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 -, Gambelli, Rn. 67; Urteil der Großen Kammer vom 06.03.2007 - C-338/04 u.a. -, Placanica u. a., Rn. 48 und 53).
11 
Gemessen hieran dürfte das in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG enthaltene Verbot des Betriebs von Wettvermittlungsstellen in Gaststätten gerechtfertigt sein. Es dient dem Verbraucherschutz als einem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anerkannten zwingenden Allgemeinwohlinteresse, weil es in Konkretisierung der in § 1 GlüÄndStV niedergelegten Ziele vor Gefahren des Glücksspiels schützen möchte, die durch eine alkoholbedingte Herabsetzung der Hemmschwelle zum Glückspiel entstehen können (vgl. LT-Drs. 15/2431, S. 83). Außerdem soll - wie sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 2 LGlüG (Verbot des Vermittelns von Sportwetten in einem Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle befindet) ergibt - eine Vermischung von Sportwettenangeboten mit den in einer Gaststätte gemäß § 1 Nr. 1 SpielV grundsätzlich zulässigen Geldspielgeräten vermieden werden.
12 
§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG ist auch geeignet und erforderlich zur Erreichung dieser Ziele, weil die Vorschrift verhindert, dass in Gaststätten, in denen Alkohol ausgeschenkt wird, Teilnehmer an Live-Sportwetten durch die üblicherweise lange Verweildauer in Gaststätten in Verbindung mit Alkoholkonsum zu übermäßigem Spiel angereizt werden. Da während des laufenden, in der Gaststätte verfolgten Sportereignisses fortlaufend Wettangebote abgegeben werden können, entsteht bei den Wettern der Anreiz, sich als unzutreffend erweisende Wetten durch weitere (entsprechend höhere) Wetteinsätze korrigieren zu wollen. Dass dieser Anreiz durch Alkoholkonsum während des verfolgten Sportereignisses verstärkt werden kann, erscheint naheliegend. Soweit in Gaststätten keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt werden, verhindert die Vorschrift in geeigneter und erforderlicher Weise eine Suchtneigungen bei Glücksspielern verstärkende Vermischung von Sportwetten- und Glückspielautomatenangeboten. Insoweit dürfte entgegen der Ansicht des VG Sigmaringen (a.a.O., juris Rn. 14) ein alleiniges Verbot von Wettvermittlungsstellen in Gaststätten mit Alkoholausschank kein milderes, gleich effektives Mittel zur Erreichung des bezweckten Verbraucherschutzes sein.
13 
Die Erreichung der mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG verfolgten Ziele erfolgt voraussichtlich auch in systematischer und kohärenter Weise. Unmaßgeblich dürfte insoweit sein, dass in Gaststätten der Betrieb von Glücksspielautomaten als einer mit besonders hohen Gefahren verbundenen Glücksspielart (vgl. nur LT-Drs. 15/2431, S. 51) zugelassen ist. Eine Inkohärenz setzte voraus, dass durch den Umstand, dass Teilnehmer an Spielautomatenspielen nicht in gleichem Maße vor einer Herabsenkung der Hemmschwelle zum Glücksspiel durch den Genuss von Alkohol geschützt sind, die § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG zugrunde liegenden Ziele nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten bzw. konterkariert würden (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 08.09.2010 - C-46/08 -, Carmen Media Group, Rn. 68; Urteil der Großen Kammer vom 08.09.2010 - C-316/07 u.a -, Markus Stoß u.a., Rn. 106; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10/12 -, juris Rn. 51 ff.). Hierfür ist derzeit nichts ersichtlich und vom Antragsteller auch nichts vorgetragen. Im Gegenteil dürfte die mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG (auch) bezweckte räumliche Trennung von Automatenspiel und Sportwetten Wanderbewegungen zwischen beiden Glücksspielarten gerade vermindern.
14 
Ohne Relevanz dürfte es auch sein, dass andere Länder § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG vergleichbare Vorschriften nicht erlassen haben. Das Kohärenzgebot bezieht sich in einem bundesstaatlich verfassten Mitgliedstaat wie der Bundesrepublik Deutschland aller Voraussicht nach nicht einheitlich auf alle Länder, sondern ist für jedes Land gesondert zu prüfen. Mit Art. 4 Abs. 2 EUV wäre es nämlich wohl unvereinbar, wenn jede günstigere Regel in einem Land zugleich die restriktiveren, im Übrigen europarechtlich nicht zu beanstandenden Regeln in den anderen Ländern hinfällig machen würde (vgl. S. 8 ff. des Schriftsatz der Europäischen Kommission vom 09.07.2013 im Verfahren C-156/13, Vorabentscheidungsersuchen des BGH mit Beschluss vom 24.01.2013 - I ZR 171/10 -).
15 
Auch ist die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG aller Voraussicht nach nicht wegen eines Verstoßes gegen die Notifizierungspflicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft vom 22. Juni 1998 unanwendbar - RL 98/34/EG - (ABl. L 204 S. 37). Denn § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG dürfte keine technische Vorschrift im Sinne von Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 11 RL 98/34/EG sein. Eine technische Spezifikation im Sinne von Art. 1 Abs. 11 Alt. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 RL 98/34/EG sowie eine sonstige Vorschrift im Sinne von Art. 1 Abs. 11 Alt. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 RL 98/34/EG liegen nicht vor, da die von dem in Malta ansässigen Dienstleistungserbringer angebotenen Sportwetten kein Erzeugnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 RL 98/34/EG darstellen. Zwar mögen die in der Gaststätte des Antragstellers aufgestellten Wettterminals Erzeugnisse sein; für diese werden aber weder Merkmale wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit etc. im Sinne von Art. 1 Nr. 3 RL 98/34/EG vorgeschrieben noch Anforderungen betreffend den Lebenszyklus des Erzeugnisses aufgestellt oder Vorschriften zum Gebrauch, Wiederverwertung etc. im Sinne von Art. 1 Nr. 4 RL 98/34/EG erlassen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19.07.2012 - C-213/11 u.a. -, Fortuna u.a., Rn. 29).
16 
Darüber hinaus dürfte § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG auch keine Vorschrift betreffend Dienste im Sinne von Art. 1 Abs. 11 Alt. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 RL 98/34/EG sein. Zwar dürften die vom Antragsteller (zur Weitervermittlung an Dritte) als Dienstleistungsempfänger in Anspruch genommenen Live-Sportwetten des in Malta ansässigen Dienstleistungserbringers einen Dienst darstellen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 RL 98/34/EG. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG betrifft aber nicht die durch den maltesischen Dienstleistungserbringer angebotene Dienstleistung im Sinne von Art. 1 Nr. 11 RL 98/34/EG. Die Verbotsvorschrift stellt keinerlei Anforderungen an die Dienstleistung selber, sondern verbietet lediglich dem Dienstleistungsempfänger die innerstaatliche Weitervermittlung der Dienstleistung an Dritte an bestimmten Orten, ohne dass dadurch - wie oben ausgeführt - die Erbringung der Dienstleistung beeinträchtigt werden dürfte.
17 
Ebenfalls keine Rolle dürfte es schließlich spielen, ob das mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag neu eingeführte Konzessionssystem zur Zulassung privater Anbieter zum Sportwettenmarkt mit Unionsrecht vereinbar ist und deswegen dem Antragsteller das Vermitteln von Sportwetten unter Umstände nicht mit der Begründung versagt werden dürfte, er (bzw. sein ausländischer Vertragspartner) verfüge (bislang) über keine behördliche Genehmigung für das Vermitteln von Sportwetten. Denn die im vorliegenden Fall streitige Verfügung stützt sich - unabhängig von der fehlenden behördlichen Erlaubnis für die Tätigkeit des Antragstellers - allein auf das Verbot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG. Auch aus diesem Grund kann auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben, mit dem der Antragsteller eine Anordnung der aufschiebende Wirkung bis drei Monate nach der Entscheidung des Hessischen Innenministeriums über die Vergabe der Konzessionen zur Vermittlung von Sportwetten begehrt.
18 
Auch ein Verstoß der angefochtenen Verfügung oder der ihr zu Grunde liegenden Ermächtigungsnorm gegen die Berufsfreiheit des Antragstellers aus Art. 12 GG ist aus den oben genannten Gründen aller Voraussicht nach nicht gegeben. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG beschränkt nicht die Freiheit der Berufswahl, sondern regelt lediglich die Berufsausübung. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ermächtigt den Gesetzgeber aber dazu, die Berufsausübung durch Gesetz zu regeln. Eine solche Berufsausübungsregelung muss durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, juris Rn. 95 m.w.N.). Gemessen hieran dürfte ein Verstoß gegen Art. 12 GG ausscheiden. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG ist - wie oben ausgeführt - voraussichtlich geeignet und erforderlich zur Erreichung der mit der Vorschrift verfolgten Ziele des Verbraucherschutzes. Zudem dürfte die Bestimmung auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein, weil sie die Betreiber von Gaststätten nicht unzumutbar betrifft. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass Betreiber von Gaststätten typischerweise gerade auf die durch Sportwetten angezogenen Gäste angewiesen sein könnten oder mit den Sportwetten Mehreinnahmen erzielt würden, ohne die der Betrieb von Gaststätten nicht mehr wirtschaftlich wäre.
19 
Die angefochtene Untersagungsverfügung dürfte auch ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig sein.
20 
Auch die auf §§ 2 Nr. 2, 18 bis 20, 23 LVwVG gestützte Zwangsmittelandrohung (Nr. 3 des Bescheids) ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
21 
2. Auch im Rahmen der trotz voraussichtlicher Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung und gesetzlicher Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem staatlichen Vollzugsinteresse und dem Aufschubinteresse des Antragstellers (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris Rn. 22; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24.08.2011 - 1 BvR 1611/11 -, juris 13) überwiegt ersteres. Dürfte der Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in seiner Gaststätte weiter Sportwetten vermitteln, würde in dieser Zeit den mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Alt. 4 LGlüG verfolgten hochrangigen gesetzgeberischen Zielen des Verbraucherschutzes keine Rechnung getragen. Demgegenüber dürfte der Antragsteller in seiner Dienstleistungs- oder Berufsfreiheit allenfalls in Randbereichen betroffen sein. Ihm bleibt es unbenommen, seine konzessionierte Gaststätte, deren Betriebszweck nicht auf die Vermittlung von Sportwetten angelegt ist, weiter zu betreiben und die Sportwettenvermittlung - abgesehen von ihrer Erlaubnisfähigkeit - in einer anderen, von der Gaststätte klar abgegrenzten Räumlichkeit vorzunehmen. Wie der Antragsgegner zudem unwidersprochen vorgetragen hat, liegen die Einnahmen eines Gaststättenbetreibers durch das Aufstellen von Wettterminals meist im Bereich niedriger dreistelligen Eurobeträge.
22 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05. / 01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Feb. 2014 - 2 K 16/14

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
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Spielverordnung - SpielV | § 1


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 28.06.2013 (1 K 1967/13) gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 13.06.2013 wird hinsichtlich der Nummern 1 bis 3 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 28.06.2013 erhobenen Klage (1 K 1967/13) gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 13.06.2013. Hierin wurde der Antragstellerin untersagt, in der Gaststätte „M.“ in XXX R., U. d. L. XX Sportwetten zu vermitteln oder derartige Tätigkeiten zu .unterstützen, die zur Vermittlung von Sportwetten vorgehaltenen Geräte dauerhaft aus der Gaststätte zu entfernen, die untersagten Tätigkeiten unverzüglich und dauerhaft einzustellen und die Einstellung der Tätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzuteilen (Nrn. 1 und 2). Zugleich wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- EUR angedroht, falls sie den Verpflichtungen aus Nr. 1 und 2 nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung nachkommt (Nr. 3).
II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, § 12 LVwVG) entfällt. Das Gericht trifft seine Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwägung. Die Begründetheit des Aussetzungsantrags richtet sich danach, ob das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzugs das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das wesentliche Kriterium zur Gewichtung der Interessen sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Bei offenen Erfolgsaussichten erfolgt eine reine Interessenabwägung. Letzteres ist hier der Fall.
Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 13.06.2013 ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner der Antragstellerin bereits mit Bescheid vom 11.06.2007 u.a. die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg untersagt hat.
Die Kammer versteht den Bescheid des Antragsgegners vom 13.06.2013 dahingehend, dass der Antragstellerin damit lediglich die Vermittlung von Sportwetten in der Gaststätte M., U. d. L. XX, XXX R. untersagt werden soll, nicht dagegen auch an anderen Orten in Baden-Württemberg (wie im Bescheid vom 11.06.2007, der Gegenstand des ruhenden Verfahrens X), und auch nur, solange diese Örtlichkeit als Gaststätte genutzt wird. Davon geht der Antragsgegner auch in Tenor und Begründung des Bescheides sowie in den Schriftsätzen vom 09.07.2013 (S. 2), vom 06.08.2013 und vom 22.08.2013 im gerichtlichen Verfahren aus. Die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten und der Unterstützung derartiger Tätigkeiten bezieht sich in Nr. 1 des Bescheides ausdrücklich nur auf die Gaststätte „M.“, nicht auf sonstige Orte. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Untersagung (nur) wegen des Trennungsgebots zwischen Gaststätten und Örtlichkeiten, an denen Sportwetten vermittelt werden, ausgesprochen wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 Landesglücksspielgesetz - LGlüG -). Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen (S. 3 Mitte), dass „die Verfügung für die genannte Örtlichkeit nur solange gilt, als dort eine Gaststätte betrieben wird“. Für die Auslegung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.06.2013 (S. 3 unten), dass „die hier streitgegenständliche Untersagungsverfügung pauschal sämtliche Vermittlungstätigkeiten für die Antragstellerin im gesamten Bundesland Baden-Württemberg untersagt“, vermag die Kammer weder im Tenor noch in der Begründung des Bescheides Anhaltspunkte zu finden.
Da der hier streitgegenständliche Bescheid vom 13.06.2013 somit einen anderen Gegenstand (andere Rechtsgrundlage, andere Begründung, neue Ermessensentscheidung, Beschränkung auf die Gaststätte „M.“) hat als der Bescheid vom 11.06.2007, mit dem der Antragstellerin u.a. die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in (ganz) Baden-Württemberg untersagt worden ist, steht weder der Bescheid vom 11.06.2007 noch der stattgebende Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Eilverfahren XY vom 11.11.2011 einer neuen - auf die Gaststätte beschränkten und auf eine andere Rechtsgrundlage gestützten - Regelung entgegen.
Die Untersagungsverfügung vom 13.06.2013 ist auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV gestützt. Danach kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die von der Antragstellerin vermittelten Sportwetten fallen unter diese Ermächtigungsgrundlage. Der Antragsgegner hat die von der Antragstellerin betriebene Vermittlung von Sportwetten im Hinblick auf das Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG, wonach Wettvermittlungsstellen nicht in Gaststätten betrieben werden dürfen, untersagt.
Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage hält es die Kammer aber für offen, ob § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG europarechtskonform ist, so dass sie derzeit die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage als offen ansieht.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners (vgl. Schriftsatz vom 09.07.2013, S. 4) stellt die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV dar. Die Antragstellerin, die ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Gewerbeanmeldung griechische Staatsbürgerin ist, ist Erbringerin einer Dienstleistung, indem sie als Angehörige eines EU-Mitgliedstaats durch Aufstellung von Wettterminals eine binnengrenzüberschreitende Dienstleistung (Sportwetten von Besuchern der Gaststätte mit der maltesischen Cashpoint Malta Ltd.) anbahnt bzw. vermittelt (vgl. dazu Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 56 AEUV, RdNrn. 40 und 47).
10 
§ 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG verbietet ihr die Erbringung dieser Dienstleistung an dem von ihr gewählten Ort. Bei der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG handelt es sich nicht nur um eine reine Vertriebsmodalität im Sinne der Keck-Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91 [Keck und Mithouard]), die zur Folge hätte, dass bereits kein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vorläge. Denn dies würde voraussetzen, dass die Vertriebsmodalität alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer (hier: Anbieter von Sportwetten) gleichermaßen betrifft und in- und ausländische Dienstleistungen in gleicher Weise berührt (vgl. dazu auch Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 56 AEUV, RdNrn. 88). Nach § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG gelten aber für Annahmestellen, in denen Sportwetten staatlicher Anbieter angeboten werden, abweichende Regelungen, so dass § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG nicht alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen betrifft (zur möglichen Auswirkung dieser Ungleichbehandlung im Rahmen des Kohärenzgebotes siehe unten, S. 8 ff.). Daher ist die zur Warenverkehrsfreiheit ergangene Keck-Rechtsprechung ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist (hierzu kritisch: Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 56 AEUV, RdNr. 88), hier nicht anwendbar.
11 
Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Glückspielsektor bedürfen einer Rechtfertigung durch zwingende Allgemeinwohlinteressen (z.B. Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen, Suchtbekämpfung, Jugend- und Spielerschutz), die neben der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Beschränkung zur Erreichung des angestrebten Zieles auch zur Voraussetzung hat, dass die Maßnahmen, mittels derer die Dienstleistungsfreiheit eingeschränkt wird, in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Gemeinwohlzwecke beitragen (st. Rspr., vgl. exemplarisch EuGH, Urteile vom 06.03.2007, Rs. C-338/04 u.a. [Placanica], RdNrn. 49 und 53 und vom 08.09.2010, Rs. C- 316/07 u.a. [Stoß], RdNrn. 88 und 97, beide in Juris; ihm folgend BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 10.12 -, Juris, dort RdNr. 29). Diese Anforderungen gelten nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit allgemein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.12.2012 - 6 S 17/12 -). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist für jede beschränkende Maßnahme gesondert zu prüfen, ob sie den genannten Anforderungen entspricht (EuGH, Urteile vom 06.03.2007, Rs. C-338/04 u.a. [Placanica], RdNr. 49 und vom 08.09.2010, Rs. C- 316/07 u.a. [Stoß], RdNr. 93).
12 
Ob der hier streitgegenständliche Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nach den genannten Grundsätzen gerechtfertigt werden kann, erscheint nach derzeitiger Sach- und Rechtslage offen. Das Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG dient dem Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels (vgl. hierzu § 1 GlüStV), insbesondere der Suchtprävention und der Vermischung unterschiedlicher Angebote des Glücksspiels (vgl. Landtags-Drs. 15/2431, S. 83).
13 
Es bestehen bereits Zweifel an der Erforderlichkeit des Trennungsgebots in § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG, soweit der Gesetzgeber es damit begründet, dass eine Trennung zwischen Alkoholkonsum und Sportwetten bzw. zwischen Sportwetten und anderen Glücksspielangeboten (wie den in Gaststätten nach § 1 SpielVO zulässigen Geldspielautomaten) erreicht werden soll (vgl. Landtags-Drs. 15/2431, S. 83). Denn das Trennungsgebot dürfte auch Gaststätten betreffen, in denen gar kein Alkohol ausgeschenkt wird und in denen sich keine Geldspielgeräte (und auch keine anderen Glücksspielangebote) befinden.
14 
Nach § 1 GastG - dessen Legaldefinition mangels anderer Anhaltspunkte im LGlüG auch hier heranzuziehen sein dürfte (davon geht auch der Antragsgegner in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, S. 2 unten/S. 3 oben) - setzt die Einstufung als Gaststätte gerade keinen Alkoholausschank voraus. Um Alkoholkonsum und Wetttätigkeit zu trennen, hätte es als milderes Mittel ausgereicht, Wettvermittlungsstellen in Gaststätten mit Alkoholausschank zu verbieten. Entsprechendes gilt für die Trennung zwischen Geldspielautomaten und Wetttätigkeit: hierzu hätte es als milderes Mittel ausgereicht, Wettvermittlungsstellen in Gaststätten, in denen sich Geldspielgeräte befinden, zu verbieten.
15 
Soweit der Gesetzgeber das Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG letztlich damit begründet, dass man sich in Wettvermittlungsstellen im Gegensatz zu Annahmestellen länger aufhalte, greift dieses Argument jedenfalls dann nicht ein, wenn sich die Annahmestelle in einer Gaststätte befindet, was nach § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG zulässig ist.
16 
Weiterhin bestehen Zweifel im Hinblick auf die Kohärenz des Systems zur Bekämpfung der Spielsucht im allgemeinen und im Hinblick auf das Verbot des Betriebs von Wettvermittlungsstellen (mit Sportwetten) in Gaststätten, da andere Bundesländer ein entsprechendes Trennungsgebot nicht kennen bzw. - in Schleswig-Holstein - ein weitergehendes Glücksspielangebot (durch Übergangsvorschriften aufgrund des späteren Beitritt zum GlüStV) haben.
17 
In der Rechtsprechung des EuGH ist noch nicht endgültig geklärt, wie es sich auswirkt, wenn Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielsektor nur in Teilen des Staatsgebiets gelten.
18 
Im Urteil „Carmen Media“ hat der EuGH zur föderalen Kompetenzverteilung ausgeführt:
19 
„Was den Umstand betrifft, dass die verschiedenen Glücksspiele zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fallen, ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 13. September 2001, Kommission/Spanien, C-417/99, Slg. 2001, I-6015, Randnr. 37).
20 
Dementsprechend müssen, auch wenn das Unionsrecht einer internen Zuständigkeitsverteilung, nach der für bestimmte Glücksspiele die Länder zuständig sind und für andere der Bund, nicht entgegensteht, in einem solchen Fall die Behörden des betreffenden Bundeslandes und die Bundesbehörden gleichwohl gemeinsam die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, nicht gegen Art. 49 EG zu verstoßen. Soweit die Beachtung dieser Bestimmung es erfordert, müssen diese verschiedenen Behörden dabei folglich die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten koordinieren.“
21 
Zu dieser Problematik hat der BGH dem EuGH mit Beschluss vom 24.01.2013 (- I ZR 171/10 -, Juris) folgende Fragen vorgelegt:
22 
„1. Stellt es eine inkohärente Beschränkung des Glücksspielsektors dar,
23 
- wenn einerseits in einem als Bundesstaat verfassten Mitgliedstaat die Veranstaltung und die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach dem in der überwiegenden Mehrheit der Bundesländer geltenden Recht grundsätzlich verboten ist und - ohne Rechtsanspruch - nur für Lotterien und Sportwetten ausnahmsweise erlaubt werden kann, um eine geeignete Alternative zum illegalen Glücksspielangebot bereitzustellen sowie dessen Entwicklung und Ausbreitung entgegenzuwirken,
24 
- wenn anderseits in einem Bundesland dieses Mitgliedstaats nach dem dort geltenden Recht unter näher bestimmten objektiven Voraussetzungen jedem Unionsbürger und jeder diesem gleichgestellten juristischen Person eine Genehmigung für den Vertrieb von Sportwetten im Internet erteilt werden muss und dadurch die Eignung der im übrigen Bundesgebiet geltenden Beschränkung des Glücksspielvertriebs im Internet zur Erreichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls beeinträchtigt werden kann?
25 
2. Kommt es für die Antwort auf die erste Frage darauf an, ob die abweichende Rechtslage in einem Bundesland die Eignung der in den anderen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls aufhebt oder erheblich beeinträchtigt?
26 
Falls die erste Frage bejaht wird:
27 
3. Wird die Inkohärenz dadurch beseitigt, dass das Bundesland mit der abweichenden Regelung die in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels übernimmt, auch wenn die bisherigen, großzügigeren Regelungen des Internetglücksspiels in diesem Bundesland hinsichtlich der dort bereits erteilten Konzessionen noch für eine mehrjährige Übergangszeit fortgelten, weil diese Genehmigungen nicht oder nur gegen für das Bundesland schwer tragbare Entschädigungszahlungen widerrufen werden könnten?
28 
4. Kommt es für die Antwort auf die dritte Frage darauf an, ob während der mehrjährigen Übergangszeit die Eignung der in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt wird?“
29 
Die Beantwortung dieser Fragen dürfte auch für den vorliegenden Rechtsstreit relevant sein. Das Verbot der Vermittlung von Sportwetten in Gaststätten (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG) existiert in anderen Bundesländern nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form. Insgesamt erlaubt die Regelung in Schleswig-Holstein ein wesentlich weitergehendes Glücksspiel- und auch Sportwettenangebot als das LGlüG, so dass sich - wie vom Bundesgerichtshof thematisiert - die Frage stellt, ob die Prüfung der normativen Ausgestaltung von Regelungen, die in die Dienstleistungsfreiheit eingreifen, und deren tatsächliche Anwendung am Maßstab des unionsrechtlichen Kohärenzerfordernisses bundeseinheitlich oder wegen der vom Grundgesetz gewährleisteten Eigenständigkeit der Länder (Art. 20 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3) länderspezifisch zu erfolgen hat (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 10.12.2012 - 6 S 3335/11 -, Juris, und vom 19.12.2012 - 6 S 17/12 -, der in beiden Fällen diese Frage im Eilverfahren offen gelassen hat).
30 
Dies betrifft sowohl die Prüfung der sog. Binnenkohärenz, d.h. die Frage, ob die normative Ausgestaltung und Praxis der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten konsequent an den überragend wichtigen Gemeinwohlzielen ausgerichtet ist, als auch die sog. intersektorale Kohärenz, d.h. die Frage, ob durch eine liberalere Politik in anderen Glücksspielsektoren (z.B. Geldspielautomaten) die mit den Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten verfolgten Gemeinwohlziele konterkariert werden (vgl. zu dieser Differenzierung BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 10.12 -, Juris, dort RdNrn. 31 ff.).
31 
Davon abgesehen ist hier auch problematisch, dass innerhalb von Baden-Württemberg eine Ungleichbehandlung zwischen Annahmestellen, die nur Sportwetten des staatlichen Anbieters vermitteln (vgl. § 13 Abs. 4 und § 20 Abs. 7 LGlüG), und sonstigen Anbietern von Sportwetten (Wettvermittlungsstellen im Sinne von § 20 LGlüG) stattfindet. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG ist die Vermittlung von Sportwetten privater Anbieter in Gaststätten ausnahmslos unzulässig. Dagegen unterliegen Annahmestellen nur den Einschränkungen des § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG, wonach sie u.a. nicht „in Räumlichkeiten einer Gaststätte, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, sowie in sonstigen Räumlichkeiten einer Gaststätte, in denen Geldspielgeräte aufgestellt werden“, betrieben werden dürfen.
32 
Die Formulierung „in Räumlichkeiten einer Gaststätte, …“ dürfte so zu verstehen sein, dass die einzelnen Räume einer Gaststätte getrennt in den Blick zu nehmen sind. Es dürfte nach dem Wortlaut des Gesetzes daher zulässig sein, in einem Raum einer Gaststätte Alkohol auszuschenken, in einem weiteren Raum eine Annahmestelle (mit der Möglichkeit von Sportwetten) zu betreiben und in einem dritten Raum Geldspielgeräte aufzustellen. Hätte man Annahmestellen in Gaststätten mit Alkoholausschank und Geldspielgeräten verbieten wollen, hätte die Formulierung nahe gelegen, Annahmestellen in Gaststätten mit Alkoholausschank oder in Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, zu verbieten.
33 
Jedenfalls besteht eine Ungleichbehandlung der Anbieter von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen bereits darin, dass diese auch in Gaststätten, in denen gar kein Alkohol ausgeschenkt wird, keine Sportwetten vermitteln dürfen, während dies den Annahmestellen innerhalb von Gaststätten ohne Alkoholausschank erlaubt ist. Auch wenn in den Annahmestellen anders als in Wettvermittlungsstellen keine Live-Wetten zulässig sind (§ 20 Abs. 7 Satz 2 LGlüG), wirft die dargestellte Ungleichbehandlung die Frage des kohärenten Vorgehens gegen die Gefahren des Glücksspiels auf. Wäre allein das erhöhte Gefahrenpotential von Live-Wetten der Grund für eine weitergehende Beschränkung bei Wettvermittlungsstellen im Vergleich zu Annahmestellen, hätte es ausgereicht, lediglich die Durchführung von Live-Wetten in Räumlichkeiten einer Gaststätte, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, sowie in sonstigen Räumlichkeiten einer Gaststätte, in denen Geldspielgeräte aufgestellt werden, zu verbieten.
34 
Auch diesbezüglich stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) und der Kohärenz der streitgegenständlichen Regelung. Zusätzlich stellt sich aber auch die Frage, ob hierdurch eine unzulässige mittelbare Diskriminierung ausländischer Anbieter vorgenommen wird (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 06.03.2007, Rs. C-338/04 u.a. [Placanica], RdNr. 49). Denn die Erleichterungen des § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG können nur den staatlichen (deutschen) Anbietern im Sinne des § 10 Abs. 2 GlüStV zugutekommen (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 2 LGlüG), während das weitergehende Verbot des § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG alle ausländischen Anbieter von Sportwetten (aber daneben auch die deutschen Wettvermittlungsstellen und Sportwettenanbieter) betrifft.
35 
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das System der Bekämpfung von Spielsucht kohärent ist, wenn einerseits Sportwetten in Gaststätten grundsätzlich verboten sind (mit der bezeichneten Ausnahme des § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG), andererseits aber Geldspielautomaten dort trotz deren höheren Suchtpotentials betrieben werden dürfen, und zwar gerade auch in Gaststätten mit Alkoholausschank. Diesbezüglich bedarf es ggf. der tatsächlichen Überprüfung, ob durch die Regelungen bezüglich der Geldspielautomaten die mit der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten verfolgten Ziele konterkariert werden (sog. intersektorale Kohärenz, vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 10.12 -, Juris, dort RdNrn. 32 und 52).
36 
Diese schwierigen rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind keiner abschließenden Klärung im Eilverfahren zugänglich. Vor diesem Hintergrund führt das Gericht eine Interessenabwägung durch, die hier zugunsten der Antragstellerin ausfällt. Denn wenn der Gesetzgeber es nach § 13 Abs. 3 Nr. 4 LGlüG für hinnehmbar hält, dass sich Annahmestellen, in denen (auch) Sportwetten vermittelt werden, in Gaststätten befinden dürfen, und zwar (wohl) auch dann, wenn in getrennten Räumlichkeiten innerhalb der Gaststätte sowohl Alkohol ausgeschenkt wird als auch - wiederum in anderen Räumlichkeiten - Geldspielgeräte aufgestellt werden, besteht aus Sicht der Kammer kein dringendes Bedürfnis dafür, aus Gründen der Suchtprävention und -bekämpfung der Antragstellerin bereits vor der Entscheidung in der Hauptsache die Vermittlung von Sportwetten in ihrer Gaststätte zu untersagen, zumal das Verbot der Vermittlung von Sportwetten für die Antragstellerin nicht nur eine Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV, sondern auch einen schwer wiegenden Eingriff in ihre Berufs(ausübungs)freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin - soweit der Kammer bekannt ist - ihr Gewerbe einschließlich der Vermittlung von Sportwetten in der Vergangenheit mehrere Jahre lang beanstandungsfrei ausgeübt hat (zu diesem Gesichtspunkt vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.2012 - 6 S 3335/11 -, Juris). Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch lässt es sich den Behördenakten entnehmen.
37 
Die Kammer hat auch erwogen, ob eine Stattgabe nur unter der Maßgabe erfolgen könnte, dass in dem Raum innerhalb der Gaststätte der Antragstellerin, in dem Sportwetten vermittelt werden, kein Alkohol ausgeschenkt und keine Geldspielgeräte aufgestellt werden dürften, und dass der Antragstellerin die Vermittlung von Live-Wetten untersagt würde (wobei unklar ist, ob solche derzeit durchgeführt werden). Damit wäre sichergestellt, dass die Antragstellerin nicht mehr dürfte als eine Annahmestelle nach § 13 LGlüG. Von derartigen Auflagen auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO sieht die Kammer jedoch bewusst ab, weil im Falle der Europarechtswidrigkeit des Trennungsgebots des § 20 Abs. 1 Nr. 5 LGlüG das gesamte diesbezügliche Regelungssystem der §§ 13 und 20 LGlüG europarechtswidrig sein dürfte und daher keine Anwendung finden könnte.
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Er orientiert sich am Mindestbetrag für die Untersagung eines ausgeübten Gewerbes nach Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (alte und neue Fassung); dieser ist im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens zu halbieren.

(1) Ein Spielgerät, bei dem der Gewinn in Geld besteht (Geldspielgerät), darf nur aufgestellt werden in

1.
Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, oder in Beherbergungsbetrieben,
2.
Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen oder
3.
Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher nach § 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes, es sei denn, in der Wettannahmestelle werden Sportwetten vermittelt.

(2) Ein Geldspielgerät darf nicht aufgestellt werden in

1.
Betrieben auf Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen, Jahrmärkten oder Spezialmärkten,
2.
Trinkhallen, Speiseeiswirtschaften, Milchstuben, Betrieben, in denen die Verabreichung von Speisen oder Getränken nur eine untergeordnete Rollespielt,
3.
Schank- oder Speisewirtschaften oder Beherbergungsbetrieben, die sich auf Sportplätzen, in Sporthallen, Tanzschulen, Badeanstalten, Sport- oder Jugendheimen oder Jugendherbergen befinden, oder in anderen Schank- oder Speisewirtschaften oder Beherbergungsbetrieben, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden oder
4.
Betriebsformen, die unter Betriebe im Sinne von § 2 Absatz 2 des Gaststättengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, fallen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ordnungsverfügung, mit der ihr die Vermittlung von Sportwetten an einen privaten Wettanbieter untersagt worden war.

2

In ihrer früheren Betriebsstätte in der H...straße ... in M. vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. ... Ltd. (I... Ltd.) mit Sitz in Gibraltar, die ebenso wie die Klägerin nicht über eine im Inland erteilte Erlaubnis verfügte. Mit sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung vom 18. April 2006 untersagte die Beklagte der Klägerin diese Tätigkeit und gab ihr auf, den Betrieb bis zum 30. April 2006 einzustellen. Zugleich drohte sie ihr unmittelbaren Zwang an. Die Beklagte stützte die Untersagung auf § 14 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NW) i.V.m. § 284 StGB und führte aus, die erforderliche Erlaubnis könne wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nicht erteilt werden. Ein Eilantrag der Klägerin blieb erfolglos. Um Zwangsmaßnahmen abzuwenden, stellte sie die Wettannahme am 6. Juli 2006 ein und schloss die Betriebsstätte am 12. Juli 2006. Ihren Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung wies die Bezirksregierung D... mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 zurück. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. November 2007 abgewiesen. Eine Klage auf Entschädigung und Schadensersatz wies das Landgericht Mönchengladbach mit Urteil vom 4. Dezember 2007 ebenfalls ab. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürften die Ordnungsbehörden die Monopolregelung trotz deren Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit während einer Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 weiter anwenden. Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde wegen des vorliegenden Verfahrens ausgesetzt.

3

Während des Berufungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht hat die Klägerin am 27. August 2010 ihr Ladenlokal nach Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. September 2010 geräumt. Anschließend hat sie ihre Klage - sinngemäß - auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für die Zeit vom 18. April 2006 bis zum 27. August 2010 umgestellt.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung stattgegeben und festgestellt, die Ordnungsverfügung vom 18. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 sei im gesamten von der Klage erfassten Zeitraum rechtswidrig gewesen. Der angegriffene Bescheid habe sich mit der Aufgabe der Betriebsstätte am 27. August 2010 endgültig erledigt. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung folge aus ihrem Präjudizinteresse im Hinblick auf den anhängigen Staatshaftungsprozess. Im Zeitpunkt der Erledigung sowie im vorhergehenden Zeitraum seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages (Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 31. Juli 2007 - GlüStV , GV NRW S. 454) und seiner Umsetzung in Nordrhein-Westfalen zum 1. Januar 2008 (Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007, GV NRW S. 445) sei die Untersagung der Sportwettenvermittlung ermessensfehlerhaft gewesen. Die Beklagte sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand der Untersagungsermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV wegen Fehlens der nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderlichen Erlaubnis erfüllt gewesen sei. Die Beklagte habe aber ihr Ermessen, die unerlaubte Vermittlung zu untersagen, fehlerhaft ausgeübt. Sie habe zu Unrecht angenommen, die für die Vermittlung erforderliche Erlaubnis könne schon wegen des Sportwettenmonopols nicht erteilt werden. Die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV sei unanwendbar, weil sie die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletze. Zwar verfolge sie mit der Suchtbekämpfung und dem Jugend- und Spielerschutz unionsrechtlich legitime Ziele. Sie sei aber unverhältnismäßig, weil sie inkohärent und daher ungeeignet sei, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten. Das ergebe sich schon aus der unzulässigen Werbepraxis, die systematisch zum Wetten anreize und ermuntere. Aus unionsrechtlicher Sicht seien dabei auch die nordrhein-westfälische Lotto-Werbung und die im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung anderer Monopolträger im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Systematisch unzulässige Werbung werde vor allem mit den Jackpot-Werbekampagnen betrieben. Auch die Hinweise auf eine gemeinnützige Verwendung eines Teils der Wetteinsätze ("Lotto-Hilft"-Kampagnen) gingen regelmäßig über eine zulässige Kanalisierung vorhandener Wettleidenschaften hinaus. Ebenso entfalteten Pressemitteilungen über glückliche Lottomillionäre, die Art und Weise der öffentlichen Ermittlung von Gewinnzahlen vor laufenden Fernsehkameras sowie die Präsentation der Lotto-Glücksspirale vor der Hauptausgabe der Tagesschau mit der Werbung für eine Sofortrente in Höhe von 7 500 € unzulässige Anreizwirkung. In der Vergangenheit hätten die Monopolanbieter solche Formen unzulässiger Werbung noch extensiver betrieben. Unabhängig davon führe auch die den Monopolzielen zuwiderlaufende Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zur Inkohärenz. Dieser Bereich sei der wirtschaftlich bedeutendste Glücksspielsektor und weise das höchste Suchtpotenzial auf. Dennoch werde dort seit der 5. Novellierung der Spielverordnung (Fünfte Verordnung zur Änderung der Spielverordnung vom 17. Dezember 2005, BGBl I S. 3495; vgl. die Bekanntmachung der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit vom 27. Januar 2006, BGBl I S. 280) eine den Zielen der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes widersprechende Expansionspolitik verfolgt. Die Neufassung der Spielverordnung und deren Umsetzung in der Praxis hätten zu einer erheblichen Ausweitung der Spielgelegenheiten, zu einer zunehmenden Anonymisierung und zur Senkung der Hemmschwellen geführt, ohne dass dies durch spielerschützende Maßnahmen ausreichend ausgeglichen worden wäre. Daraus habe sich ein beträchtliches Umsatzwachstum ergeben, das in erheblichem Maß zulasten der Suchtgefährdeten gehe. Präventive Bemühungen blieben weitgehend wirkungslos. Ob die Monopolregelung zumindest in ihrem Teilsegment und damit teilweise geeignet sei, die Monopolziele zu verwirklichen, könne dahinstehen. Bei einem so widersprüchlichen Schutzkonzept komme es darauf nicht an. Eine Folgenabschätzung im Sinne der Ermittlung von Abwanderungsbewegungen aus dem Monopolbereich in den Automatensektor sei ebenfalls entbehrlich. Selbst wenn sie erforderlich sein sollte, ließen die vorliegenden Untersuchungen zumindest erkennen, dass mögliche Folgewirkungen der Liberalisierung des gewerblichen Automatenspiels auch und gerade den Markt der Sportwetten beträfen und dass dessen Umsatzeinbuße hinsichtlich der problematischen Spielerklientel zulasten einer wachsenden Abwanderung in den "illegalen" Anbieterbereich und das zunehmend expandierende Segment der gewerblichen Geldspielautomaten gehe. Dies bestätige, dass sich Spielsucht nur als solche, also auf den gesamten Glücksspielmarkt bezogen, bekämpfen lasse. Verfassungsrecht stehe der nach dem Unionsrecht erforderlichen kompetenz- und länderübergreifenden Betrachtung nicht entgegen. Der Ermessensfehler der angegriffenen Untersagungsverfügung sei weder unbeachtlich, noch könne er im vorliegenden Verfahren geheilt werden. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt sei zwar wirksam und anwendbar. Er rechtfertige eine vollständige Untersagung aber nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit. Die Erledigung der Untersagungsverfügung und das Verbot eines nachträglichen Austauschs der Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO schlössen eine Heilung des Ermessensfehlers aus.

5

Im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 sei die Untersagungsverfügung ebenfalls rechtswidrig gewesen. Das Sportwettenmonopol habe schon nach der damaligen Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag (Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 GV NRW S. 315) die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzt. Das ergebe sich aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den parallelen verfassungsrechtlichen Anforderungen in Bezug auf das bayerische Sportwettenmonopol. Sie seien auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen übertragbar. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar eine übergangsweise Anwendung der Monopolregelung bis Ende 2007 zugelassen. Das schließe den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang jedoch nicht aus. Eine unionsrechtliche Übergangsregelung fehle.

6

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, das Berufungsgericht sei verfahrensfehlerhaft von einer Erledigung der Untersagung am 27. August 2010 ausgegangen und habe zu Unrecht ein Präjudizinteresse bejaht. Eine Haftung nach §§ 39 ff. OBG NW scheide offensichtlich aus, da sie auf Fälle des enteignungsgleichen Eingriffs beschränkt sei und kein ersatzfähiger Schaden vorliege. Das Sportwettenmonopol entspreche dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis. Das gelte sowohl in Bezug auf die Werbung als auch hinsichtlich der Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels. Das Berufungsurteil fasse den Werbebegriff zu eng. Seine Auffassung, die Monopolwerbung dürfe nur die Nachfrage der bereits zum Glücksspiel Entschlossenen kanalisieren, treffe nicht zu. Wegen des Bundesstaatsprinzips und der Gesetzgebungsautonomie der Länder komme es nur auf die Regelung und die Umsetzung des Monopols im jeweiligen Bundesland an. Aus objektiven Umsetzungsdefiziten könne wegen des Rechtsstaatsgebots keine subjektiv-rechtliche Begünstigung der Betroffenen hergeleitet werden. In tatsächlicher Hinsicht habe das Berufungsgericht die Werbepraxis nicht genügend aufgeklärt und die herangezogenen Werbebeispiele mangels ausreichender Sachkunde unzutreffend gewürdigt. Insoweit sei auch der Überzeugungsgrundsatz verletzt. Darüber hinaus habe es das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör missachtet, weil es erst kurz vor der Berufungsverhandlung - überdies unvollständig - auf die später im Urteil zitierten Veröffentlichungen hingewiesen habe. Mit den Beteiligten habe es auch nicht erörtert, dass es von einem bundesweit unzulässigen Werbeverhalten, insbesondere durch die bisher allseits gebilligte Fernsehwerbung, ausgehe. Damit habe es der Beklagten die Möglichkeit genommen, zu dieser Einschätzung Stellung zu nehmen und vorzuschlagen, zur Beurteilung der Anreizwirkung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ferner gehe das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft davon aus, das gewerbliche Automatenspiel habe ein höheres Suchtpotenzial als die Sportwetten und sei von einer Expansionspolitik geprägt, die den Monopolzielen zuwiderlaufe. Selbst wenn seine Tatsachenfeststellungen zuträfen, folge daraus noch keine Inkohärenz des Monopols. Vielmehr sei eine Folgenbetrachtung erforderlich, die klären müsse, ob die Auswirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik auf den Monopolbereich die Wirksamkeit und damit die Eignung des Monopols zur Zielverwirklichung aufhöben. Daran fehle es hier. Das Berufungsgericht habe die Monopolregelung nach dem Rechtsstaatsgebot auch nicht ohne eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG für obsolet halten dürfen. Es habe ferner zu Unrecht eine Ermessensreduzierung auf Null verneint. Die Online-Übermittlung von Wettdaten verstoße gegen das Internetverbot. Das Berufungsgericht habe auch die Rechtsfigur des intendierten Ermessens verkannt. Jedenfalls sei die Untersagungsverfügung rechtmäßig, weil die Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts unionsrechtlich zulässig sei und die Erlaubnisvoraussetzungen zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten. § 114 Satz 2 VwGO schließe ein Nachschieben von Ermessenserwägungen bei Dauerverwaltungsakten nicht aus. Das Oberverwaltungsgericht hätte deshalb die mit Schriftsatz vom 19. (richtig: 21.) September 2011 (Bl. 324 <332 ff.>) ergänzten Ermessenserwägungen bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. September 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zurückzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig, aber nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht begründet, weil das angegriffene Urteil nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Es hat die Fortsetzungsfeststellungsklage zu Recht für zulässig gehalten und die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung revisionsrechtlich fehlerfrei damit begründet, dass diese maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol gestützt wurde, obwohl die Monopolregelung unionsrechtswidrig und damit unanwendbar war, weil sie dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis schon wegen der systematisch zum Glücksspiel anreizenden Werbepraxis der Monopolträger nicht genügte. Soweit das Berufungsurteil eine Inkohärenz nicht nur wegen der Ausgestaltung des Monopolsektors, sondern unabhängig davon auch wegen einer der Suchtbekämpfung zuwiderlaufenden Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels bejaht, wendet es das Kohärenzerfordernis zwar teilweise unzutreffend an. Es beruht aber nicht auf diesem Fehler, weil es unabhängig davon selbstständig von der zuvor dargestellten Hauptbegründung getragen wird.

11

1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin ist nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

12

a) Die Statthaftigkeit der Klage ergibt sich daraus, dass die angegriffene Untersagungsverfügung sich seit ihrem Erlass fortlaufend und - erst - mit der Räumung der Betriebsstätte durch die Klägerin am 27. August 2010 endgültig erledigt hat.

13

Eine glücksspielrechtliche Untersagung erledigt sich von Tag zu Tag für die jeweils verstrichene Zeit und damit fortlaufend, wenn sie nicht für den abgelaufenen Zeitraum gegenwärtig noch nachteilige Rechtswirkungen für den Betroffenen entfaltet (vgl. Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 15 und vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - juris Rn. 18, Beschluss vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510 Rn. 13). Als Verhaltensanordnung wird das Verbot durch Zeitablauf gegenstandslos, da es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Allerdings entfaltet die Untersagung weiterhin Rechtswirkungen für den vergangenen Zeitraum, wenn sie die Rechtsgrundlage einer noch rückgängig zu machenden Verwaltungsvollstreckung bildet. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

14

Eine endgültige Erledigung der Untersagung - nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft - ist mit der endgültigen Aufgabe der Betriebsstätte der Klägerin am 27. August 2010 eingetreten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Erledigung nicht schon früher zu datieren. Nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der angegriffenen Verfügung durch das Oberverwaltungsgericht handelte es sich um eine betriebsstättenbezogene Untersagung. Sie erledigt sich endgültig erst, wenn die Betriebsstätte endgültig aufgegeben wird (Urteil vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 = juris Rn. 22). Nach den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts geschah dies erst nach der Kündigung des Mietvertrages der Klägerin mit der Räumung des Wettlokals und nicht schon zuvor mit dessen Untervermietung, weil die Klägerin sich dabei ein vertragliches Zugriffsrecht vorbehalten hatte.

15

Diese Feststellungen binden die revisionsgerichtliche Beurteilung nach § 137 Abs. 2 VwGO, da sie nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wurden. Die Rüge, die Pflicht zur Amtsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO sei verletzt, greift nicht durch. Ohne einen entsprechenden Beweisantrag der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Beklagten musste es sich dem Oberverwaltungsgericht nicht aufdrängen, weitere Ermittlungen zur Vereinbarung eines Zugriffsrechts im Untermietvertrag anzustellen. Der Vortrag der Klägerin dazu blieb nach der Sitzungsniederschrift der Berufungsverhandlung unbestritten. Gegenteiliges ergab sich insbesondere nicht aus den Angaben des Stadtamtmanns W. Seine Mitteilung, nach Erlass der angegriffenen Ordnungsverfügung sei es noch vor 2008 und später noch ein weiteres Mal zu einer Neueröffnung des Wettbüros durch andere Gewerbetreibende gekommen, schließt eine Untervermietung nicht aus und widerspricht nicht dem Vorbringen der Klägerin zu deren Ausgestaltung. Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 VwGO ist nicht substantiiert nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gerügt. Der Einwand der Beklagten, die Stellungnahmen in der Berufungsverhandlung rechtfertigten nicht die vom Berufungsgericht gezogenen Schlussfolgerungen, genügt dazu nicht. Ein Tatsachengericht verstößt nicht schon dann gegen die Denkgesetze, wenn es nach der Auffassung eines Beteiligten unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat. Es muss sich vielmehr um eine Schlussfolgerung handeln, die aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann und deshalb willkürlich ist (stRspr, Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 und vom 6. März 2008 - BVerwG 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall.

16

b) Das Berufungsgericht hat auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung fehlerfrei bejaht.

17

Ein Präjudizinteresse liegt vor, wenn die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen im hier bereits anhängigen Zivilprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs genügt nicht.

18

Offenbleiben kann, ob ein - verschuldensabhängiger - Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch in Betracht kommt. Jedenfalls ist das Bestehen eines Haftungsanspruchs nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen. Dabei muss nicht geklärt werden, ob die Anwendung der im Zivilprozess revisiblen Vorschrift (§§ 545, 560 ZPO) auch im Verwaltungsprozess revisionsgerichtlich überprüft werden darf oder ob dies wegen § 137 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. Beschlüsse vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 22 und - BVerwG 8 B 62.12 - juris Rn. 17). Selbst wenn eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Auslegung der Vorschrift zulässig sein sollte, wären deren Voraussetzungen hier nicht offensichtlich und ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung zu verneinen.

19

§ 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW begründet einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch für Schäden, die jemandem durch eine rechtswidrige Maßnahme der Ordnungsbehörden entstanden sind. Bei Erlass der Untersagungsverfügung handelte die Beklagte nach § 14 Abs. 1 OBG NW als Ordnungsbehörde.

20

Ob eine Haftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW ausgeschlossen ist, weil die Norm nur die Haftung für enteignungsgleiche Eingriffe regeln soll und damit keine Entschädigung für legislatives Unrecht einschließlich der Anwendung rechtswidriger Normen (sog. Beruhensfälle) gewährt, muss gegebenenfalls im zivilgerichtlichen Staatshaftungsprozess geklärt werden. Von einer solchen Anspruchsbegrenzung kann nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit ausgegangen werden. Allerdings geben die Gesetzesmaterialien deutliche Hinweise für eine entsprechende Beschränkung. So wurde die vom Ausschuss für Innere Verwaltung vorgeschlagene Ausweitung der Haftung auf die Schädigung von Personen, die als Störer in Anspruch genommen wurden (Beschlussvorschlag des Ausschusses vom 11. Oktober 1955, LTDrucks 3/243), im Landtagsplenum dahin erläutert, dass in Anlehnung an das in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Institut des enteignungsgleichen Eingriffs eine Haftung auch für rechtswidrig-schuldlose Verwaltungsmaßnahmen eingeführt werden solle (vgl. das Protokoll der 2. Lesung des Entwurfs des Ordnungsbehördengesetzes, LT-Protokolle 3. Wahlperiode Bd. 1 S. 822 <825, 827 f. und 837 unter C und D>). Auch die Ablehnung eines Antrags der Fraktion des Zentrums, den Haftungsumfang auf entgangenen Gewinn zu erstrecken (LTDrucks 3/273 S. 3 zu § 48), und die Ablehnung einer Haftung für immaterielle Schäden wurden auf die richterrechtlich konkretisierten Anforderungen aus Art. 14 GG zurückgeführt (LT-Protokolle a.a.O. S. 827 f. und 837 unter C und D). Die Systematik des § 39 Abs. 1 OBG NW vollzieht ebenfalls den Erst-recht-Schluss von der Staatshaftung für rechtmäßige enteignende Eingriffe auf die Haftung für enteignungsgleiche Eingriffe nach (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 664 f.). Allerdings hat der Bundesgerichtshof erst nach Erlass des § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW entschieden, dass die Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff sich nicht auf legislatives Unrecht einschließlich der Beruhensfälle erstreckt (vgl. BGH, Urteile vom 12. März 1987 - III ZR 216/85 - BGHZ 100, 136 <145 ff.> und vom 27. Januar 1994 - III ZR 42/92 - BGHZ 125, 27 <38>). Dies ändert aber nichts daran, dass die Haftungsbegrenzung im Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs bereits angelegt war. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch nicht evident, dass ein Beruhensfall - wie die Klägerin meint - nur bei gebundenen Entscheidungen vorliegen könnte. Bislang gibt es dazu nur vereinzelt zivilgerichtliche Rechtsprechung (OLG Köln, Urteil vom 3. Mai 2012 - 7 U 194/11 - juris Rn. 30 f.); eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus.

21

Ein Ersatzanspruch nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW ist auch nicht schon offensichtlich zu verneinen, weil die etwaige Rechtsverletzung nicht kausal für den geltend gemachten Schaden wäre. Die landesrechtliche Regelung verhält sich nicht zu den Anforderungen, die an die Schadensverursachung zu stellen sind. Auch insoweit fehlt eine gefestigte zivilgerichtliche Konkretisierung. Zwar mag naheliegen, die für revisible Haftungsnormen entwickelten Anforderungen an die Kausalität bei Ermessensakten auch auf die landesrechtliche Haftungsregelung des Polizei- und Ordnungsrechts zu übertragen und die Ursächlichkeit zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, 13. Aufl. 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178). Offensichtlich ist eine solche Parallelität aber nicht. Insbesondere steht es dem Landesgesetzgeber frei, die Haftung großzügiger zu regeln. Ob dies hier geschehen ist, bedarf gegebenenfalls einer näheren Prüfung im anhängigen Staatshaftungsverfahren.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein ersatzfähiger Schaden ebenfalls nicht offensichtlich zu verneinen. Auf die Frage, ob eigentumsfähige Positionen betroffen sind, kommt es nur bei einer entsprechenden, hier gerade nicht offensichtlichen Beschränkung der Haftung an. Ob Vermögenseinbußen wegen rechtlicher Missbilligung der untersagten Tätigkeit nicht ersatzfähig sind, lässt sich nur auf der Grundlage einer ins Einzelne gehenden verfassungs- und unionsrechtlichen Prüfung der die Tätigkeit beschränkenden oder missbilligenden Vorschriften beantworten, so dass auch insoweit keine Offensichtlichkeit vorliegt.

23

Mangels entsprechenden substantiierten Vorbringens der Beteiligten gibt es schließlich keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte seinerzeit durch eine kommunalaufsichtliche Weisung oder einen ministeriellen Erlass zum Erlass der hier angegriffenen Verfügung verpflichtet gewesen und ihre Passivlegitimation im Staatshaftungsprozess schon deshalb zu verneinen wäre.

24

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die angegriffene Untersagungsverfügung sei im Zeitpunkt ihrer Erledigung sowie im gesamten vorherigen Zeitraum seit ihrem Erlass rechtswidrig gewesen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

25

Für die materiell-rechtliche Beurteilung ist die Rechtslage in der Zeit vom Erlass der angegriffenen Verfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung am 27. August 2010 maßgeblich. Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist die glücksspielrechtliche Untersagung während ihres Wirkungszeitraums an der jeweils aktuellen Rechtslage zu messen. Da die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen des § 14 OBG NW und des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV (a.F.) nicht zum revisiblen Recht gehören (§ 137 Abs. 1 VwGO), hat das Revisionsgericht von der berufungsgerichtlichen Auslegung und Anwendung beider Vorschriften auszugehen und nach § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO nur zu prüfen, ob diese revisibles Recht verletzt.

26

Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV hat das Berufungsgericht für den Zeitraum seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages zum 1. Januar 2008 revisionsrechtlich fehlerfrei bejaht. Weder die Klägerin noch das Wettunternehmen, an das sie Sportwetten vermittelte, verfügten über die jeweils nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis. Mangels europarechtlicher Harmonisierung musste die Beklagte die dem Wettunternehmen im EU-Ausland erteilte Konzession nicht als solche Erlaubnis anerkennen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 112). Das damit eröffnete Untersagungsermessen hat die Beklagte jedoch gemäß § 40 VwVfG NW fehlerhaft ausgeübt (a). Eine Ermessensausübung war nicht etwa entbehrlich, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert und diese zu einer Untersagung verpflichtet gewesen wäre (b). Die Beklagte hat die Defizite ihrer Ermessenserwägungen auch nicht nachträglich geheilt (c). Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages gilt nichts anderes. Insoweit kann offenbleiben, ob die Tätigkeit der Klägerin die öffentliche Sicherheit gemäß § 14 OBG NW gefährdete, weil sie den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 i.V.m. § 27 StGB erfüllte. Jedenfalls war die Ermessensentscheidung für den Erlass der Untersagung nach § 14 OBG NW ebenso fehlerhaft wie deren Aufrechterhalten unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrages (d).

27

a) Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung im angegriffenen Bescheid maßgeblich damit begründet, dass eine Erlaubnis wegen des staatlichen Sportwettenmonopols (vgl. § 5 Abs. 2 und 4 LoStV, § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) weder der Klägerin noch dem privaten Wettunternehmen, an das sie Sportwetten vermittelte, erteilt werden könne. Das Berufungsgericht hat diese Ermessensausübung zutreffend für rechtswidrig gehalten. Die Beklagte hätte die Monopolregelung nicht anwenden dürfen, weil diese die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig beschränkte. Wie das Oberverwaltungsgericht ausführt, ergab sich schon aus den systematischen Verstößen der Monopolträger gegen die Grenzen zulässiger Werbung, dass das staatliche Sportwettenmonopol nicht den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen genügte.

28

aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungs- wie der Dienstleistungsfreiheit ist eröffnet, da die Klägerin nach deutschem Recht gegründet wurde und ihren Sitz im Inland hat. Ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, ABl C 115, 47) einschlägig ist oder - sofern das Wettbüro der Klägerin nicht als inländische Präsenz des Wettunternehmers anzusehen war - subsidiär die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 und 3 AEUV eingreift, kann offenbleiben. Die Monopolregelung beschränkt beide Freiheiten. In ihrem räumlichen, inländischen Geltungsbereich schließt sie das Veranstalten von Wetten durch andere als den Monopolträger aus. Darüber hinaus lässt sie eine Wettvermittlung an andere Wettunternehmen als den Monopolanbieter nicht zu. Die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung sind ebenfalls für beide Grundfreiheiten deckungsgleich. Die Beschränkung muss das Diskriminierungsverbot beachten sowie nach Art. 51 f. i.V.m. Art. 62 AEUV oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten. Außerdem darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 62).

29

Für die Rechtfertigung glücksspielrechtlicher Monopolregelungen stellt der Gerichtshof der Europäischen Union in ständiger Rechtsprechung auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ab, zu denen die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gehören (EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01, Gambelli u.a. - Slg. 2003, I-13031 Rn. 60, 64, vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 45, vom 8. September 2009 - Rs. C-42/07, Liga Portuguesa de Futebol Profissional - NJW 2009, 3221 Rn. 56 und vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 45). Dies schließt die in § 1 GlüStV genannten Ziele der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes ein (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 79).

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Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung des Glücksspielbereichs steht den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele ein weiter Gestaltungsspielraum ("ausreichendes Ermessen") zu. Sie dürfen ihre Glücksspielpolitik ihrer eigenen Wertordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen sind allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen. Dabei ist jede beschränkende Regelung gesondert zu prüfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 a.a.O. Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 46 m.w.N). Eine Monopolregelung, die auf die Bekämpfung der Spielsucht und den Spielerschutz als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt wird, ist nur verhältnismäßig, wenn sie ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt (vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2003 a.a.O. Rn. 67, vom 3. Juni 2010 - Rs. C-258/08, Ladbrokes u.a. - Slg. 2010, I-4757 Rn. 21 sowie vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 64 und - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 98; BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 77 und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 45).

31

Das Kohärenzgebot präzisiert die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Regelung in zweifacher Hinsicht. Zum einen verlangt es, dass der Mitgliedstaat die unionsrechtlich legitimen Ziele im Anwendungsbereich der Monopolregelung tatsächlich verfolgt. Er darf nicht scheinheilig legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können (EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98, Zenatti - Slg. 1999, I-7289 Rn. 35 ff., vom 6. November 2003 a.a.O. Rn. 67 ff. und vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 88 ff. sowie - Carmen Media - a.a.O. Rn. 55, 64 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45). Diese Anforderung bezieht sich allein auf den Monopolsektor und gebietet, die normative Ausgestaltung und die praktische Handhabung des Monopols konsequent an den unionsrechtlich legitimen Zielen auszurichten (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 83 und 98 f.). Sie lässt sich deshalb als Erfordernis der Binnenkohärenz umschreiben und trifft sich mit dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer normativen Ausgestaltung und Praxis, die konsequent an den überragend wichtigen Gemeinwohlzielen des Monopols ausgerichtet ist (dazu vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309 ff.>; BVerwG, Urteil vom 24. November a.a.O. Rn. 32).

32

Die zweite aus dem Kohärenzgebot abgeleitete Anforderung greift dagegen über den Monopolsektor hinaus und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung eines mit ihr (tatsächlich) verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielbereichen beeinträchtigt werden kann. Die Monopolregelung darf deshalb nicht durch die mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden. Damit verlangt das Kohärenzgebot weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 95 f. und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 62 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 m.w.N.). Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und mehrere Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie gehört (vgl. Art. 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG). Doch führt es zur Inkohärenz der Monopolregelung, wenn die zuständigen Behörden in einem anderen Glücksspielbereich eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik betreiben oder dulden und dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 106 und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f.). Davon ist bei einem zur Spielsuchtbekämpfung geschaffenen Monopol auszugehen, wenn in anderen Glücksspielsektoren mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial - auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 69 f.) - Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die - sektorenübergreifend - zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 jeweils a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 82, vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 und vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 43).

33

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat die erste, die Binnenkohärenz betreffende Anforderung des Kohärenzgebots in Bezug auf die Grenzen zulässiger Werbung für das Monopolangebot zutreffend konkretisiert und ist revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV (a.F.) wegen systematischer Missachtung dieser Grenzen durch die Monopolträger dem Kohärenzgebot nicht genügt.

34

(1) Dem unionsrechtlich legitimen Ziel der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes entspricht nur eine Werbung, die maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum legalen Glücksspielangebot hinzulenken (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103). Dies kann das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken implizieren (vgl. EuGH, Urteil vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 55). Eine solche Werbung darf aber nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden. Unzulässig ist es auch, die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen. Die Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Aktivitäten darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, aber nicht der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 104). Soweit die Behörden eines Mitgliedstaates den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, können sie sich zur Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen nicht auf die öffentliche Sozialordnung und die aus ihr folgende Notwendigkeit berufen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 66).

35

Entgegen der Auffassung der Revision liegt in der Übernahme und Anwendung dieser Grundsätze durch das Berufungsurteil keine unzulässige Verengung des Werbebegriffs, wie er sich aus § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV oder anderen mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften ergibt. Die dargelegten Grundsätze schränken nicht den Begriff der Werbung ein, sondern nur den Rahmen, in dem Werbung für das Monopolangebot unionsrechtlich zulässig ist. Der Rahmen wird auch nicht so eng gezogen, dass die noch zulässigen Maßnahmen nicht mehr als Werbung im Wortsinne zu bezeichnen wären. Der Begriff wird durch jeden an das Publikum gerichteten Hinweis eines Anbieters auf ein eigenes entgeltliches Angebot erfüllt (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 50). Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts lassen sich gegen dessen Werbebeschränkungen auch keine großzügigeren mitgliedstaatlichen Vorschriften anführen. Vielmehr ist § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV, soweit er ausdrücklich den gezielten Anreiz zum Wetten verbietet, im Hinblick auf Art. 49 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1 AEUV unionsrechtskonform auszulegen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind dagegen - auch unabhängig von der Reichweite des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts - nicht geltend zu machen. Vielmehr stimmen die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung, die sich aus Art. 12 GG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgebot ergeben und denen durch verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV Rechnung zu tragen ist, mit den unionsrechtlichen Anforderungen im Wesentlichen überein. Verfassungsrechtlich hat die Werbung für das Monopolangebot sich konsequent am Ziel der Begrenzung der Spielsucht auszurichten und auf eine sachliche Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum legalen Wetten zu beschränken. Sie darf nicht zum Wetten auffordern, anreizen oder ermuntern (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 318; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 34, 46 ff.). Entscheidend dafür ist nicht die Intention, sondern der nach dem Horizont des durchschnittlichen Empfängers zu bestimmende Aussagegehalt (Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 48 f.). Insbesondere darf die Teilnahme an Wetten nicht als sozialadäquate oder gar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt werden. Das schließt auch eine Werbung mit dem Hinweis auf die gemeinnützige Verwendung der Einnahmen aus (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 316 ff.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 52).

36

Die Grenzen zulässiger Werbung müssen auch nicht wegen des unions- wie verfassungsrechtlich legitimen Ziels der Kanalisierung der Wettleidenschaft "dynamisiert" werden, um eine von der Beklagten geforderte "Waffengleichheit" mit solchen privaten Anbietern herzustellen, die geringeren Beschränkungen unterworfen sind als die Monopolträger oder sich geltenden Beschränkungen entziehen. Ebenso wenig ist es unionsrechtlich geboten oder auch nur zulässig, eine Werbung zu gestatten, die nicht nur die bereits zur Teilnahme am Glücksspiel Entschlossenen zum legalen Angebot hinlenkt, sondern auch die noch Unentschlossenen zur Teilnahme motiviert. Der dazu angeregten Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht. Diese Fragen sind in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits eindeutig geklärt, so dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt. Entgegen der Annahme der Beklagten hält die Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auch innerhalb der ihm zugewiesenen Kompetenz (Art. 276 AEUV). Sie entscheidet nicht über das Sicherheits- und Ordnungsrecht, sondern lediglich über die Reichweite der Grundfreiheiten, die die mitgliedstaatlichen Gerichte bei ihrer Prüfung sicherheits- und ordnungsrechtlicher Maßnahmen zu beachten haben.

37

Eine Politik der kontrollierten Expansion mit einem "gewissen Werbeumfang" hat der Gerichtshof in Bezug auf das Monopolangebot nur für zulässig erklärt, soweit dies erforderlich ist, um Spieler, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, zum legalen Angebot hinzulenken (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 101 f.). Schon daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Werbung nur die bereits zur Teilnahme am Glücksspiel Entschlossenen zum legalen Angebot hinlenken, aber nicht die noch Unentschlossenen zur Teilnahme motivieren darf. Die Kanalisierung der Spielleidenschaft durch Werbung darf sich nur darauf richten, die bereits vorhandene und bislang illegal gedeckte Nachfrage umzulenken und so den Marktanteil des legalen Anbieters zulasten des Marktanteils der illegalen Anbieter zu erhöhen. Der Gerichtshof unterscheidet deshalb zwischen einer - zulässigen - restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer - unzulässigen - expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt (EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer - Slg. 2011, I-8185 Rn. 69). Gleichzeitig wird klargestellt, dass das Ziel der Lenkung der vorhandenen Nachfrage es nicht rechtfertigen kann, die Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel anzureizen oder zu ermuntern. Nur vorbehaltlich der Erfordernisse, die sich aus dem Verbot solcher Maßnahmen ergäben, könne eine gewisse Werbung zur legitimen Lenkung beitragen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 102 mit Verweis auf Rn. 97 ff.). Die kanalisierende Werbung muss deshalb nicht nur streng auf das zur Lenkung der Verbraucher Erforderliche begrenzt bleiben. Auch eine solche, der Lenkung dienende Werbung darf nicht zur aktiven Teilnahme am Spiel anregen, sondern nur über die Existenz der Produkte informieren. Dabei muss sie die bereits im Einzelnen dargestellten Verbote beachten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103 und vom 15. September 2011 a.a.O. Rn. 68). Eine Dynamisierung der Grenzen zulässiger Werbung ist damit nicht zu vereinbaren. "Waffengleichheit" mit privaten Anbietern können die staatlichen Monopolträger wegen ihrer Bindung an die Grundfreiheiten nicht verlangen. Nichts anderes ergibt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht. Die Länder, die ein Monopol errichtet und ausgestaltet haben, sind nicht Grundrechtsträger, sondern Grundrechtsverpflichtete und unterliegen nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG einer Rechtsbindung, die nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen gelockert werden kann.

38

Der Einwand der Beklagten, unter diesen rechtlichen Voraussetzungen sei es den Monopolträgern unmöglich, die Glücksspielnachfrage entsprechend ihrem Auftrag zu lenken und zu kanalisieren, rechtfertigt keine andere Auslegung. Die Kanalisierung ist kein unionsrechtlicher Auftrag, sondern nur eine Rechtfertigung für gewisse Werbemaßnahmen in den dargelegten rechtlichen Grenzen. Mitgliedstaatlich-einfachrechtliche Aufgabenzuweisungen können die unionsrechtliche Eingriffsrechtfertigung nicht beeinflussen.

39

(2) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung, ob die unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung im maßgeblichen Zeitraum beachtet wurden, nicht allein auf die Sportwetten-Werbung des nordrhein-westfälischen Monopolträgers abgestellt, sondern dessen Werbung für andere Monopolangebote wie Lotteriespiele in die Beurteilung mit einbezogen. Da es für die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die tatsächlichen Ziele der Monopolregelung ankommt, ist auf ihren gesamten Anwendungsbereich und damit auf alle monopolisierten Angebote abzustellen. Eine Inkohärenz ist schon anzunehmen, wenn der Inhaber des Sportwettenmonopols in Bezug auf die ebenfalls dem Monopol unterliegenden Lotteriespiele unionsrechtlich unzulässige, die Werbebeschränkungen missachtende Werbekampagnen durchführt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Leitsatz 1 d) 1. Spiegelstrich Rn. 100, 103 f.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 77). Die eindeutige unionsgerichtliche Anknüpfung an das gesamte Verhalten des Monopolträgers lässt in Verbindung mit den ebenfalls unmissverständlichen, strengen und nicht dynamisierbaren Grenzen zulässiger Werbung auch keine Differenzierung der Werbegrenzen nach dem Grad der Suchtgefährlichkeit des jeweils beworbenen Glücksspiels zu. Eine Vorlage an den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist wegen der Unmissverständlichkeit seiner Rechtsprechung in dieser Frage nicht geboten.

40

Revisionsrechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht neben der Werbung des nordrhein-westfälischen Monopolträgers auch die im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung anderer Monopolträger unter der gemeinsamen Dachmarke Lotto berücksichtigt hat. Der nordrhein-westfälische Monopolträger muss sich diese Werbemaßnahmen allerdings nicht schon zurechnen lassen, weil unionsrechtlich der Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Grundfreiheiten zu wahren, und innerstaatliche Kompetenzregelungen keine Verletzung dieser Pflicht rechtfertigen können. Die Zurechnung wie eine eigene Werbemaßnahme ist vielmehr gerechtfertigt, weil die im Berufungsurteil gewürdigte Werbung der Monopolträger anderer Bundesländer nach den Feststellungen der Vorinstanz Ausdruck einer landesgrenzenübergreifend abgestimmten und umgesetzten Vertriebsstrategie aller Monopolträger ist. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Monopolträger ihre Angebote im Rahmen einer gemeinsamen, landesgrenzenübergreifenden Dachmarkenstrategie vertreiben. Damit hat es ein von allen Monopolträgern mitgetragenes, koordiniertes und planmäßiges Vorgehen für den Vertrieb der Angebote angenommen, das vertriebsfördernde Wirkungen der Werbung für ein Dachmarkenprodukt auch der Vermarktung anderer Produkte unter derselben Dachmarke zugute kommen lässt. Mit dem Erlass gemeinsamer Werberichtlinien setzte die ländergrenzenübergreifende Koordination sich sogar im Bereich der Aufsicht fort.

41

An die berufungsgerichtlichen Feststellungen ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil insoweit keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben wurden. Die gerügten Mängel betreffen die Beweiswürdigung einzelner Werbemaßnahmen, jedoch nicht die Feststellungen zur Dachmarkenstrategie selbst. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, die im Berufungsurteil verwerteten Werbemaßnahmen anderer Monopolträger seien nicht der gemeinsamen Dachmarkenstrategie zuzuordnen gewesen.

42

Ihr rechtlicher Einwand, die Einbeziehung der im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierten Werbung verletze das Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG), trifft nicht zu. Die vom Berufungsgericht vorgenommene faktische Zurechnung von Werbemaßnahmen im Rahmen der von den Monopolanbietern abgestimmten Dachmarkenwerbung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für die verfassungsrechtliche Beurteilung des bayerischen Sportwettenmonopols unter dem Lotteriestaatsvertrag unter anderem auf die seinerzeit bundesweit im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung abgestellt (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309 ff., 314>). Dies steht nicht im Widerspruch zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung und der Eigenstaatlichkeit der Länder, sondern zieht nur rechtliche Konsequenzen aus einer bestimmten Art und Weise des gemeinsam abgestimmten und verantworteten, koordinierten Gebrauchs der jeweiligen Kompetenz.

43

(3) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von ihm angeführte Imagewerbung für das West-Lotto, die Präsentation der Glücksspirale vor der Hauptausgabe der Tagesschau und die Jackpot-Werbung die unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung missachten.

44

Den von West-Lotto verwendeten Werbeslogan "Glück ist, wenn man seinen Mitmenschen helfen kann" hat das Oberverwaltungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei dahin interpretiert, dass er die Teilnahme am Lotto zum sozialen Handeln in Form der Hilfeleistung aufwertet. Damit widerspricht der Slogan dem an den Monopolträger gerichteten Verbot, der Teilnahme am Glücksspiel ein positives Image zu verleihen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 103 f.). Das unzulässige moralische Aufwerten der Teilnahme am Glücksspiel kann auch durch suchtpräventive Hinweise nicht kompensiert werden (Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 51 f. und vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 32; zur parallelen verfassungsrechtlichen Wertung vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 39, 47, 57). Aufgrund des Vergleichs mit ähnlichen, im angegriffenen Urteil als "Lotto-Hilft"-Kampagnen bezeichneten Werbestrategien hat das Oberverwaltungsgericht die nordrhein-westfälische Werbung als Teil einer systematischen Missachtung des Verbots sozialer Aufwertung des Glücksspiels im Rahmen der Dachmarkenstrategie eingeordnet.

45

Wirksame Verfahrensrügen wurden dagegen nicht erhoben. Die Rüge der Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz und die gerichtliche Aufklärungspflicht durch planlose, stichprobenartige Ermittlung der in Betracht kommenden Werbebeispiele verletzt, greift nicht durch. Nach § 86 Abs. 1 VwGO war das Oberverwaltungsgericht zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen ohne einen Beweisantrag der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Beklagten nicht verpflichtet. Solche Ermittlungen mussten sich ihm nicht aufdrängen, nachdem die Beteiligten eingehend zur Werbung vorgetragen hatten und sich schon aus den festgestellten Werbemaßnahmen nach der für die Prüfung von Verfahrensmängeln zugrunde zu legenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ergab, dass eine Inkohärenz des Monopols wegen systematischer Werbeverstöße vorlag. Zu welchem Ergebnis die geforderte weitere, umfassendere Ermittlung von Werbemaßnahmen geführt hätte und inwieweit sie zu einer anderen Beurteilung hätte führen können, hat die Beklagte nicht dargelegt. Der Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls nicht verletzt. Insbesondere hat die Beklagte keine selektive Verwertung und Würdigung des vorhandenen Prozessstoffs durch das Berufungsgericht dargetan.

46

Nicht zu beanstanden ist auch dessen Annahme, die Art und Weise der Ermittlung der Lottozahlen vor laufenden Fernsehkameras und die Präsentation der Lotto-Glücksspirale mit der Werbung für eine "Sofortrente" in Höhe von 7 500 € vor der Hauptausgabe der Tagesschau sei dem nordrhein-westfälischen Monopolträger als Teil der gemeinsamen Dachmarkenstrategie zuzurechnen und entfalte eine unzulässige Anreizwirkung. Die Ermittlung der Lottozahlen als Teil des Unterhaltungsprogramms präsentiert das Glücksspiel als sozial adäquate Beschäftigung. Die Platzierung in der Hauptsendezeit gewährleistet, dass ein möglichst breites Publikum erreicht wird. Dasselbe gilt für die Präsentation der Glücksspirale in unmittelbarer zeitlicher Verknüpfung mit der Hauptausgabe der Tagesschau. Sie bringt das Glücksspiel auch denen nahe, die bislang nicht daran interessiert sind. Die Werbung für eine "Sofortrente" in Höhe von 7 500 € widerspricht dem Verbot, die Anziehungskraft des Glücksspiels durch eine zugkräftige Werbebotschaft zu erhöhen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 78). Sie erfüllt die Voraussetzungen einer zugkräftigen Werbebotschaft, da sie dem durchschnittlichen Empfänger der Botschaft mit der weit über dem Durchschnittseinkommen liegenden "Sofortrente" eine in materieller Hinsicht dauerhaft sorgenfreie Zukunft in Aussicht stellt. Der monatliche Rentenbetrag addiert sich im Lauf der in Aussicht gestellten Rentenzahlung auf eine Summe, die als bedeutender Gewinn einzuordnen ist.

47

Die Aufklärungsrüge, mit der die Beklagte geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe die Anreizwirkung der Werbebotschaft nicht ohne Hinzuziehen eines Sachverständigen feststellen können, greift nicht durch. Ob eine Werbebotschaft zur Teilnahme am Glücksspiel anreizt oder ermuntert, ergibt sich aus ihrem Aussagegehalt, der wie bei anderen Erklärungen durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei kommt es darauf an, ob die Werbeaussage von einem noch nicht zur Teilnahme entschlossenen durchschnittlichen Empfänger als Anreiz zur Teilnahme zu verstehen ist oder nur als sachliche Information über die legale Möglichkeit, einen etwa vorhandenen Entschluss zur Teilnahme umzusetzen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103 f.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 48 f.). Die erforderliche Sachkunde, einen an das Publikum gerichteten Werbespot zu verstehen, durfte das Oberverwaltungsgericht sich zuerkennen. Insoweit ist auch der Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO nicht verletzt. Weshalb das Oberverwaltungsgericht im konkreten Fall sachverständiger Hilfe zur Auslegung der Werbebotschaft bedurft hätte, hat die Beklagte nicht prozessordnungsgemäß nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO dargelegt. Insbesondere hat sie nicht dargetan, welche Erkenntnisse die Hinzuziehung eines Sachverständigen erbracht hätte, und inwieweit sie für die berufungsgerichtliche Beurteilung erheblich gewesen wären.

48

Die weiter gerügte Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Dazu genügt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht ihr gegenüber nicht schon vor der Entscheidung offengelegt hat, dass es von einer bundesweit unzulässigen Werbung insbesondere durch die bisher allseits gebilligte Fernsehwerbung ausgehe. Die Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nicht, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Beurteilung regelmäßig erst aus dem Ergebnis der abschließenden Beratung ergibt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung wegen des Unterbleibens eines solchen Hinweises liegt erst vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte stützt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8 und vom 18. Oktober 2010 - BVerwG 9 B 64.10 - juris Rn. 8; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1991 - 1 BvL 32/88 - BVerfGE 84, 188 <190>). Wegen der strengen Konkretisierung der Grenzen zulässiger Werbung für das Monopolangebot in der bereits zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs und wegen deren Konkretisierung in den ebenfalls zitierten Entscheidungen des Senats, die von der Unzulässigkeit jeder dem objektiven Aussagegehalt nach zum Wetten anreizenden oder ermunternden Werbung ausgehen, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Berufungsgericht auch zuvor noch nicht beanstandete Werbemaßnahmen für unzulässig halten würde. Dies gilt wegen § 5 Abs. 3 GlüStV auch und gerade für die Präsentation und das Bewerben von Glücksspielen im Fernsehprogramm.

49

Die von ihm festgestellte Jackpot-Werbung hat das Oberverwaltungsgericht gleichfalls revisionsrechtlich fehlerfrei als Verstoß gegen die unionsrechtlichen Beschränkungen der Werbung für das Monopolangebot eingeordnet. Insoweit liegt ebenfalls eine zugkräftige Werbebotschaft vor, die die Anziehungskraft der Lotterie erhöht, indem sie einen bedeutenden Gewinn in Aussicht stellt. Für die Anreizwirkung hat das Berufungsgericht zwar vornehmlich auf die von ihm zitierte Pressemitteilung des rheinland-pfälzischen Monopolanbieters vom 11. August 2011 verwiesen, die hervorhebt, wegen der Höhe des Jackpots gäben mehr Menschen einen Lottoschein ab, die sonst nicht am Spiel teilnähmen. Insofern rügt die Beklagte, die Pressemitteilung sei ihr nicht bekannt gewesen. Ob deshalb ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde, kann indes offenbleiben. Denn unabhängig hiervon konnte das Berufungsgericht aus der - allgemeinkundigen - Art und Weise des Anpreisens des Jackpots auf einen Anreiz zur Teilnahme schließen und auf die Häufigkeit der Werbebotschaften im Rundfunk unmittelbar vor der Ziehung abstellen. Dabei ist es ersichtlich davon ausgegangen, dass der wiederholte Hinweis auf eine nur am selben Tag noch bestehende Gewinnmöglichkeit Zeitdruck suggeriert und das Hervorheben des Scheiterns früherer Versuche, den Jackpot zu "knacken", sowie der Hinweis auf die Höhe des aktuellen Jackpots zur Teilnahme anreizt und ermuntert. Hinsichtlich der Aufklärungsrüge und der Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes kann auf die Ausführungen zu den entsprechenden Rügen gegen die Würdigung der Fernsehwerbung verwiesen werden.

50

(4) Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz aus diesen Werbemaßnahmen auf eine systematische Missachtung der Werbebeschränkungen und daraus wiederum darauf geschlossen hat, die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV habe tatsächlich nicht unionsrechtlich legitimen Zielen, sondern illegitimen fiskalischen Zielen gedient. Allen drei Werbemaßnahmen ist gemeinsam, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um Werbestrategien handelt, die regelmäßig und über einen erheblichen Zeitraum praktiziert wurden. Die Aufsichtsbehörden haben diese systematische Missachtung von Werbegrenzen nicht wirksam unterbunden. Aus den im Berufungsurteil zitierten gemeinsamen Werberichtlinien ergibt sich vielmehr, dass sie noch im Jahr nach der Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an eine zulässige Monopolwerbung durch die bereits zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 und die daran anknüpfenden Urteile des Senats vom 24. November 2010 fehlerhaft nur den gezielten Anreiz zur Teilnahme am Glücksspiel für rechtswidrig hielten, statt auf den objektiven Aussagegehalt abzustellen. Nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erklärten die Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder noch nach dem letzten ihm vorliegenden Stand vom Mai 2011 eine Imagewerbung - einschließlich der moralischen Aufwertung der Teilnahme am Glücksspiel - unzutreffend für zulässig. Daraus durfte das Oberverwaltungsgericht auf ein strukturelles Vollzugsdefizit schließen, das auf das Verfolgen unionsrechtlich illegitimer Ziele hindeutet. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht dies weder der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung noch dem Wesen des Verwaltungsrechtsschutzes. Selbst im Verfassungsrecht ist aus strukturellen Vollzugsdefiziten auf die Unverhältnismäßigkeit einer Monopolregelung im engeren Sinne und damit auf einen normativen Mangel zu schließen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309, 313 ff.>). Die Voraussetzungen eines solchen Rechtsverstoßes zu prüfen, ist eine genuin verwaltungsgerichtliche Aufgabe.

51

cc) Die zweite Anforderung des Kohärenzgebots, die Beeinträchtigungen der Wirksamkeit der Monopolregelung durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielsektoren in den Blick nimmt und sich als Erfordernis intersektoraler Kohärenz umschreiben lässt, wird im angegriffenen Urteil allerdings nicht zutreffend konkretisiert. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen auch nicht aus, die Annahme einer intersektoralen Inkohärenz wegen einer das Monopol konterkarierenden Politik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu tragen. Das Berufungsurteil beruht freilich nicht auf diesem Fehler, weil seine Annahme, die Monopolregelung sei inkohärent, bereits selbstständig durch seine Erwägungen zur Missachtung der Grenzen zulässiger Werbung getragen wird. Wegen der diesbezüglichen kontroversen Erörterung im Revisionsverfahren geht der Senat auf diesen Punkt gleichwohl näher ein.

52

(1) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, das zweite Kohärenzerfordernis verlange eine zwischen Bund und Ländern koordinierte, sektorenübergreifende, systematisch und widerspruchsfrei am Monopolziel der Suchtbekämpfung orientierte Glücksspielpolitik, die vergleichbare Gefährdungen gleichermaßen erfasse. Diese Annahme findet in Art. 56 AEUV und dessen Auslegung durch die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Grundlage. Zwar reicht nach der neueren unionsgerichtlichen Rechtsprechung eine sektorale, auf den Monopolbereich beschränkte Kohärenzprüfung zur Überprüfung der Geeignetheit des Monopols nicht aus. Vielmehr sind auch die Auswirkungen einer etwa gegenläufigen Regelung anderer Glücksspielsektoren mit höherem oder gleich hohem Suchtpotenzial zu berücksichtigen. Damit wird der Prüfungsgegenstand jedoch weder von der Verhältnismäßigkeit der Monopolregelungen auf die Verhältnismäßigkeit der anderen Regelungen erweitert, noch setzt die Kohärenz des Monopols eine kohärente Regelung der anderen Bereiche voraus. Erst recht bedarf es keines gebiets- und zuständigkeitsübergreifend konzipierten Systems aufeinander abgestimmter Regelungen im Sinne einer sämtliche Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz. Eine solche Konkretisierung ließe unberücksichtigt, dass die Verhältnismäßigkeit für jede Beschränkung gesondert zu prüfen ist (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 93), und verlöre den Gegenstand der Prüfung - die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele - aus dem Blick. Außerdem stieße sie auf verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken. Wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung der Europäischen Union ist der demokratisch legitimierte, mitgliedstaatliche Gesetzgeber im nicht harmonisierten Glücksspielrecht grundsätzlich frei, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen, die mit der Glücksspielpolitik verfolgten Ziele festzulegen und einzelne Glücksspielbereiche aufgrund seiner parlamentarischen Einschätzungsprärogative entsprechend auszugestalten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 76 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 45 f., 58). Das gilt bei bundesstaatlich verfassten Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer föderalen Kompetenzordnung für jeden im Mitgliedstaat tätigen Gesetzgeber. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten begrenzen diese Regelungsbefugnis und verbieten unverhältnismäßige Beschränkungen. Sie verpflichten den Mitgliedstaat jedoch nicht dazu, ein sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifendes, in seiner Gesamtheit stimmiges Schutzkonzept aufzustellen und umzusetzen.

53

Nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Inkohärenz wegen konterkarierender Regelungen nicht schon vor, wenn in einem anderen Glücksspielbereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik verfolgt wird, sondern ausdrücklich nur, wenn dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit diesem nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 106 und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 68). Entgegen der Annahme des Berufungsurteils und der Auffassung der Klägerin ist eine Folgenbetrachtung also nicht entbehrlich. Da die Monopolregelung allein in ihrem Anwendungsbereich wirksam werden kann, können Beeinträchtigungen ihrer Wirksamkeit nur dort ermittelt werden. Danach kommt es auf die Rückwirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Glücksspielsektor auf den Monopolbereich an. Festgestellt werden muss, inwieweit diese Glücksspielpolitik die Wirksamkeit der Monopolregelung und deren Beitrag zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele beeinträchtigt. Darin liegt keine Rückkehr zu einer unzureichenden sektoralen Kohärenzprüfung. Diese blendete mögliche Folgen einer Expansionspolitik in anderen Glücksspielbereichen für den Bereich der Sportwetten aus; die intersektorale Kohärenzprüfung bezieht sie dagegen mit ein. Sie lehnt nur die weitergehende Forderung nach einer alle Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz ab, da für die Geeignetheit der Monopolregelung nur ihr eigener Beitrag zur Zielverwirklichung maßgeblich ist.

54

Zur Widerlegung dieser speziell zum Glücksspielrecht entwickelten Konkretisierung des Kohärenzgebots ist die im angegriffenen Urteil zitierte ältere Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nicht geeignet. Auch auf den Vortrag der Klägerin, der Pressemitteilung des Gerichtshofs sei Gegenteiliges zu entnehmen, kommt es mangels rechtlicher Verbindlichkeit solcher Mitteilungen nicht an. Maßgebend sind die einschlägigen Entscheidungen selbst. Ihre Tenorierung lässt keinen Zweifel daran, dass aus der Feststellung einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial noch keine Inkohärenz der Monopolregelung folgt. Den Entscheidungsformeln zufolge kann das vorlegende Gericht, wenn es eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Expansionspolitik im Bereich anderer, nicht monopolisierter Glücksspiele mit höherem Suchtpotenzial feststellt, berechtigten Anlass zur Schlussfolgerung haben, das Monopol sei nicht mehr geeignet, das Erreichen des mit ihm verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (jeweils EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Leitsatz 1 d) bzw. - Carmen Media - a.a.O. Leitsatz 2). Danach ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend, sondern nur möglicherweise gerechtfertigt. Ob sie zu ziehen ist, ergibt sich nach den Entscheidungsgründen erst aus der Prüfung, ob das Monopol trotz der gegenläufigen Regelung des anderen Glücksspielbereichs noch wirksam zur Verwirklichung der mit ihm verfolgten Ziele beitragen kann. Dies festzustellen, hat der Gerichtshof den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 98, 106 f. und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 65, 68, 71).

55

Eine Vorlage an den Gerichtshof wäre auch insoweit nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV geboten. Die von der Klägerin bestrittene Erforderlichkeit einer Folgenbetrachtung ergibt sich, wie bereits dargelegt, klar und eindeutig aus dem Wortlaut der beiden einschlägigen, zur Kohärenz der deutschen Sportwettenmonopole ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs. Auch die dogmatische Einordnung als Element der Geeignetheit der Monopolregelung, die durch die Auswirkungen einer gegenläufigen Politik in anderen Sektoren beeinträchtigt werden kann, lässt keinen anderen Schluss zu. Der Mittelweg der intersektoralen Kohärenz, die sich weder auf eine Betrachtung des Monopolsektors beschränkt, noch eine in föderalen Mitgliedstaaten kaum zu leistende Gesamtkohärenz fordert, ist damit unmissverständlich vorgegeben. Die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Glücksspielrecht stellt den eingeschlagenen Mittelweg nicht in Frage. Erst recht lässt sich aus der früheren, das Kassenzahnarztrecht betreffenden Entscheidung in der Rechtssache Petersen (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 53 ff., 58 ff.) nichts für die Erforderlichkeit einer glücksspielrechtlichen Gesamtkohärenz herleiten. Dort versteht der Gerichtshof den Bereich der kassenzahnärztlichen Tätigkeit, für den eine Altersgrenze geregelt wurde, und den von dieser Regelung nicht erfassten Bereich privatzahnärztlicher Tätigkeit nicht als zwei verschiedene Sektoren. Vielmehr interpretiert er das Fehlen einer Altersgrenze für Privatzahnärzte als Ausnahme von der Regelung der Altersgrenze, die mangels tragfähiger Begründung für diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sei.

56

(2) Soweit das angegriffene Urteil in einer Hilfserwägung die Notwendigkeit einer Folgenbetrachtung unterstellt, verengt es den Blick unzulässig auf aktuelle Spielergruppen, so dass seine tatsächlichen Feststellungen die Annahme, die Monopolregelung habe ihre Wirksamkeit infolge einer gegenläufigen Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels verloren, nicht zu tragen vermögen.

57

Richtig ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Glücksspielpolitik im Bereich des Automatenspiels nur dann zu Folgewirkungen im Monopolbereich führen könne, wenn sich die Kreise der potenziellen Kunden überschneiden (vgl. § 21 Abs. 2 GlüStV n.F.). Dies ist allerdings nur eine notwendige und noch keine hinreichende Voraussetzung für das Entstehen problematischer Folgewirkungen. Das Berufungsgericht hat eine Überschneidung von Kundenkreisen insbesondere in der Teilgruppe besonders suchtgefährdeter junger männlicher Erwachsener ausgemacht. Es hat sich jedoch mit der weiteren Feststellung begnügt, die expansive Politik im Bereich des Automatenspiels habe zu einer Wanderung eines hohen Anteils von Spielern dieser Teilgruppe vom Bereich der Sportwetten zu dem des Automatenspiels geführt. Diese Feststellung ist in zweifacher Hinsicht unzureichend. Zum einen ist damit noch nicht geklärt, ob die Abwanderung praktisch einen Leerlauf der Monopolregelung zur Folge hat oder diese auf eine Alibifunktion reduziert. Zum anderen lässt die auf eine Abwanderung von (aktuellen) Spielern beschränkte Betrachtung unberücksichtigt, dass es für die Wirksamkeit des Beitrags der Monopolregelung zur Suchtbekämpfung nicht nur auf die bereits aktiven, suchtgefährdeten oder gar spielsüchtigen Spieler ankommen kann. Suchtbekämpfung schließt auch die Suchtprävention mit ein, die potenzielle Kunden bei einer Teilnahme am Glücksspiel vor einer solchen Gefährdung schützt. Erforderlich ist deshalb eine Folgenbetrachtung, die nicht nur die aktuelle, sondern auch die potenzielle Nachfrage nach beiden Glücksspielarten und die Auswirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Sektor auf die Nachfrage im Monopolbereich ermittelt.

58

dd) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV wegen ihres Verstoßes gegen Unionsrecht für unanwendbar gehalten. Als primärrechtliche Gewährleistungen binden die Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten der Union im jeweiligen Anwendungsbereich unmittelbar, und zwar auch außerhalb der bereits durch sekundäres Unionsrecht harmonisierten Regelungsbereiche. Ihr Anwendungsvorrang schließt eine Anwendung grundfreiheitswidriger Regelungen prinzipiell aus (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015 Rn. 53 ff.).

59

Entgegen der Auffassung der Beklagten hält sich diese Rechtsprechung im Rahmen der unionsrechtlichen Kompetenzen und ist auch nicht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen in Zweifel zu ziehen. Art. 5 des Vertrages über die Europäische Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon - EUV (ABl C 306, 1, ber. ABl 2008, C 111, 56) verbietet der Union zwar, ihre Kompetenzen über den Kreis der ihr jeweils nach Art. 23 Abs. 1 GG übertragenen Hoheitsrechte hinaus auszudehnen. Die vertraglich begründete Rechtsprechungskompetenz des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV schließt jedoch die Befugnis ein, den Anwendungsvorrang der Grundfreiheiten zu konkretisieren. Dass der Anwendungsvorrang von den mitgliedstaatlichen Gerichten aller Instanzen zu beachten ist, ergibt sich aus der Bindung der Mitgliedstaaten an den Vertrag, der als supranationales Primärrecht keiner Transformation bedarf, und aus der Bindung der Gerichte an das geltende Recht, zu dem auch das Unionsrecht zählt. Art. 100 GG greift nicht ein, da weder die Verfassungsmäßigkeit der Norm noch das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts in Frage steht. Eine unionsrechtswidrige und deshalb im konkreten Fall unanwendbare Norm wird wegen des Unionsrechtsverstoßes nicht für nichtig erklärt.

60

Das Rechtsstaatsgebot ist auch nicht etwa verletzt, weil aus einem objektiv-rechtlichen Verstoß eine subjektiv-rechtliche Begünstigung hergeleitet würde. Die subjektiv-rechtliche Gewährleistung ergibt sich aus Art. 49 oder 56 AEUV. Eingriffe in das subjektive Recht sind - wie im mitgliedstaatlichen Recht - im Einklang mit dem Rechtsstaatsgebot nur gerechtfertigt, wenn sie rechtmäßig sind. Daran kann es auch wegen einer Verletzung objektiv-rechtlicher Anforderungen fehlen.

61

b) Die Beklagte meint, auf etwaige Fehler ihrer Ermessensausübung komme es nicht an, weil ihr Ermessensspielraum ohnehin dahin eingeschränkt gewesen sei, dass nur eine Untersagung rechtmäßig gewesen wäre. Dieser Vortrag kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

62

aa) Eine Ermessensreduzierung auf Null zulasten der Klägerin hat das Berufungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Sie könnte sich aus § 284 Abs. 1 StGB nur ergeben, wenn der Klägerin das Fehlen einer Erlaubnis entgegengehalten werden könnte. Das setzt voraus, dass ihr die Erlaubnis nicht unionsrechtswidrig vorenthalten oder verweigert wurde. Zwar ist der Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV verfassungs- und unionsrechtskonform. Wegen der Unionsrechtswidrigkeit des Monopols durfte eine Erlaubnis aber nicht schon seinetwegen, sondern nur nach Prüfung der unionsrechtskonformen, monopolunabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen ausgeschlossen werden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 48). Diese Voraussetzung war im maßgeblichen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt, weil dort das Erlaubnisverfahren - im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa dem Freistaat Bayern oder Rheinland-Pfalz - nicht für Private geöffnet wurde. Aus den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich auch nicht, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerin aus monopolunabhängigen Gründen materiell-rechtlich nicht erlaubnisfähig gewesen wäre. Das gilt auch in Ansehung der Feststellung, dass die Klägerin die getätigten Wetten per Internet an den Wettanbieter weitergeleitet habe. Die Vorinstanz konnte ohne revisiblen Rechtsverstoß davon ausgehen, dass ein Verstoß gegen das Internet-Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV nicht schon bei der Online-Übermittlung zuvor terrestrisch vermittelter Wetten an den Wettanbieter vorliegt, sondern nur, wenn die Wetten selbst im Internet abgeschlossen wurden.

63

bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV räume kein intendiertes Ermessen ein, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Vorschrift ist nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht revisibel. Ihre Anwendung durch das Berufungsgericht verkennt auch nicht die Rechtsfigur des intendierten Ermessens, die als Frage der Anwendung des § 40 VwVfG NW gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt. Schließlich berücksichtigt die Beklagte nicht, dass ein intendiertes Ermessen zwar eine nähere Begründung der Ermessensausübung erübrigen, aber keine fehlerhafte Begründung heilen kann.

64

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde der Ermessensfehler schließlich nicht durch die mit Schriftsatz vom 21. September 2011 nachgeschobenen Erwägungen geheilt. Der angegriffene Bescheid konnte schon wegen seiner endgültigen Erledigung vor Abfassung des Schriftsatzes nicht mehr rückwirkend geändert werden. Im Übrigen wäre die rückwirkende Änderung auch verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig gewesen, da sie die wesentlichen Ermessenserwägungen auswechselte und die Klägerin dadurch in ihrer Rechtsverteidigung erheblich beeinträchtigte (vgl. hierzu Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <217 f.>, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Die Untersagung war ursprünglich auf die Monopolwidrigkeit der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin und darauf gestützt, dass das Sportwettenmonopol rechtmäßig sei. Dieser Gesichtspunkt war für die nachgeschobene Begründung unerheblich; nunmehr wurde die Untersagung allein mit der formellen und materiellen Illegalität der Wettvermittlung ohne Rücksicht auf das Sportwettenmonopol gerechtfertigt. Gegen einen Austausch der wesentlichen Erwägungen spricht auch nicht, dass beide Begründungen an das Fehlen einer Erlaubnis anknüpfen. Die formelle Illegalität erfüllt den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffnet damit nur das Ermessen. Dessen Ausübung muss sich daher nach anderen Kriterien richten. Ob im Austausch der wesentlichen Ermessenserwägungen schon eine Wesensänderung der Untersagung selbst liegt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen durch das Auswechseln der wesentlichen Ermessenserwägungen erheblich beeinträchtigt. Die neue Begründung der Untersagung stellt erstmals auf die monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlung und das Wettangebot ab. Dem Betroffenen bleibt nur, diese Anforderungen zu prüfen und für den bereits abgelaufenen Zeitraum entweder darzulegen, dass sie rechtswidrig waren, oder darzutun, dass seine Tätigkeit mit ihnen übereinstimmte. Soweit die rückwirkende Änderung der Begründung die Erfolgsaussichten der Klage entfallen lässt, kann er darauf nur nachträglich reagieren.

65

d) Ohne revisiblen Rechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht die angegriffene Untersagungsverfügung auch im Zeitraum von ihrem Erlass bis zum 31. Dezember 2007 für rechtswidrig gehalten. Die Ausübung des durch § 14 OBG NW eröffneten Ermessens war fehlerhaft, weil das Sportwettenmonopol, mit dem die Untersagung begründet wurde, bereits damals gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verstieß.

66

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei darauf abgestellt, dass das nordrhein-westfälische Sportwettenmonopol unter dem damals geltenden Lotteriestaatsvertrag schon die erste der beiden Kohärenzanforderungen nicht erfüllte, weil es nach seiner normativen Ausgestaltung und der damaligen Praxis nicht die vorgeblichen, unionsrechtlich legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes verfolgte. Zwar nahmen § 1 Nr. 1 und 2, § 4 LoStV diese Ziele auf. Es fehlten jedoch Regelungen, die gewährleisteten, dass das Monopol auch in der Praxis konsequent an diesen legitimen Zielen ausgerichtet wurde. Insoweit durfte das Oberverwaltungsgericht auf die entsprechende bundesverfassungsgerichtliche Würdigung verweisen (zum nordrhein-westfälischen Recht vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06 - NJW 2007, 1521 = juris Rn. 26 f. mit Verweis auf das Urteil zum bayerischen Sportwettenmonopol vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276) und davon ausgehen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine konsequent am Ziel der Suchtbekämpfung orientierte Ausgestaltung des Monopolbereichs sich mit den unionsrechtlichen decken. Unionsrechtlich muss die Schaffung eines Monopols mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 83). Daran fehlte es nach den insoweit nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen die - irrevisible - Rechtslage in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 der beanstandeten Rechtslage in Bayern entsprach. Insbesondere fehlten auch in Nordrhein-Westfalen Vorschriften, die eine Beachtung der Grenzen zulässiger Werbung gewährleisteten. Die einschlägigen Regelungen in § 4 Abs. 3 LoStV verboten zwar irreführende und unangemessene Werbung, schlossen eine ausschließlich am Ziel expansiver Vermarktung orientierte Werbung jedoch nicht aus. Darüber hinaus war mangels einer neutralen Kontrollinstanz nicht gewährleistet, dass fiskalische Interessen hinter das Ziel der Suchtbekämpfung zurücktraten (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 312 f.; vgl. Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 a.a.O.).

67

Dass das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der verfassungswidrigen bayerischen Monopolregelung für eine Übergangszeit bis längstens zum 31. Dezember 2007 unter bestimmten Maßgaben zugelassen hat (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 319), kann die Anwendung der unionsrechtswidrigen nordrhein-westfälischen Monopolregelung unter dem Lotteriestaatsvertrag nicht rechtfertigen. Auf die Umsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben kommt es dabei nicht an, weil sie die Defizite der normativen Ausgestaltung des Monopols weder beheben noch vollständig kompensieren konnte. Die Maßgaben zielten allein darauf, ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen legitimen gesetzlichen Zielen und tatsächlicher Ausübung des Monopols herzustellen. Im Übrigen beschränkten sie sich auf die Forderung, in der Übergangszeit bereits mit einer konsequenten Ausrichtung des Monopols an der Suchtbekämpfung zu beginnen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O.). Das lässt erkennen, dass ihre Erfüllung auch nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts noch keinen verfassungsmäßigen Zustand herstellte. Sie ließ nur eine befristete weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm als verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 317, 319; vgl. Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - NVwZ 2009, 1221 Rn. 24).

68

Unionsrechtlich war die übergangsweise Anwendung der unverhältnismäßigen Monopolregelung ohnedies nicht gerechtfertigt. Die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts reichte dazu nicht aus. Die übergangsweise Anwendung unionsrechtswidriger Vorschriften kann nur nach Maßgabe des Unionsrechts legitimiert werden. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015 Rn. 60 ff., 67 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 24. Januar 2013 (- Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 46 ff.) keine solche unionsrechtliche Rechtfertigung. Diese Entscheidung bestätigt vielmehr unter Hinweis auf das zitierte Urteil vom 8. September 2010 ausdrücklich, dass ein unionsrechtswidriges Glücksspielmonopol auch nicht übergangsweise weiter angewendet werden darf (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 38 f., 42). Der Mitgliedstaat ist allerdings nicht zu einer Liberalisierung verpflichtet. Er kann sich auch dafür entscheiden, das Monopol unionsrechtskonform zu reformieren (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 46). Jedenfalls ist er aber bei Unionsrechtswidrigkeit des Monopols verpflichtet, Erlaubnisanträge anderer Glücksspielanbieter auch während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung zu prüfen und gegebenenfalls nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 39, 48).

69

Die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit eine Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 verboten habe, ist dem Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht vorzulegen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Die angegriffene Untersagungsverfügung wurde im hier maßgeblichen Zeitraum Ende 2007 nicht mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts, also der formellen und materiellen Illegalität der konkreten Tätigkeit begründet, sondern mit dem verfassungs- und unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol. Sofern die Beklagte die Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 21. September 2011 rückwirkend auswechseln wollte, war dies aus den oben dargelegten Gründen verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig. Auf Bedenken, ob die Untersagung bei Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols trotz Fehlens eines unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahrens für Private im Übergangszeitraum mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts hätte begründet werden dürfen, kommt es nicht an. Selbst wenn eine solche Untersagung rechtmäßig möglich gewesen wäre, würde dies die tatsächlich getroffene, fehlerhafte Ermessensentscheidung noch nicht rechtmäßig machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 171/10 Verkündet am:
24. Januar 2013
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 56 AEUV folgende Fragen vorgelegt: 1. Stellt es eine inkohärente Beschränkung des Glücksspielsektors dar, - wenn einerseits in einem als Bundesstaat verfassten Mitgliedstaat die Veranstaltung und die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach dem in der überwiegenden Mehrheit der Bundesländer geltenden Recht grundsätzlich verboten ist und - ohne Rechtsanspruch - nur für Lotterien und Sportwetten ausnahmsweise erlaubt werden kann, um eine geeignete Alternative zum illegalen Glücksspielangebot bereitzustellen sowie dessen Entwicklung und Ausbreitung entgegenzuwirken, - wenn anderseits in einem Bundesland dieses Mitgliedstaats nach dem dort geltenden Recht unter näher bestimmten objektiven Voraussetzungen jedem Unionsbürger und jeder diesem gleichgestellten juris- tischen Person eine Genehmigung für den Vertrieb von Sportwetten im Internet erteilt werden muss und dadurch die Eignung der im übrigen Bundesgebiet geltenden Beschränkung des Glücksspielvertriebs im Internet zur Erreichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls beeinträchtigt werden kann? 2. Kommt es für die Antwort auf die erste Frage darauf an, ob die abweichende Rechtslage in einem Bundesland die Eignung der in den anderen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls aufhebt oder erheblich beeinträchtigt? Falls die erste Frage bejaht wird: 3. Wird die Inkohärenz dadurch beseitigt, dass das Bundesland mit der abweichenden Regelung die in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels übernimmt, auch wenn die bisherigen, großzügigeren Regelungen des Internetglücksspiels in diesem Bundesland hinsichtlich der dort bereits erteilten Konzessionen noch für eine mehrjährige Übergangszeit fortgelten, weil diese Genehmigungen nicht oder nur gegen für das Bundesland schwer tragbare Entschädigungszahlungen widerrufen werden könnten? 4. Kommt es für die Antwort auf die dritte Frage darauf an, ob während der mehrjährigen Übergangszeit die Eignung der in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt wird?

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist die staatliche Lottogesellschaft des Landes NordrheinWestfalen. Die Beklagte zu 1 mit Sitz in Gibraltar bietet auf der Internetseite " .com" in deutscher Sprache Glücksspiele und Sportwetten gegen Geldeinsatz an. Sie ist Inhaberin einer in Gibraltar erteilten Glücks- und Spiellizenz. Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1.
2
Die Klägerin hält das Angebot der Beklagten zu 1 wegen Verstoßes gegen glücksspiel- und strafrechtliche Bestimmungen für wettbewerbswidrig.
3
Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat das Landgericht die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slot Machines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen und/ oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend beispielhaft wiedergegeben (es folgt die Wiedergabe von 102 Bildschirmausdrucken aus dem Internetangebot der Beklagten zu 1 vom September 2009).
4
Außerdem hat das Landgericht die Beklagten zur Auskunft verurteilt und ihre Pflicht zum Schadensersatz festgestellt.
5
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Unterlassungstenor nach Maßgabe des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags unter Beschränkung auf konkret bezeichnete Spiele so gefasst, dass sich die Unterlassungspflicht der Beklagten darauf bezieht , über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und Spiele an virtuellen Slot Machines sowie Knobelduell und Black Jack-Duell gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen und/oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend wiedergegeben. …
6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
7
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 56 AEUV ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
8
1. Weil die Klägerin einen auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichteten Unterlassungsanspruch verfolgt, kommt es im Streitfall auch auf das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht an. Der Glücksspielstaatsvertrag 2008 ist mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft getreten (§ 28 Abs. 1 GlüStV 2008). Zum 1. Januar 2012 erfolgte in Schleswig-Holstein eine Liberalisierung des Glücksspielrechts. Anders als § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 lässt § 26 des schleswig-holsteinischen Gesetzes zur Neuordnung des Glückspiels vom 20. Oktober 2011 (GVOBl. Schl.-H. S. 280 - GlSpielG SH) Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen oder im Internet grundsätzlich zu. Auch ein Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2008) ist dem Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein fremd. Veranstaltung und Vertrieb öffentlicher Glücksspiele und Wetten bedürfen zwar weiterhin der Genehmigung der zuständigen Landesbehörde (vgl. §§ 4, 5, 22 und 23 GlSpielG SH); die Genehmigung für den Vertrieb öffentlicher Wetten ist aber bei Vorliegen bestimmter objektiver Zulassungsvoraussetzungen jedem Bürger und jeder juristischen Person aus der Europäischen Union zu erteilen (§ 23 Abs. 2 GlSpielG SH).
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Im gesamten übrigen Bundesgebiet gilt dagegen inzwischen der Glücksspielstaatsvertrag 2012 (1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag - GlüStV 2012). Nach § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012 sind das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet sowie die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen grundsätzlich weiterhin verboten. Gemäß § 4 Abs. 5 und § 5 Abs. 3 Satz 2 und 3 GlüStV 2012 kann die Verwendung des Internets zu diesen Zwecken nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen für Lotterien und Sportwetten erlaubt werden, um eine geeignete Alternative zum illegalen Glücksspielangebot bereitzustellen sowie dessen Entwicklung und Ausbreitung entgegenzuwirken. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht kein Rechtsanspruch.
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2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 mit ihrem Internetangebot gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verstoßen hat.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Bestimmungen des § 4 Abs. 4 und des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 Marktverhaltensregelungen , deren Anwendbarkeit keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09, GRUR 2012, 193 Rn. 21, 30 ff. = WRP 2012, 201 - Sportwetten im Internet II, zu § 4 Abs. 4 GlüStV; Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 43/10, juris Rn. 78 f., zu § 5 Abs. 3 GlüStV).
12
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision geben dem Senat keinen Anlass zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Auch die übrigen Erwägungen der Revision lassen im Hinblick auf die Beurteilung der bis zum 1. Januar 2012 geltenden Rechtslage durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
13
3. Aufgrund der seit dem 1. Januar 2012 eingetretenen Rechtsänderungen kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Revision hinsichtlich des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrags und der für die Zeit nach dem 31. Dezember 2011 zugesprochenen Auskunfts- und Schadensersatzansprüche im Hinblick auf einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) Erfolg haben könnte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Ausnahmen und Einschränkungen zu einer die Glücksspieltätigkeit beschränkenden Regelung dahingehend einer Kohärenzprüfung zu unterziehen, ob sie deren Eignung zur Verfolgung legitimer Allgemeininteressen beseitigen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, Slg. 2010, I-8149 = NvWZ 2010, 1422 Rn. 106 ff. - Carmen Media Group). Vor diesem Hintergrund könnte eine gegenüber dem übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Rechtslage in einem einzelnen Bundesland dazu führen, dass die Vertriebs- und Werbebeschränkungen im Internet für Glücksspiele in den anderen Bundesländern wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbar sind, so dass für ein Verbot der Online-Vermittlung und -Veranstaltung von Glücksspielen keine Grundlage mehr bestünde.
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a) Nach geltendem Recht bestehen wesentliche Unterschiede in der rechtlichen Behandlung des Internetglücksspiels zwischen Schleswig-Holstein und dem übrigen Bundesgebiet.
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Die Bestimmungen der § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012 enthalten weiterhin Verbote des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet sowie der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen. Zwar kann nach § 4 Abs. 5 und § 5 Abs. 3 Satz 2 und 3 GlüStV 2012 die Verwendung des Internets zu diesen Zwecken unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr erlaubt werden, um eine geeignete Alternative zum illegalen Glücksspielangebot bereitzustellen sowie dessen Entwicklung und Ausbreitung entgegenzuwirken. Auf die Erlaubniserteilung besteht aber kein Rechtsanspruch. Demgegenüber gibt es in Schleswig-Holstein gemäß § 23 Abs. 2 GlSpielG SH grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Vertriebsgenehmigung für öffentliche Wetten , der sich aufgrund des Zusammenhangs mit § 23 Abs. 1 GlSpielG SH zweifelsfrei auch auf den Fernvertrieb und damit den Absatz im Internet erstreckt. Für die Glücksspielwerbung im Internet ist gemäß § 26 GlSpielG SH keine Erlaubnis erforderlich.
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b) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Liberalisierung von Internetvertrieb und -werbung für Glücksspiele in Schleswig-Holstein die Eignung der entsprechenden Verbote in den anderen Bundesländern zur Erreichung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 verfolgten legitimen Allgemeininteressen mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.
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So ist fraglich, ob sich die Teilnahmemöglichkeit an Glücksspielen über das Internet wirksam auf das Bundesland Schleswig-Holstein beschränken lässt. Auch die nunmehr in Schleswig-Holstein unbeschränkt mögliche Werbung für Glücksspiele in Fernsehen, Rundfunk und Internet kann aufgrund der Natur dieser Medien nicht wirksam auf dieses Bundesland begrenzt werden.
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4. Die unionsrechtliche Bewertung der seit 1. Januar 2012 in Deutschland bestehenden unterschiedlichen Regelungen für Online-Glücksspiel ist umstritten. Teilweise wird angenommen, dass der schleswig-holsteinische Sonderweg zu einer fehlenden Kohärenz des Internetverbots für Glücksspiele im übrigen Bundesgebiet führt (Dörr/Janich, K&R Beihefter 1/2012, 1, 9 ff.; Brock, CR 2011, 517, 524). Insbesondere wird ein Verstoß gegen das aus dem Kohärenzgebot resultierende Konterkarierungsverbot im Sinne einer wesentlichen Effektivitätseinbuße hinsichtlich der von den anderen Ländern verfolgten Ziele für sehr wahrscheinlich gehalten. Demgegenüber haben die mit der Frage befassten Verwaltungsgerichte eine Inkohärenz des deutschen Glücksspielrechts ungeachtet der in Schleswig-Holstein geltenden abweichenden Regelungen bisher verneint (vgl. VG Saarlouis, Urteil vom 19. Januar 2012 - 6 K 521/10, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 26. April 2012 - 3 K 330/10, juris; Urteil vom 27. August 2012 - 3 K 882/12, juris).
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5. Es ist fraglich, ob eine unionsrechtliche Kohärenzprüfung der unterschiedlichen Ausgestaltung des Glücksspielrechts innerhalb der Bundesrepublik Deutschland schon deshalb ausscheidet, weil sie Ausfluss der bundesstaatlichen Ordnung ist (so Pagenkopf, NJW 2012, 2918, 2924). Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dazu - soweit ersichtlich - keine eindeutige Antwort zu entnehmen.
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a) Der Gerichtshof hat in der Sache Carmen Media Group (NvWZ 2010, 1422) ausgeführt: 69 Was den Umstand betrifft, dass die verschiedenen Glücksspiele zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fallen, ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn unter anderem nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen … 70 Dementsprechend müssen, auch wenn das Unionsrecht einer internen Zuständigkeitsverteilung , nach der für bestimmte Glücksspiele die Länder zuständig sind und für andere der Bund, nicht entgegensteht, in einem solchen Fall die Behörden des betreffenden Bundeslandes und die Bundesbehörden gleichwohl gemeinsam die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, nicht gegen Art. 49 EG zu verstoßen. Soweit die Beachtung dieser Bestimmung es erfordert, müssen diese verschiedenen Behörden dabei folglich die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeit koordinieren.
21
Diese Ausführungen legen die Annahme nahe, dass ebenso wie Bund und Bundesländer gegebenenfalls auch die Bundesländer untereinander ihre Politik im Glücksspielbereich in der Weise abzustimmen haben, dass die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Beachtung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, zuvor Art. 49 EG) eingehalten wird.
22
Danach bleiben zwar unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern auch im Bereich des Glücksspielrechts grundsätzlich möglich. Jedoch könnte es geboten sein, jede in einem Bundesland bestehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für sich genommen darauf zu überprüfen, ob ihre Eignung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels dadurch entfällt, dass ein anderes Bundesland eine abweichende Regelung trifft (vgl. Dörr/Janich aaO S. 7).
23
b) Andererseits hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache "Markus Stoß" klargestellt, dass Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Lotterie- und Wettmonopols gegenüber im Ausland ansässigen Veranstaltern die Vereinbarkeit eines solchen Monopols mit dem Unionsrecht nicht beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07, Slg.
2010, I-8069 = NVwZ 2010, 1409 Rn. 84 ff.). Es fragt sich, ob dieser Grundsatz auf die Nutzung von Internetangeboten aus Schleswig-Holstein durch dazu nicht befugte Spieler anderer Bundesländer übertragbar ist.
24
c) Nach Auffassung des Senats sollte diese Frage bejaht und dieerste Vorlagefrage verneint werden. Dagegen spricht insbesondere nicht schon die Erwägung, anders als bei Auswirkungen aus dem Ausland habe es der Mitgliedstaat grundsätzlich selbst in der Hand, regional unterschiedliche Bestimmungen innerhalb seines Staatsgebiets zu verhindern, die die Wirksamkeit eines Internetverbots beeinträchtigen (vgl. Dörr/Janich aaO S. 10 f.).
25
Die Europäische Union bildet eine Rechtsgemeinschaft, in der für das Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV (bislang Art. 5 EG) der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gilt. Dieser Grundsatz verpflichtet nicht nur die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten , sondern legt auch der Union entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf (EuGH, Beschluss vom 13. Juni 1990 - C-2/88, Slg. 1990, I-3367 = NJW 1991, 2409 Rn. 17 - Zwartveld; vgl. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 1996, S. 157 f.; Zuleeg in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU /EG-Vertrag, 6. Aufl., Art. 10 EG Rn. 11; Wölker in von der Groeben/Schwarze aaO Protokoll Nr. 24 Rn. 41). Daraus folgt für die Union ein Gebot der Rücksichtnahme auf verfassungsrechtliche Schwierigkeiten und - im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV - auf bundesstaatliche Strukturen in den Mitgliedstaaten. Zudem gilt für die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nunmehr ebenfalls in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV ausdrücklich verankert ist. Danach dürfen die den Mitgliedstaaten durch das Unionsrecht auferlegten Pflichten nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1970 - 25/70, Slg. 1970, 1162 Rn. 31 f. - Köster und Berodt & Co.; Langguth in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 36).
26
Es erschiene aus der Sicht des Senats wenig angemessen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar, wenn die Mehrzahl der Bundesländer - im Streitfall 15 Länder - ihr vom Unionsrecht anerkanntes Recht, selbst zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Glücksspieltätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollen vorzusehen (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 58 - Carmen Media Group), schon deshalb nicht ausüben könnte, weil ein einzelnes Bundesland eine abweichende Regelung einführen will (zum Kriterium der Angemessenheit im Zusammenhang mit der Berücksichtigung föderaler Strukturen im Unionsrecht vgl. Epiney, EuR 1994, 301, 319 ff.). Dabei ist zu beachten, dass in einer bundesstaatlichen Verfassung ein Bundesland weder vom Bund noch von den anderen Bundesländern gezwungen werden kann, eine bestimmte Regelung in einem der Kompetenz der Länder unterliegenden Bereich zu treffen.
27
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich in nicht harmonisierten Sektoren wie dem Glücksspielwesen die praktische Auswirkung einer durch Unterschiede zwischen den Ländern eines Bundesstaats bewirkten Inkohärenz für den Binnenmarkt nicht von abweichenden Regelungen unterscheiden dürfte, die zwischen kleineren und größeren Mitgliedstaaten bestehen und unionsrechtlich hinzunehmen sind.
28
6. Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Frage bejaht, sollte nach Auffassung des Senats die zweite Frage in der Weise beantwortet werden, dass es nicht zu einer Inkohärenz der im übrigen Bundesgebiet für das Inter- netglücksspiel geltenden Beschränkungen führt, wenn ihre Eignung durch eine liberalere Regelung in einem einzelnen, kleineren Bundesland nur unerheblich beeinträchtigt wird. Jedenfalls die Anerkennung einer Erheblichkeitsschwelle bei der Kohärenzprüfung erscheint unter dem unionsrechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geboten, wenn die uneinheitliche Regelung auf die bundesstaatliche Ordnung eines Mitgliedstaats zurückzuführen ist und einen unionsrechtlich nicht harmonisierten Dienstleistungsbereich betrifft.
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7. Die dritte Frage stellt der Senat für den Fall, dass sich die Rechtslage in Schleswig-Holstein bis zur Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens erneut ändern sollte.
30
a) Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein hat einen Gesetzentwurf eingebracht (Entwurf zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze, Schleswig-Holsteinischer Landtag Drucks. 18/104). Danach ist beabsichtigt, den Sonderweg des Landes im Glücksspielbereich zu beenden und dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 beizutreten. Allerdings sollen die Genehmigungen , die privaten Anbietern bisher erteilt worden sind, in Kraft bleiben (vgl. Art. 4 des Entwurfs). Nach § 4 Abs. 3 GlSpielG SH sind diese Genehmigungen, die den Internetvertrieb umfassen, für die Dauer von sechs Jahren erteilt worden. Für die Erlaubnisinhaber soll das jetzige Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein so lange fortgelten. Das gilt auch für § 26 GlSpielG SH, der Internetwerbung für erlaubte Glücksspiele zulässt.
31
b) Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit einer Regelung des Pensionsalters für Beamte ausgeführt, das Gesetz eines Mitgliedstaats oder eines Landes sei nicht schon deshalb inkohärent, weil es im Hinblick auf die Anhebung der Regelaltersgrenze zu einem anderen Zeitpunkt geändert werde als das entsprechende Gesetz eines anderen Mitgliedstaats oder Landes. Der Rhythmus der Änderung kann also von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein, um regionale Besonderheiten zu berücksichtigen und es den zuständigen Behörden zu ermöglichen, die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen (EuGH, Urteile vom 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10, NVwZ 2011, 1249 Rn. 96 f. - Fuchs und Köhler). Wie sich aus Randnummer 94 dieses Urteils ergibt, hatte das Land Hessen dort eine den Beamtengesetzen des Bundes und mehrerer Länder ähnliche Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre beabsichtigt, aber noch nicht eingeführt.
32
c) Nach Auffassung des Senats lassen sich diese Grundsätze auch im Zusammenhang mit legitimen Zielen dienenden Beschränkungen des Glücksspiels in Mitgliedstaaten mit bundesstaatlicher Verfassung anwenden.
33
aa) Sind sich die Länder eines Bundesstaats darüber einig, in Verfolgung legitimer Ziele des Allgemeinwohls Glücksspieltätigkeiten in systematischer und kohärenter Weise zu begrenzen, sollte es in Anwendung der Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit nicht zu einer unionsrechtlichen Inkohärenz führen, wenn ein Bundesland die entsprechenden Regelungen aufgrund einer abweichenden Ausgangslage zwar so rasch wie zumutbar , aber erst nach einer mehrjährigen Übergangszeit in Kraft setzen kann.
34
Dieses Ergebnis erscheint gerade in einem Bereich wie dem Glücksspielsektor geboten, in dem es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache jedes Mitgliedstaats ist zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Glücksspieltätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt , sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollen vorzusehen (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 58 - Carmen Media Group). Es handelt sich also nicht etwa um die Umsetzung einer Richtlinie der Union, bei der ein bestimmtes Regelungsziel den Mitgliedstaaten durch die Union verbindlich vorgegeben wird (vgl. Art. 288 AEUV) und deshalb insoweit von vornherein kein Koordinierungsbedarf zwischen den Bundesländern eines Mitgliedstaats besteht. Demgegenüber erfordert die Erfüllung der sich aus Randnummer 70 der Entscheidung "Carmen Media Group" ergebenden Pflicht der Bundesländer, ihre Zuständigkeiten zur Schaffung einer kohärenten Regelung des Glücksspielwesens zu koordinieren, von vornherein eine gewisse Zeit. Der Senat gibt zu bedenken, ob es nicht Sache der nationalen Gerichte sein sollte, im Einzelfall zu beurteilen, ob die bis zur Herstellung einer kohärenten Regelung des Glücksspielsektors in einem Mitgliedstaat in Anspruch genommene Zeitspanne den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit entspricht. Der Senat hielte es jedenfalls für geboten, aus dem Umstand einer Übergangszeit für einen Teil des Gebiets eines Mitgliedstaats auch dann keine Inkohärenz der Regelung des Glücksspielsektors abzuleiten, wenn die im überwiegenden Teil dieses Mitgliedstaats geltenden Beschränkungen des Glücksspiels dadurch vorübergehend in ihrer Wirksamkeit nicht unerheblich beeinträchtigt werden könnten.
35
bb) Der Senat gibt weiter zu bedenken, ob es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspräche, wenn die Mehrzahl der Bundesländer ihr unionsrechtlich anerkanntes Recht zur Regelung des Glücksspielsektors schon deshalb nicht mehr ausüben könnte, weil aufgrund besonderer Umstände ein einzelnes Bundesland entsprechende Regelungen erst nach einer Übergangszeit einführen kann.
36
cc) Die unionsrechtliche Zulässigkeit einer auch mehrjährigen Übergangszeit ist nach Ansicht des Senats insbesondere dann anzuerkennen, wenn aufgrund der besonderen Rechtslage in einem Bundesland die sofortige Herstellung der Kohärenz im Glücksspielsektor nicht möglich ist, weil von diesem Bundesland erteilte Genehmigungen während ihrer Geltungsdauer aus Grün- den des Vertrauensschutzes auch bei einer Änderung der Rechtslage nicht oder nur gegen für die öffentliche Hand schwer tragbare Entschädigungszahlungen zurückgenommen werden können. So stellt sich die Rechtslage in Schleswig-Holstein dar (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 6 VwG SchleswigHolstein ), falls es zu der dort in Aussicht genommenen Gesetzesänderung kommt.
37
8. Nach Auffassung des Senats sollte die vierte Frage gegebenenfalls in der Weise beantwortet werden, dass jedenfalls eine unerhebliche Beeinträchtigung der Eignung von Beschränkungen des Internetglücksspiels, die im übrigen Bundesgebiet gelten, während der Übergangszeit nicht als unionsrechtlich relevante Inkohärenz anzusehen ist.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.10.2009 - 31 O 552/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.09.2010 - 6 U 196/09 -

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.