Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 08. Juni 2017 - 1 K 4/14.MZ
Tenor
Der Gebührenbescheid des Polizeipräsidiums M. vom 25. September 2013 (Az.: ...) und der Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums M. vom 5. Dezember 2013 (Az.: ...) werden insoweit aufgehoben, als darin ein Betrag von über 729,88 € festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme von Kosten für polizeiliche Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, welche anlässlich einer Gebäuderäumung am 28. August 2012 erhoben wurden. Gegenstand der Klage ist der Gebührenbescheid der Beklagten vom 25. September 2013 sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2013. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Vom 3. August bis zum 28. August 2012 wurde das Anwesen O.-Straße Nr. X, in M. durch eine größere Personengruppe besetzt. Das Anwesen stand zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum der Stadtwerke M. AG. Mit Schreiben vom 14. August 2012 und vom 15. August 2012 stellte die Eigentümerin Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) bei der Staatsanwaltschaft M. Dieser Antrag bezog sich seinem Wortlaut nach nur auf die Hausbesetzer und nicht auf Besucher oder sonstige Personen, die den Besitz des Grundstücks nicht für sich beanspruchen.
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Bei der Räumung am 28. August 2012 wurde nach den Feststellungen der Polizei auch die Klägerin angetroffen und gegen sie im Anschluss von der Staatsanwaltschaft M. ein Ermittlungsverfahren (Az.: ...) eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde mit Verfügung vom 3. Juli 2013 nach § 154 StPO aufgrund einer zu erwartenden Verurteilung im Verfahren Az.: ... eingestellt. In diesem Verfahren wurde sie vom Amtsgericht M. rechtskräftig wegen Vergehen nach dem Versammlungsgesetz verwarnt und zur Ableistung von Sozialstunden nach Weisung des Jugendamtes verurteilt (Urteil vom 19. Dezember 2012 – Az.: ...).
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Bereits im Vorfeld der späteren Räumungsmaßnahmen am 9. August 2012 war von der Stadt M. gegenüber den tatsächlichen Nutzern des Anwesens eine Benutzungsuntersagungsverfügung ausgesprochen und für sofort vollstreckbar erklärt worden. Diese Verfügung beinhaltete das Verbot, das Anwesen und die Freiflächen zu Wohn- und Aufenthaltszwecken sowie zu kulturellen oder sozialen Zwecken zu nutzen. Als Gründe wurden unter anderem fehlende Flucht- und Rettungswege, fehlender Brandschutz durch nicht luftdicht schließende Außentüren sowie mangelhafte hygienische Verhältnisse aufgrund fehlender Wasser- und Abwasserversorgung benannt. Der hiergegen gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom Verwaltungsgericht Mainz mit Beschluss vom 20. August 2012 abgelehnt (3 L 963/12.MZ). Zudem sprach die Stadt M. eine Untersagungsverfügung gegen ein am 11. August 2012 geplantes Hoffest aus, welche den Organisatoren des Festes sowie den tatsächlichen Nutzern des Anwesens schriftlich am 10. August 2012 übermittelt wurde.
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Vor Ort fanden ferner am 13. August und am 25. August 2012 Demonstrationen mit jeweils einer Teilnehmerzahl von ca. 300 Personen statt. Nach den Feststellungen der Polizeibehörden kam es sodann am 28. August 2012 zu den folgenden Ereignissen:
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Die Personen vor Ort wurden zunächst mehrfach durch die Eigentümerin und die Polizei aufgefordert, das Anwesen O.-Straße Nr. X freiwillig zu räumen. Da diesen Aufforderungen nicht Folge geleistet wurde, begann am 28. August 2012 ab 5:00 Uhr der Polizeieinsatz zur Räumung des Geländes, der weitgehend auf Video aufgezeichnet wurde. Auch die Klägerin war zu dieser Zeit vor Ort und ihre Personalien wurden aufgenommen.
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Vor dem Anwesen befanden sich zu Beginn der Einsatzmaßnahme gegen 5:30 Uhr ca. 80 Personen, die den Zugang zum Anwesen blockierten bzw. behinderten. Die Information der geplanten Räumung war offenbar bereits am Nachmittag des 27. August 2012 publik geworden. Die Blockade zum Anwesen wurde nach den Feststellungen der Polizeivollzugskräfte durch massive Zaunelemente, Hausrat, Paletten und Gerümpel verstärkt. Der mehrfachen Aufforderung über Lautsprecher, die Örtlichkeit zu verlassen, kamen nur einige Personen nach. Es folgte die mehrmalige erneute Aufforderung, das Gelände zu verlassen und die Androhung unmittelbaren Zwangs. Gegen 6:35 Uhr wurde damit begonnen, die verbliebenen Personen vor dem Anwesen durch jeweils bis zu 4 Polizeibeamte fortzutragen. Bei diesen Personen wurden die Personalien festgestellt und in einer Datenstation chronologisch erfasst (sog. „Dasta-Liste“), die insgesamt 62 aufgenommene Personen enthält. Als letzte Person vor dem Anwesen sei eine „auffallend korpulente Person“ (Nr. 2-24 der „Dasta-Liste“) entfernt und deren Personalien sodann erfasst worden.
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Gegen 7:45 Uhr begann sodann die Räumung des Anwesens. Die massive Verbarrikadierung des Hoftors und somit des Zugangs zum Anwesen wurde unter Einsatz eines „Unimogs“ überwunden. Weitere Barrikadenteile wurden von den Einsatzkräften mit Kreissägen und Presslufthammern beseitigt. Gegen 8:00 Uhr konnte das Gelände durch die Polizeibeamten betreten werden. Direkt hinter dieser Barrikade wurde eine männliche Person angetroffen, deren Personalien später erfasst wurden (Nr. 2-25 der „Dasta-Liste“). Die Person wurde von den Beamten weggetragen, nachdem er sich zuvor mit einer öligen Farbe übergossen hatte.
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Gegen 8:20 Uhr konnten die Einsatzkräfte in den Seitenflügel des Gebäudes vordringen. Ein Zugriff durch die Haupteingangstür verzögerte sich aufgrund massiver Barrikaden und der Widerstandsfähigkeit der Tür, welche mit Rammbock und Kreissäge bearbeitet wurde. Um 9:15 Uhr wurde das Gebäude durch Beamte des SEK mittels eines Hubwagens, welcher einen Tag zuvor angemietet wurde, über das Dach betreten. So konnten schließlich die Personen, die sich auf dem Dach und im Dachgeschoss verschanzt hatten, herausgetragen werden. Die Personalien dieser Personen wurden festgestellt und ebenfalls in der „Dasta-Liste“ erfasst. Der Einsatz war laut Polizeibericht um 10:30 Uhr beendet und das Anwesen konnte gegen 11:30 Uhr an die Eigentümerin übergeben werden. Bereits um 11:00 Uhr formierte sich gegen die Räumung eine Spontandemonstration von ca. 50 Personen, die um 12:00 Uhr am Hauptbahnhof M. für beendet erklärt wurde.
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An dem Einsatz waren laut Einsatzbericht des Beklagten 371 Polizeibeamte des Landes Rheinland-Pfalz (77 Beamte des Polizeipräsidiums M. und 294 Beamte der Bereitschaftspolizei) sowie 34 Polizeibeamte aus dem Land Hessen beteiligt. Die hessischen Beamten waren jedoch nur als Reserve vor Ort und kamen nicht zum Einsatz. Der Einsatz dauerte von 5:00 Uhr bis 14:00 Uhr und die gesamten Einsatzstunden beliefen sich gemäß dem Einsatzbericht auf 2.991. Daraus resultierten nach den Feststellungen der Polizeibehörden kalkulatorische Kosten (inklusive der Sachkostenpauschale je Stunde) von 163.697,58 €. Die Kosten für die Anmietung des Hubwagens bei der Firma N. AG in F. betrugen entsprechend dem vorliegenden Beleg 1.802,83 €. Diese Kosten sollten in der Folgezeit nach polizeiinterner Entscheidung und Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium anteilig bei den Personen, gegen die unmittelbarer Zwang angewendet wurde, geltend gemacht werden. Dabei wurden aufgrund der Einsatzdauer die zwei Fallgruppen der blockierenden Personen vor (zwei Einsatzstunden) und in dem Anwesen (fünf Einsatzstunden) unterschieden.
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Insgesamt wurden bei dem Einsatz 79 Personen polizeilich überprüft, 78 Personen erhielten einen Platzverweis. Dabei wurde nach den Feststellungen der Polizei gegen 64 Personen unmittelbarer Zwang angewendet, wobei 43 Personen vor dem Anwesen und 21 Personen im Anwesen betroffen waren. In der Folgezeit wurden nach den offiziellen Angaben des Polizeipräsidiums M. gegenüber der Presse (vgl. Allgemeine Zeitung vom 21. April 2017 unter http://www.allgemeine-zeitung.de/...) gegenüber 59 Personen Kostenbescheide erlassen, mit denen im Wesentlichen Personalkosten für den Einsatz und Ersatz für beschädigte Einsatzmaterialien geltend gemacht wurden. Die Kosten für den Hubwageneinsatz sollte von den Personen getragen werden, die sich in dem Gebäude verbarrikadiert hatten. Der Hubwagen wurde dabei nach den Feststellungen des Beklagten für 13 von 21 Personen im Gebäude benötigt, die sich auf dem Dach bzw. dem Dachboden verschanzt hatten.
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Mit Schreiben vom 17. Juli 2013 wurde die Klägerin hinsichtlich einer Gebührenerhebung angehört. Mit Gebührenbescheid vom 25. September 2013, der Klägerin am 27. September 2013 zugestellt, wurden sodann Gebühren in Höhe von 1.121,72 € geltend gemacht. Dieser Betrag setzt sich aus 979,60 € Einsatzgebühren von vier Beamten des gehobenen Dienstes mit jeweils einem Zeitaufwand von fünf Stunden (4 x 45,35 € x 5 = 907,- €) und einer Sachkostenpauschale je Stunde und Beamter zu 3,63 € (= 72,60,- €), anteiligen Hubwagenkosten in Höhe von 138,67 € sowie Gebühren für die Postzustellung in Höhe von 3,45 € zusammen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klägerin sich im Anwesen befunden habe und mit unmittelbarem Zwang rausgetragen worden sei. Die Einsatzdauer hierfür habe insgesamt fünf Stunden betragen, nämlich von 5:30 Uhr bis 10:30 Uhr, und dabei seien vier Polizeibeamte notwendig gewesen.
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Mit Schreiben vom 28. September 2013 legte die Klägerin Widerspruch ein, welchen sie mit Schreiben vom 1. Dezember 2013 begründete. Hierzu hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass der Polizeieinsatz am 28. August 2012 rechtswidrig gewesen sei. Die Eigentümerin habe zunächst einen rechtswirksamen Räumungstitel erwirken müssen, da das Anwesen bereits dreieinhalb Wochen bewohnt gewesen sei. Platzverweis und unmittelbarer Zwang im Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und im Anwendungsbereich des Versammlungsrechts seien unrechtmäßig. Im Übrigen seien schon keine Hinweise auf eine Beteiligung der Klägerin an der Hausbesetzung und keine Beweismittel dafür vorhanden. Eine alleinige Personalienerfassung sei keine Grundlage für eine gebührenrechtliche Inanspruchnahme. Auch die konkrete Berechnung halte rechtlichen Vorgaben nicht stand. So seien die Personalkostenberechnung und die Hubwagenanmietung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin sich im Anwesen befunden habe und sich dies bereits unzweifelhaft aus der Datenerfassung in der „Dasta-Liste“ ergebe. Ein zivilrechtlicher Räumungstitel sei nicht erforderlich gewesen, weil er schon nicht realisierbar gewesen sei. Ferner stünden Art. 5 und Art. 8 GG nicht entgegen, denn für die Klägerin sei der Schutzbereich nicht eröffnet, da diese Grundrechte nicht die Zugänglichkeit zu fremdem Eigentum gewähren könnten. Die Gebührenerhebung sei der Höhe nach rechtmäßig. Auch die Berechnung von vier Beamten und für einen Zeitraum von 5 Stunden sei sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Januar 2014 Klage zum Verwaltungsgericht. Die Klägerin trägt über ihre Widerspruchsbegründung hinausgehend vor, dass es sich vorliegend nicht um Gefahrenabwehr, sondern um Strafverfolgung gehandelt habe. Es fehle ein wirksamer Grundverwaltungsakt. Die reine Unbekanntheit der Bewohner für die Eigentümerin ändere nichts daran, dass es eines Räumungstitels bedürfe. Ferner seien Besucher auch nicht erfasst. Es handele sich vorliegend um eine Spontanversammlung, sodass § 13 POG nicht anwendbar sei, eine Auflösung der Versammlung habe hingegen nicht stattgefunden, obwohl nur Versammlungsrecht Anwendung finde. Ferner handele es sich um die Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und diese Rechte machten nicht bei Grundrechten Dritter halt. Der Schutz Dritter und deren Eigentums richte sich dagegen nur nach dem Zivilrecht. Auch die Eigentümerin sei an die Grundrechte gebunden. Ferner habe man sich um einen Nutzungsvertrag mit dieser bemüht.
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Gegen die Klägerin sei kein unmittelbarer Zwang angewendet worden. Die „Dasta-Liste“ sei kein hinreichender Nachweis für die Beteiligung, da von 79 erfassten Personen, nur gegen 64 unmittelbarer Zwang ausgeübt wurde und gegen 15 Personen nur ein Platzverweis erteilt worden sei. Ferner stimme die Liste nicht mit Zeit und Ort der Datenerfassung überein. Die Kosten für die Demonstration ab 11 Uhr und andere Zeiträume blieben gänzlich offen. Die Kosten seien ferner mit eigener Arbeit am Gebäude und geleisteten sozialen Tätigkeiten zu verrechnen.
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Die Kosten dürften zudem nur einmal erhoben und müssten unter allen als Gesamtschuldner geteilt werden. Kostengrundlage und -berechnung seien rechtlich nicht haltbar, insbesondere sei die Höhe der Kosten unverhältnismäßig. Ferner wäre in einem Strafverfahren eine geringere Geldstrafe angefallen. Die gesamte Anzahl der Polizeibeamten sowie 4 Beamte pro Personen seien nicht notwendig gewesen und auch nicht genutzt worden; dies ergebe sich auch aus den mit der Klageschrift vorgelegten Lichtbildern. Es reichten bei einem kooperativen Blockierenden auch zwei Polizeibeamte aus. Ein „Hinfortbegleiten“ durch Polizeibeamte stelle auch keinen unmittelbaren Zwang dar. Handlungen wie An- und Abfahrt, Lagebesprechung, Personenkontrolle, Absicherung, etc. stellten keinen Kostentatbestand dar und könnten nicht in Rechnung gestellt werden. Es müsse berücksichtigt werden, dass die durch die Hausbesetzer aufgeworfene politische Fragestellung eine drängende Debatte betreffe und diese durch ihr Handeln publik wurde. Die Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2011 bzw. vom 21. Februar 2013 seien Verwaltungsvorschriften und somit nicht maßgeblich. Viele Polizeibeamte seien nicht im Einsatz gewesen und hätten nur zugeschaut. Die Anzahl der Beamten insgesamt sei unverhältnismäßig, dies gelte auch bei einer eingeräumten Einschätzungsprärogative.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gebührenbescheid des Polizeipräsidiums M. vom 25. September 2013 (Az.: ...) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums M. vom 5. Dezember 2013 (Az.: ...) aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt ergänzend zum Widerspruchsbescheid vor, die Maßnahme sei weder der Staatsanwaltschaft zuzuordnen noch sei auf Verlangen der Eigentümerin gehandelt worden. Es handele sich um eine eigenständige polizeibehördliche Entscheidung zur Räumung des Anwesens. Eine Versammlung liege durch die Beeinträchtigung fremden Eigentums gerade nicht vor. Die Anwendung des unmittelbaren Zwanges gegen die Klägerin ergebe sich aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte und der „Dasta-Liste“. Die Vor- und Nachbereitungshandlungen gehörten zu einem Polizeieinsatz und fänden daher in den Kosten Berücksichtigung. Die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten sei verhältnismäßig und polizeitaktisch notwendig gewesen. Auch vier Beamte pro Person seien verhältnismäßig wegen erforderlicher Eigen- und Fremdsicherung, sowie dem Forttragen der jeweiligen Person. Dies ergebe sich aus der Teilnehmerzahl vorheriger Demonstrationen sowie dem Bekanntwerden des Einsatzes am 27. August 2012. Im Falle der Befolgung des Platzverweises seien keine Daten erfasst worden. Es seien auch vier Beamte pro Person eingesetzt worden, einerseits für den unmittelbaren Zwang und andererseits für Begleitmaßnahmen. Sie seien jedoch alle gebührenrechtlich geltend zu machen.
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Die Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2011 bzw. vom 21. Februar 2013 seien als Orientierungshilfe der Kostenberechnung und bei der Anwendung von § 3 LGebG zugrunde gelegt worden, wobei das Kostendeckungsprinzip gelte. Die Kostenberechnung sei individuell erstellt worden. Die Anzahl der eingesetzten Beamten sei zum Eigen- und Fremdschutz notwendig gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft M. (Az.: ...) und der beigezogenen verwaltungsgerichtlichen Akte des Verfahrens 3 L 963/12.MZ Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Bescheide hätten nicht in der geltend gemachten Höhe ergehen dürfen und waren daher teilweise rechtswidrig und in dem im Tenor genannten Umfang entsprechend zu reduzieren.
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1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO eröffnet, denn der angegriffene Gebührenbescheid beruht als belastender Verwaltungsakt nach § 35 Satz 1 VwVfG auf öffentlich-rechtlichen Normen, die ausschließlich einen Hoheitsträger berechtigen und verpflichten.
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2. Auch wenn es wegen der prozessualen Konstellation der Anfechtungsklage gegen einen Gebührenbescheid – anders als bei der Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. zur Abgrenzung u.a. zu §§ 23 ff. EGGVG etwa: BayVGH, Beschluss vom 29. September 2014 – 10 C 12.1609 –, juris) nicht primär für den Rechtsweg, sondern für die rechtswirksame Auswahl und Anwendung der Ermächtigungsgrundlage von Belang ist, ist schon in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es sich entgegen der Annahme der Klägerin im Schwerpunkt der Einsatzes am 28. August 2012 nicht um repressive Maßnahmen im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) handelte, die hinsichtlich der Statthaftigkeit einer Klage unter Umständen eine abdrängende Sonderzuweisung zur Folge hätten (vgl. § 23 EGGVG) und die verwaltungsvollstreckungsrechtliche Einordnung der Maßnahmen schon ganz grundsätzlich in Frage stellen würden. Dies war etwa in dem von der Klägerin zitieren Verfahren betreffend das “Café D.“ der Fall, wo im Schwerpunkt Maßnahmen der Strafverfolgung vorlagen und dementsprechend der Feststellungsantrag hinsichtlich der Art und Weise der Durchsuchung gerade auf der Grundlage des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO gestellt worden war. Demgegenüber handelt die Polizei hier im präventiven Bereich zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die gerichtliche Kontrolle erfolgt dabei durch die Verwaltungsgerichte. Darüber hinaus werden auch Maßnahmen der sogenannten Strafverfolgungsvorsorge von den Verwaltungsgerichten überprüft (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 179, Rn. 7).
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3. Bei den Einsätzen der Polizei in der O.-Straße Nr. X in M. am 28. August 2012 handelte es sich um sogenannte doppelfunktionale Maßnahmen, die sowohl der Gefahrenabwehr, als auch der Strafverfolgung dienten. Die Bestimmung der rechtlichen Qualität des Handelns erfolgt dabei durch eine „Schwerpunktbildung“, nämlich nach Anlass und Zielrichtung des behördlichen Handelns. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete (Strafrecht zu Polizeirecht) ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt, wobei der Sachverhalt einheitlich zu betrachten ist (st. Rspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 – I C 11.73 –, BVerwGE 47, 255; OVG SH, Beschluss vom 8. November 2013 – 11 OB 263/13 –, juris Rn 4; VG Neustadt/W., Urteil vom 22. August 2011 – 5 K 301/11.NW –, juris). Dabei ist es ausreichend, wenn der Grund des polizeilichen Einschreitens bzw. dessen Schwerpunkt nach objektiver Betrachtung für den Betroffenen nicht zweifelsfrei einzuordnen ist, dabei zumindest auch ein präventiv-polizeilicher Zweck verfolgt wurde und eine entsprechende Rechtsgrundlage in Betracht kam (vgl. etwa OVG SH, Beschluss vom 8. November 2013 – 11 OB 263/13 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2014 – 5 E 375/14 –, juris).
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Bei dem Einsatz am 28. August 2012 ging es im Schwerpunkt des Handelns der Polizeibehörde darum, eine bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Der Beklagte verfolgte mit der großangelegten Polizeiaktion primär das Ziel, das Gebäude O.-Straße Nr. X in M. zu räumen und damit die mit der unerlaubten Nutzung verbundenen Gefahren abzuwehren. Der Umstand, dass hierbei auch strafrechtlich relevante Sachverhalte festzustellen sein würden – insbesondere § 123 StGB, aber auch Delikte nach dem Versammlungsgesetz (VersG) oder § 303 StGB – lässt den präventivrechtlichen Ansatz nicht entfallen, eröffnet die Ermächtigungsgrundlage für Verwaltungsvollstreckungsrecht im engeren Sinne und zugleich die materiell-rechtliche Überprüfung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren; dies ist zugleich für das Erfordernis eines zivilrechtlichen Räumungstitels von Bedeutung (s. u.).
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4. Statthafte Klageart ist hiernach die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, ohne dass es hierbei auf den präventivrechtlichen Charakter der Maßnahmen und die grundsätzliche Zulässigkeit einer Gebührenerhebung für Polizeieinsätze ankäme (vgl. exempl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 – 1 A 23/85 –, BVerwGE 79, 110; Beschluss vom 21. Januar 1993 – 4 B 206/92 –, juris).
II.
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Die Klage ist teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
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1. Der Bescheid vom 25. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums M. vom 5. Dezember 2013 ist in Höhe von 391,84 € rechtswidrig und verletzt daher die Klägerin insoweit auch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Hinsichtlich eines Betrages von 729,88 € ist der Gebührenbescheid dagegen nicht zu beanstanden.
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2. Ermächtigungsgrundlage für den Gebührenbescheid ist § 57 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG), §§ 65, 83, 85 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) und §§ 1 Nr. 10, 8 Abs. 4 der Kostenordnung zum Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVGKostO) i.V.m. §§ 3, 10 Landesgebührengesetz (LGebG).
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Der streitgegenständliche Gebührenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium M. ist für die Gebührenerhebung gemäß § 57 Abs. 1 POG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 LVwVG zuständig, da dieses auch den zu vollstreckenden Verwaltungsakt erlassen hat. Die Klägerin wurde hierzu durch Schreiben vom 17. Juli 2013 nach § 28 Abs. 1 VwVfG angehört.
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3. Der Bescheid ist jedoch nur teilweise materiell rechtmäßig. Ein Gebührenbescheid im Vollstreckungsrecht ist materiell nur rechtmäßig, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen rechtmäßig waren, der/die richtige Kostenschuldner(in) ausgewählt wurde und die Kosten im vollen Umfang erstattungsfähig sind.
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a. Die Vollstreckungsmaßnahmen selbst waren – soweit es hier darauf ankommt – rechtmäßig. Die Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungsmaßnahme ergibt sich aus § 57 Abs. 1 POG i.V.m. §§ 2 Nr. 2, 61 Abs. 1 LVwVG.
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Die Vollstreckungsmaßnahmen waren zunächst formell rechtmäßig. Gemäß § 57 Abs. 1 POG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 LVwVG war das Polizeipräsidium M. zuständig. Das gebotene Verfahren wurde von der Beklagten eingehalten. Insbesondere hat die Polizei ab etwa 6:00 Uhr mehrfach über Megaphon die anwesenden Personen aufgefordert, das Gebiet freiwillig zu räumen, anderenfalls würden Zwangsmittel angewendet. Für die hierin zu erblickende Androhung bedurfte es keiner Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG.
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Das gewählte Verfahren der Zwangsvollstreckung war nicht zu beanstanden. Jede Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung setzt zunächst grundsätzlich einen wirksamen Grundverwaltungsakt voraus, der auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen gerichtet ist, § 61 Abs. 1 LVwVG. Zwangsmittel können im Ausnahmefall auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt (§ 61 Abs. 2 LVwVG).
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Vorliegend handelte es sich um einen geplanten und geordneten Einsatz, so dass der Grundverwaltungsakt nicht entbehrlich war. Der jeweils zu vollstreckende Verwaltungsakt bestand in der Form von Platzverweisen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 POG (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21. Juli 2015 – 5 K 5066/14 –, juris [dort zu § 27a Abs. 1 PolG BW]) der über Lautsprecher der Polizei als Allgemeinverfügung erging (§ 35 Satz 2 VwVfG). Es handelte sich um eine Anordnung gegenüber den Demonstranten bzw. Hausbesetzern (vgl. etwa Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 780), die Straße vor dem Anwesen O.-Straße Nr. X und das Grundstück bzw. das Gebäude zu verlassen.
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Auf die Rechtmäßigkeit des Platzverweises vom 28. August 2012 kam es dabei – soweit es zunächst um die Vollstreckung selbst geht (sog. Primärebene) – zunächst nicht an. Die §§ 2, 61 Abs. 1 LVwVG setzen ihrem Wortlaut nach lediglich die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Grundverwaltungsaktes voraus, so dass ein bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer Verwaltungsakt nur dann nicht Grundlage einer Vollstreckungshandlung sein kann, wenn er – was hier nicht der Fall ist – nichtig ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. November 1996 – 8 A 13546/95.OVG –, NVwZ 1997, 1009; OVG Nds., Beschluss vom 23. April 2009 – 11 ME 478/08 –, juris Rn. 33 m.w.N; VGH BW, Urteil vom 10. Januar 2013 – 8 S 2919/11–, VBIBW 2013, 341; VG Neustadt/W., Beschluss vom 7. September 2009 – 3 L 736/09.NW –, juris Rn 16).
- 41
b. Etwas anders gilt aber für den Bereich der Kostenerstattung, der sogenannten Sekundärebene. Die Vollstreckungsschuldnerin oder der Vollstreckungsschuldner hat schon gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 LVwVGKostO die Kosten für die Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu tragen, soweit sich diese Maßnahmen als unzulässig erweisen. Anders als bei der Vollstreckung selbst kommt es demnach schon einfachrechtlich für eine Kostenerhebung auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung – hier des Platzverweises vom 28. August 2012 – an. Dies folgt unabhängig von der Vorgabe des § 12 Abs. 2 Satz 1 LVwVGKostO bereits aus allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen. Danach kommt eine Erstattung nur für solche Kosten in Betracht, die der Polizei oder deren Beauftragten durch eine rechtmäßige Maßnahme entstanden sind. Die vollstreckungsrechtliche Beschränkung findet ihre Bestätigung in einer gebührenrechtlichen Betrachtungsweise. Die von § 2 Abs. 1 LGebG vorausgesetzte Verknüpfung zwischen der Amtshandlung und dem „Sondervorteil“ für den Gebührenschuldner lässt sich eben nur dann begründen, wenn die Leistung der Verwaltung ihrerseits rechtmäßig ist und sich das Verwaltungshandeln somit im Rahmen der verfassungsrechtlich auferlegten Bindung an Gesetz und Recht – Art. 20 Abs. 3 GG – bewegt (OVG RP, Urteil vom 25. August 2005 – 12 A 10678/05 –, AS RP-SL 32, 326). Als Kontrollüberlegung kann hier dienen, dass rechtswidrige Maßnahmen anlässlich einer Versammlung wiederum zum Gegenstand einer (erfolgreichen) Fortsetzungsfeststellungsklage gemacht werden könnten (vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 22. September 2015 – 10 B 14.2246 –, NVwZ-RR 2016, 498; VGH BW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 1 S 257/13 –, VBlBW 2015, 428).
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c. Der Platzverweis gegenüber der Klägerin war auch materiell rechtmäßig. Die Maßnahmen dienten der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Eine Gefahr liegt vor, wenn ex ante die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass es bei ungestörtem Geschehensablauf in absehbarer Zeit zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kommt. Die öffentliche Sicherheit umfasst die gesamte Rechtsordnung, Individualrechtsgüter, sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen.
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Vorliegend bestand ein fortwährender bzw. zumindest drohender Verstoß gegen § 123 StGB (sowie auch § 303 StGB), da die kollektive Umnutzung zu einem„autonomen Kulturzentrum“ von der Eigentümerin ausdrücklich untersagt worden war und diese bereits am 14. und 15. August 2012 Strafanzeige gestellt hatte. Ferner bestand seit dem 9. August 2012 die genannte Benutzungsuntersagung der Stadt M. gemäß § 81 LBauO. Die Nichtbefolgung einer vollziehbaren Benutzungsuntersagung stellt unabhängig von der strafrechtlichen Erheblichkeit eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 89 Abs. 4 Satz 1 Nr. 17 LBauO). Ein Verstoß hiergegen drohte fortwährend bzw. fand gerade permanent statt.
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d. Auch waren Individualrechtsgüter betroffen. Hinsichtlich der Eigentümerin des Anwesens waren dies ihre Eigentumsrechte nach Art. 14 Abs. 1 GG bzw. aus § 903 BGB. Aber auch Individualrechtsgüter der Hausbesetzer selbst waren gefährdet, auch soweit diese die Risiken bewusst in Kauf genommen haben sollten. Im Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 20. August 2012 (3 L 963/12.MZ) wurde dargestellt, dass das Anwesen nicht über notwendige Flucht- und Rettungswege verfüge, der Brandschutz wegen nicht luftdicht schließender Außentüren unzureichend sei und mangelhafte hygienische Verhältnisse aufgrund fehlender Wasser- und Abwasserversorgung festgestellt worden seien. Insbesondere bestand nach den sachverständigen Feststellungen für das Anwesen O.-Straße X auch Einsturzgefahr. Ferner ging von den Barrikaden eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus. Diese bestanden aus massiven Zaunelementen, Hausrat, Paletten und Gerümpel, welche ein erhebliches Verletzungspotential für die Anwesenden vor Ort und die Polizeibeamten bedeutete. Gerade die Unzugänglichkeit durch Barrikaden stellte eine Gefahrenquelle für alle Beteiligten dar, welche die Eingriffsschwelle der Polizeieinsatzkräfte deutlich senkte und zur ermessensgerechten Entscheidung einer Räumung beitrug. Nach alledem bestanden sowohl erhebliche und gegenwärtige Gefahren für die Gesundheit der Bewohner bzw. Besetzer, als auch für die Rechtspositionen der Eigentümerin, für deren Beendigung der Beklagte ein eigenes Entschließungsermessen bei der Verfügung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 POG in Anspruch nehmen konnte.
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4. Das Vorgehen der Bewohner bzw. Nutzer des Anwesens war auch nicht durch das Versammlungsrecht gedeckt, sodass die Grundrechte aus Art. 8 Abs. 1 GG der Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 POG nicht im Wege standen.
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a. Gegen eine öffentliche Versammlung sind nur die im Versammlungsgesetz geregelten Maßnahmen zulässig. Auf das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz können Maßnahmen daher erst nach deren Auflösung gestützt werden (vgl. nur Hendler/Hufen/Jutzi, Landesrecht Rheinland-Pfalz, Rn. 172, m.w.N). Bis dahin ist von der sogenannten „Polizeifestigkeit“ der Versammlung auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 1726/01 –, juris Rn 18; BVerwG, Beschluss vom 16. November 2010 – 6 B 58/10 –, juris Rn 6).
- 47
b. Eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und 2 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und umfasst auch provokative Äußerungen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315 <342 f.>). Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 –, BVerfGE 73, 206 <248>; Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92 <103 f.>). Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (BVerfGE 69, 315 <345>).
- 48
c. Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (vgl. BVerfGE 69, 315 <351>). Er endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (vgl. BVerfGE 73, 206 <250>).
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d. Die Versammlungsfreiheit verschafft allerdings kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt sie keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 <251>). Die Durchführung von Versammlungen in Verwaltungsgebäuden oder in eingefriedeten, der Allgemeinheit nicht geöffneten Anlagen ist durch Art. 8 Abs. 1 GG ebenso wenig geschützt wie etwa in einem öffentlichen Schwimmbad oder Krankenhaus. Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführungen von Versammlungen jedoch dort, wo ein kommunikativer Verkehr eröffnet ist; ausschlaggebend ist die tatsächliche Bereitstellung des Ortes und ob nach diesen Umständen ein allgemeines öffentliches Forum eröffnet ist (BVerfGE 128, 226 <251 ff.>).
- 50
e. Im Ergebnis erstreckt sich das Versammlungsrecht damit nur auf eigenen und auf öffentlichen Grund, soweit dieser dem Gemeingebrauch gewidmet ist. Ein Recht zur Versammlung auf fremden Grundstücken besteht nicht. Schon deswegen fallen Besetzungen fremder Grundstücke oder Sitzblockaden in fremden Gebäuden nicht unter das Versammlungsgrundrecht, ohne dass es insoweit noch auf das Kriterium der Unfriedlichkeit ankäme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001, - 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92, Rn. 44 ff.; LG Köln, Urteil vom 16. August 2013 – 24 O 392/12 –, juris Rn 27; Schneider, in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, Stand: 01.03.2017, Art. 8 GG, Rn. 13 f.).
- 51
f. Hiergegen können auch nicht die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 18. und 20 Juli 2015 – 1 BvQ 25/15 – herangezogen werden. Denn die Beeinträchtigung wurde dort nur für eine kurze Dauer von etwa 15 Minuten als gerechtfertigt angesehen, ohne dass die Maßstäbe der Senatsrechtsprechung (vgl. nur BVerfGE 128, 226) berührt worden wären. Eine Besetzung von mehreren Tagen und Wochen, kann daher offensichtlich nicht in den Schutzbereich von Art. 5 und 8 GG fallen. Es bleibt vielmehr dabei, dass das Betreten eines fremden Grundstücks gegen den Willen des Grundstückseigentümers bereits eine Rechtsgutverletzung in Bezug auf das Eigentumsrecht darstellt, so dass auch die Blockade einer Anlage auf einem fremden Grundstück nicht mit dem Versammlungsrecht gerechtfertigt werden kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 04. November 1997 – VI ZR 348/96 –, BGHZ 137, 89 zur Deliktshaftung für Blockaden von Baumaschinen; LG Köln, Urteil vom 16. August 2013 – 24 O 392/12 –, juris Rn 27 zur Blockade von Gleisanlagen auf einem privaten Grundstück).
- 52
5. Fehlte es demnach für die versammelten Personen innerhalb des Anwesens bereits an dem Schutz des Art. 8 GG, so gilt dies nicht für die Versammlung außerhalb des Anwesens.
- 53
a. Der Schutz des Art 8 GG bestand zunächst grundsätzlich unabhängig davon, ob die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 1726/01 –, NVwZ 2005, 80). Die Rechtspflicht, Versammlungen unter freiem Himmel vor ihrer Bekanntgabe anzumelden, hat den Sinn, den Behörden diejenigen Informationen zu vermitteln, die sie benötigen, um Vorkehrungen zum störungsfreien Verlauf der Veranstaltung und zum Schutz von Interessen Dritter oder der Gesamtheit treffen zu können (BVerfGE 69, 315 <350>). Sie soll überdies auf eine Verständigung zwischen Veranstaltern und Ordnungsbehörden hinwirken, die eine kooperative Festlegung von Veranstaltungsplan und Ordnungsvorkehrungen begünstigt, und damit dem störungsfreien Verlauf der Versammlung dienen. Insofern behält die Anmeldepflicht auch bei Versammlungen ihren Sinn, die den Ordnungsbehörden bereits aus anderen Quellen bekannt geworden sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <358 f.>). Auch die in § 14 VersG vorgesehene Anmeldefrist von 48 Stunden vor Bekanntgabe der Versammlung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 54
b. Allerdings bedarf § 14 VersG der einschränkenden Auslegung. Die Anmeldepflicht erstreckt sich nach seinem Wortlaut unterschiedslos auf sämtliche Versammlungen unter freiem Himmel. Dies gilt jedoch nicht für sog. Spontanversammlungen, die sich aus einem momentanen Anlass ungeplant und ohne Veranstalter entwickeln. Eine Anmeldung ist hier regelmäßig aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Ein Beharren auf der Anmeldepflicht des § 14 VersG müsste folglich zur generellen Unzulässigkeit von Spontanversammlungen führen. Das wäre mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfällt mithin für Spontanversammlungen die Anmeldepflicht. Für Eilversammlungen – die ohne Gefährdung des Demonstrationszwecks nicht unter Einhaltung der Frist des § 14 VersG angemeldet werden können – verkürzt sich die Anmeldefrist angemessen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1991 – 1 BvR 850/88 –, BVerfGE 85, 69).
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c. Vorliegend bestanden zwar Zweifel an der Schutzwürdigkeit im Hinblick darauf, ob noch eine Anmeldung der Versammlung möglich gewesen wäre. Die Kammer geht in diesem nicht mehr näher zu klärenden Zweifelsfall zugunsten der Versammlungsteilnehmer als Grundrechtsträger von einem Schutz durch Art. 8 GG aus, so dass für die Auflösung der Spontanversammlungvor dem Eingang folglich eine Verfügung gemäß § 15 Abs. 3 VersG erforderlich war. Zwar ist allein mangelnde Kooperation auch bei Spontanversammlungen kein Auflösungsgrund, bei fehlender Kooperation kann aber die Polizei deutlich autarker und damit regelmäßig auch weitgehender Entscheidungen im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen und infolgedessen auch die Versammlung eher vollständig auflösen (vgl. Dietzel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2017, § 14 Rn. 109 ff.).
- 56
d. Die Auflösung beendet den Grundrechtsschutz für eine bestehende Versammlung (vgl. Dietzel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15, Rn. 207). Zwar regelt das Versammlungsgesetz die Eingriffsbefugnisse in eine öffentliche Versammlung abschließend und lässt einen Rückgriff auf das Polizeirecht grundsätzlich erst zu, wenn die Versammlung beendet wurde (vgl. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, K. Rn. 23); jedoch wurde die Versammlung am 28. August 2012 aufgelöst, wie sich nicht nur aus den unwiderlegten Angaben des Beklagten, sondern unzweifelhaft auch aus den Videoaufzeichnungen des Einsatzes ergibt. Darin wird ausdrücklich und mehrfach über Lautsprecher die Versammlungsauflösung ausgesprochen. So wurde unter anderem gegen 6.25 Uhr die Auflösung der Versammlung vor dem Haus erklärt (ab etwa Min. 2:09 auf dem Film). Hiervon konnte sich die Kammer in der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und erneut in der Verhandlung durch richterlichen Augenschein (§ 371 Abs. 1 ZPO) zweifelsfrei überzeugen.
- 57
e. Die Auflösung einer Versammlung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der dazu führt, dass die Schutzwirkung des Art. 8 GG endet. Die Pflicht für die Teilnehmer, sich zu entfernen, folgt aus den nachfolgenden Platzverweisen auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 POG. Für die Rechtmäßigkeit dieser Platzverweise kommt es auf dabei zunächst nur auf die Wirksamkeit der Versammlungsauflösung an (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 1726/01 – BVerfGK 4, 154; Beschluss vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88/91 – BVerfGE 87, 399; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2005 – 22 W 32/05 – NVwZ-RR 2006, 254; VG Schleswig, Urteil vom 22. Februar 2005 – 3 A 338/01 – BeckRS 2005, 30563). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Versammlungsauflösung ist dabei im Wege nachgeschalteten Rechtsschutzes möglich. Aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr ist es erforderlich, den Einsatzkräften vor Ort eine sichere und handhabbare Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88/91 – BVerfGE 87, 399).
- 58
f. Der Platzverweis wurde von der zuständigen Polizeibehörde verfahrens- und formfehlerfrei ausgesprochen. Die Blockade des Gebäudezugangs durch die angetroffenen Personen stellte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Sie liegt vorliegend in der Störung eines umfassend vorbereiteten und nicht ohne zwingende übergeordnete Gründe abzubrechenden Polizeieinsatzes zur Gefahrenabwehr im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 POG (vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E. 438; Rühle, Polizei und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, 5. Aufl. 2013, G. Rn. 31). Der (spätere) Platzverweis für Besetzer des Anwesens war entsprechend den vorherigen Ausführungen ohnehin nicht zu beanstanden, da ihnen der grundrechtliche Schutz des Versammlungsrechts – wie dargelegt – nicht zur Seite stand.
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6. Entgegen der Ansicht der Klägerin war auch kein zivilrechtlicher Räumungstitel der Stadtwerke M. AG als Eigentümerin des Anwesens gegen die Hausbesetzer zur Durchsetzung erforderlich.
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a. Bei der Frage dieses Erfordernisses ist zu unterscheiden, ob die Eigentümerin einen zivilrechtlichen Titel überhaupt hätte erlangen können und ob sie diesen – im Falle der Möglichkeit – unter Umständen vorrangig hätte erlangen müssen. Grundsätzlich obliegt der Schutz privater Rechte nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 POG den allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne ordnungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
- 61
b. Demgegenüber hat das Polizeipräsidium M. für den Beklagten jedoch unwiderlegt vorgetragen, dass die Polizei nicht auf Verlangen des Eigentümers gehandelt habe. Es habe sich vielmehr um eine eigenständige polizeibehördliche Entscheidung und Maßnahme gehandelt. Eine Ausnahme von der Subsidiarität des § 1 Abs. 3 POG ist gegeben, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne ordnungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Solch ein Fall liegt unter anderem vor, wenn die Anzahl der Hausbesetzer und die Personenidentitäten gänzlich unbekannt sind und daher nicht zu benennen wären. Ferner ist bei Besetzungen von einem ständigen Wechsel des Personenkreises auszugehen. In einem solchen Fall ist jedoch eine Klage unzulässig, wenn sie nur gegen „Unbekannt“ erhoben werden könnte. Hier kann die Beendigung der Hausbesetzung nur noch durch das Instrument des öffentlichen Ordnungs- und Polizeirechts ermöglicht werden (vgl. etwa Staudinger/Gursky (2013) BGB § 985 Rn 150 m.w.N; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZwVR, 12. Aufl. 2010, § 70 Rn 21 MüKo-BGB/Baldus, 7. Aufl. 2017, § 985 Rn. 38; OLG Oldenburg, Beschluss vom 24. Februar 1995 – 5 W 24/95 –, NJW-RR 1995, 1164).
- 62
c. Maßgeblich für die objektive Abgrenzung muss sein, ob zuvor eine bewusste und gewollte Besitzüberlassung – insbesondere ein Mietvertrag – bestanden hat. Nur danach ist zur zulässigen Durchführung der Räumungsvollstreckung einer Wohnung gegen jeden einzelnen Mitbewohner ein Räumungstitel erforderlich. Die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung – also grundsätzlich Titel, Klausel und Zustellung – müssen dann auch gegen jeden der Untermieter vorliegen. (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 – IXa ZB 116/03 –, ZMR 2003, 826; vgl. auch Benighaus, Polizeirecht als Grundlage für die Räumung besetzter Häuser?, LKV 2009, 202, 204). Dann kann von dem Eigentümer regelmäßig die Beschreitung des Zivilrechtswegs erwartet werden, dem dann gegen unberechtigte bzw. unbekannte Dritte ggf. auch der Weg über § 940a ZPO eröffnet sein kann (vgl. etwa Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 940a ZPO; Börstinghaus, Die neue „Räumungsverfügung“ im Wohnraummietprozess, NJW 2014, 2225). Nur wer sich demgegenüber freiwillig in ein zivilrechtliches vertragliches Besitzverhältnis begibt, ist auch an diesen Rechtsweg bei der Beendigung desselben gebunden. Da nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur gegen Personen zulässig ist, die im Titel und in der Vollstreckungsklausel als Schuldner bezeichnet werden, zeigt der hier zur Entscheidung stehende Fall, dass ein solcher Titel im Falle der Unbekanntheit der Bewohner und der Verbarrikadierung des Anwesens nicht zu erlangen ist, die Subsidiarität des § 1 Abs. 3 POG mithin den streitgegenständlichen Maßnahmen nicht entgegenstand.
- 63
d. Von einer bewussten und gewollten Besitzüberlassung konnte vorliegend auch offensichtlich nicht ausgegangen werden. Zunächst hat die Eigentümerin die Nutzung des Gebäudes nicht in einer Form geduldet, die zu einem faktischen Gebrauchsüberlassungsvertrag geführt hätte. Weder die Gesprächsbereitschaft der Stadtwerke AG noch der Zeitablauf waren hierzu geeignet. Die Gesprächsbereitschaft als solche, um eine einvernehmliche und gewaltfreie Lösung zu finden, bedeutet gerade nicht, dass sich die Eigentümerin mit der aktuellen Nutzung einverstanden erklärt hätte. Auch der Zeitablauf von nicht mal einem Monat ist ersichtlich ungeeignet, einen Gebrauchsüberlassungsvertrag aus konkludenten Verhalten zu erwirken. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass 11 Tage nach Beginn der Nutzung bereits ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) gestellt worden war. Dadurch war hinreichend erkennbar, dass die Eigentümerin diesen Zustand nicht dulden wollte. Zudem bestanden die Gefahren, die schon in der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 9. August 2012 aufgelistet worden waren.
- 64
7. War die Räumung demnach nach Polizeirecht durchführbar, so war der auf der Grundlage der Versammlungsauflösung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 POG ergangene Grundverwaltungsakt nach Maßgabe von § 2 Nr. 2 LVwVG vollstreckbar. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs entfiel demnach gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO, da es sich um eine unaufschiebbare Anordnung bzw. Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten handelte. Unaufschiebbarkeit liegt dabei vor, wenn das Tätigwerden so eilbedürftig ist, dass keine Zeit bleibt, um einen schriftlichen Verwaltungsakt zu erlassen, in dem dann auch das besondere Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO dargelegt werden könnte. Gemeint sind daher gerade Verwaltungsakte, die aufgrund der Dringlichkeit mündlich, durch tatsächliches Handeln oder als Vollzugsmaßnahmen ergehen (vgl. etwa Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2015, § 80 Rn 33). Vorliegend wurde ein mündlicher Platzverweis durch Polizeibeamte gegenüber den Demonstranten und Hausbesetzern erteilt, nachdem diese mehrmals aufgefordert wurden, das Anwesen und die Straße zu verlassen. Dieser war auch so eilbedürftig, dass offensichtlich nicht vorher ein schriftlicher Verwaltungsakt hätte erlassen werden können. Dies hätte eklatant dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr widersprochen.
- 65
8. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen wurden von dem Beklagten eingehalten. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war rechtmäßig.
- 66
a. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auf der Grundlage der §§ 57, 58 Abs. 1 POG i.V.m. §§ 62 Abs. 1 Nr. 3, 65 LVwVG vorliegend das einzig in Betracht kommende Zwangsmittel. Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihrer Hilfsmittel und durch Waffen (vgl. § 58 Abs. 1 POG, § 65 LVwVG). Gegenüber der Klägerin wurde ein Platzverweis nach § 13 Abs. 1 Satz 1 POG ausgesprochen, der mangels aufschiebender Wirkung eines Widerspruchs direkt vollstreckbar war. Dieser Platzverweis stellte für die Klägerin eine Handlungspflicht dar, die nur sie persönlich erfüllen konnte und der sie trotz Aufforderung nicht nachgekommen ist.
- 67
b. Die Polizei hat den unmittelbaren Zwang auch mehrmals mündlich angedroht, was sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den Videosequenzen ergibt (siehe etwa „3:15“ und „4:20“ und in der Folgezeit der vorgelegten Datei), womit eine Androhung entsprechend den Anforderungen des § 61 POG vorlag. Auf § 57 Abs. 1 POG i.V.m. § 66 LVwVG kommt es hingegen nicht an. Denn im Fall der Androhung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei ist § 61 Abs. 1 POG grundsätzlich abschließend (vgl. Rühle, POR Rheinland Pfalz, 5. Aufl. 2013, Rn J 21). Auch bei ergänzender Anwendung des allgemeinen Vollstreckungsrechts (mit ausdrücklichem Bezug zum Versammlungsrecht: Rühle/Suhr, POG Rheinland Pfalz, 5. Aufl. 2012, § 61, Rn. 1) könnte eine Androhung gemäß § 57 Abs. 1 POG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 LVwVG nach § 66 Abs. 1 Satz 2 LVwVG ebenfalls mündlich erfolgen oder sogar unterbleiben, wenn ein Fall des § 61 Abs. 2 LVwVG vorliegt oder sonstige Umstände dies erfordern. Ein verkürztes mündliches Verfahren war vorliegend durch den Grundsatz der Effektivität der Vollstreckung zwingend geboten, ein sogenanntes gestrecktes Verfahren daher entbehrlich (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 20. Mai 2015 – 5 K 2214/14.F –, LKRZ 2015, 374).
- 68
c. Die Vollstreckung war auch im Übrigen ermessensfehlerfrei, insbesondere begegnet die Anwendung des unmittelbaren Zwangs bei Blockaden und Besetzungen keinen grundsätzlichen rechtsstaatlichen Bedenken, wenn ein versammlungsrechtlich entgegenstehender Schutz nicht (mehr) besteht (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92 (Orientierungssatz 3b und Rn. 55), wobei die Frage der Zulässigkeit der Vollstreckung durch die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr von der der Frage der etwaigen Strafbarkeit der Blockierer im Hinblick auf § 240 StGB stets sorgfältig zu trennen ist (vgl. nur BVerfGE 104, 92, juris Rn. 56).
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d. Der Einsatz war auch im Übrigen verhältnismäßig. Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Einsatz von vier Polizeibeamten pro Person unverhältnismäßig gewesen und auch vor Ort nicht so abgelaufen sei, berührt dies die Rechtmäßigkeit des Einsatzes nicht. Dabei ist festzuhalten, dass der – jeweils potentielle Einsatz – von vier Beamten pro Person sowohl dem Schutz der Beamten, als auch dem Schutz Dritter und der Klägerin diente. Bei einer Anzahl von Fällen mag es zutreffend sein, dass zwei Beamte den Trage- bzw. Begleitvorgang übernommen haben, jedoch sind zwei Beamte allein in einer solchen Situation schon nicht hinreichend abgesichert und es bestehen Risiken für die wegzutragenden Demonstranten durch unfallträchtige Situationen in der unübersichtlichen Situation der Zwangsvollstreckung, insbesondere im Rahmen von größeren Versammlungen. Nur durch potentiell mehr als zwei Beamte pro Vorgang können diese Gefahren im notwendigen Maß beherrscht werden. Zudem ist bei der polizeirechtlich maßgeblichen Betrachtung „ex ante“ die Bereitstellung von einem Beamten pro Körperglied schon deshalb als angemessen anzusehen, weil nicht erwartet werden konnte, dass sich alle Demonstranten beim Tragevorgang dauerhaft kooperativ zeigen würden. Ferner war nicht auszuschließen, dass andere Demonstranten dem jeweiligen Betroffenen zu Hilfe eilen können. Letztlich war es damit ermessensgerecht, in der Einsatzplanung vier Beamte je Vollstreckungsperson vorzusehen.
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9. Die Klägerin war auch die richtige Kostenschuldnerin für Vollstreckungsgebühren.
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a. Deren Zahlungspflicht ergibt sich dem Grunde nach aus den tatsächlichen Feststellungen in Verbindung mit den Zurechnungsnormen aus § 4 POG und § 12 Abs. 1 LVwVGKostO, wonach Kostenschuldner der Vollstreckungsschuldner ist. Die LVwVGKostO findet über § 83 Satz 1 LVwVG und § 85 Abs. 1 Nr. 6 -11 LVwVG Anwendung. Nach § 83 Satz 1 LVwVG dürfen Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen erhoben werden. § 85 Abs. 1 LVwVG eröffnet dabei die Anwendung des LVwVGKostO.
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b. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie am 28. August 2012 vor Ort war und dass sie in der EDV der Vollzugspolizei erfasst wurde. Jedoch hat sie im schriftlichen Verfahren in Abrede gestellt, dass gegen sie unmittelbarer Zwang ausgeübt worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie Angaben zu diesem Sachverhalt ausdrücklich verweigert. Dennoch steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass gegen die Klägerin unmittelbarer Zwang ausgeübt worden ist und somit die Klägerin gebührenrechtlich in Anspruch genommen werden konnte. Dies ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus der Datenerfassung durch die Polizei in der beschriebenen „Dasta-Liste“. Der Beklagte hat hierzu plausibel dargelegt, wie der Nachweis geführt werden konnte, was im Wesentlichen mit dem zeitlichen und organisatorischen Ablauf zusammenhängt. Zunächst wurde die Straße vor dem Anwesen von den Personen geräumt. Bei diesen Personen wurden die Personalien festgestellt und in einer Datenstation (sog. „Dasta-Liste“) chronologisch erfasst (Nr. 1-01 – 1-20; 2-01 – 2-31; 3-01 – 3-07; 4-01 – 4-03 = 62). Als letzte Person vor dem Anwesen wurde eine auffallend korpulente Person (Nr. 2-24 der „Dasta-Liste“) entfernt und deren Personalien erfasst.
- 73
Danach wurde das Anwesen betreten, wobei zunächst die Barrikaden am Tor entfernt werden mussten. Direkt hinter dieser Barrikade wurde die erste Person (Nr. 2-25 der „Dasta-Liste“), welche sich mit einer öligen Farbe übergossen hatte, von den Beamten weggetragen und deren Personalien erfasst. Durch die weitere Erfassung der „Dasta-Liste“ ergibt sich, dass sich die Klägerin unter den Besetzern befand, die sich im Anwesen verbarrikadiert hatten. Dies folgt schon aus der chronologischen Erfassung der Daten, wonach die Klägerin erst nach den “auffallenden“ zuvor genannten Personen erfasst wurde. Das Gericht hat dabei auch keine Zweifel daran, dass die „Dasta-Liste“ zutreffende Daten enthält, zumal die Beklagte die Entstehung substantiiert darlegen konnte. Insbesondere hat auch der Einsatzleiter hierzu in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und unwiderlegt dargestellt, dass nur Personen aufgenommen wurden, gegen die unmittelbarer Zwang ausgeübt worden war. Dementsprechend wurden auch die Personalien der Klägerin (zutreffend) aufgenommen, ohne dass diese hierfür eine Erklärung abgegeben hat. Der Zeuge A. T. war hierzu nicht zu vernehmen. In der mündlichen Verhandlung wurde hierzu festgestellt, dass er sich mit einer professionellen Kletterausrüstung auf einem Baum vor dem Anwesen befand. Nach seinem Abstieg wurde er zwar in der EDV („Dasta-Liste“) der Bereitschaftspolizei erfasst und um 11.00 Uhr sodann entlassen. Ein Kostenbescheid wurde ihm jedoch – so das Ergebnis der Frage an die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor der Entscheidung über die Vernehmung – gerade nicht zugestellt. Das Beweismittel war somit untauglich für des Beweisbegehren der Klägerin und daher abzulehnen. Denn dieser Sachverhalt – der damit als wahr unterstellt werden konnte – ist gerade ein Beleg dafür, dass nur bei Personen, gegen die unmittelbarer Zwang ausgeübt worden ist, auch ein Bescheid erlassen wurde.
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c. Aus dem Ablauf und der Datenerfassung sowie den Angaben des Beklagten ergibt sich hier insgesamt ein sogenannter Prima-Facie-Beweis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2001 – 4 BN 45/01 –, juris Rn. 17) für die Feststellungen der Polizeibehörden. Der Beweis des ersten Anscheins kommt grundsätzlich auch im Verwaltungsprozess in Betracht (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1962 – 6 C 39.60 –, BVerwGE 14, 181; Urteil vom 22. Oktober 1981 – 2 C 17.81 –, NJW 1982, 1893). Voraussetzung ist ein Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 – 2 C 5.99 –, NJW 2001, 1878; Urteil vom 1. März 1995 – 8 C 36.92 –, Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. März 1987 – IV a ZR 205/85 –, BGHZ 100, 214; Urteil vom 30. September 1993 – IX ZR 73/93 –, BGHZ 123, 311). Der Ablauf des Einsatzes und der Datenerfassung wurde vorliegend von dem Einsatzleiter (Polizeidirektor W.) in der mündlichen Verhandlung umfassend bestätigt; die Klägerin hat hingegen keine Angaben zur Sache gemacht, sondern jede Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts abgelehnt (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Kammer folgt damit den plausiblen Angaben des Beklagten zum Ablauf des Einsatzes am 28. August 2012.
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d. Völlig unabhängig von dieser Beweisführung ergibt sich vorliegend aber hinsichtlich der Klägerin – im Sinne eines selbständig tragenden Beweisgrundes – die Anwendung unmittelbaren Zwangs aus dem vorgelegten Beweismaterial. Insbesondere ergibt die Auswertung des Videodokumentationsmaterials, welches anlässlich der Räumung des Anwesens O.-Straße Nr. X vom 28. August 2012 aufgenommen wurde, dass die Klägerin als Vorletzte aus dem Raum im oberen Stockwerk weggetragen worden ist. Dieses Video wurde im Wege richterlichen Augenscheins gemäß § 371 Abs. 1 ZPO in die mündliche Verhandlung eingeführt. In Ermangelung einer geschützten Versammlung im Anwesen selbst, kommt es hier maßgeblich auf das Verwaltungsvollstreckungsrecht an. Soweit – wie hier im Verwaltungsvollstreckungsrecht – ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht besteht, ist bei der Verwertung dieses Materials zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen (vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2016 – 16 B 685/16 –, juris). Diese Abwägung fällt hier zulasten der Klägerin aus, da die Aufnahmen auch zum Zwecke der Durchführung von Strafverfahren angefertigt und zunächst dort benötigt wurden und eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Hausbesetzung bestand. Zudem wurde das Strafverfahren gegen die Klägerin lediglich nach § 154 StPO eingestellt, so dass schützenswerte überwiegende Interessen für die Kammer nicht zum Tragen kamen.
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10. Der von dem Beklagten geltend gemachte Betrag in Höhe von 1.121,72 € ist jedoch nur in der Höhe von 729,88 € rechtmäßig und in der Höhe von 391,84 € rechtswidrig, da die Gebühren nur teilweise erstattungsfähig sind.
- 77
a. Die Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin zunächst offensichtlich nicht aus dem Umstand, dass sie in einem Strafverfahren eine niedrigere Geldstrafe zu erwarten gehabt habe. Strafverfahren und Gebührenerhebung für die Durchführung einer Amtshandlung folgen rechtlich völlig unterschiedlichen Grundsätzen (vgl. nur § 46 i. V. m. § 40 StGB) und sind daher nicht geeignet, die Höhe der jeweils anderen Geldleistung in Zweifel zu ziehen.
- 78
b. Die Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung ergibt sich weiterhin ebenfalls offensichtlich nicht aus der Behauptung der Klägerin, Arbeit und Zeit in das Anwesen gesteckt zu haben. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass die angeblich investierte Arbeit der Klägerin nicht im Zusammenhang zu der Räumung des Anwesens und damit der Amtshandlung steht. Werden bewusst Arbeiten durchgeführt, die nicht mit der vorgefundenen Rechtslage übereinstimmen, insbesondere nicht vom Eigentümer geduldet werden, so kann hieraus kein schutzwürdiges Interesse bestehen. Entsprechend der Figur der angemaßten Eigengeschäftsführung i.S.v. § 687 Abs. 2 BGB, kann die Klägerin dieses Handeln nicht zur Minimierung der Gebührenlast heranziehen. Zudem kann eine solche etwaige Bereicherung des Eigentümers (vgl. § 812 ff. BGB) – die hier im Übrigen offensichtlich nicht vorlag – nicht gegenüber der öffentlichen Hand im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung geltend gemacht werden. Schließlich wurden auch keine Arbeiten nachgewiesen.
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11. Der Beklagte konnte sich für die Gebührenerhebung auch (grundsätzlich) auf eine wirksame Ermächtigungsgrundlage stützen.
- 80
a. Für Amtshandlungen nach dem LVwVG können nach § 83 Satz 1 LVwVG Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben werden, somit auch für die Kosten für die Anwendung von unmittelbarem Zwang. Dabei verweisen § 85 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 -11 LVwVG auf das LVwVGKostO, nach § 1 Nr. 10 LVwVGKostO werden Gebühren für die Anwendung unmittelbaren Zwangs erhoben.
- 81
b. Gemäß § 8 Abs. 4 LVwVGKostO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach § 65 LVwVG oder § 57 POG i.V.m. § 65 LVwVG eine Gebühr von mindestens 10,00 Euro und höchstens 1.530,00 Euro erhoben. Die genaue Gebührenbemessung bestimmt sich nach § 9 LVwVGKostO. Dabei bestimmt sowohl § 85 Abs. 1 Satz 3 LVwVG als auch § 9 Abs. 3 LVwVGKostO, dass § 3 LGebG sinngemäß heranzuziehen ist. § 3 LGebG bestimmt, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner andererseits, ein angemessenes Verhältnis zu bestehen hat.
- 82
c. Der Beklagte legt diese Norm als Gebührenrahmen bei seiner Ermessensentscheidung zugrunde und geht zusätzlich innerhalb dieses Rahmens aber von einem konkreten Verwaltungsaufwand aus. Der gesamte Verwaltungsaufwand des Einsatztages wird von dem Beklagten ausführlich beschrieben (siehe oben). Die gesamten Einsatzstunden beliefen sich auf 2.991, woraus Kosten (inklusive der Sachkostenpauschale je Stunde) von 163.697,58 € resultierten. Die Kosten für die Anmietung des Hubwagens betrugen dabei nachgewiesen 1.802,83 €.
- 83
d. Diese Gesamtkosten wurden jedoch nicht anteilig auf die Vollstreckungsschuldner umgelegt. Vielmehr hat der Beklagte für die Klägerin eine individuelle Kostenberechnung zur Maßstabsbildung aufgestellt. In dieser Berechnung wurde von vier Polizeibeamten des gehobenen Dienstes und einem Zeitaufwand von 5 Stunden ausgegangen. Dafür wurde gemäß dem genannten Rundschreiben des Ministeriums für Finanzen pro Beamter pro Stunde ein Betrag von 45,35 Euro veranschlagt sowie eine Sachkostenpauschale pro Stunde pro Polizeibeamter von 3,63 Euro. Hieraus resultierte der Betrag von 979,60 Euro.
- 84
e. Die Einsatzzeit von 5 Stunden konnte jedoch nicht in diesem Umfang zu Lasten der Klägerin abgerechnet werden. Der Einsatz dauerte zwar tatsächlich fünf Stunden, nämlich insgesamt von 5:30 Uhr bis 10:30 Uhr. Die Klägerin kann jedoch nur für maximal drei Stunden in Anspruch genommen werden, so dass es im Übrigen an der notwendigen Kausalität und Zurechenbarkeit fehlt, was auch im Hinblick auf die Anwendung einer Rahmengebühr zu einer (insoweit) ermessensfehlerhaften Festsetzung geführt hat. Die erhobene Gebühr war teilweise rechtswidrig und in diesem Umfang aufzuheben.
- 85
Bei der Bemessung der Gebührenhöhe dürfen grundsätzlich dabei die Dauer der Zwangsmittelanwendung, aber nicht ohne weiteres Vor- und Nachbereitung einer konkreten Maßnahme berücksichtigt werden, weil es keine allgemeine Kostentragungspflicht für Polizeikosten gibt. Es entspricht vielmehr allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen, dass grundsätzlich nur von den polizeirechtlich verantwortlichen Handlungs- oder Zustandsstörern verlangt werden kann, die Kosten für einen Polizeieinsatz zu übernehmen. Unzutreffend geht der Beklagte vor diesem Hintergrund bei der Berechnung davon aus, dass schon vor einer vollziehbaren Pflicht zum Entfernen Kosten dem Grunde nach entstehen können, die später Gegenstand der Festsetzung sind.
- 86
Bei den im Gebäude befindlichen Personen ist dabei zu berücksichtigen, dass es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht, auch Kosten in einem Zeitkorridor geltend zu machen, der durch die autonome Entscheidung anderer entstanden ist. Die Blockade des Hoftors kann den im Gebäude verbliebenen Personen selbst im Falle der Strafbarkeit ihres Handelns daher nicht automatisch als „Vollstreckungszeit“ in Rechnung gestellt werden, da es sich zunächst um individuelle Entscheidungen der Demonstranten vor dem Gebäude handelte, die nicht zu einer Erhöhung der Vollstreckungskosten von Personen führen können, die sich im Gebäude befinden. Eine Zurechnung wie im Strafrecht (vgl. § 25 Abs. 2 StGB) kann hier mangels geeigneter Rechtsgrundlage nicht erfolgen.
- 87
Die Kammer folgt damit derjenigen Auslegung des Kostenrechts, wonach allgemeine Personalkosten und sonstige Fix- bzw. Sowieso-Kosten nicht dem Kostenbegriff des Erstattungsrechts unterfallen, wenn dies nicht ausdrücklich durch den Gesetzgeber normiert wurde. Erstattungsfähig sind vielmehr nur die „Mehrkosten“ der unmittelbaren Ausführung, dies entspricht dem Grundsatz, dass die den Gefahrenabwehrbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung entstehende Kostenlast, das heißt Personal- und Sachkosten, zunächst von diesen selbst beziehungsweise ihrem Rechtsträger zu bewältigen ist, es sei denn der Gesetzgeber hat eine Kostenerstattung ausdrücklich geregelt (OVG SH, Urteil vom 5. März 2015 – 4 LB 11/14 –, juris; vgl. jüngst zu den Regelungsanforderungen: VG Bremen, Urteil vom 17. Mai 2017 – 2 K 1191/16).
- 88
Der Vortrag der Klägerin, die Anzahl der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten sei unverhältnismäßig gewesen, kann dagegen nicht berücksichtigt werden. Die Berechnung der Gebühren fand unabhängig von den insgesamt eingesetzten Beamten statt. Es wurden nur die konkret für die Klägerin benötigten Aufwendungen – kalkulatorisch pauschaliert – geltend gemacht. Zu beachten ist dabei, dass es bei einer Rahmengebühr keiner exakten Berechnung des Verwaltungsaufwands bedarf. Ausreichend ist vielmehr eine sachgerechte Schätzung, unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwands (OVG RP, Urteil vom 03.11.2016 – 6 A 10393/15 – juris, Rn. 29; VG Koblenz, Urteil vom 06.11.2006 – 4 K 615/06.KO – juris, Rn. 45).
- 89
f. Der Gebührenaufwand war jedoch zur Wahrung der polizeirechtlichen Kostenerstattungsgrundsätze sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sachgerecht nach Zeitabschnitten zu bestimmen und der geforderte Betrag zu reduzieren. Die erhobene Gebühr war ebenso in der Höhe am Maßstab des § 3 LGebG zu beanstanden.
- 90
Sowohl § 85 Abs. 1 Satz 3 LVwVG als auch § 9 Abs. 3 LVwVGKostO bestimmen, dass § 3 LGebG sinngemäß heranzuziehen ist. Demnach müssen die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert und der sonstige Nutzen der Amtshandlung für die Klägerin in einem angemessenen Verhältnis zum Verwaltungsaufwand stehen. Zwar wird man auf den ersten Blick der Ansicht sein können, dass die Klägerin hieraus ohnehin keinen Nutzen ziehen konnte, weil sie sich nicht entfernen wollte, jedoch bedarf es einer Gesamtschau der Umstände unter Umkehrung der Perspektive; § 3 LGebG ist insofern gerade sinngemäß anzuwenden und sichert damit auch in diesem Zusammenhang die Verhältnismäßigkeit und (umgekehrte) Äquivalenz bei der Eingriffsverwaltung.
- 91
Durch die Amtshandlung wurden zum einen Gefahren für die Gesundheit der Klägerin durch dauerhaftes Verbleiben in dem baufälligen Gebäude abgewendet, welche aufgrund fehlender Flucht- und Rettungswege, fehlendem Brandschutz, mangelhafter hygienischer Verhältnisse und Einsturzgefahr bestanden. Auch die Bereitstellung von vier Polizeibeamten für die Klägerin diente – wie ausgeführt – ihrem Schutz. So konnte bei der Zwangsmittelanwendung sichergestellt werden, dass es für die Klägerin zu keiner Körperverletzung kam. Ein solche hätte durch unkooperatives oder gar gewaltsames Verhalten und Einwirkungen von außen durch andere Hausbesetzer entstehen können.
- 92
g. Auch die Auslagen für den Hubwagen sind erstattungsfähig und richtig berechnet worden. Nach § 10 Abs. 1 und 2 Nr. 4 LVwVGKostO i.V.m. § 10 LGebG sind Auslagen, die im Zusammenhang mit einer Amtshandlung entstehen, vom Gebührenschuldner zu ersetzen. Dabei gehören zu den Auslagen nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 LVwVGKostO auch die anderen Beträge, die aufgrund der Vollstreckungsmaßnahmen an Dritte zu zahlen sind, insbesondere die bei der Ersatzvornahme oder beim unmittelbaren Zwang an die beauftragten Personen und Hilfspersonen zu zahlenden Beträge sowie die sonstigen durch die Anwendung der Ersatzzwangshaft entstehenden Beträge.
- 93
Als ein solcher Betrag sind die Kosten für die Hubwagenanmietung bei der Firma N. AG in F. in Höhe von 1.802,83 € anzusehen. Auch die Anmietung des Hubwagens bereits am 27. August 2012 war ohne weiteres erforderlich, da der Einsatz bereits am 28. August 2012 um 5:00 Uhr begann. Dabei muss beachtet werden, dass die Kosten auf alle Personen, für die der Hubwagen benötigt wurde (insgesamt 13 Personen), verteilt worden sind. Die Höhe der Anmietung von 1.802,83 € ist dabei auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen, sodass die anteilige Kostenbeteiligung der Klägerin am Hubwagen in Höhe von 138,67 € aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist.
- 94
Die Geltendmachung der Kosten für die Postzustellung ergibt sich aus § 10 Abs. 1 LVwVGKostO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 9 LGebG.
- 95
h. Darüber hinaus kann dem Vortrag der Klägerin auch insoweit nicht gefolgt werden, dass die in § 8 Abs. 4 LVwVGKostO genannten Gebühren gesamtschuldnerisch auf alle Kostenschuldner hätten verteilt werden müssen, da dies im Vollstreckungsrecht für diese Konstellation nicht vorgesehen ist und im Übrigen eine Gesamtabwälzung der Kosten zu Lasten der Klägerin von dem Beklagten gerade vermieden worden ist. Dies hätte im Ergebnis im vorliegenden Fall zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen und darüber hinaus für die Demonstranten zu einer deutlichen Mehrbelastung führen können. Einer solchen Berechnungsmethode ist die Kammer daher ausdrücklich nicht näher getreten.
- 96
i. Der Beklagte durfte sich schließlich zur Anwendung und Auslegung des § 3 LGebG in zulässiger Weise auf die Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen von Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2011 bzw. vom 21. Februar 2013 über die „Richtwerte für die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Festsetzung der nach dem Landesgebührengesetz zur erhebenden Verwaltungs- und Benutzungsgebühren“ stützen. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten zwar den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>; 61, 260 <275>; 83, 130 <142>; 108, 282 <311>; stRspr). Wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Entscheidung einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes ab. Bei der Bestimmung der Stundensätze auf der Grundlage der genannten Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen von Rheinland-Pfalz bestanden hiernach jedoch insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Grundrechtspositionen der Klägerinnen, da diese Berechnungen nur – von der Klägerin im Übrigen auch nicht schlüssig in Frage gestellte – Kalkulationsgrundlagen beinhalten und gerade keine Kostenerstattungspflichten im Verwaltungsvollstreckungsrecht begründen.
- 97
Nach alledem war der Kostenbescheid in der ausgesprochenen Höhe aufzuheben und konnte im Übrigen rechtlich zulässig erlassen werden.
- 98
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
- 99
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 08. Juni 2017 - 1 K 4/14.MZ
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Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 08. Juni 2017 - 1 K 4/14.MZ zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.
(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.
(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
Tenor
Der Bescheid des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 20. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 24. Februar 2011 wird aufgehoben, soweit er den Betrag von 430,39 € übersteigt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid des Beklagten, mit dem Gebühren anlässlich eines Leichentransports gefordert werden.
- 2
Am 23. Mai 2010 wurde gegen 19.00 Uhr in A-Dorf am Rande einer Wiese von einem Angler eine tote Person aufgefunden. Dieser informierte über den Notruf die Polizeiinspektion Zweibrücken. Zwei Funkstreifen der Polizei suchten die Leiche um 20.30 Uhr am Fundort auf. Die Tote konnte zunächst nicht identifiziert werden. Die Polizeiinspektion Zweibrücken gelangte in ihrem Leichenübergabebericht vom 23. Mai 2010 zu dem vorläufigen Ermittlungsergebnis, dass die erlangten Hinweise auf einen unnatürlichen Tod hindeuteten und nach dem damaligen Ermittlungsstand ein Gewaltverbrechen nicht auszuschließen war. Die diensthabende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Zweibrücken, Frau B, ordnete noch in der Nacht die Obduktion der Leiche bei der Gerichtsmedizin am 24. Mai 2010, 10.30 Uhr, an. Zwecks Überführung der Leiche beauftragte die Polizei das Bestattungsinstitut C aus Zweibrücken, das ab 22.10 Uhr mit mehreren Mitarbeitern im Einsatz war. Die Leiche wurde in der Nacht in das Bestattungsinstitut verbracht; der Einsatz der Mitarbeiter war gegen 1.30 Uhr beendet. Die Rechtsmedizinerin von der Rechtsmedizin Homburg, Frau D, nahm zusammen mit der Polizei sowohl am Fundort als auch in den Räumlichkeiten des Bestattungsinstituts C die Leichenschau vor.
- 3
Am 24. Mai 2010 morgens um 8.30 Uhr informierte Frau Staatsanwältin B den Ermittlungsrichter am Amtsgericht Landstuhl, Herrn E, über die Leichenschau, der daraufhin die Öffnung der Leiche anordnete. Die Leiche wurde danach vom Bestattungsinstitut C nach Homburg in die Gerichtsmedizin verbracht.
- 4
Das eingeleitete Ermittlungsverfahren, das zunächst gegen Unbekannt und später auch gegen den Ehemann der Verstorbenen geführt wurde, wurde nicht weiterverfolgt, da kein Anfangsverdacht festgestellt werden konnte.
- 5
Nachdem das Bestattungsinstitut C erfolglos versucht hatte, die geltend gemachten Kosten der Bergung und Überführung der Leiche in der Nacht des 23./24. Mai 2010 in die Räumlichkeiten des Bestattungsinstituts in Zweibrücken in Höhe von 910,15 € von dem Kläger zu erlangen, beglich das Polizeipräsidium Westpfalz diese Kosten und erließ gegenüber dem Kläger am 20. Oktober 2010 einen Kostenbescheid in gleicher Höhe.
- 6
Gegen den ihm am 22. Oktober 2010 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 22. November 2010 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011, dem Kläger zugestellt am 2. März 2011, wies das Polizeipräsidium Westpfalz den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Forderung stütze sich auf § 6 Abs. 2 POG. Nach § 14 rh.pf. BestG sei der Kläger zur Bergung und Überführung der Leiche verpflichtet gewesen. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden, da mit einer sofortigen Bergung und Überführung durch den Kläger nicht zu rechnen gewesen sei. Die Verantwortlichkeit des Klägers sei damals noch unbekannt gewesen, da die Identität der Leiche noch nicht festgestanden habe.
- 7
Der Kläger hat dagegen am Montag, dem 4. April 2011 Klage erhoben. Er trägt vor, dass er sich nicht generell dagegen wehre, die Kosten für die Bergung und Überführung der Leiche zu tragen. Er halte aber die Höhe der Kosten für unangemessen.
- 8
Der Kläger beantragt,
- 9
den Bescheid des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 20. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 24. Februar 2011 aufzuheben, soweit er den Betrag von 430,39 € übersteigt.
- 10
Der Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Er ist dem Vorbringen des Klägers entgegen getreten.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Zweibrücken 4129 Js 124118/10 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
- 14
Die zulässige Teilanfechtungsklage ist auch in der Sache begründet. Der Kostenbescheid vom 20. Oktober 2010, mit dem der Kläger zu den Kosten der Bergung und Überführung seiner verstorbenen Ehefrau durch das Bestattungsinstitut C aus Zweibrücken in Höhe von 910,15 € herangezogen worden ist, und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da der Kläger seine Anfechtungsklage auf einen Betrag von 479,76 € beschränkt hat, war der Bescheid vom 20. Oktober 2010 nur in diesem Umfang aufzuheben.
- 15
Der Kostenbescheid des Beklagten ist bereits dem Grunde nach rechtswidrig. Als Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten, die anlässlich der Bergung und Überführung seiner verstorbenen Ehefrau durch das Bestattungsinstitut C aus Zweibrücken in deren Räumlichkeiten angefallen sind, kommt entgegen der Ansicht des Beklagten die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG – nicht in Betracht. Danach sind die nach den §§ 4 oder 5 Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet, wenn den allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten entstehen. Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei ist gemäß § 6 Abs. 1 POG zulässig, d.h. die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei können eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 4 oder 5 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.
- 16
Die hier streitgegenständlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Leichentransport stellten jedoch keine unmittelbare Ausführung im Sinne des § 6 Abs. 1 POG dar. Diese Vorschrift ermächtigt die Polizei nur, eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr bzw. zur Störungsbeseitigung selbst oder durch einen Beauftragten auszuführen (Roos/Lenz, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz, 4. Auflage 2011, § 6 Rn. 1). Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 POG, wonach die Polizei die Aufgabe hat, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Sie hat Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können (Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr). Ferner hat die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten). Das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz bezweckt damit die Regelung von präventiven Maßnahmen. Im Gegensatz dazu werden der Strafverfolgung dienende, repressive Maßnahmen durch die Strafprozessordnung - StPO - geregelt.
- 17
Im polizeilichen Alltag sind repressives und präventives Vorgehen der Polizei allerdings häufig miteinander verquickt. Bei sog. doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei ist anhand des (erkennbaren) Grunds oder Ziels des polizeilichen Einschreitens und gegebenenfalls dessen Schwerpunkt zu bestimmen, ob die Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienten (Bay. VGH, BayVBl 2010, 220). Vorliegend diente der Leichentransport zum Bestattungsinstitut C in Zweibrücken repressiven Zwecken. Ausweislich des Leichenübergabeberichts vom 23. Mai 2010 (Bl. 17 der Akte der Staatsanwaltschaft) bestand im Zeitpunkt der Anordnung des Leichentransports nach Durchführung der Leichenschau (§ 87 Abs. 1 StPO) durch die Rechtsmedizinerin D von der Rechtsmedizin Homburg das vorläufige Ermittlungsergebnis darin, dass es Hinweise auf einen unnatürlichen Tod gab und nach dem damaligen Ermittlungsstand ein Gewaltverbrechen nicht auszuschließen war. Aus diesem Grund ordnete die gemäß § 87 Abs. 4 StPO zuständige Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Zweibrücken, Frau B, noch in der Nacht die Obduktion der Leiche für den folgenden Morgen an. Eine Leichenöffnung nach § 87 Abs. 2 StPO - die der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Landstuhl, Herrn E, am nächsten Morgen förmlich anordnete - ist erforderlich, wenn fremdes Verschulden am Tod in Betracht kommt und die Todesursache und/oder -zeit festgestellt werden muss (BVerfG, NJW 1994, 783; s. auch Nr. 33 Abs. 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren - RiStBV -).
- 18
Diente daher der Leichentransport zum Bestattungsinstitut C in Zweibrücken repressiven Zwecken, kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, der Kläger wäre polizeirechtlich nach § 14 des rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetzes - BestG - zur Bergung und Überführung der Leiche verpflichtet gewesen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BestG ist eine Leiche nach Ausstellung der Todesbescheinigung in eine Leichenhalle zu überführen,sofern nicht eine Überführung in eine andere Einrichtung zur Durchführung einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Leichenschau, ärztlicher Maßnahmen oder wissenschaftlicher Untersuchungen erfolgt. Letzteres greift hier aber ein, denn Frau Staatsanwältin A hatte eine staatsanwaltschaftliche Leichenschau angeordnet.
- 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 20
Beschluss
- 21
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 479,76 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. März 2014 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet.
3Eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Düsseldorf ist nicht statthaft. Vielmehr ist bei der vorliegenden Streitigkeit – Klage gegen die Ingewahrsamnahme der Klägerin in einer Gruppe von 272 Fußballfans in E. nach der Begehung von Straftaten aus dieser Gruppe heraus – der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
4Das zuerst angerufene Gericht darf den Rechtsstreit nach §§ 17a Abs. 2 Satz 1, 17 Abs. 2 Satz 1 GVG lediglich dann verweisen, wenn der Rechtsweg zu ihm schlechthin, d. h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist. Ob für das Klagebegehren auch eine Rechtsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 5 E 585/06 -, juris, Rn. 4 f., m. w. N.
6Der Rechtsweg richtet sich bei Maßnahmen der Polizei, die entweder strafprozessualer oder präventiv-polizeilicher Natur sein können, zunächst danach, ob der Grund des polizeilichen Einschreitens für den Betroffenen unschwer zu erkennen ist. Das ist der Fall, wenn die Polizei diesen von sich aus oder auf Verlangen angibt. Im Übrigen kommt es darauf an, wie sich der konkrete Lebenssachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt. In diesem Zusammenhang kommt dem erklärten oder erkennbaren Willen des eingreifenden Sachwalters erhebliche Bedeutung zu.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255 (264 f.) = juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Januar 2012 - 5 E 251/11 -, NWVBl. 2012, 364 = juris, Rn. 14, und vom 11. März 2003 - 5 E 1086/02 -, juris, Rn. 12.
8Ergibt sich nach diesen Kriterien keine eindeutige Zuordnung zu einer repressiven oder präventiven Zielrichtung, kommt eine Verweisung von einem angerufenen Verwaltungsgericht jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Maßnahme bei verständiger Würdigung aus der Perspektive des Betroffenen zumindest auch präventiv-polizeiliche Zwecke verfolgt und auf eine präventiv-polizeiliche Ermächtigungsgrundlage gestützt sein kann.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Juli 2006 - 5 E 585/06 -, juris, Rn. 4 f., m. w. N., und vom 9. Januar 2012 - 5 E 251/11 -, NWVBl. 2012, 364 = juris, Rn. 16.
10Das gilt erst recht, wenn für den Betroffenen nicht ersichtlich ist, dass sein Verhalten strafrechtlich verfolgt wird.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255 (265) = juris, Rn. 25.
12Vorliegend hat die Polizei für die von der Ingewahrsamnahme Betroffenen keineswegs eindeutig und unmissverständlich erkennen lassen, dass sie ausschließlich strafrechtliche Ermittlungen führen wollte. Der um 01:10 Uhr erfolgten Lautsprecherdurchsage an die Gruppe, der auch die Klägerin angehörte, lässt sich dies nicht entnehmen. Die Durchsage lautete wie folgt:
13„… Aus Ihren Reihen wurden Flaschen und Bänke auf Polizeibeamte geworfen. Dies stellt eine Straftat des Landfriedensbruchs dar. Aus diesem Grund sind Sie als Gruppe zurzeit festgenommen. Zum Zwecke der Identitätsfeststellung werden Sie nach und nach - werden Ihre Personalien aufgenommen. …“
14Schon nach dem Wortlaut dieser Durchsage kann die Maßnahme aus zwei Gründen erfolgt sein: Zum einen, um diejenigen mit dem Ziel der Strafverfolgung zu identifizieren, die aus der Gruppe heraus Flaschen und Bänke geworfen hatten, zum anderen, um weitere Straftaten dieser Art aus der Gruppe heraus zu verhindern (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW). Gerade die Verknüpfung „Aus diesem Grund“ lässt insofern Raum für beide Zielrichtungen polizeilichen Handelns.
15Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde den eingekesselten Personen sowohl ein (präventives) Stadionverbot als auch ein (repressives) Ermittlungsverfahren angedroht. Spätestens nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass gegen sie strafrechtlich nicht ermittelt wurde, lag es für sie deshalb nahe, die polizeilichen Maßnahmen in ihrer präventiven Zielrichtung einer gerichtlichen Prüfung beim Verwaltungsgericht zuzuführen.
16Auch der Beklagte hat die angegriffene Ingewahrsamnahme als doppelfunktionale Maßnahme bezeichnet und Ermächtigungsgrundlagen aus der Strafprozessordnung und dem Polizeigesetz NRW angeführt. Nach seiner Darstellung sollte das Vorgehen gegen die Gruppe auch verhindern, dass sich die Fans erneut mit Wurfmaterial versorgen und in der Altstadt randalieren. Er rechnete ausdrücklich mit einer Wiederholung und Fortsetzung der gewaltsamen Übergriffe (vgl. Schriftsatz vom 9. Januar 2014, S. 5 ff. und 18 ff.).
17Dass mit der Ingewahrsamnahme auch tatsächlich präventive Ziele verfolgt wurden, ergibt sich aus den Abläufen in der Nacht auf den 12. Mai 2013. Aus den vom Beklagten aufgezeichneten Filmaufnahmen geht hervor, dass um 00:46 Uhr „Fortuna-Fans“ von der Polizei aus der Gruppe herausgelassen wurden. Dies zielte ersichtlich darauf ab, ein Aufeinandertreffen mit rivalisierenden Nürnberger Fans und damit weitere Ausschreitungen in der E. Altstadt zu verhindern.
18Hätte die Ingewahrsamnahme der 272 Personen ausschließlich die Identifizierung derjenigen bezweckt, die als Straftäter in Betracht kamen, so hätte es nahegelegen, unverzüglich nach der zitierten Durchsage hiermit zu beginnen. Das ist indes – ungeachtet des im Einsatztagebuch der Polizei um 01:32 Uhr vermerkten entsprechenden Auftrags – jedenfalls ausweislich des zur Akte gereichten Filmmaterials zunächst nicht geschehen. Die in der Aufnahme sichtbaren Identitätsfeststellungen erfolgten erst einige Stunden später, bei der Klägerin sogar erst um 05:41 Uhr.
19Angesichts dieser Abläufe, namentlich der fehlenden Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin und der Dauer des Gewahrsams, lag aus ihrer Sicht der Schluss nahe, dass hierdurch weiteren Ausschreitungen bzw. Straftaten vorgebeugt werden sollte, so dass zumindest auch von einem präventiv-polizeilichen Zweck der Ingewahrsamnahme auszugehen ist.
20Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass gegen andere Personen aus der Gruppe anschließend Strafverfahren eingeleitet wurden. Das ändert nichts an der auch präventiven Zielrichtung, insbesondere bezogen auf diejenigen Betroffenen, gegen die keine strafrechtlichen Ermittlungen erfolgten.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
22Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht (Nr. 5502 des KV [Anl. 1] zum GKG).
23Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG).
24Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i. V. m. § 152 Abs. 1 VwGO).
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. September 2011 - 8 K 4237/09 - geändert. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20. November 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München
10 B 14.2246
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 22. September 2015
(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)
10. Senat
Sachgebietsschlüssel: 512
Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
...,
gegen
Stadt Würzburg,
vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,
- Beklagte -
beteiligt:
Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,
wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015
folgendes
Urteil:
I.
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
II.
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.05.2012 - 3 K 1395/11 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
Gründe
- 1
-
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und eines Verfahrensmangels (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
-
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
- 3
-
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, ob und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran gemessen führen die von den Klägern aufgeworfenen und von ihnen als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen nicht zur Zulassung der Revision.
- 4
-
a) Die Kläger möchten die Frage beantwortet wissen: "Können, entgegen Art. 8 I GG über die Spezialnormen der §§ 5 und 13 Versammlungsgesetz hinaus, insbesondere des § 13 Abs. 1 Nr. 2 3. Alt., das allgemeine oder das besondere Polizeirecht zur Auflösung von nach Art. 8 I GG geschützten Versammlungen (hier speziell solche, die nicht unter freiem Himmel stattfinden) als Ermächtigungsnorm für Eingriffe, insbesondere eine Auflösung, herangezogen werden?" Mit dieser Frage begehren die Kläger im Kern eine Antwort dazu, ob in die von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit nur auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes eingegriffen werden kann oder ob Eingriffe auch auf das (allgemeine) Polizeirecht gestützt werden können. Diese Frage führt nicht zur Revisionszulassung.
- 5
-
Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung einer Klärung gerade durch höchstrichterliche Entscheidung bedarf. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. Oktober 2000 - BVerwG 6 B 47.00 - Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 S. 6 m.w.N.). So liegt es hier. Die in Rede stehende Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts geklärt.
- 6
-
Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich in erster Linie nach dem Versammlungsgesetz. Seine im Vergleich zum allgemeinen Polizeirecht besonderen Voraussetzungen für beschränkende Maßnahmen sind Ausprägungen des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Soweit das Versammlungsgesetz abschließende Regelungen hinsichtlich der polizeilichen Eingriffsbefugnisse enthält, geht es daher als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor (vgl. Urteile vom 21. April 1989 - BVerwG 7 C 50.88 - BVerwGE 82, 34 <38> und vom 25. Juli 2007 - BVerwG 6 C 39.06 - BVerwGE 129, 142 Rn. 30 m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 - BVerfGK 4, 154 <158> m.w.N. und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 - BVerfGK 11, 102 <114 f.> m.w.N.). Diese sogenannte Polizeifestigkeit der Versammlungsfreiheit bedeutet freilich nicht, dass in die Versammlungsfreiheit nur auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes eingegriffen werden könnte; denn das Versammlungsgesetz enthält keine abschließende Regelung für die Abwehr von Gefahren, die im Zusammenhang mit Versammlungen auftreten können. Vielmehr ist das Versammlungswesen im Versammlungsgesetz nicht umfassend und vollständig, sondern nur teilweise und lückenhaft geregelt, so dass in Ermangelung einer speziellen Regelung auf das der allgemeinen Gefahrenabwehr dienende Polizeirecht der Länder zurückgegriffen werden muss (vgl. Urteile vom 8. September 1981 - BVerwG 1 C 88.77 - BVerwGE 64, 55 <58>, vom 23. März 1999 - BVerwG 1 C 12.97 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 12 S. 6 und vom 25. Juli 2007 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass auf das allgemeine Polizeirecht auch insoweit zurückgegriffen werden kann, als es um die Verhütung von Gefahren geht, die allein aus der Ansammlung einer Vielzahl von Menschen an einem dafür ungeeigneten Ort entstehen, unabhängig davon, ob es sich bei dieser Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts handelt.
- 7
-
b) Die Kläger werfen weiter die Frage auf, "ob eine Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 41 I VwVfG BW, der inhaltsgleich dem § 41 I VwVfG und damit revisibel ist, der in den Zuständigkeitsbereich einer Ordnungsbehörde fällt, durch einen Polizeivollzugsbediensteten, der für eine andere Gebietskörperschaft tätig ist, im Ausnahmefall der Eilbedürftigkeit bekanntgegeben werden kann". Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht notwendig durch die für den Erlass des Verwaltungsaktes zuständige Behörde selbst erfolgen muss (vgl. Beschluss vom 5. Mai 1997 - BVerwG 1 B 129.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11 S. 20 m.w.N.). Da es für die Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes durch einen Dritten nicht darauf ankommt, ob die für den Erlass des Verwaltungsaktes zuständige Behörde im Einzelfall nicht in der Lage ist, den Verwaltungsakt bekannt zu geben, kann auch die von den Klägern in diesem Zusammenhang aufgeworfene weitere Frage nach den Voraussetzungen einer "Eilkompetenz" die Revisionszulassung nicht rechtfertigen.
- 8
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c) Soweit es die Kläger für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung halten, "ob eine Behörde den grundgesetzlich verbürgten Anspruch auf Rechtsschutz dadurch unterminieren kann, dass sie bei einer existenten oder vorgeblichen Gefährdungslage durch schlichte Untätigkeit über Monate im Wege einer 'last-minute-Verbescheidung' die Voraussetzungen für einen Entfall der Begründungspflicht wegen einer Notstandsmaßnahme nach § 80 III S. 2 VwGO selbst schaffen kann und damit letztlich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers dagegen ins Leere laufen lässt", kann dies schon deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, weil diese Frage auf den Einzelfall bezogen ist und deshalb einer grundsätzlichen Bedeutung entbehrt.
- 9
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2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
- 10
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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidungen beruhen. Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang allein einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO. Sie sind der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof hätte den Sachverhalt mit Blick auf die Voraussetzungen der Auflösung einer Versammlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Versammlungsgesetzes und hinsichtlich einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung näher aufklären müssen. Diese Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf den angeblichen Verstößen gegen § 86 Abs. 1 VwGO beruhen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich offengelassen, ob das Versammlungsgesetz Anwendung findet. Da er angenommen hat, dass Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit von vornherein nicht legitimieren können, kam es auf die Voraussetzungen einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung nicht an.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Der Beweis durch Augenschein wird durch Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Tatsachen angetreten. Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten.
(2) Befindet sich der Gegenstand nach der Behauptung des Beweisführers nicht in seinem Besitz, so wird der Beweis außerdem durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung des Gegenstandes eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 zu erlassen. Die §§ 422 bis 432 gelten entsprechend.
(3) Vereitelt eine Partei die ihr zumutbare Einnahme des Augenscheins, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit des Gegenstandes als bewiesen angesehen werden.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden.
(2) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat.
(3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören.
(1) Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Eine Zustellung durch den Gläubiger genügt; in diesem Fall braucht die Ausfertigung des Urteils Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht zu enthalten.
(2) Handelt es sich um die Vollstreckung eines Urteils, dessen vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 erteilt worden ist, oder soll ein Urteil, das nach den §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, dem § 745 Abs. 2 und dem § 749 für oder gegen eine der dort bezeichneten Personen wirksam ist, für oder gegen eine dieser Personen vollstreckt werden, so muss außer dem zu vollstreckenden Urteil auch die ihm beigefügte Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel auf Grund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit ihrem Beginn zugestellt werden.
(3) Eine Zwangsvollstreckung nach § 720a darf nur beginnen, wenn das Urteil und die Vollstreckungsklausel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt sind.
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Der Beweis durch Augenschein wird durch Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Tatsachen angetreten. Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten.
(2) Befindet sich der Gegenstand nach der Behauptung des Beweisführers nicht in seinem Besitz, so wird der Beweis außerdem durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung des Gegenstandes eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 zu erlassen. Die §§ 422 bis 432 gelten entsprechend.
(3) Vereitelt eine Partei die ihr zumutbare Einnahme des Augenscheins, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit des Gegenstandes als bewiesen angesehen werden.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch das Beschwerdegericht führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
3Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 31. März 2016 bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, weil davon auszugehen ist, dass dem Antragsteller wegen des Konsums der harten Droge Amphetamin die Kraftfahreignung fehlt. Diese Feststellung basiert auch nicht, wie der Antragsteller mit der Beschwerde rügt, auf einem fehlerhaft gewürdigten und den Tatsachen nicht entsprechendem Sachverhalt. Die fehlende Kraftfahreignung des Antragstellers ergibt sich vielmehr aus dem Ergebnis des Drogenschnelltests (Urin) vom 14. November 2015 mit einer positiven Reaktion auf Amphetamin, aus dem Inhalt des Vermerks der Polizeibeamten vom selben Tag und aus den Angaben des Antragstellers gegenüber dem Polizeipräsidium S. am 7. Dezember 2015.
4Dem Vermerk vom 14. November 2015 ist zu entnehmen, dass die Polizeibeamten an diesem Tag zu einer Gaststätte in X. gerufen wurden, in der sich der Antragsteller anlässlich eines Ausflugs seines Fußballvereins aufhielt. Der Manager des Vereins und gleichzeitig der Begleiter bzw. Betreuer der Reisegruppe hatte die Polizei verständigt. Am Telefon hatte er angegeben, dass der Antragsteller möglicherweise unter Drogeneinfluss stehe. Vor Ort erklärte er, dass weder er noch zwei weitere Fußballer, die den Antragsteller zu den Polizeibeamten begleitet hatten, etwas zu einem Drogenkonsum sagen könnten. Der Gruppe ging es vor allem auch darum, zu erfahren, ob der Antragsteller gefahrenfrei am Abend wieder nach Marl zurück fahren könne.
5Der Antragsteller wurde zum Sachverhalt befragt. Er gab an, ca. drei Stunden vor dem Eintreffen der Polizei eine Ecstasy-Tablette zum Preis von fünf Euro von einer männlichen Person in der Gaststätte angeboten bekommen zu haben. Er habe die Tablette anschließend konsumiert. Danach habe er einen Totalausfall gehabt und sich zeitweise an nichts mehr erinnern können. Anschließend beschrieb der Antragsteller den Verkäufer der Tablette. Nach der Wahrnehmung der Polizeibeamten war der Antragsteller, der über Durst klagte, sehr nervös und zappelig, seine Pupillen waren im Tageslicht sehr groß bzw. geweitet und seine Kleidung verschmutzt. Ein auf der Polizeidienststelle neben dem Drogenschnelltest durchgeführter Atemalkoholtest ergab 2,3 Promille. Weitere Untersuchungen wurden nicht veranlasst. Dass der Inhalt des Vermerks die Äußerungen des Antragstellers fehlerhaft wiedergibt, wie er erstmals im Fahrerlaubnisverfahren behauptet hat, ist weder von ihm nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich.
6Am 7. Dezember 2015 wurde der Antragsteller als Beschuldigter im Polizeipräsidium S. vernommen. Dort hat er nach erfolgter und von ihm schriftlich als verstanden bestätigter Belehrung, folgendes erklärt:
7„Der Sachverhalt bzw. Tatvorwurf wurde mir vorgelesen. Ich kann eigentlich nichts Ergänzendes dazu angeben. Den Typen, von dem ich die Pille gekauft habe, könnte ich nicht auf Lichtbildern wieder erkennen. Vorher habe ich noch nie Drogen genommen. Das wird mir auch nicht noch einmal passieren!“
8Damit hat er auch drei Wochen nach dem Vorfall die seinerzeitige Schilderung der Ereignisse insoweit bestätigt, dass er vor dem Eintreffen der Polizei von einem Unbekannten eine Ecstasy-Tablette erworben und anschließend konsumiert habe.
9Aufgrund der Feststellungen der Polizeibeamten einerseits und der Angaben des Antragstellers insbesondere im Dezember 2015 andererseits hat es das Verwaltungsgericht zu Recht als erwiesen angesehen, dass der Antragsteller am 14. November 2015 bewusst Ecstasy und damit die Droge Amphetamin konsumiert hat. Aus welchen Gründen das Ergebnis des Drogenschnelltests keinerlei Nachweis für den Konsum der Substanz darstellen soll, auf die der Test positiv reagiert hat, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Der Antragsteller beschränkt sich insoweit auf die Aussage, dass ihm nicht ersichtlich sei, inwieweit das positive Ergebnis des Schnelltests seines Urins den Konsum von Amphetaminen nachweisen könne. Daran ändert auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts München nichts, derzufolge allein aufgrund des positiven Ergebnisses eines Schnelltests nicht der Konsum von Amphetaminen nachgewiesen sei. Soweit in den zitierten Entscheidungen von einer geringeren Aussagekraft von Schnelltests im Vergleich etwa zu Blutuntersuchungen ausgegangen wird,
10vgl. ausführlich zum Beweiswert eines solchen positiven Tests bei demgegenüber negativem Ergebnis einer anschließenden Blutuntersuchung: Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 ‑ 11 CS 09.1996 ‑, juris, Rn. 21 bis 23,
11und diese Tests deshalb nicht allein den Schluss zulassen, dass der Betroffene die nachgewiesenen Substanzen konsumiert hat, ist eine entsprechende Annahme nach den genannten Entscheidungen aber jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzutreten, die den Befund erhärten.
12Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2009 ‑ 11 CS 09.1996 -, a.a.O., Rn. 20 und vom 21. März 2005 ‑ 11 CS 04.2334 ‑, juris, Rn. 12; VG München, Beschluss vom 14. März 2014 ‑ M 6b S 14.115 -, juris, Rn. 52.
13Einen derartigen Umstand hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss berücksichtigt, indem es den Nachweis des Amphetaminkonsums gerade nicht allein auf das Ergebnis des Drogenschnelltests, sondern ausdrücklich auch auf die polizeilichen Feststellungen und die Angaben des Antragstellers gestützt hat.
14Auch soweit der Antragsteller rügt, dass seine Angaben gegenüber den Polizeibeamten am 14. November 2015 einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, weil er aufgrund der starken Alkoholisierung nicht vernehmungsfähig gewesen und außerdem vor der Befragung nicht belehrt worden sei, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Denn, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, können nach der ständigen Rechtsprechung des Senats,
15vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2013 - 16 B 976/13 ‑, juris, Rn. 3 ff. m. w. N. auch auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte, und zuletzt Beschlüsse vom 5. November 2015 - 16 B 1173/15 ‑ und vom 26. November 2015 ‑ 16 E 648/15 ‑,
16letzterer veröffentlicht in juris, Rn. 12 ff.,
17die strafverfahrensrechtlichen Maßstäbe über die Rechtsfolgen von Mängeln der Beweiserhebung nicht ohne weiteres auf das ordnungsrechtliche Fahrerlaubnisverfahren übertragen werden, da dieses andere Zielsetzungen verfolgt und anderen Verfahrensbestimmungen unterliegt. Soweit ‑ wie im Fahrerlaubnisrecht ‑ ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht besteht, ist vielmehr im Einzelfall zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen. Diese Abwägung fällt im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel und so auch vorliegend zu Lasten des jeweiligen Fahrerlaubnisinhabers aus. Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären bzw. wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2013, a. a. O.
19Das gilt auch für die Frage, ob sich aus fehlender Belehrung vor der ersten verantwortlichen Befragung ein Verwertungsverbot ergibt.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2015, a. a. O.
21An diesen Grundsätzen hält der Senat weiter fest und sieht sich hieran auch nicht durch die Bedenken gehindert, die das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung von Führerscheinen zu verwerten.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ‑ 1 BvR 1837/12 ‑, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13.
23Denn der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und ohne sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u. a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsverboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2015, a. a. O., m. w. N. auf u. a. die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung.
25Eine andere Einschätzung kommt auch nicht insofern in Betracht, als der Antragsteller einer Verwertung von Erklärungen entgegentritt, die er in einem vernehmungsunfähigen Zustand gemacht habe. Da er seine Angaben vom 14. November 2015 anlässlich seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter im Polizeipräsidium S. am 7. Dezember 2015 bestätigt hat, kommt es für die Verwertbarkeit dieser unstreitig in vernehmungsfähigem Zustand und nach entsprechender Belehrung erfolgten weiteren Angaben bereits nicht darauf an, ob er anlässlich der ersten Befragung im unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorfall vernehmungsfähig gewesen ist. Dass er wegen der erheblichen Alkoholisierung Erklärungen abgegeben habe, die nicht den Tatsachen entsprochen hätten, hat er bei seiner späteren Vernehmung im Polizeipräsidium gerade nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr der seinerzeitigen Schilderung der Ereignisse nichts hinzuzufügen gehabt und damit diese Angaben als zutreffend bestätigt. Dem kann er auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er anlässlich der zweiten Vernehmung nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich nunmehr nüchtern zu dem Vorfall zu äußern, wie er anlässlich der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis behauptet hat. Anhaltspunkte dafür sind weder seinem Vorbringen, das sich auf eine dahingehende Behauptung beschränkt, noch dem Vernehmungsprotokoll zu entnehmen. Zu dem Sachverhalt bzw. Tatvorwurf befragt, hat er vielmehr angegeben, dass er den Verkäufer der Tablette nicht wiedererkennen würde und vorher noch nie Drogen genommen habe. Hätte ihm der Verkäufer die Tablette tatsächlich als koffeinhaltiges Präparat und nicht als Ecstasy-Pille verkauft, wie der Antragsteller ebenfalls erstmals im Rahmen der Anhörung zu der bevorstehenden Erziehung seiner Fahrerlaubnis behauptet hat, ist nicht nachzuvollziehen, warum er bei der zweiten Vernehmung nicht von diesem Täuschungsverhalten berichtet hat. Immerhin hat er sich infolge des Konsums der Tablette in einem derart besorgniserregenden Zustand befunden, dass der Manager des Fußballvereins sich veranlasst sah, die Polizei zur Hilfe zu rufen. Auch vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht die von den ursprünglichen Angaben des Antragstellers abweichenden Schilderungen im Fahrerlaubnisverfahren zu Recht als Schutzbehauptung bewertet.
26Mit Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner bei dem Antragsteller wegen nachgewiesenen Konsums von Amphetamin von der fehlenden Kraftfahreignung ausgehen musste, ist auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Interessenabwägung im Übrigen nicht zu beanstanden. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der Antragsteller bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig weiterhin als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilnimmt. Trotz der Folgen der Mobilitätseinbuße für den Antragsteller stellt sich das öffentliche Interesse an seinem sofortigen Ausschluss von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr als übergeordnet dar.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
(1) Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei.
(2) Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen. Macht er sie geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach § 684 Satz 1 verpflichtet.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 17. September 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines auf der Grundlage von § 19 BPolG erlassenen Kostenbescheides.
- 2
Am 15.08.2010 unternahm der Kläger mit seiner Schwester (der Klägerin im Verfahren 3 A 96/12 bzw. der Berufungsbeklagten im Verfahren 4 LB 10/14) sowie einem weiteren Begleiter eine Fahrt mit einem Kite-Surfbrett von St.-Peter-Ording nach Helgoland. Um 10:43 Uhr wurde von dem Einsatzpatrouillenschiff BP 25 (Bayreuth) ein Seenotfunkspruch aufgenommen, wonach sich zwei Kite-Surfer in Seenot im Seegebiet östlich von Helgoland befanden, während ein dritter Surfer Hilfe holen wollte. Nach einer Benachrichtigung des Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) Bremen und einer im Seegebiet durchgeführten Suche wurden um 10:58 Uhr zunächst der weitere Begleiter sowie um 11:23 Uhr der Kläger und seine Schwester von der BP 25 geborgen und nach Erstversorgung um 11:57 Uhr an die Besatzung des Seenotrettungskreuzers „Hermann Marwede" übergeben. Der Einsatz der BP 25 wurde um 12:09 Uhr beendet. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Sachverhaltsschilderung vom 17.08.2010 (Bl. 12 ff. der Beiakte A).
- 3
Mit Bescheid vom 07.10.2010 forderte die Beklagte vom Kläger, gemeinsam mit seiner Schwester als Gesamtschuldner, die Erstattung der für die Seenotrettung entstandenen Kosten i.H.v. 1.508,21 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Personalkosten für die Schiffsbesatzung i.H.v. insgesamt 921,00 € sowie aus den Einsatz- bzw. Betriebskosten des Schiffes i.H.v. 587,21 €. Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird verwiesen auf die entsprechenden Ausführungen im Bescheid vom 07.10.2010 (Bl. 60 der Beiakte A.). Gegenüber der Schwester des Klägers erging ein gleichlautender Leistungsbescheid.
- 4
Der Kläger legte gegen den Leistungsbescheid mit Schreiben vom 04.11.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass für die im Wasser befindlichen Personen keine Gefahr bestanden habe, insbesondere habe man im Seenotruf deutlich gemacht, dass eine Rettung nicht mit besonderer Eile habe erfolgen müssen. Der Einsatz der BP 25 habe lediglich ohnehin bestehende Fixkosten begründen können. Die ebenfalls im gleichen Bereich wie die BP 25 befindliche „Hermann Marwede" habe ähnlich schnell und wesentlich kostengünstiger Hilfe leisten können. Angesichts des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Sicherheit könnten Kosten im Rahmen eines nicht fahrlässig herbeigeführten Unglücksfalles nicht geltend gemacht werden. Zudem sei der Rettungsfall lediglich wegen eines - im Vorhinein als sehr unwahrscheinlich einzuschätzenden - Materialfehlers eines genutzten Kites eingetreten.
- 5
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012, zugestellt am 12.04.2012, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung trug die Widerspruchsbehörde vor, dass auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG die nach §§17 oder 18 BPolG Verantwortlichen zum Ersatz der Kosten herangezogen werden könnten, die der Bundespolizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden seien. Gem. § 2 Abs. 1 SeeFSichV habe im konkreten Fall die Pflicht zur Hilfeleistung in einem Seenotfall bestanden. Aufgrund des ersten Sichtkontaktes mit dem Kläger und seiner Schwester durch die BP 25 unter mehreren in der Umgebung befindlichen Schiffen sei der BP 25 durch das MRCC Bremen die Rettung der Personen übertragen worden. Es habe zudem eine i.S.d. § 17 BPolG verantwortlich herbeigeführte Gefährdung von Leib und Leben des Klägers vorgelegen. Der Einsatz der BP 25 sei auch ein verhältnismäßiges Mittel zur Beseitigung dieser Gefahr gewesen. Eine etwaige Absprache, dass ein näher am Kläger befindliches Schiff habe zurückbleiben sollen, habe es entgegen dessen Vorbringen nicht gegeben.
- 6
Der Kläger hat am 11.05.2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass kein leichtfertig herbeigeführter Seenotfall bestanden habe. Nach umfassender Vorbereitung und Information hätten der Kläger und seine Begleiter den Beginn ihrer Tour der DGZRS mitgeteilt. Die Schwester des Klägers hätte sich nach dem nicht vorherzusehenden Eintritt ihrer Manövrierunfähigkeit auch selbst wieder aus dieser Situation befreien können, dies hätte lediglich mehrere Stunden in Anspruch genommen. Niemand der Beteiligten sei erschöpft gewesen und habe der Bergung bedurft. Der Einsatz der BP 25 sei nicht erforderlich gewesen, man habe ohne Probleme und Eile auf die „Hermann Marwede" warten können. Weiter würden die Kosten der Höhe nach mit Nichtwissen bestritten; im Übrigen seien diese sowieso wegen der Dienstbereitschaft der BP 25 angefallen.
- 7
Der Kläger hat beantragt,
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den Leistungsbescheid der Beklagten vom 07.10.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012 aufzuheben.
- 9
Die Beklagte hat beantragt,
- 10
die Klage abzuweisen.
- 11
Sie hat die Darstellung des Sachverhalts in den angegriffenen Bescheiden wiederholt und vertieft. Auf dieser Grundlage habe eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne vorgelegen, der mit verhältnismäßigen Mitteln begegnet worden sei. Trotz der vom Kläger vorgetragenen Vorbereitung und der Materialschwäche des Kites seiner Schwester sei der Kläger für den eingetretenen Seenotfall im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich, da sich ihm die beim Kite-Surfen über eine so lange Strecke möglichen lebensgefährdenden Risiken hätten aufdrängen müssen. Auch wenn Hochleistungs-Kiter die genannte Strecke bewältigen könnten, sei die Durchführung des Unternehmens ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen auf offener See, z.B. durch ein Begleit- oder Sicherungsboot, leichtsinnig und ursächlich für die Notsituation gewesen. Die Kosten bestimmten sich bezüglich der Personalkosten nach den „Bestimmungen über wirtschaftliche Leistungen des Bundesgrenzschutzes zugunsten Dritter" vom 07.05.2003 (Bl. 50 f. PA) und bezüglich der Betriebskosten für die BP 25 nach einer entsprechenden Kostenkalkulation (Bl. 25 ff. d. Beiakte A).
- 12
Das Verwaltungsgericht - 3. Kammer, Einzelrichter - hat der Klage mit Urteil vom 17.09.2013 stattgegeben und den Bescheid vom 07.10.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012 aufgehoben.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für den angefochtenen Kostenbescheid keine ausreichende Rechtsgrundlage bestehe. § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG stelle keine Ermächtigung für die streitgegenständliche Kostenfestsetzung dar. Es könne dahinstehen, ob im vorliegenden Fall die Bundespolizei auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 BPolG ermächtigt war, die kostenauslösende Seenotrettung des Klägers bzw. dessen Schwester durchzuführen. Daran sei zu zweifeln, weil § 14 Abs. 1 BPolG ausdrücklich auf die Aufgaben nach §§ 1 bis 7 BPolG Bezug nehme, die wiederum in enumerativer Form bestimmte Sonderzuständigkeiten festlegten. Auch sei fraglich, ob in einer ausweglosen Lage die zu schützenden Personen gleichzeitig als Verantwortliche in Anspruch genommen werden könnten. Jedenfalls eigne sich § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG nicht als Grundlage für den streitgegenständlichen Kostenbescheid. Soweit der Begriff der Kosten in § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG nicht näher definiert sei, könne zwar auf die Definition in § 1 Abs. 1 S. 1 des im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerspruchsbescheides noch in Kraft befindlichen Verwaltungskostengesetzes (VwKostG, seit dem 15.08.2013 ersetzt durch das Bundesgebührengesetz, BGebG) abgestellt werden, wonach darunter Gebühren und Auslagen zu verstehen seien. Die Regelungen des Bundeskostenrechts träfen aber nur allgemeine Regelungen über die Erhebung von Kosten, die der Ergänzung durch Rechtsverordnung bedürften. Die gesetzlichen Grundlagen für den Erlass einer Kostenordnung fänden sich in den jeweiligen Fachgesetzen. Eine solche fehle im BPolG und dementsprechend sei eine Kostenordnung auch nicht erlassen worden. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Möglichkeit, die Kostenordnung in Form einer Rechtsverordnung zu erlassen, seien bestimmte Anforderungen an die gesetzliche Verordnungsgrundlage zu stellen, nämlich, dass Tendenz und Ausmaß der Verordnung vom Gesetzgeber soweit vorgezeichnet sind, dass der mögliche Inhalt der Verordnung vorhersehbar ist.
- 14
Auf die (Verwaltungs-) Vorschrift zur Ermittlung der Personalkosten könne bereits deswegen nicht zurückgegriffen werden, weil es schon an der grundlegenden gesetzlichen (Verordnungs-)Ermächtigung im BPolG fehle. Außerdem sei die Verwaltungsvorschrift auch nicht anwendbar, weil ihr Inhalt wirtschaftliche Leistungen zugunsten Dritter betreffe, nicht aber hoheitliches Handeln der Bundespolizei.
- 15
Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 12.02.2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
- 16
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft auf die Definition des Begriffes Kosten im VwKostG abgestellt habe. Überdies werde aus der gesetzlichen Formulierung im nunmehr geltenden § 2 Abs. 2 Nr. 4 BGebG ersichtlich, dass dieses nicht für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Bundespolizei gelte. Hierdurch solle nach dem Willen des Gesetzgebers den besonderen Bindungen im Bereich der staatlichen Gefahrenabwehr Rechnung getragen werden. Es sei danach in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt, ob er individuell zurechenbare Leistungen im Bereich der Gefahrenabwehr über von der Allgemeinheit zu tragende Steuern oder durch Gebühren und Auslagen refinanzieren möchte. Unter diesem Aspekt müsste als Erhebung von „Kosten" i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG auch die Abwälzung der bei der Polizei entstandenen Selbstkosten einer Gefahrenabwehrmaßnahme in Betracht kommen. In jedem Fall setze das Kostendeckungsprinzip i.S. einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Kostenerhebung eine Grenze nach oben hin. Dies gelte auch im Falle des Ansatzes lediglich der Selbstkosten. In diesem Sinne habe die Beklagte die vom Verwaltungsgericht Hamburg im Urteil vom 21.02.1996 (Az.: 22 VG 2232/93) angewandten Maßstäbe für die Berechnung der Selbstkosten bzw. die Auferlegung dieser Kosten auf den Gefahrenverursacher zur Grundlage ihrer Berechnungen gemacht. Auch im Falle eines Verzichts auf den Erlass einer Gebühren- bzw. Kostenordnung und Abwälzung der Selbstkosten sei die Höhe der potentiellen Kosten aufgrund des Wirtschaftlichkeits- und Kostendeckungsprinzips eindeutig bestimmbar. Im Übrigen eröffne § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG auch den Rückgriff auf eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. eine entsprechende Kostenbelastung des Klägers, weil die Vorschrift deutlich mache, dass die Regelungen des öffentlichen Rechts nicht erschöpfend sein sollten.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 17.09.2013 abzuweisen.
- 19
Der Kläger beantragt,
- 20
die Berufung zurückzuweisen.
- 21
Er führt aus, dass im Rahmen des streitgegenständlichen Einsatzes der BP 25 keine Kosten entstanden seien, die anderenfalls nicht entstanden wären, so dass es an der Kausalität fehle. Die von der Beklagten herangezogene Gesetzesbegründung zum BGebG sei als Klarstellung zu verstehen, dass im Bereich der staatlichen Gefahrenabwehr die Selbstkosten der Gefahrabwehrbehörden durch Steuern und nicht durch Gebühren und Auslagen zu finanzieren seien, soweit nicht in einzelnen Fachgesetzen etwas Abweichendes geregelt sei. Eine solche abweichende Regelung liege aber mit Blick auf § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG gerade nicht vor. Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesetzgeber müssten erst recht für eine kostenrechtliche Generalklausel gelten, mit der die Exekutive im Einzelfall Kosten unmittelbar festsetzen könnte. Auch die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 1 BPolG lägen nicht vor, da der Kläger nicht Gefahrverantwortlicher, sondern lediglich Helfer seiner Schwester gewesen sei, weil er diese nicht manövrierunfähig zurücklassen wollte. Auch eine Kostenerhebung im Wege der Geltendmachung einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag scheitere sowohl an der fehlenden Befugnis, dies im Wege eines Bescheides zu tun als auch mangels Erfüllung der Voraussetzungen derselben.
- 22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
- 23
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
- 24
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Leistungsbescheid vom 7. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
- 25
Der Kläger ist im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung zur Erstattung der für die Seenotrettung entstandenen Kosten in Höhe von 1.508,21 Euro herangezogen worden. Ein solcher Leistungsbescheid bedarf der gesetzlichen Grundlage. Die Beklagte hat den Bescheid auf § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG gestützt. Nach der Vorschrift des § 19 BPolG kann die Bundespolizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach § 17 oder § 18 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BPolG). Entstehen der Bundespolizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach § 17 oder § 18 Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet. Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner (§19 Abs. 2 Satz 1 und 2 BPolG).
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Voraussetzung für eine rechtmäßige Heranziehung zu Kosten einer unmittelbaren Ausführung ist zunächst ein zugrundeliegendes rechtmäßiges Verwaltungshandeln. Nur für rechtmäßiges Handeln muss gezahlt werden. Der Bundespolizei obliegen die Aufgaben, die ihr durch das Bundespolizeigesetz übertragen werden oder ihr bis zum 1. November 1994 durch ein anderes Bundesgesetz oder aufgrund eines Bundesgesetzes zugewiesen worden sind (§ 1 Abs. 2 BPolG). § 6 BPolG regelt die Aufgaben auf See. Hiernach hat die Bundespolizei unbeschadet der Zuständigkeit anderer Behörden oder der Streitkräfte auf See außerhalb des deutschen Küstenmeers die Maßnahmen zu treffen, zu denen die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht befugt ist (§6 Satz 1 BPolG). Diese gesetzliche Aufgabenzuweisung greift hier jedoch nicht ein, da die Rettungsaktion nicht außerhalb, sondern innerhalb des Küstenmeeres stattgefunden hat. Im Bereich des Küstenmeeres obliegen allgemeinpolizeiliche Aufgaben - insbesondere die Gefahrenabwehr - grundsätzlich der Polizei des jeweiligen Küstenbundeslandes. Für den hier vorliegenden Fall einer Rettungsmaßnahme von in Seenot befindlichen Personen ist jedoch in den Blick zu nehmen, dass gemäß § 1 Abs. 4 BPolG der Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgaben der Schutz privater Rechte obliegt, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne Hilfe der Bundespolizei die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Darüber hinaus hat der Schiffsführer oder sonst für die Sicherheit Verantwortliche eines auf See befindlichen und zur Hilfeleistung fähigen Schiffes, dem gemeldet wird, dass sich Menschen in Seenot befinden, ihnen mit größter Geschwindigkeit zur Hilfe zu eilen und ihnen oder den betreffenden Such- und Rettungsdienst nach Möglichkeit hiervon Kenntnis zu geben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Sicherheit der Seefahrt - SeeFSichV -). Die Verordnung gilt auf den Seeschifffahrtsstraßen und darüber hinaus für Seeschiffe einschließlich Traditionsschiffe und Sportfahrzeuge im Sinne der Schiffssicherheitsverordnung vom 18. September 1998 (BGBl. I S.3013, 3023) in der jeweils geltenden Fassung, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen. Keine Geltung beansprucht die Verordnung für Schiffe der Bundeswehr. Hieraus folgt, dass die Bundespolizei bei Gefahr im Verzuge (vgl. dazu § 1 Abs. 6 BPolG) berechtigt und verpflichtet war, auf den vom Kläger ausgelösten Seenotruf zu reagieren und die erforderlichen Rettungsmaßnahmen durchzuführen.
- 27
Die Beklagte hat vorliegend auch im Wege der unmittelbaren Ausführung im Sinne von §19 Abs. 1 und 2 BPolG gehandelt. Unmittelbare Ausführung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet nicht die Beseitigung einer Störung oder Gefahr im Wege der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwanges, sondern die Ausführung einer Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten durch Realakt in den Fällen, in denen der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen (der Störer) nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Es handelt sich um eine Gefahrenabwehr mit eigenen Mitteln der Polizeibehörde durch Realakt (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr Allgemeines Polizeirecht 9. Aufl. § 25 S. 442 f.) Die Überwindung eines entgegenstehenden Willens des Verantwortlichen ist nicht Voraussetzung (Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 817 bb). Die Annahme einer rechtmäßigen unmittelbaren Ausführung scheitert deshalb nicht daran, dass die im Einverständnis erfolgte Rettungsmaßnahme keinen Eingriffscharakter aufweist. Wird etwa ein Nichtschwimmer durch die rasche Hilfe eines Polizeibeamten vor dem Ertrinken gerettet, so liegt darin nicht die Anwendung von Verwaltungszwang, sondern eine unmittelbare Ausführung (Lisken/Denninger a.a.O. D Rn. 157).
- 28
Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren (§ 14 Abs. 1 BPolG). Im vorliegenden Falle durfte die Bundespolizei zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Maßnahme vom Vorliegen einer erheblichen Gefahr ausgehen. Eine erhebliche Gefahr im Sinne des Abschnitts 2 des Bundespolizeigesetzes ist eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder andere strafrechtlich geschützte Güter von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit (§14 Abs. 2 BPolG). Aufgrund des durch den Kläger ausgelösten Notrufes und der fehlenden Einsatzbereitschaft der Kite-Ausrüstung durfte ohne Weiteres von einer Gefahr für Leben und Gesundheit der beiden Kite-Surfer ausgegangen werden. Da das Vorliegen einer Gefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Maßnahme beurteilt werden muss, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger trotz Auslösen des Notrufes selbst noch in der Lage gewesen wäre, mit seinem Kite Helgoland zu erreichen. Aus der Natur der polizeilichen Gefahrenabwehr folgt, dass die Unerlässlichkeit einer Maßnahme nicht danach zu beurteilen ist, wie sich die Sachlage später - vielleicht nach eingehender Beweisaufnahme - darstellt, sondern nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme bestehenden Verhältnisse. Es genügt, dass bei objektiver Betrachtung in diesem Zeitpunkt eine Sachlage gegeben war, die die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr rechtfertigte, auch wenn sich dies im Nachhinein nicht bestätigt (BVerwG, Urt. v. 26.02.1974, DÖV 1974, 637).
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Das Verwaltungsgericht hat letztlich offengelassen, ob im Falle der Rettung von Risikosportlern aus einer ausweglosen Lage die gefährdeten und polizeilich zu schützenden Personen gleichzeitig als Verantwortliche für die Gefahr (Störer) in Anspruch genommen werden können. Der Senat kann diese Frage im vorliegenden Falle ebenfalls offenlassen, merkt jedoch gleichwohl an: Nach der auch für den Verursacherbegriff in § 17 Abs. 1 BPolG anzuwendenden Theorie der unmittelbaren Verursachung ist ein Verhalten dann ursächlich, wenn es für sich gesehen die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschreitet und dadurch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes begründet oder erhöht (Schenke in: Schenke/Graulich/Rutig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 17 BPolG, Rn. 18). In Literatur und Rechtsprechung wird diese Frage in den Fällen der Ausübung risikoreichen Sportes unterschiedlich beantwortet. Während etwa vertreten wird, der Sportausübende sei nicht Störer (vgl. etwa Götz, Allgemeines Polizeirecht, 15. Aufl., 2013, § 14 Rn. 48) sind im sogenannten „Mordloch-Höhlen-Fall" zwei Sporttaucher, die in die Höhle eingestiegen waren und aus eigener Kraft nicht mehr zurückkonnten, nach Bergung im Rahmen einer von der Polizei geleiteten Rettungsaktion als Verantwortliche angesehen worden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 20.09.1981 - 1 S 2484/81 -, VBlBW 1994 S. 20 f.). Auch wenn die Distanz zwischen St. Peter-Ording und Helgoland von Hochleistungssurfern bewältigt werden kann und man davon ausgeht, dass ein bis dahin unerkannter Materialfehler an der Sicherheitsausrüstung eines der Kites zu der Notfalllage geführt hat, spricht einiges dafür, im vorliegenden Falle von einer Verantwortlichkeit im Sinne von § 19 Abs. 1 BPolG auszugehen. Hierfür spricht insbesondere, dass die Sportler trotz der - allerdings für einen vorangegangenen, zunächst abgesagten Termin - ausgesprochenen Warnung der Polizei gestartet waren, ohne ein Begleitboot zu organisieren. Dies dürfte die Annahme rechtfertigen, dass die Beteiligten die polizeirelevante Gefahrenschwelle bereits in dem Moment übertraten, als sie entgegen den ausdrücklichen Hinweisen auf die Gefahrgeneigtheit ihres Vorhabens zu ihrer Tour von erheblicher Länge ohne Begleitboot oder andere vergleichbare Eigensicherung auf offener See aufbrachen.
- 30
Letztlich kann der Senat diese Frage offenlassen, weil § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG für die hier geltend gemachten Kosten keine Rechtsgrundlage bietet. Die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten setzt nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG voraus, dass Kosten „durch" die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden sind. Ersatzfähig sind nur solche Kosten, die in unmittelbar kausalem Zusammenhang mit der Maßnahme stehen. Der Ersatz von allgemeinen Personalkosten oder sonstigen Fix- bzw. sogenannten Sowiesokosten sieht die Vorschrift nicht vor. Sie erfasst lediglich solche Kosten, die ohne die unmittelbare Ausführung der Maßnahme nicht angefallen wären und sich rechnerisch ohne Weiteres von den allgemeinen Sach- und Personalkosten der Verwaltung deutlich abgrenzen lassen (vgl. hierzu OVG Münster, Beschl. v. 04.08.2006 - 4 A 2976/05 -, Juris; OVG Koblenz, Urt. v. 25.08.2005 - 12 A 10619/05 -, Juris; Schenke in: Schenke/Graulich/Rutig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014 § 19 BPolG Rn. 16; Dre- wes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, Zwangsanwendung nach Bundesrecht, 4. Aufl. 2010, § 19 Rn. 29). Für die Auffassung, dass § 19 Abs. 2 BPolG einen unmittelbar kausalen Zusammenhang zwischen Kosten und unmittelbarer Ausführung verlangt, spricht auch der Kontrast zur früheren Kostenregelung des § 40 Abs. 2 Nr. 2 Bundesgrenzschutzgesetz (BGBl. I 1972, S. 1834, BGSG). Diese Regelung sprach allgemeiner vom „Ersatz der Aufwendungen" der Beklagten im Falle einer unmittelbaren Ausführung zur Gefahrenabwehr. Demgegenüber ist der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG augenscheinlich enger gefasst. Für das Erfordernis eines unmittelbar kausalen Zusammenhangs spricht in systematischer Hinsicht der Abgleich mit der Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 1 BPolG. Diese Vorschrift regelt die Kostenerstattungspflicht im Falle einer Sicherstellung und Verwahrung. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/7562 S. 77) wird klargestellt, dass „Kosten der Sicherstellung (...) alle bei der Sicherstellung und ihrer Durchführung sowie der etwaigen Verwertung anfallenden Ausgaben" zu verstehen sind. Hiervon werden nur unmittelbar kausale Kosten der Sicherstellung und Verwahrung erfasst (Drewes/Malmberg/Walter Bundespolizeigesetz, Zwangsanwendung nach Bundesrecht, 4. Aufl. 2010, § 50 Rn. 9).
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Die so gefundene Auslegung, wonach allgemeine Personalkosten und sonstige Fix- bzw. Sowiesokosten nicht dem Kostenbegriff des § 19 Abs. 2 Satz 1 Bundespolizeigesetz unterfallen, hierunter vielmehr nur die „Mehrkosten“ der unmittelbaren Ausführung zu verstehen sind, entsprechen dem Grundsatz, dass die den Gefahrenabwehrbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung entstehende Kostenlast, das heißt Personal- und Sachkosten, zunächst von diesen selbst beziehungsweise ihrem Rechtsträger zu bewältigen ist, es sei denn der Gesetzgeber hat eine Kostenerstattung ausdrücklich geregelt.
- 32
Entscheidend ist, dass eine weite Auslegung des § 19 Abs. 2 BPolG den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Kostenerstattungsnorm widersprechen würde. Gesetzliche Grundlagen decken den Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes nur dann, wenn sie (in Parallele zu dem, was Art. 80 Abs. 1 GG bei Verordnungsermächtigungen fordert) „nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt“ sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1970 - BVerwG IV C 95.68 -, Buchholz 407.4 § 8 Fernstraßengesetz Nr. 6 S. 4 und 7 f.). Dies folgt aus dem Bundesverfassungsrecht, nämlich aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerwG, Urt. v. 21.10.1970, a.a.O. S. 7). Wollte man § 19 Abs. 2 BPolG im Sinne einer umfassenden Kostenerstattungsermächtigung in Fällen der unmittelbaren Ausführung verstehen, so wäre den genannten Anforderungen nicht Genüge getan, weil nicht hinreichend bestimmt ist, welche allgemeinen Vorhaltekosten ersatzfähig sein sollen und wie deren Höhe zu berechnen ist.
- 33
Grundsätzlich kann eine Gebührenregelung allerdings auch im Verordnungswege erfolgen. In einem solchen Falle muss der Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - Tendenz und Ausmaß der zu treffenden Regelung im Rahmen der Verordnungsermächtigung soweit bestimmen, dass der mögliche Inhalt der zu erlassenen Verordnung voraussehbar ist. Auch unter Beachtung der Prinzipien der Kostendeckung und der Äquivalenz lassen sich nämlich Kostenordnungen denken, die voneinander völlig verschieden sind und den Bürger unterschiedlich belasten, sodass sich mit diesen Kriterien allein das Ausmaß der Ermächtigung nicht hinreichend bestimmen lässt (BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 - 2 BvR 179/64-, NJW 1967, 339 f.).
- 34
Eine Rechtsverordnung, die im Tatbestand den Grund und in der Rechtsfolge das Ausmaß der Kostentragung im Falle einer unmittelbaren Ausführung durch die Bundespolizei regelt, existiert nicht. Die Frage einer ausreichenden Verordnungsermächtigung im BPolG stellt sich insoweit nicht.
- 35
Der angefochtene Leistungsbescheid kann sich folglich weder auf eine Rechtsverordnung noch - unmittelbar - auf die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG stützen. Ausweislich der Berechnung in den angefochtenen Bescheiden werden nämlich nicht etwa - was denkbar wäre - unmittelbar verursachte Kosten (wie etwa erhöhter Kraftstoffverbrauch infolge gebotener Fahrt unter Volllast oder Mehrkosten, die infolge der Erreichung der Gefahrenstelle im Hinblick auf erhöhten Kraftstoffbedarf erforderlich wurden) geltend gemacht, sondern ein bestimmter Stundensatz pro eingesetztem Beamten und eingesetzter Zeit, mithin allgemeine Personalkosten, ferner allgemeine Betriebskosten für das Einsatzschiff Typ 66. Diese Kosten können auch nicht - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung argumentiert hat - deshalb als Mehrkosten der unmittelbaren Ausführung verstanden werden, weil das Einsatzschiff während des Rettungseinsatzes seine „eigentlichen" Aufgaben nicht wahrnehmen konnte. Zum einen gehört - unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen - auch der Schutz privater Rechte Dritter zu den Aufgaben der Bundespolizei. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass durch den Rettungseinsatz anderweitig unmittelbar Kosten verursacht wurden, weil die BP 25 einer anderen Aufgabe nicht nachkommen konnte. Der hypothetische Verhinderungsfall infolge der durch den Rettungseinsatz eingetretenen Bindung macht die allgemeinen Personal- und Betriebskosten nicht zu Kosten, die „durch" die unmittelbare Ausführung entstanden sind.
- 36
Eine Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Kosten findet sich auch weder in dem bis zum 14. August 2013 geltenden Verwaltungskostengesetz des Bundes beziehungsweise dem Nachfolgegesetz, dem Bundesgebührengesetz (BGBl. I 2013, S. 3154) noch im Verwaltungsvollstreckungsgesetz (BGBl. I 1953, 157- VwVG -). Streitgegenständlich ist vorliegend die Frage einer aus der staatlichen Gefahrenabwehrpflicht resultierenden Kostentragungspflicht. Hierbei handelt es sich um eine außerhalb des eigentlichen Abgabenrechts (Steuern, Gebühren, Beiträge, Sonderabgaben) begründete öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht eigener Art (Götz, DVBl. 1984, S. 14; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 8. Aufl. 2014, § 25 Rn. 3). Es handelt sich nicht um Kosten (Gebühren und Auslagen) im Sinne des Bundesgebührengesetzes. § 2 Abs. 2 Nr. 4 BGebG stellt insoweit ausdrücklich klar, dass die Anwendbarkeit dieses Gesetzes nicht für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Bundespolizei gilt. Für das - hier noch einschlägige - Verwaltungskostengesetz des Bundes gilt nichts anderes. Insoweit bestimmte § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG hinsichtlich des Anwendungsbereiches, dass dieses Gesetz für die Kosten öffentlichrechtlicher Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes gilt, soweit die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden bundesrechtlichen Vorschriften für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der öffentlichen Verwaltung (kostenpflichtige Amtshandlung) die Erhebung von Verwaltungsgebühren oder die Erstattung von Auslagen vorsehen und keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen enthalten oder zulassen. Das Verwaltungskostengesetz setzt folglich einen Kostentatbestand bereits voraus und normiert diesen nicht eigenständig.
- 37
Auch die Kostenerstattungsvorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 VwVG normiert keine die hier in Streit stehenden Mehrkosten einer unmittelbaren Ausführung umfassende Kostenerstattungspflicht. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VwVG werden für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) gemäß §§337 Abs. 1, 338 - 346 der Abgabenordnung erhoben. Als Amtshandlung nach diesem Gesetz kommt am ehesten noch § 12 in Betracht, wonach die Vollzugsbehörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen kann, wenn die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel führt oder diese untunlich sind. Die der vorliegenden Kostenforderung zugrunde liegenden Rettungsmaßnahme lässt sich jedoch nicht als unmittelbarer Zwang im Sinne von § 12 VwVG einordnen und stellt deshalb schon keine Amtshandlung im Sinne des VwVG dar.
- 38
Selbst wenn man aber die unmittelbare Ausführung als Amtshandlung im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes verstehen wollte, fehlt es an einem konkreten Gebührentatbestand für die hier geltend gemachten Kosten. Gemäß §§ 337 Abs. 1 Satz 1, 338 AO sind im Vollstreckungsverfahren nur eine beschränkte Zahl von Gebühren ersatzfähig, von denen die hier in Streit stehende unmittelbare Ausführung nicht erfasst wird. Die geltend gemachten Kosten stellen auch keine ersatzfähigen Auslagen dar. Einer der in § 344 Abs. 1 Nr. 1 - 7 AO normierten Auslagetatbestände liegt nicht vor. §§ 344 Abs. 1 Nr. 8 AO erweitert den Auslagenersatz unter anderem auf alle Beträge, die der Behörde durch Ausführung des unmittelbaren Zwanges entstanden sind. Auch hier erfasst der Begriff der Auslagen jedoch nur die tatsächlichen Aufwendungen und Unkosten der Behörde und des handelnden Beamten im Einzelfall, die nach der tatsächlich entstandenen Höhe erhoben werden. Allgemeine Fixkosten wie zum Beispiel die Personalkosten und die Vorhaltung von Verwaltungseinrichtungen werden hiervon nicht erfasst (vgl. Hohrmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, Komm. Loseblatt, Stand: Juli 2014, § 337 AO Rn. 7 f.; vgl ferner BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C 71/78 -, NJW 1981,1571). Die streitgegenständliche Kostenforderung konnte daher auch nicht auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 Satz 1 VwVG ergehen.
- 39
Auch die Geltendmachung eines Kostenanspruchs nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne der §§ 677 ff. BGB scheidet vorliegend aus. Ein solcher Ansatz ist dann verwehrt, wenn erschöpfende Regelungen des speziellen öffentlichen Rechts bestehen (vgl. nur Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht 6. Aufl. 2013, S. 415; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010 §35 Rn. 14 m.w.N.). Vor dem Hintergrund des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts für den Erlass von Kostenbescheiden kann das oben gewonnene Auslegungsergebnis nicht durch Rückgriff auf die zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag unterlaufen werden. Bestehen gesetzliche Sonderregelungen für das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn, schließen diese die Anwendung der §§ 677 ff. BGB aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010 - 9 C 8.09-, NVwZ 2011, 690; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.11.2013- III ZR 70/03- NJW 2004, 213).
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Hiervon abgesehen wäre jedenfalls auch die Geltendmachung einer entsprechenden Forderung mangels gesetzlicher Grundlage durch Leistungsbescheid nicht möglich (OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.01.2013 - 3 L 93/09 -, Juris).
- 41
Abschließend sei noch angemerkt, dass die Rechtsprechung des VGH Mannheim (Urt. v. 20.09.1981 - 1 S 2484/81 -, VBlBW 1984, S. 20 f. sowie des VG Hamburg v. 21.02.1996 - 22 VG 2232/93 - (auf diese beiden Urteil hat sich die Beklagte berufen) an der Rechtsauffassung des Senats nicht zu ändern vermag. Das sogenannte „Mordloch-Höhlen-Urteil“ des VGH Mannheim ist auf der Grundlage einer anderen gesetzlichen Norm über die Kostenerstattung (§ 78 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg in der seinerzeit geltenden Fassung) ergangen. Diese Vorschrift zählte zu den Kosten alle unmittelbaren und mittelbaren persönlichen und sächlichen Ausgaben für die allgemeinen Polizeibehörden und die Polizeidienststellen. Für eine andere Auslegung des § 19 Abs. 2 Bundespolizeigesetz gibt diese Entscheidung nichts her. Das Verwaltungsgericht Hamburg wiederum setzt sich mit den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit einer Kostengrundlage nicht auseinander.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 43
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorlag
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Februar 2015 – 1 K 1096/14.KO – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin, eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, wendet sich gegen die Erhebung einer Gebühr für die Akteneinsicht in eine Bauakte.
- 2
Sie war im Jahr 2014 als Bevollmächtigte für einen Bauherrn in einem Baugenehmigungsverfahren tätig. Der Beklagte gewährte die von ihr beantragte Akteneinsicht in die einschlägige Bauakte, die sie bei ihm abholte, und setzte hierfür mit Bescheid vom 11. Juli 2014 – Az. 63-2014-01499 – eine Gebühr in Höhe von 30,00 € fest.
- 3
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Daraufhin hat sie Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Februar 2015 als unbegründet abgewiesen hat. Die festgesetzte Gebühr von 30,00 € finde ihre Rechtsgrundlage in Nr. 4.5 der Anlage 1 zur Landesverordnung über Gebühren und Vergütungen für Amtshandlungen und Leistungen nach dem Bauordnungsrecht (Besonderes Gebührenverzeichnis), wonach die Bauaufsichtsbehörde für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten eine Gebühr zwischen 30,00 € und 600,00 € erhebe. Die im Besonderen Gebührenverzeichnis vorgesehene Mindestgebühr verstoße auch nicht gegen das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip.
- 4
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Der Gebührentatbestand der Nr. 4.5 der Anlage 1 zum hier einschlägigen Besonderen Gebührenverzeichnis sei nicht anwendbar, weil er nur für die Akteneinsicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens gelte. Bei der Gewährung von Akteneinsicht im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens handele es sich nämlich um eine Verfahrenshandlung, die mit der Baugenehmigungsgebühr nach Abschnitt 1 „Baugenehmigung“ der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis abgegolten sei, der eine ausdifferenzierte und daher abschließende Regelung der im Baugenehmigungsverfahren zu erhebenden Gebühren enthalte. Der Gebührentatbestand für die Gewährung von Akteneinsicht sei jedoch nicht im Abschnitt 1 „Baugenehmigung“, sondern im Abschnitt 4 der Anlage 1 für „Sonstige Amtshandlungen“ geregelt. Die Erhebung einer Akteneinsichtsgebühr im Baugenehmigungsverfahren sei auch deswegen ausgeschlossen, weil sie als Bevollmächtigte des Bauherrn einen Anspruch auf die Gewährung von Akteneinsicht gehabt habe. Die Höhe der im Besonderen Gebührenverzeichnis vorgesehenen Mindestgebühr von 30,00 € für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten sei außerdem mit höherrangigem Recht unvereinbar. Die Höhe stehe sowohl zu dem Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner als auch zu dem Verwaltungsaufwand außer Verhältnis. Die Akteneinsicht stelle keinen über die beantragte Baugenehmigung hinausgehenden eigenständigen wirtschaftlichen Wert dar. Das Bauvorhaben werde nicht durch die Akteneinsicht, sondern durch die Baugenehmigung gefördert. Durch die Gewährung von Akteneinsicht sei lediglich ein Verfahrensfehler vermieden worden. Die Gebührenhöhe stehe außer Verhältnis zu dem für die Aushändigung der Akte angefallenen Verwaltungsaufwand. Hierfür sei in einfach gelagerten Fällen – wie hier bei Abholung der Akte bei der Behörde – ein Zeitaufwand von lediglich rund fünf Minuten zu veranschlagen. Auf der Grundlage der Personal- und Sachkosten eines Beamten des zweiten Einstiegsamts errechne sich bei einem solchen Zeitaufwand ein Betrag von deutlich unter 10,00 € und damit weit unter der im Besonderen Gebührenverzeichnis vorgesehenen Mindestgebühr. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe habe sogar in einem Fall, in dem eine Akte von 124 Seiten zur Akteneinsicht zu kopieren und versenden gewesen sei, die Annahme eines Zeitaufwands von 45 Minuten als überhöht und lediglich einen Aufwand von rund 15 Minuten und eine Gebühr von 12,50 € als angemessen erachtet. Außerdem fehle eine Kalkulation der Mindestgebühr durch den Verordnungsgeber, die sicherstelle, dass die Kosten nicht wesentlich überschritten würden. Die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Finanzen teile keine Berechnung mit, sondern enthalte lediglich eine rechtliche Stellungnahme zur Frage der Rechtmäßigkeit der Mindestgebühr. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die zum 1. Januar 2013 in Kraft getretene Erhöhung der Mindestgebühr auf 30,00 € auf den im Auskunftsschreiben des Ministeriums genannten Gründen beruht habe. Entgegen der Ansicht des Ministeriums bedürfe es zur Gewährung von Akteneinsicht – insbesondere zur Anfertigung von Kopien – keines Beamten des dritten Einstiegsamts.
- 5
Die Klägerin beantragt,
- 6
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Februar 2015 – 1 K 1096/14.KO – den Gebührenbescheid des Beklagten vom 11. Juli 2014 – Az. 63-2014-01499 – aufzuheben.
- 7
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
- 8
die Berufung zurückzuweisen.
- 9
Der Senat hat eine amtliche Auskunft des Ministeriums der Finanzen Rheinland-Pfalz zu der Frage eingeholt, welche Berechnung der in Nr. 4.5 der Anlage 1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Mindestgebühr für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten zugrunde liegt. Hinsichtlich des Inhalts der Auskunft wird auf das Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 22. Juli 2016 (vgl. Blatt 125 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
- 10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 3. November 2016 und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
- 11
Die Berufung ist unbegründet.
- 12
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 11. Juli 2014 – Az. 63-2014-01499 – ist rechtmäßig.
- 13
Rechtsgrundlage der Erhebung einer Gebühr für die Akteneinsicht in Bauakten ist § 2 Abs. 4 Landesgebührengesetz – LGebG – i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 der Landesverordnung über Gebühren und Vergütungen für Amtshandlungen und Leistungen nach dem Bauordnungsrecht (Besonderes Gebührenverzeichnis) vom 9. Januar 2007 (GVBl. S. 22) in der Fassung der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Verordnung vom 4. Dezember 2012 (GVBl. S. 380) sowie Nr. 4.5 der Anlage 1 hierzu. Danach erheben die Bauaufsichtsbehörden für die Gewährung von Einsicht in Bauakten einschließlich der Erlaubnis zur Fertigung von Abzeichnungen, Abschriften und Abdrucken eine Gebühr in Höhe von 30,00 € bis 600,00 €.
- 14
Die hiermit normierte Rahmengebühr ist nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 LGebG nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen (vgl. OVG RP, Urteil vom 16. Mai 2006 – 7 A 11713/05.OVG –, veröffentlicht in ESOVGRP).
- 15
Der in Nr. 4.5 der Anlage 1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses aufgeführte Gebührentatbestand – Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten – ist im vorliegenden Fall erfüllt. Da der Beklagte die hierfür vorgesehene Mindestgebühr festgesetzt hat, bedurfte es im Gebührenbescheid keiner Ermessenserwägungen zur Gebührenhöhe.
- 16
Nr. 4.5 der Anlage 1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur bei der Gewährung von Akteneinsicht außerhalb eines anhängigen bauaufsichtlichen Verfahrens anwendbar, sondern auch bei der Akteneinsicht – wie hier – während des laufenden Verwaltungsverfahrens.
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Der Gebührentatbestand der Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten ist nicht in Abschnitt 1 „Baugenehmigung“ der Anlage 1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses geregelt, sondern in Abschnitt 4 „Sonstige Amtshandlungen“. Die differenzierte Regelung der im Baugenehmigungsverfahren zu erhebenden Gebühren in Abschnitt 1 der Anlage 1 rechtfertigt jedoch nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass die Akteneinsicht während eines laufenden Baugenehmigungsverfahrens eine Verfahrenshandlung sei, die mit der Baugenehmigungsgebühr abgegolten sei, sodass eine gesonderte Gebühr nur für die Akteneinsicht in Bauakten außerhalb eines laufenden Baugenehmigungsverfahrens vom Verordnungsgeber vorgesehen sei.
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Hiergegen spricht zum einen der Vergleich mit der allgemeinen gebührenrechtlichen Regelung der Akteneinsicht. In der Landesverordnung über die Gebühren für Amtshandlungen allgemeiner Art (Allgemeines Gebührenverzeichnis) vom 8. November 2007 (GVBl. S. 277) ist unter Nr. 2 der Anlage hierzu ausdrücklich bestimmt, dass nur für die Gewährung von Akteneinsicht „außerhalb eines anhängigen Verwaltungsverfahrens“ eine Gebühr erhoben wird. Da das Besondere Gebührenverzeichnis für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten eine entsprechende Einschränkung nicht enthält, legt dies im Umkehrschluss nahe, dass der Gebührentatbestand der Akteneinsicht auch innerhalb eines anhängigen Baugenehmigungsverfahrens Anwendung finden soll.
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Hierfür spricht auch die Systematik des Besonderen Gebührenverzeichnisses. Im Abschnitt 4 „Sonstige Amtshandlungen“ der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis ist unter Nr. 4.2 bestimmt, dass eine Gebühr für die Beratung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 LBauO „außerhalb bauaufsichtlicher Verfahren (z.B. im Vorfeld von Baugenehmigungsverfahren)“ erhoben wird. Hat der Verordnungsgeber den Gebührentatbestand auf eine Beratung „außerhalb bauaufsichtlicher Verfahren“ beschränkt, im Gebührentatbestand der Nr. 4.5, der sich ebenfalls in Abschnitt 4 „Sonstige Amtshandlungen“ der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis befindet, hingegen nicht, so lässt dies nur den Schluss zu, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die Gebühr für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten nicht nur außerhalb bauaufsichtlicher Verfahren erhoben werden soll. Denn anderenfalls hätte er eine entsprechende Einschränkung ebenso wie in Nr. 4.2 der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis auch in Nr. 4.5 normiert.
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Die Erhebung einer Akteneinsichtsgebühr ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Klägerin und dem von ihr anwaltlich vertretenen Mandanten ein Recht auf Akteneinsicht zustand (vgl. § 1 LVwVfG i.V.m. § 29 VwVfG). Zwar ist das Akteneinsichtsrecht der Betroffenen notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 29 Rn. 2 m.w.N.). Daraus folgt aber nicht, dass die Akteneinsicht gebührenfrei gewährt werden müsste. Verfassungsrechtlich unzulässig und auch mit dem in § 3 LGebG verankerten Äquivalenzprinzip unvereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 – 7 C 109/60 –, juris, Rn. 40 = BVerwGE 12, 162) wäre lediglich eine Akteneinsichtsgebühr in einer Höhe, die geeignet wäre, die Betroffenen von der Wahrnehmung ihres rechtsstaatlich notwendigen Akteneinsichtsrechts abzuschrecken. Für eine solche abschreckende Wirkung durch die Erhebung der Mindestgebühr von 30,00 € ist nichts ersichtlich.
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Die Höhe der in Nr. 4.5 der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis bestimmten Mindestgebühr von 30,00 € für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten verstößt auch nicht gegen die in § 3 LGebG festgelegten Gebührengrundsätze.
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Danach sind die Gebührensätze so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Der Gesetzgeber hat damit die Höhe der Gebühr nicht nur von dem mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand abhängig gemacht (Kostendeckungsprinzip). Die Regelung in § 3 LGebG stellt sich vielmehr in erster Linie als Ausformung des Äquivalenzprinzips dar (vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Februar 2005 – 12 A 11833/04.OVG –, juris, Rn. 18 = AS 32, 122). Dieses besagt, dass die Gebühr in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung und dem sich daraus für den Gebührenschuldner ergebenden Nutzen stehen darf (vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Februar 2005, a.a.O.). Das Äquivalenzprinzip stellt somit die gebührenrechtliche Ausformung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1967 – 4 C 179/65 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 26, 305).
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Die Mindestgebühr in Höhe von 30,00 € ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar.
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Angesichts der Bedeutung einer Einsicht in die Bauakten für den Bauherrn oder einen Dritten steht die Höhe der Mindestgebühr nicht außer Verhältnis zur gewährten Akteneinsicht. Die Akteneinsicht dient regelmäßig der Förderung eines Bauvorhabens oder seiner Abwehr, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird das Bauvorhaben nicht erst durch die Baugenehmigung gefördert, sondern bereits durch die Akteneinsicht in das Bauvorhaben. So wird beispielsweise regelmäßig erst durch eine solche Akteneinsicht festzustellen sein, inwiefern für vorhandenen Baubestand auf dem Vorhabengrundstück oder auf Nachbargrundstücken Baugenehmigungen vorliegen.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Umstand, dass das Akteneinsichtsrecht des Betroffenen notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist und durch die Gewährung von Akteneinsicht ein Verfahrensfehler vermieden wird. Dies ändert nichts daran, dass die Akteneinsicht für den Betroffenen regelmäßig mit einem nicht unerheblichen Nutzen verbunden ist. Wie bereits ausgeführt, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Mindestgebühr von 30,00 € so hoch ist, dass sie eine abschreckende Wirkung auf die Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts hätte, was mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961, a.a.O.).
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Die Höhe der Mindestgebühr steht auch mit dem in § 3 LGebG festgelegten Kostendeckungsprinzip in Einklang.
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Das Kostendeckungsprinzip ist nicht schon verletzt, wenn in einem Einzelfall eine Gebühr die Aufwendungen für die besondere Leistung, für die sie gefordert wird, übersteigt, sondern erst dann, wenn die Gesamtheit der Gebühren für besondere Leistungen bestimmter Art die Gesamthöhe der Aufwendungen für diese besonderen Leistungen übersteigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961, a.a.O., Rn. 31), wobei das Gebührenaufkommen den Verwaltungsaufwand schwerwiegend und nachhaltig, das heißt wesentlich und nicht nur vorübergehend übersteigen muss (vgl. OVG RP, Urteil vom 7. Mai 2009 – 7 A 11398/08.OVG –, juris, Rn. 21; Dehe/Beucher, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Stand November 2012, § 3 LGebG, Anm. 6).
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Bei der Beurteilung der Frage, ob die im Besonderen Gebührenverzeichnis vorgesehene Mindestgebühr bei einem Rahmengebührensatz von 30,00 € bis 600,00 € gegen das Kostendeckungsprinzip verstößt, ist allerdings zu beachten, dass die Gesamtheit des Gebührenaufkommens für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten im Verhältnis zum gesamten Verwaltungsaufwand hierfür nicht aussagekräftig ist. Denn selbst wenn das Gebührenaufkommen den Verwaltungsaufwand überstiege, ließe dies nicht den Schluss zu, dass ein überhöhter Mindestgebührensatz der Rahmengebühr hierfür ursächlich wäre. Dies könnte nämlich auch auf einem überhöhten maximalen Gebührensatz der Rahmengebühr oder auf der Anwendung des Gebührenrahmens durch die Behörde beruhen. Maßgeblich kann daher für die Vereinbarkeit der Mindestgebühr mit dem Kostendeckungsprinzip nur sein, ob die Einnahmen aus der Mindestgebühr den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand in einfach gelagerten Fällen der Akteneinsicht in Bauakten, in denen die Mindestgebühr erhoben wird, wesentlich und nicht nur vorübergehend übersteigen.
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Es ist nicht erforderlich, dass der hierbei zugrunde gelegte Verwaltungsaufwand genau berechnet wird. Es genügt, wenn er sachgerecht geschätzt wird. Die Ermittlung des Verwaltungsaufwands muss allerdings darauf gerichtet sein, eine wesentliche Kostenüberdeckung zu vermeiden (vgl. OVG RP, Urteil vom 7. Mai 2009, a.a.O.).
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Für die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands bei der Feststellung der nach dem Landesgebührengesetz zu erhebenden Verwaltungs- und Benutzungsgebühren hat das Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz Richtwerte errechnet und mit Rundschreiben vom 21. Februar 2013 veröffentlicht (vgl. MinBl. S. 137). Die Richtwerte werden der Kostenentwicklung angepasst und grundsätzlich alle drei Jahre neu berechnet. Sie sind dem Rundschreiben zufolge insbesondere dazu bestimmt, einen Anhalt für die Festsetzung und Fortschreibung der Gebührensätze in den Landesverordnungen gemäß § 3 und § 25 LGebG zu geben. Grundlage der Ermittlung des Verwaltungsaufwands sind nach dem Zeitaufwand bemessene Pauschsätze (Stundensätze). Für einen Beamten des dritten Einstiegsamts ist danach in der Regel von einem Pauschsatz je Arbeitsstunde von 47,91 € auszugehen. Hinzu kommen pauschale Sachkosten pro Arbeitsplatz (Raumkosten und sonstiger Verwaltungsaufwand) von insgesamt 4,09 €, sodass sich für einen Beamten des dritten Einstiegsamts ein Richtwert von 52,00 € als Gesamtkosten je Arbeitsstunde ergibt.
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Hiervon ausgehend liegt der Festsetzung der Mindestgebühr in Höhe von 30,00 € für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten in Nr. 4.5 der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis eine nachvollziehbare sachgerechte Schätzung des Verwaltungsaufwands zugrunde.
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Nach der vom Senat eingeholten amtlichen Auskunft des Ministeriums der Finanzen vom 22. Juli 2016 wurde die Erhöhung der Mindestgebühr von 15,00 € auf 30,00 € zum 1. Januar 2013 von der bauaufsichtlichen Praxis angeregt. Der Verwaltungsaufwand sei nicht auf die reine Abholung der Akte aus der Registratur beschränkt. Vielmehr sei auch bei einfach gelagerten Fällen der umfassende Verwaltungsaufwand im Blick zu halten, der hinter einer Einsichtnahme, Aushändigung oder Versendung einer Akte stehe, wie zum Beispiel die sachliche Prüfung eines Akteneinsichtsbegehrens, Fertigung einer Kopie für die Hausakte, Schwärzung der Daten Dritter, Fertigung eines Anschreibens, gegebenenfalls Aufwand für Versendung sowie Kontrolle des Rücklaufs und der Vollständigkeit der Akte. Hierfür dürfte pauschal eine durchschnittliche Arbeitszeit von ca. 30 Minuten eines Sachbearbeiters des dritten Einstiegsamts anfallen; bei Zugrundelegung des gültigen Stundensatzes ergebe dies bereits einen Verwaltungsaufwand in Höhe von ca. 25,00 €. Daneben sei aufgrund des Äquivalenzprinzips auch der wirtschaftliche Wert der Amtshandlung für den Kostenschuldner zu berücksichtigen.
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Der vom Ministerium der Finanzen angenommene Verwaltungsaufwand in Höhe von ca. 25,00 € ist nachvollziehbar. Bei einem Zeitaufwand von einer halben Stunde errechnet sich unter Zugrundelegung des oben genannten Richtwerts von 52,00 € für einen Beamten des dritten Einstiegsamts je Arbeitsstunde ein Kostenaufwand von 26,00 €.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass bei der Ermittlung des Verwaltungsaufwands von der Tätigkeit eines Beamten des dritten Einstiegsamts ausgegangen wurde. Denn bei der Gewährung von Akteneinsicht ist auch innerhalb eines anhängigen bauaufsichtlichen Verfahrens regelmäßig eine Überprüfung der Akte auf eine mögliche Betroffenheit Dritter zu prüfen (vgl. OVG RP, Urteil vom 16. Mai 2006, a.a.O.).
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Die Annahme eines Zeitaufwands von 30 Minuten für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten beruht zwar nicht auf einer Erhebung des tatsächlichen Aufwands hierfür bei den Bauaufsichtsbehörden des Landes, sondern auf einer Schätzung. Dies ist aber ausreichend, sofern die Schätzung – wie hier – sachgerecht ist. Es ist insbesondere plausibel, dass bei der Ermittlung des Aufwands für die Gewährung von Akteneinsicht nicht nur die Abholung der Akte aus der Registratur, sondern auch die weiteren vom Ministerium der Finanzen genannten Tätigkeiten berücksichtigt wurden, da sie regelmäßig auch bei einfach gelagerten Fällen der Akteneinsicht anfallen. Diese Tätigkeiten rechtfertigen die Annahme eines durchschnittlichen Zeitaufwands von 30 Minuten in einfach gelagerten Fällen.
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Unerheblich ist, ob für die Gewährung der Akteneinsicht im vorliegenden Einzelfall ein geringerer Zeitaufwand benötigt wurde, wie von der Klägerin geltend gemacht. Denn maßgeblich für die Wahrung des Kostendeckungsprinzips ist der durchschnittliche Aufwand in einfach gelagerten Fällen der Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten, wie oben bereits ausgeführt.
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Die Sachgerechtheit der Annahme eines durchschnittlichen Zeitaufwands von 30 Minuten für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten in einfach gelagerten Fällen wird auch nicht durch das von der Klägerin angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (vgl. Urteil vom 26. Juli 2011 – 6 K 2797/10 –, juris, Rn. 36) durchgreifend in Frage gestellt. Dieses hat bei der Überprüfung einer Gebührenfestsetzung durch die Behörde für die Gewährung von Akteneinsicht, bei der eine Akte von 124 Seiten kopiert und versendet werden musste, einen angenommenen Zeitaufwand von 45 Minuten als überhöht beanstandet und lediglich eine Viertelstundengebühr von 12,50 € als angemessen angesehen. Eine Erhebung über den tatsächlichen Aufwand für die Gewährung von Akteneinsicht in Baden-Württemberg lag diesem Urteil aber nicht zugrunde. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe den für die Gewährung von Akteneinsicht erforderlichen Zeitaufwand auch nur geschätzt. Diese Schätzung ist nach Auffassung des Senats sehr knapp bemessen. Sie rechtfertigt jedenfalls nicht den Schluss, dass sich der vom rheinland-pfälzischen Verordnungsgeber angenommene Zeitaufwand von 30 Minuten nicht mehr im Rahmen einer sachgerechten Schätzung hält.
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Es gibt schließlich auch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, dass die Änderung des Gebührentatbestands Nr. 4.5 der Anlage 1 zum Besonderen Gebührenverzeichnis (Mindestgebühr von 30,00 €) nicht auf den im Auskunftsschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 22. Juli 2016 genannten Gründen beruhte. Daher war dem von der Klägerin zum Beweis dieser Behauptung gestellten Beweisantrag, die betreffenden Verwaltungsvorgänge des Ministeriums der Finanzen beizuziehen, nicht nachzukommen. Denn hierbei handelt es sich um einen sogenannten Ausforschungsbeweisantrag, bei dem eine „aus der Luft gegriffene“ Behauptung aufgestellt wird, für die jegliche tatsächliche Grundlage fehlt bzw. für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 86 Rn. 18a m.w.N.).
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Bei einem durchschnittlichen Verwaltungsaufwand von 26,00 € für die Gewährung von Akteneinsicht in Bauakten in einfach gelagerten Fällen kann keine Rede davon sein, dass die Mindestgebühr in Höhe von 30,00 € den Verwaltungsaufwand wesentlich übersteigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 30,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.