Verwaltungsgericht Minden Urteil, 29. Jan. 2015 - 11 K 1984/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Zur Vorgeschichte wird auf die Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 29. Januar 2015 – 11 K 1985/14 – Bezug genommen.
3Mit Schreiben vom 07. Januar 2014 hörte die Beklagte die Klägerin zum Erlass eines Kostenbescheides an. Hierauf erklärte sie unter dem 23. Januar 2014, sie lehne die Erstattung der Bestattungskosten ab. Auf eine Kostentragungspflicht der seitens der Beklagten durchgeführten Bestattung sei sie nicht hingewiesen worden. Ein Totenschein liege ihr ebenso wenig vor. Darüber hinaus habe sie im September 2013 das Erbe nach ihrem Vater gegenüber dem Nachlassgericht Paderborn ausgeschlagen. Die Übernahme der Bestattungskosten könne ihr auch deshalb nicht zugemutet werden, da sie seit mehr als 30 Jahren keinerlei Kontakt zu ihrem Vater gehabt habe. Eine Übernahmeverpflichtung der Bestattungskosten verstoße daher gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip.
4Mit Bescheid vom 01. August 2014 forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von 1.039,55 € auf. Zur Begründung führte sie an, die Klägerin sowie ihre Schwester seien als Gesamtschuldner für den Verstorbenen bestattungspflichtig. Vorrangige Bestattungspflichtige seien nicht vorhanden, da geschiedene Ehegatten nicht zu den Bestattungspflichtigen gehörten. Deshalb könne auch die zweite Ehefrau des Klägers nicht zur Kostenerstattung herangezogen werden. Eine Erbschaftsausschlagung entbinde weder von der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht, noch von der damit verbundenen Kostentragungspflicht. Die aus Gründen der Gefahrenabwehr bestehende Pflicht, für die Bestattung eines Verstorbenen zu sorgen, fuße auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund und werde von den im Zivilrecht wurzelnden Beziehungen nicht berührt, so dass auch die Ausschlagung einer Erbschaft die Bestattungspflicht und damit verbunden die Kostentragungslast nicht entfallen lasse. Der Umstand, dass die Klägerin seit mehr als 30 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt haben wolle, lasse die Bestattungspflicht nicht entfallen. Eine Ausnahme von der Bestattungspflicht naher Angehöriger sei lediglich in Ausnahmefällen anzunehmen, etwa wenn der Verstorbene nachweislich schwere Straftaten gegen den Bestattungspflichtigen begangen habe. In derartigen Fällen liege eine sogenannte unbillige Härte vor. Nachweise dafür, dass die Klägerin wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die Bestattungskosten anteilig zu tragen, habe sie trotz Aufforderung nicht beigebracht. Da auch die Schwester der Klägerin keine Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht habe und der Sachverhalt insgesamt gleichgelagert sei, werde der Gesamtbetrag in Höhe von 2.079,10 € (2.113,86 € abzüglich 34,76 €) zwischen den Kindern des Verstorbenen aufgeteilt. Der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lässt sich entnehmen: „Im Hinblick auf die Zahlungsverpflichtung hat die Klage keine aufschiebende Wirkung.“
5Am 19. August 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (11 L 651/14). Nachdem die Beklagte erklärt hat, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt; die Einstellung des Verfahrens ist mit Beschluss vom 12. September 2014 erfolgt.
6Zur Begründung ihrer Klage wiederholt und vertieft die Klägerin im wesentlichen ihre Ausführungen im Rahmen des Anhörungsverfahrens und macht darüber hinaus geltend, die frühere zweite Ehefrau des Verstorbenen sei ebenso vorrangig bestattungspflichtig wie die aktuelle Lebenspartnerin des Verstorbenen. Es mache keinen Unterschied, ob es sich hierbei um einen Lebenspartner i.S.d. des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder um eine einfache Lebensgefährtin handele. Der Gesetzgeber habe in § 8 BestG NRW nicht nur Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes erfassen wollen, anderenfalls hätte er dies ausdrücklich dergestalt formuliert. Sie sei zudem wirtschaftlich zu einer Kostenübernahme nicht in der Lage.
7Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
81. den Kostenbescheid der Beklagten vom 01. August 2014 aufzuheben;
92. die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
10Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
11die Klage abzuweisen.
12Sie führt aus, die zweite Ehefrau des Verstorbenen sei mit Blick auf die rechtskräftige Scheidung im Jahre 1999 nicht mehr Ehegattin i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BestG NRW, so dass sie als Bestattungspflichtige ausscheide. Gleiches gelte für die vermeintliche Lebensgefährtin des Verstorbenen, da diese keine Lebenspartnerin i.S.d. § 8 BestG NRW sei. Unter diesen Begriff falle nach der Rechtsprechung nur ein Lebenspartner i.S.d. des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Einfache Lebensgefährten würden hiervon nicht erfasst. Der Gesetzgeber habe das Bestattungsgesetz NRW im Jahre 2003 in Kenntnis des Lebenspartnerschaftsgesetzes verfasst und den Begriff Lebenspartner dort daher nicht zufällig gewählt. Bestattungspflichtig seien damit nach § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW allein die volljährigen Töchter des Verstorbenen. Der vorgebrachte angeblich fehlende Kontakt mit dem Verstorbenen ändere an der Bestattungspflicht nichts. Denn diese basiere auf dem Angehörigenstatus, nicht aber auf persönlicher Verbundenheit zu dem Verstorbenen. Das Ausschlagen der Erbschaft sei insofern ebenfalls unerheblich.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 1985/14, 11 L 651/14, 11 K 3690/13 sowie die im Verfahren 11 K 1985/14 übersandten Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Das Gericht konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16Die statthafte Anfechtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
17Der angefochtene Kostenbescheid der Beklagten vom 01. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
18Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VO VwVG NRW) i.V.m. den §§ 77 Abs. 1, 59 Abs. 1, 57 Abs. 1, 55 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und § 8 Abs. 1 BestG NRW. Nach diesen Normen ist die Ordnungsbehörde grundsätzlich berechtigt, von den bestattungspflichtigen Angehörigen die bei der Durchführung der Ersatzvornahme angefallenen Bestattungskosten zu verlangen, sofern die Angehörigen ihrer Bestattungsverpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen sind.
19Die Beklagte hat als Ordnungs- und Vollzugsbehörde die Bestattung des verstorbenen Vaters im Wege der Ersatzvornahme durch ein Bestattungsunternehmen durchführen lassen. Voraussetzung für die Kostenerstattung nach § 77 Abs. 1 S. 1 VwVG NRW für diese Vollstreckungsmaßnahme ist, dass es sich um eine rechtmäßige Ersatzvornahme handelt. Dies ist hier der Fall. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durchgeführte anonyme Erdbestattung des Verstorbenen im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 55 Abs. 2, § 59 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 3, § 64 S. 2 VwVG NRW lagen im Zeitpunkt der ordnungsbehördlichen Beauftragung des Bestattungsunternehmers vor. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben können Zwangsmittel auch ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
20Die Beklagte wäre als örtliche Ordnungsbehörde (vgl. § 4 Abs. 1 OBG NRW, § 8 Abs. 1 BestG NRW) gemäß § 14 Abs. 1 OBG NRW befugt gewesen, der Klägerin die Bestattung des Verstorbenen innerhalb der Bestattungsfrist von 10 Tagen (§ 13 Abs. 3 BestG NRW) aufzugeben. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die § 14 Abs. 1 OBG NRW als Voraussetzung des ordnungsbehördlichen Einschreitens vorsieht, bestand vorliegend. Im Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten lag ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW vor. Die Klägerin war nach dieser Vorschrift zusammen mit ihrer Schwester als Tochter des Verstorbenen vorrangig zu dessen Bestattung verpflichtet.
21Andere Personen, die vorrangig zur Bestattung des Verstorbenen verpflichtet gewesen wären, gibt es nicht. Die Lebensgefährtin des Verstorbenen gehört aufgrund der fehlenden verwandtschaftlichen oder ehelichen Beziehung nicht zum Kreis der Bestattungspflichtigen. Sie ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – insbesondere keine Lebenspartnerin i.S.d. des Lebenspartnerschaftsgesetzes und damit auch nicht i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW. Die Auslegung dahin, dass der Begriff „Lebenspartner“ in § 8 BestG NRW i.S.d. § 1 Lebenspartnerschaftsgesetz zu verstehen ist, folgt zum einen aus dem Umstand, dass das Bestattungsgesetz vom 17. Juni 2001 stammt und somit in Kenntnis des am 01. August 2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetzes ergangen ist. Zum anderen ist diese Auslegung auch nach Sinn und Zweck geboten, denn nur Lebenspartner gelten gemäß § 11 Abs. 1 Lebenspartnerschaftsgesetz als Familienangehörige und lassen sich insofern in die Auflistung der übrigen Hinterbliebenen in § 8 BestG NRW einreihen. Ein nichtehelicher Lebensgefährte zählt daher nicht zum Kreis der Familienangehörigen.
22Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2012 – 14 K 2308/11 –, juris, Rdnr. 48; VG Düsseldorf, Urteil vom 04. Februar 2013 – 23 K 7521/1 –, juris, Rdnr. 22.
23Die geschiedene zweite Ehefrau des Verstorbenen scheidet als Bestattungspflichtige i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW ebenfalls aus, da die Bestattungspflicht mit Rechtskraft des Scheidungsurteils endet. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW, der Ausfluss des Rechts der Angehörigen auf Totenfürsorge aus Art. 2 GG und damit der familienrechtlichen Verhältnisse, die über den Tod hinaus wirken, ist.
24Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2012 – 14 K 2308/11 –, a.a.O., Rdnr. 45., m.w.N.
25Die sich aus § 8 Abs. 1 S. 1 BestG NRW für die Klägerin und ihre Schwester ergebende öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht ist auch nicht aufgrund der vorgetragenen Erbausschlagung nachträglich entfallen. Die öffentlich-rechtliche, vornehmlich aus Gründen der Gefahrenabwehr bestehende Pflicht, für die Beerdigung eines verstorbenen zu sorgen, beruht auf einem vom Zivilrecht unabhängigen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund. Sie wird von im Zivilrecht wurzelnden Beziehungen nicht berührt, wie auch die zivilrechtlichen Regelungen über die Erbenstellung sowie darüber, wer die Kosten für die Beerdigung zu tragen hat, oder auch zivilrechtliche Unterhaltsregelungen keine rechtlichen Vorgaben für den Kreis der öffentlich-rechtlich Bestattungspflichtigen beinhalten.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 – 1 B 149.94 –, NVwZ-RR 1995, 283; OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2001 – 19 A 571/00 –, NVwZ 2002, 996.
27Im Zeitpunkt der Anordnung der ordnungsbehördlichen Notbestattung lagen auch die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW vor. Nach dieser Vorschrift hat die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde des Sterbe- oder Auffindungsortes die Bestattung der Leiche nur zu veranlassen, soweit die Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen. Nach dem in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommenden bestattungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip setzt die Pflicht der Gemeinde, für die Bestattung eines Verstorbenen Sorge zu tragen, erst dann ein, wenn feststeht, dass die vorrangig zur Bestattung verpflichteten Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen oder alle zumutbaren Maßnahmen zu ihrer Ermittlung und Benachrichtigung erfolglos geblieben sind. Das aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –) abgeleitete Recht des Verstorbenen auf eine würdige Bestattung, die seinen etwaigen Wünschen zu Art und Ort der Bestattung möglichst Rechnung trägt, und das aus Art. 2 Abs. 1 GG folgende Recht der Angehörigen auf Totenfürsorge für ihr verstorbenes Familienmitglied bedingen, dass die Ordnungsbehörde erst dann mit den Mitteln des Ordnungsrechts zur Gefahrenabwehr einschreiten darf, wenn keine Angehörigen vorhanden sind oder diese nicht rechtzeitig für die Bestattung sorgen. Das Recht des Verstorbenen und seiner Angehörigen auf eine würdige Bestattung erfordert in verfahrensrechtlicher Hinsicht darüber hinaus, dass die zuständige Behörde im Fall des Auffindens einer (identifizierten) Leiche alle im Einzelfall möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um etwaige nahe Angehörige des Verstorbenen zu ermitteln und ihnen dessen Bestattung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck muss sie ggfs. den aufgefundenen Leichnam kurzzeitig aufbewahren.
28Vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen: OVG NRW, Urteil vom 29. April 2008 – 19 A 3665/06 –, NWVBl. 2008, 398.
29Vorliegend sind die Töchter des Verstorbenen ihrer Bestattungspflicht indes nicht nachgekommen. Zwar hat die Beklagte vor Beauftragung des Bestattungsunternehmers lediglich die Schwester der Klägerin kontaktiert, die am 16. April 2013 gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, sie weigere sich, die Bestattung ihres Vaters zu veranlassen. Die fehlende Kontaktaufnahme ist indes unerheblich, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Verfahren erklärt hat, sie hätte bei rechtzeitiger Benachrichtigung eine Bestattung ihres Vaters veranlasst
30Die Entscheidung der Beklagten, die Ersatzvornahme im Wege der Erdbestattung vornehmen zu lassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Diese war im Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsunternehmens auch zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig (§ 55 Abs. 2 VwVG NRW) und entsprach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wegen der Zehntagesfrist des § 13 Abs. 3 BestG NRW bestand aus hygienischen Gründen eine besondere Eilbedürftigkeit für die Ordnungsbehörde, die es rechtfertigt, ohne vorausgehenden Erlass eines Verwaltungsakte tätig zu werden.
31Die Inanspruchnahme der Klägerin lässt zudem keine Ermessensfehler erkennen.
32Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten sind von der Klägerin nicht erhoben worden und auch sonst nicht ersichtlich. Es sind nur die Kosten für den notwendigen Mindestaufwand einer anonymen Erdbestattung etc. eingestellt worden. Die Beklagte hat die nach Abzug des Vermögens des Verstorbenen verbliebenen Kosten zwischen der Klägerin und ihrer Schwester aufgeteilt.
33Für die Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme als Auslagen im Sinne von § 77 Abs. 1 VwVG NRW i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 VO VwVG NRW gilt die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 VO VwVG NRW, wonach diese Auslagen vom Vollstreckungsschuldner oder vom Pflichtigen zu erstatten „sind“ und der Vollstreckungsbehörde bei der Anforderung solcher Auslagen – grundsätzlich – kein Ermessen eingeräumt ist.
34Eine Ausnahme von der Pflicht zur Erhebung der Kosten ist jedoch in § 24 Abs. 2 VO VwVG NRW vorgesehen, wonach die Vollstreckungs- oder Vollzugsbehörde von der Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen unter anderem dann ganz oder teilweise absehen kann, wenn nach Begleichung der Hauptschuld die Beitreibung der Kosten für den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde.
35Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen greift im Rahmen der Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffes der unbilligen Härte im Sinne des § 24 Abs. 2 VO VwVG NRW (früher § 14 Abs. 2 KostO NRW) in Fällen nachhaltig gestörter Familienverhältnisse auf die zivilrechtlichen Bestimmungen zurück, nach denen die Unterhaltspflicht sowohl des geschiedenen Ehegatten (§ 1579 BGB) als auch von Verwandten in gerader Linie (§ 1611 BGB) wegen grober Unbilligkeit eingeschränkt ist oder vollständig entfällt.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07 –, juris und vom 10. Mai 1996 – 19 A 4684/95 –, NWVBl. 1998, 347 (348), sowie Beschluss vom 2. Februar 1996 – 19 A 3802/95 –, juris.
37Die in § 1579 BGB normierten Beispielsfälle für die grobe Unbilligkeit im Verhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten sind – neben § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB – zugleich auch als Beispielsfälle für die grobe Unbilligkeit im Verhältnis zwischen Verwandten in gerader Linie nach § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verstehen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07 –;
39OVG Saarl., Urteil vom 27. Dezember 2007 – 1 A 40/07 –, allesamt juris.
40§ 1611 Abs. 1 BGB bestimmt, dass, sofern der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat, der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten hat, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
41Eine schwere Verfehlung im Sinne der vorgenannten Bestimmung kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt. Mit Rücksicht darauf kann sich auch eine Verletzung elterlicher Pflichten durch Unterlassen als Verfehlung gegen das Kind darstellen. Das gilt nicht nur für die besonders geregelte Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, sondern etwa auch für die dauernde grobe Vernachlässigung und Verletzung der Aufsichtspflicht und für die Verletzung der Pflicht zu Beistand und Rücksicht. Hierbei handelt es sich um das Eltern-Kind-Verhältnis prägende Rechtspflichten, deren Verletzung unter den Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB Bedeutung zukommen kann. Eine schwere Verfehlung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn ein Elternteil ein Kind im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um dieses gekümmert hat.
42Vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2004 – XII ZR 304/02 –, juris.
43Nach den von der Klägerin geltend gemachten Gründen lässt sich eine unbillige Härte ihrer Inanspruchnahme nicht feststellen.
44Ohne Erfolg bleibt ihr Vorbringen, sie habe über dreißig Jahre keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt.
45Da die Bestattungspflicht in § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG und damit einhergehend die Bestattungskostentragungspflicht als öffentlich-rechtliche Verpflichtung lediglich auf den Status als Angehöriger abstellt und daher gerade unabhängig von der persönlichen Verbundenheit mit dem Verstorbenen und einer Unterhaltspflicht ihm gegenüber ist, kann auch aus dem bei den heutigen Lebensverhältnissen vielfach anzutreffenden Fehlen einer solchen Verbundenheit unter Angehörigen eine unbillige Härte der Bestattungskostentragungspflicht im Übrigen nicht hergeleitet werden.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 1994 – 19 A 2644/92 –,
47NWVBl. 1995, 394-395.
48Die Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehung zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit näher, so dass es vorrangig ihnen obliegen muss, für seine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Ein Absehen von der Kostenheranziehung kommt nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen oder bei einem vergleichbaren besonders schwerwiegenden elterlichen Fehlverhalten und einer daraus folgenden beiderseitigen grundlegenden Zerstörung des Eltern-Kind-Verhältnisses in Betracht. Derartige extreme Ausnahmesituationen können etwa in Fällen erlittener Misshandlungen durch den Verstorbenen oder bei einem dauerhaften Entzug des elterlichen Sorgerechtes vorliegen.
49Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 – 4 ZB 07.2815 –;
50OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. August 2008 – 8 LB 55/07 –;
51VG Köln, Urteil vom 20. März 2009 – 27 K 5617/07 –, allesamt juris.
52Ausgehend hiervon begründet der von der Klägerin allein angeführte fehlende Kontakt zu ihrem Vater keine unbillige Härte im vorgenannten Sinne, zumal sie sich auf schwere Unterhaltspflichtverletzungen des Verstorbenen oder strafrechtliche Ver-fehlungen nicht berufen hat.
53Daneben kommt eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme als Kostenpflichtiger auch dann in Betracht, wenn dem Kostenpflichtigen durch seine Inanspruchnahme eine wirtschaftliche Existenzgefährdung droht.
54Vgl. zu den näheren Voraussetzungen VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2012 – 14 K 2308/11 –, a.a.O. Rdnr. 72 ff. m.w.N.
55Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar vorgetragen, sie sei finanziell nicht in der Lage, die Bestattungskosten zu tragen. Diese pauschale Behauptung hat sie trotz Aufforderung der Beklagten im Verwaltungsverfahren aber nicht belegt. Im Übrigen fehlt es bereits an einem Vortrag der Klägerin dergestalt, dass sie durch eine Inanspruchnahme in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet würde.
56Den weiteren Antrag, die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigen im Vorverfahren für notwendig zu erklären, erachtet das Gericht nur für den Fall als gestellt, dass die Klage Erfolg hat. Da diese nach alledem abzuweisen ist, geht der Antrag bereits ins Leere.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Minden Urteil, 29. Jan. 2015 - 11 K 1984/14
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Verwaltungsgericht Minden Urteil, 29. Jan. 2015 - 11 K 1984/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
- 1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
- 1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 - 11 K 50/06 - wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
den Leistungsbescheid des Beklagten vom 2.3.2006 und den in seiner Sitzung vom 8.6.2006 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Landkreises A-Stadt aufzuheben.
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (Az.: 11 K 50/06) vom 9.2.2007 die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Amtsbl. S. 1414, geändert durch Art. 9 Abs. 17 des Gesetzes vom 7.11.2001, Amtsbl. S. 2158,
vgl. Urteil des VG des Saarlandes vom 6.3.2001 -10 K 112/00- und Urteil des OVG des Saarlandes vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, AS 30, 439, wonach nach der bisherigen Regelung im Saarland die Bestattungspflicht gewohnheitsrechtlich den zur Totenfürsorge verpflichteten nächsten Angehörigen des Verstorbenen oblag.
„In Bezug auf die Bestattungspflicht kommt es immer wieder zu gerichtlichen Verfahren. Die bisherige Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen hat eine Regelung nicht getroffen. Absatz 1 bestimmt daher die Rangfolge der öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichteten Hinterbliebenen. Die Bestattungspflicht eines Vorrangigen schließt die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der nachfolgenden Rangstufen aus. Diese Regelung orientiert sich an zivilrechtlichen Erbfolgeregelungen. Sie bewirkt auch, dass im Normalfall eine Gemeinde, die in Erfüllung der Pflicht der Ersatzvornahme die Bestattung veranlasst hat, in der überwiegenden Zahl der Fälle die/den Bestattungspflichtige/n zur Kostenerstattung heranziehen kann. Die zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche Bestattungspflichtiger gegen Erben bleiben unberührt.“
vgl. insofern § 9 Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz
vgl. im Einzelnen Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl., 2004, S. 103 f. sowie S. 304 ff. mit einer Übersicht über die landesgesetzlichen Bestimmungen; des Weiteren: Stelkens/Cohrs, Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht, NVwZ 2002, 917 (918).
ebenso die Bestattungsgesetze Brandenburg (§ 20 Abs. 1 Satz 2) und Sachsen (§ 10 Abs. 1 Satz 3); anders § 8 Abs. 4 Satz 2 BestattG Niedersachsen, der eine gesamtschuldnerische Haftung der Bestattungspflichtigen vorsieht.
vgl. die fast wortgleichen Regelungen in § 10 Abs.1 Satz 3 BestattG Sachsen und § 20 Abs. 1 Satz 2 BestattG Brandenburg.
BVerfG, Beschluss vom 23.3.1994 -8 BvL 8/85-, BVerfGE 90, 226 (229).
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994 -1 B 149/94-, NVwZ-RR 1995, 283; OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, AS 30, 439 (443); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, VBlBW 2005,141; jeweils dokumentiert bei juris.
vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004, a.a.O.; Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 920.
vgl. im Übrigen die inhaltsgleichen Regelungen in § 31 Abs. 2 BestattG Baden-Württemberg, Art. 14 Abs. 2 BestattG Bayern, § 20 Abs. 2 BestattG Brandenburg und § 9 Abs. 2 BestattG Mecklenburg-Vorpommern.
vgl. bspw. § 10 BestattG Sachsen
vgl. § 14 BestattG Sachsen-Anhalt und § 9 BestattG Rheinland-Pfalz.
in diesem Sinne auch Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 921, und –zu § 2 Abs. 3 TierSchG 1972- BVerwG, Urteil vom 12.2.1987 -3 C 22/86-, BVerwGE 77, 19.
so erfolgt bspw. in § 10 Abs. 3 BestattG Sachsen.
„Absatz 2 geht auf die Situation ein, dass Bestattungspflichtige nicht vorhanden sind oder nicht ermittelbar sind. Auch in diesen Fällen muss die Bestattung des Leichnams geregelt werden. Daher wird unter Bezug auf die polizeirechtlichen Bestimmungen die Ortspolizeibehörde als zuständige Stelle ausgewiesen.“
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O..
Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O., m.w.Nw.,
vgl. zu § 15 BSHG: Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Auf., § 15 Rdnrn. 6 f..
Schellhorn, a.a.O. zu § 15 BSHG Rdnr. 6; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.1.2005 -12 A 11605/04-, FEVS 56, 476 m.w.Nw. zur Rspr., dokumentiert bei juris.
Urteile vom 5.6.1997 -5 C 13/96-, BVerwGE 105,51, und vom 29.1.2004 -5 C 2/03-, BVerwGE 110, 111, jeweils dokumentiert bei juris,
vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.6.2007 -7 A 11566/06-, AS 34, 401 (405/406).
vgl. BVerwG, Urteil vom 29.1.2004 -5 C 2/03-, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 26.9.2007 -8 LA 81/07-, dokumentiert bei juris.
vgl. Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 923 f..
vgl. Gaedke, a.a.O., S. 118 a.E.; Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 923 Fn. 70.
Urteil vom 16.1.2007 -11 K 1326/06-, BWGZ 2007, 471, dokumentiert bei juris,
u.a. mit dem Hinweis auf das Urteil des OVG des Saarlandes vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, a.a.O.; a.A. aber VG Ansbach, Urteil vom 6.9.2007 –AN 4 K 06.03544-, dokumentiert bei juris.
Beschluss vom 2.2.1996 -19 A 3802/95-, NVwZ-RR 1997, 99, dokumentiert bei juris,
vgl. VG Koblenz, Urteil vom 14.6.2005 -6 K 93/05.KO-, KKZ 2006, 35, dokumentiert bei juris.
Urteil vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, a.a.O.,
Gaedke, a.a.O., S. 117.
Gründe
Amtsbl. S. 1414, geändert durch Art. 9 Abs. 17 des Gesetzes vom 7.11.2001, Amtsbl. S. 2158,
vgl. Urteil des VG des Saarlandes vom 6.3.2001 -10 K 112/00- und Urteil des OVG des Saarlandes vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, AS 30, 439, wonach nach der bisherigen Regelung im Saarland die Bestattungspflicht gewohnheitsrechtlich den zur Totenfürsorge verpflichteten nächsten Angehörigen des Verstorbenen oblag.
„In Bezug auf die Bestattungspflicht kommt es immer wieder zu gerichtlichen Verfahren. Die bisherige Polizeiverordnung über das Bestattungs- und Leichenwesen hat eine Regelung nicht getroffen. Absatz 1 bestimmt daher die Rangfolge der öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichteten Hinterbliebenen. Die Bestattungspflicht eines Vorrangigen schließt die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der nachfolgenden Rangstufen aus. Diese Regelung orientiert sich an zivilrechtlichen Erbfolgeregelungen. Sie bewirkt auch, dass im Normalfall eine Gemeinde, die in Erfüllung der Pflicht der Ersatzvornahme die Bestattung veranlasst hat, in der überwiegenden Zahl der Fälle die/den Bestattungspflichtige/n zur Kostenerstattung heranziehen kann. Die zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche Bestattungspflichtiger gegen Erben bleiben unberührt.“
vgl. insofern § 9 Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz
vgl. im Einzelnen Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl., 2004, S. 103 f. sowie S. 304 ff. mit einer Übersicht über die landesgesetzlichen Bestimmungen; des Weiteren: Stelkens/Cohrs, Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht, NVwZ 2002, 917 (918).
ebenso die Bestattungsgesetze Brandenburg (§ 20 Abs. 1 Satz 2) und Sachsen (§ 10 Abs. 1 Satz 3); anders § 8 Abs. 4 Satz 2 BestattG Niedersachsen, der eine gesamtschuldnerische Haftung der Bestattungspflichtigen vorsieht.
vgl. die fast wortgleichen Regelungen in § 10 Abs.1 Satz 3 BestattG Sachsen und § 20 Abs. 1 Satz 2 BestattG Brandenburg.
BVerfG, Beschluss vom 23.3.1994 -8 BvL 8/85-, BVerfGE 90, 226 (229).
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994 -1 B 149/94-, NVwZ-RR 1995, 283; OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, AS 30, 439 (443); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, VBlBW 2005,141; jeweils dokumentiert bei juris.
vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004, a.a.O.; Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 920.
vgl. im Übrigen die inhaltsgleichen Regelungen in § 31 Abs. 2 BestattG Baden-Württemberg, Art. 14 Abs. 2 BestattG Bayern, § 20 Abs. 2 BestattG Brandenburg und § 9 Abs. 2 BestattG Mecklenburg-Vorpommern.
vgl. bspw. § 10 BestattG Sachsen
vgl. § 14 BestattG Sachsen-Anhalt und § 9 BestattG Rheinland-Pfalz.
in diesem Sinne auch Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 921, und –zu § 2 Abs. 3 TierSchG 1972- BVerwG, Urteil vom 12.2.1987 -3 C 22/86-, BVerwGE 77, 19.
so erfolgt bspw. in § 10 Abs. 3 BestattG Sachsen.
„Absatz 2 geht auf die Situation ein, dass Bestattungspflichtige nicht vorhanden sind oder nicht ermittelbar sind. Auch in diesen Fällen muss die Bestattung des Leichnams geregelt werden. Daher wird unter Bezug auf die polizeirechtlichen Bestimmungen die Ortspolizeibehörde als zuständige Stelle ausgewiesen.“
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O..
Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O., m.w.Nw.,
vgl. zu § 15 BSHG: Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Auf., § 15 Rdnrn. 6 f..
Schellhorn, a.a.O. zu § 15 BSHG Rdnr. 6; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.1.2005 -12 A 11605/04-, FEVS 56, 476 m.w.Nw. zur Rspr., dokumentiert bei juris.
Urteile vom 5.6.1997 -5 C 13/96-, BVerwGE 105,51, und vom 29.1.2004 -5 C 2/03-, BVerwGE 110, 111, jeweils dokumentiert bei juris,
vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.6.2007 -7 A 11566/06-, AS 34, 401 (405/406).
vgl. BVerwG, Urteil vom 29.1.2004 -5 C 2/03-, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 -1 S 681/04-, a.a.O.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 26.9.2007 -8 LA 81/07-, dokumentiert bei juris.
vgl. Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 923 f..
vgl. Gaedke, a.a.O., S. 118 a.E.; Stelkens/Cohrs, a.a.O., S. 923 Fn. 70.
Urteil vom 16.1.2007 -11 K 1326/06-, BWGZ 2007, 471, dokumentiert bei juris,
u.a. mit dem Hinweis auf das Urteil des OVG des Saarlandes vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, a.a.O.; a.A. aber VG Ansbach, Urteil vom 6.9.2007 –AN 4 K 06.03544-, dokumentiert bei juris.
Beschluss vom 2.2.1996 -19 A 3802/95-, NVwZ-RR 1997, 99, dokumentiert bei juris,
vgl. VG Koblenz, Urteil vom 14.6.2005 -6 K 93/05.KO-, KKZ 2006, 35, dokumentiert bei juris.
Urteil vom 25.8.2003 -2 R 18/03-, a.a.O.,
Gaedke, a.a.O., S. 117.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend. Die 1934 geborene Mutter der Beklagten bezog seit November 1998 Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt, da sie mit ihren geringen Renteneinkünften nicht in der Lage war, ihre Lebensführung zu bestreiten. In der Zeit von November 1998 bis August 2000 gewährte ihr die Klägerin Leistungen in Höhe von insgesamt 6.512,01 DM. Die 1956 geborene Beklagte ist das älteste von insgesamt fünf Kindern ihrer Mutter. Sie lebte bis zum Alter von 1 bis 1 ½ Jahren zusammen mit ihrer Mutter bei deren Eltern und wurde in deren Obhut zurückgelassen, als die Mutter zu ihrem Ehemann, dem Vater der Beklagten, zog. Zu persönlichen Kontak-ten zwischen der Mutter und der Beklagten kam es in der Folgezeit kaum noch. Die Ehe der Eltern wurde etwa im Jahre 1959 geschieden. In der Zeit von 1963 bis 1966 gebar die Mutter drei weitere Kinder, die bei ihr lebten. Im August 1966 wanderte sie - zusammen mit diesen Kindern - in die USA aus und heiratete erneut. 1968 wurde das fünfte Kind geboren. Im Jahre 1974 kehrte die Mutter - nach der Scheidung ihrer zweiten Ehe - mit den Kindern nach Deutschland zurück; zwei Kinder übersiedelten später jedoch wieder zu ihrem - inzwischen verstorbenen - Vater in die USA und leben heute noch dort. Die in Deutschland lebenden Kinder der Mutter sind zur Zahlung von Elternunterhalt finanziell nicht in der Lage. Die Beklagte, für die die Mutter zu keiner Zeit Unterhaltsleistungen erbracht hat, verblieb bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Sie absolvierte eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester und ist in diesem Beruf tätig. Ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf ca. 3.486 DM; bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen, Lebensversicherungsprämie und eine Darlehensrate verbleiben monatlich rund 2.700 DM. Mit Rechtswahrungsanzeige vom 2. November 1998 teilte die Klägerin der Beklagten die Gewährung von Sozialhilfeleistungen für ihre Mutter mit und forderte sie zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf. Mit ihrer Klage machte die Klägerin übergegangene Unterhaltsansprüche der Mutter für die Zeit von November 1998 bis August 2000 in Höhe ihrer Gesamtaufwendungen von 6.512,01 DM zuzüglich Zinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel ist nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß ein Unterhaltsanspruch der Mutter gegen die Beklagte nicht bestehe, weil deren Inanspruchnahme grob unbillig sei. Dazu hat es ausgeführt: Der Mutter könne zwar nicht vorgeworfen werden, durch ein sittliches Verschulden unterhaltsbedürftig geworden zu sein. Daß sie sich vor ihrer Übersiedlung in die USA ihre in Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften habe auszahlen lassen, erfülle nicht die Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Auch von einer gröblichen Vernachlässigung der Barunterhaltspflicht seitens der Mutter im Sinne der 2. Alt. der genannten Bestimmung könne nicht ausgegangen werden. Da sie noch vier weitere Kinder habe betreuen müssen, könne nicht angenommen werden, daß sie zur Zahlung von Unterhalt für die Beklagte in der Lage gewesen sei. Die Mutter habe sich jedoch einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte schuldig gemacht (§ 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB). Wie von der Mutter bei ihrer Vernehmung selbst eingeräumt worden sei, habe über viele Jahre kein Kontakt zwischen ihr und der Beklagten bestanden. Zwar habe sie letztere vor ihrer ersten Scheidung einmal für einige Monate in ihren Haushalt geholt. Dort habe die Großmutter das Kind aber wieder herausnehmen müssen, weil der Aufenthalt dessen Entwicklung abträglich gewesen sei. Die Beklagte habe gestottert, weshalb die Mutter selbst eingesehen habe, daß es besser sei, wenn die Tochter bei der Großmutter lebe. Im Zuge der Scheidung sei schließlich die elterliche Sorge für die Beklagte den - als nicht erziehungsgeeignet angesehenen - Eltern entzogen und den Großeltern übertragen worden. Danach habe sich die Mutter nicht mehr um die Beklagte gekümmert. Von einem Aufenthalt der Beklagten in den USA abgesehen, der zu einer Zeit stattgefunden habe, als die Mutter an Krebs erkrankt gewesen sei, habe letztere von Anfang der 60er Jahre an vonsich aus den Kontakt zur Beklagten nicht nachdrücklich gesucht. Sofern es hierzu gleichwohl gekommen sei, habe dies auf den Bemühungen der Großeltern beruht. Auch heute noch ergäben sich Kontakte eher zufällig, wenn die Beklagte ihre Schwester besuche. Insgesamt werde in dem Verhalten der Mutter ein so grober Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und menschlicher Rücksichtnahme deutlich, daß von einer vollständigen Verwirkung der Unterhaltsansprüche gegen die Beklagte auszugehen sei. Diese Beurteilung begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. 2. a) Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB braucht der Unterhaltspflichtige nur einen Beitrag in der der Billigkeit entsprechenden Höhe zum Unterhalt des Berechtigten zu leisten, wenn dieser unter anderem seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt (2. Alt.) oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat (3. Alt.). Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre (§ 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB). aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann bereits nicht ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen der 2. Alt. des § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sein können. Das Berufungsgericht hat insofern allein auf eine Verletzung der Barunterhaltspflicht abgestellt und eine solche mangels Leistungsfähigkeit der Mutter verneint. Eltern schulden ihren Kindern indessen entweder Bar- oder Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 BGB), zu dem - als Teil der Unterhaltspflicht - auch die Betreuung gehört (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Vernachlässigung der Betreuung ist grundsätzlich ebenfalls geeignet, die Rechtswirkungen des § 1611 Abs. 1 BGB auszulösen (ebenso Staudinger /Engler BGB - 2000 - § 1611 Rdn. 18; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 111; a.A. MünchKomm/Born 4. Aufl. § 1611 Rdn. 14), auch wenn die
Betreuung nicht in vollem Umfang persönlich erbracht werden muß. Für eine Beschränkung des § 1611 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf eine Verletzung der Barunterhaltspflicht sind dem Gesetz keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung der Naturalunterhaltspflicht in der Zeit bis zur Übertragung der elterlichen Sorge für die Beklagte auf die Großeltern in Betracht. Zwar brauchte die Mutter die Betreuung nicht uneingeschränkt selbst zu übernehmen, sondern durfte sich hierbei auch der Mithilfe anderer bedienen. Das ändert aber nichts daran, daß die Verantwortung für das Kind in erster Linie bei den Eltern, und damit auch bei der Mutter, lag. Diese Aufgabe durfte sie nicht in vollem Umfang delegieren, indem sie die Betreuung ohne jedweden eigenen Einsatz allein den Großeltern überließ. Ob insoweit bereits von einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht ausgegangen werden kann, bedarf indessen keiner Entscheidung. In jedem Fall hat das Berufungsgericht nämlich die Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB rechtsfehlerfrei bejaht. bb) Eine schwere Verfehlung im Sinne der vorgenannten Bestimmung kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden (MünchKomm/Born aaO § 1611 Rdn. 23; Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 3234; OLG Celle FamRZ 1993, 1235, 1236; OLG München FamRZ 1992, 595, 597). Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt (MünchKomm /Born aaO § 1611 Rdn. 23). Mit Rücksicht darauf kann sich auch eine Verletzung elterlicher Pflichten durch Unterlassen als Verfehlung gegen das Kind darstellen. Das gilt nicht nur für die besonders geregelte Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, sondern etwa auch für die dauernde grobe Vernachlässigung und Verletzung der Aufsichtspflicht und für die Verletzung der Pflicht zu
Beistand und Rücksicht, die in der durch das Sorgerechtsgesetz von 1979 eingefügten Vorschrift des § 1618 a BGB auch zum Ausdruck gebracht worden ist (Staudinger/Engler aaO § 1611 Rdn. 29). Hierbei handelt es sich um das ElternKind -Verhältnis prägende Rechtspflichten, deren Verletzung unter den Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB Bedeutung zukommen kann. cc) Danach hat sich die Mutter nach den getroffenen Feststellungen auch nach Auffassung des Senats einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte schuldig gemacht. Dies ergibt die gebotene umfassende Abwägung aller maßgeblichen Umstände (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - FamRZ 1995, 475, 476). Auch wenn ihr die elterliche Sorge nicht mehr zustand und ihr deshalb nicht mehr die Pflege und Erziehung der Beklagten oblag, gehörte es zu den Pflichten der Mutter, sich weiterhin um ihr Kind zu kümmern, Anteil an seinem Leben und seiner Entwicklung zu nehmen, ihm bei auftretenden Problemen und Schwierigkeiten zur Seite zu stehen und ihm insgesamt die Gewißheit zu vermitteln, daß ein ihm in Liebe und Zuneigung verbundener Elternteil für es da ist. Daran hat es die Mutter jedenfalls von der Zeit an, in der sie die Beklagte im Alter von 1 bis 1 ½ Jahren in der Obhut der Großeltern zurückgelassen hat, fast durchgehend fehlen lassen. Sie hat sich trotz der Fürsorgebedürftigkeit des Kindes - mit Ausnahme von dessen kurzfristiger Aufnahme in den elterlichen Haushalt - nicht mehr persönlich um dieses gekümmert und - von der Ermöglichung eines Besuches des Kindes in den USA abgesehen - von sich aus noch nicht einmal versucht, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus hat sie die Beklagte - im Gegensatz zu ihren anderen Kindern - bei ihrer Auswanderung in die USA in Deutschland zurückgelassen und dem Kind so den Eindruck der Zurücksetzung durch die Mutter und deren Interessenlosigkeit an seiner Person vermittelt. Dem steht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht entgegen, daß die Mutter das Kind bei ihren
Eltern gut versorgt wußte und die Beklagte sich im Haushalt der Großeltern gut entwickelt hat. Dadurch war die Mutter nicht der Pflicht enthoben, sich weiterhin um ihr Kind zu kümmern, mit ihm brieflich oder telefonisch Kontakt zu halten und an seiner Entwicklung und an seinem Leben Anteil zu nehmen. Daß entsprechende Bemühungen dem Kindeswohl ausnahmsweise geschadet hätten, hätte die Klägerin darlegen müssen. Das hat sie nicht getan. Das Unterlassen der Mutter, an dem sich in der Folgezeit nichts geändert hat, offenbart einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme , daß nach Abwägung aller Umstände in diesem besonders gelagerten Fall von einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte auszugehen ist (vgl. insofern auch Staudinger/Engler aaO § 1611 Rdn. 29; Erman/Holzhauer BGB 10. Aufl. § 1611 Rdn. 5; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1611 Rdn. 5; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 1053 b; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 2 Rdn. 626; Günther aaO § 12 Rdn. 113; LG Hannover FamRZ 1991, 1094, 1095; AG Helmstedt FamRZ 2001, 1395; AG Leipzig FamRZ 1997, 965). Nach der Lebenswirklichkeit war der Mutter ihr Verhalten auch bewußt, so daß sie vorsätzlich gehandelt hat. dd) Bei der gegebenen Sachlage erscheint es auch rechtsbedenkenfrei, daß das Berufungsgericht den Unterhalt nicht nur herabgesetzt, sondern die Voraussetzungen eines vollständigen Wegfalls der Unterhaltspflicht der Beklagten bejaht hat. Zwar kommt ein solcher nur unter den in § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten engen Voraussetzungen, nämlich bei Vorliegen grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme, in Betracht. Von dieser ist auszugehen, wenn die Gewährung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (MünchKomm/Born aaO § 1611 Rdn. 37; Soergel /Häberle BGB 12. Aufl. § 1611 Rdn. 7; Günther aaO § 12 Rdn. 114; vgl.
auch Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 262/90 - FamRZ 1992, 787, 788 für das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB). Das wäre hier indessen - wie eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände ergibt - der Fall. Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei der Frage, inwieweit Ansprüche auf Elternunterhalt verwirkt sind, die gebotene Berücksichtigung auch der Belange des Unterhaltsberechtigten es regelmäßig erfordert, dessen - trotz der Verfehlung vorliegende - Unterhaltsleistungen in die Würdigung einzubeziehen, wenn er - wie zumeist - über lange Jahre hinweg für sein Kind gesorgt und sich zu dessen Gunsten in seiner eigenen Lebensführung eingeschränkt hat (vgl. Finger FamRZ 1995, 969, S. 974 f.). Dieser Gesichtspunkt kommt hier indessen nicht zum Tragen. Eigene Leistungen der Mutter für die Beklagte sind in nennenswertem Umfang nie erfolgt. Dagegen kommt der Verfehlung der Mutter ein solches Gewicht zu, daß es mit dem Rechtsempfinden schlechthin nicht zu vereinbaren wäre, wenn die Beklagte, nachdem sie die Mutter praktisch immer entbehren mußte und sie deshalb als Fremde empfinden mußte und durfte, nunmehr für deren Unterhalt aufkommen müßte, zumal
sie nach den getroffenen Feststellungen nicht in wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, bei denen sie durch Unterhaltsleistungen nicht in spürbarer Weise in ihrer Lebensführung beeinträchtigt würde. Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.