Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Sept. 2014 - 6b S 14.50484
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die drohende Überstellung nach C. im Rahmen des sog. „Dublin-Verfahrens“.
Der Antragsteller ist seinen Angaben zufolge Staatsangehöriger von B. und reiste am ... Februar 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein.
Ein EURODAC-Abgleich ergab, dass der Antragsteller bereits am ... Juni 2013 in C. einen Asylantrag gestellt hat.
Einem Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin stimmte C. mit Schreiben vom ... März 2014 zu.
Mit Bescheid vom ... Juli 2014, dem Antragsteller zugestellt am ... Juli 2014, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und ordnete die Abschiebung nach C. an. Zur Begründung wurde angeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, die Abschiebung nach C. beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, da C. für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach C. sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.
Mit Schreiben vom ... Juli 2014, beim Bayer. Verwaltungsgericht München eingegangen am ... Juli 2014, erhob der Antragsteller Klage und beantragte gleichzeitig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führte er an, er habe komplexe gesundheitliche Probleme, die im Flüchtlingslager in C. nicht behandelt worden seien. In Deutschland sei er wegen einer tiefen Wunde am Unterschenkel und einer Schilddrüsenunterfunktion behandelt worden. Eine entsprechende weitere Behandlung in C. sei nicht gewährleistet.
Aus den dem Gericht vorgelegten ärztlichen Berichten und Attesten ist zu entnehmen, dass beim Antragsteller bei Zustand nach Kompartmentsyndrom eine kleine Stelle am kaudalen Wundpol am linken Unterschenkel noch nicht vollständig verheilt ist, die einen zwei- bis dreimal wöchentlichen Verbandwechsel erfordert. Ursache für das Kompartmentsyndrom war eine ausgeprägte Schilddrüsenunterfunktion (lt. Bericht der Fachklinik D. vom ... Juli 2014 basierend auf einer aus unbekannten Gründen erfolgten Pausierung der Schilddrüsenmedikation). Erforderlich sei eine regelmäßige Einnahme der Schilddrüsenhormone, die zunächst noch engmaschig, auch mittels Blutwertkontrollen gesteuert und therapiert werden müsse. Der Antragsteller befand sich vom ... bis zum ... Juli 2014 in der stationären neurologischen Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik D. Dort wurde er mit folgendem Rehafazit entlassen: „Pat. hat ein verbessertes Schmerzoutcome, benötigt keine Schmerzmedikation mehr. Wundsituation verbessert nach Kompartmentspaltung und Defektdeckung, braucht aber noch weiterhin 2-3x/Wo. Verbandswechsel. Gangbild und Gangausdauer verbessert, er ist ohne Hilfsmittel im Klinikinnen- und Außenbereich (Park) mobil, kann mehretagig Treppen steigen ohne hängenzubleiben.
Verordnete Hilfsmittel: keine
Entlassungsmedikation: L-Thyroxin 175µg 1-0-0“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Die danach vorzunehmende Abwägung des sich aus § 75 Abs. 1 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zulasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung nach C. ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Vorliegend ist C. für die Prüfung des vom Antragsteller am ... April 2013 dort gestellten Asylantrags zuständig, Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), Art. 49 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013. C. hat auch mit Schreiben vom ... August 2014 der Wiederaufnahme des Antragstellers zugestimmt.
Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet trotz der Zuständigkeit C. den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
Von Verfassungswegen kommt eine Prüfungspflicht der Antragsgegnerin nur in Betracht, soweit ein von vornherein außerhalb der Reichweite des Konzepts der normativen Vergewisserung liegender Sachverhalt gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93) ist dies - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die, für die Qualifizierung des Drittstaates als sicher, maßgeblichen Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen.
Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 21. Dezember 2011 C-411/10 und C-493/10
Derartige Verhältnisse sieht das Gericht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für C. als nicht gegeben. In Übereinstimmung mit der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung geht das Gericht davon aus, dass in C. systemische Mängel im genannten Sinne nicht vorherrschen und ein Asylantragsteller in C. nicht Gefahr läuft, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa VG München, B. v. 27.1.2014 - M 4 S 14.30066; VG Ansbach, B. v. 21.1.2014 - AN 10 S 14.30039; B. v. 31.3.2014 - AN 9 S 13.31028; VG Gelsenkirchen, B. v. 15.1.2014 - 6a L 1836/13.A; VG Hannover, B. v. 27.5.2014 - 5 B 634/14; VG Regensburg, B. v. 27.12.2013 - RN 6 S 13.30709 sowie VGH BaWü, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - InfAuslR 2014, 29 ff.).
Das Gericht weist darauf hin, dass weder der UNHCR noch das C. Helsinki Commitee oder der European Refugee Council eine generelle Empfehlung ausgesprochen haben, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach C. zu überstellen. Dies hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 6. Juni 2013 (Mohammed gegen Österreich, Nr. 2283/12, in inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration e. V. abrufbar unter www.asyl.net) festgestellt. Nach Auswertung umfangreicher Stellungnahmen des UNHCR und anderer Stellen gelangt der EGMR zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer gerade im Hinblick auf die mögliche Inhaftierung nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, bei einer Überstellung nach C. im Rahmen der Dublin-Verordnung einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletze.
Der Österreichische Asylgerichtshof führt hierzu in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2013 (S 21 436096-1/2013 - RIS, abrufbar unter www...gv.at) ausdrücklich aus, dass nicht zuletzt durch das am ... Januar 2013 in C. in Kraft getretene überarbeitete Asylgesetz Verbesserungen eingetreten seien. Es könne nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylbewerber, die im Rahmen der Dublin-Verordnung nach C. rücküberstellt würden, aufgrund der c... Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, so dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinn einer realen Gefahr für den Einzelnen nicht bestehe.
Auch der EuGH sieht in der Entscheidung Abdullahi (U. v. 10.12.2013 - C 394/12
Weder die Auskünfte des UNHCR vom 9. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu: Beschl. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A -, juris) noch die „Information Note“ des C. Helsiniki Commitee vom Mai 2014 (abrufbar unter: http://...hu/en/...) oder der National Country Report C. der Asylum Information Database („aida“), Stand 30. April 2014 (abrufbar unter: http://www...org/...-c... second_update final...0.pdf), bieten nach Auffassung des Gerichts belastbare Anhaltspunkte für solche Schwachstellen.
Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der c... Gesetzgebungslage, nach der seit dem ... Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen.
Der Umstand, dass das c... Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum ... Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und C. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, stellt für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht C. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum ... Januar 2013 nach der früheren Rechtslage (so VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68).
Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die c... Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie - wie auch vorliegend der Antragsteller - die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in C. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem c... Asylverfahren entziehen werden. Dass die c... Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus C. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend.
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen für Dublin-Rückkehrer in C. systematisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, C. Helsinik Commitee, a. a. O., S. 18) lassen insoweit keine Rückschlüsse auf systemische Mängel zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNCHR an VG Düsseldorf v. 9.5.2014 zu Frage 4, S. 5).
Schließlich haben auch Rechtsanwälte sowie NGOs und der UNHCR Zugang zu den Inhaftierten.
Auch die vom Antragsteller vorgetragenen gesundheitlichen Probleme sowie seine weitere Behandlungsbedürftigkeit führen zu keinem anderen Ergebnis. Lt. des National Country Report C. der Asylum Information Database („Aida“), Stand 30. April 2014 (a. a. O.) erhalten Asylbewerber in C. die gleiche medizinische Versorgung wie c... Staatsangehörige (S. 47 des Reports). Damit ist aus Sicht des Gerichts der nötige Verbandwechsel mehrmals wöchentlich ebenso sichergestellt wie die Versorgung mit Schilddrüsenhormonen und die gegebenenfalls notwendige Überprüfung und Steuerung der Dosierung. Bei dem vom Antragsteller eingenommenen Schilddrüsenhormon handelt es sich um ein international gängiges Medikament, das auch in C. problemlos erhältlich ist. Für die regelmäßige Einnahme dieses Medikaments (aus den Klinikberichten ergibt sich, dass die Verletzung am Bein auf einer aus unbekannten Gründen erfolgten Pausierung der Einnahme der Schilddrüsenhormone basierte) ist der Antragsteller selbst verantwortlich.
Angesichts dieser aktuellen Erkenntnislage liegen im Rahmen der summarischen Prüfung keine konkreten Anhaltspunkte vor, die einen Vollzug des Dublin-Verfahrens hindern könnten. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Sept. 2014 - 6b S 14.50484
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
- Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskosten-hilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.
- Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
1
G r ü n d e :
21.
3Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargelegten Gründen von Beginn an nicht die nach § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.
42.
5Der Antrag,
6die aufschiebende Wirkung der Klage (6a K 6044/13.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 27. November 2013 anzuordnen,
7hat keinen Erfolg. Er ist zwar, da auf ihn die Neufassung 2013 von § 34a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) anzuwenden ist, zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
8Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. November 2013 hat gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 75 AsylVfG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, hat das Aussetzungsinteresse der Antragsteller hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen.
9Dies ist hier der Fall. Der Bescheid vom 27. November 2013, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
10Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
11Vorliegend ist nach der (auf den Fall noch anwendbaren) Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, (sog. „Dublin II-Verordnung“) vom 18. Februar 2003 die Republik Polen der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller in Polen den ersten Asylantrag gestellt haben, ist gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EG) Nr. 343/2003 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrages zuständig und hat gemäß Art. 16 ff. der VO (EG) Nr. 343/2003 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Polen mit Schreiben an das Bundesamt vom 25. November 2013 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
12Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO hätte ausüben müssen, sind nicht ersichtlich. Dass die Antragsteller nicht reisefähig sind, ist von ihnen nicht vorgetragen worden und anhand der vorgelegten ärztlichen Atteste auch nicht festzustellen. Die Antragstellerin zu 2. hat sich offenbar zuletzt Anfang Oktober zur stationären Behandlung im Krankenhaus befunden und ist am 11. Oktober 2013 mit der Empfehlung einer ambulanten Weiterbehandlung entlassen worden. Zwar ist die – noch im ersten Drittel befindliche – Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2. mit Blick auf die (seit langem) vorliegende Erkrankung an Multipler Sklerose aus ärztlicher Sicht als „Risikoschwangerschaft“ einzustufen, dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die mit einer Überstellung nach Polen verbundenen Belastungen der Antragstellerin nicht zugemutet werden können, wobei die Kammer unterstellt, dass die Ausländerbehörde im Bedarfsfall für medizinische Betreuung der Antragstellerin zu 2. während der Reise sorgt.
13Es bestehen nach der Rechtsprechung der Kammer derzeit auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Flüchtlingen in Polen in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt wird oder sonstige „systemische Mängel“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestehen.
14Vgl. dazu ausführlich VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 17 L 1406/13.A - und vom 19. November 2013 - 25 L 2154/13.A - mit weiteren Nachweisen; aus der neueren Kammerrechtsprechung etwa Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 6a L 1727/13.A -.
15Das von den Antragstellern zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Dezember 2013 in der Sache Abdullahi ./. Bundesasylamt Wien - C-394/12 - ist in Bezug auf den vorliegenden Fall unergiebig, weil es sich auf Rücküberstellungen nach Ungarn und Griechenland, nicht aber nach Polen bezieht. In rechtlicher Hinsicht hat der Gerichtshof mit dieser Entscheidung nochmals bestätigt, dass der betroffene Asylbewerber der Überstellung in einen Zielstaat, welcher der Rückübernahme zugestimmt hat, aus Sicht von Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung nur damit entgegen treten kann, dass er systemische Bedenken des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden.
16Eine derartige Gefahr ist für die Kammer nicht erkennbar. Die aktuell vorliegenden, etwa in der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aufgeführten Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen in Polen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen. Dies gilt auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung. So wird etwa in der von der Association for Legal Intervention und von der Helsinki Foundation for Human Rights im Jahre 2013 publizierten Studie “Migration Is Not a Crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners“ ausgeführt, dass in den polnischen Aufnahmeeinrichtungen die regelmäßige Anwesenheit eines Arztes sichergestellt ist und dass bei gesundheitlichen Problemen, die eine fachärztliche Versorgung notwendig machen, auch das Aufsuchen eines Facharztes außerhalb der Einrichtung gewährleistet wird (Seite 23 ff. der Studie). Auch dem „National Country Report: Poland“ von 2013 der vom Europäischen Flüchtlingsrat getragenen „aida“-Datenbank ist zu entnehmen, dass eine kostenlose medizinische Versorgung Asylsuchender grundsätzlich gewährleistet ist (dort Seite 38 f.). Dass die medizinische Versorgung nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen von gleicher Qualität ist und es im Einzelfall Schwierigkeiten bei der zeitnahen fachärztlichen Versorgung geben kann, führt nicht dazu, dass „systemische Bedenken“ im Sinne der Rechtsprechung – u.a. des Europäischen Gerichtshofes – anzunehmen wären. Die in beiden Studien hervorgehobenen Probleme bei der sprachlichen Verständigung zwischen Ärzten und Asylbewerbern dürften in Deutschland in ähnlicher Weise bestehen, wie auch anhand der von den Antragstellern vorgelegten Berichte des T. .-K. -Krankenhauses in F. zu ersehen ist.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.