Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394

bei uns veröffentlicht am07.09.2016

Tenor

I. Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses vom 10. Februar 2016, M 1 SN 15.4734, wird der Antrag insgesamt abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.

III. Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beigeladene zu 1. begehrt die sofortige Vollziehbarkeit der ihr vom Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 erteilten Baugenehmigung für den Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 913/6 Gemarkung … (… Straße ...), das von Süden an die Kreisstraße … grenzt. Die Bebauung entlang der Kreisstraße, zu der das Grundstück der Antragstellerin gehört, ragt spornartig in den Außenbereich hinein. Nordwestlich des Anwesens der Antragstellerin und jenseits der Kreisstraße befinden sich u.a. die Grundstücke FlNr. 621, 627 und 628, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ der Beigeladenen zu 2. liegen. Westlich hiervon schließen sich die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Gewerbegebiet … II“ und „Gewerbegebiet …“ an. Bezüglich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anhängig (1 N 15.840).

Unter dem 20. April 2015 beantragte die Beigeladene zu 1. eine Baugenehmigung für den „Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei und deren zugehörige Logistikhalle, Büros, Bewirtungsraum und einem Getränkeladen (…)“ auf den Grundstücken FlNr. 621, 627 und 628. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist die Errichtung einer etwa 40 m x 75 m großen Halle mit Stellplätzen geplant. Die Halle ist in drei Abschnitte gegliedert. Im südöstlichen, der Antragstellerin zugewandten Teil befindet sich der Fertigungsbereich der Firma … GmbH, in dem mittels Metallbearbeitungsmaschinen Brauereianlagen hergestellt werden sollen. Im nordwestlichen und im mittleren Teil soll durch die Firma … GmbH eine kleine Brauerei mit Flaschenabfüllanlage und Bewirtungsraum sowie ein Getränkeladen betrieben werden; an der Nordost-Seite sind im Wesentlichen Kühlräume und Büros angeordnet. Dem Antrag lagen u.a. eine Betriebsbeschreibung vom … April 2015 sowie eine Lärmprognose des Büros … GmbH vom … April 2015 zu Grunde.

Gegen die der Beigeladenen zu 1. vom Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Mai 2015 erteilte Baugenehmigung hat die Antragstellerin am … Juni 2015 Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 1 K 15.2408 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist. Auf ihren Antrag vom 26. Oktober 2015 hin ordnete die Kammer am 10. Februar 2016 im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage an (M 1 SN 15.4734), da der Bescheid vom 12. Mai 2015 in Ermangelung einer ausreichenden Beschreibung des Betriebsumfangs und -ablaufs voraussichtlich zu unbestimmt sei und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt werde.

Mit Bescheid vom 29. März 2016 „zur Konkretisierung und Ergänzung des Baugenehmigungsbescheids“ hat der Antragsgegner den Bescheid vom 12. Mai 2015 in seinen immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen ergänzt. Dem lagen die Fortschreibungen der Betriebsbeschreibung, des Freiflächenplans 2 und des Aufstellungsplans für Maschinen, jeweils vom … März 2016, sowie eine aktualisierte schalltechnische Untersuchung der … GmbH vom … März 2016 zu Grunde.

Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1. nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vom4. April 2016 änderte die Kammer mit Beschluss vom 27. Mai 2016 auf das Anerkenntnis der Antragstellerin hin den Beschluss vom 10. Februar 2016 ab und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 nunmehr insoweit ab, als er die Errichtung des Vorhabens und die Baufertigstellung betraf (M 1 S7 16.1570). Was den Betrieb des Vorhabens anging, hat die Beigeladene zu 1. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss vom 10. Februar 2016 zunächst weiter hingenommen.

Im Klageverfahren M 1 K 15.2408 hat die Kammer am 20. April 2016 mündlich verhandelt.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tage, hat die Beigeladene zu 1. gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erneut um einstweiligen Rechtsschutz beim Bayerischen Verwaltungsgericht München nachgesucht und beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Februar 2016, Az. 1 SN 15.4734 abzuändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom … Juni 2015, Az. M 1 K 15.2408, gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners nunmehr auch insoweit - und damit restlos - abzulehnen, als er die Inbetriebnahme des Vorhabens betrifft.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, sie habe mit Schreiben vom 29. Juli 2016 gegenüber dem Antragsgegner unwiderruflich erklärt, die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. März 2016 lediglich nach Maßgabe verschiedener Einschränkungen im betrieblichen Ablauf zu nutzen. Dabei sei klargestellt worden, dass diese Erklärung einen teilweisen Verzicht auf den Inhalt der Baugenehmigung darstelle und auf dieser Grundlage veränderte Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO vorlägen. Der Teilverzicht auf Inhalte der baurechtlichen Bescheide führe auf dem Wohngrundstück der Antragstellerin zur Einhaltung des Immissionsrichtwerts „Tag“ für allgemeine Wohngebiete auch in den Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit.

Mit Schriftsätzen vom 10. und 30. August 2016 nahm der Antragsgegner zur Sache Stellung und legte eine Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz des Landratsamt Traunstein vom 23. August 2016 vor. Er unterstützt mit Blick auf die seines Erachtens zulässige Teilverzichtserklärung vom 29. Juli 2016 das Abänderungsbegehren der Beigeladenen zu 1. und hält die vollständige Aufhebung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage für geboten. Unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärmeinwirkungen seien selbst unter der für die Antragstellerin günstigen Annahme, dass ihr Anwesen im allgemeinen Wohngebiet liege, nicht zu erwarten. Eine Rechtsverletzung scheide daher unter jedem denkbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt aus.

Mit Schriftsatz vom … August 2016 beantragte die Antragstellerin,

den Antrag abzulehnen.

Durch die formlose Erklärung gegenüber dem Landratsamt vom 29. Juli 2016 entstehe für die Antragstellerin keine günstigere Situation, insbesondere werde damit der Baugenehmigungsbescheid nicht abgeändert oder inhaltlich verändert. Diese Erklärung sei vielmehr als neuer Bauantrag, möglicherweise auch als Tektur zu werten. Die Beigeladene zu 1. versuche auf diese Weise ein anderes, verändertes Bauvorhaben mit einem zeitlich veränderten Lieferverkehr, Pkw-Verkehr sowie Änderungen bei der Benutzung der Abfallcontainer darzustellen. Die bisherige Lärmbewertung durch den Antragsgegner und die Beigeladene zu 1. seien fehlerhaft und unterschätzten die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmemissionen erheblich. Falsch und bisher nicht nachvollziehbar sei ein Halleninnenpegel von 85 dB(A) angesetzt worden. Es sei keine „worst-case-Betrachtung“ angestellt worden. Es werde bestritten und sei unglaubhaft, dass von vergleichbaren Projekten zahlreiche Messwerte von Halleninnenpegeln vorlägen. Auch sei die Bewertung des Lärms, der dadurch entstehe, dass das Hallengebäude entlang der Süd-, Ost- und Nordseite umfahren werden könne, wie sich bei Betrachtung der Pläne in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 herausgestellt habe, bisher nicht hinreichend in der Lärmprognose berücksichtigt worden. Es bestehe weiterhin die begründete Befürchtung, dass entgegen den Bekundungen der Beigeladenen zu 1. doch eine Zufahrt von Südosten entstehen solle. Zudem mangele es daran, dass die Lärmvorbelastung, die am Grundstück der Antragstellerin bestehe, nicht hinreichend bei der Festlegung der Lärmgrenzwerte berücksichtigt worden sei. Auch handle es sich hinsichtlich der Geräuschquellen an den Wertstoffcontainern nicht um eine „worst-case-Betrachtung“. Insbesondere fehle es am Ansatz von Kühlaggregaten, mit denen zumindest ein Teil der Lkw ausgestattet sei. Zudem sei der Maschinenaufstellplan weiterhin unbestimmt und lasse eine konkrete Ermittlung und Bewertung des Lärms nicht zu; auch die Auflage, Türen, Tore und Lüftungsklappen nicht länger als vier Stunden am Tag offen stehen zu lassen, sei unbestimmt und nicht vollziehbar. Die Zahl der Pkw-Stellplätze sei unzureichend niedrig angesetzt worden, da weit mehr Mitarbeiter beschäftigt würden und zudem Besucher von Brauereiführungen sowie sonstige Gäste dabei nicht berücksichtigt seien. Auch sei der Lärmpegel für die Gastronomie und der dazugehörige Personenkreis nicht zutreffend ermittelt worden. Die Lärmprognose unterschätze den durch das Bauvorhaben entstehenden Lärm auch deshalb, weil im Gutachten lediglich die Einsatzdauer der Gabelstapler im Südosten mit 30 Minuten pro Tag berücksichtigt worden sei. Dies sei unzureichend. Schließlich sei nicht plausibel dargelegt, dass es am Anwesen der Antragstellerin nicht zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen durch das Brauereivorhaben komme. Ein Geruchsgutachten sei zwingend erforderlich.

Mit weiterem Schriftsatz vom … August 2016 wiederholte und vertiefte die Antragstellerin ihr Vorbringen. Des Weiteren legte die Antragstellerin eine schalltechnische Stellungnahme der … AG vom … Mai 2016 sowie eine schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern zu einem anderen Vorhaben vom … Februar 2008 und verschiedene Fotos vor.

Die Beigeladene zu 2. äußerte sich mit Schriftsatz vom 11. August 2016, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie erachtet den Abänderungsantrag für zulässig und begründet.

Mit Schriftsatz vom 2. September 2016 erwiderte die Beigeladene zu 1. auf den Vortrag der Antragstellerin und vertiefte ihren Vortrag im Übrigen, insbesondere unter Vorlage einer weiteren schalltechnischen Stellungnahme der … GmbH vom … August 2016.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren M 1 K 15.2408, M 1 SN 15.4734 und M 1 S7 16.1570 Bezug genommen.

II.

Der nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässige Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 10. Februar 2016, M 1 SN 15.4734, hat Erfolg.

1. Der Antrag der Beigeladenen zu 1. vom 1. August 2016, gerichtet auf Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 10. Februar 2016, M 1 SN 15.4734, ist zulässig.

Ziel des Antrags ist die vollständige Ablehnung des zunächst in Gänze (Beschluss der Kammer vom 10.2.2016, M 1 SN 15.4734) und in der Folge noch teilweise erfolgreichen Antrags (Beschluss der Kammer vom 27.5.2016, M 1 S7 16.1570) der Antragstellerin nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Bindungswirkung von nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlüssen (vgl. B.v. 29.1.2003 - 23 CS 02.3176 - BayVBl 2003, 405; B.v. 14.9.2006 - 25 CS 06.1474 - juris; B.v. 21.2.2007 - 15 CS 07.162 - NVwZ-RR 2007, 821; B.v. 22.1.2013 - 1 CS 12.2709 - BayVBl 2013, 344; B.v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris Rn. 14) erledigen sich diese Beschlüsse nicht durch eine die Identität des Vorhabens wahrende Änderung oder Ergänzung der außer Vollzug gesetzten Genehmigung. Daher ist es folgerichtig, dass sich auch der Eilantrag des Nachbarn nicht schon ipso jure mit dem Erlass eines Tekturbescheids oder - wie hier - einer verbindlichen Erklärung des Bauherrn, eine Baugenehmigung nur teilweise auszunutzen (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2006 - 4 B 80/05 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.8.2008 - 22 CS 08.1326 - juris Rn. 11), erledigt, sodass das Rechtsschutzinteresse für einen Änderungsantrag zu bejahen ist, der auf die Ablehnung des zunächst erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gerichtet ist. Soll also erreicht werden, dass von der (geänderten) Baugenehmigung Gebrauch gemacht werden darf, muss demnach vom Bauherrn ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO mit dem Ziel gestellt werden, dass der zunächst erfolgreiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird (vgl. auch SächsOVG, B.v. 15.7.1999 - 1 S 308/99 - NVwZ-RR 2000, 582; OVG Berlin-Bbg, B.v. 14.3.2006 - OVG 10 S. 7.05 - juris). So liegt der Fall mit Blick auf die verbindliche Erklärung der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 zur Betriebszeitenbegrenzung auch hier.

2. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist auch begründet. Die im Verfahren nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5, Abs. 7 Satz 2 VwGO originär anzustellende Ermessenentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechenden -, ist aufgrund der veränderten Umstände, die sich aus der verbindlichen Erklärung der Beigeladenen zu 1. zur Beschränkung der Betriebszeiten vom 29. Juli 2016 ergeben, neu zu treffen.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 sind infolgedessen nicht mehr gegeben. Zum einen sprechen nun überwiegende Gründe für eine Erfolglosigkeit der Hauptsacheklage. Zum anderen fällt nunmehr auch die erfolgsunabhängige Interessenabwägung zugunsten der Beigeladenen zu 1. aus. Der Nachteil, den die Beigeladene zu 1. erleiden würde, wenn ihr Antrag abgelehnt würde, wiegt schwerer als der Nachteil, der der Antragstellerin im Falle einer Stattgabe entstünde.

Im Rahmen der Interessenabwägung stehen sich das Interesse der Beigeladenen zu 1. an einer umgehenden Aufnahme der Nutzung durch Inbetriebnahme des streitbefangenen Bauvorhabens und das solche der Antragstellerin an der Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen und Störungen, die nach ihrer Auffassung namentlich durch vorhabenbedingte Lärmimmissionen auf ihr Wohngrundstück FlNr. 913/6 ausgelöst werden, gegenüber.

Die nunmehr zur (vorsorglichen) Absicherung des Immissionsrichtwertes für allgemeine Wohngebiete in den werktäglichen Ruhezeiten während der Tagzeit (d. h. zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 und 22.00 Uhr) von 49 dB(A) (vgl. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d i.V.m. Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) mit Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 bezüglich der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. März 2016 (nebst Prozesserklärung vom 20. April 2016, abgegeben im Hauptsacheverfahren M 1 K 15.2408) gegenüber dem Antragsgegner verbindlich erklärten Betriebszeitenbegrenzungen für den Lieferverkehr, den Besucherverkehr mit Omnibussen und die Befüllung und Abholung von Wertstoffcontainern schließen eine mögliche Beeinträchtigung der Antragstellerin durch Schall-immissionen voraussichtlich aus. Ein Überschreiten der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm war bislang jedenfalls insoweit nicht ausreichend belastbar auszuschließen, als durch den Betrieb des streitbefangenen Vorhabens während der Tagzeit die Möglichkeit einer werktäglichen Richtwertüberschreitung nach Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der TA Lärm bestanden hat, unterstellt das Wohnhaus der Antragstellerin auf dem Grundstück FlNr. 913/6 liege bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO; vgl. Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm). Durch die verbindliche Erklärung der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 kann nach Auffassung der Kammer sichergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2006 a.a.O.), dass der Betrieb des streitbefangenen Vorhabens - soweit von ihm zwischen 6.00 und 7.00 Uhr sowie zwischen 22.00 und 22.00 Uhr bislang die Gefahr von werktäglichen Richtwertüberschreitungen für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit ausgehen konnte - von der Beigeladenen zu 1. rechtsverbindlich so durchgeführt wird, dass diese Gefahr voraussichtlich ausgeschlossen werden kann (vgl. Schalltechnische Stellungnahme der … GmbH vom … März 2016 mit ergänzenden Erläuterungen vom … April, ... Juli und … August 2016). Eine Beeinträchtigung der Antragstellerin in Gestalt einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm ist mithin voraussichtlich nicht mehr zu befürchten.

Der Vortrag der Antragstellerin in den Schriftsätzen vom … und … August 2016 vermag - namentlich im Lichte der im Hauptsacheverfahren M 1 K 15.2408 sowie im vorliegenden Verfahren vorgelegten Stellungnahmen der … GmbH sowie der Stellungnahme des Antragsgegners vom 30. August 2016 - im Rahmen der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Überprüfung keine erheblichen Zweifel an der immissionsschutzrechtlichen und -fachlichen Bewertung des streitbefangenen Bauvorhabens durch den Antragsgegner zu begründen. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:

a. Der Ansatz des Halleninnenpegels von 85 dB(A) liegt schallschutztechnisch voraussichtlich auf „der sicheren Seite“. Die von der Antragstellerin in Bezug genommene schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern vom … Februar 2008, die in Anlage zu ihrem Schriftsatz vom … August 2016 vorgelegt wurde, ist zu einem anderen Vorhaben erstellt worden; ihr kann keine grundsätzliche Aussage des Inhalts entnommen werden, dass der vorliegend zugrunde gelegte Halleninnenpegel zu niedrig wäre. Es ist jedenfalls im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, wenn die Beigeladene zu 1. sich zum Halleninnenpegel neben Erkenntnissen aus vergleichbaren Projekten auf die Auswertung „Handwerk und Wohnen“ des TÜV Rheinland sowie auf orientierende Kurzzeitmessungen des Halleninnenpegels in der bestehenden Produktionshalle stützt (vgl. Stellungnahme der … GmbH vom …4. und …8.2016, jeweils Seite 2). Dazu kommt, dass Nummer 7 des Bescheids vom 29. März 2016 in Ergänzung von Nummer II.3 des Bescheids vom 12. Mai 2015 anordnet, dass die mittleren Halleninnenpegel der Produktionshalle und im Bereich „Brauerei“ einen Wert von 85 dB(A) nicht überschreiten dürfen und dies innerhalb von sechs Monaten nach der Nutzungsaufnahme durch Abnahmemessungen zu belegen ist.

b. Auch der Vortrag der Antragstellerin zur - aus ihrer Sicht unzureichenden - Berücksichtigung von Fahrgeräuschen durch andere bzw. zusätzliche Fahrwege von (Liefer-)Verkehr auf dem Betriebsgelände führt voraussichtlich nicht weiter. Ausweislich der schalltechnischen Untersuchung vom … März 2016 ist eine Umfahrung des Betriebsgeländes ausreichend berücksichtigt; dies wird vom Sachgebiet Immissionsschutz des Landratsamts Traunstein in seiner Stellungnahme vom … August 2016 (dort Seite 2) sowie von der … GmbH in ihrer Stellungnahme vom … August 2016 (dort Seite 4 f.) nochmals ausdrücklich bestätigt.

c. Soweit die Antragstellerin sich gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Nichtberücksichtigung von Vorbelastungen durch Sportanlagen wendet, vermag sie damit bereits von Rechts wegen nicht durchzudringen. Nach Nr. 2.4 der TA Lärm ist Vorbelastung die Belastung eines Orts mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die die TA Lärm gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage. Nach Nr. 1 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a unterfallen Sportanlagen, die nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) zu beurteilen sind, indes nicht dem Anwendungsbereich der TA Lärm. Mit Blick auf Nr. 1 Satz 1 Hs. 1 der TA Lärm gilt gleiches auch für Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen, soweit nicht Nr. 7.4 der TA Lärm eingreift. Danach stellen Sportanlagen- und Verkehrslärm grundsätzlich keine Vorbelastung im Sinne der TA Lärm dar. Dies ist dem segmentierenden Regelungssystem des Lärmschutzes in der deutschen Rechtsordnung geschuldet, wonach Anlagenlärm nur nach der TA Lärm bestimmt und beurteilt wird, während für Lärm aus sonstigen spezifischen Quellen ausschließlich das jeweilige spezielle Regelwerk Anwendung findet (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV, 18. BImSchV usw.) und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte für eine die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle des Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) überschreitende, die Gesundheit gefährdende Lärmbelastung, einschließlich der Vorbelastung und des zu erwartenden anlagenbezogenen Lärms, durch einen Dauerschallpegel von 70 dB(A)/tags oder 60 dB(A)/nachts als Folge des Vorhabens bestehen nicht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. vom 13.5.2009 - 9 A 72/07 - NVwZ 2009, 1498).

Nachdem die Geräuschemissionen den allein betrachtungsrelevanten Immissionsrichtwert nach Nr. 6.1. Buchst. d der TA Lärm für den Tag um mehr als 6 dB(A) unterschreiten, bedurfte es entgegen der Auffassung der Antragstellerin einer Bestimmung der Vorbelastung gemäß Nr. 3.2.1 Unterabs. 2 und 6 Satz 2 i.V.m. Nr. 4.2 Buchst. c der TA Lärm nicht.

d. Voraussichtlich zutreffend ist auch die Bewertung der Einzelereignisse im Rahmen des Verkehrs mit Lkw auf dem Betriebsgrundstück. Die Geräusche, die von Motorstarts, Türenschlagen, Betriebsbremsen u.ä. der Lkws hervorgerufen werden, sind bei der Berechnung der Beurteilungspegel nach Aktenlage wohl ausreichend berücksichtigt worden (vgl. schalltechnische Beurteilung der … GmbH vom …03.2016, Seite 23 ff. und Seite 37, sowie Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz des Landratsamts Traunstein vom … August 2016, Seite 2, namentlich unter Verweis auf den „Technischen Bericht zur Untersuchung der Geräuschimmissionen durch Lastkraftwagen auf Betriebsgelände von Frachtzentren, Auslieferungslagern, Speditionen und Verbrauchermärkten sowie weiterer typischer Geräusche insbesondere von Verbrauchermärkten“ des Hessischen Landesamts für Umwelt und Geologie - HLUG, 2005). Dabei berücksichtigt die Berechnung vom … März 2016 insbesondere auch kurzzeitige Geräuschspitzen sowohl bei den Fahrwegen als auch beim Rangieren (vgl. Seite 25 f.), indem sie entsprechend dem Bericht des HLUG 2005 (dort Seite 16) hierfür den höchsten für Einzelereignisse vorgesehenen Schallleistungspegel von 108 dB(A) für Betriebsbremsen in Ansatz bringt. Hierauf bezieht sich wohl auch die Aussage der … GmbH in der schalltechnischen Beurteilung vom … März 2016 (dort Seite 37), wonach „die Lkw-Geräusche Motorstarten, Türenschlagen, Betriebsbremse usw. (…) bereits in den Emissionsansätzen für die Lkw-Fahrwege und insbesondere für das Rangieren mit abgedeckt“ seien. Zudem weisen Antragsgegner und Beigeladene zu 1. übereinstimmend zutreffend darauf hin, dass nach der Betriebsbeschreibung in der Fassung ihrer Fortschreibung vom 10. März 2016 ein Betrieb von Lkw mit Kühlaggregaten weder vorgesehen ist noch für den vorgesehenen Betrieb üblich wäre.

e. Auch die Anordnung von Maschinen in der Werkhalle sowie die Regelung über die Öffnung von Türen, Toren und Lüftungsklappen in den Lichtbändern ist voraussichtlich rechtmäßig. Der Bescheid vom 29. März 2016 regelt unter Nummer 5 in Ergänzung von Nummer II.3.d des Ausgangsbescheids zum einen, dass Türen, Tore und Lüftungsklappen in den Lichtbändern pro Tag nicht länger als vier Stunden offen stehen dürfen und zum anderen, dass die Einhaltung dieser Vorgabe durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen ist. Diese Nebenbestimmung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin voraussichtlich ausreichend bestimmt und zudem auch vollziehbar. Die Einsatzorte der mobilen Maschinen sind zum anderen bereits nach der Natur der Sache ihres Einsatzzwecks nicht vorab bestimmbar. Es ist im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Überprüfung nichts dafür ersichtlich, dass die hierzu von der … GmbH in der Begutachtung vom … März 2016 gewählte Vorgehensweise zur Bestimmung der Geräuschimmissionen in der Produktionshalle (dort Seite 17 ff. i.V.m. Seite 14 ff. der Betriebsbeschreibung vom … März 2016) fehlerhaft wäre. Wie bereits vorstehend ausgeführt regelt Nummer 7 des Bescheids vom 29. März 2016 in Ergänzung der Nummer II.3 des Bescheids vom 12. Mai 2015 zudem, dass die mittleren Hallen-innenpegel der Produktionshalle und im Bereich „Brauerei“ einen Wert von 85 dB(A) nicht überschreiten dürfen und dies innerhalb von sechs Monaten nach der Nutzungsaufnahme durch Abnahmemessungen zu belegen sei.

f. Auch hinsichtlich der von der … GmbH in Ansatz gebrachten Anzahl der Pkw-Bewegungen sowie bezüglich der sonstigen Fahrbewegungen durch Omnibusse und Lkw ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nichts zu erinnern. Nachvollziehbar wird in der Stellungnahme vom 30. August 2016 darauf hingewiesen, dass die Zahl von 700 Pkw-Bewegungen ausreichend konservativ gewählt ist, um den Fahrverkehr, der von 120 Mitarbeitern und Besuchern der Schaubrauerei mit Bewirtungsraum und Getränkeladen voraussichtlich ausgelöst wird, zu erfassen. Dies entspricht auch der schalltechnischen Beurteilung vom … März 2016, die auf den Seiten 28 ff. entsprechende Berechnungen enthält und sich dabei auf die „Parkplatzlärmstudie“ des Landesamts für Umwelt in der aktuellen Fassung ihrer 6. Auflage vom August 2007 bezieht. Gegen die Stellplatzberechnung (vgl. Blatt 280 der Behördenakten) hat die Antragstellerin auch keine substantiierten Einwendungen erhoben, sondern vielmehr der Betriebsbeschreibung lediglich ihre eigenen Annahmen entgegengesetzt. Gleiches gilt hinsichtlich der Geräuschimmissionen, die von dem gastronomischen Betrieb ausgehen. Die schalltechnische Begutachtung vom … März 2016 erfasst diese auf der Grundlage der Betriebsbeschreibung vom … März 2016, ohne dass hiergegen voraussichtlich etwas zu erinnern ist (vgl. Seite 31 f.).

g. Schließlich ist auch gegen die schalltechnische Beurteilung sowohl hinsichtlich des Betriebs der Gabelstapler als auch der Container voraussichtlich nichts zu erinnern. Sie berücksichtigt sowohl die relevanten Geräuschquellen an den Containern als auch den Betrieb des Gabelstaplers im Freien in der Weise, wie es die Betriebsbeschreibung vom … März 2016 vorsieht (vgl. Seite 32 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom …3.2016 i.V.m. Seite 8 der Betriebsbeschreibung vom …3.2016 hinsichtlich der Container, Seite 27 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom …3.2016 i.V.m. Seite 17 zum Betrieb von Gabelstaplern im Freien). Nachvollziehbar weist der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 30. August 2016 (dort Seite 2) darauf hin, dass die Annahme eines 30-minütigen Gabelstaplereinsatzes an der Südostfassade im Lichte der Betriebsbeschreibung nicht zu knapp bemessen sei und es sich auch insoweit um eine „worst-case-Betrachtung“ handele.

h. Endlich ist voraussichtlich auch nicht davon auszugehen, dass das Anwesen der Antragstellerin schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche ausgesetzt wird. Insoweit wird auf die nachvollziehbaren Ausführungen in der Stellungnahme des Antragsgegners vom 30. August 2016 (dort Seite 3 unter Nummer VI) Bezug genommen. Der Vortrag der Antragstellerin erschöpft sich insoweit in Vermutungen.

Ist sonach voraussichtlich durch die Betriebszeitenbeschränkung ausreichend sichergestellt, dass es während eines (vorläufigen) Betriebs bis zur Entscheidung in der Hauptsache - diese ist am 11. Oktober 2016 zur weiteren mündlichen Verhandlung terminiert - nicht zu unzumutbaren Lärm- und Geruchseinwirkungen auf das Wohngrundstück der Antragstellerin kommt, sind mit der Stattgabe des Antrags schwerwiegende Nachteile für sie nicht verbunden. Dagegen würde ein Weiterbestehen der aufschiebenden Wirkung der Klage die Beigeladene zu 1. in ihrem Grundrecht nach Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betreffen, ohne dass hierfür zumindest nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse ein ausreichender Grund gegeben wäre.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskos-tengesetz (GKG) und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394 zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 4 Allgemeine Wohngebiete


(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,3. Anlagen für kirchliche, kulture

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 07. Sept. 2016 - M 1 S7 16.3394 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 15 CS 14.1710

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Beschwerde

Verwaltungsgericht München Urteil, 14. März 2017 - M 1 K 15.2408

bei uns veröffentlicht am 14.03.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vor

Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Feb. 2016 - M 1 SN 15.4734

bei uns veröffentlicht am 10.02.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 (M 1 K 15.2408) gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 wird angeordnet. II. Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 2) t

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 05. Nov. 2010 - 9 A 72/07

bei uns veröffentlicht am 05.11.2010

Tenor Der Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt 9

Referenzen

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 (M 1 K 15.2408) gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 wird angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 2) tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 6.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei.

Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 913/6 Gemarkung … (… Straße ...), das südlich an die Kreisstraße grenzt. Die Bebauung entlang der Kreisstraße, zu der das Grundstück der Antragstellerin gehört, ragt spornartig in den Außenbereich hinein. Nordwestlich vom Anwesen der Antragstellerin und jenseits der Kreisstraße befinden sich die Grundstücke u.a. FlNr. 621, 627 und 628, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ liegen. Westlich hiervon schließen sich die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Gewerbegebiet … II“ und „Gewerbegebiet …“ an. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet … III“ wurde am 20. Januar 2014 als Satzung beschlossen und am 17. April 2014 ortsüblich bekanntgemacht. Unter dem 10. November 2014 beschloss die Beigeladene zu 2) die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens gemäß § 214 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) zur Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ unter gleichzeitiger Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegeiet … II“. Der Bebauungsplan wurde in seiner geänderten Form am 19. Januar 2015 als Satzung beschlossen. Er setzt die Gewerbegebiete „GE 1“, „GE 2.1“ und „GE 2.2“ fest und vergibt für diese unterschiedliche Emissionskontingente. Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist diesbezüglich ein Normenkontrollverfahren anhängig (1 N 15.840).

Unter dem … April 2015 beantragte die Beigeladene zu 1) auf den Grundstücken FlNr. 621, 627 und 628 eine Baugenehmigung für den „Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei und deren zugehörige Logistikhalle, Büros, Bewirtungsraum und einem Getränkeladen (…)“. Nach den eingereichten Plänen ist die Errichtung einer etwa 40 m x 75 m großen Halle mit Stellplätzen geplant. Die Halle ist in drei Abschnitte gegliedert: Im südöstlichen, der Antragstellerin zugewandten Teil befindet sich der Fertigungsbereich der Firma B* … GmbH, in dem mittels Metallbearbeitungsmaschinen Brauereianlagen hergestellt werden sollen. Im nordwestlichen und im mittleren Teil soll durch die Firma C* … … GmbH eine kleine Brauerei mit Flaschenabfüllanlage und Bewirtungsraum sowie ein kleiner Getränkeladen betrieben werden, an der Nordost-Fassade sind im Wesentlichen Kühlräume und Büros angeordnet. Dem Antrag liegen u.a. eine Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie eine Lärmprognose des Büros S … (S...) vom 22. April 2015 zu Grunde.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 erteilte das Landratsamt Traunstein die beantragte Baugenehmigung. Bauplanungsrechtliche Grundlage für die Genehmigung sei § 33 Abs. 1 BauGB i.V.m. der planreifen Bebauungsplanänderung „Gewerbegebiet … III“ mit Planstand vom 19. Januar 2015. Als immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen wurden u.a. bezüglich des der Antragstellerin benachbarten Immissionsortes … Straße … ein Immissionskontingent von tags 49,9 dB(A) und bezüglich des Immissionsortes … Straße … ein Immissionskontingent von tags 48,6 dB(A) festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen.

Gegen den Bescheid vom 12. Mai 2015 hat die Antragstellerin am … Juni 2015 Klage (M 1 K 15.2408) erheben lassen und am … Oktober 2015 beantragt,

  • 1.die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,

  • 2.dem Antragsgegner aufzugeben, die von der Beigeladenen zu 1) begonnenen Arbeiten mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen.

Mit Schriftsatz vom selben Tag stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin klar, dass ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt worden sei.

Die Antragstellerin sei unzumutbaren Lärm- und Geruchsimmissionen ausgesetzt. Ihr Grundstück sei fehlerhaft als Mischgebiet statt als reines Wohngebiet eingestuft worden. Die Immissionsrichtwerte könnten aufgrund fehlerhafter Lärmbewertungen wahrscheinlich schon für ein Mischgebiet nicht eingehalten werden, bei der Einstufung als allgemeines bzw. reines Wohngebiet seien diese deutlich überschritten. Das Wohnhaus der Antragstellerin (… Straße ...) sei bei den immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen des Bescheids nicht aufgelistet. Die dem Bescheid zu Grunde liegende Immissionsprognose vom 22. April 2015 sei fehlerhaft, weil sie die vom Baugrundstück ausgehenden Emissionen deutlich unterschätze, Geräuschquellen unberücksichtigt lasse und eine deutlich kürzere als die im Bescheid genehmigte Betriebszeit bewerte, die Lärmvorbelastung durch benachbarte Baugebiete unzureichend berücksichtige und abweichend zur Betriebsbeschreibung eine deutlich geringere Anzahl an Lkw-Fahrbewegungen betrachte sowie die durch das Bauvorhaben ausgelöste erhebliche Erhöhung der Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen unterschlage. Es wird eine immissionsschutzrechtliche Stellungnahme des Büros M … (M...) vom 23. September 2015 vorgelegt, die sich mit der Immissionsprognose von S** vom 22. April 2015 kritisch auseinandersetzt.

Zusätzlich seien die Lärmschutzauflagen im angegriffenen Bescheid zu unbestimmt und nicht vollziehbar.

Die Antragstellerin werde außerdem durch unzumutbare Geruchsbelästigungen beeinträchtigt. Die durch das Brauereivorhaben typischerweise ausgelösten Geruchsimmissionen seien nicht geprüft worden. Das Wohnhaus der Antragstellerin befinde sich in der Hauptwindrichtung zum Bauvorhaben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er legt eine weitere Stellungnahme von S vom 12. November 2015 vor, die sich wiederum mit der Stellungnahme des Büros M vom 23. September 2015 auseinandersetzt.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich der Stellungnahme des Antragsgegners an und stellt keinen eigenen Antrag.

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.

1. Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahin auszulegen, dass die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begehrt. Dies ergibt sich aus dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom … Oktober 2015, in dem er eindeutig erklärt, dass der Antrag auf § 80 Abs. 5, § 80a VwGO, nicht auf § 123 VwGO gestützt werden soll.

2. Der Antrag ist zulässig und begründet, da das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Beigeladenen zu 1) überwiegt.

Nach § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag im Wege einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Interesse der Beigeladenen zu 1), von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch nur mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, ist eine weitere Interessensabwägung vorzunehmen.

Die Antragstellerin hat als Nachbarin des streitgegenständlichen Vorhabens nicht schon bei objektiver Rechtswidrigkeit des Bescheids einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung i.R.d. Hauptsacheverfahrens. Sie muss vielmehr durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, sie also drittschützende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2013 - 14 ZB 13.1193 - juris Rn. 11).

Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt auch dann vor, wenn die Baugenehmigung nicht hinreichend bestimmt ist und die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Nach Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss eine Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 18).

Nach summarischer Prüfung dürfte der angegriffene Bescheid aufgrund mangelnder Bestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig sein, so dass kein Interesse an seiner sofortiger Vollziehung besteht. Da in Ermangelung einer ausreichenden Beschreibung des Betriebsumfangs und -ablaufs nicht beurteilt werden kann, ob die von dem genehmigten Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche die zum Nachbarschutz festgesetzten Immissionskontingente von tagsüber 48,6 dB(A) und 49,9 dB(A) einhalten können, erweist sich das Vorhaben der Antragstellerin gegenüber als rücksichtslos mit der Folge, dass sie durch die rechtswidrige Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2015 - 1 CS 15.1876 - juris Rn. 3).

Der Baugenehmigung liegen u.a. die Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie die Lärmprognose von S vom 22. April 2015 zu Grunde. Hiernach umfasst das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1) u.a. eine „Metallfertigung zur Herstellung der Brauereien“. Es ergeben sich jedoch weder aus der Betriebsbeschreibung noch aus der Lärmprognose die Art und der Umfang der Arbeiten, die dort durchgeführt werden sollen. In der Betriebsbeschreibung ist lediglich von „20 Metallbearbeitungsmaschinen“ die Rede, ohne dass deutlich wird, um welche Maschinen es sich handelt. Auch aus der Lärmprognose ergibt sich keine genauere Beschreibung. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Geräuschquellen innerhalb des Gebäudes im Fertigungsbereich Metallbearbeitungsmaschinen seien. Die Angaben des Büros B … Ltd. & Co. KG zum Betriebsablauf vom 7. Januar 2015, 22. Januar 2015, 16. Februar 2015 und 16. April 2015, die der Lärmprognose zu Grunde liegen, finden sich weder in der Akte noch sind sie Bestandteil des Bescheids, so dass sich auch hieraus nichts Konkreteres ergibt. Hinzu kommt, dass auch die von der Beigeladenen zu 1) eingereichten Pläne weder Größe noch Art oder Aufstellungsort der Maschinen zur Metallfertigung erkennen lassen.

Auf dieser nicht näher definierten Grundlage wird in der Lärmprognose für „die Produktionshalle“ ein Halleninnenpegel von 85 dB(A) angesetzt, ohne dass erkennbar wäre, welche Betriebsteile der Gutachter in seine Betrachtung einbezogen hat. Dieser Ansatz ist im Hinblick auf einen derart unbestimmten Nutzungsumfang nicht nachvollziehbar. Es bleibt im Ungewissen, welche ggf. sehr lärmintensiven Arbeiten in welchem Umfang anfallen. Ohne konkretere Beschreibung, welche Arbeiten an welchen Metallbearbeitungsmaschinen durchgeführt werden sollen, erschließt sich nicht, wie es zu dem Halleninnenpegel von 85 dB(A) kommt und ob dieser realistischer Weise angesetzt ist.

Darüber hinaus verpflichtet der Bescheid die Beigeladene zu 1) in Nr. 3.b) der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen zur Einhaltung von Immissionskontingenten bzw. reduzierten Immissionsrichtwerten, die durch den Betrieb „der Produktionshalle“ verursacht werden. Es ist unklar, ob hiermit der Gesamtbetrieb des Vorhabens der Beigeladenen zu 1) gemeint sein soll und damit für einen ausreichenden Lärmschutz der Antragstellerin gesorgt ist.

Die auf dieser unbestimmten Grundlage erteilte Genehmigung genügt damit nicht den Anforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Es ist für die Antragstellerin nicht ersichtlich, mit welchen Lärmimmissionen sie zu rechnen hat. Da im Rahmen der Anfechtungsklage der entscheidungserhebliche Zeitpunkt derjenige der letzten Behördenentscheidung ist, also der 12. Mai 2015, und die gravierenden Bestimmtheitsmängel nicht durch eine erläuternde Klarstellung der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung behoben werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2015 - 1 CS 15.1876 - juris Rn. 4), kann nicht von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen werden, sondern der angegriffene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 913/6 Gemarkung …, das von Süden an die Kreisstraße ... grenzt. Die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindliche Bebauung entlang der Kreisstraße, zu der das Grundstück der Klägerin gehört, ragt spornartig in den Außenbereich hinein. Nordwestlich des Anwesens der Klägerin und jenseits der Kreisstraße befinden sich u.a. die Vorhabensgrundstücke FlNr. 621, 627 und 628, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ der Beigeladenen zu 2. liegen. Westlich hiervon schließen sich die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Gewerbegebiet … II“ und „Gewerbegebiet …“ an. Bezüglich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anhängig (1 N 15.840), über das noch nicht entschieden ist.

Unter dem 20. April 2015 beantragte die Beigeladene zu 1. eine Baugenehmigung für den „Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei und deren zugehörige Logistikhalle, Büros, Bewirtungsraum und einem Getränkeladen (…)“ auf den Grundstücken FlNrn. 621, 627 und 628. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist die Errichtung einer etwa 40 m x 75 m großen Halle (Firsthöhe 11,40 m) mit Stellplätzen geplant. Die Halle ist in drei Abschnitte gegliedert. Im südöstlichen, der Klägerin zugewandten Teil befindet sich der Fertigungsbereich der Firma B... GmbH, in dem mittels Metallbearbeitungsmaschinen Brauereianlagen hergestellt werden sollen. Im nordwestlichen und im mittleren Teil soll durch die Firma C... GmbH eine kleine Brauerei mit Flaschenabfüllanlage und Bewirtungsraum sowie ein Getränkeladen betrieben werden; an der Nordost-Seite sind im Wesentlichen Kühlräume und Büros angeordnet. Dem Bauantrag lagen u.a. eine Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie eine Lärmprognose der S... GmbH vom 22. April 2015 zu Grunde. Das Wohnhaus der Klägerin auf dem Grundstück FlNr. 913/6 ist von dem Bauvorhaben ca. 135 m Luftlinie entfernt.

Gegen die der Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 12. Mai 2015 erteilte Baugenehmigung erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am … Juni 2015 Klage zum Verwaltungsgericht München, zunächst mit dem Antrag, die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 aufzuheben. Die Klägerin werde durch die Baugenehmigung in ihren nachbarlichen Rechten verletzt, insbesondere unzumutbaren Geräusch- und Geruchsbelästigungen ausgesetzt.

In der Klagebegründung wird unter Berufung auf gutachterliche Stellungnahmen des von der Klägerin beauftragten Sachverständigenbüros M... AG vom 22. April 2015 und vom 23. September 2015 u.a. ausgeführt, dass die der Baugenehmigung zu Grunde liegende immissionsfachliche Beurteilung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei. Schon die Annahme des Lärmschutzniveaus eines Mischgebiets sei unzutreffend. Das Anwesen der Klägerin liege im unbeplanten Innenbereich in einem reinen Wohngebiet und könne deshalb die Einhaltung besserer Immissionsschutzwerte als die eines Mischgebiets beanspruchen. Die Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand bis zu 500 m vom Betriebsgrundstück würden nicht berücksichtigt. Wesentliche Lärmquellen seien nicht im zutreffenden Umfang erfasst worden, nämlich die betriebsbedingten Fahrbewegungen von PKWs und LKWs, der Gabelstaplerbetrieb, Lärm beim Abholen und beim Austausch der Wertstoffbehälter usw. Es sei auch ein zu niedriger Impulshaltigkeitszuschlag bei den Verkehrsgeräuschen angenommen worden. Bei der Erarbeitung der Geräuschkontingente für den Bebauungsplan „Gewerbegebiet … III“ seien wesentliche Fehler gemacht worden, insbesondere die Vorbelastungen durch das benachbarte „Gewerbegebiet … II“ und durch die südlich gelegenen Sport- und Schulnutzungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Baugenehmigung sei im Hinblick auf die Auflagen zum Immissionsschutz nicht hinreichend bestimmt.

Zur weiteren Begründung der Klage nimmt der Klägerinbevollmächtigte Bezug auf seine Ausführungen zu dem Antrag der Beigeladenen zu 1. nach § 80 Abs. 7 VwGO (M 1 S7 16.3394 und 1 CS 16.2051).

Die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Schutzniveau sei zutreffend bestimmt worden. Der fragliche Bereich, in dem das Anwesen der Klägerin liege, sei in Übereinstimmung mit der Obersten Baubehörde als im Außenbereich liegend eingestuft worden. Selbst wenn man aber von einer Innenbereichslage ausgehe, komme wegen der unmittelbaren Lage des fraglichen Bereichs an den beiden Kreisstraßen ... und ..., wegen seiner Randlage zu intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen und auch wegen der in der Nachbarschaft befindlichen, seit längerer Zeit bestehenden Gewerbegebiete „… II“ und „…“ keinesfalls das Schutzniveau eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebiets in Betracht. Die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Lärmschutzprognosen hätten sehr wohl sämtliche Lärmquellen berücksichtigt, die von der Klägerin gerügten Fehler in den Prognosen lägen nicht vor.

Auf Antrag des Bevollmächtigten der Klägerin vom … Oktober 2015 hin hat das Gericht mit Beschluss vom 10. Februar 2016 im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 angeordnet (M 1 SN 15.4734), weil der Baugenehmigungsbescheid vom 12. Mai 2015 in Ermangelung einer ausreichenden Beschreibung des Betriebsumfangs und -ablaufs voraussichtlich zu unbestimmt sei und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt werde.

Der Beklagte modifizierte mit Bescheid vom 29. März 2016 „zur Konkretisierung und Ergänzung des Baugenehmigungsbescheids“ den Bescheid vom 12. Mai 2015 in seinen immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen (Ergänzungsbescheid). Dem lagen die Fortschreibungen der Betriebsbeschreibung, des Freiflächenplans 2 und des Aufstellungsplans für Maschinen, jeweils vom 10. März 2016, sowie eine aktualisierte schalltechnische Untersuchung der S... GmbH vom 16. März 2016 zu Grunde.

Der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch den Ergänzungsbescheid seien die gerügten Bestimmtheitsmängel der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 geheilt worden. Auch die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen seien eingehalten, wie sich aus der dem Ergänzungsbescheid zu Grunde liegenden aktualisierten schalltechnischen Stellungnahme des Ingenieurbüros S... GmbH vom 16. März 2016 ergebe. Weiter werde im Hinblick auf die Belastung durch den Zu- und Abgangsverkehr klargestellt, dass dieser von Norden her abgewickelt werde, nämlich über den vom Anwesen der Klägerin weiter entfernten nördlichen Abschnitt der Straße „…“ im Bereich von FlNr. 627, und nicht aus südlicher Richtung. Dies entspreche der am 19. Januar 2015 beschlossenen und am 8. April 2016 in Kraft getretenen Satzung der Gemeinde über das ergänzende Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB zur Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ unter gleichzeitiger 3. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … II“.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2016 machte der Beklagte weitere Ausführungen zu der durch den Ergänzungsbescheid geänderten tatsächlichen und rechtlichen Lage und nahm auch zu den vom Vorhaben ausgehenden Geruchsimmissionen Stellung. Auch insoweit seien unzumutbare Belastungen für die Klägerin ausgeschlossen.

Am 20. April 2016 fand die erste mündliche Verhandlung statt; auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Im Nachgang zur ersten mündlichen Verhandlung legte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. zusätzliche Erläuterungen der S... GmbH vom 22. April 2016 zu ihrer schalltechnischen Untersuchung vom 16. März 2016 vor. Darin wird zur angenommenen Prognose eines Halleninnenpegels von 85 dB(A) Stellung genommen. Außerdem wird ausgeführt, dass selbst bei einer Einstufung des Anwesens der Klägerin als in einem allgemeinen Wohngebiet liegend die Immissionswerte der TA Lärm nicht nur eingehalten, sondern sogar um 6 dB(A) unterschritten würden.

Auf den Antrag des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vom 4. April 2016 änderte die Kammer mit Beschluss vom 27. Mai 2016 auf das Anerkenntnis der Klägerin hin den Beschluss vom 10. Februar 2016 und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 nunmehr insoweit ab, als er die Errichtung des Vorhabens und die Baufertigstellung betraf (M 1 S7 16.1570). Was den Betrieb des Vorhabens anging, nahm die Beigeladene zu 1. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Beschluss vom 10. Februar 2016 zunächst weiter hin.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016 suchte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erneut um einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht nach und beantragte, unter Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 10. Februar 2016 den Antrag der Klägerin nunmehr auch insoweit - und damit restlos - abzulehnen, als er die Inbetriebnahme des Vorhabens betrifft.

Zur Begründung seines Eilantrags führte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. im Wesentlichen aus, diese habe mit Schreiben vom 29. Juli 2016 gegenüber dem Beklagten unwiderruflich erklärt, die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 lediglich nach Maßgabe verschiedener Einschränkungen im betrieblichen Ablauf zu nutzen; dabei sei klargestellt worden, dass diese Erklärung einen teilweisen Verzicht auf den Inhalt der Baugenehmigung darstelle (Verzichtserklärung vom 29.7.2016). Der Teilverzicht auf Inhalte der baurechtlichen Bescheide führe auf dem Wohngrundstück der Klägerin zur Einhaltung des Immissionsrichtwerts „Tag“ für allgemeine Wohngebiete auch in den Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit.

Die Klägerin wandte sich gegen den Eilantrag der Beigeladenen zu 1. Durch die formlose Erklärung gegenüber dem Beklagten vom 29. Juli 2016 entstehe für sie keine günstigere Situation, insbesondere werde damit der Baugenehmigungsbescheid nicht abgeändert oder inhaltlich verändert. Diese Erklärung sei vielmehr als neuer Bauantrag, möglicherweise auch als Tektur zu werten. Die Beigeladene zu 1. versuche auf diese Weise, ein anderes, verändertes Bauvorhaben mit einem zeitlich veränderten Lieferverkehr, PKW-Verkehr sowie Änderungen bei der Benutzung der Abfallcontainer darzustellen. Die bisherige Lärmbewertung durch den Beklagten und die Beigeladene zu 1. sei fehlerhaft und unterschätze die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmemissionen erheblich. Falsch und bisher nicht nachvollziehbar sei ein Halleninnenpegel von 85 dB(A) angesetzt worden. Es sei keine „worst-case-Betrachtung“ angestellt worden. Es werde bestritten und sei unglaubhaft, dass von vergleichbaren Projekten zahlreiche Messwerte von Halleninnenpegeln vorlägen. Auch sei die Bewertung des Lärms, der dadurch entstehe, dass das Hallengebäude entlang der Süd-, Ost- und Nordseite umfahren werden könne, wie sich bei Betrachtung der Pläne in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 herausgestellt habe, bisher nicht hinreichend in der Lärmprognose berücksichtigt worden. Es bestehe weiterhin die begründete Befürchtung, dass entgegen den Bekundungen der Beigeladenen zu 1. doch eine Zufahrt von Südosten entstehen solle. Zudem mangele es daran, dass die Lärmvorbelastung, die am Grundstück der Klägerin bestehe, nicht hinreichend bei der Festlegung der Lärmgrenzwerte berücksichtigt worden sei. Auch handle es sich hinsichtlich der Geräuschquellen an den Wertstoffcontainern nicht um eine „worst-case-Betrachtung“. Insbesondere fehle es am Ansatz von Kühlaggregaten, mit denen zumindest ein Teil der LKW ausgestattet sei. Zudem sei der Maschinenaufstellplan weiterhin unbestimmt und lasse eine konkrete Ermittlung und Bewertung des Lärms nicht zu; auch die Auflage, Türen, Tore und Lüftungsklappen nicht länger als vier Stunden am Tag offen stehen zu lassen, sei unbestimmt und nicht vollziehbar. Die Zahl der PKW-Stellplätze sei zu niedrig angesetzt worden, da weit mehr Mitarbeiter beschäftigt würden und zudem Besucher von Brauereiführungen sowie sonstige Gäste dabei nicht berücksichtigt seien. Auch sei der Lärmpegel für die Gastronomie und der dazugehörige Personenkreis nicht zutreffend ermittelt worden. Die Lärmprognose unterschätze den durch das Bauvorhaben entstehenden Lärm auch deshalb, weil im Gutachten lediglich die Einsatzdauer der Gabelstapler im Südosten mit 30 Minuten pro Tag berücksichtigt worden sei. Dies sei unzureichend. Schließlich sei nicht plausibel dargelegt, dass es am Anwesen der Klägerin nicht zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen durch das Brauereivorhaben komme. Ein Geruchsgutachten sei zwingend erforderlich.

Mit weiterem Schriftsatz vom … August 2016 wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen im Eilverfahren. Sie legte eine schalltechnische Stellungnahme der M... AG vom 12. Mai 2016 sowie eine schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern zu einem anderen Vorhaben vom 21. Februar 2008 und verschiedene Fotos vor.

Die Beigeladene zu 1. legte im Eilverfahren eine weitere schalltechnische Stellungnahme der S... GmbH vom 30. August 2016 vor.

Mit Beschluss vom 7. September 2016 gab das Gericht dem zweiten Abänderungsantrag der Beigeladenen zu 1. statt (M 1 S7 16.3394). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen von der Klägerin erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 19. Januar 2017 zurück (1 CS 16.2051).

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016 im vorliegenden Klageverfahren trug der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. unter anderem vor, dass der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 von der Klägerin nicht angefochten und nicht in das Klageverfahren einbezogen worden sei, obwohl der Bevollmächtigte der Klägerin in der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 von der Vorsitzenden ausdrücklich auf diesen Punkt hin angesprochen worden und ihm zu einer entsprechenden Erklärung eine Schriftsatzfrist eingeräumt worden sei; diese Frist sei ungenutzt verstrichen. Die Klage sei schon deswegen abzuweisen.

Der Beklagte monierte ebenfalls die fehlende Einbeziehung des Ergänzungsbescheides und machte weitere Ausführungen zu Details des Betriebsablaufs des Vorhabens und der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung.

Mit Schriftsatz vom 6. März 2017 legte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. den Messbericht der Firma S... GmbH zu der zwischen dem 30. Januar 2017 und dem 6. Februar 2017 stattgefundenen und von den Nebenbestimmungen der Baugenehmigungen geforderten messtechnischen Bestimmung des Halleninnenpegels vom 20. Februar 2017 vor.

Die zweite mündliche Verhandlung fand am 14. März 2017 statt, in der insbesondere auch der Ablauf der Halleninnenpegelmessung besprochen wurde; auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Zuletzt stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den Klageantrag

aus dem Schriftsatz vom 10. Juni 2015 - Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids vom 12. Mai 2015 - mit der Maßgabe, dass Gegenstand der Anfechtungsklage auch der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 ist, und in Gestalt der Verzichtserklärung vom 29. Juli 2016. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch auf die der Eilverfahren M 1 SN 15.4734, M 1 S7 16.1570 und M 1 S7 16.3394, verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Klage ist unzulässig (Nr. 1). Im Übrigen wäre sie auch unbegründet (Nr. 2).

1. Die Klage ist unzulässig.

Die Klägerin hat den Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 nicht fristgerecht angefochten (a), weswegen die aus dem Ausgangsbescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016 bestehende Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben Bestandskraft erlangt hat und einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle nicht mehr zugänglich ist (b).

a) Ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Bevollmächtigten der Klägerin wurde diesem am 7. April 2016 der an die Beigeladene zu 1. gerichtete Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 zugestellt (siehe Bl. 1267 der Bauakten). Es ist unschädlich, dass in dem vom Landratsamt an den Bevollmächtigten verschickten Formular des ausgefüllt zurückzusendenden Empfangsbekenntnisses als Datum des zuzustellenden Bescheids versehentlich der 12. Mai 2015, also das Datum der Ursprungsgenehmigung, und nicht das Datum des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 genannt ist. Denn dem Empfangsbekenntnis-Formular lag unbestritten der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 bei (vgl. Bl. 1221 ff. der Bauakte). Im Übrigen wurde die vom Bevollmächtigten der Klägerin rechtzeitig mit Anfechtungsklage angefochtene Ursprungsgenehmigung vom 12. Mai 2015 nicht individuell, sondern über den Weg der öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 und Satz 6 BayBO zugestellt (siehe Bl. 338 und Bl. 356 der Bauakte). Auch daraus ergibt sich, dass der Bevollmächtigte der Klägerin am 7. April 2016 den Empfang des späteren Ergänzungsbescheids und nicht der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 bestätigte. Der Bevollmächtigte der Klägerin kann auch nicht einwenden, der Ergänzungsbescheid sei ihm nicht im Rahmen seines Mandatsverhältnisses zur Klägerin, sondern nur im Verhältnis zu einem weiteren Mandanten, für den er ebenfalls gegen das Bauvorhaben Nachbarklage erhoben hat (siehe Parallelverfahren M 1 K 16. 2131), zugestellt worden. Ein Mandatsverhältnis war dem Landratsamt nur im Hinblick auf die Klägerin angezeigt worden (siehe Vollmacht vom 10.6.2015, Bl. 358 der Bauakte), nicht aber im Hinblick auf die andere Mandantschaft. Deshalb wurde der Ergänzungsbescheid an die Klägerin zutreffend über ihren Bevollmächtigten mittels Empfangsbekenntnisses, an die andere Mandantschaft des Bevollmächtigten aber direkt mittels Postzustellungsurkunde, und zwar am 6. April 2016, zugestellt (siehe Bl. 1229 und 1259 der Bauakte). Erst nach Zustellung an die andere Mandantschaft zeigte der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung für die andere Mandantschaft an (siehe Bl. 1 und Bl. 2 der Gerichtsakte im Parallelverfahren M 1 K 16.2131). Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 wurde also am 7. April 2016 dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Wirkung für diese zugestellt.

Innerhalb der am 7. April 2016 beginnenden und am Montag, den 8. Mai 2016 endenden Monatsfrist des § 74 VwGO für die Erhebung der Klage gegen den Ergänzungsbescheid wurde Klage nicht erhoben. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat auch den Ergänzungsbescheid nicht innerhalb dieser Frist im Wege der Klageerweiterung nach § 91 VwGO in das gegen den Erstbescheid vom 12. Mai 2015 gerichtete laufende gerichtliche Klageverfahren einbezogen, worin eine Erhebung der Klage gegen den Ergänzungsbescheid zu sehen wäre. Ein solcher einbeziehender Akt ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erforderlich, soll ein den angefochtenen Ursprungsbescheid ergänzender Bescheid Gegenstand des laufenden Klageverfahrens werden; ein ergänzender Bescheid wird nicht automatisch Gegenstand des gegen den ergänzten Bescheid gerichteten laufenden Klageverfahrens (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2016, § 79 Rn. 17 m.w.N.; Simon/Busse, BayBO, Stand 2016, Art. 68 Rn. 638; OVG Lüneburg, B.v. 18.12.2015 - 8 B 253/15 - juris Rn. 3; VG München, U.v. 21.1.2016 - M 11 K 14.3066 - juris Rn. 39; Kraft, BayVBl. 1995, 519/523 und 524). Eine solche Einbeziehung des Ergänzungsbescheids hat der Bevollmächtigte der Klägerin weder explizit noch konkludent vorgenommen. Vielmehr hat in der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016, also innerhalb offener Klagefrist, die Vorsitzende den Bevollmächtigten ausdrücklich danach gefragt, ob er den Ergänzungsbescheid in das laufende Klageverfahren einbeziehen wolle und ihm zu einer entsprechenden Erklärung eine Schrifsatzfrist eingeräumt (siehe Niederschrift über die erste mündliche Verhandlung vom 20.4.2016 und Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. vom 1.8.2016, Bl. 159 der Gerichtsakte). Die Frist verstrich ungenutzt. Erst in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017, also weit außerhalb der Klagefrist, beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin die Aufhebung auch des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016.

b) Infolge der nicht fristgerechten Anfechtung des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016 wurde dieser bestandskräftig. Seine den Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 in dessen Nebenbestimmungen zum Lärmschutz und den zu Grunde liegenden Bauunterlagen modifizierenden Regelungen sind damit verbindlich und können vom Gericht nicht mehr inhaltlich überprüft werden. Soweit der Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 nicht durch den Ergänzungsbescheid geändert wurde, ist das Rechtsschutzbedürfnis für seine isolierte Anfechtung weggefallen. Die beiden Bescheide sind in ihrem Regelungsgehalt untrennbar aufeinander bezogen. Seit dem Erlass des Ergänzungsbescheids gibt es nur noch eine nicht weiter teilbare, einheitliche Baugenehmigung für das streitbefangene Vorhaben, nämlich den Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016. Nur wenn beide Bescheide ordnungsgemäß angefochten sind, kann das Gericht in eine inhaltliche Kontrolle der baugenehmigungsrechtlichen Grundlage des Vorhabens eintreten.

2. Selbst wenn - wie nicht - die Klage zulässig wäre, wäre sie unbegründet.

Der Bescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren nachbarlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin wird durch das Vorhaben keinen unzumutbaren Lärm- oder sonstigen Belästigungen ausgesetzt.

Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets - hier des Bebauungsplangebiets „Gewerbegebiet … III“ - belegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 6). Bei Lärmimmissionen sind Maßstab für die danach hinzunehmenden Belästigungen § 22 BImSchG i.V.m. den Regelungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm (statt aller König, Baurecht Bayern, 2015, Rn. 417 ff., 422 und 423).

Das Gericht hat in seinem Beschluss vom 7. September 2016 (M 1 S7 16.3394) im Detail herausgearbeitet, dass nach summarischer Prüfung keine immissionsschutzrechtlichen Bedenken gegen das Vorhaben bestehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beschluss bestätigt (B.v. 19.1.2017 - 1 CS 16.2051 - juris).

Die Feststellungen im Eilverfahren haben auch im Hauptsacheverfahren Bestand.

Die nunmehr zur vorsorglichen Absicherung des Immissionsrichtwertes für allgemeine Wohngebiete in den werktäglichen Ruhezeiten während der Tagzeit (d. h. zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 und 22.00 Uhr) von 49 dB(A) (vgl. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d i.V.m. Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der TA Lärm) mit Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 bezüglich der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. März 2016 (nebst Prozesserklärung vom 20. April 2016) gegenüber dem Beklagten verbindlich erklärten Betriebszeitenbegrenzungen für den Lieferverkehr, den Besucherverkehr mit Omnibussen und die Befüllung und Abholung von Wertstoffcontainern (Verzichtserklärung) schließen eine mögliche unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin durch Schallimmissionen aus. Ein Überschreiten der genannten Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm war bislang jedenfalls insoweit nicht ausreichend belastbar auszuschließen, als durch den Betrieb des streitbefangenen Vorhabens während der Tagzeit die Möglichkeit einer werktäglichen Richtwertüberschreitung nach Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der TA Lärm bestanden hat, unterstellt das Wohnhaus der Klägerin auf dem Grundstück FlNr. 913/6 liege bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 4 BauNVO ( vgl. Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm). Durch die verbindliche Erklärung der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 kann sichergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2006 - 4 B 80/05 - juris Rn. 5), dass der Betrieb des streitbefangenen Vorhabens - soweit von ihm zwischen 6.00 und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 und 22.00 Uhr bislang die Gefahr von werktäglichen Richtwertüberschreitungen für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit ausgehen konnte - von der Beigeladenen zu 1. rechtsverbindlich so durchgeführt wird, dass diese Gefahr hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann (vgl. Schalltechnische Stellungnahme der S... GmbH vom 16. März 2016 mit ergänzenden Erläuterungen vom 22. April, 8. Juli und 30. August 2016). Eine Beeinträchtigung der Klägerin in Gestalt einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm ist von daher nicht mehr zu befürchten. Dies gilt, wie erwähnt, sogar unter der Annahme, dass das Grundstück der Klägerin im Innenbereich in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Indes dürfte diese für die Klägerin günstige Annahme nicht haltbar sein. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Beschluss vom 19. Januar 2017 (1 CS 16.2051) ausgeführt, dass viel dafür spricht, dass dem Grundstück der Klägerin nicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets zusteht, sondern dieses als Teil des Außenbereichs nur das Schutzniveau eines Mischgebiets nach Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm beanspruchen könne. Unter Zugrundelegung des wohl realistischen Schutzniveaus eines Mischgebiets für das Anwesen der Klägerin bestünde erst Recht kein Zweifel daran, dass sie keinen im Sinne der Vorgaben der TA Lärm unzumutbaren Immissionsbelastungen ausgesetzt ist.

Dieses immissionsschutzrechtliche Ergebnis wird getragen durch eine Vielzahl schalltechnischer Gutachten, insbesondere die Stellungnahme der S... GmbH vom 16. März 2016, die zusätzlichen Erläuterungen hierzu vom 22. April 2016 (insbesondere zum Halleninnenpegel) und den Bericht über die messtechnische Bestimmung des Halleninnenpegels vom 20. Februar 2017, sowie die Stellungnahme des Beklagten vom 30. August 2016. Der immissionsschutzrechtlichen und immissionsschutzfachlichen Beurteilung des Vorhabens liegen entgegen der Auffassung der Klägerin keine falschen bzw. unrealistischen Annahmen oder methodische oder sonstige Fehler der Gutachten zu Grunde. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:

a) Der Ansatz des Halleninnenpegels von 85 dB(A) als Maßstab für die Lärmentwicklung in der streitgegenständlichen Halle und als wichtige Einflussgröße für die nachbarliche Immissionsbelastung ist realitätsnah. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017 hat die Höhe des Halleninnenpegels lediglich Auswirkungen auf einen Teil der an den Immissionsorten einwirkenden Geräuschquellen und deren Teilpegel an den Immissionsorten. Die von der Klägerin in Bezug genommene schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern vom 21. Februar 2008, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, ist zu einem anderen Vorhaben erstellt worden; ihr kann keine grundsätzliche Aussage des Inhalts entnommen werden, dass der vorliegend zugrunde gelegte Halleninnenpegel zu niedrig wäre (siehe hierzu Stellungnahme der S... GmbH vom 30.8.2016, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, S. 2). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beigeladene zu 1. sich zum Halleninnenpegel neben Erkenntnissen aus vergleichbaren Projekten auf die Auswertung „Handwerk und Wohnen“ des TÜV Rheinland sowie auf orientierende Kurzzeitmessungen des Halleninnenpegels in der bestehenden Produktionshalle stützt (zur Auswertung des TÜV Rheinland vgl. die Stellungnahme der S... GmbH vom 22.4.2016, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, S. 2). Hinzu kommt, dass Nummer 7 des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 in Ergänzung von Nummer II.3 des Ursprungbescheids vom 12. Mai 2015 anordnet, dass die mittleren Halleninnenpegel der Produktionshalle und im Bereich „Brauerei“ einen Wert von 85 dB(A) nicht überschreiten dürfen und dies innerhalb von sechs Monaten nach der Nutzungsaufnahme durch Abnahmemessungen zu belegen ist. Dadurch wird die Einhaltung des zu Grunde gelegten Pegels vollziehbar sichergestellt. Die Abnahmemessung bei Echtbetrieb hat bereits stattgefunden. Nach dem Bericht der S... GmbH vom 20. Februar 2017 haben die zwischen dem 30. Januar 2017 und dem 6. Februar 2017 durchgeführten Messungen ergeben, dass der festgelegte Halleninnenpegel von 85 dB(A) selbst bei einer theoretischen Arbeitsdauer von 16 Stunden und durchgehendem Vollbetrieb in beiden Hallenabschnitten mit großer Sicherheit eingehalten ist. Die Messungen waren in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017 Gegenstand der ausführlichen Erörterung mit den Gutachtern und den Beteiligten. Zweifel am Ergebnis der Messungen ergaben sich nicht.

b) Auch der Vortrag der Klägerin zur - aus ihrer Sicht unzureichenden - Berücksichtigung von Fahrgeräuschen durch andere bzw. zusätzliche Fahrwege von (Liefer-)Verkehr auf dem Betriebsgelände führt nicht weiter. Ausweislich der schalltechnischen Untersuchung vom 16. März 2016 (vgl. dort insbesondere Abb. 3) ist eine Umfahrung des Betriebsgeländes ausreichend berücksichtigt; dies wird vom Sachgebiet Immissionsschutz des Landratsamts in seiner Stellungnahme vom 23. August 2016 (dort Seite 2) sowie von der S... GmbH in ihrer Stellungnahme vom 30. August 2016 (dort Seite 4 f.) nochmals ausdrücklich bestätigt. Eine Zufahrt zum Betriebsgelände über die A... Straße, wie die Klägerin sie befürchtet, ist nicht Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung (vgl. insbesondere den genehmigten Lageplan und Freiflächenplan).

c) Soweit sich die Klägerin gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Nichtberücksichtigung von Vorbelastungen durch Sportanlagen wendet, vermag sie damit bereits von Rechts wegen nicht durchzudringen. Nach Nr. 2.4 der TA Lärm ist Vorbelastung die Belastung eines Orts mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die die TA Lärm gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage. Nach Nr. 1 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a der TA Lärm unterfallen Sportanlagen, die nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) zu beurteilen sind, nicht dem Anwendungsbereich der TA Lärm. Mit Blick auf Nr. 1 Satz 1 Hs. 1 der TA Lärm gilt gleiches auch für Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen, soweit nicht Nr. 7.4 der TA Lärm eingreift. Danach stellen Sportanlagen- und anlagenunabhängiger Verkehrslärm grundsätzlich keine Vorbelastung im Sinne der TA Lärm dar. Dies ist dem segmentierenden Regelungssystem des Lärmschutzes in der deutschen Rechtsordnung geschuldet, wonach Anlagenlärm nur nach der TA Lärm bestimmt und beurteilt wird, während für Lärm aus sonstigen spezifischen Quellen ausschließlich das jeweilige spezielle Regelwerk Anwendung findet (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV, 18. BImSchV usw.) und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte für eine die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle des Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) überschreitende, die Gesundheit gefährdende Lärmbelastung, einschließlich der Vorbelastung und des zu erwartenden anlagenbezogenen Lärms, durch einen Dauerschallpegel von 70 dB(A)/tags oder 60 dB(A)/nachts als Folge des Vorhabens bestehen nicht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. vom 13.5.2009 - 9 A 72/07 - NVwZ 2009, 1498).

Nachdem die Geräuschimmissionen sogar den Immissionsrichtwert nach Nr. 6.1. Buchst. d der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete für den Tag um mehr als 6 dB(A) unterschreiten, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin einer Bestimmung der Vorbelastung gemäß Nr. 3.2.1 Unterabs. 2 und 6 Satz 2 i.V.m. Nr. 4.2 Buchst. c der TA Lärm nicht.

d) Auch eine unzumutbare Belastung der Klägerin durch Einzelereignisse im Rahmen des Verkehrs mit LKW auf dem Betriebsgrundstück ist nicht zu besorgen. Die Geräusche, die von Motorstarts, Türenschlagen, Betriebsbremsen u.ä. der LKWs hervorgerufen werden, sind bei der Berechnung der Beurteilungspegel nach dem Inhalt der Gutachten ausreichend berücksichtigt worden (vgl. schalltechnische Beurteilung der S... GmbH vom 16.3.2016, Seite 23 ff. und Seite 37, sowie Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz des Landratsamts vom 23.8.2016, Seite 2, namentlich unter Verweis auf den „Technischen Bericht zur Untersuchung der Geräuschimmissionen durch Lastkraftwagen auf Betriebsgelände von Frachtzentren, Auslieferungslagern, Speditionen und Verbrauchermärkten sowie weiterer typischer Geräusche insbesondere von Verbrauchermärkten“ des Hessischen Landesamts für Umwelt und Geologie - HLUG, 2005). Dabei berücksichtigt die Berechnung vom 16. März 2016 insbesondere auch kurzzeitige Geräuschspitzen sowohl bei den Fahrwegen als auch beim Rangieren (vgl. Seite 25 f.), indem sie entsprechend dem Bericht des HLUG 2005 (dort Seite 16) hierfür den höchsten für Einzelereignisse vorgesehenen Schallleistungspegel von 108 dB(A) für Betriebsbremsen in Ansatz bringt. Hierauf bezieht sich auch die Aussage der S... GmbH in der schalltechnischen Beurteilung vom 16. März 2016 (dort Seite 37), wonach „die LKW-Geräusche Motorstarten, Türenschlagen, Betriebsbremse usw. (…) bereits in den Emissionsansätzen für die LKW-Fahrwege und insbesondere für das Rangieren mit abgedeckt“ sind. Zudem weisen der Beklagte und die Beigeladene zu 1. übereinstimmend zutreffend darauf hin, dass nach der Betriebsbeschreibung in der Fassung ihrer Fortschreibung vom 10. März 2016 ein Betrieb von LKW mit Kühlaggregaten weder vorgesehen ist noch für den genehmigten Betrieb üblich wäre.

e) Auch die Regelungen der Baugenehmnigung zur Anordnung von Maschinen in der Werkhalle sowie über die Öffnung von Türen, Toren und Lüftungsklappen in den Lichtbändern sind sachgerecht und begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 regelt unter Nummer 5 in Ergänzung von Nummer II.3.d des Ausgangsbescheids vom 12. Mai 2015 zum einen, dass Türen, Tore und Lüftungsklappen in den Lichtbändern pro Tag nicht länger als vier Stunden offen stehen dürfen und zum anderen, dass die Einhaltung dieser Vorgabe durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen ist. Diese Nebenbestimmung ist entgegen der Auffassung der Klägerin ausreichend bestimmt und zudem auch vollziehbar (so auch BayVGH, B.v. 19.1.2017 - 1 CS 16.2051 - juris Rn. 7). Die Einsatzorte der mobilen Maschinen sind zum anderen bereits nach der Natur der Sache ihres Einsatzzwecks nicht vorab bestimmbar. Im Übrigen sind diese Regelungen geeignet, die Beschränkung der Immissionsbelastung auf ein für die Klägerin nach der TA Lärm zumutbares Maß zu gewährleisten (siehe oben vor Buchst. a).

f) Auch hinsichtlich der von der S... GmbH in Ansatz gebrachten Anzahl der PKW-Bewegungen sowie bezüglich der sonstigen Fahrbewegungen durch Omnibusse und LKW ist nichts zu erinnern. Nachvollziehbar wird in der Stellungnahme vom 30. August 2016 darauf hingewiesen, dass die Zahl von 700 PKW-Bewegungen werktäglich ausreichend konservativ gewählt ist, um den Fahrverkehr, der von 120 Mitarbeitern und Besuchern der Schaubrauerei mit Bewirtungsraum und Getränkeladen voraussichtlich ausgelöst wird, zu erfassen. Dies entspricht auch der schalltechnischen Beurteilung vom 16. März 2016, die auf den Seiten 28 ff. entsprechende Berechnungen enthält und sich dabei auf die „Parkplatzlärmstudie“ des Bayerischen Landesamts für Umwelt in der aktuellen Fassung ihrer 6. Auflage vom August 2007 bezieht. Der Stellplatzberechnung (vgl. Blatt 280 der Behördenakten), die im Übrigen nicht als solche, sondern nur im Rahmen des damit zu erwartenden lärmträchtigen An- und Abfahrtsverkehrs nachbarrechtlich relevant ist, hat die Klägerin ebenfalls keine substantiierten Einwendungen, sondern lediglich ihre eigenen nicht näher belegten Hypothesen entgegengesetzt. Gleiches gilt hinsichtlich der Geräuschemissionen, die von der Schaubrauerei mit Bewirtungsraum und Getränkeladen ausgehen. Die schalltechnische Begutachtung vom 16. März 2016 erfasst diese auf der Grundlage der Betriebsbeschreibung vom 10. März 2016, ohne dass hiergegen etwas zu erinnern ist (vgl. Seite 31 f.).

g) Schließlich ist auch gegen die schalltechnische Beurteilung sowohl hinsichtlich des Betriebs der Gabelstapler als auch der Container nichts zu erinnern. Sie berücksichtigt sowohl die relevanten Geräuschquellen an den Containern als auch den Betrieb des Gabelstaplers im Freien in der Weise, wie es die Betriebsbeschreibung vom 10. März 2016 vorsieht (vgl. Seite 32 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom 16.3.2016 i.V.m. Seite 8 der Betriebsbeschreibung vom 10.3.2016 hinsichtlich der Container, Seite 27 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom 16.3.2016 i.V.m. Seite 17 zum Betrieb von Gabelstaplern im Freien). Nachvollziehbar weist der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 30. August 2016 (dort Seite 2) darauf hin, dass die Annahme eines 30-minütigen Gabelstaplereinsatzes an der Südostfassade im Lichte der Betriebsbeschreibung nicht zu knapp bemessen ist und es sich auch insoweit um eine „worst-case-Betrachtung“ handelt.

h) Endlich ist auch nicht davon auszugehen, dass das Anwesen der Klägerin im Sinne des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbaren Geruchseinwirkungen ausgesetzt wird. Insoweit wird auf die nachvollziehbaren Ausführungen in den Stellungnahmen des Beklagten vom 14. April 2016 und vom 30. August 2016 (dort Seite 3 unter Nummer VI) Bezug genommen. Dem hatte die Klägerin nichts Substantiiertes entgegenzusetzen; ein gerichtlich beauftragtes Geruchsgutachten war nicht veranlasst.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen eigene Sachanträge gestellt und sich daher in das Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO begeben haben, entspricht es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten der Klägerin aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 (M 1 K 15.2408) gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 wird angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 2) tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 6.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei.

Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 913/6 Gemarkung … (… Straße ...), das südlich an die Kreisstraße grenzt. Die Bebauung entlang der Kreisstraße, zu der das Grundstück der Antragstellerin gehört, ragt spornartig in den Außenbereich hinein. Nordwestlich vom Anwesen der Antragstellerin und jenseits der Kreisstraße befinden sich die Grundstücke u.a. FlNr. 621, 627 und 628, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ liegen. Westlich hiervon schließen sich die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Gewerbegebiet … II“ und „Gewerbegebiet …“ an. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet … III“ wurde am 20. Januar 2014 als Satzung beschlossen und am 17. April 2014 ortsüblich bekanntgemacht. Unter dem 10. November 2014 beschloss die Beigeladene zu 2) die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens gemäß § 214 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) zur Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ unter gleichzeitiger Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegeiet … II“. Der Bebauungsplan wurde in seiner geänderten Form am 19. Januar 2015 als Satzung beschlossen. Er setzt die Gewerbegebiete „GE 1“, „GE 2.1“ und „GE 2.2“ fest und vergibt für diese unterschiedliche Emissionskontingente. Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist diesbezüglich ein Normenkontrollverfahren anhängig (1 N 15.840).

Unter dem … April 2015 beantragte die Beigeladene zu 1) auf den Grundstücken FlNr. 621, 627 und 628 eine Baugenehmigung für den „Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei und deren zugehörige Logistikhalle, Büros, Bewirtungsraum und einem Getränkeladen (…)“. Nach den eingereichten Plänen ist die Errichtung einer etwa 40 m x 75 m großen Halle mit Stellplätzen geplant. Die Halle ist in drei Abschnitte gegliedert: Im südöstlichen, der Antragstellerin zugewandten Teil befindet sich der Fertigungsbereich der Firma B* … GmbH, in dem mittels Metallbearbeitungsmaschinen Brauereianlagen hergestellt werden sollen. Im nordwestlichen und im mittleren Teil soll durch die Firma C* … … GmbH eine kleine Brauerei mit Flaschenabfüllanlage und Bewirtungsraum sowie ein kleiner Getränkeladen betrieben werden, an der Nordost-Fassade sind im Wesentlichen Kühlräume und Büros angeordnet. Dem Antrag liegen u.a. eine Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie eine Lärmprognose des Büros S … (S...) vom 22. April 2015 zu Grunde.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 erteilte das Landratsamt Traunstein die beantragte Baugenehmigung. Bauplanungsrechtliche Grundlage für die Genehmigung sei § 33 Abs. 1 BauGB i.V.m. der planreifen Bebauungsplanänderung „Gewerbegebiet … III“ mit Planstand vom 19. Januar 2015. Als immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen wurden u.a. bezüglich des der Antragstellerin benachbarten Immissionsortes … Straße … ein Immissionskontingent von tags 49,9 dB(A) und bezüglich des Immissionsortes … Straße … ein Immissionskontingent von tags 48,6 dB(A) festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen.

Gegen den Bescheid vom 12. Mai 2015 hat die Antragstellerin am … Juni 2015 Klage (M 1 K 15.2408) erheben lassen und am … Oktober 2015 beantragt,

  • 1.die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,

  • 2.dem Antragsgegner aufzugeben, die von der Beigeladenen zu 1) begonnenen Arbeiten mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen.

Mit Schriftsatz vom selben Tag stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin klar, dass ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt worden sei.

Die Antragstellerin sei unzumutbaren Lärm- und Geruchsimmissionen ausgesetzt. Ihr Grundstück sei fehlerhaft als Mischgebiet statt als reines Wohngebiet eingestuft worden. Die Immissionsrichtwerte könnten aufgrund fehlerhafter Lärmbewertungen wahrscheinlich schon für ein Mischgebiet nicht eingehalten werden, bei der Einstufung als allgemeines bzw. reines Wohngebiet seien diese deutlich überschritten. Das Wohnhaus der Antragstellerin (… Straße ...) sei bei den immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen des Bescheids nicht aufgelistet. Die dem Bescheid zu Grunde liegende Immissionsprognose vom 22. April 2015 sei fehlerhaft, weil sie die vom Baugrundstück ausgehenden Emissionen deutlich unterschätze, Geräuschquellen unberücksichtigt lasse und eine deutlich kürzere als die im Bescheid genehmigte Betriebszeit bewerte, die Lärmvorbelastung durch benachbarte Baugebiete unzureichend berücksichtige und abweichend zur Betriebsbeschreibung eine deutlich geringere Anzahl an Lkw-Fahrbewegungen betrachte sowie die durch das Bauvorhaben ausgelöste erhebliche Erhöhung der Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen unterschlage. Es wird eine immissionsschutzrechtliche Stellungnahme des Büros M … (M...) vom 23. September 2015 vorgelegt, die sich mit der Immissionsprognose von S** vom 22. April 2015 kritisch auseinandersetzt.

Zusätzlich seien die Lärmschutzauflagen im angegriffenen Bescheid zu unbestimmt und nicht vollziehbar.

Die Antragstellerin werde außerdem durch unzumutbare Geruchsbelästigungen beeinträchtigt. Die durch das Brauereivorhaben typischerweise ausgelösten Geruchsimmissionen seien nicht geprüft worden. Das Wohnhaus der Antragstellerin befinde sich in der Hauptwindrichtung zum Bauvorhaben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er legt eine weitere Stellungnahme von S vom 12. November 2015 vor, die sich wiederum mit der Stellungnahme des Büros M vom 23. September 2015 auseinandersetzt.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich der Stellungnahme des Antragsgegners an und stellt keinen eigenen Antrag.

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.

1. Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahin auszulegen, dass die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begehrt. Dies ergibt sich aus dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom … Oktober 2015, in dem er eindeutig erklärt, dass der Antrag auf § 80 Abs. 5, § 80a VwGO, nicht auf § 123 VwGO gestützt werden soll.

2. Der Antrag ist zulässig und begründet, da das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Beigeladenen zu 1) überwiegt.

Nach § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag im Wege einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Interesse der Beigeladenen zu 1), von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch nur mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, ist eine weitere Interessensabwägung vorzunehmen.

Die Antragstellerin hat als Nachbarin des streitgegenständlichen Vorhabens nicht schon bei objektiver Rechtswidrigkeit des Bescheids einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung i.R.d. Hauptsacheverfahrens. Sie muss vielmehr durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, sie also drittschützende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2013 - 14 ZB 13.1193 - juris Rn. 11).

Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt auch dann vor, wenn die Baugenehmigung nicht hinreichend bestimmt ist und die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Nach Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss eine Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 18).

Nach summarischer Prüfung dürfte der angegriffene Bescheid aufgrund mangelnder Bestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig sein, so dass kein Interesse an seiner sofortiger Vollziehung besteht. Da in Ermangelung einer ausreichenden Beschreibung des Betriebsumfangs und -ablaufs nicht beurteilt werden kann, ob die von dem genehmigten Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche die zum Nachbarschutz festgesetzten Immissionskontingente von tagsüber 48,6 dB(A) und 49,9 dB(A) einhalten können, erweist sich das Vorhaben der Antragstellerin gegenüber als rücksichtslos mit der Folge, dass sie durch die rechtswidrige Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2015 - 1 CS 15.1876 - juris Rn. 3).

Der Baugenehmigung liegen u.a. die Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie die Lärmprognose von S vom 22. April 2015 zu Grunde. Hiernach umfasst das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1) u.a. eine „Metallfertigung zur Herstellung der Brauereien“. Es ergeben sich jedoch weder aus der Betriebsbeschreibung noch aus der Lärmprognose die Art und der Umfang der Arbeiten, die dort durchgeführt werden sollen. In der Betriebsbeschreibung ist lediglich von „20 Metallbearbeitungsmaschinen“ die Rede, ohne dass deutlich wird, um welche Maschinen es sich handelt. Auch aus der Lärmprognose ergibt sich keine genauere Beschreibung. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Geräuschquellen innerhalb des Gebäudes im Fertigungsbereich Metallbearbeitungsmaschinen seien. Die Angaben des Büros B … Ltd. & Co. KG zum Betriebsablauf vom 7. Januar 2015, 22. Januar 2015, 16. Februar 2015 und 16. April 2015, die der Lärmprognose zu Grunde liegen, finden sich weder in der Akte noch sind sie Bestandteil des Bescheids, so dass sich auch hieraus nichts Konkreteres ergibt. Hinzu kommt, dass auch die von der Beigeladenen zu 1) eingereichten Pläne weder Größe noch Art oder Aufstellungsort der Maschinen zur Metallfertigung erkennen lassen.

Auf dieser nicht näher definierten Grundlage wird in der Lärmprognose für „die Produktionshalle“ ein Halleninnenpegel von 85 dB(A) angesetzt, ohne dass erkennbar wäre, welche Betriebsteile der Gutachter in seine Betrachtung einbezogen hat. Dieser Ansatz ist im Hinblick auf einen derart unbestimmten Nutzungsumfang nicht nachvollziehbar. Es bleibt im Ungewissen, welche ggf. sehr lärmintensiven Arbeiten in welchem Umfang anfallen. Ohne konkretere Beschreibung, welche Arbeiten an welchen Metallbearbeitungsmaschinen durchgeführt werden sollen, erschließt sich nicht, wie es zu dem Halleninnenpegel von 85 dB(A) kommt und ob dieser realistischer Weise angesetzt ist.

Darüber hinaus verpflichtet der Bescheid die Beigeladene zu 1) in Nr. 3.b) der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen zur Einhaltung von Immissionskontingenten bzw. reduzierten Immissionsrichtwerten, die durch den Betrieb „der Produktionshalle“ verursacht werden. Es ist unklar, ob hiermit der Gesamtbetrieb des Vorhabens der Beigeladenen zu 1) gemeint sein soll und damit für einen ausreichenden Lärmschutz der Antragstellerin gesorgt ist.

Die auf dieser unbestimmten Grundlage erteilte Genehmigung genügt damit nicht den Anforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Es ist für die Antragstellerin nicht ersichtlich, mit welchen Lärmimmissionen sie zu rechnen hat. Da im Rahmen der Anfechtungsklage der entscheidungserhebliche Zeitpunkt derjenige der letzten Behördenentscheidung ist, also der 12. Mai 2015, und die gravierenden Bestimmtheitsmängel nicht durch eine erläuternde Klarstellung der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung behoben werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2015 - 1 CS 15.1876 - juris Rn. 4), kann nicht von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen werden, sondern der angegriffene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die dem Beigeladenen erteilte bauaufsichtliche Genehmigung der Antragsgegnerin vom 9. August 2013 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 16. Mai 2014. Gegenstand der Baugenehmigung ist die Errichtung von zwei der Hotelnutzung dienenden Gebäuden mit einer (zum Grundstück der Antragstellerin hin offenen) Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung R. Südwestlich des Vorhabens stehen die Wohngebäude der Antragstellerin, deren Grundstück FlNr. ... tiefer liegt als das Baugrundstück, das den Bauvorlagen gemäß zum Grundstück der Antragstellerin hin abgegraben wird. Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Antragstellerin verlaufen Reste der mehrere Meter hohen Stadtmauer („Zwingermauer“).

Gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 erhob die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 2 K 13.1515) und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 (Az. RO 2 S 13.1715). Über die Klage wurde noch nicht entschieden; den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4. November 2013 ab. Im Beschwerdeverfahren stellte der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 wieder her, weil Überwiegendes für eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zulasten der Antragstellerin sprach (Az. 15 CS 13.2479).

In der Folge reichte der Beigeladene bei der Antragsgegnerin geänderte Planvorlagen ein und beantragte eine Tekturgenehmigung unter Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Mit Bescheid vom 16. Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen unter Abänderung der Baugenehmigung vom 9. August 2013 die beantragte Tekturgenehmigung und ließ eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin zu. Am 20. Mai 2014 beantragte die Antragsgegnerin beim Verwaltungsgericht Regensburg, den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abzulehnen (Az. RO 2 S 14.884). Dem folgte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 16. Juli 2014. Nach Nr. I des Beschlusstenors wurde der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage(n) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. August 2013 i. d. F. des Bescheids vom 16. Mai 2014 unter Abänderung der Nr. I des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 abgelehnt.

3. Gegen die dem Beigeladenen erteilte Tekturgenehmigung erhob die Antragstellerin am 6. Juni 2014 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 2 K 14.957). Am 4. August 2014 legte die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Juli 2014 ein. Zur Begründung ihres Antrags führt die Antragstellerin aus, der Antrag der Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 7 VwGO sei nach der Rechtsprechung des Senats bereits unzulässig. Jedenfalls sei der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO unbegründet, weil die Dachgauben des Vorhabens weiterhin nicht untergeordnet seien und die erteilte Abweichung rechtswidrig sei. Anders als das Verwaltungsgericht angenommen habe, weise das Baugrundstück weder einen besonderen Grundstückszuschnitt auf noch sei der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts zu folgen. Zu Unrecht übernehme das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach die Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungsverhältnisse auf dem Antragstellergrundstück bereits so eingeschränkt seien, dass es - vereinfacht ausgedrückt - auf das Bauvorhaben nicht mehr ankomme. Das Gegenteil sei der Fall. Verfehlt sei auch die nicht begründete Annahme, der Abstandsflächenverstoß sei von der Antragsgegnerin hinzunehmen, weil ihr Gebäude selbst die Abstandsflächen nicht einhalte. Das Verwaltungsgericht blende den Brandschutz als „unerheblich und nicht zu berücksichtigen“ völlig aus, worin ein Ermessensdefizit zu sehen sei. Die vom Verwaltungsgericht auch perpetuierte Ermessensfehleinschätzung der Antragsgegnerin hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausnutzung des Baugrundstücks werde, sollte dies ein abweichungsrelevanter Belang sein, das Baurecht im Stadtbereich merklich ändern. Hinsichtlich der zu erwartenden Lärmwirkungen sei nicht nachvollziehbar, auf welche Stellungnahme des Umweltamts das Verwaltungsgericht rekurriere. Die Antragstellerin habe bereits darauf hingewiesen, dass die offene Tiefgarage ein erklärtes Schutzziel des Abstandsflächenrechts tangiere: nämlich den nachbarlichen Wohnfrieden. So könne es über Reflexionswirkungen durchaus zu einer Erstreckung des Lärms auf das Antragstellergrundstück kommen. Insoweit fehle es an einer nachvollziehbaren Prognose, wobei die Schutzbedürftigkeit nicht dem eines Mischgebiets, sondern dem eines Wohngebiets entspreche. Das Verwaltungsgericht habe weiter verkannt, dass das Bauvorhaben durchaus geeignet sei, den Denkmalwert des Gebäudes der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Nicht berücksichtigt habe das Verwaltungsgericht, dass die Tiefe der Abstandsflächen mit doch erheblicher Reichweite auf dem Nachbargrundstück liegen würden. Dies spreche nach wie vor gegen eine Abweichung. Eine atypische Situation, die eine Abweichung rechtfertigen würde, liege damit insgesamt nicht vor. Die gleichwohl erteilte Abweichung stufe das Abstandsflächenrecht auf Empfehlungsqualität herab.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Juli 2014 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO sei zulässig. Aus der vonseiten der Antragstellerin genannten Entscheidung des Senats ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die genehmigte Tekturplanung betreffe untergeordnete Dachgauben, insbesondere sei deren Vorderseite eindeutig von der Außenwand des Gebäudes zurückversetzt. Das Baugrundstück weise einen besonderen Grundstückszuschnitt auf, was sich schon aus dem Lageplan ersehen lasse. Das Verwaltungsgericht habe eine atypische Fallgestaltung aber nicht allein aufgrund des Grundstückszuschnitts angenommen, sondern auch, worauf es maßgeblich ankomme, auf die besondere Topographie und die besondere städtebauliche Situation abgestellt. Die Besonnung werde durch die zum Grundstück der Antragstellerin hin offen ausgeführte Tiefgarage nicht beeinträchtigt. Die Tatsache, dass das Gebäude der Antragstellerin gegenüber dem Beigeladenengrundstück selbst die Abstandsflächen nicht einhalte, sei im Rahmen der Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin zu Recht berücksichtigt worden. Für etwaige brandschutzrechtliche Mängel bei den Gebäuden der Antragstellerin sei diese zuständig. Für unzumutbare Lärmbelästigungen fehle es an Anhaltspunkten. Die Tiefgarage dürfe nachts nicht befahren werden und die Stellplätze dürften nur von Hotelgästen genutzt werden. Hiervon ausgehend seien die Bestimmungen der TA Lärm eingehalten, was die ergänzende fachliche Stellungnahme vom 22. Oktober 2013 bestätige. Die von der Antragstellerin vorgelegte Skizze sei nicht geeignet, die Behauptung der Antragstellerin zu stützen, der Denkmalwert ihres Gebäudes werde beeinträchtigt. Der Umfang, in dem die Abstandsflächen des Vorhabens auf dem Nachbargrundstück zu liegen kämen, sei im Bescheid vom 16. Mai 2014 ausführlich berücksichtigt worden.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass denkmalschutzrechtliche Bestimmungen keine nachbarschützende Wirkung entfalteten. Dessen ungeachtet bestünden keine denkmalpflegerischen Bedenken mehr.

Hinsichtlich des Weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Regensburg sowie des Verwaltungsgerichtshofs und der beigezogenen Bauakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die von der Antragstellerin innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsgegnerin gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu Recht entsprochen. Es hat zutreffend angenommen, dass dieser Antrag zulässig (1.) und begründet (2.) ist. Die Klage(n) der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren werden voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage(n) gegenüber dem Vollzugsinteresse an der geänderten Baugenehmigung nachrangig ist.

1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig. In Rechtsprechung und Literatur ist zwar umstritten, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig ist, wenn und solange der nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Beschluss noch anfechtbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2014 - 2 CS 14.74 - juris Rn. 1 m. w. N.; ebs. der vonseiten der Antragstellerin in Bezug genommene Beschluss vom 17.11.2008 - 15 CS 08.2236 - juris Rn. 1). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013, dessen Abänderung beantragt wurde, nicht anfechtbar ist (§ 152 Abs. 1 VwGO). Durch einen die Identität des genehmigten Vorhabens wahrenden Tekturbescheid erledigt sich im Übrigen weder der Beschluss, mit dem einem Antrag des Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung stattgegeben wurde, noch dieser Antrag selbst. Soll erreicht werden, dass von der (geänderten) Baugenehmigung Gebrauch gemacht werden darf, muss demnach ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt werden mit dem Ziel, dass der zunächst erfolgreiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird (vgl. BayVGH, B. v. 22.1.2013 - 1 CS 12.2709 - BayVBl. 2013, 344 = juris Rn. 14).

2. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist auch begründet. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 9. August 2013 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 16. Mai 2014 verletzt voraussichtlich keine nachbarschützenden Rechte der Antragstellerin.

a) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin sind die Dachgauben des Vorhabens „untergeordnete Dachgauben“ i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO. Dachgauben i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO sind Dachaufbauten (vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO) für stehende Fenster, die auf dem Dach, also insbesondere in Abgrenzung zu Zwerchhäusern nicht auf oder vor der Außenwand errichtet sind (vgl. Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand Juli 2014, Art. 6 Rn. 141, 143a; Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 74 jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzung erfüllen die Dachgauben des Vorhabens, wie u. a. aus der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlage „Tektur - Detail Dachgauben“ im Maßstab 1:20 zu ersehen ist. Weshalb eine (untergeordnete) Dachgaube nicht vorliegen soll, weil „sich die freitragende Decke bis in die Dachgaube hinein“ fortsetze und die „Dachgaube außerdem samt Fensterfront noch vor Ringanker und Fußpfette“ liege, „so dass sie weiterhin als raumbildend“ anzusehen sei, erschließt sich dem Senat nicht. Insbesondere zeigt sich in den Schnittdarstellungen gerade nicht, dass die Außenfronten der Dachgauben die Flucht der Außenwand aufnehmen (vgl. Nr. II.1 des Schriftsatzes vom 18.6.2014 aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auf den die Antragstellerin Bezug nimmt), sondern dass sie von der Flucht der Außenwand zurückgesetzt sind. Die Dachgauben sitzen auch nicht auf dem Mauerwerk der Außenwand, sondern auf einem zurückgesetzten Kantholz, wie die Antragsgegnerin zutreffend vorgetragen hat (Schriftsatz vom 22.9.2014, III.2.a) und was sich auch aus der Schnittdarstellung (M = 1:20) ergibt. Im Übrigen erfüllen die Dachgauben die Maßvorgaben des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 Buchst. a und b BayBO, weshalb sie bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben. Das Wort „untergeordnete“ weist auf keine weitergehende Anforderung an die abstandsflächenrechtliche Unbeachtlichkeit von Dachgauben hin. Das Wort „untergeordnete“ wurde aus Anlass des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung, des Baukammergesetzes und des Denkmalschutzgesetzes vom 14. Juli 2009 (GVBl. S. 385) in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO eingefügt, um klarzustellen, dass auch Vorbauten, die die gesetzlich vorgegebenen Grenzen überschreiten, „untergeordnet“ sein können und damit im Rahmen einer Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Anforderungen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zugelassen werden können; für „untergeordnete“ Dachgauben gilt nichts anderes (vgl. LT-Drs. 16/375, S. 11 f zu Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. aa und cc).

b) Die Darlegungen der Antragstellerin lassen keine Rechtsverletzung durch die für das Vorhaben erteilte Abweichung vom Erfordernis der Freihaltung von Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin erkennen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten, die wegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO - von den in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BayBO geregelten Ausnahmen abgesehen - auf dem Grundstück selbst liegen müssen und sich nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO - wiederum von bestimmten Ausnahmen abgesehen - nicht überdecken dürfen. Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach Art. 6 Abs. 4 bis 7 BayBO. Art. 6 Abs. 8 BayBO enthält Regelungen für bestimmte Bauteile, die bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben; Art. 6 Abs. 9 BayBO benennt bauliche Anlagen, die in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorschriften über Abstandsflächen ihrer Zweckbestimmung gemäß auch dem Nachbarschutz dienen (vgl. König a. a. O., Art. 6 Rn. 109 ff.). Die dem Beigeladenen zum Neubau genehmigten Gebäude halten die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin hin nicht ein, weil das vorhandene und gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin deutlich höher liegende Gelände des Baugrundstücks entlang der Südwestseite der genehmigten Gebäude bis zur Grundstücksgrenze bzw. Stadtmauer hin dauerhaft beseitigt werden soll, um die unter den Gebäuden geplante Tiefgarage, deren Südwestseite offen ausgeführt wird, zu erschließen. Die Wandhöhe der Gebäude ist deshalb in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin von der durch die Abgrabung entstehenden Geländeoberfläche, hier also von der Tiefgaragenzufahrt aus, zu messen (vgl. Beschluss des Senats vom 23.12.2013 - 15 CS 13.2479).

Von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung und damit auch von den Vorschriften über die Abstandsflächen kann die Bauaufsichtsbehörde aber Abweichungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfordert eine Abweichung von den Regeln des Abstandsflächenrechts, weil deren Schutzzweck im Allgemeinen nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, besondere Gründe, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck in dem konkreten Einzelfall aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurden bislang unterschiedliche Fallgruppen herausgearbeitet, die eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. zu alldem König, a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.; ebs. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 63 Rn. 42 ff.; grundlegend BayVGH, B. v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - juris Rn. 18; für eine von der „Regelfall-Atypik-Formel“ des Verwaltungsgerichtshofs abweichende Prüfung des für die Abweichung rechtfertigenden Grundes im Bereich der Ermessensebene vgl. Happ, „Abstandsfläche, Abweichung, Sozialabstand“, BayVBl. 2014, 65). Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die Kasuistik des Verwaltungsgerichtshofs die Besonderheiten des konkreten Falls herausgearbeitet, die für die Zulassung der vom Beigeladenen beantragten Abweichung sprechen und darauf aufbauend die gegenläufigen Interessen des beigeladenen Bauherrn und der Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Hiervon ausgehend erweisen sich die in der Beschwerdebegründung dargelegten Einwände der Antragstellerin gegen die erteilte Abweichung als unbegründet. Im Einzelnen:

aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Antragsgegnerin eine atypische Fallgestaltung u. a. aufgrund des bogenartigen schmalen Zuschnittes des Baugrundstücks, seiner besonderen Topographie und seiner Lage im Altstadtgefüge angenommen (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 16.7.2007 -1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris Rn. 16 m. w. N.; BayVGH, U. v. 22.9.2011 - 2 B 11.762 - juris Rn. 36). Insoweit beschränkt sich die Kritik der Antragstellerin an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung lediglich auf die Ausführungen zum „besonderen Grundstückszuschnitt“, den sie in Abrede stellt, während die Antragsgegnerin in der Bescheidsbegründung und das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung gleichermaßen auf die unterschiedlichen Höhenlagen des Baugrundstücks im Straßenbereich und im rückwärtigen Bereich sowie auf dessen Lage im Altstadtgefüge abstellen. Ob die sich insoweit auf den Grundstückszuschnitt beschränkende Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, wonach sich die Begründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen muss, ist deshalb fraglich. Davon abgesehen trifft die Bewertung der Antragsgegnerin aber zu, dass eine städtebaulich sinnvolle Fortentwicklung der Bebauung unter Berücksichtigung der Umgebung, insbesondere der angestrebte Lückenschluss des bislang als Parkfläche genutzten Baugrundstücks, aufgrund des ungünstigen Zuschnitts des Baugrundstücks und seiner unterschiedlichen Höhenlage im Altstadtgefüge faktisch ausscheiden würde, wenn die volle Tiefe der Abstandsfläche auch in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin angesetzt würde. Hierin ist ein rechtfertigender Grund für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zu sehen.

bb) Die Antragsgegnerin hat weiter die bereits im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 aufgezeigte und naheliegende Erwägung aufgegriffen, dass die abstandsrelevanten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung durch die zum Grundstück der Antragstellerin hin offen ausgeführte Tiefgarage nicht beeinträchtigt werden. Dies liegt auf der Hand, weil die genehmigten Gebäude für sich betrachtet die nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 6 BayBO zu bemessende Tiefe der Abstandsflächen auf eigenem Grund wahrten, wenn das vorhandene Gelände in Richtung des Antragstellergrundstücks beibehalten und nicht zum Zweck der Erschließung der Tiefgarage abgegraben würde. Die Bewertung der Antragsgegnerin, dass die Abstandsflächenüberschreitung vorliegend allein der Wandhöhe der Tiefgarage geschuldet und daher lediglich formell gegeben sei, trifft deshalb im Ergebnis zu. Die Antragsgegnerin hat ebenfalls zu Recht darauf abgestellt, dass die Tiefgarage dem Blick vom Antragstellergrundstück aus weitgehend entzogen ist, weil die Tiefgarage durch die zwischen 4,40 m und 5,90 m hohe Zwingermauer (vom Antragstellergrundstück aus betrachtet) abgeschirmt wird. Hiervon ausgehend ist es ohne Belang, in welchem Umfang die Besonnungs- und Belichtungsverhältnisse in den unteren Geschossen des Gebäudes Hs-Nr. 1 auf dem Grundstück der Antragstellerin durch die Zwingermauer bereits im Bestand deutlich eingeschränkt werden.

cc) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht abwägend auch die Tatsache berücksichtigt haben, dass die Gebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück des Beigeladenen ihrerseits nicht einhalten. Für die im Rahmen der Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen des Bauherrn und des betroffenen Nachbarn ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 31 Abs. 2 BauGB übertragbar. Danach bemisst sich das drittschützende Gebot der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (vgl. Molodovsky, a. a. O., Art. 63 Rn. 34 m. w. N.; Dhom, a. a. O. Art. 63 Rn. 31). Insoweit kommt es entscheidend darauf an, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des betroffenen Nachbarn ist (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540 = juris Rn. 6). Nachdem das materiell-rechtliche Abstandsflächengebot in nachbarschützender Hinsicht eine wechselseitige Pflicht zur Einhaltung der Abstandsflächen begründet, schlägt das Interesse des Nachbarn an der Wahrung der Abstandsflächen mit umso geringerem Gewicht zu Buche, als sein Gebäude - wie hier - die Abstandsflächen zum Grundstück des Bauherrn selbst nicht wahrt. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, in die Abwägungsentscheidung dürfe zulässigerweise auch einfließen, dass die Gebäude der Antragstellerin ihrerseits die Abstandsflächen nicht einhalten, sind deshalb nicht Ausfluss einer von der Antragstellerin so bezeichneten „Vergeltungstheorie“, sondern des das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 37; OVG NW, U. v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924 = juris Rn. 38 f; OVG MV, B. v. 14.7.2005 - 3 M 69/05 - juris Rn. 34 m. w. N.).

Soweit die Antragstellerin gegen diese Betrachtung einwendet, bereits bestehende Beeinträchtigungen hinsichtlich des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung, der Besonnung und des nachbarlichen Wohnfriedens dürften durch eine Abweichung nicht weiter zugespitzt werden, träfe das im Ergebnis zu, wenn durch die Zulassung des Vorhabens unzumutbare, insbesondere sozial- und gesundheitspolitisch unerwünschte Verhältnisse entstünden. So liegt es hier aber nicht. Wie bereits ausgeführt wurde, liegt das Baugrundstück deutlich höher als das Grundstück der Antragstellerin. Die die genannten Belange in erster Linie tangierenden Hotelgebäude können auf dem Baugrundstück unter Wahrung der gesetzlichen Abstände deshalb auch dann errichtet werden, wenn das bestehende Gelände nicht in Richtung des Antragstellergrundstücks hin abgegraben wird. Die aus Rechtsgründen zu berücksichtigende Abgrabung, die der Erschließung der unter den genehmigten Gebäuden geplanten Tiefgarage dient, deren Rampe aufgrund der nach Südwesten hin offenen Ausführung der Tiefgarage den Fußpunkt für die Bemessung der Wandhöhe in Richtung des Antragstellergrundstücks bildet, führt eben gerade nicht dazu, dass das Vorhaben zulasten des Antragstellergrundstücks höher ausfällt oder näher an das Antragstellergrundstück rückt. Eine weitergehende Beeinträchtigung des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung und der Besonnung gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin tritt deshalb rein tatsächlich nicht ein. Soweit in der offenen Ausführung einer Tiefgarage in Richtung des Nachbargrundstücks überhaupt eine Beeinträchtigung des sozialen Wohnfriedens gesehen werden mag, kommt eine derartige Beeinträchtigung hier nicht in Betracht, weil die Tiefgarage dem freien Blick vom Grundstück der Antragstellerin aus durch die entlang der Grundstücksgrenze verlaufende Zwingermauer entzogen ist (vgl. im Übrigen nachfolgend Doppelbuchst. ff).

dd) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin liegt kein Ermessensdefizit vor, weil die Antragsgegnerin brandschutzrechtliche Mängel am Gebäude der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen habe. Dem Schriftsatz der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 18. Juni 2014 (dort S. 4) zufolge, auf den die Beschwerdebegründung verweist, vertritt die Antragstellerin offenbar die Auffassung, dass das Baugrundstück überhaupt nicht bebaut werden dürfe oder dort zumindest eine ausreichende Aufstellfläche für Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr eingerichtet werden müsse, um den zweiten Rettungsweg für das Gebäude der Antragstellerin zu sichern. Dies trifft nicht zu. Sollte der zweite Rettungsweg in den oberen Geschossen des Gebäudes der Antragstellerin derzeit tatsächlich nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, so muss sie ggf. bauliche Maßnahmen ergreifen, die ein derartiges Defizit kompensieren oder die Aufenthaltsnutzung beschränken. Aus etwaigen brandschutzrechtlichen Mängeln der Gebäude der Antragstellerin folgt aber keine schutzwürdige Position, die eine irgendwie geartete bauliche Beschränkung auf dem Baugrundstück rechtfertigen könnte oder die bei der Ermessensentscheidung über eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften Berücksichtigung finden müsste. Davon abgesehen hat der Beigeladene der Antragstellerin ausweislich seines Schreibens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 26. Juni 2014 angeboten, die zwischen den genehmigten Gebäuden geplante Feuerwehraufstellfläche grundbuchmäßig auch für die Antragstellerin absichern zu lassen, damit sie vom Bauordnungsamt anerkannt werde (vgl. Schreiben vom 5.4.2013 als Anlage Z 4 zum Schreiben vom 26. Juni 2014).

ee) Die Beachtung der wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn im Rahmen der Abwägung ist keine „Ermessensfehleinstellung“. Die Berücksichtigung auch des Bauherrninteresses ist vielmehr notwendiger Bestandteil der Ermessensbetätigung durch die Antragsgegnerin. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nicht etwa das bloß subjektive Interesse des Beigeladenen an einer bestmöglichen wirtschaftlichen Ausnutzung des Baugrundstücks erwogen (vgl. Molodovsky, a. a. O., Art. 63 Rn. 32), sondern auf das objektivierbare Interesse des Bauherrn an einem Bauvorhaben auf einer bislang als Parkplatz genutzten Fläche abgestellt, das sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung spannungslos in die maßgeblich prägende nähere Umgebung einfüge. Dieses objektivierbare Bauherreninteresse entspricht der städtebaulichen Intention der Antragsgegnerin, die die bauliche Fortentwicklung des S.-wegs als zu begrüßenden Lückenschluss und eine Reduzierung des Bauvorhabens beispielsweise hinsichtlich der Höhenentwicklung aus städtebaulicher und bauplanungsrechtlicher Hinsicht als Fehlentwicklung wertet. Hiergegen ist nichts zu erinnern, weil auch hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B. v. 4.6.2007 - 25 CS 07.940 - juris Rn. 12 m. w. N.).

ff) Der Vortrag der Antragstellerin, die offene Tiefgarage tangiere ein erklärtes Schutzziel des Abstandsflächenrechts, nämlich den nachbarlichen Wohnfrieden, weil es über Reflexionen zu einer Erstreckung des Lärms auf das Grundstück der Antragstellerin kommen könne, verhilft ihrer Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Vermeidung anlagenbezogener Lärmwirkungen (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) als Unterfall des sozialen Wohnfriedens ein Schutzzweck des Abstandsflächenrechts ist (vgl. Molodovsky/Kraus, a. a. O., Art. 6 Rn. 6 m. w. N.; kritisch zum Schutzziel Sozialabstand Happ, „Abstandsfläche, Abweichung, Sozialabstand“, BayVBl. 2014, 65). Denn jedenfalls vermittelt das Bauordnungsrecht keinen über das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot hinausgehenden Schutzanspruch des Nachbarn vor anlagenbezogenen Lärmwirkungen. Zu den Lärmwirkungen der Tiefgarage wurde bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Az. RO 2 S 13.1715) die „Immissionsschutzfachliche Stellungnahme zu Stellplätzen“ des Umwelt- und Rechtsamts der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2013 vorgelegt, die aus Anlass des Vorbringens der Antragstellerin im Schriftsatz vom 15. Oktober 2013 (Antrag im Verfahren RO 2 S 13.1715) eingeholt wurde. In diesem Schriftsatz hatte die Antragstellerin ebenso vorgetragen, dass die unmittelbar nördlich bzw. östlich angrenzenden Stellplätze in der offenen Tiefgarage unerträgliche Lärmbelästigungen entfalten würden und aufgrund der „geradezu fluchtartigen Nachbarschaftssituation“ davon auszugehen sei, dass es zu zahlreichen und wechselseitigen Reflexionen komme. Hiervon ausgehend hat das Umwelt- und Rechtsamt der Antragsgegnerin die Immissionssituation bewertet und zusammenfassend festgestellt, dass der Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel im Mischgebiet von 60 dB(A) und der Richtwert für kurzzeitige Geräuschspitzen von 90 dB(A) jeweils zur Tagzeit an der nächstgelegenen schutzbedürftigen Bebauung sicher eingehalten werden könne. In der Nachtzeit dürfen die Stellplätze der Tiefgarage auflagengemäß nicht angefahren werden. Mit dieser nachvollziehbaren Bewertung der Lärmsituation durch den behördlichen Immissionsschutz setzt sich die Antragstellerin nicht substantiiert auseinander.

Soweit die Antragstellerin ergänzend darauf hinweist, hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit sei keineswegs von einem Mischgebiet, sondern „eher von einem (jedenfalls allgemeinen) Wohngebiet auszugehen“, trifft die zur Begründung dieser Auffassung aufgestellte Behauptung, „die nähere Umgebung (im S-weg) stellt ausnahmslos Wohnbebauung dar“, schon angesichts der bereits bestehenden Hotelnutzung in der ehemaligen Polizeistation auf dem Baugrundstück nicht zu.

gg) Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 16. Mai 2014 umfassend auch die Belange des Denkmalschutzes geprüft und die nach Art. 6 Abs. 1 DSchG an sich erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis mit Zustimmung der unteren Denkmalschutzbehörde ersetzt (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG). Dabei ist sie zwar nicht der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege vom 14. Mai 2013 gefolgt, wonach „die Freihaltung der beiden rückwärtigen Grundstücke von einer Wohnbebauung“ ein denkmalpflegerisches Ziel sei und allenfalls ein Baurecht für ein Nebengebäude entsprechend der Bebauung von 1811/1937 bestehe. Die Antragsgegnerin hat ihre aus denkmalpflegerischer Sicht abweichende Auffassung aber ebenfalls nachvollziehbar begründet. Danach treffe es nicht zu, dass der Zwinger im besagten Raum gänzlich ungestört von Bebauung gewesen sei, was sich bereits aus dem Urkataster ergebe (wovon im Übrigen auch das Landesamt für Denkmalpflege ausgeht). Auch manifestiere die derzeit geteerte Parkierungsfläche einen unbefriedigenden Zustand. Schließlich seien die mit dem Vorhaben verbundene Freilegung und Sanierung der Zwingermauer aus denkmalpflegerischer Sicht als Bereicherung zu werten. Letztlich kann es dahinstehen, welche Bewertung den denkmalpflegerischen Belangen unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen des Bauherrn am ehesten gerecht wird und ob sich die vom Landesamt für Denkmalpflege favorisierte Beschränkung der Bebauung auf ein Nebengebäude angesichts der planungsrechtlichen Bebaubarkeit des Grundstücks des Beigeladenen durchsetzen lässt. Denn jedenfalls führen allein die unterschiedlichen Auffassungen zu einer dem Denkmalschutz gerecht werdenden Bebauung auf dem Baugrundstück noch zu keiner Verletzung des öffentlichen Belangs der Denkmalpflege i. S. d. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO, die gerade gegen die erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sprechen könnten. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine Beeinträchtigung ihrer „aus dem vorletzten Jahrhundert“ stammenden Gebäude einwendet, wird nicht aufgezeigt, worin eine erhebliche Beeinträchtigung von deren Denkmalwürdigkeit zu sehen ist. Die von der Antragstellerin zum Beleg ihrer Behauptung vorgelegte Skizze des Vorhabens und ihres Gebäudes (Anlage 8) lässt eine derartige Beeinträchtigung jedenfalls nicht erkennen.

hh) Der Vortrag, das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass „die Tiefe der Abstandsflächen mit doch erheblicher Reichweite auf dem Nachbargrundstück liegt (über 5 m)“, trifft nicht zu. In den den Gründen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung werden die Maße der verkürzten Abstandsflächen genauso angegeben wie die für die Berechnung der Abstandsflächen anzusetzenden Wandhöhen (vgl. S. 15 d. BA; s. auch Grundrissplan sowie Nr. 2 des Bescheids vom 16. Mai 2014). In dem mit Genehmigungsvermerk versehenen Lageplan „Abstandsflächen - geplantes Gelände“, auf den das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, ist die Überschreitung zeichnerisch dokumentiert; in den Gründen des Bescheids werden die Überschreitungen auch rechnerisch ausgewiesen (vgl. Bescheid vom 16. Mai 2014 S. 10; S-weg ... zwischen 3,233 m und 4,97 m; S-weg ... zwischen 4,959 m und 5,431 m). Soweit eingewandt wird, eine Überschreitung von über 5 m spreche gegen die Zulassung einer Abweichung, so führt auch dieser Vortrag nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die Zulassungsfähigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften bemisst sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, sie lässt sich aber nicht pauschal in Metern angeben, wie die baulichen Verhältnisse auf dem Antragstellergrundstück zeigen. So hat die Antragsgegnerin ermittelt, dass das Gebäude der Antragstellerin (Platz der Einheit 1) eine Wandhöhe von ca. 18 m aufweist, auf eigenem Grund aber nur einen Abstand zur Grenze des Baugrundstücks von 2,50 m/2,75 m (an der abgeschrägten Hausecke) bzw. zwischen 5 m bis 6 m einhält.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sie mit ihrer Beschwerde unterlegen ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Nachdem der Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) und folgt insoweit der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 913/6 Gemarkung …, das von Süden an die Kreisstraße ... grenzt. Die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindliche Bebauung entlang der Kreisstraße, zu der das Grundstück der Klägerin gehört, ragt spornartig in den Außenbereich hinein. Nordwestlich des Anwesens der Klägerin und jenseits der Kreisstraße befinden sich u.a. die Vorhabensgrundstücke FlNr. 621, 627 und 628, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ der Beigeladenen zu 2. liegen. Westlich hiervon schließen sich die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Gewerbegebiet … II“ und „Gewerbegebiet …“ an. Bezüglich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anhängig (1 N 15.840), über das noch nicht entschieden ist.

Unter dem 20. April 2015 beantragte die Beigeladene zu 1. eine Baugenehmigung für den „Neubau einer Produktionshalle mit Brauerei und deren zugehörige Logistikhalle, Büros, Bewirtungsraum und einem Getränkeladen (…)“ auf den Grundstücken FlNrn. 621, 627 und 628. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist die Errichtung einer etwa 40 m x 75 m großen Halle (Firsthöhe 11,40 m) mit Stellplätzen geplant. Die Halle ist in drei Abschnitte gegliedert. Im südöstlichen, der Klägerin zugewandten Teil befindet sich der Fertigungsbereich der Firma B... GmbH, in dem mittels Metallbearbeitungsmaschinen Brauereianlagen hergestellt werden sollen. Im nordwestlichen und im mittleren Teil soll durch die Firma C... GmbH eine kleine Brauerei mit Flaschenabfüllanlage und Bewirtungsraum sowie ein Getränkeladen betrieben werden; an der Nordost-Seite sind im Wesentlichen Kühlräume und Büros angeordnet. Dem Bauantrag lagen u.a. eine Betriebsbeschreibung vom 30. April 2015 sowie eine Lärmprognose der S... GmbH vom 22. April 2015 zu Grunde. Das Wohnhaus der Klägerin auf dem Grundstück FlNr. 913/6 ist von dem Bauvorhaben ca. 135 m Luftlinie entfernt.

Gegen die der Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 12. Mai 2015 erteilte Baugenehmigung erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am … Juni 2015 Klage zum Verwaltungsgericht München, zunächst mit dem Antrag, die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 aufzuheben. Die Klägerin werde durch die Baugenehmigung in ihren nachbarlichen Rechten verletzt, insbesondere unzumutbaren Geräusch- und Geruchsbelästigungen ausgesetzt.

In der Klagebegründung wird unter Berufung auf gutachterliche Stellungnahmen des von der Klägerin beauftragten Sachverständigenbüros M... AG vom 22. April 2015 und vom 23. September 2015 u.a. ausgeführt, dass die der Baugenehmigung zu Grunde liegende immissionsfachliche Beurteilung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei. Schon die Annahme des Lärmschutzniveaus eines Mischgebiets sei unzutreffend. Das Anwesen der Klägerin liege im unbeplanten Innenbereich in einem reinen Wohngebiet und könne deshalb die Einhaltung besserer Immissionsschutzwerte als die eines Mischgebiets beanspruchen. Die Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand bis zu 500 m vom Betriebsgrundstück würden nicht berücksichtigt. Wesentliche Lärmquellen seien nicht im zutreffenden Umfang erfasst worden, nämlich die betriebsbedingten Fahrbewegungen von PKWs und LKWs, der Gabelstaplerbetrieb, Lärm beim Abholen und beim Austausch der Wertstoffbehälter usw. Es sei auch ein zu niedriger Impulshaltigkeitszuschlag bei den Verkehrsgeräuschen angenommen worden. Bei der Erarbeitung der Geräuschkontingente für den Bebauungsplan „Gewerbegebiet … III“ seien wesentliche Fehler gemacht worden, insbesondere die Vorbelastungen durch das benachbarte „Gewerbegebiet … II“ und durch die südlich gelegenen Sport- und Schulnutzungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Baugenehmigung sei im Hinblick auf die Auflagen zum Immissionsschutz nicht hinreichend bestimmt.

Zur weiteren Begründung der Klage nimmt der Klägerinbevollmächtigte Bezug auf seine Ausführungen zu dem Antrag der Beigeladenen zu 1. nach § 80 Abs. 7 VwGO (M 1 S7 16.3394 und 1 CS 16.2051).

Die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Schutzniveau sei zutreffend bestimmt worden. Der fragliche Bereich, in dem das Anwesen der Klägerin liege, sei in Übereinstimmung mit der Obersten Baubehörde als im Außenbereich liegend eingestuft worden. Selbst wenn man aber von einer Innenbereichslage ausgehe, komme wegen der unmittelbaren Lage des fraglichen Bereichs an den beiden Kreisstraßen ... und ..., wegen seiner Randlage zu intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen und auch wegen der in der Nachbarschaft befindlichen, seit längerer Zeit bestehenden Gewerbegebiete „… II“ und „…“ keinesfalls das Schutzniveau eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebiets in Betracht. Die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Lärmschutzprognosen hätten sehr wohl sämtliche Lärmquellen berücksichtigt, die von der Klägerin gerügten Fehler in den Prognosen lägen nicht vor.

Auf Antrag des Bevollmächtigten der Klägerin vom … Oktober 2015 hin hat das Gericht mit Beschluss vom 10. Februar 2016 im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 angeordnet (M 1 SN 15.4734), weil der Baugenehmigungsbescheid vom 12. Mai 2015 in Ermangelung einer ausreichenden Beschreibung des Betriebsumfangs und -ablaufs voraussichtlich zu unbestimmt sei und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt werde.

Der Beklagte modifizierte mit Bescheid vom 29. März 2016 „zur Konkretisierung und Ergänzung des Baugenehmigungsbescheids“ den Bescheid vom 12. Mai 2015 in seinen immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen (Ergänzungsbescheid). Dem lagen die Fortschreibungen der Betriebsbeschreibung, des Freiflächenplans 2 und des Aufstellungsplans für Maschinen, jeweils vom 10. März 2016, sowie eine aktualisierte schalltechnische Untersuchung der S... GmbH vom 16. März 2016 zu Grunde.

Der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch den Ergänzungsbescheid seien die gerügten Bestimmtheitsmängel der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 geheilt worden. Auch die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen seien eingehalten, wie sich aus der dem Ergänzungsbescheid zu Grunde liegenden aktualisierten schalltechnischen Stellungnahme des Ingenieurbüros S... GmbH vom 16. März 2016 ergebe. Weiter werde im Hinblick auf die Belastung durch den Zu- und Abgangsverkehr klargestellt, dass dieser von Norden her abgewickelt werde, nämlich über den vom Anwesen der Klägerin weiter entfernten nördlichen Abschnitt der Straße „…“ im Bereich von FlNr. 627, und nicht aus südlicher Richtung. Dies entspreche der am 19. Januar 2015 beschlossenen und am 8. April 2016 in Kraft getretenen Satzung der Gemeinde über das ergänzende Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB zur Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … III“ unter gleichzeitiger 3. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … II“.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2016 machte der Beklagte weitere Ausführungen zu der durch den Ergänzungsbescheid geänderten tatsächlichen und rechtlichen Lage und nahm auch zu den vom Vorhaben ausgehenden Geruchsimmissionen Stellung. Auch insoweit seien unzumutbare Belastungen für die Klägerin ausgeschlossen.

Am 20. April 2016 fand die erste mündliche Verhandlung statt; auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Im Nachgang zur ersten mündlichen Verhandlung legte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. zusätzliche Erläuterungen der S... GmbH vom 22. April 2016 zu ihrer schalltechnischen Untersuchung vom 16. März 2016 vor. Darin wird zur angenommenen Prognose eines Halleninnenpegels von 85 dB(A) Stellung genommen. Außerdem wird ausgeführt, dass selbst bei einer Einstufung des Anwesens der Klägerin als in einem allgemeinen Wohngebiet liegend die Immissionswerte der TA Lärm nicht nur eingehalten, sondern sogar um 6 dB(A) unterschritten würden.

Auf den Antrag des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vom 4. April 2016 änderte die Kammer mit Beschluss vom 27. Mai 2016 auf das Anerkenntnis der Klägerin hin den Beschluss vom 10. Februar 2016 und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. Juni 2015 nunmehr insoweit ab, als er die Errichtung des Vorhabens und die Baufertigstellung betraf (M 1 S7 16.1570). Was den Betrieb des Vorhabens anging, nahm die Beigeladene zu 1. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Beschluss vom 10. Februar 2016 zunächst weiter hin.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016 suchte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erneut um einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht nach und beantragte, unter Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 10. Februar 2016 den Antrag der Klägerin nunmehr auch insoweit - und damit restlos - abzulehnen, als er die Inbetriebnahme des Vorhabens betrifft.

Zur Begründung seines Eilantrags führte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. im Wesentlichen aus, diese habe mit Schreiben vom 29. Juli 2016 gegenüber dem Beklagten unwiderruflich erklärt, die Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 lediglich nach Maßgabe verschiedener Einschränkungen im betrieblichen Ablauf zu nutzen; dabei sei klargestellt worden, dass diese Erklärung einen teilweisen Verzicht auf den Inhalt der Baugenehmigung darstelle (Verzichtserklärung vom 29.7.2016). Der Teilverzicht auf Inhalte der baurechtlichen Bescheide führe auf dem Wohngrundstück der Klägerin zur Einhaltung des Immissionsrichtwerts „Tag“ für allgemeine Wohngebiete auch in den Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit.

Die Klägerin wandte sich gegen den Eilantrag der Beigeladenen zu 1. Durch die formlose Erklärung gegenüber dem Beklagten vom 29. Juli 2016 entstehe für sie keine günstigere Situation, insbesondere werde damit der Baugenehmigungsbescheid nicht abgeändert oder inhaltlich verändert. Diese Erklärung sei vielmehr als neuer Bauantrag, möglicherweise auch als Tektur zu werten. Die Beigeladene zu 1. versuche auf diese Weise, ein anderes, verändertes Bauvorhaben mit einem zeitlich veränderten Lieferverkehr, PKW-Verkehr sowie Änderungen bei der Benutzung der Abfallcontainer darzustellen. Die bisherige Lärmbewertung durch den Beklagten und die Beigeladene zu 1. sei fehlerhaft und unterschätze die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmemissionen erheblich. Falsch und bisher nicht nachvollziehbar sei ein Halleninnenpegel von 85 dB(A) angesetzt worden. Es sei keine „worst-case-Betrachtung“ angestellt worden. Es werde bestritten und sei unglaubhaft, dass von vergleichbaren Projekten zahlreiche Messwerte von Halleninnenpegeln vorlägen. Auch sei die Bewertung des Lärms, der dadurch entstehe, dass das Hallengebäude entlang der Süd-, Ost- und Nordseite umfahren werden könne, wie sich bei Betrachtung der Pläne in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 herausgestellt habe, bisher nicht hinreichend in der Lärmprognose berücksichtigt worden. Es bestehe weiterhin die begründete Befürchtung, dass entgegen den Bekundungen der Beigeladenen zu 1. doch eine Zufahrt von Südosten entstehen solle. Zudem mangele es daran, dass die Lärmvorbelastung, die am Grundstück der Klägerin bestehe, nicht hinreichend bei der Festlegung der Lärmgrenzwerte berücksichtigt worden sei. Auch handle es sich hinsichtlich der Geräuschquellen an den Wertstoffcontainern nicht um eine „worst-case-Betrachtung“. Insbesondere fehle es am Ansatz von Kühlaggregaten, mit denen zumindest ein Teil der LKW ausgestattet sei. Zudem sei der Maschinenaufstellplan weiterhin unbestimmt und lasse eine konkrete Ermittlung und Bewertung des Lärms nicht zu; auch die Auflage, Türen, Tore und Lüftungsklappen nicht länger als vier Stunden am Tag offen stehen zu lassen, sei unbestimmt und nicht vollziehbar. Die Zahl der PKW-Stellplätze sei zu niedrig angesetzt worden, da weit mehr Mitarbeiter beschäftigt würden und zudem Besucher von Brauereiführungen sowie sonstige Gäste dabei nicht berücksichtigt seien. Auch sei der Lärmpegel für die Gastronomie und der dazugehörige Personenkreis nicht zutreffend ermittelt worden. Die Lärmprognose unterschätze den durch das Bauvorhaben entstehenden Lärm auch deshalb, weil im Gutachten lediglich die Einsatzdauer der Gabelstapler im Südosten mit 30 Minuten pro Tag berücksichtigt worden sei. Dies sei unzureichend. Schließlich sei nicht plausibel dargelegt, dass es am Anwesen der Klägerin nicht zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen durch das Brauereivorhaben komme. Ein Geruchsgutachten sei zwingend erforderlich.

Mit weiterem Schriftsatz vom … August 2016 wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen im Eilverfahren. Sie legte eine schalltechnische Stellungnahme der M... AG vom 12. Mai 2016 sowie eine schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern zu einem anderen Vorhaben vom 21. Februar 2008 und verschiedene Fotos vor.

Die Beigeladene zu 1. legte im Eilverfahren eine weitere schalltechnische Stellungnahme der S... GmbH vom 30. August 2016 vor.

Mit Beschluss vom 7. September 2016 gab das Gericht dem zweiten Abänderungsantrag der Beigeladenen zu 1. statt (M 1 S7 16.3394). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen von der Klägerin erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 19. Januar 2017 zurück (1 CS 16.2051).

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016 im vorliegenden Klageverfahren trug der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. unter anderem vor, dass der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 von der Klägerin nicht angefochten und nicht in das Klageverfahren einbezogen worden sei, obwohl der Bevollmächtigte der Klägerin in der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 von der Vorsitzenden ausdrücklich auf diesen Punkt hin angesprochen worden und ihm zu einer entsprechenden Erklärung eine Schriftsatzfrist eingeräumt worden sei; diese Frist sei ungenutzt verstrichen. Die Klage sei schon deswegen abzuweisen.

Der Beklagte monierte ebenfalls die fehlende Einbeziehung des Ergänzungsbescheides und machte weitere Ausführungen zu Details des Betriebsablaufs des Vorhabens und der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung.

Mit Schriftsatz vom 6. März 2017 legte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. den Messbericht der Firma S... GmbH zu der zwischen dem 30. Januar 2017 und dem 6. Februar 2017 stattgefundenen und von den Nebenbestimmungen der Baugenehmigungen geforderten messtechnischen Bestimmung des Halleninnenpegels vom 20. Februar 2017 vor.

Die zweite mündliche Verhandlung fand am 14. März 2017 statt, in der insbesondere auch der Ablauf der Halleninnenpegelmessung besprochen wurde; auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Zuletzt stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den Klageantrag

aus dem Schriftsatz vom 10. Juni 2015 - Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids vom 12. Mai 2015 - mit der Maßgabe, dass Gegenstand der Anfechtungsklage auch der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 ist, und in Gestalt der Verzichtserklärung vom 29. Juli 2016. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch auf die der Eilverfahren M 1 SN 15.4734, M 1 S7 16.1570 und M 1 S7 16.3394, verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Klage ist unzulässig (Nr. 1). Im Übrigen wäre sie auch unbegründet (Nr. 2).

1. Die Klage ist unzulässig.

Die Klägerin hat den Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 nicht fristgerecht angefochten (a), weswegen die aus dem Ausgangsbescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016 bestehende Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben Bestandskraft erlangt hat und einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle nicht mehr zugänglich ist (b).

a) Ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Bevollmächtigten der Klägerin wurde diesem am 7. April 2016 der an die Beigeladene zu 1. gerichtete Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 zugestellt (siehe Bl. 1267 der Bauakten). Es ist unschädlich, dass in dem vom Landratsamt an den Bevollmächtigten verschickten Formular des ausgefüllt zurückzusendenden Empfangsbekenntnisses als Datum des zuzustellenden Bescheids versehentlich der 12. Mai 2015, also das Datum der Ursprungsgenehmigung, und nicht das Datum des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 genannt ist. Denn dem Empfangsbekenntnis-Formular lag unbestritten der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 bei (vgl. Bl. 1221 ff. der Bauakte). Im Übrigen wurde die vom Bevollmächtigten der Klägerin rechtzeitig mit Anfechtungsklage angefochtene Ursprungsgenehmigung vom 12. Mai 2015 nicht individuell, sondern über den Weg der öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 und Satz 6 BayBO zugestellt (siehe Bl. 338 und Bl. 356 der Bauakte). Auch daraus ergibt sich, dass der Bevollmächtigte der Klägerin am 7. April 2016 den Empfang des späteren Ergänzungsbescheids und nicht der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 bestätigte. Der Bevollmächtigte der Klägerin kann auch nicht einwenden, der Ergänzungsbescheid sei ihm nicht im Rahmen seines Mandatsverhältnisses zur Klägerin, sondern nur im Verhältnis zu einem weiteren Mandanten, für den er ebenfalls gegen das Bauvorhaben Nachbarklage erhoben hat (siehe Parallelverfahren M 1 K 16. 2131), zugestellt worden. Ein Mandatsverhältnis war dem Landratsamt nur im Hinblick auf die Klägerin angezeigt worden (siehe Vollmacht vom 10.6.2015, Bl. 358 der Bauakte), nicht aber im Hinblick auf die andere Mandantschaft. Deshalb wurde der Ergänzungsbescheid an die Klägerin zutreffend über ihren Bevollmächtigten mittels Empfangsbekenntnisses, an die andere Mandantschaft des Bevollmächtigten aber direkt mittels Postzustellungsurkunde, und zwar am 6. April 2016, zugestellt (siehe Bl. 1229 und 1259 der Bauakte). Erst nach Zustellung an die andere Mandantschaft zeigte der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung für die andere Mandantschaft an (siehe Bl. 1 und Bl. 2 der Gerichtsakte im Parallelverfahren M 1 K 16.2131). Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 wurde also am 7. April 2016 dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Wirkung für diese zugestellt.

Innerhalb der am 7. April 2016 beginnenden und am Montag, den 8. Mai 2016 endenden Monatsfrist des § 74 VwGO für die Erhebung der Klage gegen den Ergänzungsbescheid wurde Klage nicht erhoben. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat auch den Ergänzungsbescheid nicht innerhalb dieser Frist im Wege der Klageerweiterung nach § 91 VwGO in das gegen den Erstbescheid vom 12. Mai 2015 gerichtete laufende gerichtliche Klageverfahren einbezogen, worin eine Erhebung der Klage gegen den Ergänzungsbescheid zu sehen wäre. Ein solcher einbeziehender Akt ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erforderlich, soll ein den angefochtenen Ursprungsbescheid ergänzender Bescheid Gegenstand des laufenden Klageverfahrens werden; ein ergänzender Bescheid wird nicht automatisch Gegenstand des gegen den ergänzten Bescheid gerichteten laufenden Klageverfahrens (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2016, § 79 Rn. 17 m.w.N.; Simon/Busse, BayBO, Stand 2016, Art. 68 Rn. 638; OVG Lüneburg, B.v. 18.12.2015 - 8 B 253/15 - juris Rn. 3; VG München, U.v. 21.1.2016 - M 11 K 14.3066 - juris Rn. 39; Kraft, BayVBl. 1995, 519/523 und 524). Eine solche Einbeziehung des Ergänzungsbescheids hat der Bevollmächtigte der Klägerin weder explizit noch konkludent vorgenommen. Vielmehr hat in der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016, also innerhalb offener Klagefrist, die Vorsitzende den Bevollmächtigten ausdrücklich danach gefragt, ob er den Ergänzungsbescheid in das laufende Klageverfahren einbeziehen wolle und ihm zu einer entsprechenden Erklärung eine Schrifsatzfrist eingeräumt (siehe Niederschrift über die erste mündliche Verhandlung vom 20.4.2016 und Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. vom 1.8.2016, Bl. 159 der Gerichtsakte). Die Frist verstrich ungenutzt. Erst in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017, also weit außerhalb der Klagefrist, beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin die Aufhebung auch des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016.

b) Infolge der nicht fristgerechten Anfechtung des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016 wurde dieser bestandskräftig. Seine den Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 in dessen Nebenbestimmungen zum Lärmschutz und den zu Grunde liegenden Bauunterlagen modifizierenden Regelungen sind damit verbindlich und können vom Gericht nicht mehr inhaltlich überprüft werden. Soweit der Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 nicht durch den Ergänzungsbescheid geändert wurde, ist das Rechtsschutzbedürfnis für seine isolierte Anfechtung weggefallen. Die beiden Bescheide sind in ihrem Regelungsgehalt untrennbar aufeinander bezogen. Seit dem Erlass des Ergänzungsbescheids gibt es nur noch eine nicht weiter teilbare, einheitliche Baugenehmigung für das streitbefangene Vorhaben, nämlich den Ursprungsbescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 29. März 2016. Nur wenn beide Bescheide ordnungsgemäß angefochten sind, kann das Gericht in eine inhaltliche Kontrolle der baugenehmigungsrechtlichen Grundlage des Vorhabens eintreten.

2. Selbst wenn - wie nicht - die Klage zulässig wäre, wäre sie unbegründet.

Der Bescheid vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren nachbarlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin wird durch das Vorhaben keinen unzumutbaren Lärm- oder sonstigen Belästigungen ausgesetzt.

Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets - hier des Bebauungsplangebiets „Gewerbegebiet … III“ - belegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 6). Bei Lärmimmissionen sind Maßstab für die danach hinzunehmenden Belästigungen § 22 BImSchG i.V.m. den Regelungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm (statt aller König, Baurecht Bayern, 2015, Rn. 417 ff., 422 und 423).

Das Gericht hat in seinem Beschluss vom 7. September 2016 (M 1 S7 16.3394) im Detail herausgearbeitet, dass nach summarischer Prüfung keine immissionsschutzrechtlichen Bedenken gegen das Vorhaben bestehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beschluss bestätigt (B.v. 19.1.2017 - 1 CS 16.2051 - juris).

Die Feststellungen im Eilverfahren haben auch im Hauptsacheverfahren Bestand.

Die nunmehr zur vorsorglichen Absicherung des Immissionsrichtwertes für allgemeine Wohngebiete in den werktäglichen Ruhezeiten während der Tagzeit (d. h. zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 und 22.00 Uhr) von 49 dB(A) (vgl. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d i.V.m. Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der TA Lärm) mit Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 bezüglich der Baugenehmigung vom 12. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. März 2016 (nebst Prozesserklärung vom 20. April 2016) gegenüber dem Beklagten verbindlich erklärten Betriebszeitenbegrenzungen für den Lieferverkehr, den Besucherverkehr mit Omnibussen und die Befüllung und Abholung von Wertstoffcontainern (Verzichtserklärung) schließen eine mögliche unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin durch Schallimmissionen aus. Ein Überschreiten der genannten Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm war bislang jedenfalls insoweit nicht ausreichend belastbar auszuschließen, als durch den Betrieb des streitbefangenen Vorhabens während der Tagzeit die Möglichkeit einer werktäglichen Richtwertüberschreitung nach Nr. 6.5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der TA Lärm bestanden hat, unterstellt das Wohnhaus der Klägerin auf dem Grundstück FlNr. 913/6 liege bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 4 BauNVO ( vgl. Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm). Durch die verbindliche Erklärung der Beigeladenen zu 1. vom 29. Juli 2016 kann sichergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2006 - 4 B 80/05 - juris Rn. 5), dass der Betrieb des streitbefangenen Vorhabens - soweit von ihm zwischen 6.00 und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 und 22.00 Uhr bislang die Gefahr von werktäglichen Richtwertüberschreitungen für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit ausgehen konnte - von der Beigeladenen zu 1. rechtsverbindlich so durchgeführt wird, dass diese Gefahr hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann (vgl. Schalltechnische Stellungnahme der S... GmbH vom 16. März 2016 mit ergänzenden Erläuterungen vom 22. April, 8. Juli und 30. August 2016). Eine Beeinträchtigung der Klägerin in Gestalt einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm ist von daher nicht mehr zu befürchten. Dies gilt, wie erwähnt, sogar unter der Annahme, dass das Grundstück der Klägerin im Innenbereich in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Indes dürfte diese für die Klägerin günstige Annahme nicht haltbar sein. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Beschluss vom 19. Januar 2017 (1 CS 16.2051) ausgeführt, dass viel dafür spricht, dass dem Grundstück der Klägerin nicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets zusteht, sondern dieses als Teil des Außenbereichs nur das Schutzniveau eines Mischgebiets nach Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm beanspruchen könne. Unter Zugrundelegung des wohl realistischen Schutzniveaus eines Mischgebiets für das Anwesen der Klägerin bestünde erst Recht kein Zweifel daran, dass sie keinen im Sinne der Vorgaben der TA Lärm unzumutbaren Immissionsbelastungen ausgesetzt ist.

Dieses immissionsschutzrechtliche Ergebnis wird getragen durch eine Vielzahl schalltechnischer Gutachten, insbesondere die Stellungnahme der S... GmbH vom 16. März 2016, die zusätzlichen Erläuterungen hierzu vom 22. April 2016 (insbesondere zum Halleninnenpegel) und den Bericht über die messtechnische Bestimmung des Halleninnenpegels vom 20. Februar 2017, sowie die Stellungnahme des Beklagten vom 30. August 2016. Der immissionsschutzrechtlichen und immissionsschutzfachlichen Beurteilung des Vorhabens liegen entgegen der Auffassung der Klägerin keine falschen bzw. unrealistischen Annahmen oder methodische oder sonstige Fehler der Gutachten zu Grunde. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:

a) Der Ansatz des Halleninnenpegels von 85 dB(A) als Maßstab für die Lärmentwicklung in der streitgegenständlichen Halle und als wichtige Einflussgröße für die nachbarliche Immissionsbelastung ist realitätsnah. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017 hat die Höhe des Halleninnenpegels lediglich Auswirkungen auf einen Teil der an den Immissionsorten einwirkenden Geräuschquellen und deren Teilpegel an den Immissionsorten. Die von der Klägerin in Bezug genommene schalltechnische Stellungnahme der Handwerkskammer für München und Oberbayern vom 21. Februar 2008, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, ist zu einem anderen Vorhaben erstellt worden; ihr kann keine grundsätzliche Aussage des Inhalts entnommen werden, dass der vorliegend zugrunde gelegte Halleninnenpegel zu niedrig wäre (siehe hierzu Stellungnahme der S... GmbH vom 30.8.2016, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, S. 2). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beigeladene zu 1. sich zum Halleninnenpegel neben Erkenntnissen aus vergleichbaren Projekten auf die Auswertung „Handwerk und Wohnen“ des TÜV Rheinland sowie auf orientierende Kurzzeitmessungen des Halleninnenpegels in der bestehenden Produktionshalle stützt (zur Auswertung des TÜV Rheinland vgl. die Stellungnahme der S... GmbH vom 22.4.2016, vorgelegt im Verfahren M 1 SN 16.3394, S. 2). Hinzu kommt, dass Nummer 7 des Ergänzungsbescheids vom 29. März 2016 in Ergänzung von Nummer II.3 des Ursprungbescheids vom 12. Mai 2015 anordnet, dass die mittleren Halleninnenpegel der Produktionshalle und im Bereich „Brauerei“ einen Wert von 85 dB(A) nicht überschreiten dürfen und dies innerhalb von sechs Monaten nach der Nutzungsaufnahme durch Abnahmemessungen zu belegen ist. Dadurch wird die Einhaltung des zu Grunde gelegten Pegels vollziehbar sichergestellt. Die Abnahmemessung bei Echtbetrieb hat bereits stattgefunden. Nach dem Bericht der S... GmbH vom 20. Februar 2017 haben die zwischen dem 30. Januar 2017 und dem 6. Februar 2017 durchgeführten Messungen ergeben, dass der festgelegte Halleninnenpegel von 85 dB(A) selbst bei einer theoretischen Arbeitsdauer von 16 Stunden und durchgehendem Vollbetrieb in beiden Hallenabschnitten mit großer Sicherheit eingehalten ist. Die Messungen waren in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 14. März 2017 Gegenstand der ausführlichen Erörterung mit den Gutachtern und den Beteiligten. Zweifel am Ergebnis der Messungen ergaben sich nicht.

b) Auch der Vortrag der Klägerin zur - aus ihrer Sicht unzureichenden - Berücksichtigung von Fahrgeräuschen durch andere bzw. zusätzliche Fahrwege von (Liefer-)Verkehr auf dem Betriebsgelände führt nicht weiter. Ausweislich der schalltechnischen Untersuchung vom 16. März 2016 (vgl. dort insbesondere Abb. 3) ist eine Umfahrung des Betriebsgeländes ausreichend berücksichtigt; dies wird vom Sachgebiet Immissionsschutz des Landratsamts in seiner Stellungnahme vom 23. August 2016 (dort Seite 2) sowie von der S... GmbH in ihrer Stellungnahme vom 30. August 2016 (dort Seite 4 f.) nochmals ausdrücklich bestätigt. Eine Zufahrt zum Betriebsgelände über die A... Straße, wie die Klägerin sie befürchtet, ist nicht Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung (vgl. insbesondere den genehmigten Lageplan und Freiflächenplan).

c) Soweit sich die Klägerin gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Nichtberücksichtigung von Vorbelastungen durch Sportanlagen wendet, vermag sie damit bereits von Rechts wegen nicht durchzudringen. Nach Nr. 2.4 der TA Lärm ist Vorbelastung die Belastung eines Orts mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die die TA Lärm gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage. Nach Nr. 1 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a der TA Lärm unterfallen Sportanlagen, die nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) zu beurteilen sind, nicht dem Anwendungsbereich der TA Lärm. Mit Blick auf Nr. 1 Satz 1 Hs. 1 der TA Lärm gilt gleiches auch für Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen, soweit nicht Nr. 7.4 der TA Lärm eingreift. Danach stellen Sportanlagen- und anlagenunabhängiger Verkehrslärm grundsätzlich keine Vorbelastung im Sinne der TA Lärm dar. Dies ist dem segmentierenden Regelungssystem des Lärmschutzes in der deutschen Rechtsordnung geschuldet, wonach Anlagenlärm nur nach der TA Lärm bestimmt und beurteilt wird, während für Lärm aus sonstigen spezifischen Quellen ausschließlich das jeweilige spezielle Regelwerk Anwendung findet (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV, 18. BImSchV usw.) und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte für eine die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle des Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) überschreitende, die Gesundheit gefährdende Lärmbelastung, einschließlich der Vorbelastung und des zu erwartenden anlagenbezogenen Lärms, durch einen Dauerschallpegel von 70 dB(A)/tags oder 60 dB(A)/nachts als Folge des Vorhabens bestehen nicht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. vom 13.5.2009 - 9 A 72/07 - NVwZ 2009, 1498).

Nachdem die Geräuschimmissionen sogar den Immissionsrichtwert nach Nr. 6.1. Buchst. d der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete für den Tag um mehr als 6 dB(A) unterschreiten, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin einer Bestimmung der Vorbelastung gemäß Nr. 3.2.1 Unterabs. 2 und 6 Satz 2 i.V.m. Nr. 4.2 Buchst. c der TA Lärm nicht.

d) Auch eine unzumutbare Belastung der Klägerin durch Einzelereignisse im Rahmen des Verkehrs mit LKW auf dem Betriebsgrundstück ist nicht zu besorgen. Die Geräusche, die von Motorstarts, Türenschlagen, Betriebsbremsen u.ä. der LKWs hervorgerufen werden, sind bei der Berechnung der Beurteilungspegel nach dem Inhalt der Gutachten ausreichend berücksichtigt worden (vgl. schalltechnische Beurteilung der S... GmbH vom 16.3.2016, Seite 23 ff. und Seite 37, sowie Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz des Landratsamts vom 23.8.2016, Seite 2, namentlich unter Verweis auf den „Technischen Bericht zur Untersuchung der Geräuschimmissionen durch Lastkraftwagen auf Betriebsgelände von Frachtzentren, Auslieferungslagern, Speditionen und Verbrauchermärkten sowie weiterer typischer Geräusche insbesondere von Verbrauchermärkten“ des Hessischen Landesamts für Umwelt und Geologie - HLUG, 2005). Dabei berücksichtigt die Berechnung vom 16. März 2016 insbesondere auch kurzzeitige Geräuschspitzen sowohl bei den Fahrwegen als auch beim Rangieren (vgl. Seite 25 f.), indem sie entsprechend dem Bericht des HLUG 2005 (dort Seite 16) hierfür den höchsten für Einzelereignisse vorgesehenen Schallleistungspegel von 108 dB(A) für Betriebsbremsen in Ansatz bringt. Hierauf bezieht sich auch die Aussage der S... GmbH in der schalltechnischen Beurteilung vom 16. März 2016 (dort Seite 37), wonach „die LKW-Geräusche Motorstarten, Türenschlagen, Betriebsbremse usw. (…) bereits in den Emissionsansätzen für die LKW-Fahrwege und insbesondere für das Rangieren mit abgedeckt“ sind. Zudem weisen der Beklagte und die Beigeladene zu 1. übereinstimmend zutreffend darauf hin, dass nach der Betriebsbeschreibung in der Fassung ihrer Fortschreibung vom 10. März 2016 ein Betrieb von LKW mit Kühlaggregaten weder vorgesehen ist noch für den genehmigten Betrieb üblich wäre.

e) Auch die Regelungen der Baugenehmnigung zur Anordnung von Maschinen in der Werkhalle sowie über die Öffnung von Türen, Toren und Lüftungsklappen in den Lichtbändern sind sachgerecht und begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der Ergänzungsbescheid vom 29. März 2016 regelt unter Nummer 5 in Ergänzung von Nummer II.3.d des Ausgangsbescheids vom 12. Mai 2015 zum einen, dass Türen, Tore und Lüftungsklappen in den Lichtbändern pro Tag nicht länger als vier Stunden offen stehen dürfen und zum anderen, dass die Einhaltung dieser Vorgabe durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen ist. Diese Nebenbestimmung ist entgegen der Auffassung der Klägerin ausreichend bestimmt und zudem auch vollziehbar (so auch BayVGH, B.v. 19.1.2017 - 1 CS 16.2051 - juris Rn. 7). Die Einsatzorte der mobilen Maschinen sind zum anderen bereits nach der Natur der Sache ihres Einsatzzwecks nicht vorab bestimmbar. Im Übrigen sind diese Regelungen geeignet, die Beschränkung der Immissionsbelastung auf ein für die Klägerin nach der TA Lärm zumutbares Maß zu gewährleisten (siehe oben vor Buchst. a).

f) Auch hinsichtlich der von der S... GmbH in Ansatz gebrachten Anzahl der PKW-Bewegungen sowie bezüglich der sonstigen Fahrbewegungen durch Omnibusse und LKW ist nichts zu erinnern. Nachvollziehbar wird in der Stellungnahme vom 30. August 2016 darauf hingewiesen, dass die Zahl von 700 PKW-Bewegungen werktäglich ausreichend konservativ gewählt ist, um den Fahrverkehr, der von 120 Mitarbeitern und Besuchern der Schaubrauerei mit Bewirtungsraum und Getränkeladen voraussichtlich ausgelöst wird, zu erfassen. Dies entspricht auch der schalltechnischen Beurteilung vom 16. März 2016, die auf den Seiten 28 ff. entsprechende Berechnungen enthält und sich dabei auf die „Parkplatzlärmstudie“ des Bayerischen Landesamts für Umwelt in der aktuellen Fassung ihrer 6. Auflage vom August 2007 bezieht. Der Stellplatzberechnung (vgl. Blatt 280 der Behördenakten), die im Übrigen nicht als solche, sondern nur im Rahmen des damit zu erwartenden lärmträchtigen An- und Abfahrtsverkehrs nachbarrechtlich relevant ist, hat die Klägerin ebenfalls keine substantiierten Einwendungen, sondern lediglich ihre eigenen nicht näher belegten Hypothesen entgegengesetzt. Gleiches gilt hinsichtlich der Geräuschemissionen, die von der Schaubrauerei mit Bewirtungsraum und Getränkeladen ausgehen. Die schalltechnische Begutachtung vom 16. März 2016 erfasst diese auf der Grundlage der Betriebsbeschreibung vom 10. März 2016, ohne dass hiergegen etwas zu erinnern ist (vgl. Seite 31 f.).

g) Schließlich ist auch gegen die schalltechnische Beurteilung sowohl hinsichtlich des Betriebs der Gabelstapler als auch der Container nichts zu erinnern. Sie berücksichtigt sowohl die relevanten Geräuschquellen an den Containern als auch den Betrieb des Gabelstaplers im Freien in der Weise, wie es die Betriebsbeschreibung vom 10. März 2016 vorsieht (vgl. Seite 32 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom 16.3.2016 i.V.m. Seite 8 der Betriebsbeschreibung vom 10.3.2016 hinsichtlich der Container, Seite 27 ff. der schalltechnischen Beurteilung vom 16.3.2016 i.V.m. Seite 17 zum Betrieb von Gabelstaplern im Freien). Nachvollziehbar weist der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 30. August 2016 (dort Seite 2) darauf hin, dass die Annahme eines 30-minütigen Gabelstaplereinsatzes an der Südostfassade im Lichte der Betriebsbeschreibung nicht zu knapp bemessen ist und es sich auch insoweit um eine „worst-case-Betrachtung“ handelt.

h) Endlich ist auch nicht davon auszugehen, dass das Anwesen der Klägerin im Sinne des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbaren Geruchseinwirkungen ausgesetzt wird. Insoweit wird auf die nachvollziehbaren Ausführungen in den Stellungnahmen des Beklagten vom 14. April 2016 und vom 30. August 2016 (dort Seite 3 unter Nummer VI) Bezug genommen. Dem hatte die Klägerin nichts Substantiiertes entgegenzusetzen; ein gerichtlich beauftragtes Geruchsgutachten war nicht veranlasst.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen eigene Sachanträge gestellt und sich daher in das Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO begeben haben, entspricht es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten der Klägerin aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Der Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 95 %, die Beklagte 5 % der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % der jeweiligen Vollstreckungsschuld abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe jeweils Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Ausbaubeitragsbescheides.

2

Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstückes Kehdenstraße ... im Stadtgebiet der Beklagten. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, ist 425 m² groß und mehrgeschossig bebaut. Durch einen Vertrag aus dem Jahre 1960 erlaubten die damaligen Grundstückseigentümer der Beklagten, einen ca. 102 m² großen Teil des Grundstückes dem Gebrauch als öffentliche Straße zuzuführen, um die Kehdenstraße zu verbreitern und in das Haus Arkaden einzubauen. Die der Beklagten eingeräumte Nutzung erstreckte sich auf die Oberfläche des Bürgersteiges und den darüberliegenden Luftraum unter dem 1. Obergeschoss. Die Eigentümer verpflichteten sich und ihre etwaigen Rechtsnachfolger zur Duldung der damit einhergehenden Beschränkungen und erhielten als Entschädigung einen Betrag von 52.000,00 DM. § 5 des Vertrages sah vor, dass die Beklagte den Einbau der Arkaden auf eigene Kosten veranlasst und die Unterhaltung und Befestigung des Bürgersteiges übernimmt. Im Jahre 1963 wurde zu Gunsten der Beklagten eine entsprechende beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen.

3

Im Jahre 2001 begann die Beklagte, die Neugestaltung des Altstadtbereichs Faul-, Küter- und Kehdenstraße zu planen; die Kehdenstraße sollte im 4. und 5. Bauabschnitt ausgebaut werden. Ziel der Planung war es, die Attraktivität der Altstadt durch Umgestaltung der Verkehrsflächen zu steigern, um so insbesondere die Situation des Einzelhandels zu verbessern. Zwecks Vorfinanzierung wurden die baulichen Veränderungen zum einen der Landesbank Schleswig-Holstein und zum anderen - bezüglich der Kehdenstraße - der Immobilienverwaltungsgesellschaft SH (IVWG) übertragen. Nach dem zu diesem Zweck am 16. Juni 2003 abgeschlossenen Finanzierungsvertrag erstellte die Beklagte die Planunterlagen und die Ausschreibungsunterlagen für den Aus- und Umbau, während die IVWG auf dieser Grundlage die Ausschreibung durchführte und anschließend die Aus- und Umbauarbeiten auf eigene Rechnung veranlasste. Nach § 4 Abs. 3 des Vertrages sollte das für die Fahrbahn und den Parkstreifen benötigte Granitgroßpflaster von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden. Die von der Beklagten und der IVWG aufzubringenden Gesamtkosten wurden im Vertrag auf 614.000,00 € geschätzt. Nach § 11 Abs. 2 sollte die Beklagte der IVWG ihren Aufwand wie folgt erstatten: Die Beklagte führt auf der Grundlage der vorgelegten und geprüften Schlussrechnungen eine Beitragsveranlagung gemäß § 8 KAG für die von der Kehdenstraße erschlossenen Grundstücke durch. Soweit Ausbaubeiträge durch Beitragsbescheide festgesetzt werden, sollten die jeweiligen Ausbaubeiträge nebst städtischem Anteil am beitragsfähigen Aufwand maximal in der Höhe erstattet werden, wie der IVWG Kosten entstanden sind. Für einen anderen Teil der erschlossenen Grundstücke sollte die IVWG den jeweiligen Ausbaubeitrag und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst tragen und mit den jeweiligen Eigentümern Regelungen hinsichtlich einer Rückerstattung treffen. Hinsichtlich der Aufwendungen der Beklagten sollte diese die auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Ausbaubeitragsanteile und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst übernehmen. Für nicht beitragsfähige Maßnahmen sollte jede Vertragspartei die von ihr finanzierten Maßnahmen selbst tragen.

4

Nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme im August 2004 beschloss der Bauausschuss der Beklagten am 02.02.2006, 75 % der beitragsfähigen Kosten auf die Anlieger der Kehdenstraße umzulegen. Im Einzelnen wurden die Gehwege an das neue Niveau angepasst, einheitlich neu gepflastert und mit einer Frostschutzschicht versehen. Die Fahrbahn wurde mit Großpflaster neu befestigt und erhielt einen verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbau. Es wurden Parkstreifen neu angelegt, Baumpflanzungen vorgenommen und die Beleuchtungsanlage dem Erscheinungsbild der Straße angepasst.

5

Mit Bescheid vom 18.09.2006 setzte die Beklagte den für das Grundstück Kehdenstraße ... errechneten Beitragsanteil auf 29.456,54 € fest und zog den Kläger in voller Höhe zur Zahlung heran. Bei der Berechnung legte sie die volle Grundstücksgröße von 425 m² zu Grunde, während bei der Geschossflächenberechnung die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche von 103 m² erst ab dem 1. Obergeschoss berücksichtigt wurde. Auf der Grundlage der so berechneten Gesamtfläche berechnete sie weiter einen grundstücksbezogener Artzuschlag von 30 %. Den gegen die Beitragsfestsetzung am 12.10.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2007 als unbegründet zurück.

6

Am 19.04.2007 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass zur Einrichtung auch der an der Kehdenstraße liegende Anna-Pogwisch-Platz gehöre; dieser diene den Anwohnern der Kehdenstraße als Parkplatz und sei auch nur über die Kehdenstraße zu erreichen. Den Ausbau dieses Platzes habe die Beklagte stets als ein einheitliches Projekt zusammen mit der Kehdenstraße angesehen. In der Folge habe die Beklagte das Abrechnungsgebiet fehlerhaft gebildet. Zum einen seien auch die Anwohner des Anna-Pogwisch-Platzes zu den umlagefähigen Kosten heranzuziehen, zum anderen hätten auch die Hinterlieger der Grundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... zu Beiträgen herangezogen werden müssen, weil auch diese Grundstücke über die Kehdenstraße erschlossen seien. Die an die Holstenbrücke angrenzenden Grundstücke seien über den Eingang im Hause Kehdenstraße ... zu erreichen, auch wenn es sich insoweit nur um einen Nebeneingang handele. Das Grundstück Holstenbrücke ... wickele seinen Zuliefererverkehr im Übrigen hauptsächlich über die Kehdenstraße ab.

7

Die Einstufung der Kehdenstraße als Anliegerstraße sei fehlerhaft. Tatsächlich habe der Verkehr in der Kehdenstraße überwiegend Ziele in der Küterstraße und im weiteren Altstadtbereich.

8

Die abgerechneten Baumaßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Der Gehweg habe einen hinreichenden Unterbau gehabt und sei nicht schadhaft gewesen. Der Gehweg habe auch keine optische Aufwertung erfahren, weil er schon vorher mit Betonplatten belegt gewesen sei. Auch die Fahrbahn habe keinen neuen Unterbau benötigt. Die Oberfläche hätte aufgrund der Erneuerung des Leitungssystems der Stadtwerke sowie der Entwässerungsleitungen ohnehin geöffnet werden müssen. Bei dieser Gelegenheit hätte das gesamte Großsteinpflaster aufgenommen werden müssen, sodass in diesem Zusammenhang auch die Absenkungen behoben und die Schäden hätten beseitigt werden können. Insoweit habe die Beklagte auch ihre Instandsetzungs- und Unterhaltungsverpflichtungen verletzt. Die vor der Maßnahme vorhandene Straßenbeleuchtung habe den Anforderungen genügt und auch durch die nunmehr aufgestellten Straßenlaternen mit Erdverkabelung keine Verbesserung erfahren. Die Neuanordnung der Stellplätze habe nicht zu einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität geführt. Auch vorher sei ausreichend Platz gewesen, um mit Kinderwagen oder Rollstühlen zwischen parkenden Fahrzeugen und Häuserwänden hindurchzugelangen. So hätten die abgerechneten Maßnahmen nicht zu einem beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger geführt. Vielmehr habe sich durch die Verringerung der PKW-Stellplätze die Parkplatzsituation im Bereich Kehdenstraße weiter verschärft.

9

Die Kosten für das eingebrachte Großpflaster hätten nicht auf die Anlieger umgelegt werden dürfen, weil dieses schon vorhanden gewesen sei. Der Wert des aufgenommenen Großpflasters sei jedenfalls gegen zu rechnen gewesen, weil dieses wieder verwertbar sei. Die Verwertbarkeit und Weiterverwendung habe auch schon frühzeitig festgestanden.

10

Die Kosten für die Neupflasterung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück und die Schadensbeseitigung an der Kellerdecke des Gebäudes dürfe die Beklagte nicht auf den Kläger und die anderen Anlieger umlegen, weil die Beklagte sich mit dem Vertrag von 1960 selbst zur Unterhaltung und Befestigung des Gehweges verpflichtet habe. Anderenfalls würde der Vertrag ebenso unterlaufen wie die noch am 14.08.2003 erteilte Zusage der Beklagten, die Kellerdecke auf eigene Kosten zu erneuern. Die Schäden an der Kellerdecke seien erst durch eine fehlerhafte Planung und Ausführung der Bauarbeiten erfolgt. Die Decke sei beim Abfräsen derart beschädigt worden, dass sie anschließend nicht mehr tragfähig gewesen sei. Das Abfräsen wiederum sei nur deshalb erforderlich gewesen, weil man das Niveau wegen der hier zu verlegenden Granitpflastersteine zu tief habe absenken müssen.

11

Bei der Berechnung des auf das klägerische Grundstück entfallenden Beitrages habe die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche von 103 m² nicht berücksichtigt werden dürfen, weil dem Kläger jedenfalls insoweit kein Vorteil zugewachsen sei.

12

Der Kläger beantragt,

13

den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 aufzuheben.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Kehdenstraße einerseits und bei dem Anna-Pogwisch-Platz andererseits um jeweils selbständige öffentliche Einrichtungen handele. Der Platz sei von der Straße optisch abgesetzt und erfülle auch eine andere Funktion. Er diene nicht nur dem Parken, sondern werde auch zu Marktzwecken genutzt. Hiervon ausgehend sei das Abrechnungsgebiet auch sonst zutreffend gebildet worden. Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke seien von der Ausbaumaßnahme nicht bevorteilt, weil es ihnen an der erforderlichen räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Straße fehle.

17

Bei der Kehdenstraße handele es sich um eine Anliegerstraße, weil sie überwiegend dem Zugang oder der Zufahrt zu den von ihnen erschlossenen Grundstücken diene und zudem verkehrsberuhigt sei. Die bei der Beitragsveranlagung vorzunehmende Einstufung habe sich an den in der Satzung enthaltenen Definitionen zu orientieren. Die Einteilung selbst beschränke sich aus Gründen der Praktikabilität auf relativ grobe Unterscheidungen. Im Übrigen sei der tatsächliche Verkehr nicht überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr zuzuschreiben.

18

Die durchgeführten Baumaßnahmen seien als Erneuerung bzw. Verbesserungsmaßnahmen auch erforderlich gewesen. Fahrbahn und Gehweg seien abgängig und deshalb erneuerungsbedürftig gewesen, weil es ihnen an einem hinreichenden Unterbau gefehlt habe. Dies zeige schon das im Verwaltungsvorgang befindliche Fotomaterial, auf dem erhebliche Schäden und Versackungen zu erkennen seien. Die Fahrbahn sei im Jahr 1908 hergestellt worden und habe jedenfalls seit 1950 keinen wesentlichen Ausbau mehr erfahren. Im Rahmen der Unterhaltung habe die Beklagte die wegen des fehlenden Unterbaus entstandenen Versackungen durch entsprechende Asphaltarbeiten ausgeglichen, um die Verkehrssicherheit zu erhalten. Im Gehwegbereich habe der mangelhafte Unterbau zum Absacken der Platten und zum Entstehen von Stolperkanten von mehr als 2 cm geführt, so dass eine Unterhaltung im Ergebnis nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Neben der Erneuerung liege auch der Tatbestand einer Verbesserung vor, weil die Umgestaltung der Kehdenstraße die Attraktivität der Altstadt erhöht und die Aufenthaltsqualität auch für Fußgänger nachhaltig gesteigert habe. So sei insbesondere die Situation des ansässigen Einzelhandels verbessert worden. Gegen die Erforderlichkeit spreche schließlich auch nicht die Tatsache, dass die Stadtwerke und die Beklagte als Trägerin der Abwasserbeseitigung die Erneuerung der Kehdenstraße zum Anlass genommen hätten, ihre dort verlegten Leitungen, Anlagen und Einrichtungen zu erneuern und zu ertüchtigen. Als Trägerin der Straßenbaulast sei die Beklagte nicht verpflichtet, andere Maßnahmenträger im Rahmen von Ausbaumaßnahmen finanziell zu beteiligen. Für die eingebrachten Großpflastersteine seien keine Kosten entstanden, insoweit habe die Beklagte vorhandene Großpflastersteine zum Wiedereinbau zur Verfügung gestellt. Im Übrigen seien bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes allein die tatsächlichen Kosten maßgeblich. Durch die Wiederverwendung entstehe auf Seiten der Beklagten auch kein Wertzuwachs.

19

Der mit den Voreigentümern im Jahre 1960 geschlossene Vertrag schließe eine Einbeziehung der Kosten für den Gehweg im Bereich des klägerischen Grundstückes nicht aus. Die von der Beklagten übernommene Unterhaltung entspreche der öffentlich-rechtlichen Straßenbaulast. Die Kosten seien umlagefähig, wenn die damit verbundenen Maßnahmen gleichzeitig einen beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger begründeten. Dies gelte auch für die erforderlich gewordenen Arbeiten an der Kellerdecke. Sie sei Bestandteil des Gehwegs und aufgrund ihres baulichen Zustandes in gleicher Weise abgängig gewesen wie die Kehdenstraße im Übrigen. Die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche des klägerischen Grundstückes von ca. 103 m² sei zur Beitragsfläche hinzuzuzählen. Die regelmäßige Annahme, dass öffentlich gewidmete Flächen nicht bebaubar seien und deshalb keinen Sondervorteil vermittelten, treffe vorliegend nicht zu. Vorliegend sei jedenfalls der Luftraum über der öffentlichen Verkehrsfläche über drei Geschosse bebaut; zudem werde auch der Raum darunter als Kellergeschoss genutzt. Die Bebauung im Luftraum nutze ihrerseits die öffentliche Verkehrsfläche, weil sie von sieben quadratischen Pfeilern unterschiedlicher Größe im öffentlichen Verkehrsraum getragen werde. Anderenfalls müssten jedenfalls die Grundflächen der Pfeiler für den umlagefähigen Aufwand berücksichtigt werden.

20

Die Kammer hat den Rechtstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2010 haben die Beteiligten einvernehmlich auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.

21

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die in der mündlichen Verhandlung weiterhin überreichten Pläne und Fotos verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden. Sie ist zulässig, aber überwiegend unbegründet. Der angefochtene Ausbaubeitragsbescheid vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird nur insoweit aufgehoben, wie er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt; nur insoweit ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

23

Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung und den Aus- und Umbau öffentlicher Straßen (Straßen, Wege und Plätze) - Ausbaubeitragssatzung - vom 18. Juli 2002, in Kraft getreten am 28. Juli 2002 (ABS 2002).

24

Danach erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung des Aufwands für die Herstellung sowie Aus- und Umbau öffentlicher zum Anbau bestimmter Straßen, Wege und Plätze Beiträge. Eine Straßenausbaumaßnahme ist dann beitragsfähig, wenn die nach § 2 Abs. 1 KAG erforderliche Satzung einen Beitragstatbestand begründet, die Maßnahme notwendig ist und den Eigentümern der im Wirkungsbereich dieser Maßnahme liegenden Grundstücke infolge der Maßnahme Vorteile geboten werden. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

25

Bei der Kehdenstraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung iSd § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 ABS 2002 (im Beschluss des Bauausschusses vom 7.2.2002 als „Abrechnungseinheit“ bezeichnet). Der ausbaubeitragsrechtliche Begriff der öffentlichen Einrichtung deckt sich mit dem der Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, den öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 31 Rn. 6 und 7). Einrichtung in diesem Sinne ist dabei grundsätzlich die Straße in ihrer gesamten Ausdehnung (Habermann in: Dewenter/ Habermann/ Riehl/ Steenbock/ Wilke, KAG, Stand Oktober 2008, § 8 Rd. 131, 282). Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung ist auch im Ausbaubeitragsrecht von einer natürlichen Betrachtungsweise auszugehen und ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung auf das äußere Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen oder Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (OVG Schleswig, Urt. v. 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424; v. 25.6.2003 - 2 LB 55/02 -; v. 26.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 47 ff.).

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Bei natürlicher Betrachtungsweise erscheint die hier im Innenstadtbereich zwischen Holstenbrücke/ Martensdamm bis Küterstraße/ Alter Markt verlaufende Kehdenstraße als eine solche Einrichtung. Entgegen der Auffassung des Klägers zählt der Anna-Pogwisch-Platz nicht dazu, sondern bildet eine eigene Einrichtung im Sinne einer beitragsfähigen Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die sowohl als Parkplatz als auch zu anderen Zwecken genutzt wird (vgl. dazu Driehaus, a.a.O. § 12 Rn. 9 ff), wie z.B. den angeführten Marktveranstaltungen Kieler Umschlag und Kieler Woche. Von daher kann es sich bei dem Anna-Pogwisch-Platz allein schon wegen seiner Funktion, seiner Größe und räumlichen Abgrenzbarkeit von der Kehdenstraße nicht nur um eine unselbständige Parkfläche iSd § 127 Abs. 2 Nr. 4 1. Alt. BauGB handeln, die Bestandteil der Verkehrsanlage Straße wäre.

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Die abgerechnete Straßenbaumaßnahme ist beitragsfähig, da sie den anliegenden Grundstücken einen maßnahmebedingten Vorteil bietet. Bei der hier erfolgten Ersetzung der vorhandenen, unebenen und verschiedenartigen Fahrbahnoberfläche durch ein neues, einheitliches Pflaster, der einheitlich neuen Pflasterung des Gehwegs, der Neuanlage von Parkflächen und dem erstmaligen Einbau eines verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbaus in Fahrbahn und Gehwegen sowie bei der Installation einer neuen, dem Stand der Technik entsprechenden Beleuchtung durch Austausch von vier Überspannungs- und Hängeleuchten durch elf erdverkabelte Aufsatzleuchten mit Stahlrohrmasten handelt es um einen verbessernden Ausbau und eine Erneuerung, teilweise zugleich auch um einen Umbau iSd § 8 Abs. 1 KAG und § 1 ABS 2002.

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Zum Ausbau im engeren Sinne gehört u.a. die technische Verbesserung einer vorhandenen Einrichtung in ihrem bisherigen Zustand der Benutzbarkeit. Technisch verbessert wird die Einrichtung Straße etwa durch eine andersartige Befestigung und / oder Verstärkung des Unterbaus einer flächenmäßigen Teileinrichtung (Fahrbahn, Rad- oder Gehweg), die eine verbesserte Benutzbarkeit der Straße bewirkt (Habermann a.a.O., Rn. 156). Hierzu zählt auch das Aufnehmen und Neuverlegen einer aus Großpflaster bestehenden Fahrbahnoberfläche auf verstärktem und erstmalig frostsicherem Unterbau. Dies verbessert den Zustand der Fahrbahn, weil ihre Tragfähigkeit und Belastbarkeit erhöht und die Frostanfälligkeit verringert wird. Zugleich liegt darin eine Erneuerung, die als nochmalige Herstellung ebenfalls dem Ausbaubeitragsrecht iSd § 8 KAG unterfällt und in Betracht kommt, wenn die alte Einrichtung nicht mehr voll funktionsfähig und damit abgängig ist. Sie versetzt die Straße in einen Zustand, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügen wird (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 147 ff.). Dies ist für eine mit Großpflaster hergestellte und nach über 50 Jahren neu befestigte Fahrbahn der Fall, wenn – wie hier – die alte, mit Großpflaster befestigte Fahrbahn bereits an zahlreichen Stellen abgesackt und deshalb ausgebessert war, was zeigt, dass nicht nur die Fahrbahn selbst, sondern auch der Untergrund erneuerungsbedürftig war (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311). Unbestritten ist insoweit vorgetragen, dass die Fahrbahn der Kehdenstraße bereits Anfang des letzten Jahrhunderts mit Großpflaster hergestellt worden war und dass die Fahrbahnoberfläche wegen der Versackungen mehrfach durch Asphaltarbeiten ausgebessert werden musste. Dies zeigen auch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos. Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, dass die Fahrbahn zur Zeit ihrer Herstellung und noch vor dem Ausbau keinen ausreichenden Unterbau hatte.

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Auch für den Gehweg macht die Beklagte geltend, dass dessen Benutzbarkeit aufgrund der vor der Ausbaumaßnahme vorhanden gewesenen Absackungen der Gehwegplatten und der aufgetretenen Unebenheiten und Stolperkanten beeinträchtigt und daher zu erneuern gewesen sei. Dessen ungeachtet liegt in der Aufnahme der bituminösen Befestigung bzw. der Platten nebst Tragschicht und in dem Einbringen einer Beton-, Frostschutz- und Schotterschicht unter dem neu verlegten, einheitlichen Belag eine technische Verbesserung im o.g. Sinne, weil sie den Unterbau dem Stand der Technik und den aktuellen Verkehrsbedürfnissen anpasst, ihn verstärkt und so die Benutzbarkeit des Gehwegs insgesamt verbessert.

30

Die Umstellung der Beleuchtung von Überspannungsleitungen auf Stahlrohrmasten mit Erdverkabelung diente der Anpassung an die technische Entwicklung und ist ebenfalls als verbessernder Ausbau anzuerkennen, da eine erdverkabelte Anlage deutlich weniger störanfällig ist als eine den Witterungs- und Umwelteinflüssen permanent ausgesetzte Freileitung (vgl. dazu VG Schleswig, Urt. v. 10.11.2009 - 9 A 95/07 – mwN; Habermann, a.a.O. Rn. 147a mwN). Da die Anlage statt mit vier nun mit elf Leuchten ausgestattet ist, liegt zugleich ein Ausbau im Sinne der Erweiterung einer einzelnen Teileinrichtung vor, aufgrund derer die Straße besser ausgeleuchtet wird (vgl. Habermann, a.a.O., Rn. 154).

31

Verbessernder Ausbau und Erneuerung bieten den Anliegern einen maßnahmebedingten Vorteil, weil sie den Gebrauchswert der anliegenden Grundstücke erhöhen. Der Ausbauzustand der Straße unterscheidet sich nach Durchführung der Baumaßnahme positiv von dem zum Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Der Vorteil der Erneuerung besteht darin, dass eine verschlissene und abgängige Teileinrichtung durch eine neue ersetzt wird. Durch beide Maßnahmen verbessert sich die Erschließungssituation der anliegenden Grundstücke, weil ihre Zugänglichkeit erleichtert wird (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311 = SchlHA 1999, 190; Habermann a.a.O. Rn. 140, 150 f.).

32

Darüber hinaus stellt die vorgenommene Ausstattung des Gehwegs mit neuen Betonplatten und Bändern aus Granit statt nur mit Asphalt bzw. Betonplatten eine beitragsfähige Umbaumaßnahme dar. Denn als Umbau gilt auch die Umgestaltung einer Teileinrichtung, ohne dass es insoweit auf eine technische Verbesserung ankommt (OVG Schleswig, Urteil vom 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422 f.). Soweit schließlich im Bereich der Fahrbahn und des Gehwegs zusätzliche Bäume gepflanzt und die Fahrbahn durch Neuanordnung der Parkflächen umgestaltet worden ist, liegt auch darin ein beitragspflichtiger Umbau, weil damit der Fahrzeugverkehr zurückgedrängt und der Fußgänger- und Fahrradverkehr erleichtert wird. So wird durch den Umbau die Wohn- und Geschäftslage attraktiver gestaltet, was wiederum zu einer Wertsteigerung der Grundstücke führt (vgl. Habermann, a.a.O. Rn. 162 f. mwN).

33

Die ausgeführten Maßnahmen waren notwendig. Obwohl § 8 Abs. 1 KAG nur von notwendigen Einrichtungen und nicht von notwendigen Maßnahmen spricht, können Beiträge für Ausbau- und Umbaumaßnahmen an notwendigen Einrichtungen nur erhoben werden, wenn die Maßnahmen und die Aufwendungen ihrerseits notwendig sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 312). Hinsichtlich der Beurteilung dessen, was notwendig ist, steht der Gemeinde ein weites Ermessen zu, in dessen Rahmen sie sowohl die räumliche Ausdehnung und den Umfang der Maßnahme als auch die Auswahl des Materials bestimmt. Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn sachlich schlechthin unvertretbare Kosten entstanden sind (OVG Schleswig, Urt. v. 13.10.1999 - 2 L 116/97 - Die Gemeinde 2000, 43, 44 f.; Urt. v. 30.4.2003, a.a.O.). Greifbare Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hat der Kläger nicht dargelegt. Vielmehr überschreiten die getroffenen Maßnahmen das in B-Stadt auch sonst übliche und der Einzelrichterin aus zahlreichen Verfahren bekannte Maß an Straßenausbau nicht. Soweit der Kläger dennoch bestreitet, dass Fahrbahn und Gehweg nicht über einen hinreichenden Unterbau verfügten und eine Erneuerung nicht erforderlich gewesen sei, bleibt dies eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte unterlegte Behauptung und könnte i.Ü. auch dahinstehen, weil insoweit auch ein verbessernder Ausbau gegeben ist. Daneben bietet die von der Beklagten gewählte Ausstattung des Gehwegs mit Betonplatten und Bändern aus Granit nach den vorgelegten Fotos und in Anbetracht der gerade beabsichtigten Attraktivitätssteigerung des Altstadtbereichs keine Anhaltspunkte für Verbesserungs- und Umbaumaßnahmen in einem unangemessenen Rahmen.

34

Die abgerechnete Ausbaumaßnahme führt für den Kläger zu einem konkret grundstücksbezogenen Vorteil, weil sie aufgrund der räumlichen Nähe des Grundstücks eine objektive, qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrseinrichtung bietet. Aufgrund der unmittelbaren Anliegerschaft kann die Kehdenstraße vom klägerischen Grundstück aus stärker in Anspruch genommen werden als von anderen Grundstücken. Auf einen bezifferbaren Vermögenszuwachs und eine im konkreten Einzelfall nachweisbare Nützlichkeit kommt es ebenso wenig an wie auf eine tatsächliche Benutzung und die subjektive Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Verhältnis zu nichtindividualisierbaren Dritten eine abstrakte, allein nach objektiven Kriterien zu beurteilende Besserstellung eintritt (OVG Schleswig, Beschl. v. 06.09.2001 - 2 L 172/01 -; Habermann a.a.O. Rn. 141 f.). Dies ist zwar für jede Teileinrichtung getrennt zu beurteilen (OVG Schleswig, Beschl. v. 13.01.2003 - 2 M 122/02 -; Urt. v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 - Die Gemeinde 2003, 268), kann vorliegend aber ohne weiteres für die gesamte Einrichtung angenommen werden, weil der insgesamt vorgenommene Aus- und Umbau der Verkehrsberuhigung und Attraktivitätssteigerung diente. Dies steigert nicht nur den Wohnwert, sondern kommt auch den gewerblichen Betrieben entgegen. Die Grundstücke sind gefahrloser zu erreichen; durch den zurückgedrängten Fahrzeugverkehr werden mehr Fußgänger angezogen und der Kreis der potenziellen Kunden erhöht (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 141 mwN). Dass sich – konzeptionell bedingt – dadurch die Parkplatzsituation verschlechtert, vermag die gegebenen Vorteile nicht aufzuwiegen.

35

Als Miteigentümer des veranlagten Grundstücks zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides ist der Kläger als Gesamtschuldner auch persönlich beitragspflichtig, § 8 Abs. 5 Satz 3 KAG, § 11 Abs. 1 Satz 2 ABS. Nach Fertigstellung der Baumaßnahme und technischer Abnahme war die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt entstanden und die Beitragsforderung auch noch nicht verjährt.

36

Der Höhe nach ist die Beitragsforderung nur mit einem Betrag von 28.053,79 € gerechtfertigt. Dabei ist zunächst die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes nicht zu beanstanden.

37

Beitragsfähig sind die dem Ausbau der Einrichtung nach dem Bauprogramm zuzurechnenden Kosten (Habermann, a.a.O. Rn. 304). Unstreitig gehört zur öffentlichen Einrichtung auch der über das Grundstück des Klägers verlaufende Gehweg, der nach dem Bauprogramm ebenso auszubauen war wie die im Eigentum der Beklagten stehenden Gehwegflächen. Ist eine solche private Fläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet und ist die entsprechende Nutzung - wie hier - aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nebst Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vertraglich und dinglich gesichert, so dass diese Fläche langfristig zur öffentlichen Einrichtung gehört und sowohl den beitragspflichtigen Anliegern als auch dem öffentlichen Verkehr auf Dauer zur Verfügung steht, ist nicht ersichtlich, weshalb der gerade hier betriebene Aufwand anders behandelt werden sollte als der auf im öffentlichen Eigentum stehenden Flächen. Dies muss konsequenterweise auch gegenüber dem privaten Eigentümer der ausgebauten Fläche gelten, wenn dieser – mehr oder weniger zufällig – zugleich Eigentümer eines anliegenden und bevorteilten Grundstücks ist.

38

Die Beitragsfähigkeit des insoweit betriebenen Aufwandes ist auch nicht durch den vom Kläger angeführten Vertrag aus dem Jahre 1960 ausgeschlossen. Mit § 5 Abs. 3 des Vertrages hat die Beklagte gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers die Unterhaltung und Befestigung des Gehweges übernommen. Da sich diese zunächst einmal nur privatrechtlich geschuldete Leistung zugleich auf eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Verkehrsfläche bezieht, obliegt sie der Beklagten zudem aus der öffentlich-rechtlichen normierten Straßenbaulast nach § 10 StrWG. Soweit die damit aus öffentlichem Recht heraus wahrzunehmenden Aufgaben und die damit einhergehenden Kosten zugleich einen beitragsfähigen Aufwand iSd § 8 KAG darstellen, sind diese sowohl den Anliegern als auch dem Kläger gegenüber abrechenbar, wenn und soweit daraus ein beitragsrelevanter Vorteil erwächst. Der Vertrag enthält insoweit auch keinen in die Zukunft gerichteten Ausschluss, sondern nur in Bezug auf die 1960 geplante Verbreiterung.

39

Beitragsfähig sind weiter nur die tatsächlich angefallenen (§ 8 Abs. 3 S. 1 KAG, § 2 Abs. 1 ABS) und die dem Ausbau kausal zuzurechnenden Kosten, mithin diejenigen, die ohne die Straßenbaumaßnahme nicht entstanden wären. Fiktive oder kalkulatorische Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne sind dabei ausgeschlossen (Habermann, a.a.O. Rn. 302, 307 mwN). Hiervon ausgehend durften etwaige Kosten für das in die Fahrbahn (wieder) eingebrachte Großpflaster nicht einbezogen werden, weil die Beklagte dieses aus der Kehdenstraße selbst oder aus anderen Beständen zur Verfügung gestellt und daher keine tatsächlichen Kosten gehabt hat. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich aber auch nicht feststellen, dass insoweit eine Einbeziehung erfolgt wäre. Etwaige Beschaffungskosten sind jedenfalls in der Schlussrechnung nicht aufgeführt. Umgekehrt war die Beklagte nicht gehalten, dem beitragsfähigen Aufwand eine fiktive Gutschrift für das aufgenommene Pflaster zukommen zu lassen, soweit es möglicherweise nicht gleich wieder in die Kehdenstraße eingebaut worden sein sollte. Da weder die jetzigen Anlieger noch ihre Vorgänger durch Entrichtung etwaiger Beiträge Rechte an dem eingebauten Material erworben haben (selbst wenn die Materialkosten in die Beiträge einmal eingeflossen sein sollten), können sie insoweit auch keinen „Wertersatz“ geltend machen, wenn es aufgenommen und beseitigt wird. Solange die Gemeinde das aufgenommene Material im Übrigen nicht wirtschaftlich verwertet, sondern zur Wiederverwendung vorhält, bleibt dies kostenneutral (OVG Schleswig, Urt. v. 30.04.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das in der Kehdenstraße aufgenommene Pflaster nicht gleich wieder eingebaut worden wäre und dass etwaiges überschüssiges Altmaterial entgegen den der Einzelrichterin auch aus anderen Verfahren bekannten Bekundungen der Beklagten nicht – wie allgemein üblich – verwahrt, sondern wirtschaftlich verwertet worden wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

40

Ebenso wenig war die Beklagte gehalten, eine fiktive Kostenersparnis deshalb zu berücksichtigen, weil die Straßenbaumaßnahme Anlass war, zugleich die in der Kehdenstraße verlegten Abwasser- und sonstigen Leitungen oder Einrichtungen zu erneuern. Zu dieser Frage hat das Gericht bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom 27.06.2008 (9 A 333/05) Stellung genommen und dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Schleswig (Urt. v. 11.2.1998 - 2 L 136/96 - Die Gemeinde 1998, 220, 224 und - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268, 272) ausgeführt, dass eine hypothetische Betrachtungsweise, nach der der Gesamtaufwand bei getrennten Maßnahmen höher wäre und deshalb Minderkosten aufzuteilen seien, nach schleswig-holsteinischem Landesrecht irrelevant bleibt, da es auch insoweit nach § 8 Abs. 3 S. 1 KAG stets nur auf die tatsächlich entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der (tatsächlich erfolgten) Leistungen und Zuschüsse Dritter ankommt. Folglich werden auch nur tatsächlich eingetretene Ersparnisse relevant. Eine Verminderung der Kosten kann allenfalls dann in Frage kommen, wenn der Träger der Maßnahme - etwa durch öffentlich-rechtlichen Vertrag - verpflichtet worden ist, sich an den Kosten der Fahrbahnaufnahme sowie deren Erneuerung zu beteiligen. Eine Verpflichtung zur Einbeziehung anderer Träger und deren Beteiligung an den Kosten besteht für die Gemeinde jedoch nicht.

41

Zutreffend hat die Beklagte auch die Kosten für die Erneuerung der Kellergeschossdecke unter dem Gehweg im Arkadenbereich als tatsächlich angefallene und dem Ausbau kausal zuzurechnende Kosten eingeordnet. Nach der statisch-konstruktiven Stellungnahme des beauftragten Ingenieurbüros vom 13.08.2003 sollte die Kellergeschossdecke im Rahmen der Ausbauarbeiten oberhalb der Rohdecke nur eine Abdichtung erhalten, bis sie anlässlich der vorbereitenden Baumaßnahmen bereits bei leichten Stemmarbeiten auffällige Schwingungen zeigte und sich daraufhin herausstellte, dass sie wegen der unzureichenden Deckenkonstruktion und der vorhandenen Schäden straßenseitig vollständig erneuert werden musste, um die erforderliche Tragfähigkeit herzustellen. Die damit erforderlich gewordenen Arbeiten hätten zwar auch losgelöst von etwaigen Ausbauabsichten im Rahmen der Straßenbaulastpflicht als Unterhaltung oder Reparatur und ohne Umlage auf die Anlieger ausgeführt werden müssen, doch weist die Beklagte letztlich richtig darauf hin, dass sich diese Situation deshalb noch nicht maßgeblich von der im Übrigen festzustellenden Erneuerungsbedürftigkeit bzw. Verbesserungsfähigkeit des Gehwegs unterscheidet. Es liegt im Rahmen ihres Ermessens und ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Gemeinde als Straßenbaulastpflichtige aufgrund der vorhandenen Schäden an einer flächenmäßigen Verkehrseinrichtung dazu entschließt, diese insgesamt auszubauen statt weiterhin punktuelle Reparaturen vorzunehmen. Insofern kann die Beitragsfähigkeit der insgesamt im Rahmen des Ausbaus vorgenommenen Arbeiten nicht davon abhängen, dass die erforderlich werdenden Arbeiten im Detail zuvor schon alle bekannt sind; ihre Notwendigkeit kann sich vielmehr auch erst anlässlich des ohnehin geplanten Ausbaus zeigen. Damit sind auch die Kosten für die erforderliche Erneuerung einer nicht tragfähigen Kellergeschossdecke, die den Unterbau eines Gehwegs bildet und anlässlich einer Ausbaumaßnahme erfolgt, Teil des beitragsfähigen Aufwandes, wenn – wie hier - der Ausbau insgesamt erforderlich und damit beitragsfähig ist. Dass die Beklagte gegenüber dem Kläger auch privatrechtlich zur Erneuerung der Kellergeschossdecke verpflichtet war, ändert daran nach den obigen Ausführungen nichts.

42

Da im Übrigen keine Zweifel an der Notwendigkeit von Art und Umfang einzelner Arbeiten vorgetragen oder ersichtlich sind, bleibt die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes ohne Beanstandung. Des Weiteren zutreffend hat die Beklagte die Kehdenstraße entsprechend § 3 Nr. 1 ABS als Anliegerstraße definiert und deshalb gemäß § 2 Abs. 2 ABS 75 % des beitragsfähigen Aufwands auf die Anlieger umgelegt.

43

Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden und infolgedessen der Anliegeranteil zu staffeln ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sie sich dabei aus Gründen der Praktikabilität auf eine relativ grobe Unterscheidungen beschränken darf (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 54/07 - NVwZ-RR 2009, 130), wie hier etwa auf die Unterscheidung in § 3 ABS nach Anliegerstraße / Innerortsstraße / Durchgangsstraße (und Fußgängerzone).

44

Die Zuordnung selbst unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung, wobei die von der Satzung verwendeten Begriffe regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen sind. Die beitragsrechtliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Straßentyp orientiert sich „an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat (OVG Schleswig, a.a.O.; Habermann a.a.O., Rn. 331 mwN). Dabei richtet sich die Funktion vor allem nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2002 – 2 L 164/01 -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuordnung ist der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 42), hier mithin das Jahr 2004.

45

Hiervon ausgehend ist die Kehdenstraße zutreffend als Anliegerstraße eingestuft worden. Die Anliegerstraße dient nach § 3 Nr. 1 ABS dem überwiegenden Zugang oder der Zufahrt zu den von ihr erschlossenen Grundstücken. Hierzu zählen auch verkehrsberuhigte Bereiche. Anlieger- bzw. Erschließungsverkehr iSd § 3 Nr. 1 ABS ist derjenige Verkehr, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, der sog. Ziel- und Quellverkehr. Die Innerortsstraße dient demgegenüber nach § 3 Nr. 2 ABS der Erschließung von Grundstücken und überwiegend dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (z.B. Verkehrsstraßen, Hauptsammelstraßen, Sammelstraßen). Im Rahmen der hier gewählten dreistufigen Typisierung gelten sie als Erschließungsstraßen mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt sind, Ortsteile verbinden und den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammeln (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O. zur Vorläuferregelung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 ABS; Habermann a.a.O., Rn. 336 mwN).

46

Sowohl Ausgestaltung und Lage als auch die verkehrsmäßige Belastung sprechen dafür, die Kehdenstraße als Anliegerstraße zu definieren. Ausgestaltet ist sie als verkehrsberuhigter Bereich, als eine auf 20 km/h geschwindigkeitsbeschränkte Einbahnstraße mit abgesenkten Bordsteinen, Parkflächen parallel zur Fahrbahn und Baumpflanzungen. Zudem kommt der Kehdenstraße innerhalb des Gesamtstraßennetzes trotz ihrer zentralen Lage im Altstadtbereich und trotz der Einbahnstraßensituation in der Küterstraße keine innerörtliche Verkehrsbedeutung im Sinne einer baugebiets- oder ortsteilübergreifenden Funktion zu. Nachvollziehbar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass schon die Straßenführung im Altstadtbereich gegen eine solche Annahme spricht. Unbestritten ist die Kehdenstraße nicht der einzige Zugang des privaten Nahverkehrs zum Zentrum der Kieler Altstadt, zum Alten Markt, der zwar eine reine Fußgängerzone ist, auf dem aber abends nach 19.00 Uhr Lieferverkehr zu den anliegenden Geschäften und Betrieben stattfindet. Ebenso wenig ist der Anna-Pogwisch-Platz für den Bereich der Kieler Altstadt der einzige Parkplatz, der von motorisierten Verkehrsteilnehmern angefahren werden kann, um von dort die Betriebe und Geschäfte in der Altstadt zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Zahl der tatsächlich in der Kehdenstraße verkehrenden Fahrzeuge noch nichts über deren Ziel und Quelle besagt und dass es im Übrigen auch nicht auf eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise ankommt. Zunächst ist nicht zu verkennen, dass die Kehdenstraße selbst schon zahlreiche Einrichtungen, Geschäfte und Restaurants erschließt, die wiederum einen eigenen Anliefer- und Besucherverkehr erzeugen und der als prägender Anliegerverkehr zu betrachten ist (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 334; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 -). Dessen ungeachtet besitzt jede Straße im Gemeindegebiet – bis auf Sackgassen - neben der reinen Erschließungsfunktion eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Das allein macht sie noch nicht zur Innerortsstraße (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O.). Solange Ausgestaltung und verkehrsmäßige Planung der Ausbaustraße im Gesamtverkehrsnetz die Funktion einer Innerortsstraße gerade nicht beimessen und die in der Straße verkehrenden Fahrzeuge auch tatsächlich im Baugebiet / Ortsteil bleiben, ohne einen Durchgangsverkehr im o.g. Sinne darzustellen, kommt es letztlich noch nicht einmal darauf an, dass der Fremdverkehr gegenüber dem Anliegerverkehr möglicherweise sogar überwiegt, weil dies allein eine Gleichstellung mit einer Innerortsstraße nicht rechtfertigen würde (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -). So liegt es hier. Eine Bedeutung als Innerortsstraße, wie sie die Beklagte etwa - gerichtsbekannt - der Holtenauer Straße, der Beseler Allee oder dem Schülperbaum/ Königsweg nachvollziehbar zumisst, ist danach für die Kehdenstraße ebenso wenig gegeben wie etwa – gerichtsbekannt – für die Legienstraße.

47

Von der Einrichtung „Kehdenstraße“ ausgehend ist das Abrechnungsgebiet iSd § 4 Abs. 1 S. 1 ABS zutreffend gebildet worden. Einzubeziehen sind nicht nur die durch ihr unmittelbares Anliegen an der ausgebauten Straße bevorteilten Grundstücke, sondern auch Hinterliegergrundstücke, bei denen ebenfalls noch eine räumlich enge Beziehung zur Ausbaustraße gegeben ist, sei es, weil sie über einen rechtlich gesicherten Zugang dorthin verfügen, sei es, dass der Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstück identisch ist und von daher einem Zugang jedenfalls keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Hier reicht ein tatsächlicher Zugang über das Anliegergrundstück aus oder eine einheitliche Nutzung beider Grundstücke, so dass sich der Erschließungsvorteil aufgrund der vom Willen des Eigentümers getragenen Nutzung auf das Hinterliegergrundstück erstreckt und die Grundstücke wie ein einheitliches Grundstück erscheinen. Hier gebietet es der Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs, solche Hinterliegergrundstücke bei der Aufwandsverteilung ebenfalls zu berücksichtigen (BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht, Urt. v. 15.01.1988 - 8 C 111/86 - BVerwGE 79, 1 ff., in juris Rn. 18; dem folgend OVG Schleswig, Urt. v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Habermann, a.a.O. Rn. 184 - 186).

48

Bei den hier in Frage gestellten Hinterliegergrundstücken der Anliegergrundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... besteht zwar Eigentümeridentität, doch kann nach den ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung anhand von Karten und Fotos weder festgestellt werden, dass insoweit ein Zugang zur Kehdenstraße besteht, noch, dass die Grundstücke einheitlich genutzt würden. Eine vorteilsbegründende einheitliche Nutzung ist zunächst bei einer Überbauung der Grundstücksgrenzen gegeben (dazu OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2007 - 2 LA 33/07 -, v. 04.10.2005 - 2 MB 35/05 -, v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -), kann aber auch ohne Überbauung angenommen werden, wenn die Grundstücke grenzübergreifend gewerblich, land- oder forstwirtschaftlich oder auch privat einheitlich genutzt werden. Auch wenn es im Falle der einheitlichen Nutzung auf eine tatsächliche Zufahrt oder einen Zugang nicht mehr ankommt - weil der ausbaubeitragsrechtliche Vorteil kein Erschlossensein iSd Baurechts verlangt -, muss ein solcher Zugang doch wenigstens möglich sein (Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn. 570, 572), um eine Vorteilsgewährung iSd Ausbeitragsrechts annehmen zu können.

49

Vorliegend besteht in beiden Fällen keine einheitliche Nutzung. Die Grundstücke sind zwar geschlossen bebaut, die Grundstücksgrenzen – soweit ersichtlich – aber nicht überbaut. Sämtliche Grundstücke werden gewerblich genutzt, ohne dass insoweit aber von einer einheitlichen gewerblichen Nutzung gesprochen werden könnte, da die Hinterliegergrundstücke jeweils verschiedene Gewerbe beherbergen und diese wiederum verschiedenen Gewerbetreibenden zuzuordnen sind. Dies ist unstreitig.

50

Fehlt es an einer einheitlichen Nutzung, kommt die Annahme eines Vorteils aufgrund eines tatsächlich bestehenden Zugangs auch hier nur in Frage, wenn das jeweilige (Hinterlieger-) Grundstück von der Ausbaustraße her so erreichbar ist, wie es seine zulässige und bestimmungsgemäße Nutzung gebietet (Habermann a.a.O., Rd. 180), wobei es auch ausreichen würde, dass diese Grundstücksnutzung in einer nicht nur untergeordneten Weise realisiert werden kann (Driehaus, a.a.O. § 35 Rn. 12 mwN). Mit Blick auf die hier gegebene Nutzung durch Geschäfte, Restaurants, Büroräume und die damit zusammenhängenden konkreten Bedürfnisse kann daher bei einer geschlossenen Bauweise grundsätzlich auch eine fußläufige Zugangsmöglichkeit durch das Gebäude auf dem Anliegergrundstück ausreichen. Allerdings besteht auch eine solche Zugangsmöglichkeit zur Überzeugung des Gerichts hier nicht. Soweit überhaupt Verbindungen bestehen, gewährleisten diese keinen den bestimmungsgemäßen Gebrauch gewährleistenden offenen und ungehinderten Zugang für Besucher und Kunden.

51

Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke Faulstraße ... und ... werden nach den Feststellungen im Verwaltungsvorgang und den in der mündlichen Verhandlung noch einmal umfassend dargelegten neuerlich angestellten Ermittlungen der Beklagten durch die Grundstücksverwaltung PPF genutzt. Anlieger und Hinterlieger verfügen weder über einen gemeinsamen Innenhof noch sonst über einen ausreichenden Zu- oder Durchgang. Lediglich im Keller des Gebäudes Kehdenstraße ... befindet sich ein Heizungsraum, der von beiden Seiten durch - regelmäßig verschlossene - Türen theoretisch betretbar ist. Ebenso unzureichend ist der für die Hinterlieger des Grundstücks Kehdenstraße ... festgestellte Zugang. Bei den Hinterliegern handelt es sich um die Grundstücke Holstenbrücke ..., ... und ..., wobei das Grundstück Holstenbrücke ... seinerseits mit dem dahinterliegenden Grundstück Faulstraße ... einheitlich durch ein Schnellrestaurant genutzt wird. Der Haupteingang zu diesem Geschäftskomplex liegt an der Holstenbrücke. Eine Verbindung zur Kehdenstraße über das durch die Landeszentrale für politische Bildung und ein Drogeriegeschäft genutzte Anliegergrundstück Kehdenstraße ... besteht auch hier lediglich theoretisch und nur in unzureichendem Maße über die im Treppenhaus nur im 1. OG befindlichen Notausgänge.

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Des Weiteren kann das klägerische Grundstück nicht in voller Größe zum Kreis der vorteilhabenden Grundstücke gezählt werden. Dabei geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass grundsätzlich die gesamte Fläche der jeweils bevorteilten Buchgrundstücke an der Aufwandsverteilung teilzunehmen hat (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 343). Entsprechend hat sie das klägerische Grundstück mit seiner Gesamtgröße von 425 m² einbezogen, dabei aber nicht berücksichtigt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - 103 m² - als Gehweg genutzt wird. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass von dem genannten Grundsatz u.U. dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn ein Teil des Buchgrundstücks unterschiedlich genutzt wird oder nutzbar ist (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 21/07 – NVwZ-RR 2008, 346 = Die Gemeinde 2008, 169). So liegt es hier. Die der Beklagten zur Gehwegnutzung überlassene Grundstücksfläche ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG Bestandteil der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße und damit der privatwirtschaftlichen Nutzung durch die Grundstückseigentümer entzogen. Diese Teilfläche kann nicht einerseits Bestandteil einer ausgebauten Erschließungsanlage iSd § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sein und sich gleichzeitig durch den Ausbau einen beitragsrelevanten Vorteil verschaffen (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L136/98 - Die Gemeinde 1998, 220, 223 für eine mit einem zur Fernstraße gehörenden Lüftergebäude bebauten Grundstücksfläche; Habermann, a.a.O. Rn. 348). Aufgrund der zu duldenden öffentlichen Nutzung ist diese Fläche nicht so bebaubar, dass daraus eine „Vorteilsfähigkeit“ entstünde. Daran ändert auch der Einwand der Beklagten nichts, dass jedenfalls der Luftraum über der Teilfläche - ab dem 1. Obergeschoss - und der unter der Teilfläche befindliche Kellerraum weiterhin zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. Vorteilsbegründend ist die Verfügbarkeit und bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche (vgl. nochmals OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 a.a.O.). Dass die Grundfläche mit den zum Gebäude gehörenden Stützpfeilern bebaut ist, ist allein der besonderen Vereinbarung von 1960 geschuldet, die den Grundstückseigentümern die Nutzung des Luftraums ab dem 1. Obergeschoss beließ, obwohl dieser grundsätzlich auch Bestandteil der öffentlichen Straße ist (vgl. heute § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrWG) und damit noch zur Erschließungsanlage gehören müsste. Auch diese Art der Bebauung ist daher nicht „vorteilsfähig“.

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Nach alledem können diese 103 m² weder in die Gesamtverteilungsfläche (Abrechnungsgebiet nach § 4 Abs. 1 S. 1 ABS) noch zulasten des Klägers unter Zugrundelegung der Grundstücksfläche nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 2 ABS in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass die nach § 7 Abs. 2a ABS maßgebliche tatsächliche Geschossfläche jedenfalls für die drei im Luftraum liegenden Obergeschosse eingerechnet worden ist. Bei der danach erforderlichen Neuberechnung muss schließlich auch der dem Grunde nach zutreffend erhobene grundstücksbezogene Artzuschlag nach § 9 S. 1 2. Alt. ABS i.H.v. 30 % der ermittelten Grundstücks- und Geschossfläche korrigiert werden. Der umlagefähige Aufwand von 475.160,36 € verteilt sich daher nur auf eine Beitragsfläche von 42.259 m², was zu einem Beitragssatz von 11,244003 €/m² und für den Kläger zu einem Beitrag i.H.v. 28.053,79 € führt.

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Letztlich nicht zu beanstanden ist die Art der gewählten Finanzierung und Abrechnung mittels eines Austauschvertrages gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 KAG i.V.m. §§ 121, 123 LVwG. Es ist weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass die Beklagte dadurch gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot verstoßen hätte. Die Beklagte hat nicht auf die Erhebung von Abgaben verzichtet, sondern nur auf die teilweise Geltendmachung durch Bescheid (zur grds. Zulässigkeit: OVG NW, Urt. v. 19.03.2002 – 15 A 4043/00 – NVwZ-RR 2003, 147, in juris Rn. 19 ff.). Ebenso wenig ist erkennbar, dass die gesplittete Abrechnungsweise im Ergebnis zulasten der Adressaten der Beitragsbescheide gegangen wäre.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.