Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Nov. 2016 - M 3 S 16.50868
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
II.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Nov. 2016 - M 3 S 16.50868
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Nov. 2016 - M 3 S 16.50868 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte B. & T. aus C. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 3335/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. April 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antrag ist auch innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheides und damit fristgerecht erhoben worden (§ 74 Absatz 1 AsylVfG).
7II. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
9Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Bulgarien für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
10Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragstellers vom 10. Dezember 2014.
11Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Bulgarien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
12Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Nachdem dem Bundesamt Erkenntnisse vorlagen, dass der Antragsteller vor seiner Einreise in die Bundesrepublik in Bulgarien gewesen ist, hat es Bulgarien unter dem 30. Januar 2015 um Übernahme des Antragstellers gebeten. Die bulgarischen Behörden nahmen das Übernahmeersuchen des Bundesamtes am 30. März 2015 an. Bulgarien ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
13Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
14Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
15Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Bulgarien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
16Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
17Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
18Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Bulgariens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Bulgarien abzuschieben.
19Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
20Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
21Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
23der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
24Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
25Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
27Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
29Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint.
30Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 23 L 899.14 A –, juris, Rn. 6 m.w.N. und 4. August 2014 – 34 L 78.14 A –, juris, Rn. 9.
31Bei der Bewertung der in Bulgarien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
32vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
33Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten.
34Gemessen hieran und unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen.
35Das Gericht verkennt zwar nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände in Bulgarien. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. So listen Amnesty International in seinem Bericht vom März 2014 sowie European Council on Refugees and Exiles (ECRE) in seiner Stellungnahme vom 7. April 2014 – trotz Anerkennung gewisser Verbesserungen – weiterhin mangelhafte Bedingungen auf und plädieren dafür, von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Bulgarien abzusehen. Auch Bordermonitoring führt in seinem Bericht vom 7. Juli 2014 über die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien Missstände auf und spricht sich gegen Überstellungen im Dublin-Verfahren nach Bulgarien aus, solange in Bulgarien keine menschliche Behandlung aller Asylsuchenden gewährleistet ist.
36VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris, Rn. 17.
37Indes ist für das Gericht entscheidend, dass UNHCR in seiner aktualisierten Bestandsaufnahme vom April 2014 („UNHCR Observations: Current Situation of Asylum in Bulgaria – April 2014“) nicht mehr darauf beharrt, von Dublin-Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien abzusehen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) hat ebenfalls keine Empfehlung ausgesprochen, von der Rückstellung nach Bulgarien abzusehen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind,
38vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, NVwZ-RR 2013, 660.
39Maßgebend für UNHCR war, dass die bulgarischen Behörden und ihre Partner in den letzten drei Monaten signifikante Anstrengungen mit Blick auf die Lebensbedingungen für Asylsuchende und das Asylsystem unternommen haben. Die Bedingungen in den Aufnahmezentren haben sich verbessert. Es gibt Zugang zur medizinischen Versorgung. Auch die Unterstützung durch EASO brachte erhebliche Verbesserungen. In dem Bericht des UNHCR ist ausgeführt, trotz weiter gegebener Schwächen und Defizite des Asylsystems in Bulgarien sei angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen, zahlreichen Verbesserungen eine allgemeine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien ‑ mit Ausnahme besonders schutzwürdiger Personen ‑ nicht mehr angezeigt. Die in den Aufnahmezentren festgestellten Bedingungen hätten sich seit Dezember 2013 spürbar verbessert; dies betreffe den Zugang zur medizinischen Primärversorgung, Unterstützung durch Dolmetscherdienste im Anmelde- und Asylverfahren, bei der Unterkunft und der finanziellen Unterstützung. Bulgarien sei von der EU finanziell, logistisch und personell unterstützt worden. Die bulgarische Regierung hab sich dem Problem nicht verschlossen, sondern konstruktiv mit UNHCR und EASO zusammengearbeitet.
40VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 18; VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris Rn. 32; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30366 –, juris, Rn. 27; VG München, Beschluss vom 7. Mai 2014 – M 11 S 14.50163 –, juris, Rn. 17 ff.
41Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarisch-türkischen Grenze,
42vgl. dazu etwa den Bericht von Pro Asyl von April 2015 (a.a.O.), S. 27 f,
43betreffen den Antragsteller nicht, weil er sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Asylbewerber, die wie der Antragsteller aus anderen Mitgliedsstaaten der EU nach Bulgarien zurückkehren, haben grundsätzlich keine Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren aufgrund ihrer Rückkehr. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern, wie dem Antragsteller, wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird nur dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
44Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2015 – 15 L 947/15.A –, S. 5 f.; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 – 10 K 1660/14.A –, juris, Rn. 88; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014, – A 11 S 1778/14 –, juris, Rn. 58.
45Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass der Antragsteller in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit inhaftiert werden wird. Dublin-Rückkehrer genießen grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Dies betraf im Zeitraum von 1. Januar bis zum 30. Oktober 2014 nur 7 von 143 Dublin-Rückkehrern.
46Vgl. UNHCR, Auskunft an das Verwaltungsgericht Minden vom 23. Dezember 2014, S. 4 der auszugsweisen Übersetzung aus dem Englischen.
47Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die erstmals in der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326) und neugefasst in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Artikel 18 Absatz 1 der RL 2005) bzw. weil er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Artikel 26 Absatz 1 RL 2013). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
48Vgl. dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2015 – 13 K 501/14.A –, juris Rn. 81 m.w.N.; VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015, 15 K 1660/14.A, juris, Rn. 89 ff. unter Hinweis auf VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013, 33 L 450.13 A, juris, Rn. 14 ff.
49Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis davon aus, dass die noch bestehenden Umstände jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
50Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 19.
51Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG keine Bedenken. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person des Antragstellers, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
52Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den geschilderten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO).
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
54Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
55Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenem Bekunden am 21. Juni 1984 geborene Kläger stammt aus Mali. Am 6. November 2012 lehnte die deutsche Botschaft in Bamako (Mali) seinen Antrag auf Erteilung eines Visums ab. Am 26. Februar 2014 wurde er in der Gemeinde Dohma (Sachsen) durch die Polizei aufgegriffen. Dabei wies er sich mit einer am 23. Januar 2014 in Ungarn ausgestellten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens aus. Eine daraufhin durch die Bundespolizei in Altenberg durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab für den Kläger einen Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarns (HU1330007615465). Das Amtsgericht Pirna – Az.: 23 XIV B 22/14 – ordnete eine vorläufige Freiheitsentziehung bis zum 12. März 2014 an, woraufhin der Kläger in den Abschiebegewahrsam Köpenick (Berlin) verbracht wurde.
3Am 27. Februar 2014 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tag mit ihm geführten „Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab er an: Personalpapiere könne er nicht vorlegen. Er habe am 14. Dezember 2013 in Mali geheiratet. Seine Ehefrau, die am 14. April 1987 geborene E. -G. , halte sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er habe Mali im August 2013 mit dem Flugzeug verlassen und sich zunächst in die Türkei begeben. Er sei zwei Monate lang in Istanbul geblieben. Danach habe er sich nacheinander zwei Monate in Bulgarien, einen Monat in Griechenland und einen Tag in Serbien aufgehalten. Dann sei er nach Ungarn gereist, wo ihm am 15. Januar 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Februar 2014 habe er in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Er wolle aber aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung nicht dorthin rücküberstellt werden.
4Am 28. Februar 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden. Diese erklärten unter dem 6. März 2014: Dem Kläger seien in Bulgarien Fingerabdrücke abgenommen worden, da er am 25. September 2013 illegal die Grenze dieses Mitgliedstaates überschritten habe. Die entsprechende EURODAC-Nummer für Bulgarien laute BG2BR206C1309250012. Sie – die ungarischen Behörden – hätten daher am 27. Februar 2014 Bulgarien um Aufnahme des Klägers und seiner Ehefrau gebeten.
5Am 20. März 2014 hob das Landgericht Dresden – Az.: 2 T 197/14 – die gegen den Kläger verhängte Haft auf. Er wurde daraufhin aus dem Abschiebegewahrsam Köpenick entlassen.
6Am 27. März 2014 teilten die ungarischen Behörden dem Bundesamt mit, dass sie sich nicht für zuständig erachteten, da Bulgarien am 26. März 2014 unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers akzeptiert habe. Am selben Tag wurde mit dem Kläger ein weiteres „Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ geführt. Dabei ergänzte und korrigierte er einige seiner früher gemachten Angaben und erklärte nunmehr: Die Ehe mit der ebenfalls in Deutschland weilenden kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. sei bereits am 14. Februar 2013 in Mali geschlossen worden. Die türkische Botschaft in Bamako (Mali) habe ihm ein Visum erteilt, mit dem er im August 2013 auf dem Luftweg in die Türkei gereist sei. Dort sei er einen Monat lang geblieben. Von der Türkei aus sei er mit dem Pkw nach Bulgarien gefahren, wo ihm im Oktober 2013 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Nach einem Monat des Aufenthalts in Bulgarien sei er eine Woche lang in Griechenland gewesen, bevor er über Serbien nach Ungarn gelangt sei. Dort habe er im Januar 2014 einen Asylantrag gestellt. In Ungarn sei er einen Monat lang geblieben. Dann sei er mit einem Pkw nach Deutschland weitergereist.
7Mit Bescheid vom 31. März 2014 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Kläger unter Hinweis auf § 50 AsylVfG der Stadt C. M.---- (Kreis Q. ) zu.
8Am 2. April 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Diese erklärten sich am 10. April 2014 zur Rückübernahme des Klägers bereit.
9Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 3. Juli 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
10Am 9. Juli 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, dass in Bulgarien durchgreifende systemische Mängel des Asylverfahrens bestünden, die mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK einhergingen. Diese Mängel beträfen den Zugang zum Asylverfahren, das Refoulement-Verbot, die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf verschiedene Berichte des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), von Amnesty International sowie der Asylum Information Database (Aida) und verweist auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die er seine Auffassung bestätigt sieht.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Sie erklärt: Es bestünden keine Gründe für die Annahme, dass das bulgarische Asylverfahren mit systemischen Mängeln behaftet sei; dies werde auch durch eine Vielzahl entsprechender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen bestätigt. Die bulgarische Regierung habe Maßnahmen getroffen, die bereits zu einer erheblichen Verbesserung im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber geführt hätten.
16Auf Antrag des Klägers ordnete das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an.
17Bereits unter dem 8. August 2014 hatte das Gericht den UNHCR um Erteilung einer Auskunft zum Asylverfahren und zur Lage von Asylbewerbern in Bulgarien gebeten. Der UNHCR erteilte die erbetene Auskunft unter dem 23. Dezember 2014 in englischer Sprache (Blatt 63 bis 66 der Gerichtsakte). Das Gericht holte eine Übersetzung der Auskunft ins Deutsche ein (Blatt 67 bis 70 der Gerichtsakte).
18Frau E. -G. , bei der es sich nach Angaben des Klägers um seine Ehefrau handelt, wurde auf der Grundlage des § 50 AsylVfG der Stadt N. B1 zugewiesen. Sie betreibt beim Verwaltungsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 23 K 4771/14.A ein Klageverfahren, in dem ein gleichfalls vom 26. Juni 2014 datierender Bundesamtsbescheid – Az.: 5731212-262 –, mit dem ein Asylantrag Frau E. -G1. als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wurde, streitgegenständlich ist. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gewährte Frau E. -G. mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A – vorläufigen Rechtsschutz.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 1660/14.A und 10 L 530/14.A, den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang sowie die beim Landrat des Kreises Q. über den Kläger geführte Ausländerakte (jeweils ein Heft) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21A. Der Einzelrichter, dem das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 9. Januar 2015 durch die Kammer zur Entscheidung übertragen wurde (§ 76 Abs. 1 AsylVfG), ist nicht gehindert, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 zu entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Beteiligten wurden unter Hinweis darauf, dass das Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandeln und entscheiden kann, geladen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22B. Die auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 26. Juni 2014– Az.: 5731265-251 – gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Jedoch ist die Klage unbegründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2014 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des durch den Kläger in Deutschland gestellten Asylantrags als unzulässig (§ 27a AsylVfG), sowie die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Bulgarien (§ 34a AsylVfG), sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23I. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO) die Republik Bulgarien zuständig.
241. Die Dublin-III-VO und nicht deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin-II-VO) ist hier einschlägig, weil der Kläger seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 27. Februar 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
252. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Republik Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
26a) Dies folgt aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat (Türkei) kommend als erstes die (Land-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Bulgarien überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Die daraus resultierende Zuständigkeit Bulgariens hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 46 ff.), zu den im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO.
28Damit steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO einer Zuständigkeit Bulgariens nicht entgegen. Nach der Mitteilung der ungarischen Behörden an das Bundesamt vom 6. März 2014 (Blatt 29 der beigezogenen Bundesamtsakte) ist der Kläger am 25. September 2013 nach Bulgarien eingereist. Die beim Kläger aufgefundene ungarische Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens weist als Ausstellungsdatum den 23. Januar 2014 aus (Blatt 4 der beigezogenen Ausländerakte), woraus folgt, dass er spätestens an diesem Tag in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben muss. Dass die vorgenannten Unterlagen inhaltlich unrichtig sein könnten, ist weder vom Kläger substanziiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Liegt danach zwischen dem illegalen Grenzübertritt nach Bulgarien und der Antragstellung in Ungarn ein Zeitraum von höchstens vier Monaten, so ist die sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO ergebende zwölfmonatige Frist unzweifelhaft gewahrt. Darauf, dass der Asylantrag nicht in Bulgarien gestellt worden ist, kommt es für die Zuständigkeit dieses Mitgliedsstaates nicht an.
29b) Es greifen auch keine gemäß Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO vorrangig anzuwendenden Zuständigkeitstatbestände ein, namentlich keine solchen zum Schutz der Familieneinheit gemäß Art. 10 und 11 Dublin-III-VO. Dabei kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass er tatsächlich die Ehe mit der am 14. April 1987 geborenen kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. geschlossen hat.
30Für die Anwendung des Art. 10 Dublin-III-VO wäre es erforderlich, dass beide Familienangehörigen, zu denen gemäß Art. 2 Buchst. g) Dublin-III-VO auch Ehegatten gehören, den Wunsch zur Prüfung ihrer Asylanträge in demselben Mitgliedstaat schriftlich kundtun. Eine schriftliche Erklärung dieser Art liegt indessen – zumindest für den Kläger – nicht vor.
31Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 13 L 2517/14.A –, juris (Rdnr. 15).
32Ebenso wenig vermag Art. 11 Dublin-III-VO etwas an der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des Klägers zu ändern. Unter der amtlichen Überschrift „Familienverfahren“ erfasst diese Bestimmung (u.a.) den Fall der gleichzeitigen Asylantragstellung durch mehrere Familienangehörige oder der Asylantragstellung mehrerer Familienangehöriger in so großer zeitlicher Nähe, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können. Besteht in einem solchen Fall bei Anwendung der in der Dublin-III-VO genannten Kriterien die Gefahr der Trennung der Familienangehörigen, so gilt nach Art. 11 Dublin-III-VO Folgendes: a) Zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger (…) ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist; b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.
33Es spricht bereits vieles dafür, dass Art. 11 Dublin-III-VO hier bereits in seinem Ausgangspunkt nicht einschlägig ist. Denn es dürfte schon keine Gefahr der Trennung im Sinne dieser Bestimmung bestehen, weil eine Zuständigkeit Bulgariens nach Lage der Akten wohl ohnehin – unabhängig von der Anwendung der Vorschriften zur Wahrung der Familieneinheit – auch für Frau E. -G. besteht. Doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte der Kläger aus Art. 11 Dublin-III-VO nichts für sich herleiten. In Bezug auf Art. 11 Buchst. a) Dublin-III-VO gilt dies schon deshalb, weil es hier um die Bestimmung der Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylverfahren von lediglich zwei Personen – des Klägers und seiner (angeblichen) Ehefrau – geht. In einem solchen Fall kann es bei einer etwaigen Verschiedenheit der an sich zuständigen Mitgliedstaaten rechnerisch keinen „größten Teil“ der Familienangehörigen geben.
34Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin-III-VO, 1. Auflage (2014), Art. 11 Dublin-III-VO Anm. K 5.
35Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO vermag ebenfalls nichts an der Zuständigkeit Bulgariens für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers zu ändern. Denn er ist nach den von ihm und seiner (angeblichen) Ehefrau gemachten Angaben, wonach er am 21. Juni 1984 und Frau E. -G. am 14. April 1987 geboren ist, der ältere der beiden Ehegatten. Daraus folgt, dass gemäß Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO jener Mitgliedstaat für alle Familienangehörigen (hier für beide Ehegatten) zuständig ist, der nach den einschlägigen Kriterien der Dublin-III-VO für den Kläger zuständig ist
36- ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A –, in dem Frau E. -G. betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. im Einzelnen die Seiten 3 und 4 des den Beteiligten vorliegenden Beschlussabdrucks) -.
37Die sich aus Art. 13 Dublin-III-VO für das Verfahren des Klägers ergebende Zuständigkeit Bulgariens erstreckt sich mithin bei Anwendung des Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO auf seine Ehefrau.
383. Aufgrund der danach gegebenen Zuständigkeit der Republik Bulgarien ist diese gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO zur Aufnahme des Klägers verpflichtet. Dies hat zur Folge, dass in seinem Fall die Verfahrensvorschriften der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO zur Anwendung kommen (vgl. dazu nachfolgend 5.). Es besteht hier eine Pflicht zur Aufnahme nach diesen Bestimmungen und nicht eine solche zur Wiederaufnahme nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin-III-VO i.V.m. Art. 23, 24, 29 Dublin-III-VO, weil Voraussetzung für eine Wiederaufnahme durch Bulgarien wäre, dass der Kläger dort bereits ein Asylverfahren betrieben hätte. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Kläger hat selbst angegeben, lediglich in Ungarn (und nicht auch in Bulgarien) einen Asylantrag gestellt zu haben. Abgesehen davon haben die ungarischen Behörden dem Bundesamt unter dem 6. März 2014 mitgeteilt, dass für den Kläger hinsichtlich Bulgariens (lediglich) ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 (BG2BR206C1309250012) erzielt worden sei (Blatt 29 der Bundesamtsakte). Gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-Durchführungsverordnung) werden nur Daten von Asylbewerbern mit der Kategorie 1 versehen. Hieran zeigt sich ebenfalls, dass der Kläger in Bulgarien noch keinen Asylantrag gestellt hat, zumal nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-VO) eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr bzgl. der erhobenen und übermittelten Daten besteht.
39Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 13 L 2759/14.A –, juris (Rdnr. 37).
404. Die Aufnahmeverpflichtung Bulgariens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO ist nicht gemäß Art. 19 Dublin-III-VO nachträglich erloschen. Namentlich ergibt sich Entsprechendes nicht aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller, um dessen Aufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Nachweis einer mindestens drei Monate dauernden Abwesenheit des Klägers aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten ist nicht geführt. Zwar hat er vor dem Bundesamt erklärt, im Anschluss an seinen Aufenthalt in Bulgarien in Serbien, das nicht zu den Mitgliedstaaten zählt, gewesen zu sein. Dieser Aufenthalt in Serbien ist jedoch in keiner Weise belegt und kann abgesehen davon bei dem vom Kläger geschilderten zeitlichen Ablauf ohnehin nur kurzzeitig gewesen sein. Am 27. Februar 2014 hat er selbst gegenüber dem Bundesamt bekundet, sich lediglich einen Tag lang in Serbien aufgehalten zu haben (Blatt 8 der Bundesamtsakte).
415. Des Weiteren sind die Zuständigkeit Bulgariens und die daraus folgende Aufnahmepflicht nicht aufgrund eines Verstreichens der für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Antrags- und Überstellungsfristen erloschen:
42a) Das Bundesamt hat die im Aufnahmeverfahren maßgebliche Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet. Dabei kann offen bleiben, ob hier eine Frist von drei Monaten (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) oder – aufgrund des von den ungarischen Behörden mitgeteilten EURODAC-Treffers hinsichtlich Bulgariens – eine zweimonatige Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) einschlägig gewesen ist, weil beide Fristen eingehalten worden sind. Das Bundesamt hat dadurch, dass der Kläger am 27. Februar 2015 über einen Aufenthalt in Bulgarien berichtet hat, erste Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates erhalten. Die Hinweise auf eine Zuständigkeit Bulgariens haben sich sodann durch den von den ungarischen Behörden unter dem 6. März 2014 mitgeteilten EURODAC-Treffer verdichtet. Am 27. März 2014 haben die ungarischen Behörden schließlich berichtet, dass Bulgarien sich ihnen gegenüber unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für zuständig erklärt habe. Selbst wenn man hier – zugunsten des Klägers – für den Beginn der Antragsfrist auf den erstgenannten Zeitpunkt (27. Februar 2014) abstellte, hätte das Bundesamt dadurch, dass es sich bereits am 2. April 2014, d.h. nur rund fünf Wochen später, an die bulgarischen Behörden gewandt hat, die Fristen des Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet.
43b) Ebenso wenig ist die sechsmonatige Frist für die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre.
44Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Republik Bulgarien) gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Fall 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat (Fall 2).
45Der Fristbeginn bestimmt sich hier nach dem in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesprochenen zweiten Fall, wonach die maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten erst mit der (endgültigen) Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, beginnt. Ein „Rechtsbehelf“ im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, dem aufschiebende Wirkung zukommen kann, ist (jedenfalls) der Hauptsacherechtsbehelf (hier die vorliegende Klage). Diesem kommt aufschiebende Wirkung in jedem Fall dann zu, wenn diese gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet wird.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, m.w.N., juris (zur Überstellungsfrist nach der Dublin-II-VO).
47So liegt der Fall auch hier, weil das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung angeordnet hatte. Diese gerichtliche Entscheidung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem die zunächst angelaufene Frist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Fall 1 Dublin-III-VO, wonach die Überstellungsfrist von sechs Monaten mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, noch nicht verstrichen und die Zuständigkeit mithin noch nicht auf die Beklagte übergegangen war. Denn die bulgarischen Behörden haben sich am 10. April 2014 gegenüber der Beklagten zur Aufnahme des Klägers bereit erklärt, so dass die Frist nach dem ersten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erst mit dem 10. Oktober 2014 verstrichen wäre. Diese Frist ist mit der gerichtlichen Entscheidung vom 30. September 2014, die dem Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung zugewiesen hat, mit der Folge (rechtzeitig) unterbrochen worden, dass sich die sechsmonatige Überstellungsfrist nunmehr nach dem zweiten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO bestimmt. Diese Frist wird erst mit der endgültigen Entscheidung über den Hauptsacherechtsbehelf, d.h. über die vorliegende Klage, zu laufen beginnen und ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) noch nicht verstrichen.
486. Ferner kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg auf systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien berufen.
49Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).
50Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt die Rechtsprechung des EuGH zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde. Dieses gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen.
51Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) –, NVwZ 2012, 417, sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, NVwZ 2014, 208.
52Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, NVwZ 2014, 1039, zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO.
54Im Rahmen dieser Prognose ist nicht allein auf die Rechtslage im betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
55Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S ./. Belgien und Griechenland) –, NVwZ 2011, 413 und HUDOC (Rdnr. 359); Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rdnr. 21.
56Die vorstehend aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gelten jedenfalls dann, wenn der betreffende Asylbewerber in dem Mitgliedstaat, in den er abgeschoben werden soll, noch keinen Schutzstatus erlangt hat
57- vgl. dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2014– 17 L 2379/14.A –, juris (Rdnr. 20), unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 –, a.a.O. -.
58Dies ist beim Kläger der Fall, da er in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt und dementsprechend auch noch keinen Schutzstatus erhalten hat.
59Ausgehend hiervon kann das erkennende Gericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht feststellen, dass in der Republik Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im vorstehend genannten Sinne, von denen gerade der Kläger betroffen wäre, bestehen
60- ebenso in entsprechenden Fällen: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 42 ff.), VG Potsdam, Urteil vom 4. Februar 2014 – 6 K 3905/13.A –, juris (Rdnr. 16), VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 14.30366 –, juris (Rdnr. 27), und VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris (Rdnr. 30 ff.); demgegenüber geht ein Teil der Rechtsprechung vom Vorliegen systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems aus oder sieht deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Mängel: VG Bremen, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 V 153/14 –, juris (Rdnr. 26 ff.), VG Schwerin, Beschluss vom 13. März 2014– 3 B 230/14 As –, juris (Rdnr. 20 ff.), VG Oldenburg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 12 B 1387/14 –, juris (Rdnr. 18 ff.); vgl. außerdem VG Berlin, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 9 L 147/14.A –, juris (Rdnr. 8 ff.), das grundsätzlich keine systemischen Mängel des bulgarischen Asylsystems sieht, eine Ausnahme hiervon jedoch bei besonders schutzbedürftigen Personen (z.B. psychisch kranken Menschen) macht -.
61Der Vortrag des Klägers, wonach in Bezug auf (a) den Zugang zum Asylverfahren, (b) das Refoulement-Verbot, (c) die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie (d) die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens bestünden, greift nicht durch:
62a) Ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren ist in Bulgarien für den Kläger gegeben.
63Allerdings war das bulgarische Asylsystem bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern, die aufgrund des Konflikts in Syrien über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, vollkommen überfordert. Dadurch war bereits ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft heraus, nicht mehr gewährleistet. Zwar wies Bulgarien auch zu dieser Zeit eine vergleichsweise hohe Schutzquote auf. Gleichwohl bestanden – bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation der beteiligten bulgarischen Amtswalter – unübersehbare Mängel im Verfahren, u.a. im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden. Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar vor allem im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind. Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der u.a. eine Verbesserung der Verfahrensabläufe, aber auch eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze mit der Türkei zum Inhalt hatte. Außerdem wurde durch das European Asylum Support Office (EASO) im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober 2013 wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist. Nicht zuletzt aufgrund dieser Grenzanlage ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres 2014 zunächst erheblich zurückgegangen. Dies wiederum hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Es wird von erheblichen Verbesserungen berichtet. Insbesondere wird eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet. Allerdings ist, worauf nachfolgend unter c) noch näher einzugehen sein wird, nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft heraus nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären. Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr).
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 44 ff., 55).
65Zwar hat sich aufgrund des ab August 2014 zu verzeichnenden stetigen Anstiegs der Anzahl der Neuanträge auf internationalen Schutz
66- vgl. dazu die unter http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init= 1&language=en&pcode=tps00189&plugin=1 durch Eurostat veröffentlichten Zahlen (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -
67die Registrierung und Bearbeitung der Anträge seit kurzem wieder etwas verlangsamt, zumal die SAR weiterhin nicht über eine ausreichende Anzahl an Dolmetschern (insbesondere für Farsi/Dari und Paschtu) sowie Mitarbeitern für die Registrierung und Befragung verfügt. Dies führt für sich genommen aber nicht zur Feststellung systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems. Die neu installierte Videokonferenz-Ausrüstung in zwei Einrichtungen, nämlich in der RC-Harmanli und der Übergangseinrichtung für Einwanderungshaft, Allocation Centre Elhovo, soll helfen, das Verfahren zu beschleunigen, sobald die SAR Dolmetscher benannt hat. Da die Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten seit Anfang 2014 erhöht wurden, was dazu führte, dass 5.624 Antragstellern zwischen Januar und Oktober 2014 ein Schutzstatus gewährt wurde, funktioniert das Asylsystem nach Einschätzung des UNHCR derzeit „einigermaßen“, wobei die SAR allerdings weitere Mittel benötige, um die bisher bei den Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten erzielten Verbesserungen beizubehalten.
68Vgl. dazu die Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014, Seiten 2 und 3.
69Nach alledem ist derzeit die Prognose gerechtfertigt, dass für den Kläger im Anschluss an eine Überstellung nach Bulgarien ein ausreichender Zugang zum dortigen Asylverfahren gegeben sein wird. Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass er als sog. Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien einreisen wird. Für nach Bulgarien zurückkehrende Asylbewerber gilt nach den Feststellungen des UNHCR
70- vgl. die Seiten 3 und 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
71Folgendes: Der Zugang zu einem Verfahren über die Feststellung des Flüchtlingsstatus ist im Falle einer Wiedereinreise nach Bulgarien davon abhängig, welchen Stand das frühere Asylverfahren des betreffenden Asylbewerbers dort hatte. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine sachliche Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
72Vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 58).
73Gemessen hieran wird dem Kläger als Dublin-Rückkehrer das Asylerstverfahren in Bulgarien ohne Einschränkungen offen stehen, weil er dort noch keinen Asylantrag gestellt hatte und dementsprechend auch noch keine Anhörung stattgefunden haben kann, aufgrund der – ggf. auch in seiner Abwesenheit – eine endgültige verfahrensabschließende Entscheidung hätte getroffen werden können. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund des in Ungarn gestellten Asylantrags in Bulgarien als bloßer Folgeantragsteller behandelt werden würde.
74Auch in Bezug auf den weiteren Verlauf des dem Kläger offenstehenden Asylverfahrens sind keine durchgreifenden Mängel des bulgarischen Asylsystems erkennbar. Die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen – wie dem Kläger – wesentlich verkürzt. Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können. Zumindest für ein – im Falle des Klägers in Rede stehendes – Asylerstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen. Diese Defizite können jedoch – auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen – nicht als derart gravierend eingestuft werden, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären und die Betroffenen in ihren Rechten aus Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verletzen würden.
75Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 56).
76Hinweise auf entsprechende Rechtsverletzungen aufgrund von Mängeln des Asylverfahrens ergeben sich im Übrigen auch nicht aus der in Bulgarien bestehenden Schutzquote. Denn die Zahl der in Bulgarien als international schutzberechtigt anerkannten Personen ist vergleichsweise hoch. So wurde im dritten Quartal 2014 bei 1.005 Asylentscheidungen in 785 Fällen ein Flüchtlingsstatus und in 90 Fällen ein subsidiärer Schutz zuerkennt; dies entspricht einer Gesamtschutzquote von rund 87 %
77- vgl. die Eurostat-Daten unter http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/images/8/88/First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates%2C_3rd_quarter_2014.png (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -,
78die allerdings zum Teil auch dadurch bedingt sein mag, dass viele Personen, die in Bulgarien einen Asylantrag stellen, aus dem Bürgerkriegsland Syrien stammen.
79b) Soweit der Kläger Verstöße gegen das Refoulement-Verbot rügt, mag dies (teilweise) berechtigt sein, und zwar mit Blick darauf, dass es Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei ab dem Jahr 2013 gibt
80- vgl. dazu etwa Human Rights Watch, Containment Plan – Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian an Other Asylum Seekers and Migrants, 29. April 2014, Seiten 14 ff. -.
81Damit könnte Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK verstoßen. Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei Flüchtlinge nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist, wovon aber in Bezug auf Bulgarien wohl nicht auszugehen ist, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns – vgl. dazu bereits die Ausführungen unter a) – kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal keine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich sein dürfte.
82Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 47).
83Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil sich der Kläger bereits auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten befindet und somit von der Zurückweisungspraxis an der türkisch-bulgarischen Grenze nicht (mehr) betroffen ist. Dafür, dass sich Bulgarien des Klägers nach Durchführung eines Asylverfahrens unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen würde, ist im Übrigen nichts ersichtlich.
84c) Soweit der Kläger gegen den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid sinngemäß einwendet, Asylbewerber einschließlich Dublin-Rückkehrern hätten in Bulgarien im Widerspruch zu den Bestimmungen der EMRK und der GR-Charta mit Inhaftierung zu rechnen, kann er hiermit ebenfalls nicht durchdringen.
85Nach den Feststellungen des UNHCR
86- vgl. die Seiten 2 bis 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
87reisen Asylbewerber mehrheitlich auf illegale Weise nach Bulgarien ein und werden dabei häufig durch die Grenzpolizei abgefangen, woraufhin sie in Einwanderungshaft genommen werden. Bulgarien verfügt über insgesamt drei Einrichtungen für die Einwanderungshaft. Bei zwei davon handelt es sich um sog. SCTAFs (Special Center for Temporary Accommodation of Foreigners). Eine davon befindet sich in Busmatsi (Sofia), die andere in Lyubiments (Südbulgarien). Hinzu kommt eine weitere vorübergehende Einwanderungshaftanstalt, das in der Nähe der türkischen Grenze gelegene Allocation Centre (AC) in Elhovo. Während es sich bei den SCTAFS in erster Linie um Einrichtungen für die Abschiebungshaft handelt, wurde das AC in Elhovo im Oktober 2013 durch das Innenministerium eingerichtet, um (u.a.) Asylbewerber aus Gruppen illegal einreisender Ausländer „herauszufiltern“. Illegal Eingereiste, die zunächst kein Asyl beantragen wollen, werden an ein SCTAF weitergeleitet. Soweit sie dort Asyl beantragen, werden sie nach Erledigung der vorgesehenen Formalitäten an eine Aufnahmeeinrichtung der SAR verwiesen. In keinem Fall müssen Asylsuchende aber eine längere Inhaftierung nach der Einreise in die Republik Bulgarien befürchten. Diese Verbesserung gegenüber früheren Zuständen beruht auf einer seit dem ersten Quartal 2014 verbesserten Kooperation zwischen den Grenzschutz- und Einwanderungsbehörden einerseits und der SAR andererseits. Die SAR hat sich nunmehr verpflichtet, die Erstregistrierung der Asylbewerber bereits in der Einwanderungshaft vorzunehmen, was dazu führt, dass die Asylbewerber nach durchschnittlich 7 bis 10 Tagen aus der Einwanderungshaft entlassen werden. Die Tatsache allein, dass Asylsuchende, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylverfahrens dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden
88- ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 55).
89Abgesehen davon wird der Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien von einer solchen Einwanderungshaft voraussichtlich nicht mehr betroffen sein, weil er im Wege der Überstellung gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Bulgarien zurückkehren wird.
90Auch mit Blick auf die in Bulgarien herrschende Praxis im Bereich der Abschiebungshaft, können keine gerade den Kläger betreffenden systemischen Schwachstellen festgestellt werden. Die Verhängung von Abschiebungshaft kommt nach der Auskunft des UNHCR an das erkennende Gericht vom 23. Dezember 2014 (Seiten 3 und 4) zunächst dann in Betracht, wenn ein Asylbewerber Bulgarien während des laufenden Asylverfahrens verlässt und erst nach Verstreichen der unter a) behandelten dreimonatigen Betreibensfrist wieder zurückkehrt oder aber sein Asylantrag– ggf. auch während seiner Abwesenheit – abgelehnt wird. In diesen Fällen gilt der (erneute) Aufenthalt des betroffenen Drittstaatsangehörigen als illegal, mit der Folge, dass er (grundsätzlich) in Abschiebungshaft genommen wird. Den Betroffenen steht die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen. Wird dieser Antrag zur sachlichen Prüfung zugelassen, so ist eine Haftfortdauer gleichwohl wahrscheinlich. Eine Freilassung aus der Haft kommt allerdings in Betracht, wenn dem Folgeantragsteller ein Platz in einer Einrichtung der SAR zugewiesen wird oder aber eine externe Wohnung nachgewiesen wird. Mit Letzterem ist allerdings ein Verzicht auf staatliche Leistungen verbunden. Die vorstehend behandelte Art der Abschiebungshaft kann auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden, ohne dass nach Einschätzung des UNHCR bislang ein hinreichender Rechtsschutz dagegen existiert. Mit dieser Art der Haft hat der Kläger indessen ebenfalls nicht zu rechnen. Dublin-Rückkehr, zu denen auch er gehört, genießen nämlich – unabhängig vom etwaigen Ablauf der dreimonatigen Betreibensfrist – grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Asylbewerber im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr – nach Angaben des UNHCR „höchstwahrscheinlich“ – in einer SAR-Einrichtung untergebracht und somit nicht inhaftiert. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle des Klägers ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, liegen nicht vor. Auch dann, wenn über den Antrag eines Dublin-Rückkehrers auf internationalen Schutz in der Sache bereits (endgültig) entscheiden worden ist, kann dieser, wenn er einen Folgeantrag stellt, zunächst wieder in einer SAR-Einrichtung untergebracht werden, soweit ein entsprechender Platz vorhanden ist. Nur im Dublin-Verfahren überstellte Asylbewerber, deren Ansprüche durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden sind und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 30. Oktober 2014 wurden nach Auskunft der SAR an den UNHCR 143 Asylbewerber im Dublin-Verfahren nach Bulgarien überstellt. Die Asylanträge von 7 dieser Rückkehrer waren (gerichtlich bestätigt) endgültig abgelehnt worden; diese Personen wurden in Abschiebungshaft genommen. Die restlichen Dublin-Rückkehrer wurden in SAR-Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Daraus ergibt sich für den Kläger, dass er, wenn er – wie im streitgegenständlichen Bescheid vorgezeichnet – im Dublin-Verfahren nach Bulgarien zurückkehrt, allenfalls nach rechts- bzw. bestandskräftigem Abschluss eines in Bulgarien erst noch einzuleitenden Asylverfahrens in Abschiebungshaft genommen werden kann. Ob dies überhaupt geschehen wird, lässt sich derzeit jedoch nicht einmal ansatzweise zuverlässig prognostizieren, so dass das Gericht schon aus diesem Grund nicht die Feststellung treffen kann, der Kläger werde im Zusammenhang mit einer Inhaftierung in Bulgarien einer erniedrigenden, unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt.
91Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die (hier noch geltende) Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326, S. 13 ff., sog. Aufnahmerichtlinie) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
92Vgl. dazu VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A, juris (Rdnr. 14 ff.).
93Soweit der Kläger unter Berufung auf eine Entscheidung des EGMR
94- Urteil vom 27. Januar 2015 – 36925/10 u.a. (Neskov u.a. ./. Bulgarien) –, HUDOC -
95sinngemäß geltend macht, dass in bulgarischen Gefängnissen menschenunwürdige und erniedrigende Zustände im Sinne von Art. 3 EMRK aufgrund von Überfüllung, unzureichenden sanitären Anlagen sowie fehlendem Ausgang herrschten, kann er auch hiermit nicht durchdringen. Die genannte Entscheidung betrifft die Verhältnisse in der Strafhaft und kann daher nicht auf den hier interessierenden Bereich der Abschiebungshaft, für die – wie dargelegt – gesonderte Haftanstalten zur Verfügung stehen, übertragen werden. Soweit in mehreren Berichten
96- vgl. Aida, National Country Report Bulgaria, April 2014, Seiten 49 ff.; Human Rights Watch, a.a.O., Seiten 39 ff. -
97auch die Verhältnisse in den bulgarischen Abschiebungshaftanstalten – u.a. aufgrund von Überbelegung und unzureichenden sanitären Anlagen – kritisiert werden, beruht dies im Schwerpunkt noch auf der Auswertung von Zahlenmaterial, Besuchen vor Ort und sonstigen Erkenntnissen aus den Jahren bis einschließlich 2013, d.h. aus einer Zeit, in der das gesamte bulgarische Asylsystem durch die (unvorhergesehen) hohe Zahl an Asylbewerbern erheblich überlastet war. Die Berichte vermögen mithin keine verlässliche Auskunft über die heutigen Verhältnisse zu geben. Der UNHCR hat in Bezug auf die Abschiebungshaftanstalten in Busmantsi und Lyubimets (SCAR) im April 2014 festgestellt, dass die Inhaftierten regelmäßig Essen bekämen und eine notwendige medizinische Versorgung sichergestellt sei; zudem bestünden (auf einfachem Niveau) Freizeitmöglichkeiten, und zwar auch auf entsprechenden Außenanlagen.
98Vgl. UNHCR, Bulgaria as a Country of Asylum, April 2014, Seite 6.
99Soweit dem bulgarischen Gesetzgeber ein Gesetzentwurf vorliegt, der eine Verschärfung des Haftrechts vorsieht, bleibt abzuwarten, ob dieser überhaupt verabschiedet werden wird. Abgesehen davon ist derzeit noch nicht absehbar, dass ein entsprechendes Gesetz zu hier relevanten systemischen Mängeln führen würde, zumal nicht erkennbar ist, dass sich die bulgarischen Behörden und Gerichte einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung der betreffenden Bestimmungen (systematisch und durchgängig) verweigern würden.
100Vgl. dazu im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 57).
101Auch für den Bereich der Abschiebungshaft nach bestandskräftiger Entscheidung im Asylverfahren sind nach alledem – zumindest derzeit – keine durchgreifenden systemischen Mängel feststellbar. Wie ausgeführt ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aber ohnehin nicht hinreichend sicher, dass der Kläger in Bulgarien überhaupt von Abschiebungshaft betroffen werden wird.
102d) Schließlich greift auch der vom Kläger sinngemäß erhobene Einwand, die sozialen Aufnahmebedingungen in Bulgarien, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, seien mit gravierenden (systemischen) Mängeln behaftet, nicht durch.
103Die SAR verwaltet sieben Aufnahme-, Unterbringungs- und Übergangseinrichtungen (drei in Sofia, eines in der Nähe Sofias und drei im Süden Bulgariens) mit einer Gesamtaufnahmekapazität von 6.000 Personen. Am 3. November 2014 waren in diesen Einrichtungen (lediglich) 3.910 Personen (davon 2.817 Syrer) untergebracht. In den Einrichtungen der SAR sollen lediglich Asylbewerber untergebracht werden. Allerdings erlaubt die SAR die andauernde Unterbringung von 650 Einzelpersonen, denen Schutz gewährt wurde und die in diesen Einrichtungen verweilen, da sie keine sonstigen Mittel haben, um ihren Unterhalt in Bulgarien zu sichern.
104Vgl. dazu Seite 2 der Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014.
105Dass sich die genannten Zahlen seit November 2014 wesentlich verändert hätten, ist nicht ersichtlich. Der Kläger wird danach im Anschluss an eine Rückkehr in die Republik Bulgarien einen Platz in einer der Aufnahmeeinrichtungen der SAR erhalten können, da deren Kapazitäten bei weitem nicht erschöpft sind.
106Auch die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen sind nicht derart defizitär, dass insoweit von systemischen Mängeln ausgegangen werden müsste. Nach der Auskunft des UNHCR vom 23. Dezember 2014 sorgt der Staat in den Aufnahmeeinrichtungen der SAR zwei Mal täglich für warme Mahlzeiten und eine medizinische Grundversorgung der Bewohner. Aufgrund einer Förderung durch den UNHCR sorgen Partnerorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Bulgarisches Helsinki Komitee, Caritas) u.a. für soziale Dienste, rechtliche Beratung und Sprachkurse. Die in den SAR-Einrichtungen untergebrachten Dublin-Rückkehrer haben ein Recht auf dieselben Hilfe- und Dienstleistungen, die auch anderen Asylbewerbern zustehen.
107Insgesamt sind die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen in baulicher wie auch personeller Hinsicht grundlegend angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Dass die Verhältnisse in mancherlei Hinsicht nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Dass die Qualität der Nahrung in den Aufnahmeeinrichtungen möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Angesichts der erreichten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist – jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern – nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem (wie in der Vergangenheit) wieder kollabieren wird und die Asylsuchenden daher die Zentren erneut „auf eigenen Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. Dies gilt umso mehr, als die derzeit wieder (moderat) ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im Jahr 2013, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen.
108Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49 ff.).
109Allerdings sieht der UNHCR in seiner Auskunft vom 23. Dezember 2014 nach wie vor erhebliche Defizite des bulgarischen Asylsystems in Bezug auf besonders schutzbedürftige Personen, zu denen vor allem Familien mit Säuglingen und Kleinkindern, unbegleitete Minderjährige und psychisch Kranke gehören.
110Vgl. zu diesem Aspekt auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49, 51 ff.).
111Das Gericht lässt offen, ob sich aus den entsprechenden Defiziten systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems ergeben. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Kläger hieraus nichts für sich herleiten, weil er nicht zum Kreis der besonders schutzbedürftigen Personen im vorstehend genannten Sinne zählt. Für Alleinstehende und Paare ohne Kinder lassen sich entsprechende Mängel in der Regel – so auch hier – nicht feststellen.
112Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen
113- vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 59) -,
114ist der Kläger hiervon – bei seinem derzeitigen Status – ebenfalls nicht betroffen.
1157. Auch dann, wenn man davon ausginge, dass unabhängig vom Vorliegen systemischer Mängel für jeden Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt
116- in diesem Sinne etwa EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, HUDOC (Rdnr. 104), und United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Februar 2014 – EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 (Rdnr. 42 bis 64), jeweils zu Überstellungen nach Italien -,
117würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Regelung nach § 27a AsylVfG führen. Denn es ist angesichts der Erkenntnisse zum bulgarischen Asylsystem (vgl. dazu vorstehend 6.) nicht erkennbar, dass der Kläger Gefahr liefe, im Anschluss an eine Rücküberstellung nach Bulgarien – ggf. auch unabhängig vom Fehlen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylsystems – einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
1188. Ist demnach Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und macht das Bundesamt – wie hier – auch nicht von seinem Recht zum Selbsteintritt (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) Gebrauch, so hat weder das Bundesamt noch das Gericht im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob einer Abschiebung des Klägers nach Mali Abschiebungsverbote entgegenstehen. Diese Prüfung obliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO allein den zuständigen bulgarischen Behörden. Sieht sich der Kläger durch deren Entscheidung in seinen Rechten verletzt, muss er in Bulgarien um Rechtschutz nachsuchen.
119II. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt, dass dann, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht dass sie durchgeführt werden kann.
120Danach ist die Anordnung der Abschiebung des Klägers nach Bulgarien rechtlich nicht zu beanstanden. Die Republik Bulgarien ist – wie bereits unter I. dargelegt – für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Ihr stehen weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene, sondern auch in Bezug auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ebenfalls vom Bundesamt zu prüfen sind.
121Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris (Rdnr. 7); OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris (Rdnr. 4); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011– A 11 S 1523/11 –, InfAuslR 2011, 310, juris (Rdnr. 3) sowie BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, juris (Rdnr. 11).
122Im Falle des Klägers vermag das erkennende Gericht vor allem kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK festzustellen. Namentlich folgt ein solches nicht aus dem Umstand, dass der Kläger nach eigenem Bekunden mit Frau E. -G. verheiratet ist und sich diese in Deutschland aufhält. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
123Vgl. dazu etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Januar 2006– 2 BvR 1935/05 –, juris (Rdnr. 16).
124Nach Lage der Akten besteht vorliegend jedoch keine Gefahr einer (dauerhaften) Familientrennung, da nicht nur der Kläger, sondern auch seine Ehefrau zur Durchführung der beantragten Asylverfahren nach Bulgarien zu überstellen sein wird. Dies ergibt sich für Frau E. -G1. , sollte sie wirklich die Ehefrau des Klägers sein, jedenfalls aus Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO; insoweit wird auf die vorstehend unter I. 2. b). angestellten Erwägungen Bezug genommen. Darüber hinaus ist, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass eine unter den Schutz von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK fallende Bindung besteht, nicht ersichtlich, dass ihm eine vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau unzumutbar wäre, zumal die Eheleute auch bereits in Deutschland unterschiedlichen Städten zugewiesen sind und somit derzeit an getrennten Orten leben, ohne dass – soweit ersichtlich – ernsthafte Bemühungen unternommen worden wären, diesen Zustand zu ändern. Weiter ist mit Blick auf das vom Kläger geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht. Kommt es einem Ausländer darauf an, ein Asylverfahren zu durchlaufen, so muss er hierbei angesichts des gemeinsamen europäischen Asylsystems grundsätzlich auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen, hierfür zuständigen Mitgliedstaat durchgeführt wird. Das ist jedenfalls dann nicht völlig unzumutbar, wenn die Trennung von dem Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend sein wird. Eben dies ist hier der Fall. Wie ausgeführt hat nach Lage der Akten auch die (angebliche) Ehefrau des Klägers kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, sondern ist ebenso wie der Kläger nach Bulgarien zu überstellen. Vor diesem Hintergrund ist, soweit nicht ohnehin eine gemeinsame Überstellung nach Bulgarien erfolgen wird, allenfalls eine kurzzeitige (weitere) Trennung zu befürchten. Dass eine solche dem Kläger unzumutbar sein würde, ist derzeit nicht ersichtlich
125- ebenso in einem ähnlich gelagerten Fall: VG München, Beschluss vom 5. Mai 2014 – M 11 S 14.50165 –, juris (Rdnr. 30) -.
126Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine dauerhafte Trennung des Klägers von seiner Ehefrau mit Blick darauf in Betracht käme, dass diese möglicherweise – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist – psychische Probleme hat und deshalb behandelt wird. Dass die Ehefrau des Klägers aufgrund dieses Umstands längerfristig oder gar dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben müsste und damit bei Überstellung allein des Klägers nach Bulgarien eine unzumutbare Trennung drohte, kann das Gericht nicht feststellen, zumal der (auch Frau E. -G. vertretende) Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, kein aussagekräftiges Attest vorlegen zu können, so dass sich das Gericht mangels eines entsprechenden Ansatzpunktes auch nicht veranlasst sieht, von Amts wegen Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Ehefrau des Klägers anzustellen.
127C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylVfG.
128Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 14 K 15.50050
Im Namen des Volkes
Urteil
verkündet am
14. Kammer
gez.: (...), Stv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Sachgebiets-Nr.: 0710
Hauptpunkte: Dublin-Verfahren; Abschiebungsanordnung nach Bulgarien; Systematische Mängel in Bulgarien: verneint; Reisefähigkeit
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: ...
gegen
...,
vertreten durch ...
- Beklagte -
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 14. Kammer, durch die Einzelrichterin, Richterin am Verwaltungsgericht Bayer, aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Juli 2015 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der 1989 geborene Kläger, irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und moslemischer Religionszugehörigkeit, reiste nach eigenen Angaben am
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - Eurodac-Treffer Bulgarien der Kategorie 1 - lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO). Am 8. September 2014 wurde ein Übernahmeersuchen an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
Dagegen erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom
Der Kläger ließ über seinen Prozessbevollmächtigten beantragen,
- die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
- den Kläger als Asylberechtigten an zu erkennen,
- festzustellen, dass die Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
- hilfsweise subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
- weiter hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen,
- die Abschiebungsanordnung aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
Im Folgenden beruft sich der Kläger auf ein inlandsbezogene Abschiebungshindernis und legt hierzu ein ärztliches Attest vom 1. Juli 2015 des Dr. ... vor. Hieraus würde sich ergeben, dass der Kläger reiseunfähig sei. Er leide u. a. unter schwerer Depression mit Unruhe- und Angstzuständen. Auf den Inhalt dieses Attests wird verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2015 ist trotz ordnungsgemäßer Ladung und Zustellung keine der Parteien erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2014 ist rechtmäßig, so dass der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers gemäß § 27 a AsylVfG zu Recht als unzulässig abgelehnt, da der Kläger bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hatte. Die zuständigen Behörden in Bulgarien haben mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 der Übernahme des Klägers zugestimmt.
Damit steht fest, dass die Verpflichtungen aus Art. 18 ff. der Dublin-III-VO die Republik Bulgarien treffen.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintritts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind weder ersichtlich noch wurden sie konkret vorgetragen.
Hierbei ist aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung des § 26 a AsylVfG entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, da es sich bei Bulgarien um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG handelt.
Damit ist Bulgarien, wie dargelegt, nach Art. 14 Abs. 1 Dublin III-VO bzw. nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 m. w. N., juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10
Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.
Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen aber erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, BvR.
Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht von solchen systemischen Schwachstellen auszugehen. Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung der streitgegenständlichen Bescheide des Bundesamtes vom 16. Dezember 2014 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Der Kläger hat in seiner Klagebegründung keine substantiierten Angaben vortragen lassen, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhalts hinsichtlich des Bestehens systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn führen würden. Das Gericht folgt daher der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend, dass in Bulgarien derzeit derartige systemische Mängel nicht bestehen.
Die in der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Regelungen für anerkannte Flüchtlinge, d. h. Art. 20 ff. GFK, die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten sind, gehen im Wesentlichen nicht über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die Genfer Flüchtlingskonvention den Drittstaat zur sog. Inländergleichbehandlung. Dies ist nach den aktuellen Erkenntnissen in Bulgarien gegeben. Die Vorgabe der Richtlinie 2011/95/EU (EU-Qualifikationsrichtlinie) über den Inhalt internationalen Schutzes wird nach den vorliegenden Erkenntnissen im Wesentlichen eingehalten.
Einem anerkannt Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Bildung, zum Erhalt von Sozialleistungen und zum Erhalt medizinischer Versorgung dieselben Rechte zu wie bulgarischen Staatsangehörigen auch. Wenngleich in Bulgarien Hemmnisse und fehlende Integrationsangebote, insbesondere für Kinder, zu bemängeln sein mögen (vgl. hierzu: UNHCR, Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand April 2014) ist darin keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erkennen, sondern ist dies vielmehr Ausdruck des im Vergleich zur Bundesrepublik derzeit noch vorherrschenden niedrigeren Lebensstandards bzw. Sozialniveaus. Einen Anspruch auf Art. 3 EMRK auf Einhaltung eines gewissen Lebensstandards einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung ist daraus jedoch nicht abzuleiten (vgl. EGMR, U. v. 21.1.2011, Az. 30969/09, juris, m. w. N.). Die dem Kläger drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem zurückweisenden Vertragsstaat, reicht jedenfalls offensichtlich nicht aus, die Schwelle zu einer unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK gerade verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013, Az. 27725/10, juris). Art. 3 EMRK ist insoweit nicht als individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen zu begreifen. Vielmehr muss sich der Kläger auf den in Bulgarien für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebens- und Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser derzeit noch nicht gleichwertig dem entsprechenden Standard in der Bundesrepublik Deutschland sein mag.
Auch ein Sonder- bzw. Ausnahmefall vom Konzept der normativen Vergewisserung des Bundesverfassungsgerichts ist vorliegend nicht gegeben und wurde auch nicht vom Kläger konkret vorgetragen. Weder droht dem Kläger in Bulgarien die Todesstrafe, noch bestünde eine erhebliche und konkrete Gefahr, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung nach Bulgarien Opfer eines Verbrechens würde, welches zu verhindern nicht in der Macht Bulgariens stünde, noch ist ersichtlich, dass Bulgarien selbst zum Verfolgerstaat werden würde. Auch wenn die Lebensverhältnisse für Flüchtlinge in Bulgarien nach den vorliegenden Erkenntnissen prekär sein mögen (vgl. UNHCR a. a. O.), und eine gezielte Unterstützung für Flüchtlinge, Arbeit und bezahlbare Unterkünfte zu finden, nur schwer zu erreichen ist, betrifft dies immerhin alle in Bulgarien anerkannten Flüchtlinge gleichermaßen und kann auch aus diesen Gründen heraus die grundgesetzliche Wertung der Einordnung Bulgariens als sicherer Drittstaat nicht erschüttern.
Darüber hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG im engeren Sinne vorliegend nicht einmal im Ansatz erkennbar.
Eine solche liegt vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche, konkrete Gesundheitsgefährdung für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn, BayVGH
Gemessen daran mangelt es bei dem einen vorgelegten Attest des praktischen Arztes vom
Das Attest, das erst nach der Ladung zum Termin der mündlichen Verhandlung dem Gericht vorgelegt wurde - vormals hat der Kläger keine gesundheitliche Beschwerden geltend gemacht -, enthält nur allgemeine Angaben über die Erkrankungen des Klägers, ohne dass konkret auf eine durchgeführte Anamnese oder auf einen körperlichen Untersuchungsbefund verwiesen wird. Als Diagnose werden eine schwere Depression mit Unruhe und Angstzuständen, Kriegsopfer mit schweren posttraumatischen Beschwerden, Fußbeschwerden sowie eine chronische Gastritis vorgetragen. Es wurden in dem Attest des praktischen Arztes keine Aussagen getroffen, wie und bei welchen ggf. Fachärzten oder Kliniken der Kläger weiter zu therapieren sei bzw. welche Medikamente er zukünftig einnehmen müsse bzw. jetzt bereits einnehme. Nicht einmal im Ansatz ergibt sich aus dem vorgelegten Attest, weshalb der Kläger unter den angegebenen Beschwerden nicht reisefähig bzw. transportfähig sei. Es wird auch nicht dargelegt, dass die Abschiebung als solche seinen Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Das Attest enthält daher keine nachvollziehbaren tatsächlichen Umstände bezüglich der Erkrankung des Antragstellers, die die Prognose zuließen, dass sich die Krankheit wegen der bevorstehenden Abschiebung massiv verschlechtern werde und medikamentös nicht beherrschbar wäre.
Daher ist von einer Reise- und Transportfähigkeit des Klägers auszugehen. Der Kläger ist auf die medizinische Versorgung in Bulgarien zu verweisen.
Damit ist auch die Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG nicht zu beanstanden.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000 Euro.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Den Darlegungen des Klägers kann eine Klärungsbedürftigkeit der Frage,
3"ob Bulgarien (noch immer) als sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes anzusehen ist",
4nicht entnommen werden.
5Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, warum diese Frage in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen ist. Der Kläger legt keine konkreten Anhaltspunkte dafür dar, dass die vom Verwaltungsgericht benannten entscheidungserheblichen und über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Tatsachen einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind, so dass diese der Klärung bedarf.
6Vgl. zu den Darlegungserfordernissen bei der Grundsatzbedeutung von Tatsachenfragen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124a Rn. 214.
7Dass Bulgarien als Mitglied der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat ist, steht kraft normativer Vergewisserung des Verfassungsgesetzgebers fest (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes). Dem kann der Kläger nicht mit der bloßen Behauptung entgegentreten, diese Normativwertung sei falsch. Vielmehr bedarf es der konkreten Darlegung, dass es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Kläger von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist, wobei an diese Darlegung strenge Anforderungen zu stellen sind.
8Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.); zu den Fallgruppen vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl., § 26a Rn.3 ff.
9Die beiden vom Kläger dargelegten Umstände können keinen der genannten Sonderfälle begründen. So bemängelt der Kläger zum einen unter Bezugnahme auf einen UNHCR-Bericht mit Stand von April 2014, dass in Bulgarien für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutz Unklarheiten und Mängel vorlägen, die auch die aus der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 folgenden Rechte des Klägers beeinträchtigten. So konstatiere der UNHCR eine zwei Monate andauernde Lücke beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, wenn Asylsuchende als Flüchtlinge anerkannt würden oder ihnen subsidiärer Schutz zugesprochen werde. Der Grund dafür sei eine Übergangsphase für die Änderung des Gesundheitsversorgungsstatus, die zwei Monate lang dauern könne. In diesem Zeitraum könnten Personen in den elektronischen Systemen als „nicht versichert" erscheinen. Zum anderen bemängelt er unter Bezugnahme auf den Bericht der bulgarischen State Agency for Refugees vom 1.8.2014, dass kein Integrationsprogramm für subsidiär Schutzberechtigte in den bulgarischen Arbeitsmarkt bestehe.
10Maßgebend für die gerichtliche Verneinung des Status eines sicheren Drittstaates für subsidiär Schutzberechtigte ist nicht, ob deren Lebensverhältnisse in dem Staat den europarechtlichen oder deutschen Anforderungen entsprechen oder ‑ wie auch das Verwaltungsgericht konstatiert hat ‑ prekär sind, sondern ob ein Sonderfall im obengenannten Sinne vorliegt. Hier kommt die im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangene Sonderfallgruppe in Betracht, dass der Drittstaat subsidiär Schutzberechtigte unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unterwirft.
11Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.)
12Da es hier nicht um die Behandlung von staatlicherseits Untergebrachten durch den bulgarischen Staat geht, stehen nicht staatliche Unterlassungspflichten aus Art. 3 EMRK in Rede. Vielmehr geht es darum, dass sich die Lebensverhältnisse des Klägers als subsidiär Schutzberechtigten in Bulgarien allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen könnten, es geht also darum, ob der Drittstaat insoweit bestehende Schutzpflichten verletzt.
13Vgl. zu den unterschiedlichen Gewährleistungsbereichen des Art. 3 EMRK Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 3 Rn. 9 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 7 ff.
14Eine solche Schutzpflichtverletzung, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch den bulgarischen Staat darstellte, kann in der dargestellten Zweimonatslücke bei der Gesundheitsversorgung auch nicht im Ansatz gesehen werden. Insoweit kommt allenfalls das Fehlen einer gewissen Grundversorgung in Betracht.
15Vgl. Bank in:Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Bd. 1, 2. Aufl., Kap. 11 Rn. 110 ff.
16Das Fehlen eines Integrationsprogramms für den bulgarischen Arbeitsmarkt als solches ist nach den genannten Maßstäben für die Frage, ob Bulgarien ein sicherer Drittstaat ist, unerheblich, selbst wenn ein solches Fehlen europäischen Rechtsvorschriften widersprechen sollte (vgl. etwa Art. 26 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften stellt eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
17Schließlich begründen auch die beiden zitierten Entscheidungen von Verwaltungsgerichten keine Klärungsbedürftigkeit. Das gilt schon deshalb, weil es sich lediglich um Entscheidungen im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt. Im Übrigen sind auch insoweit keine Gesichtspunkte erkennbar, die einer von dem hier angegriffenen Urteil unterschiedlichen Würdigung im Berufungsverfahren zugänglich sind.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge am 8. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.
3Im Rahmen der Anhörung am 25. August 2014 äußerte der Kläger, er habe am 8. August 2014 Afghanistan verlassen. Er sei mittels Flugzeug nach Österreich eingereist und sei von dort mit dem Auto nach Deutschland gebracht worden. In Österreich habe man auch seine Fingerabdrücke abgenommen.
4Am 23. September 2014 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedstaat (Österreich) registriert wurde (EURODAC-Treffer).
5Unter dem 12. November 2014 richtete die Beklagte an Österreich ein Wiederaufnahmegesuch, welches Österreich am 14. November 2014 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO annahm.
6Mit Bescheid vom 22. Januar 2015, dem Kläger am 4. Februar 2015 zugestellt, lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete die Abschiebung nach Österreich an (Ziffer 2.). Zur Begründung führte sie aus, Österreich sei nach der Dublin III-VO zuständig und es beständen keine außergewöhnlichen humanitären Gründe, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Die Rückkehr nach Belgien sei dem Kläger zumutbar.
7Der Kläger hat am 10. Februar 2015 Klage gegen den Bescheid vom 22. Januar 2015 erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (14 L 334/15.A), der mit Beschluss vom 25. Februar 2015 abgelehnt worden ist.
8Zur Begründung trägt er vor, sein Bruder lebe in Frankfurt und könne ihn unterstützen. Erstmalig mit Schriftsatz vom 27. April 2015 wird ausgeführt, dass er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode leide. Hierzu wird auf den Bericht des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach vom 20. April 2015 sowie auf ein Attest vom 26. März 2015 verwiesen.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid vom 22. Januar 2015 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 L 334/15.A und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Über den Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da beide Beteiligte insoweit auf die Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
17Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers in rechtmäßiger Weise als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Österreich angeordnet. Gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) (AsylVfG) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen hier vor.
19Österreich ist gemäß Art. 18 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Österreich hat sich am 14. November 2014 zur Durchführung des Asylverfahrens für zuständig erklärt und sich verpflichtet, den Antragsteller wiederaufzunehmen.
20Das Gemeinschaftsrecht gebietet es vorliegend nicht, von einer Überstellung des Antragstellers nach Österreich abzusehen. Insoweit wird auf die Begründung des Bescheids vom 22. Januar 2015 und den Ausführungen im Beschluss vom 25. Februar 2015 verwiesen.
21Es bleibt festzustellen, dass das Asylverfahren in Österreich keine systemischen Mängel aufweist.
22Vgl. insoweit für die einheitliche Rechtsprechung: VG Bayreuth, Beschluss vom 12. Dezember 2014 – B 1 S 14.50116 – Rn. 19 ff. m.w.N.; VG Augsburg, Beschluss vom 5. August 2014 – Au 3 S 14.50165 – Rn. 25; zitiert jeweils nach juris.
23Dies scheint selbst der Kläger so zu sehen. So teilte der ehemalige Prozessbevollmächtigte im Eilverfahren telefonisch mit, keine Begründungsschrift im Eilverfahren vorlegen zu können, aus der sich systemische Mängel ergeben könnten. Auch der aktuelle Prozessbevollmächtigte hat keine systemischen Mängel versucht darzustellen.
24Die Beklagte ist auch nicht unter Bezugnahme auf Art. 9 Dublin III-VO zuständig. Art. 9 Dublin III-VO regelt, dass wenn der Antragsteller einen Familienangehörigen hat — ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat —, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun. Da Art. 2 lit. g) Dublin III-VO den Begriff des Familienangehörigen abschließend regelt, ohne die Beziehung zum Bruder hierin aufzunehmen, liegen die Voraussetzungen des Art. 9 Dublin III-VO bereits aus diesem Grunde nicht vor.
25Es liegen schließlich auch keine zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote vor. Für den Kläger besteht in Österreich keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt.
26Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –; und vom 25. November 1997 – 9 C 58.96 –; zitiert nach juris.
27Davon ist vorliegend nicht - auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachte psychische Erkrankung des Klägers auszugehen. Insoweit sind das vorgelegte Attest vom 26. März 2015 sowie der Bericht vom 20. April 2015 unzureichend.
28Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13/11 – Rn. 4; zitiert nach juris.
30Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder der fachlichen Stellungnahme nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht.
31Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer posttraumatischen Belastungsstörung angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie einer vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests.
32Vgl. BVerwG Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 – Rn. 15; zitiert nach juris.
33Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Erkrankung, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer psychischen Erkrankung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
34Diesen Anforderungen werden die vorgelegten Unterlagen nicht gerecht. Auffällig ist dabei bereits, dass der Kläger erst seit dem 19. März 2015 in ambulanter Behandlung ist, obwohl er bereits seit August 2014 in der Bundesrepublik ist. Weder der ehemalige Prozessbevollmächtigte noch der aktuelle Prozessbevollmächtigte, die jeweils ein Eilverfahren für den Kläger betrieben haben, hatten in diesem Zusammenhang auf eine mögliche psychische Erkrankung hingewiesen. Gleiches gilt für den Kläger selbst, der zu keinem Zeitpunkt auf Probleme hingewiesen hatte. Erst nach Ablehnung des Eilantrags wurde dann Hilfe beim Evangelischen Krankenhaus Berglisch Gladbach gesucht. Das fachärztliche Attest vom 26. März 2015 gibt lediglich an, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt sei. Wie diese Diagnose binnen 1 Woche zustande gekommen ist, ist dem Attest ebenso wenig zu entnehmen wie die geplanten Therapieansätze. Vielmehr wird allein ein Umzug zum Bruder empfohlen.
35Auch der Verlaufsbericht vom 20. April 2015 erfüllt nicht die zu fordernden Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens. Der Bericht geht über das Attest lediglich insoweit hinaus, als das als Ursache der Belastungsstörung die Erlebnisse in Afghanistan (Ermordung der Familienangehörigen) genannt werden. Zugleich wird die Behandlung mit Medikamenten dargelegt. Zentrale Elemente eines qualifizierten Gutachtens fehlen jedoch. Anzahl, Dauer und Inhalt der einzelnen Behandlungstermine werden nicht aufgezeigt. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Krankheitsvorgeschichte und eigener Anamnese diese Diagnose zustande gekommen ist. Es wird lediglich pauschal eine Tatsachengrundlage (traumatisches Erlebnis) angegeben. Wie diese ermittelt und überprüft wurde, bleibt offen. Konkrete Angaben, wie lange und in welchem Umfang die jeweiligen Behandlungsmethoden geplant sind und welche Ziele konkret verfolgt werden, fehlen ebenfalls. Der vorgelegten Stellungnahme ist des Weiteren nicht zu entnehmen, warum bei einer Rückführung des Klägers nach Österreich eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Gesundheitsverschlechterung eintreten würde. Es wird nur darauf verwiesen, dass „psychische Störungen in näherer Umgebung von Familienangehörigen leichter zu behandeln“ seien.
36Weiter ist zu beachten, dass der Kläger auch nicht nach Afghanistan, an den Ort, an dem die Traumata auslösenden Ereignisse stattgefunden haben sollen, zurückgeführt werden soll, sondern nach Österreich in einen anderen europäischen Mitgliedsstaat, um dort das Asylverfahren durchzuführen.
37Unabhängig davon steht nicht fest, dass die im Attest als Diagnose genannten Krankheitsbilder in Österreich nicht behandelbar sind bzw. eine entsprechende Medikation unmöglich ist. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse sind die Behandlung und auch deren Zugang in Österreich für Inhaber internationalen Schutzes, grundsätzlich hinreichend gewährleistet.
38Vgl. Aida National Country Report „Austria” S. 64; abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_austria_second_update_uploaded_1.pdf.
39Dabei wird darauf hingewiesen, dass sich der Asylbewerber bzw. Schutzberechtigte grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie- und Medikationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen muss, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen sollte.
40Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2015 – 17 K 6764/14.A –, Rn. 30, zitiert nach juris.
41Auch unter Berücksichtigung, dass bei der Anordnung der Abschiebung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG das Bundesamt anders als sonst im Asylverfahren nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 a Abs. 2 AufenthG zu prüfen hat, sind solche Abschiebungshindernisse vorliegend nicht gegeben.
42Ein rechtliches aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) folgendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegt vor, wenn der Ausländer aus gesundheitlichen Gründen nicht transportfähig ist oder wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Diese Voraussetzungen liegen wie gezeigt nicht vor. Aussagen zur Transport- oder Reiseunfähigkeit sind den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO.)
Tenor
Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.6.2015 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den französischen Behörden gemäß Art. 31 Abs. 1 und 2 Buchstaben a) und c) sowie Art. 32 Abs. 1 Dublin III-VO Informationen über die besonderen Bedürfnisse der Kläger zu 1 bis 3 hinsichtlich ihrer Erkrankung bzw. Behinderung zum Zwecke ihrer medizinischen Versorgung und Behandlung bzw. bildungsmäßigen Betreuung zu übermitteln hat.
Von den Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger als Gesamtschuldner zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
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T a t b e s t a n d
2Die in Makmur, Provinz Ninive, Irak geborenen Kläger zu 1 und 2 sowie die in Erbil, Kurdische Autonomieregion, Irak geborenen Kläger zu 3 bis 5 sind irakische Staatsangehöriger kurdischer Volks- und muslimischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten am 13.10.2014 in die Bundesrepublik Deutschland von Frankreich aus ein, wohin sie von der Türkei aus mit dem Flugzeug gelangt waren, und stellten am 11.2.2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Die Kläger hatten vom französischen Konsulat in Erbil am 15. bzw.16. 9.2014 jeweils ein französisches Schengen-Visum mit der Gültigkeit vom 18.9.2014 bis zum 2.11.2014 erhalten.
3Das Bundesamt richtete am 9.4.2015 ein Wiederaufnahmegesuch an Frankreich unter Hinweis auf die Schengen-Visa. Am 9.6.2015 stimmte Frankreich der Rückführung der Kläger aufgrund des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu.
4Mit Bescheid vom 30.6.2015 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Frankreich an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
5Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 14.7.2015 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Vertiefung ihrer bisherigen Angaben vortragen: Die 2003 geborene Klägerin zu 3 sei schwer behindert und leide zudem unter gesundheitlichen und psychischen Beschwerden. Sie sei derzeit in intensiver und engmaschiger fachärztlicher Behandlung sowohl hinsichtlich ihrer Behinderung als auch der Zusatzerkrankungen. Sie zeige nach wie vor starke Angstzustände und habe Albträume sowie Verhaltensauffälligkeiten. Ihre schwere Hauterkrankung verschlimmere sich bei Aufregung; die Haut an den betroffenen Stellen wie an den Händen, am Kopf und an den Füßen falle regelrecht fetzenweise ab und sei stark gerötet bis blutig. Aus medizinischer Sicht sei es erforderlich, ohne Unterbrechung ihre Beschulung und Stabilisierung fortzusetzen, um ihre Hauterkrankung zu stabilisieren. Ferner werde die Unterrichtung der gesamten Familie in der Gebärdensprache empfohlen. Bei einer Überstellung nach Frankreich werde die damit einhergehende Belastung und Aufregung für die Klägerin zu 3 sowie die Unterbrechung der hier intensiv begonnenen und laufenden Behandlungen zu einer Verschlimmerung ihres gesundheitlichen Zustands einschließlich ihres psychischen Zustands führen. Nach den beigefügten eingeholten Arztberichten sei es medizinisch erforderlich, ihre Behandlung im Inland fortzusetzen. Zudem sei jede Aufregung und Anstrengung der Klägerin zu 3 aus gesundheitlichen Gründen zu vermeiden. Nach ärztlicher Einschätzung würde ihre Abschiebung nach Frankreich für sie eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, weshalb eine Reiseunfähigkeit vorliege und eine Abschiebung der Familie nach Frankreich nicht in Betracht komme.
6Dazu wird ein Bericht der Märkischen Kliniken GmbH, Klinikum Lüdenscheid vom 4.2.2015 vorgelegt. Nach dem weiteren Bericht dieser Klinik vom 28.4.2015 leidet die Klägerin zu 3 an einer psoriasisformen Dermatitis, wohingegen eine Psoriasis vulgaris nicht sicher nachgewiesen werden könne. Aus diesem Grund bescheinigte der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Allergologie Dr. med. N. H. unter dem 20.7.2015, die Klägerin zu 3 stelle sich drei- bis viermal wöchentlich in der Praxis vor und werde mit verschiedenen Lokaltherapeutika sowie mittels einer Creme-PUVA-Therapie behandelt; die Ergebnisse seien viel versprechend. Es sei dringend erforderlich, dass die Bestrahlungsbehandlung in gleicher Frequenz fortgesetzt werde, um ein zufriedenstellendes Hautergebnis zu erreichen. Über die notwendige Dauer könne derzeit keine Aussage getroffen werden.
7Die Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Cochlear Implant Centrum Köln bescheinigte durch Dr. M. -S. und die Lehrerin für Sonderpädagogik Dr. rer. medic. C. T. unter dem 19.2.2015 der Klägerin zu 3 eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und führte weiter aus, es seien regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich hinsichtlich einer Hörgeräteversorgung, um die bestehenden Hörreste zu aktivieren. Die Klägerin zu 3 solle dringend an die Schule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation in der H1.--------straße in Köln angebunden werden. Sobald ihr Hörstatus geklärt und ihre Lernfähigkeit durch die Schule kennen gelernt worden sei, könne über eine Cochlea Implantation nachgedacht werden; derzeit stehe jedoch die Hörgeräteversorgung sowie das Erlernen eines Kommunikationssystems im Sinne der deutschen Gebärdensprache im Vordergrund. Im Bericht der Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Cochlear Implant Centrum Köln vom 24.7.2015 führten Dr. M. -S. und die Lehrerin für Sonderpädagogik Dr. C. T. weiter aus, dass die Klägerin zu 3 im weiteren Verlauf dringend die weitere Schulung ihres Gehörs sowie die Ausweitung der Gebärdensprachkompetenz benötige; das derzeitige Bildungskonzept helfe ihr, einen Einstieg in die Gehörlosenbildung zu erhalten, zu lernen und kommunizieren zu können. Aus ärztlicher Sicht sei die Fortsetzung der nun endlich eingeleiteten Behandlung und schulischen Förderung im Sinne der Klägerin zu 3; eine Unterbrechung der bisherigen Maßnahmen bedeute deren weitere schwere Traumatisierung. Im Gespräch mit Gebärden spreche sie über ihre Angst, von langen bärtigen Männern erschossen zu werden. Im Bericht der Uniklinik Köln vom 15.10.2015 wird mitgeteilt, die Klägerin zu 3 besuche die H2. , fühle sich dort wohl und sei eingebunden; zudem habe sie täglich eine Therapie in der dermatologischen Praxis aufgrund der schweren Psoriasis. Als Therapie werde vorgeschlagen: Fortführung der weiteren dermatologischen, sozialpädiatrischen und augenärztlichen Untersuchung, Fortführung der Beschulung und Kontinuität sowie Stabilisierung, um die Psoriasis und die psychosoziale Situation zu stabilisieren, Gebärdensprachen-Unterricht für die gesamte Familie sowie pädaudiologische Kontrolle in sechs Monaten.
8Ferner legen die Kläger folgende ärztliche Unterlagen vor: Einen Überweisungsschein des Kinderarztes Dr. D. F. vom 26.10.2015 für die Klägerin zu 3 an einen Neurologen/Psychiater wegen Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung, jeweils einen Überweisungsschein des Facharztes für Allgemeinmedizin D1. Q. vom 27.10.2015 für den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 an einen Neurologen/Psychiater wegen psychosomatischen Belastungssyndroms, zwei Bescheinigungen dieses Arztes für die beiden Kläger vom 27.10.2015, wonach aufgrund der Erkrankung dringend ein psychiatrisches Attest erforderlich sei, ein fachärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie P. M1. vom 3.11.2015 für die Klägerin zu 2 mit der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, ein fachärztliches Attest des selben Arztes vom selben Datum für den Kläger zu 1 mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, der Anordnung einer notfallmäßigen stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung wegen der Stärke der Depressivität und zur Abwendung der Suizidgefahr sowie der Äußerung, dass für ihn derzeit von einer Reiseunfähigkeit ausgegangen wird und ein Transport gegen seinen Willen das Risiko suizidaler Handlungen birgt, weiter eine Bescheinigung des Klinikums Oberberg, Klinik Marienheide, Zentrum für seelische Gesundheit vom 5.11.2015, wonach der Kläger zu 1 sich seit dem 3.11.2015 bis auf weiteres in stationärer Behandlung befindet, sowie einen Bericht der Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 vom 3.11.2015 über deren Situation, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 120 bis 122 der Gerichtsakte verwiesen wird.
9Die Kläger beantragen,
10den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.6.2015 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 und vom 6.11.2015 verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
17Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.10.2015 - 1 C 32, 33 und 34.14 -, Pressemitteilung vom 28.10.2015 in juris; OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A -, juris.
18Der ursprünglich schriftsätzlich angekündigte Antrag, die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen, geht nicht darüber hinaus, weil er lediglich eine sich materiellrechtlich aus dem Anfechtungsantrag ergebende Folge umschreibt.
19Die Klage ist aber nur zum Teil begründet. Die Ablehnung der Asylanträge der Kläger als unzulässig in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist im gemäß §§ 87 Abs. 2, 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtmäßig und verletzt die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Bundesamt hat auf zu Recht auf der Grundlage des § 27a AsylG die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staats ist die Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO). Danach ist hier Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger zuständig. Für die Prüfung, welcher Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig ist, kommt es auf den Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung an, weil gemäß Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eingeleitet wird, sobald in einen Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Die Kläger haben ihren ersten Asylantrag am 11.2.2015 beim deutschen Bundesamt gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Kläger seit weniger als sechs Monaten nicht mehr im Besitz eines Schengen-Visums, das Frankreich ihnen für die Zeit vom 18.9.2014 bis zum 2.11.2014 erteilt hatte. Nach Art. 12 Abs. 4 Unterabs. 1 Dublin III-VO sind in dem Fall, dass der Antragsteller ein Visum besitzt, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, die Absätze 1, 2 und 3 des Art. 12 Dublin III-VO anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Letzteres ist bis heute nicht der Fall gewesen. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die von dieser Zuständigkeitsregelung abweichende Regelung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 Dublin III-VO ist nicht einschlägig, weil Frankreich den Klägern das Visum nicht im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats erteilt hatte. Die danach zuständige Französische Republik ist gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe a) Dublin III-VO gehalten, die Kläger nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin III-VO aufzunehmen. Die anderen Buchstaben des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO sind nicht einschlägig, weil die Kläger in Frankreich keinen Asylantrag gestellt haben. Eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO hat nicht stattgefunden, weil kein Mitgliedstaat den Klägern einen Aufenthaltstitel erteilt hat.
20Das Bundesamt hat innerhalb der nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO geltenden dreimonatigen Frist nach der am 11.2.2015 erfolgten Asylantragstellung, nämlich am 9.4.2015 und damit vor dem 11.5.2015 das Übernahmeersuchen an Frankreich gestellt. Frankreich hat dem deutschen Aufnahmeersuchen unter dem 9.6.2015 stattgegeben. Die Überstellungsfrist i. S. d. Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen. Seit der Annahme des deutschen Aufnahmegesuchs durch Frankreich unter dem 9.6.2015 sind noch keine sechs Monate verstrichen.
21Ferner ist die Beklagte nicht gemäß Art. 3 Absatz 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gehindert, die Kläger nach Frankreich zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta (GrCh) oder des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit sich brächten.
22Die Dublin III-VO beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GrCh) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar ist. Eine Widerlegung der der Dublin III-VO zugrundeliegenden Vermutung ist allerdings wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft.
23Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Rn.80 bis 83.
24Deshalb genügt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat und nicht jeder geringste Verstoß gegen die Richtlinien, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel in dem zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der Vermutung setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.2014 - 10 B 6.14 -, juris, und vom 6.6.2014 - 10 B 35.14 -, juris.
26Ist ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GrCh implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. In solchen Situationen obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden.
27Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-493/10 -, juris; EGMR, Urteil vom 21.1.2011 - 30696/09 - M.S.S. / Belgien und Griechenland - und Urteil vom 4.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel / Italien -.
28Der Begriff des systemischen Mangels ist weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen" ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung.
29Vgl. Lübbe. „Systemische Mängel" in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff.; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182 ff.
30Systemische Mängel im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind dabei nicht auf flächendeckende gravierende Systemausfälle (wie etwa für Griechenland festgestellt) beschränkt, sondern erfassen generell solche, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und deshalb den Einzelnen vorhersehbar und regelhaft treffen. Auch tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weit gehend unwirksam wird, können einen systemischen Mangel darstellen.
31Nicht erforderlich ist, dass sich der systemische Mangel bzw. die strukturelle - systemische - Schwachstelle auf eine unüberschaubare Vielzahl, die Mehrheit aller Asylbewerber oder gar auf alle Asylbewerber auswirkt. Ein systemischer Mangel kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn nur eine geringe Anzahl von Asylbewerbern betroffen ist, soweit dies vorhersehbar und regelhaft geschieht.
32Vgl. VGH BW, Urteile vom 18.3.2015 - A 11 S 2042/14 - und vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -; Lübbe, a. a. O.
33Im Falle des Vorliegens systemischer Mängel ist es ferner erforderlich, dass der einzelne Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, hiervon im Falle einer Überstellung in den Zielstaat selbst betroffen zu sein. Bei flächendeckenden systemischen Mängeln bedarf dies keiner besonderen Darlegung. Bei systemischen Mängeln, die sich nur auf Teilgruppen oder vereinzelt auswirken, müssen weitere besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen bzw. geltend gemacht werden, die eine Betroffenheit des Einzelnen beachtlich wahrscheinlich machen.
34Vgl. Lübbe, a. a. O.
35Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
36Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., sowie vom 30.5.2013 - C-528/11 -, juris.
37Für die Rechtsfrage einer Verletzung des Art. 3 EMRK hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Orientierungs- und Leitfunktion.
38Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und nach Auswertung der aktuellen Auskunfts- und Erkenntnislage zu Frankreich steht es zur Überzeugung der Kammer fest, dass den Klägern bei einer Überstellung nach Frankreich keine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Bereits die Kläger haben nicht vorgetragen, dass es durch Tatsachen gestützte und ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür gibt, dass bezogen auf Frankreich nach den aktuellen Erkenntnissen über die dort bestehenden konkreten Verhältnisse das Konzept normativer Vergewisserung nicht greift. Dem Gericht liegen zudem keine Erkenntnisse dazu vor, dass etwa systemische Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und des Asylverfahrens in Frankreich bestehen würden.
39So auch VG Köln, Beschluss vom 10.4.2015 - 3 L 638/15.A - mit Verweis auf VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.2.2015 - 6a K 5194/14.A - juris, m. w. N. aus der Rechtsprechung; VG Leipzig, Urteil vom 30.4.2015 - 6 K 1754/14.A -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 3.2.2015 - 6a L 2012/14. A -, juris m. w. N. aus der Rechtsprechung.
40Das betrifft generell insbesondere den Zugang zur Gesundheitsversorgung und - speziell auf die Kläger bezogen - trotz verbesserungswürdiger Umstände in Bezug auf Zugangsschwierigkeiten und Kapazitätsengpässen auch den Zugang zur psychologischen Versorgung sowie den Zugang zu Schulen, die Kinder mit Förderbedarf unterrichten.
41Forum réfugiés - Cosi und European Council on Refugees and Exiles: Asylum Information Database, National Country Report France, Stand: 4.5.2014, S. 68-70; UNHCR: Towards a New Beginning: Refugee Integration in France, September 2013, S. 31 f., 72.
42Die Integration junger behinderter Menschen in den Regelschulen ihres Viertels ist nunmehr wieder die Regel. Außerdem gibt es spezielle Schulen und Institutionen für junge gehörlose Menschen.
43Vgl. die Inhaltsangabe des Buchs „L´école spécialisée pour jenes sourds ou l´intégration scolaire ordinaire“ von Caroline Michel Jacq, hrsg. von der Ecole supérieure de travail social, Paris 2007, aufrufbar unter http://cediasbibli.org/opac/index.php?lvl=notice_display&id=74153.
44Dieses Ergebnis gilt trotz derzeit vorhandener Probleme, ausreichende Unterbringungskapazitäten für die massiv angestiegene Zahl an Asylbewerbern bereitzustellen. Zwar leben zahlreiche Migranten unter miserablen Bedingungen in improvisierten Flüchtlingslagern, und es fehlt an Plätzen in staatlichen Unterkünften. Die französische Wohnungsbauministerin sprach insoweit von „Elendslagern“, die sich nicht allein auf die Hafenstadt Calais beschränkten.
45Handelsblatt, Internet-Auftritt vom 17.6.2015: Paris will 10.500 Flüchtlingsunterkünfte schaffen.
46Jedoch stellt sich die Unterbringungssituation in den französischen Departements sehr unterschiedlich dar. Zudem nimmt der französische Staat die gegebenen Umstände nicht tatenlos hin. So sind unter anderem Notaufnahmeprogramme entwickelt worden, um die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu ergänzen. All das spricht gegen eine beachtliche Unterschreitung der vom Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen.
47Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 3.2.2015 - 6a L 2012/14. A -, juris m. w. N. aus der Rechtsprechung.
48So sollen allein 4000 neue Plätze bis 2016 für Asylbewerber zur Verfügung gestellt werden.
49Handelsblatt, Internet-Auftritt vom 17.6.2015: Paris will 10.500 Flüchtlingsunterkünfte schaffen.
50Zur Absicherung der speziellen Bedürfnisse der Kläger zu 1 bis 3 hat das Bundesamt außerdem den französischen Behörden gemäß Art. 31 Abs. 1 und 2 Buchstaben a) und c) sowie 32 Abs. 1 Dublin III-VO Informationen insbesondere über die besonderen Bedürfnisse der Klägerin zu 1 bis 3 hinsichtlich ihrer Erkrankungen und Behandlungsbedürftigkeit bzw. ihrer Behinderung zum Zwecke ihrer medizinischen Versorgung und Behandlung bzw. bildungsmäßigen Betreuung zu übermitteln, wie das Gericht eigens im Tenor ausgesprochen hat. Die dafür gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO erforderliche ausdrückliche Einwilligung der Kläger hat deren Prozessbevollmächtigte als ihre Vertreterin in der mündlichen Verhandlung am 6.11.2015 erklärt.
51Da auch keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, gibt es ferner keinen Grund für einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO. Insbesondere eine Eingewöhnung oder begonnene Integration eines Asylbewerbers in die Verhältnisse des nicht zuständigen Mitgliedstaats während seiner Zeit bis zur Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat kann keinen solchen außergewöhnlichen Umstand darstellen, weil anderenfalls das System der Dublin III-VO mit seinen normierten Überstellungsfristen auf diese Weise durch Umstände unterminiert würde, die oft nahezu zwangsläufig mit den zulässigen Übergangszeiten einhergehen. Ebenso wenig ist allein eine – auch schwere – Erkrankung ein Grund, der zwangsläufig zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts führt, wenn sie regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist.
52In diesem Zusammenhang war der Antrag der Kläger, die pädagogische Leiterin der die Klägerin zu 3 unterrichtenden Schule dazu als Zeugin einzuvernehmen, dass die Klägerin zu 3 im Falle ihrer Abschiebung nach Frankreich und damit einer Unterbrechung der bisherigen, in Deutschland erfolgten Maßnahmen eine weitere schwere Traumatisierung erleiden werde, bereits aus materiell-rechtlichen Gründen abzulehnen. Allein eine Traumatisierung i. S. d. Erlebnisses eines traumatischen Ereignisses kann schon deshalb kein Kriterium sein, weil ein solches Erlebnis allein noch nichts darüber besagt, wie der Betroffene damit umgeht. Daraus müssen nicht in jedem Fall Symptome, Beschwerden oder Störungsbilder wie ein akute Belastungsstörung oder eine posttraumatische Belastungsstörung resultieren.
53Sollten die Kläger dagegen mit dem Begriff der Traumatisierung eine psychische Störung mit Krankheitswert meinen, ist der Beweisantrag wegen der Ungeeignetheit des Beweismittels abzulehnen. Denn die Lehrerin ist trotz ihrer vielfältigen Erfahrungen und ihres akademischen Grads einer Doktorin der theoretischen Medizin keine medizinisch-psychologische Fachkraft. Darüber hinaus hätte es für die Darlegung einer „weiteren“ Traumatisierung der Darlegung einer bereits vorhandenen Traumatisierung der Klägerin zu 3 bedurft. Eine solche hat indes keine medizinische bzw. psychologische Fachkraft in der erforderlichen Weise dargelegt. Eine Überweisung wegen eines Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung ist diesbezüglich ihrer Natur nach nicht aussagekräftig.
54Der weitere Beweisantrag, die Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 zu deren Beeinträchtigung in emotionaler, kognitiver und gesundheitlicher Hinsicht im Fall einer Abschiebung als Zeugin einzuvernehmen, war im Hinblick auf die gesundheitlichen Auswirkungen mangels Darlegung eines konkreten außergewöhnlichen Umstands wie etwa eines psychischen Störungsbilds – im Unterschied zu einem traumatischen Erlebnis/einer Traumatisierung – bzw. im Hinblick auf etwa gemeinte gesundheitliche Beeinträchtigungen mangels einschlägiger fachlicher medizinischer Ausbildung der Klassenlehrerin abzulehnen. Im Hinblick auf emotionale und kognitive Beeinträchtigungen der Klägerin zu 3 war der Beweisantrag abzulehnen, weil die Kläger schon nicht dargelegt haben, welche über die mit einer Abschiebung regelmäßig verbundenen Härten hinausgehenden Umstände vorliegen, die trotz medizinischer, psychologischer und edukativer Versorgung der Kläger in Frankreich für einen Selbsteintritt Deutschlands streiten können. Soweit dies durch die Einvernahme der Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 bzw. der Leiterin ihrer Schule beabsichtigt war, waren die Beweisanträge auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.
55Dagegen ist die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 a. E. AsylG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylG voraus, dass die Abschiebung auch durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Ausländers bestehenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse bestehen.
56Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht.
57BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - , BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
58Das ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, d.h. eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2007 - 13 A 4611/04.A - , NRWE.
60Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität liegt hier nicht vor. Es sind nämlich keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine Behandlung der attestierten psychischen Erkrankung der Kläger zu 1 und 2 in Frankreich ausgeschlossen ist. Vielmehr bestehen in Frankreich grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten, wie oben erläutert worden ist. Auch deshalb fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass sich der Gesundheitszustand insbesondere des Klägers zu 1 nach der Überstellung nach Frankreich in einer Weise verschlimmern wird, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
61Soweit sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den
62Herkunftsstaat verbieten sollte, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Frankreich, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies den Klägern nicht möglich sein soll.
63Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse liegen für die Klägerin zu 3 nicht aus dem Grund vor, dass sie in Frankreich keinen Zugang zu medizinischen und Bildungs-Maßnahmen hätte. Das Gegenteil ist der Fall, wie oben im Zusammenhang mit den (verneinten) systemischen Mängeln des französischen Asylsystems erläutert worden ist.
64Dagegen ist für sämtliche Kläger von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis auszugehen. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i. S. d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
65Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris m. w. N.
66Allerdings stellt die Taubstummheit der Klägerin zu 3 von vornherein unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Reisehindernis dar. Ihre Hauterkrankung, die sich bei Aufregung verschlimmert, stellt sich zwar möglicherweise als erhebliche, aber nicht als nachhaltige Verschlimmerung ihres Krankheitszustands dar. Zum einen kann die Klägerin die ihr bereits verschriebenen Medikamente anwenden. Zum anderen ist ihre hautärztliche Versorgung auch in Frankreich sichergestellt.
67Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier von den Klägern zu 1 bis 3 im Weiteren geltend gemacht wird, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
68Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris m. w. N.
69Daran fehlt es hier hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3. Zwar ist möglicherweise im Falle ihrer Abschiebung nach Frankreich eine vorübergehende erhebliche Verschlechterung ihres psychischen Zustands zu befürchten. Sie ist aber nicht als nachhaltig einzustufen, weil die Klägerinnen zu 2 und 3 auch in Frankreich psychologisch betreut werden können. Den Klägerinnen zu 2 und 3 ist auch nicht bescheinigt worden, reiseunfähig zu sein. Ein anderweitiger genügender Nachweis einer Vorerkrankung der Klägerin zu 3 ist ebenfalls nicht erbracht worden.
70Auch in diesem Zusammenhang waren die Anträge der Kläger, die pädagogische Leiterin der die Klägerin zu 3 unterrichtenden Schule und die Klassenlehrerein der Klägerin zu 3 dazu als Zeuginnen einzuvernehmen, dass die Klägerin zu 3 im Falle einer Abschiebung nach Frankreich und damit einer Unterbrechung der bisherigen, in Deutschland erfolgten Maßnahmen eine weitere schwere Traumatisierung erleiden bzw. in emotionaler, kognitiver und gesundheitlicher Hinsicht beeinträchtigt werde, aus den oben im Zusammenhang mit dem Selbsteintrittsrecht genannten Gründen abzulehnen.
71Im Übrigen kommt es auf die mit den Beweisanträgen unter Beweis gestellten Umstände im Hinblick auf Abschiebungshindernisse schon deshalb nicht an, weil der Abschiebung der Kläger aus anderen Gründen ein inlandsbezogenens Hindernis entgegensteht. Denn dem Attest des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie P. M1. vom 3.11.2015 für den Kläger zu 1 ist dessen Reiseunfähigkeit im engeren sowie im weiteren Sinne in ausreichendem Maße zu entnehmen, zumal der Kläger zu 1 deshalb auch zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen worden ist. Das Attest gibt nachvollziehbar die tatsächlichen Umstände an, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist (Befundtatsachen), ferner die Methode der Tatsachenerhebung und die fachliche medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose) sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben (prognostische Diagnose). Darauf gründend geht der Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie nachvollziehbar von einer Reiseunfähigkeit aus, weil ein Transport des Klägers zu 1 gegen dessen Willen das Risiko suizidaler Handlungen berge.
72Den Klägern zu 2 bis 5 kommt in der Folge wegen des in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz verankerten besonderen Schutzes von Ehe und Familie ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis zugute.
73Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2 VwGO, § 83b AsylG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.