Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297

bei uns veröffentlicht am13.07.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der - nach eigenen Angaben - am ... ... ... oder ... ... ... (vgl. Bl. 15 der Behördenakte - BA) geborener Kläger mit äthiopischer Staatsangehörigkeit reiste - wieder nach eigenen Angaben - am 20. Mai 2013 (Bl. 21 BA) ins Bundesgebiet ein und beantragte am 28. Mai 2013 Asyl (Bl. 3 BA).

Der Kläger trug zur Begründung bei der Anhörung des Bundesamtes im Wesentlichen vor: Sein Vater sei Mitglied der Organisation Abbenja gewesen. Der Kläger habe „keine Ahnung von Politik“. Der Vater sei zwei Mal verhaftet worden. Die Polizisten hätten das Haus durchsucht. Unter dem Bett des Vaters sei eine Waffe gefunden worden. Danach seien die Polizisten öfters gekommen. Sie hätten auch den Kläger gefragt, der aber nichts gewusst habe. Eines Tages sei der Kläger von der Polizei mitgenommen worden. Nach der Freilassung habe er sich täglich bei der Wache melden müssen. Eines Tages habe der Kläger nach so einem Wache-Besuch nicht mehr nach Hause gehen dürfen. Der Vorwurf habe gelautet, dass er angeblich der Haushälterin zur Flucht verholfen habe. Nach einer Woche sei er freigekommen. Danach sei er nach Addis Abeba gegangen und habe das Land verlassen.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2016 erkannte das Bundesamt für ... dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. .2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Äthiopien wurde angedroht (Nr. 5), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6; Bl. 84 ff. BA).

Der Bescheid wurde dem Kläger mit Schreiben vom 25. Mai 2016 als eingeschriebener Brief zugestellt (Bl. 104 BA).

Am .... Juni 2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2016, zugestellt am 27. Mai 2016, zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wird, weiterhin die Beklagte zu verpflichten, zugunsten des Klägers Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (Antrag wurde gem. § 88 VwGO ausgelegt).

Die Klage wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe seine Verfolgungsgeschichte widerspruchsfrei und detailreich dargelegt. Seinen Vertrauenspersonen - dem Psychiater Dr. P... und der Dipl. - Psychologin G... habe der Kläger mehr Einzelheiten über seine Verfolgung erzählt. Der Kläger sei ein schüchterner Mann, der nach seiner Ankunft im Bundesgebiet verängstigt gewesen sei. Der Kläger habe Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie eines Abschiebungshindernisses. Vorgelegt wurden ein Therapiebericht der Dipl-. Psychologin G... vom 9. Juni 2016, ein Attest des Psychiaters Dr. P... vom 8. Januar 2016, der Amnesty Report Äthiopien 2016 und weitere Internetauszüge.

Mit Schreiben vom .... Juli 2016 übersandte der Klägerbevollmächtigte eine weitere psychiatrische Stellungnahme des Dr. P... vom 29. Juni 2016

Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 15. Juni 2016 die Akte und stellte, keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 17. Juni 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 25. Mai 2016 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weiterhin hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG und auf Verkürzung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots hat (der Antrag des Prozessbevollmächtigten wurde gem. § 88 VwGO ausgelegt).

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2016 entschieden werden, obwohl außer des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten keiner der Beteiligten erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klagepartei und die Beklagte sind form- und fristgerecht geladen worden.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG oder Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art. 16 a GG noch liegen bei ihm Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.

Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).

Das Gericht muss - für einen Erfolg des Antrags - die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).

In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien oder im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein würde.

Der Vortrag des Klägers ist teilweise asylrechtlich irrelevant.

Die Vorgänge betreffend seinen Vater sind schon deshalb für die Vorverfolgung des Klägers irrelevant, weil Sippenhaft kein Instrument staatlichen Handelns in Äthiopien ist (BayVGH, B.v. 17.12.2004 - 9 ZB 04.30483 - juris; OVG Brandenburg, U.v. 14.4.2016 - 4 A 783/01.A - juris).

Die vom Kläger dargestellten Befragungen durch die Polizei und die Hausdurchsuchungen erreichen nicht die Schwelle des asylrechtlich relevanten Vorbringens, so dass sie unbeachtlich sind.

Darüber hinaus hat der Kläger bezüglich seiner Vorverfolgung einen Sachverhalt vorgetragen, der widersprüchlich und unglaubhaft ist. Das Gericht geht deshalb nicht davon aus, dass sich der geschilderte Sachverhalt ereignet hat.

Der Kläger hat schon zu seinen persönlichen Angaben unglaubhafte Ausführungen gemacht. Beim Bundesamt trug er vor, er habe die Schule im Jahr 2002 verlassen (Niederschrift, Seite 3 unten). In der mündlichen Verhandlung trug er vor, dies sei im Jahr 2005 gewesen. Erst auf Vorhalt räumte er ein, dass dies im Jahr 2002 gewesen sei. Wenn der Kläger bereits bei diesen persönlichen allgegenwärtigen Angaben derart widersprüchlich agiert, wirkt sich dies auf den gesamten Sachverhalt aus.

Auch die Vorgänge betreffend die Inhaftierung des Klägers sind unglaubhaft und widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, bei der zweiten Inhaftierung sei er gefoltert worden und zwar mit Inhalieren von Rauch vom scharfem Paprika und Wassertrinken unter einem laufenden Wasserhahn. Ihm sei bei der Entlassung gesagt worden, wenn der Vater nicht gefunden würde, würde er in Haft bleiben oder getötet werden (Niederschrift, Seite 3). Beim Bundesamt hat der Kläger darüber gar nichts berichtet (Niederschrift, Seite 2, Seite 3 unten, Seite 6). Es handelt sich um eine erhebliche Steigerung des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung, die das gesamte Vorbringen unglaubhaft macht. Die Einlassung des Klägers, „er habe das nicht wieder hochkommen lassen wollen“, überzeugt nicht.

Nach alledem hat der Kläger einen unglaubhaften Sachverhalt vorgetragen, der sich nach Ansicht des Gerichts nicht ereignet hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art. 16a GG, weil er bezüglich seiner Vorverfolgung einen unglaubhaften Sachverhalt vorgetragen hat (vgl. oben).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG; § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.) drohen könnte. Denn der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zu seiner Vorverfolgung ist unglaubhaft; das Gericht geht davon aus, dass er sich nicht ereignet hat (vgl. oben).

Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG liegt offensichtlich nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 5 AufenthG, da dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht gegeben sind.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13.11 - juris). Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie und Medikamentenstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (VG Düsseldorf, U.v. 24.3.2015 - 17 K 2897/14.A - juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BayVGH, U.v. 23.7.2014 - 19 B 12.1073 - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen.

Der Kläger kann kein Abschiebungsverbot wegen der von Dr. P..., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie am 8. Januar 2016 und 29. Juni 2016, mit Therapiebericht der Dipl.-Psychologin G... vom 9. Juni 2016 und mit Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin K... vom 17. Juni 2016 diagnostizierten Erkrankungen (posttraumatischen Belastungsstörung, mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom und somatische Schmerzzustände, Atemnotzustände und anfallartiges Asthma) beanspruchen.

Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste des Dr. P... und der Therapiebericht der Dipl. Psychologin G... genügen nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer PTBS nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (BVerwG v. 17.8.2011, 10B 13/11). Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder der fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Erlebnisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen ärztlichen Untersuchung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allein mit psychiatrischpsychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (BayVGH B. v. 15.12.2010, 9 ZB 10.30376). Dem Umstand, dass es Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, die Frage nach der Glaubhaftigkeit und dem Wahrheitsgehalt des von dem Schutzsuchenden zur Stützung seines Begehrens im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten konkreten Sachverhalts zu beantworten, entspricht es aus medizinischer Sicht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur diagnostiziert werden kann, wenn das Trauma nachgewiesen ist, wenn also vor Gericht oder vor der Behörde, nicht vom Gutachter, nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden kann, das das behauptete traumatisierende Ereignis stattgefunden hat (VGH BW v. 20.10.2006 - A 9 S 1157/06 - juris). Hinzu kommt, dass die Symptome einer PTBS keine spezifischen Symptome für ein Krankheitsbild sind, sondern auch bei zahlreichen anderen psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B. depressiven Störungen, Angststörungen oder Anpassungsstörungen auftreten können. damit kommt der Frage des Traumas zentrale Bedeutung zu, denn ohne traumatisches Ereignis kann keine PTBS vorliegen. Entscheidend ist daher die Frage, ob das traumatische Ereignis überhaupt erlebt worden ist.

Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund dieser Eigenart des Krankheitsbildes bestehen entsprechende Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder für Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 31) regelmäßig die Vorlage eines, gewissen Mindestanforderungen genügenden, fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen der PTBS auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG v.11. 9. 2007, a. a. O.). Vorgelegte Gutachten müssen im Besonderen nachvollziehbar sein und den genannten Mindestanforderungen entsprechen (VG Düsseldorf v. 20. 2. 2003, juris).

Das Attest der Dr. P... vom 8. Januar 2016 und der Befundbericht der Dipl-Psychologin G... übernehmen ungeprüft die Angaben des Klägers zur Vorverfolgung. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss der Schutzsuchende gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachweisen bzw. wahrscheinlich machen (vgl. obige Ausführungen). Es fehlt in dem ärztlichen Attest des Dr. P... an einer Abklärung, ob die geschilderten Erlebnisse auf wirklich Erlebtem beruhen. Es fehlt auch an einer nachvollziehbaren, fundierten und ernsthaften Auseinandersetzung des Attestierenden mit den Angaben des Klägers. Keinesfalls ist aufgrund der attestierten Beschwerden ein Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit des Klägers im Asylverfahren zulässig.

Darüber hinaus ergibt sich aus den Attesten vom 8. Januar 2016 und vom 29. Juni 2016 kein Hinweis darauf, wie lange in etwa eine Therapie andauern soll. Die Atteste geben auch keinen Aufschluss über die Schwere der Erkrankung und keine Begründung dafür, warum der Kläger das behauptete traumatisierende Ereignis erst Jahre nach der Einreise im Jahr 2013 geltend gemacht hat (psychiatrische Behandlung seit Januar 2016; vgl. Attest des Dr. P... vom 29.6.2016; bzw. ab Oktober 2015; Therapiebericht G... vom 9. Juni 2016). Bei der Anhörung des Bundesamtes vom 22. Mai 2014 (1 Jahr nach der Einreise ins Bundesgebiet) hat er darüber nichts berichtet. Die Begründung des Dr. P... im Attest vom 29. Juni 2016 (2.) ist insoweit nicht überzeugend. Der Kläger hatte von Anfang an Zugang zur psychiatrischen Behandlung, so dass kein Anlass bestand, die Beschwerden nicht früher geltend zu machen.

Der Therapiebericht der Dipl.-Psychologin G... vom 9. Juni 2016 diagnostiziert eine posttraumatische Belastungsstörung („Zusammenfassung“). Die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung wurde nicht von einem Facharzt gestellt, sondern von einer Diplom-Psychologin; dies reicht zur Substantiierung einer solchen Diagnose nicht aus. Eine Psychologin hat kein medizinisches Studium absolviert und ist keine Fachärztin für psychische Erkrankungen, die eine posttraumatische Belastungsstörung sicher diagnostizieren kann. Im Übrigen übernimmt sie völlig ungeprüft die vom Kläger erzählte Vorfluchtgeschichte und klärt nicht, ob die Erzählungen auf wirklich Erlebtem beruhen. Die Vorfluchtgründe muss der Kläger gegenüber dem Richter, nicht gegenüber der Psychologin nachvollziehbar und glaubhaft darlegen. Im Übrigen ergibt sich aus dieser Stellungnahme auch nicht, warum der Kläger die Beschwerden erst Jahre nach deren angeblichem Entstehen geltend gemacht hat (vgl. Therapiebericht, Seite 10) und wie lange eine Therapie dauern soll. Die Einlassung, es sei eine längerfristige therapeutische Behandlung nötig, ist nichtssagend.

Darüber hinaus ist die psychische Erkrankung des Klägers - falls eine Behandlung erforderlich sein sollte - in Äthiopien behandelbar. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes ist die medizinische Grundversorgung nur in Addis Abeba zufriedenstellend (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.5.2011, IV.1.2. und vom 18.12.2011, IV. 1.2; Lagebericht vom 4.3.2015, IV.1.2). Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren verbessert, sind aber nach wie vor eingeschränkt und - für äthiopische Verhältnisse - extrem teuer. Außerhalb der Hauptstadt gibt es auch für viele Gebiete gute Fachärzte (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.5.2011, IV.1.2.). Psychiatrische Behandlungen werden in mehreren Krankenhäusern in Addis Abeba angeboten, jedoch ist nur ein Krankenhaus auf Psychiatrie spezialisiert. Nach dem Bericht „Äthiopien: Informationen zum Gesundheitswesen“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist das äthiopische Gesundheitssystem nicht mit europäischem Standard vergleichbar. Zugang, Qualität, Stabilität und Kosten der medizinischen Versorgung variieren innerhalb von Städten, zwischen Stadt und Land sowie zwischen privatem und öffentlichem Sektor. Die Verfügbarkeit von Medikamenten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Die medizinische Versorgung mit Medikamenten ist kurzfristig möglich. In Addis Abeba bietet z. B. das Hospital des G. U. C. mit 350 Betten medizinische Versorgung und Behandlung für etwa 3,5 Millionen Äthiopier.

Zumindest in Addis Abeba könnte die psychotherapeutische Behandlung des Klägers durchgeführt werden. Ob der Abbruch der Behandlung ein Abschiebungshindernis darstellt, ist ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das von der Ausländerbehörde vor der Abschiebung des Klägers zu prüfen ist.

Auch die von der Praxis K... am 17. Juni 2016 attestierten körperlichen Beschwerden sind in Äthiopien behandelbar, falls eine weitere Behandlung erforderlich sein sollte. Dass dies der Fall ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Attest nicht (siehe oben).

Die Kosten für medizinische Behandlungen werden von privaten Krankenversicherungen nur eingeschränkt übernommen. Eine Pflichtversicherung gibt es nicht (o.g. Lagebericht vom 4.3.2015, IV. 1.2.). Bei Rückkehrern aus dem Ausland kann nicht davon ausgegangen werden, dass Krankenkosten von einer Krankenversicherung getragen werden. Es ist für den Kläger sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Der Kläger hat in Äthiopien 7 Jahre lang die Schule besucht. Er hat zwar in Äthiopien nicht gearbeitet, wird aber im Bundesgebiet etwas Deutsch lernen können, so dass ihm als Rückkehrer ein Neustart in einem einfachen Beruf gelingen kann. Es ist dem Kläger zuzumuten, die evtl. notwendigen Krankheitskosten in Äthiopien dann selbst zu tragen. Es ist ihm auch zuzumuten, sich gerade in der Anfangszeit an seine in Äthiopien lebenden Verwandten oder Freunde zu wenden, z. B. den Freund des Vaters, der ihm bei der Ausreise geholfen hat (siehe Niederschrift beim Bundesamt, Seite 3).

Der Kläger kann keinen Abschiebungsschutz wegen der harten Existenzbedingungen in Äthiopien beanspruchen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle der Abschiebung dorthin gleichsam „sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG vom 12.7.2001, InfAuslR 2002,52/55). Davon ist jedoch nicht auszugehen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und, bei Ernteausfällen, potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Im Jahr 2013 waren ca. 2,7 Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen (Lagebericht, IV.1. 1.1.). Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten, bestehen nicht. Für Rückkehrer bieten sich schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Vor allem für Rückkehrer, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen, besteht die Möglichkeit, Arbeit zu finden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 16. 5. 2011, IV.1.1). Es sind keine Fälle bekannt, dass zurückgekehrte Äthiopier (56 Äthiopier sind aufgrund eines Rückführungsabkommens mit Norwegen freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt) Benachteiligungen oder gar Festnahme oder Misshandlung ausgesetzt gewesen wären (Lagebericht, IV. 2.).

Es ist für den Kläger sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Der Kläger hat in Äthiopien sieben Jahre lang die Schule besucht. Im Bundesgebiet wird er etwas Deutsch lernen können, so dass ihm als Rückkehrer ein Neustart in einem einfachen Beruf gelingen kann. Im Übrigen ist ihm zuzumuten, insb. anfangs, sich an Verwandte oder Freunde zu wenden, z. B. den Freund des Vaters (vgl. obige Ausführungen).

Die Klage hat auch gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate keinen Erfolg. Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich. Die vorgenommene Befristung auf 30 Monate begegnet keinen Bedenken.

Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen: 1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vo

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31297 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Juli 2014 - 19 B 12.1073

bei uns veröffentlicht am 23.07.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen beginnend mit dem Berufungsverfahren 19 B 07.2762 trägt der Kläger. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstre

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 09. Sept. 2014 - 17 K 2897/14.A

bei uns veröffentlicht am 09.09.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. Okt. 2006 - A 9 S 1157/06

bei uns veröffentlicht am 20.10.2006

Tenor Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juni 2006 - A 2 K 259/06 - wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen beginnend mit dem Berufungsverfahren 19 B 07.2762 trägt der Kläger.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der ... in St. Petersburg geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger jüdischen Glaubens. Nachdem ihm und seiner Familie im Februar 1995 die Aufnahme in das Bundesgebiet als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zugesagt worden war, reiste der Kläger im September 1997 mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt am 14. Oktober 1997 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 23. Oktober 1997 wurde ihm eine Bescheinigung ausgestellt, wonach er Flüchtling im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (Kontingentflüchtlingsgesetz - HumHAG) sei.

Der Kläger wurde im Dezember 2003 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Die Strafkammer hat § 21 StGB angewendet, weil eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (Steuerungsfähigkeit) aufgrund der beim Kläger vorliegenden undifferenzierten Schizophrenie nicht ausgeschlossen werden könne.

Angehört wegen einer beabsichtigten Ausweisung machte der Kläger geltend, er sei herzkrank (Mitral- und Aortenklappenersatz) und erhalte in der Russischen Föderation keine angemessene medizinische Behandlung.

Die Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 27. Februar 2006 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. I) und ordnete seine Abschiebung (frühestens eine Woche nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung) unmittelbar aus der Haft heraus in die Russische Föderation oder in einen anderen übernahmebereiten oder übernahmeverpflichteten Staat an (Nr. II). Für den Fall, dass seine Abschiebung während der Inhaftierung nicht möglich sein und er aus der JVA entlassen werden sollte, wurde der Kläger aufgefordert, das Bundesgebiet binnen einer Woche nach Haftentlassung zu verlassen, andernfalls ihm die Abschiebung (mit dem bereits bezeichneten Ziel) angedroht wurde (Nr. III).

2. Das Verwaltungsgericht hob durch Urteil vom 30. Januar 2007 (Az. AN 19 K 06.1116) die Abschiebungsandrohung nach Haftentlassung binnen Wochenfrist (Nr. III des Bescheids) auf und wies die Klage im Übrigen ab. Mit Beschluss vom 3. September 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Az. 19 B 07.2762). Zwar genössen jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion in entsprechender Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes Ausweisungsschutz gemäß Art. 33 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG. Wegen der vom Kläger ausgehenden konkreten (Wiederholungs-)Gefahr greife dieses Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG/Art. 33 Abs. 2 GFK jedoch nicht.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. März 2009 (BVerwG 1 B 20.08) die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Anordnung der Abschiebung aus der Haft (Nr. II des Bescheids) aufgehoben und den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen; hinsichtlich der Ausweisung (Nr. I des Bescheids) hat es die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 die Anordnung der Abschiebung aus der Haft (Nr. II des Bescheids) und insoweit auch das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben (Az. 19 B 09.824). Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 9. Januar 1991 die Rechtsstellung eines Kontingentflüchtlings entsprechend § 1 Abs. 1 HumHAG genieße und sich auch ohne Vorliegen eines Verfolgungsschicksals auf das Abschiebungsverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG berufen könne. Der besondere ausländerrechtliche Status sei auch mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 nicht entfallen. § 60 Abs. 8 AufenthG stehe dem nicht mehr entgegen, denn seit er ein Neuroleptikum einnehme, bestehe bei ihm nach dem Ergebnis des fachpsychiatrischen Gutachtens keine konkrete Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus greife auch das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar stünden die vom Kläger benötigten Medikamente und Behandlungsmaßnahmen auch in der Russischen Föderation zur Verfügung. Die dort übliche kostenlose medizinische Behandlung entspreche aber nicht dem nach einer Herzklappenoperation erforderlichen Standard. Der Kläger benötige nach Auskunft der Botschaft monatlich 400 € für die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen, 110 € für die Lebenshaltung sowie 400 € für eine bescheidene Einzimmerwohnung am Stadtrand von St. Petersburg. Diese Summe könne er krankheitsbedingt nicht erarbeiten.

Auf die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revisionen der Beklagten und der Landesanwaltschaft hin hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 22. März 2012 (Az. 1 C 3/11) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Dezember 2010 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass sich jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wegen ihrer Aufnahme in das Bundesgebiet nicht auf das Abschiebungsverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG berufen können; für eine Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes auf sie habe der Gesetzgeber keinen Bedarf mehr gesehen. Außerdem hat das Bundesverwaltungsrecht festgestellt, der Verwaltungsgerichtshof habe seiner Gefahrenprognose im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unzutreffende Beurteilungsmaßstäbe zugrunde gelegt. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Beweisaufnahme nur auf die Diagnose der Krankheiten des Klägers sowie deren Behandelbarkeit in der Russischen Föderation (einschließlich verfügbarer Medikation) fokussiert. Dem auf diesen tatsächlichen Feststellungen aufbauenden, für das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zentralen Beweisthema, nämlich dem Krankheitsverlauf bei Rückkehr bzw. Abschiebung in das Herkunftsland ohne medizinische Betreuung bzw. bei vom Kläger nur teilweise finanzierbarer Behandlung und Medikation, sei er nicht nachgegangen. Des Weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung, ob die in den medizinischen Fachgutachten genannten Behandlungen und Medikamente erforderlich sind, den medizinischen Gutachtern überlassen. Diese hätten ihrer Wertung jedoch den in Deutschland üblichen medizinischen Standard zugrunde gelegt und sich - mangels entsprechender Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs - nicht am Maßstab einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung orientiert. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner finanziellen Bedarfsberechnung für den Kläger monatliche Wohnkosten „für eine bescheidene 1-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Sankt Petersburg“ in Höhe von 400 € angesetzt. Dieses Unterbringungsniveau, das der Verwaltungsgerichtshof selbst dem Auswärtigen Amt vorgegeben habe, verfehle den strengen Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen tatsächlichen Feststellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht abschließend zu entscheiden vermochte, hat es die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

4. Im Hinblick auf die bevorstehende Entlassung des Klägers aus der Strafhaft hat ihn die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von sieben Tagen nach der Haftentlassung zu verlassen, wenn seine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich sein sollte, andernfalls ihm die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen Staat angedroht werde, in den er einreisen dürfe bzw. der zu seiner Übernahme verpflichtet sei. Der Kläger hat diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht angefochten; eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist bislang nicht ergangen.

Im fortgeführten Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, zu seiner Rechtsstellung als jüdischer Zuwanderer gehöre das Refoulement-Verbot des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK, sowie die Auffassung, die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die Änderung der genannten Rechtsstellung durch das AufenthG sei mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht in Einklang zu bringen, weswegen das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen sei. Im Übrigen dürfe er im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht nach Russland abgeschoben werden. Bereits die Abschiebung selbst werde wegen seiner psychiatrischen und kardiologischen Beeinträchtigungen zu einer wesentlichen Verschlechterung seiner Gesundheit führen. Diese sowie die orthopädischen Beeinträchtigungen hätten sich in den letzten Jahren verstärkt, weshalb eine aktuelle arbeitsmedizinische Begutachtung erforderlich sei. Um eine wesentliche Verschlimmerung seiner schizophrenen Erkrankung zu verhindern und die Einnahme der insoweit erforderlichen Medikamente zu gewährleisten, sei er auf ein stabilisierendes soziales Umfeld angewiesen, das nur im Bundesgebiet vorhanden sei. Hierzu zähle unter anderem seine Mutter. Verwandte, die ihn unterstützen würden, habe er weder im Bundesgebiet noch in Russland. Eine Betreuung, wie sie im Bundesgebiet für ihn errichtet worden ist, gebe es in Russland nicht. Wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei er nicht erwerbsfähig; er könne nur in einer geschützten Umgebung für geistig Behinderte tätig sein. Daher könne er in Russland weder eine Unterkunft, die seinen Bedürfnissen als geistig Behinderter entspricht (keine Gemeinschaftswohnung) und kostengünstig ist, noch seinen allgemeinen Lebensbedarf oder die Aufwendungen für die Erhaltung seines Gesundheitszustandes finanzieren. Kostenlose Leistungen durch das staatliche Gesundheitssystem in Russland werde er nicht erhalten. Der Kläger zieht die Fachkompetenz der Vertrauensärzte der deutschen Botschaft in Moskau in Zweifel, die sich zum staatlichen Gesundheitssystem geäußert haben. Die Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems setzten überdies bürokratische Verfahren voraus, deren positives Ergebnis nicht gewährleistet sei und deren Abschluss er wegen seines Gesundheitszustandes nicht abwarten könne. Auch könne er die Zuzahlungen, die im staatlichen Gesundheitssystem gefordert werden, und die Aufwendungen für die von ihm benötigten Medikamente nicht erbringen. Die Beklagte berücksichtige bei ihrer Berechnung nur einen Teil der von ihm tatsächlich benötigten Medikamente und sonstigen auf ihn zukommenden Aufwendungen. Allein die Kosten der ärztlichen Behandlungen betrügen pro Monat 300 €. Unterstützung werde er weder durch das russische Rückkehrprogramm noch durch staatliche Arbeitslosen-, Wohnungslosen-, Erwerbsunfähigkeits- oder sonstige Sozial-Hilfen noch durch Verwandte in Russland oder Deutschland erhalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Januar 2007 insoweit abzuändern, dass der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2006 hinsichtlich Ziffer 2 einschließlich der nachträglichen Setzung einer Ausreisefrist durch die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 aufgehoben wird,

hilfsweise,

dem Kläger eine Duldung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie vertritt die Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe rechtskräftig entschieden, dass das Refoulement-Verbot des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK nicht zur Rechtsstellung des Klägers als jüdischer Zuwanderer gehört. Auf die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG komme es daher nicht an. Eine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohe dem Kläger in Russland nicht. Der Kläger sei erwerbsfähig. Er sei zum Funkingenieur ausgebildet und auch noch nach dem Ausbruch seiner schizophrenen Erkrankung erwerbstätig gewesen. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Verschlechterung seiner Gesundheit in den letzten Jahren lägen nicht vor. Die Residualsymptomatik, die der Kläger außerhalb produktivpsychotischer Episoden aufweist, sei nicht mit wesentlichen Einschränkungen verbunden. Schizophrene Episoden seien weder bei einer Abschiebung noch alsbald danach wahrscheinlich. Auf die soziale Situation des Klägers im Bundesgebiet komme es für die Frage des Ausbruchs einer solchen Episode nicht entscheidend an. Die Beklagte verweist insoweit unter anderem auf das Alter der Mutter des Klägers und geht davon aus, dass der Kläger ein russisch geprägtes Umfeld bevorzugt sowie Verwandte in Russland hat, über die er unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht keine Auskunft gebe. Der Kläger werde in der Zeit alsbald nach einer Abschiebung nach Russland seinen Lebensunterhalt einschließlich der Aufwendungen verdienen können, die ihm im Rahmen der staatlichen Gesundheitsversorgung verbleiben. Der Kläger könne eine Unterkunft finden, die deutlich weniger als diejenigen 400 € pro Monat koste, von denen der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 22. Dezember 2010 ausgegangen ist. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers bedingten nicht, dass er das Wohnungsangebot nur eingeschränkt nutzen könne. Die Kosten, die für die Erhaltung seiner Gesundheit erforderlich sind und ihm verbleiben, könne er aufgrund seiner Erwerbstätigkeit tragen. Der Kläger gehe hier von zu hohen Kosten aus, weil er nicht berücksichtige, dass es nur auf den Zeitraum alsbald nach der Abschiebung ankomme, dass ärztliche Behandlungen zu Marktpreisen (außerhalb des staatlichen Gesundheitssystems) nicht erforderlich seien und dass er das Medikament Zyprexa zur Erhaltung seines Gesundheitszustandes in der Zeit alsbald nach der Abschiebung nicht benötige. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, notfalls könne der Kläger - neben der Unterstützung durch Familienmitglieder in Deutschland und Verwandte in Russland - auf verschiedene Formen staatlicher Unterstützung in Russland zurückgreifen. Schließlich hat die Beklagte dem Kläger zugesichert, ihm einen Betrag von 5.000 € mitzugeben, den er nach eigenem Ermessen für Medikamente oder sonstige Bedürfnisse verwenden kann.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger lasse die Wirkung der Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht und den Umfang der Bindungswirkung des Revisionsurteils unberücksichtigt, wenn er weiterhin die Rechtsansicht geltend macht, die Rechtsstellung des Klägers umfasse das Refoulementverbot, und den Verwaltungsgerichtshof wegen der gegenteiligen Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auffordert. Die Landesanwaltschaft teilt die Auffassung der Beklagten hinsichtlich der vom Bundesverwaltungsgericht für den vorliegenden Fall näher bestimmten Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Gründe

A) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag - die Abschiebungsandrohung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 sowie die durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 (kurz vor dem Ende der Strafhaft des Klägers) beigefügte Frist für eine freiwillige Ausreise. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2012, die aufgrund dessen Rechtsbehelfsbelehrung vom Kläger sicherheitshalber zum Verwaltungsgericht erhoben worden ist (AN 6 K 13.00220), ist wegen der Rechtshängigkeit dieses Bescheids im hiesigen Berufsberufungsverfahren unzulässig (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).

I.

Die Antragstellung des Klägers ist sachgerecht, weil die Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 die behördliche Entscheidung enthält, die Ausweisung zu vollziehen, und diese Entscheidung durch seine Haftentlassung am 3. Februar 2013 nicht gegenstandslos geworden ist. Bei Bescheiden, die - wie der Bescheid vom 27. Februar 2006 in Nrn. II und III - sowohl von einer Abschiebung aus der Haft heraus als auch von einer Abschiebung nach Fristsetzung sprechen, liegt diese Vollzugsentscheidung trotz des gegenteiligen äußeren Erscheinungsbildes des Bescheides nur einmal vor. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (st. Rspr. des BVerwG, U. v. 27.6.2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222, und vom 2.9.1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, U. v. 26.8.1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 7, 9). Der Kläger konnte dem Bescheid vernünftigerweise nicht entnehmen, die Beklagte wolle ihn wegen der Ausweisung zweimal abschieben. Die Behörde wollte durch die Aufspaltung in zwei Tenor-Nummern (die Nrn. II und III ihres Bescheides vom 27. Februar 2006) ersichtlich nur den unterschiedlichen Detailregelungen Rechnung tragen, die § 59 AufenthG für die Abschiebung von Ausländern in Freiheit und von Ausländern in Haft enthält, weil bei dem Bescheidserlass noch nicht absehbar war, welche dieser beiden Detailregelungen anzuwenden sein würde. Nachdem die Behörde ihre Entscheidung, die Ausweisung zu vollziehen, bereits durch Nr. II des Bescheides bekannt gegeben hatte, beschränkte die später vom Verwaltungsgericht rechtskräftig aufgehobene Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - wie auch ihre Einleitung deutlich macht („Sollte Ihre Abschiebung während Ihrer Inhaftierung nicht möglich sein und Sie daher aus der JVA entlassen werden….“) - lediglich die Gültigkeit des Zusatzes „unmittelbar aus der Haft heraus“ in Nr. II des Bescheides auf die Haftzeit und fügte der Abschiebungsandrohung die im Falle eines Aufenthalts des Ausländers in Freiheit gebotene Frist für eine freiwillige Ausreise hinzu (der Umstand, dass in Nr. II des Bescheides die Entscheidung bereits getroffen war, den Kläger nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abzuschieben, dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich in der Nr. III des Bescheides nicht erneut die Wendung „nach Unanfechtbarkeit dieser Ausweisungsverfügung“ findet; zur Unabhängigkeit der grundlegenden Entscheidung zum Vollzug der Ausreisepflicht von der Regelung der Ausreisefrist vgl. Hailbronner, AuslR, § 59 AufenthG, Rn. 80,85 ff., Funke-Kaiser in GK AufenthG, Stand 3/2012, § 59 AufenthG Rn. 204 ff., 223, 226 ff. sowie Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 59 Rn. 13, 23, 25, 63 jeweils mit Rspr.-Nachw.; Aspekte einer solchen Abstraktion der Entscheidung, die Ausreisepflicht durchzusetzen, ergeben sich auch aus § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG sowie aus dem Umstand, dass die Androhung der Abschiebung aus der Haft lediglich einen in Abs. 5 geregelten Unterfall der als solche in § 59 AufenthG geregelten Abschiebungsandrohung darstellt). Demzufolge ist die Abschiebungsandrohung vom 21. Dezember 2012, die ebenfalls ausdrücklich nur für den Fall Geltung beansprucht, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich war, dahingehend auszulegen, dass die Beklagte mit ihr den in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bereits grundsätzlich verfügten Vollzug der Ausreisepflicht des Klägers lediglich für die Zeit nach der Haftentlassung regeln und mit der dann erforderlichen Fristsetzung versehen wollte. Nachdem die Verfügung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bei der Haftentlassung des Klägers bereits durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 - nicht anders als vorher durch Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - neugefasst gewesen ist, ist zu diesem Zeitpunkt nicht die Androhung der Abschiebung durch Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 gegenstandslos geworden, sondern lediglich der dortige Zusatz „unmittelbar aus der Haft heraus“.

II.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist weiterhin ein Duldungsbegehren. Der Kläger macht geltend, in Folge der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werde es zu einer zusätzlichen wesentlichen Beschädigung seiner Gesundheit zum einen schon im Rahmen der Abschiebung selbst kommen - was zutreffendenfalls eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (mit der Folge eines Duldungsanspruchs) darstellen würde, weil Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Abschiebung mit solchen Folgen entgegensteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 7 und B. v. 10.7.2003 - 11 S 2622/02 - juris Rn. 16; vgl. auch AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.2.2) - und zum anderen auch nach der Abschiebung (vor allem wegen einer Unerreichbarkeit der in seiner gesundheitlichen Situation erforderlichen ärztlichen und medikamentösen Behandlung) - was zutreffendenfalls eine erhebliche konkrete Gefahr für die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genannten existenziellen Rechtsgüter darstellen würde (zu den Voraussetzungen dieser Bestimmung im einzelnen vgl. B vor I.). Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt zwar zunächst nur ein Abschiebungsverbot betreffend einen bestimmten Zielstaat und nicht unmittelbar ein Duldungsanspruch, weil grundsätzlich Abschiebungen nicht nur in das Heimatland des Ausländers möglich sind und die streitgegenständliche Ankündigung der Abschiebung auch nicht nur die Russische Föderation benennt; nachdem jedoch kein anderer aufnahmebereiter oder aufnahmeverpflichteter Staat ersichtlich ist, würde ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu einem Duldungsanspruch führen.

Ein Duldungsbegehren, das auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und/oder auf § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gestützt ist, kann nicht im Rahmen der Anfechtung der Abschiebungsandrohung geltend gemacht werden, denn die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bleibt der Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zufolge von solchen Abschiebungsverboten unberührt. Der Kläger hat daher zu Recht zusätzlich (sinngemäß) einen Verpflichtungsantrag gestellt, und zwar hilfsweise, weil das Duldungsbegehren als Antrag auf Aussetzung der Abschiebung voraussetzt, dass der Kläger mit seinem Anfechtungsbegehren gegen die Vollzugsregelung selbst (vgl. I.) unterliegt. Die beiden erwähnten Duldungsbegehren haben von Anfang an im Mittelpunkt des Klägervorbringens betreffend den Vollzug der Ausweisung gestanden. Daher schadet es nicht, dass der Kläger erst jetzt die Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bei seiner Antragstellung berücksichtigt hat.

III.

Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch seinen Beschluss vom 13. März 2009 (1 B 20.08) den Beschluss des Senats vom 3. September 2008 (19 B 07.2762) nur insoweit aufgehoben, als dieser Beschluss die Anfechtung der Abschiebungsandrohung (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) und damit auch die von dieser Vollzugsentscheidung abhängigen Duldungsbegehren betrifft. Soweit durch diesen Beschluss die Berufung des Klägers gegen den Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, durch den die Ausweisungsentscheidung selbst bestätigt worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Senatsentscheidung vom 3. September 2008 aufrechterhalten. Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist somit seit dem 13. März 2009 bestandskräftig.

B) Nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens, in dem die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 13. März 2009 und in seinem Urteil vom 22. März 2012 entwickelte rechtliche Beurteilung zu beachten ist, hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage gegen die Abschiebungsandrohung (versehen mit der Wendung „aus der Haft heraus“, vgl. Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) abgewiesen und auch die geltend gemachten Duldungsgründe nicht anerkannt. Der Vollzug der Ausweisungsverfügung (nunmehr in Form des Bescheides vom 21.12.2012, durch den der Abschiebungsandrohung eine Frist zur freiwilligen Ausreise beigefügt worden ist) ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (auf den es bei der Überprüfung einer Abschiebungsandrohung wie der vorliegenden ankommt, vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3/11 - Abschnitt II.1 der Gründe) rechtmäßig; zu einer wesentlichen Verschlechterung der Gesundheit des Klägers wird es mit Wahrscheinlichkeit weder während des Abschiebungsvorganges noch alsbald nach der Abschiebung in die Russischen Föderation kommen. Die Berufung gegen den noch nicht rechtskräftigen (also den Vollzug der Ausweisung betreffenden) Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung, die Ausreise zu vollziehen (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006 in Gestalt des Bescheides v. 21.12.2012), ist rechtmäßig.

Die Problematik, die zur Aufhebung einer Abschiebungsandrohung ähnlich der nun am 21. Dezember 2012 erlassenen (Abschiebungsandrohung in Nr. III des Bescheides vom 27.2.2006 für den Fall des Ablaufs einer Ausreisefrist, die nicht von der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abhängig ist) durch das insoweit rechtskräftig gewordene verwaltungsgerichtliche Urteil vom 30. Januar 2007 geführt hat, besteht nicht mehr. Während die Ausweisung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 zum Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht vollziehbar gewesen ist und die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG daher zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen haben, liegen diese Voraussetzungen nunmehr vor, weil die Ausweisung durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2009 (1 B 20.08) bestandskräftig geworden ist (vgl. oben). Auch sonst liegen die in §§ 58 Abs. 1, 59 AufenthG genannten Voraussetzungen vor. Ein Fall, in dem die Vollzugsregelung gegenstandslos geworden ist, weil dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht erteilt worden ist, liegt nicht vor. Der Kläger hat nach der Ausweisung kein Aufenthaltsrecht mehr erworben.

Eine Rechtsstellung, die das Refoulement-Verbot (§ 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK) umfasst und - mit Blick auf die Vorschrift des § 25 Abs. 2 AufenthG - nicht nur ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, das die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unberührt lässt, begründen würde, genießt der Kläger dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 (Az. 1 C 3.11 - Nr. II.1 und 2 der Gründe) zufolge nicht. Der Kläger hätte gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde erheben können, hat es aber nicht getan. Im hiesigen Verfahren müssen seine verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der Vorschrift des § 144 Abs. 6 VwGO ohne Erfolg bleiben. Auf die Frage, ob die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG vorliegen, kommt es daher nicht an.

Der Kläger hat auch nicht den Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung), der im Mittelpunkt seines Vorbringens steht.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Gesundheit des Klägers durch den Abschiebungsvorgang selbst wesentlich beeinträchtigt werden wird; eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) liegt daher nicht vor. Nachdem der Kläger die Verhältnisse in den Vordergrund stellt, die ihn in Russland erwarten, sowie die deswegen von ihm befürchteten (nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu beurteilenden, vgl. unten) gesundheitlichen Beeinträchtigungen, und im Rahmen dieser Ausführungen auch Beeinträchtigungen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bereits durch den Abschiebungsvorgang selbst geltend macht, geht auch der Senat auf das letztgenannte Vorbringen im Rahmen seiner Ausführungen zu den im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein.

Die anhand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 und dessen übriger Rechtsprechung zu prüfenden Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für ein Verbot der Abschiebung des Klägers nach Russland sind ebenfalls nicht erkennbar. Dort besteht für den Kläger mit Wahrscheinlichkeit keine erhebliche und konkrete (also: alsbald eintretende) Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit im Sinne dieser Bestimmung. Der Kläger hat kein Asylverfahren durchgeführt, so dass diese Prüfung im ausländerrechtlichen Verfahren vorzunehmen ist (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG).

Der Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist anzuwenden, weil der Gesundheitszustand des Klägers Besonderheiten aufweist, die in vergleichbarer Weise nicht bei einer Vielzahl seiner Landsleute zu finden sind. Nachdem nur eine individuelle Gefahr in Betracht kommt, besteht kein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG und greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht (BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3/11; vgl. auch U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - BVerwGE 127,33 Rn. 15 f.).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer landesweit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen besteht eine solche Gefahr dann, wenn der Ausländer bei der gebotenen, grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise ein Leben zu erwarten hätte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt oder wenn er nichts anderes zu erwarten hätte als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (BVerwG, B. v. 31.7.2002 - 1 B 128.02 - InfAuslR 2002,455, und v. 21.5.2003 - 1 B 298.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270). Mit Blick auf den vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die für die Anwendung der Vorschrift von ihm entwickelten Grundsätze in seiner Entscheidung vom 22. März 2012 (1 C 3/11) zusammengefasst. Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr kann sich im Einzelfall daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine notwendige und an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich, zum Beispiel aus finanziellen Gründen, nicht erlangen kann (U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990). In Fällen einer Erkrankung eher singulären Charakters, wie sie hier vorliegt, sind die Voraussetzungen des genannten Abschiebungsverbots erfüllt, wenn sich die Krankheit des Betroffenen mangels (ausreichender) Behandlung im Abschiebungszielstaat verschlimmert und sich dadurch der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (B. v. 14.5.2006 - 1 B 118.05 - Buchholz 402.240 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 16 m. w. N.). Konkret ist die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Abschiebung des Betroffenen einträte (BVerwG, U. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383/387).

Mit dem Begriff „alsbald“ ist einerseits kein in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, U. v. 27.4.1998 - 9 C 13.97 - InfAuslR 1998,409), andererseits aber auch keine sofortige, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebungszielstaat eintretende Entwicklung (BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137,326). Für die alsbaldige Verschlechterung muss eine beachtliche Wahrscheinlichkeit sprechen (BVerwG, U. v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99,329,330 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG); dies ergibt sich bereits aus dem Gefahrbegriff (BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - BVerwGE 71, 180, Juris Rn. 17). Es müssen begründete Anhaltspunkte für die Gefahr vorliegen (BVerfG, B. v. 31.5.1994 - 2 BvR 1193/93 - NJW 1994, 2883, Juris Rn. 13). Eine zukünftige Entwicklung ist dann beachtlich wahrscheinlich, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für die Entwicklung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, U. v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89,162). Hieraus ergibt sich, dass der Kläger im Schriftsatz vom 29. Januar 2014 zu Recht davon ausgeht, eine vage Hoffnung auf Existenzsicherung lasse eine bestehende Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entfallen. Hieraus ergibt sich aber auch, dass seine Annahme ohne Grundlage ist, eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung der Gesundheit müsse ausgeschlossen sein und es seien staatliche Garantien insoweit erforderlich.

Eine konkrete Gefahr der beschriebenen Art besteht nicht, wenn eine erwerbsfähige Person durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt (einschließlich einer Heilbehandlung, durch die einer wesentlichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlimmerung einer vorhandenen Krankheit vorgebeugt wird) unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, B. v. 17.5.2006 - 1 B 100/05 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 328; vgl. auch U. vom 1.2.2007 - 1 C 24.06 - InfAuslR 2007,211).

Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen derzeitigen Gesundheitszustand zu erhalten und seinen allgemeinen sowie medizinischen Existenzbedarf zu verdienen, so dass eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht, und ihm droht - wie insbesondere auf S. 21 und S. 51 dargelegt ist - auch im Rahmen der Abschiebung selbst keine Beeinträchtigung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (I.). In dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich der Kläger nach der Abschiebung zu einem Verzicht auf das Medikament Zyprexa entschließen sollte mit der Folge einer produktivpsychotischen Episode, könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung nicht die wesentliche Ursache der Episode wäre (II.). Die Voraussetzungen der genannten Bestimmung wären dann zusätzlich auch deshalb nicht gegeben, weil eine produktivpsychotische Episode mit Wahrscheinlichkeit keine existenzgefährdenden Folgen hätte (III.). In dem nicht wahrscheinlichen Fall eines Scheiterns des Klägers bei der Sicherung des Lebensunterhalts steht ihm hinreichende Unterstützung von verschiedenen Seiten zur Verfügung (IV.).

I.

Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen gesamten Existenzbedarf zu verdienen.

Der Kläger ist arbeitswillig und kann Tätigkeiten ausführen, die ihn körperlich nur leicht belasten (1.). Seine schizophrene Erkrankung steht einer solchen Tätigkeit im Ergebnis nicht entgegen (2.). Er wird in St. Petersburg mit Wahrscheinlichkeit Einkünfte aus einer qualifizierten Tätigkeit erzielen, durch die er seinen Lebensunterhalt einschließlich des Teils der medizinischen Aufwendungen bestreiten kann, der vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem in Russland nicht getragen wird (3.).

1. Der Kläger, der am ... sein 48. Lebensjahr vollendet hat, ist arbeitswillig und zu einer geistig anspruchsvollen Beschäftigung sowohl in dem von ihm erlernten technischen Bereich als auch in kaufmännischen Bereichen in der Lage (zur psychiatrischen Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers, die einer solchen Beschäftigung nicht entgegensteht, vgl. 2.).

Der Kläger hat bei mehreren Gelegenheiten (gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Dr. W. - vgl. die Gutachten vom 12.11.2009 und vom 23.8.2013 - sowie gegenüber seinem Betreuer - vgl. den Betreuerbericht vom 1.12.2013) starkes Interesse an einer Erwerbstätigkeit geäußert.

Der Kläger weist zwar orthopädische Beeinträchtigungen auf und insbesondere eine kardiologische Problematik (nach dem Ersatz von Herzklappen im November 1998). Dem arbeits- und sozialmedizinischen Fachgutachten des Prof. D. vom 19. April 2010 zufolge kann der Kläger aber Tätigkeiten vollschichtig ausführen, die mit einer leichten körperlichen Belastung verbunden sind, wie sie auch im Alltag vorkommen. Tatsächlich hat der Kläger in der Haft, also zu einer Zeit, in der diese Problematik bereits bestanden hat, Arbeit geleistet. Obwohl es sich hierbei um eine eher körperlich als geistig anspruchsvolle Beschäftigung gehandelt hat (Maschinenarbeit), ist weder den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen noch den Äußerungen des Klägers etwas dafür zu entnehmen, dass er hierdurch überlastet worden oder aus sonstigen Gründen hierzu unfähig gewesen ist (vgl. hierzu auch B.I.2.c,aa am Ende).

Eine Erwerbsfähigkeiten relevante Änderung ist seit der arbeits- und sozialmedizinischen Begutachtung vom 19. April 2010 nicht eingetreten. Der Kläger macht zwar eine Verschlechterung seiner orthopädischen Gesundheitssituation geltend (Schriftsatz vom 16. Mai 2014). Dem Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes vom 14. Januar 2014, auf den sich der Kläger beruft (und den er nicht weiter angefochten hat), ist aber zu entnehmen (vgl. S. 3), dass sich der auf der orthopädischen Problematik beruhende Teil der bescheinigten Behinderung seit dem Jahr 1999 gerade nicht wesentlich verändert hat; die vom Kläger hervorgehobene Erhöhung des Gesamt-GdB beruht ausschließlich auf einer veränderten Bewertung der psychiatrischen Problematik (vgl. B.I.2.c, vor aa). Diese behördliche Beurteilung ist auf aktuelle Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Orthopäden (vom 25. März 2013 und vom 1. Juli 2013) sowie auf deren Bewertung durch den versorgungsärztlichen Dienst gestützt. Auch im kardiologischen Bereich ist eine Erwerbsfähigkeiten relevante Änderung nicht eingetreten. Dem kardiologischen Gutachten vom 8. April 2013 zufolge hat die Ergometrie keinen wesentlichen Unterschied gegenüber der Messung ergeben, die in dem (im arbeitsmedizinischen Gutachten berücksichtigten) kardiologischen Gutachten vom 9. Februar 2010 mitgeteilt wird. Auch der Grad der Aortenklappeninsuffizienz ist derselbe geblieben. Die bluthochdruckbedingte Herzwandverdickung hat sich leicht zurückgebildet. Das Vorhofflimmern hat sich dem Gutachten vom 8. April 2013 zufolge zwar etabliert. Es ist aber schon seit dem Herzklappenersatz im November 1998 Bestandteil des Symptomatik des Klägers (vgl. den Klinikbericht vom 2.2.1999, Bl. 9 der Schwb-Akte) und auch in der kardiologischen Begutachtung vom 9. Februar 2010 (S. 2 unten) berücksichtigt worden, der zufolge die körperliche Belastbarkeit für leichte Alltagstätigkeiten als ausreichend anzusehen ist und der Kläger bei mittelschweren körperlichen Belastungen durch seine Herzerkrankung limitiert ist. Auch das arbeitsmedizinische Gutachten vom 19. April 2010 bezieht daher das Vorhofflimmern mit ein (vgl. S. 4 oben), wenn es körperlich leichte Tätigkeiten (z. B. Bürotätigkeiten im erlernten Beruf als Ingenieur) vollschichtig für möglich hält (S. 16). Das Fortbestehen dieser Belastbarkeit ergibt sich auch daraus, dass im kardiologischen Gutachten vom 8. April 2013 keine Einschränkung der Belastbarkeitsfeststellung im Gutachten vom 9. Februar 2010 vorgenommen wird, sowie aus der schwerpunktmäßigen Einordnung der Herzproblematik durch das Gutachten vom 8. April 2013 in das Stadium II der NYHA-Klassifikation (Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit). Der Kläger selbst hilft dem psychiatrischen Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 zufolge seit seiner Haftentlassung im Haushalt seiner nunmehr 78 -jährigen Mutter (eine Notwendigkeit zusätzlicher externer Hilfen wird nicht erwähnt), und bezeichnet dem Betreuerbericht vom 1. Dezember 2013 zufolge seinen gesundheitlichen Zustand selbst als „gut“. Schließlich setzt der Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes vom 21. Januar 2014, dem das vom Senat eingeholte Gutachten des Kardiologen Dr. H. vom 8. April 2013 (Bl. 57 der Schwb-Akte) sowie dessen gleichsinnige Stellungnahme vom 21. August 2013 (Bl. 71 der Schwb-Akte) zugrunde liegt und der vom Kläger nicht angefochten worden ist, die Einzel-GdB für die kardiologischen Beeinträchtigungen des Klägers mit dem Wert 50 fest, der bereits im bisher geltenden Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 11. Oktober 1999 (vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) festgelegt gewesen ist. In der Begründung des Bescheides vom 21. Januar 2014 wird ausgeführt, es liege kein Herzschaden mit Beeinträchtigung der Herzleistung schon bei leichter alltäglicher Belastung vor und ein höherer GdB für das Herzleiden lasse sich nicht begründen. Bei dieser Sachlage fehlt es an hinreichenden nichtpsychiatrischen Anhaltspunkten für die mit Beweisantrag Nr. 3 beantragte Einholung eines ergänzenden arbeitsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers keine Erwerbsfähigkeit besteht (zur Nichteinholung eines Gutachtens betreffend eine Erwerbsunfähigkeit aus psychiatrischen Gründen vgl. B.I.2.c, bb vor aaa).

2. Der Kläger wird durch seine schizophrene Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit weder an der Sicherung seines Lebensunterhalts gehindert werden noch auf sonstige Weise in Existenznot geraten. Das Medikament Zyprexa (Olanzapin) verhindert produktivpsychotische Episoden, und zwar auch bei der Abschiebung selbst, bei der das Episodenrisiko ohnehin gering ist (a). Es besteht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger nach der Abschiebung dieses Medikament absetzen wird (b). Die vom Medikament nicht unterbundene Residualsymptomatik bringt keine wesentlichen Einschränkungen mit sich und hindert den Kläger daher ebenfalls nicht an der Sicherung seines Lebensunterhalts (c).

a) Bei Einnahme des Medikamentes Zyprexa drohen dem Kläger keine produktivpsychotischen Episoden der schizophrenen Erkrankung, so dass es dann bei der Residualproblematik verbleibt.

Der Kläger leidet an einer schizophrenen Erkrankung. Zwar haben die Gutachter über deren diagnostische Einordnung keine abschließende Einigung erzielt. Dr. W. geht in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 und in seinen späteren Äußerungen von einer undifferenzierten Schizophrenie aus, während Dr. G. in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von einem Residualsyndrom nach schizophrenen Psychosen auf der Grundlage einer paranoiden Schizophrenie ausgeht. Jedoch handelt es sich bei dieser Divergenz lediglich um eine Wertungsfrage bezüglich der (von den Gutachtern übereinstimmend festgestellten) Symptome (vgl. Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009, S. 35, bzw. um eine unbedeutende Problematik von nicht ausschlaggebendem Belang, vgl. S. 39). Die schizophrene Erkrankung äußert sich (neuroleptisch unbehandelt) in produktivpsychotischen Episoden mit wahnhaften Gedanken, aus denen sich in Einzelfällen aggressive Handlungen unterschiedlichen Ausmaßes ergeben. Außerhalb solcher Episoden äußert sich die schizophrene Erkrankung (mit und ohne Neuroleptikabehandlung) in einem Residuum, das aus verschiedenen wenig ausgeprägten und unauffälligen Symptomen wie Antriebseinschränkung, Affektivitätsbesonderheiten und Besonderheiten des formalen Denkablaufs besteht.

Dem Kläger drohen keine produktivpsychotischen Episoden, wenn er das Neuroleptikum Zyprexa einnimmt. Der Angabe des Klägers vom 17. März 2010 sowie den gutachtlichen Äußerungen des Dr. W. vom 27. Mai 2010 und vom 23. August 2013 zufolge wird der Kläger seit März 2010 mit Zyprexa behandelt. Der Kläger hat seitdem keine wahnhaften Gedanken mehr. Der Stellungnahme desselben Gutachters vom 20. Juli 2010 zufolge (Ergänzung zur Stellungnahme vom 27. Mai 2010) wird durch die Einnahme dieses Medikaments die Rezidivgefahr soweit reduziert, dass von einer „bloßen - gleichsam entfernten - Möglichkeit“ gesprochen werden kann. Auch aus der Stellungnahme vom 23. August 2013 ergibt sich, dass produktivpsychotische Episoden nicht auftreten, ihre Auftretenswahrscheinlichkeit jedenfalls unter 50% liegt, wenn der Kläger das Medikament Zyprexa einnimmt. Der Gutachter geht hier davon aus, die Wiederauftretenswahrscheinlichkeit neuerlicher Krankheitsschübe nehme bei einem Wegfall der Neuroleptikabehandlung auf über 50% zu. Bereits in seiner Äußerung vom 12. November 2009 hat Dr. W. die Neuroleptikabehandlung als die wichtigste Rehabilitations- und Vorbeugungsmaßnahme eingeschätzt; im Hintergrund seiner damaligen Äußerungen zur Wiederholungsgefahr steht das damalige Fehlen einer solchen Behandlung. In seiner Äußerung vom 23. August 2013 geht der Gutachter zwar davon aus, eine Abschiebung bedinge eine deutliche Zunahme des Risikos eines neuerlichen psychotischen Schubs; auch hiermit bringt er jedoch nicht die Erwartung eines produktivpsychotischen Schubs trotz neuroleptischer Behandlung zum Ausdruck. Der Gutachter gibt diese Prognose ausdrücklich „unter Würdigung der aktuell gegebenen Behandlungscompliance“ ab, geht also deshalb von einer Risikozunahme nach der Abschiebung aus, weil er annimmt, der Kläger werde dann das Neuroleptikum weglassen. Diese Annahme beruht darauf, dass der Gutachter die Einnahme der Medikation auf eine entsprechende Motivation durch die „soziale Situation“ des Klägers im Bundesgebiet zurückführt und von der Abschiebung die Beendigung dieser „sozialen Situation“ - und damit der Medikationseinnahme - erwartet (zur Unrichtigkeit der gutachterlichen Annahme, in Russland habe der Kläger keine gleichwertige „soziale Situation“ zu erwarten, vgl. B.I.2.b). Die Auffassung des Gutachters, dass keine Gefahr einer paranoidpsychotischen Episode besteht, solange der Kläger Zyprexa einnimmt, ergibt sich auch aus der weiteren Ausführung im Gutachten vom 23. August 2013 (am Ende), eine alsbaldige Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei zu erwarten, wenn dieser in seiner Heimat deutlich schlechtere soziale Rahmenbedingungen vorfinde „und er darüber hinaus keine Medikation mehr“ akzeptiere. Der Gutachter Dr. G. bringt die ausschlaggebende Wirkung von Zyprexa zum Ausdruck, indem er in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 feststellt, dass das Delinquenzrisiko durch die Schizophrenie um ein Mehrfaches erhöht wird und das Fehlen einer kontinuierlichen psychiatrischen Behandlung sich prognostisch besonders ungünstig auswirkt.

Dem Kläger droht auch bei der Abschiebung selbst keine solche Episode; es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch im Falle einer solchen Episode eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung, die den Tatbestand des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt, noch nicht wahrscheinlich wäre (vgl. B.III). In keinem der vorliegenden Gutachten wird der Abschiebungsvorgang selbst als Auslöser einer solchen Gefahr bezeichnet. Die allgemeine Annahme des Dr. W. im Gutachten vom 12. November 2009, soziale und emotionale Belastungen seien von besonderer Relevanz, begründet nicht die Wahrscheinlichkeit einer durch den Abschiebungsvorgang selbst hervorgerufenen produktivpsychotischen Episode. Der Gutachter gründet diese Annahme auf allgemeine Kenntnisse über Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises sowie auf eine Verallgemeinerung der Umstände der bisherigen produktivpsychotischen Episoden des Klägers. Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, dass sich alle ärztlich festgestellten produktivpsychotischen Episoden des Klägers in Zeiträumen ohne neuroleptische Behandlung und im Zusammenhang mit intensiven Konflikten im privaten Bereich entwickelt haben, nämlich ganz überwiegend im Zusammenhang mit Familienkonflikten (vgl. nachfolgend lit. b) und einmal im Vorfeld der Tat vom 7. Februar 2001, als der Kläger von einem Geschäftspartner unter extremen und sukzessive sich steigernden Druck gesetzt worden ist. Dr. G spricht in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von Belastungen durch Auseinandersetzungen mit seinem sozialen Umfeld. Adressat staatlicher Gewalt ist der Kläger mehrfach gewesen (und zwar ohne neuroleptische Behandlung), ohne dass objektive Anhaltspunkte für eine produktivpsychotische Episode oder auch nur für eine (abwehrende) heftige Gemütsbewegung zu Tage getreten sind. Er ist in Untersuchungshaft genommen worden, einem intensiven Ermittlungsverfahren und zweimal mehrtägigen Verhandlungen und Verurteilungen durch das Strafgericht - jeweils mit anschließendem Revisionsverfahren - ausgesetzt gewesen (dem rechtskräftig gewordenen Strafurteil vom 18.12.2003 ist das durch Urteil des BGH vom 12.2.2003 - 1 StR 403/02, BGHSt. 48,207 - aufgehobene Strafurteil des Landgerichts N. vom 15.3.2002 - 5 Ks 103 Js 358/01 - vorausgegangen), ist im Strafvollzug viele Male verschubt und einmal diszipliniert worden. Seinen eigenen Angaben zufolge hat der Kläger während des Strafvollzugs bisweilen wahnhafte Gedanken gehabt (vor allem zu Anfang des Strafvollzugs, als er Probleme mit russischen Mitgefangenen hatte). Er ist mit dieser Wahnproblematik aber zurechtgekommen und sie ist wieder verschwunden; zu einem auffälligen Verhalten des Klägers oder sonstigen Weiterungen hat sie nicht geführt. Bei dieser Sachlage fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass durch den behördlichen Vollzug der Abschiebung eine produktivpsychotische Episode ausgelöst wird (zumal durch Begleitpersonen die Einnahme der neuroleptischen Medikation gewährleistet werden kann) oder auch nur eine extreme Aufregung. Die Frage einer ungewöhnlichen kardiologischen Belastung infolge des Abschiebungsvorgangs stellt sich nach allem nicht. Auch unabhängig von der Frage der seelischen Sondersituation ist mit einer solchen Belastung aufgrund des Abschiebungsvorgangs nicht zu rechnen (vgl. Nr. B.I.3 lit. b, S. 51).

b) Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Kläger nach der Abschiebung das Medikament Zyprexa absetzen wird mit der Folge, dass produktivpsychotische Episoden mit etwaigen Weiterungen möglich werden.

Dr. W. hält es in seinem Gutachten vom 23. August 2013 zwar für wahrscheinlich, dass der Kläger nach der Abschiebung eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Diese Prognose beruht jedoch nicht auf den besonderen fachärztlichen Kenntnissen des Gutachters. Sie beruht auf einer unzutreffenden tatsächlichen Annahme und ist daher unrichtig. Zu dieser vom Gutachten abweichenden Feststellung ist der Senat befugt, da ein Gutachten stets nur Grundlage der Überzeugungsbildung sein kann und diese selbst Aufgabe des Gerichts ist. Will das Gericht eine Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung erlaubt, ob es das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat (st. Rspr., vgl. u. a. BGH, U. v. 22.4.1975 - VI ZR 50/74 - NJW 1975,1463, und v. 13.9.2001 - 3 StR 333/01 - NStZ-RR 2002,259; vgl. auch Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, insb. Rn. 4 u. 7). Der Gutachter meint, die gegenwärtige „soziale Situation“ im Bundesgebiet sei geeignet, den Kläger zur Medikamenteneinnahme zu motivieren, werde jedoch nach der Abschiebung in gleichwertiger Weise nicht mehr bestehen, so dass er auf die Medikation verzichten und dadurch Episoden und deren Weiterungen auslösen werde. Die Beklagte vertritt demgegenüber insbesondere mit ihren detaillierten Ausführungen im Schriftsatz vom 14. Januar 2014 zu Recht die Auffassung, dass die tatsächliche Annahme des Gutachters, nach der Abschiebung werde eine der derzeitigen Situation im Bundesgebiet gleichwertige „soziale Situation“ nicht mehr bestehen, unzutreffend und eine fortlaufende Einnahme des Medikamentes Zyprexa in Russland nicht weniger wahrscheinlich als in Deutschland ist.

Der Gutachter bezeichnet als „soziale Situation“ (später als „soziale Komponente“), die die Einnahme des neuroleptischen Medikaments durch den Kläger begünstige, die Motivation „aktuell vor allem durch die Mutter und durch die Bewährungshilfe (gemeint: durch die Führungsaufsicht); dazu gehört auch ein Arzt, dem - was bei der gegenwärtigen Ärztin der Fall ist - der Kläger vertraut, so dass er die verordnete Medikation akzeptiert“. Aufgrund des Vorschlags des Gutachters Dr. G., eine Betreuung des Klägers herbeizuführen, ist auch die im Oktober 2010 errichtete Betreuung als motivierender Faktor (Teil der „sozialen Situation“) in Betracht zu ziehen.

Jedoch kann der Kläger einen Arzt, zu dem er ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann, auch in Russland finden. Der Kläger hat zu der Ärztin Frau M. im Klinikum N. in kürzester Zeit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut; sie spricht fließend Russisch; seine Hausärztin in der Zeit nach der Übersiedlung ins Bundesgebiet sprach ebenfalls fließend Russisch (vgl. Bl. 159 der Ausländerakten). Dies spricht dafür, dass dem Kläger der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses wesentlich dadurch erleichtert wird, dass die Kommunikation in seiner Muttersprache stattfindet. Den vorliegenden Betreuungsberichten sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die im Bundesgebiet bestellten Betreuer tatsächlich einen erheblichen Beitrag zur kontinuierlichen Einnahme der neuroleptischen Medikation geleistet haben; dies verwundert nicht, nachdem sie ihn nur sporadisch besuchen und keine Haushaltsgemeinschaft mit ihm haben. Eine Zwangsbehandlung kann der Betreuer nach übereinstimmender Auffassung aller beteiligten Gutachter ohnehin nicht herbeiführen (vgl. Nr. II). Im Übrigen ist die staatliche Unterstützung für Personen, die eigene Angelegenheiten eigenständig nicht hinreichend erledigen können, die der Kläger im Bundesgebiet in Form der Betreuung erhält, entgegen der unsubstantiierten Behauptung des Klägers auch im russischen Rechtssystem vorgesehen. Das russische Zivilgesetzbuch, das dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch angenähert ist, regelt die Rechtsinstitute der Vormundschaft, der Pflegschaft und der Betreuung (Nußberger, Einführung in das russische Recht, München 2010, JuS-Schriftenreihe, insbesondere S. 121 ff. und 199/200). Für die Annahme, das Verfahren über die Errichtung des einschlägigen Rechtsinstituts über den Kläger werde selbst dann längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn ein Notfall vorliegt, fehlt es an sachlichen Anhaltspunkten; nicht anders als im Bundesgebiet besteht auch in Russland die Notwendigkeit, Fälle zu bewältigen, in denen die Gefahr einer geistigen Erkrankung oder die geistige Erkrankung selbst akut ist. Die Errichtung einer Betreuung in Russland kann zudem schon jetzt vorbereitet werden, beispielsweise kann der Kläger mit Hilfe seiner in medizinischer Hinsicht sachkundigen Mutter (Neurochirurgin) und des hiesigen Betreuers die russische Botschaft (zur Weiterleitung an die zuständige russische Stelle) auf seine bevorstehende Abschiebung hinweisen und über seine (gutachterlich dokumentierte) Problematik informieren. Entgegen der Auffassung des Gutachters kommt der Mutter des Klägers hinsichtlich der Medikamenteneinnahme keine wesentliche unterstützende Bedeutung zu. Sie ist 78 Jahre alt (am ... geboren) und zu 80% schwerbehindert. Angesichts dessen ist auch fraglich, wie lange sie noch versuchen kann, auf den Kläger einzuwirken. Zum anderen hat sie (von der Haftzeit abgesehen) stets entweder mit ihm zusammen oder in seiner Nähe gewohnt, jedoch weder verhindern können, dass der Kläger nach seinen Aufenthalten in einem psychiatrischen Krankenhaus in den Jahren 1990 (27.1. bis 15.2., vgl. S. 21 des Strafurteils) und 1991 (5.2. bis 5.3., a. a. O.) jeweils die Medikation wieder abgesetzt hat, noch bewirken können, dass er auf die produktivpsychotischen Episoden in den Jahren 1992 und 1998 hin ein Neuroleptikum eingenommen hat. Der Betreuungsbericht vom 5. Juni 2013 deutet darauf hin, dass der Kläger etwa ein Vierteljahr nach seiner Haftentlassung und Übersiedlung zu seiner Mutter erneut eigenständig die Medikation abgesetzt hat. Die tatsächlichen Umstände der Mehrzahl der bisherigen produktivpsychotischen Episoden des Klägers deuten sogar darauf hin, dass die Mutter des Klägers für diesen ein erhebliches Risiko darstellt, selbst wenn ihre Anwesenheit für ihn mit wirtschaftlichen und auch einzelnen persönlichen Vorteilen verbunden ist. Die Mutter des Klägers besitzt ein dominantes Wesen (Strafurteil vom 18.12.2003 S. 4; Angaben von Frau Dr. E. Zufolge dem Gutachten des Dr. N. vom 19.10.1998, Bl. 159 der Ausländerakten); das vom Versorgungsamt eingeholte Gutachten vom 7. September 1999 spricht von einer pathologischen Mutterbeziehung; der Kläger selbst hat seine Mutter zufolge dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 als den „Chef“ zuhause bezeichnet. Familiäre Spannungen, die in Handgreiflichkeiten des Klägers vor allem gegen sie gemündet haben, haben im Mittelpunkt der Mehrzahl der bisherigen produktivpsychotischen Episoden gestanden (vgl. u. a. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 und das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Der Kläger ist der Auffassung, seine Eltern hätten seine Schwestern ihm vorgezogen (vgl. das Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998 sowie die Stellungnahme des Dr. We. vom 12.11.1998 und das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Dr. G. 2009 erörtert in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 die Möglichkeit eines Zuzugs des Klägers zu seiner Mutter nach der Haftentlassung, befürwortet aber einen solchen Zuzug wegen des Risikos familiärer Auseinandersetzungen für die Auslösung produktivpsychotischer Episoden letztlich nicht. Die im Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 angesprochene Führungsaufsicht („Bewährungshilfe“) vermag die Neuroleptika-Einnahme ebenfalls nicht nachhaltig zu gewährleisten. Auflagenverstöße (vorliegend: ein Weglassen des Neuroleptikums) sind zwar strafbewehrt. In der strafgerichtlichen Praxis beschränkt sich die Ahndung aber - anders als bei einem Verstoß gegen Bewährungsauflagen - auf Geldstrafen. Darüber hinaus endet die Führungsaufsicht in wenigen Jahren. Weiterhin spricht viel dafür, dass der Kläger seine Kontaktschwierigkeiten in Russland wesentlich leichter als in Deutschland überwinden und auf diese Weise ein stützendes soziales Umfeld aufbauen kann. Der Kläger ist in Sankt Petersburg aufgewachsen, hat dort seine Sozialisation erfahren und seine Schul- und Berufsausbildung absolviert. Er hat dort (psychiatrisch erkrankt, jedoch überwiegend unbehandelt) mehrere Jahre gearbeitet und als Selbstständiger erfolgreich Kontakte geknüpft (vgl. Nr. B.I.2 lit. c, bb, bbb, aaaa). Der Kläger hat zwar in den 16 Jahren seines Aufenthalts im Bundesgebiet die deutsche Sprache besser gelernt; er hat aber immer noch gewisse Verständigungsschwierigkeiten, wie der Dolmetschereinsatz in der Verhandlung des Betreuungsgerichts vom 14. Oktober 2010 und mehrere Bemerkungen im Gutachten Dr. W. vom 23. August 2013 belegen. Seine Kontakte und Geschäftstätigkeiten im Bundesgebiet sind wenig integrationsförderlich gewesen. Sie haben - wie vor allem dem Strafurteil vom 18. Dezember 2003 zu entnehmen ist - überwiegend exilrussischen Charakter gehabt. Wie eben erwähnt bevorzugt der Kläger russischsprachige Ärzte und vermag schnell ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Wie seine beiden Reisen wenige Wochen vor der Tat vom 7. Februar 2001 belegen, verfügt der Kläger über Kontakte in Russland. Angesichts des Akteninhalts und der vorliegenden Angaben hat der Senat davon auszugehen, dass der Kläger auch Verwandte in Sankt Petersburg hat. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Kontaktaufnahme zu seinen Verwandten den Kläger so stark belasten könnte, dass eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu befürchten wäre, bestehen nicht (vgl. IV.). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger etwa 25.000 € Schulden und aufgrund dessen die eidesstattliche Versicherung vor einem Gerichtsvollzieher nach § 802c Abs. 3 ZPO abgegeben hat. Bei Erwerbsanstrengungen im Bundesgebiet wäre der Kläger hierdurch von vornherein stark seelisch (vgl. Dr. G. im Gutachten vom 21.7.2009) und materiell belastet. Ein Wohnsitzwechsel nach Russland würde die Problematik praktisch erledigen, weil deutsche Gerichtsentscheidungen in Russland nicht vollstreckt werden.

c) Der Kläger weist außerhalb produktivpsychotischer Episoden eine Residualsymptomatik auf, die auch durch Neuroleptika nicht zu beseitigen ist. Sie hindert den Kläger aber weder daran, seinen Lebensunterhalt in Russland zu sichern, noch beeinträchtigt sie sein Leben im Übrigen wesentlich. Aus der Tatsache, dass die psychiatrische Einzel-GdB im bestandskräftig gewordenen Bescheid des Landesversorgungsamtes vom 21. Januar 2014 auf 50 festgelegt worden ist, während sie 20 im vorher geltenden Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 11. Oktober 1999 (vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) betragen hat, ergibt sich nichts anderes. Mit der im Bescheid vom 11. Oktober 1999 bewerteten seelischen Störung hat das Versorgungsamt die im Gutachten vom 7. September 1999 (Bl. 27 der Schwb-Akte) gestellte Diagnose einer depressiven Neurose bei selbstunsicherer Persönlichkeit und pathologischer Mutterbeziehung umgesetzt. Die Erhöhung der psychiatrischen Einzel-GdB (mit der Folge einer Erhöhung der Gesamt-GdB) durch den Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2014 beruht darauf, dass das Versorgungsamt im Widerspruchsverfahren das vom Betreuungsgericht eingeholte psychiatrische Gutachten vom 26. August 2013 beigezogen und auf dieser Grundlage (mit den Worten „Residualzustand nach seelischer Krankheit“) erstmals berücksichtigt hat, dass der seelischen Störung eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis zugrunde liegt. Nachdem sich aus den vorliegenden psychiatrischen Gutachten - das Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 eingeschlossen - ergibt, dass die Residualsymptomatik keine wesentliche Einschränkung des Klägers bedingt (aa), und nachdem auch die Erwerbsbiografie des Klägers keine Anhaltspunkte für eine negative Erwerbsprognose liefert (bb), fehlt es auch im Bereich der seelischen Gesundheit an hinreichenden Anhaltspunkte für eine Einholung des mit Beweisantrag Nr. 3 begehrten ergänzenden arbeitsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers keine Erwerbsfähigkeit besteht (zum Fehlen nichtpsychiatrischer Anhaltspunkte für die Einholung eines derartigen Gutachtens vgl. B.I.1.).

aa) Die Tatsache, dass die Residualsymptomatik den Kläger nicht wesentlich beeinträchtigt, ergibt sich zunächst daraus, dass Dr. W. in seinem Gutachten vom 23. August 2013 weder schwerwiegende psychopathologische Auffälligkeiten noch eine wesentliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit des Klägers feststellt, der seit März 2010 mit Zyprexa behandelt wird; ein geringgradiges Antriebsdefizit zieht er lediglich in Betracht. Dr. W. führt aus, die noch vorhandenen Einschränkungen der Denkabläufe seien nicht eindeutig; der Gutachter meint, der Eindruck solcher Einschränkungen könne auch aufgrund des unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes oder infolge von Verständnisschwierigkeiten entstanden sein. Dies ist nachvollziehbar, nachdem die Residualsymptomatik schon in den früheren Gutachten, bei deren Erstellung der Kläger neuroleptisch noch unbehandelt gewesen ist, als unauffällig und nicht ausgeprägt beschrieben worden ist. In seinem Gutachten vom 12. November 2009 hat Dr. W. der Residualsymptomatik insbesondere eine Einschränkung des Antriebs, Besonderheiten der Affektivität sowie Besonderheiten des formalen Denkablaufs zugeordnet (wie Weitschweifigkeit und Redebeiträge, die an gestellten Fragen vorbeigehen) und diese Symptomatik als nicht ausgeprägt, geringgradig und nach außen nicht auffallend bewertet. Bei seiner Erörterung der zwischen den Gutachtern umstrittenen Frage, wie die übereinstimmend festgestellten Symptome diagnostisch einzuordnen sind, hebt Dr. W. noch einmal die Geringgradigkeit dieser Symptome besonders hervor und verweist darauf, dass sie auch in der JVA - trotz des engen sozialen Zusammenlebens dort - nicht aufgefallen sind (die in der JVA tätigen Ärzte sind noch im Frühjahr 2010 davon ausgegangen, dass der Kläger in psychiatrischer Hinsicht nicht behandlungsbedürftig ist, vgl. die Klägerschriftsätze vom 12.2.2010 und vom 17.3.2010 im Verfahren 19 B 09.824; auch den JVA-Berichten über den Strafvollzug ist nichts für ungewöhnliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Klägers zu entnehmen, vgl. etwa den JVA-Bericht vom 19.1.2006, Bl. 301 der Ausländerakte). In diesem Sinn hatte sich Dr. W. auch schon im Gutachten vom 18. Oktober 2001 geäußert. Auch der Gutachter Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von „diskreten“ Einschränkungen gesprochen, ähnlich das Attest des Klinikums N. vom 6. Februar 2013, in dem der psychische Zustand des Klägers als stabil bezeichnet wird. Dem psychiatrischen Gutachten B. vom 26. August 2013, das im Betreuungsverfahren eingeholt und auch im Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes zugrunde gelegt worden ist, ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Residualsymptomatik nur mit geringgradigen Einschränkungen verbunden ist; u. a. vermerkt der Gutachter, der Kläger habe trotz der Sprachbarriere auch die schwierigste Frage der (testweise gestellten) Unterschiedsfragen verschiedenen Schwierigkeitsgrades beantwortet. Die Betreuung in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung wurde weiterhin für erforderlich gehalten wegen der eventuellen Notwendigkeit, den Kläger der nervenärztlichen Heilbehandlung zuzuführen und über seine Unterbringung zu entscheiden, die dem übrigen Gutachtensinhalt zufolge nur bei einem Verzicht auf die Neuroleptikabehandlung eintreten kann. Die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern wurde dem jeweiligen Betreuer des Klägers, der noch immer mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen hat (vgl. u. a. den Bericht des Führungsaufsehers vom 23.5.2013 in der Betreuungsakte), insbesondere deshalb übertragen, weil Anträge auf Rente, Altersversorgung, Sozialhilfe sowie auf Integrationshilfen nach der Haftentlassung im Raum gestanden haben. Bei diesen Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten handelt es sich um komplexe Vorgänge, bei denen regelmäßig auch Personen fachlicher Unterstützung bedürfen, die im Bundesgebiet aufgewachsen sind, die deutsche Sprache vollständig beherrschen und keine psychiatrische Beeinträchtigung aufweisen. Eine Darlegung, welche Teile gerade der Residualsymptomatik einer sachgerechten Erledigung dieser Angelegenheiten entgegenstehen, ist den Betreuungsgutachten nicht zu entnehmen. Die von allen Gutachtern festgestellte Geringgradigkeit dieser Symptomatik spricht gegen eine solche Ursächlichkeit. Die Gutachter aus nichtpsychiatrischen Fachgebieten (Kardiologe, Orthopäde, Arbeitsmediziner) referieren umfangreiche anamnestische Angaben des Klägers ohne jede Andeutung von Kommunikationsschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Unauffälligkeit der Residualsymptomatik wird schließlich auch durch die Berichte der ihm bestellten Betreuer bestätigt. Die Betreuer erwähnen derartige Symptome nicht, sondern legen dar, der Kläger sei im Umgang sehr angenehm, er führe sich sehr gut und sei kooperativ (Betreuerbericht vom 4.11.2013); er mache einen stabilen Eindruck, sei ruhig, angenehm und zuverlässig (Betreuerbericht vom 1.12.2013). Insgesamt ist den im Betreuungsverfahren eingeholten Stellungnahmen und gefassten Beschlüssen nichts für eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit des Klägers zu entnehmen.

Der Umstand, dass der Kläger in der Haft nur kurzzeitig als Arbeiter eingesetzt worden ist, liefert keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Residualsymptomatik stehe einer erfolgreichen Erwerbstätigkeit des Klägers in Russland entgegen.

Den Mitteilungen des Klägers, der die Arbeit mit Werkzeugmaschinen für die Zeit nach der Haftentlassung in Erwägung gezogen hat, ist zu entnehmen, dass er nicht als einer der stärksten Leistungsträger eingeschätzt worden ist, die auch bei kleiner Auftragslage eingesetzt werden, sondern als einer der (grundsätzlich durchaus verwendbaren) Mitarbeiter, die erst eingesetzt werden, wenn der JVA-Betrieb größere Auftragsvolumina abzuarbeiten hat (vgl. die im Gutachten des Dr. W. vom 12.11.2009 - zu Nr. 4 - wiedergegebenen Angaben des Klägers). Es kommt in Betracht, dass diese betriebsseitige Einschätzung auf persönlichen Eigenschaften ohne Bezug zu gesundheitlichen Einschränkungen beruht (wie wohl bei dem größten Teil der Erwerbstätigen, die nicht zur stärksten Leistungsgruppe gehören). In Betracht zu ziehen ist aber auch die Möglichkeit, dass diese Einschätzung die betriebsseitige Umschreibung desjenigen Teils der Residualsymptomatik darstellt, der von den Gutachtern mit den Begriffen „Antriebsdefizit“ und „Verlangsamung“ bezeichnet worden ist. In jedem Fall läuft die betriebsseitige Einschätzung weder auf eine fehlende Erwerbsfähigkeit noch auf eine wesentlich geminderte Erwerbsfähigkeit hinaus und bestätigt damit, dass die Residualsymptomatik mit keinen wesentlichen Einschränkungen des Klägers verbunden ist. Nachdem die Arbeitslosigkeit in Russland und insbesondere in Zentren wie St. Petersburg niedrig ist (vgl. B.I.3 lit. a, aa), ist es wahrscheinlich, dass auch der Kläger einen solchen Arbeitsplatz finden würde.

Im Übrigen ist es zwar nachvollziehbar, wenn der Kläger die Arbeit in der Justizvollzugsanstalt in den Vordergrund stellt, nachdem es sich hierbei um seine letzte Arbeitserfahrung handelt. Seinem Fähigkeitenprofil entspricht jedoch nicht die ihm im JVA-Betrieb abgeforderte, eher die Körperkraft beanspruchende Serienarbeit, sondern eine Tätigkeit in technischen und/oder kaufmännischen Bereichen, in denen es nicht auf eine schnellstmögliche Abarbeitung von Stückzahlen ankommt (vgl. B.I.1) und diesbezügliche Defizite daher - wie auch an den erfolgreichen Geschäften des Klägers in Russland und Deutschland ersichtlich (vgl. B.I.2. lit. c, bb, bbb, aaaa) - keine Rolle spielen.

bb) Die Gutachter Dr. G. und Dr. W. haben dem Kläger eine überwiegend negative Erwerbsprognose gestellt. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 ausgeführt, für die Zeit nach einer möglichen Entlassung sei wieder mit den seit Anfang der 90er Jahre bestehenden Schwierigkeiten zu rechnen, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren; auch Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 12. November 2009 die Auffassung vertreten, es werde dem Kläger wahrscheinlich schwerfallen, einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 23. August 2013 nimmt Dr. W zwar keine Bewertung der Erwerbsbiografie des Klägers mehr vor; er geht jedoch hier auf das Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 detailliert ein und nimmt die selbst erstellte Begutachtung vom 12. November 2009 in Bezug, ohne hinsichtlich dieses Aspekts eine neue Sichtweise zu entwickeln. Die negative Erwerbsprognose der Gutachter bezieht sich in erster Linie auf ein Erwerbsleben im Bundesgebiet, denn diese Gutachten sind überwiegend nicht zur gegenwärtigen Fragestellung erstattet worden (das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009 zur Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung; das Gutachten Dr. W. vom 12.11.2009 zu den tatsächlichen Ausweisungsvoraussetzungen). Der Senat geht aber davon aus, dass Gründe, die ein Scheitern des Klägers im deutschen Erwerbsleben begründen würden, auch ein Scheitern im russischen Erwerbsleben herbeiführen würden.

Die Äußerungen der beiden Gutachter rechtfertigen aber nicht die Erwartung eines Fehlschlags des Klägers bei Erwerbsbemühungen. Die Gründe, die der negativen Erwartung der Gutachter zugrunde liegen, sind - anders als die psychiatrischen Grundlagen (Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, produktivpsychotische Episoden in bestimmten Fällen bei fehlender Neuroleptikabehandlung, Residualproblematik) - nicht fachmedizinischer, sondern tatsächlicher Natur, denn sie sind der Erwerbsbiografie des Klägers während bestehender psychiatrischer Erkrankung entnommen. Die Auswertung aller vorhandenen Informationen über diese Erwerbsbiografie ergibt, dass deren negative Bewertung durch die Gutachter, die insoweit über deutlich weniger Informationen als das Gericht verfügt haben, nicht bzw. nicht mehr zutrifft. Der Senat ist daher zu der Feststellung in der Lage, dass die Erwerbsprognose nicht negativ, sondern positiv ist. Seit März 2010 drohen dem Kläger infolge der Medikation mit Zyprexa keine produktivpsychotischen Episoden mehr (aaa). Die Erwerbsbiografie des Klägers ist von den psychiatrischen Gutachtern Dr. G. und Dr. W. auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage negativ bewertet worden; tatsächlich liefert sie aber keine Anhaltspunkte für eine negative Erwerbsprognose (bbb). Nachdem sich die Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers in psychiatrischer Hinsicht anhand der medizinischen Feststellungen in den vorliegenden psychiatrischen Gutachten in Verbindung mit der (zutreffend ermittelten) Erwerbsbiografie des Klägers beantworten lässt und im Ergebnis zu bejahen ist, war den diesbezüglichen Beweisanträgen (Nrn. 1 lit. b, 2 lit. e < soweit er eine Arbeitsstelle betrifft > und 3 sowie dem letzten in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag) nicht nachzukommen.

aaa) Die Äußerungen betreffend einen Misserfolg des Klägers am Arbeitsmarkt sowohl in dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 als auch in dem Gutachten des Dr. W. vom 12. November 2009 gründen wesentlich auf dem Umstand, dass der Kläger im Jahr 2009 neuroleptisch noch unbehandelt gewesen ist (dem Gutachten vom 12.11.2009 zufolge eine solche Behandlung auch abgelehnt hat) und den Gutachtern über kürzlich erlebte Wahnvorstellungen berichtet hat. Zwar haben diese Wahnvorstellungen in der JVA nicht zu Weiterungen geführt; sie sind von Außenstehenden nicht einmal bemerkt worden. Nachdem sie jedoch prägendes Kennzeichen produktivpsychotischer Episoden des Klägers sind, ist es nachvollziehbar, wenn die Gutachter davon ausgehen, dass ihr Auftreten im Rahmen einer Arbeitssuche oder im Rahmen einer Erwerbstätigkeit des Klägers erwerbsgefährdende Auswirkungen haben könnte, und die neuroleptische Behandlung für unabdingbar halten. Jedoch nimmt der Kläger seit nunmehr vier Jahren ein Neuroleptikum ein. Die neuroleptische Unbehandeltheit, die für die negative Erwartung der Gutachter betreffend die Erwerbschancen des Klägers (auch) maßgeblich gewesen ist, trifft somit nicht mehr zu. Seit dem Beginn dieser Medikamentierung im Bundesgebiet gibt es keine Anzeichen mehr für Wahnvorstellungen und Episoden. In seiner gutachterlichen Äußerung vom 23. August 2013 bezeichnet Dr. W. die Symptomatik als deutlich gebessert. Betreffend die Erwerbschancen des Klägers äußert er nur noch „Skepsis“, die er mit „der vorliegenden Erkrankung und nach wie vor bestehenden Einschränkungen im Hinblick auf die Antriebsleistung sowie Besonderheiten des formalen Denkablaufs“ begründet. Diese Residualsymptomatik hat der Gutachter jedoch in derselben Äußerung als jedenfalls nicht schwerwiegend, nur geringgradig und nicht wesentlich bewertet; sie stellt keine ausreichende Grundlage für eine negative Erwerbsprognose dar (vgl. B.I.2 lit. c, aa).

bbb) Die Gutachter Dr. G. und Dr. W. begründen ihre pessimistischen Erwerbsprognosen darüber hinaus nicht mit spezifisch psychiatrischen Feststellungen, sondern mit der Erwerbsbiografie des Klägers bis zu seiner Inhaftierung. Dies ist im Ansatz nachvollziehbar, denn im Falle solcher Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit in früheren Phasen der Grunderkrankung wären vergleichbare Beeinträchtigungen auch in Zukunft zu erwarten. Die Einschätzung der Gutachter ist aber dennoch unzutreffend. Sie steht zum einen in Widerspruch zu deren eigener Feststellung einer Residualsymptomatik ohne wesentliche Einschränkungen (vgl. B.I.2 lit. c, aa). Zum anderen beruht sie auf unzutreffenden Tatsachenannahmen. Dr. G. meint in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 der Erwerbsbiografie des Klägers einen deutlichen Leistungseinbruch entnehmen zu können, und erklärt diesen Leistungseinbruch mit der schizophrenen Erkrankung des Klägers. Die Beklagte kommt jedoch zu einer anderen Bewertung der Erwerbsbiografie des Klägers; sie vertritt die Auffassung, eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychiatrischen Erkrankung sei nicht ersichtlich (Schriftsätze vom 23.8.2012 und vom 27.3.2014). Diese Auffassung ist zutreffend. Dr. G. geht zu Unrecht von einem deutlichen Nachlassen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers aus (aaaa). Die gleichgeartete Annahme des Gutachters Dr. W. in seiner Äußerung vom 12. November 2009 ist ebenfalls ohne Grundlage (bbbb). Daher hat der Senat im Ergebnis nicht von einer eingeschränkten beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers auszugehen; er hat nur die übrige Residualsymptomatik zugrunde zu legen, die keine wesentlichen Einschränkungen des Klägers beinhaltet.

aaaa) Dr. G geht in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 davon aus, dass es dem Kläger zwar gelungen sei, die Schule problemlos zu durchlaufen und die Ausbildung zum Funkingenieur erfolgreich abzuschließen, und dass er dann eine Stelle in einem Produktionsunternehmen für Radios gehabt habe, diese aber aufgrund der Krankheit nach nur eineinhalb Jahren verloren habe und dann in Russland und später auch in Deutschland es nicht vermocht habe, eine seiner verschiedenen Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen und mit selbstständigen Tätigkeiten sein Geld zu verdienen (an anderer Stelle: dass es ihm nach der erstmaligen stationären Behandlung psychotischer Symptome - in zeitlichem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust - weder in Russland noch später in Deutschland gelungen ist, beruflich wieder Fuß zu fassen und an die im Rahmen der schulischen Laufbahn zu Tage getretene Leistungsfähigkeit anzuknüpfen). Dr. G. ist ersichtlich der Auffassung, dass ein Leistungsbild des Klägers, das sich in gleichartiger Weise sowohl bei der Angestelltentätigkeit des Klägers in Russland als auch während seiner Selbstständigkeit dort sowie während seiner Videofilmgeschäfte in Deutschland abzeichnet, einen verlässlichen Schluss auf die Erwerbsfähigkeit nach der Haftentlassung zulässt. Die von Dr. G. angenommene grundsätzliche Wende der Erwerbsbiografie ins Negative zu Beginn der 90er Jahre hat aber nicht stattgefunden. Der Kläger ist zwar möglicherweise durch produktivpsychotische Episoden in seinem Erwerbsleben beeinträchtigt worden, außerhalb dieser Episoden aber geschäftlich erfolgreich gewesen. Ein einheitliches (und damit verlässliches) Leistungsbild während verschiedener Phasen der Erwerbstätigkeit ab dem Beginn der 90er Jahre liegt vor; es ist jedoch nicht negativ, sondern eher positiv.

Der Kläger hat Anfang des Jahres 1990 eine produktivpsychotische Episode erlitten; den vom Strafgericht ausgewerteten Krankenunterlagen aus Russland zufolge ist er vom 27. Januar 1990 bis zum 15. Februar 1990 in einem psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt worden (die Mutter des Klägers - zitiert im Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 - hat dessen Psychiatrieaufenthalte nur grob und jeweils ein Jahr später datiert, seinen ersten Psychiatrieaufenthalt also auf das Jahr 1991). Dem Arbeitsbuch des Klägers zufolge (Bl. 113 der Akte des Verwaltungsgerichts) hat diese Episode nicht zu einer Beendigung seiner Tätigkeit als Ingenieur für Fertigungstechnik geführt; hierzu ist es erst etwa ein Jahr später gekommen, nämlich am 5. Februar 1991. Die Angabe des Klägers gegenüber Dr. G., er habe die Stelle als Funkingenieur in einem Produktionsbetrieb für Radios nach eineinhalb Jahren verloren, spricht zwar für eine Zuordnung des Vorgangs zum Jahr 1990; für die Richtigkeit des im Arbeitsbuch vermerkten Datums spricht jedoch, dass es mit dem Tag identisch ist, an dem der Kläger den vom Strafgericht ausgewerteten medizinischen Unterlagen zufolge erneut wegen einer Episode in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden ist. Die von Dr. G. interpretierten anamnestischen Angaben des Klägers sind auch im Übrigen fragwürdig und drücken ganz überwiegend subjektives Empfinden aus; eine Darstellung der konkreten Gründe für die Beendigung der (dem Arbeitsbuch zufolge) etwa zweieinhalbjährigen Angestelltentätigkeit enthalten sie nicht. Dem Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6. Februar 2013 zufolge hat der Kläger dort angegeben, seine Ingenieurstelle selbst gekündigt zu haben; ebenso hat sich der Kläger bei der Anamnese im Rahmen des Gutachtens des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 geäußert. Das Attest vom 6. Februar 2013 enthält auch Angaben des Klägers, die die Beendigung der Angestelltentätigkeit in einen Zusammenhang mit einer Erpressung im beruflichen Umfeld stellen sowie (allerdings unter Nennung des Jahres 1990) eine produktivpsychotische Episode des Klägers beschreiben. Dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zufolge hat der Kläger eine der produktivpsychotischen Episoden dahingehend detailliert, „dass man in Russland einmal versucht habe, ihn zu erpressen“. Im Strafurteil vom 18. Dezember 2003 (Seite 5) wird ebenfalls eine der produktivpsychotischen Episoden (das Strafurteil spricht von Episoden „in den Jahren 1990/1991“) auf eine Erpressung des Klägers zurückgeführt. Schließlich hat die Mutter des Klägers dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zufolge eine produktivpsychotische Episode darauf zurückgeführt, dass er wegen „der Perestroika“ arbeitslos geworden sei; sie hat damit auf die Teilliberalisierung und teilweise Beseitigung der sozialistischen Wirtschaftsordnung Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre Bezug genommen, die - wie allgemein bekannt - gerade zu Beginn der 90er Jahre einen regelrechten Verfall der russischen Wirtschaft zur Folge gehabt hat. Für die von der Mutter des Klägers angegebene Begründung für die Beendigung der Angestelltentätigkeit des Klägers könnte nicht nur diese zeitgeschichtliche Übereinstimmung, sondern auch der Umstand sprechen, dass es sich bei dem Radiohersteller um einen Staatsbetrieb gehandelt hat (Angabe des Klägers laut dem Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001). Demzufolge sind als Gründe für die (möglicherweise durch Kündigung im Vorfeld einer Entlassung erfolgte) Beendigung der Angestelltentätigkeit des Klägers der allgemeine Verfall der russischen Wirtschaft Anfang der 90er Jahre, strafrechtliche Vorgänge im Umfeld des Klägers oder/und eine produktivpsychotische Episode in Betracht zu ziehen. Für eine Verursachung durch die Residualsymptomatik liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte vor. Weder der Kläger noch seine Mutter hat den Arbeitsplatzverlust in einen Zusammenhang mit einer Antriebseinschränkung oder mit einer der anderen diskreten Beeinträchtigungen gestellt, die der Kläger außerhalb von Episoden aufweist.

Die Annahme im Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009, dem Kläger sei nach der Beendigung seiner Arbeit für den Radiohersteller (auch in Russland) eine erfolgreiche Erwerbstätigkeit nicht mehr gelungen, verfügt über keine hinreichende Grundlage; zahlreiche Anhaltspunkte sprechen gegen sie.

Es spricht nichts dafür, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus der Klinik am 5. März 1991 im Erwerbsleben nur eingeschränkt leistungsfähig gewesen ist. Der Kläger ist seinem Arbeitsbuch zufolge vom 1. April 1991 bis zum 1. August 1993 als Fachmann für Warenkunde und vom 1. September 1993 bis zum 1. Dezember 1996 als Vorarbeiter („Polier“) eines Bau- und Montagebereichs beschäftigt gewesen. Der Kläger selbst hat allerdings bei der Anamneseerhebung durch Dr. G. von einer anderweitigen Angestelltentätigkeit in Russland nichts berichtet. Bei anderen Gelegenheiten hat er nur sehr allgemein von einer kaufmännischen Tätigkeit bei verschiedenen Firmen gesprochen (Strafurteil vom 18.12.2003, Seite 4; Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001). In die Erwerbstätigkeit als Fachmann für Warenkunde fällt die weitere produktivpsychotische Episode im Jahr 1992, die nur ambulant behandelt worden ist (vgl. das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009) und offensichtlich keine Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis gehabt hat. Dem Vorbringen des Klägers und seiner Mutter sowie den sonstigen insoweit aussagekräftigen Unterlagen (insbesondere dem Arbeitsbuch) ist nichts dafür zu entnehmen, dass die Erwerbstätigkeit des Klägers in diesen insgesamt etwa fünfeinhalb Jahren durch die Residualsymptomatik nachteilig beeinflusst worden wäre.

Anschließend (vielleicht auch schon als Nebenbeschäftigung in der letzten Zeit seiner Angestelltentätigkeit) ist der Kläger selbstständig erwerbstätig gewesen. Dr. G. nimmt in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 an, es sei dem Kläger nicht gelungen, eine seiner verschiedenen Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen und mit einer selbstständigen Tätigkeit sein Geld zu verdienen. Jedoch deutet die Angabe des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. N. (Gutachten vom 13.10.1998 auf die produktivpsychotische Episode vom Frühjahr 1998 hin), er habe Videofilme (Spielfilme, Dokumentar- und Kriegsfilme) landesweit verkauft, auf einen erfolgreichen Verlauf dieser gewerblichen Tätigkeit hin. Hierfür sprechen auch die im Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zitierten (später durch Ausführungen seiner Mutter bestätigten) Angaben des Klägers, denen der Gutachter entnimmt, dass es dem Kläger gelungen ist, stabile Rahmenbedingungen für seine selbstständige Tätigkeit herzustellen (vgl. auch die inhaltsgleiche Äußerung des Gutachters Dr. W. in der Hauptverhandlung, wiedergegeben auf S. 65 des Strafurteils vom 18.12.2003), sowie die Angaben seiner Mutter, denen zufolge der Kläger hohe Erwartungen hinsichtlich des Gewinns hatte, den sein Cousin mit dem vom Kläger aufgebauten Geschäft (dem Cousin im Rahmen der Ausreise übergeben) erzielen sollte. Den Angaben des Klägers bei seiner Untersuchung in der Institutsambulanz des Klinikums N. (Attest vom 6.2.13) ist zu entnehmen, dass er durch seine selbstständige Tätigkeit in Russland mehr verdient hat als vorher als Ingenieur. Auch bei seiner Befragung durch den Gutachter Dr. W. im Vorfeld des Gutachtens vom 18. Oktober 2001 hat der Kläger seine berufliche Veränderung mit „finanziellen Interessen“ begründet. Die Angaben des Klägers gegenüber Dr. G. betreffend eine krankheitsbedingte Verlangsamung seiner selbstständigen Tätigkeit sind keine geeignete Grundlage für die von Dr. G. vorgenommene Bewertung. Der Kläger hat ansonsten einen solchen Zusammenhang nicht hergestellt. Zufolge des Gutachtens des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 hat der Kläger damals dem Gutachter mitgeteilt, es seien die Medikamente gewesen, die ihn langsam gemacht hätten. Dem Gutachten des Dr. W. vom 12. November 2009 zufolge hat der Kläger wenige Monate nach seiner Begutachtung durch Dr. G. erneut angegeben, dass er den Eindruck habe, unter Medikamenten verlangsamt zu sein; im gleichen Sinn hatte sich in der nichtöffentlichen Sitzung des Betreuungsgerichts vom 14. Oktober 2010 geäußert, in der ein Russisch-Dolmetscher zugegen gewesen ist (Bl. 156 der Betreuungsakte), gegenüber dem Neurologen Dr. B. (vgl. dessen Stellungnahme vom 22.8.1012) und bei der Befragung durch Dr. W. im Vorfeld des Gutachtens vom 23. August 2013. Der Umstand, dass der Kläger bei seinen anamnestischen Angaben gegenüber Dr. G. emotional teilweise stark bewegt, teilweise nivelliert und teilweise dissoziiert gewesen ist (vgl. insbesondere S. 11 und 28 des Gutachtens) und seine vorausgegangene mehrjährige Angestelltentätigkeit in den 90er Jahren (dokumentiert in dem Arbeitsbuch, das er im verwaltungsrechtlichen Verfahren selbst vorgelegt hat) ganz überwiegend vernachlässigt hat, sprechen dafür, dass die Angaben des damals neuroleptisch noch nicht behandelten und an einer Strafrestaussetzung zur Bewährung interessierten Klägers wenig verlässlich sind. Es kommt hinzu, dass der Gutachtensinhalt auf Verständigungsschwierigkeiten bei der Erhebung der Anamnese durch Dr. G. hindeutet. Auf S. 45 des Gutachtens gibt der Gutachter die Mitteilung der JVA wieder, mangelnde Sprachkenntnisse des Klägers hätten einer Gewalttherapie entgegengestanden; der Gutachter setzt dieser Mitteilung keinen gegenteiligen Eindruck entgegen, sondern bestätigt sie mittelbar durch Benennen weiterer Hinderungsgründe für eine Gewalttherapie. Die Exploration hat offensichtlich teilweise in russischer und teilweise in deutscher Sprache statt gefunden: einerseits wurde wegen der „nicht ausreichenden Sprachkenntnisse des Probanden“ ein Dolmetscher für die russische Sprache hinzugezogen (vgl. S 2/3), andererseits die „oberfränkische Sprachfärbung“ des Klägers vermerkt (S. 12). Nicht nur die von Dr. G. zitierten Angaben zum geringen Geschäftserfolg stehen in einem auffälligen Widerspruch zu Angaben des Klägers, die dieser bei anderen Gelegenheiten gemacht hat. In den Mittelpunkt der Beschreibung seiner Geschäftstätigkeit in Russland hat der Kläger mehrfach Videofilme gestellt (vgl. insbesondere das Strafurteil vom 18.12.2003 Seite 4); diese scheinen im Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 in keiner Weise auf.

Nach seiner Übersiedlung in das Bundesgebiet im Herbst 1997 hat der Kläger die deutsche Sprache nicht schulmäßig erlernt; er ging zunächst keiner Erwerbstätigkeit nach und erhielt Sozialhilfe (S. 5 des Strafurteils). In diese Zeit fällt die produktivpsychotische Episode vom Frühjahr 1998, die gutachterlich festgehalten, jedoch nicht medikamentös behandelt worden und wieder abgeklungen ist.

Der Kläger hat dann in der Zeit vor der Straftat vom 7. Februar 2001 einen Handel mit illegal vervielfältigten russischsprachigen CDs und Videos aufgebaut. Dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 zufolge hat der Kläger bei der Gutachtensanamnese insoweit lediglich angegeben, die Geschäfte seien „zunächst“ nicht gut gelaufen, so dass er von Sozialhilfe habe leben müssen. Zur Entwicklung der Geschäfte nach dieser wenig erfolgreichen (wie bei Geschäftseröffnung nicht vollkommen ungewöhnlich) Anfangsphase ist dem Gutachten nichts zu entnehmen. Das Strafurteil vom 18. Dezember 2003 (zur st. Rspr. des BVerwG betreffend die Geltung strafgerichtlicher Feststellungen im Ausweisungsverfahren vgl. B. v. 24.2.1998 InfAuslR 1998,221) stellt jedoch fest, der Handel habe ein größeres Ausmaß erreicht (S. 31); es spricht von einem florierenden Geschäft (S. 32), durch das der Kläger erhebliche Gewinne erzielt habe (S. 57), und bewertet diesen Handel auf der Grundlage des Marktwerts des in der Wohnung des Klägers gefundenen Materials und des Umfangs der von ihm getätigten Geldgeschäfte (Strafurteil S. 8 ff. und S. 30 ff.) als „äußerst lukrativ“ (Seiten 3 und 29 des Strafurteils). Aus den Feststellungen des Strafgerichts in diesem Zusammenhang ergibt sich eine erhebliche Geschäftstüchtigkeit des Klägers (beispielsweise hat er demzufolge noch wenige Wochen vor der Straftat vom 7.2.2001 zwei Reisen nach Russland zum Zweck des CD- und Video-Handels unternommen). Aufgrund des geschäftlichen Erfolges, der auch deshalb plausibel ist, weil sich der Kläger dabei in einem Bereich bewegt hat, der ihm sprachlich und fachlich vertraut gewesen ist, hat der Kläger geplant - zusammen mit seinem späteren Opfer, das gut Deutsch sprach und im Umgang mit Behörden erfahren war -, den CD- und Videohandel offiziell und in größerem Stil (und nicht mehr nur mit illegalem Material, sondern auch mit legalem) von einem angemieteten Ladenlokal aus zu betreiben. Dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 und dem Strafurteil vom 18. Dezember 2003 zufolge war eine konkrete Lokalität bereits in die engere Wahl gezogen worden.

bbbb) Die Ausführung des Dr. W. im Gutachten vom 12. November 2009, dem Kläger sei es im Vorfeld der Inhaftierung nicht gelungen „eine stabile berufliche Situation herzustellen“, beruht nicht auf eigenen Feststellungen oder fachlichen Erkenntnissen des Gutachters. Mit dieser Ausführung übernimmt Dr. W. lediglich die gleichsinnige Annahme des Dr. G. im Gutachten vom 21. Juli 2009, ohne sich fundiert eine eigene Überzeugung zu bilden.

In seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 und in seiner Erläuterung dieses Gutachtens vor dem Strafgericht (vgl. S. 65 des Strafurteils vom 18.12.2003) hatte Dr. W. noch angegeben, die Erkrankung habe das Leben des Klägers nicht sehr beeinträchtigt; er habe sein Studium (Hochfrequenztechnik, Diplom im Jahr 1988) abschließen können und (nach der Angestelltentätigkeit bei einem Radiohersteller) einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen können, wobei er stabile Rahmenbedingungen hergestellt habe. Trotz der Residualsymptomatik sei der Verlauf symptomarm gewesen; nach den Episoden Anfang der 90er Jahre sei der Gesundheitszustand des Klägers gebessert gewesen und lange Zeit stabil geblieben; der Kläger habe trotz fehlender Medikation einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können. In seinem Gutachten vom 12. November 2009, bei dessen Abfassung ihm das Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 vorgelegen hat, bewertet Dr. W. nunmehr die bisherige Erwerbstätigkeit des Klägers entgegengesetzt, legt seine Gründe für seine Meinungsänderung jedoch nicht dar. Dr. W. nimmt zwar Bezug auf sein Gutachten vom 18. Oktober 2001 und fügt sogar einen mehrseitigen Auszug daraus in sein neues Gutachten ein, jedoch nicht den Abschnitt betreffend den symptomarmen Verlauf nach den Episoden Anfang der 90er Jahre; mit diesem Abschnitt setzt er sich auch nicht inhaltlich auseinander. Die ergänzende Anamnese, die Dr. W. Im Vorfeld seines Gutachtens vom 12. November 2009 erhoben hat, erstreckt sich nicht auf die Erwerbsbiografie (vgl. S. 25 ff.). Aus all dem ergibt sich, dass der Gutachter Dr. W. mit der Ausführung im Gutachten vom 12. November 2009, dem Kläger sei es im Vorfeld der Inhaftierung nicht gelungen „eine stabile berufliche Situation herzustellen“, die gleichsinnige Bewertung in dem kurz vorher erstellten Gutachten des Dr. G. übernommen hat, ohne diese Bewertung im Hinblick auf ihre Grundlagen und die eigene frühere (entgegengesetzte) Bewertung kritisch zu würdigen und zu hinterfragen.

3. Aufgrund seiner Erwerbsfähigkeit wird der Kläger seinen Lebensbedarf einschließlich der auf ihn fallenden Gesundheitsaufwendungen finanzieren können.

Nach den vorliegenden Informationen wird der Kläger deutlich mehr verdienen als die in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 genannten Beschäftigten im Durchschnitt. Es spricht Überwiegendes für eine entsprechende qualifizierte Beschäftigung; es sind aber auch keine Gründe ersichtlich, die einer Selbstständigkeit des Klägers in einer der ihm bereits bekannten Branchen oder in einer anderen (jedenfalls legalen) Branche mit einem verfügbaren Gewinn entgegenstehen, der solchen Arbeitseinkünften vergleichbar ist. Bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger seinen existenziellen Bedarf (den medizinischen eingeschlossen) nach der Rückkehr nach Russland mit Wahrscheinlichkeit decken können wird, geht der Senat hinsichtlich Einkommen, allgemeinem Existenzminimum und Wohnungskosten zunächst von den Beträgen aus, die bei einer Rückkehr im Jahr 2010 hätten zugrunde gelegt werden müssen, weil die Botschaft entsprechende Angaben im Jahr 2010 geliefert hat (a). Dem Ergebnis dieser Bilanz stellt der Senat die alsbald nach der Übersiedlung erforderlichen Gesundheitsaufwendungen gegenüber, für die die Botschaft erst vor kurzem noch Informationen geliefert hat (b). Die Gegenüberstellung von Beträgen aus dem Jahr 2010 und von aktuellen Beträgen ist möglich, weil Informationen über die Entwicklung des Realeinkommens, zu dem die bei lit. a erörterten Beträge gehören, Gegenstand des Verfahrens sind (c).

a) Das monatliche Nettoeinkommen einer Person mit den Fähigkeiten des Klägers liegt - bezogen auf das Jahr 2010 - deutlich über 16.100 R (aa), so dass nach Abzug des Existenzminimums 2010 von 4481,2 R (bb) und Wohnungskosten 2010 von weniger als 8148 R (cc) ein Betrag von deutlich über 3465 R verbleibt. Dieser Betrag, der für Gesundheitsaufwendungen eingesetzt werden kann, entsprach im Jahr 2010 etwa 85 €.

aa) Die wirtschaftliche Situation in Russland ist wesentlich günstiger als bei der Übersiedlung des Klägers ins Bundesgebiet im Jahr 1997. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Realeinkünfte der russischen Bevölkerung im Durchschnitt mehr als verdoppelt; der unterhalb der Armutsgrenze lebende Bevölkerungsanteil hat sich halbiert. Aufgrund der Wirtschaftskrise vor wenigen Jahren ist die Arbeitslosigkeit zwar erheblich angestiegen und hat im Februar 2009 einen Höchststand von 9,4% erreicht (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinformation zur Russischen Föderation, Stand März 2011, vorgelegt von der Klägerseite zusammen mit der Revisionserwiderung vom 3.5.2011 im Verfahren BVerwG 1 C 3.11). Nunmehr ist sie aber wieder auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise zurückgegangen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.6.2013, Abschnitt IV.1.1); sie liegt derzeit Russland unter 6%, im zentralen Föderalbezirk mit Sankt Petersburg wenig über 3% (Germany Trade & Invest - Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland -, Lohn und Lohnnebenkosten in Russland, April 2012, S. 7/8). Dies bedeutet, dass in St. Petersburg faktisch Vollbeschäftigung herrscht, also sogar ungelernte Kräfte einen Arbeitsplatz finden.

Für eine erfolgreiche Existenzgründung des Klägers in Sankt Petersburg spricht, dass er hier mehr als 30 Jahre lang gelebt hat, so dass ihm die örtlichen Grundstrukturen bekannt sind. Er hat zudem Verwandte in Sankt Petersburg (vgl. IV.), die ihn bei der Stellensuche oder sonstigen Existenzgründung unterstützen können. Solche Bemühungen sind ihm mithilfe der vielfältigen Telekommunikationsmöglichkeiten auch jetzt schon möglich. Der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 zufolge können sich von Arbeitslosigkeit Betroffene in Sankt Petersburg darüber hinaus beim Arbeitsamt melden, das bei der Arbeitssuche behilflich ist, bei Bedarf Umschulungen bezahlt und in dieser Zeit die Kranken, Renten- und Sozialversicherung übernimmt. Die Beweisanträge Nr. 2 lit. c und d sind nicht geeignet, diese Auskunft in Frage zu stellen (vgl. IV.).

Zusätzliche Hilfe kann der Kläger auf der Grundlage des staatlichen Programms zur Unterstützung im Ausland lebender Personen russischer Sprache erhalten, die auf das Territorium der Russischen Föderation zurückkehren wollen („Programm Landsleute“). Dieses zum 1. Juni 2007 in Kraft getretene Förderprogramm soll der sinkenden Bevölkerungszahl in Russland entgegenwirken; Rückkehrwilligen werden ein Arbeitsplatz und Unterstützung bei der Wohnungssuche zugesichert (http://www.russland.ru/schlagzeilen/morenews.php?iditem=55450 und http://www.ornispress.de/hindernislauffuerrueckkehrer.1208.0.html). Zwar scheinen diese Zusicherungen nicht immer effektiv zu sein; die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Existenzgründung des Klägers wird jedoch durch das Rückkehrerprogramm weiter erhöht. Durch eine Antragstellung vom Bundesgebiet aus kann der Kläger zu einer beschleunigten Aufnahme in das Rückkehrerprogramm beitragen. Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Umstände des Klägers Ausschlussgründe darstellen könnten, liegen nicht vor. Die erklärte Rückübernahmebereitschaft der russischen Behörden spricht gegen ein russisches Interesse, die Reintegration des Klägers zu erschweren.

Aufgrund der Tatsache, dass dem Kläger infolge seiner krankheitsbedingten Einschränkungen nur leichte Tätigkeiten zuzumuten sind, hat der Senat mit Schreiben vom 24. August 2010 im Verfahren 19 B 09.824 bei der Botschaft nach dem Durchschnittsverdienst einer Bürokraft in Sankt Petersburg gefragt und von dort die Monatsverdienste von Ladenverkäufern, Callcenter-Mitarbeitern, Dispatchern, Buchhaltern und Kellnern mitgeteilt erhalten (Stellungnahme der Botschaft vom 26.11.2010). Jedoch spricht mehr für eine erheblich qualifiziertere Tätigkeit des Klägers. Der Kläger ist nach gutachterlicher Beurteilung überdurchschnittlich intelligent, hat im Jahr 1988 an einer russischen Hochschule für Hochfrequenztechnik die Ausbildung zum Rundfunk- und Fernsehingenieur mit dem Diplom abgeschlossen hat und in diesem Beruf auch schon gearbeitet. Der Kläger ist zwar seit vielen Jahren nicht mehr als Ingenieur tätig gewesen und kann deshalb nicht übergangslos eine solche Beschäftigung erneut ausüben. Seine akademische Ausbildung spricht jedoch dafür, dass er über ein vertieftes Grundwissen sowie über die Fähigkeit verfügt, sich in Neuentwicklungen einzuarbeiten. Diese selbstständige Fortbildungsfähigkeit ergibt sich auch aus den Akten (vgl. die Angaben des Klägers in der Sitzung des Betreuungsgerichts vom 14.10.2010 sowie das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Das arbeits- und sozialmedizinische Gutachten des Prof. D. vom 19. April 2010 hält eine Tätigkeit im erlernten Beruf als Ingenieur für denkbar. Ihrer Äußerung vom 27. Juli 2010 zufolge geht auch die deutsche Botschaft in Moskau davon aus, dass der Kläger seine Vorbildung als Ingenieur auf dem russischen Arbeitsmarkt verwerten kann. Selbst wenn der Kläger die Befähigung eines kontinuierlich beschäftigten Ingenieurs nicht erreichen sollte, wird er deutlich qualifizierter verwendet werden können als in den im Wesentlichen nur angelernten Tätigkeiten, die die deutsche Botschaft am 26. November 2010 angeführt hat. Seine kaufmännischen Fähigkeiten hat der Kläger schon vor der Übersiedlung ins Bundesgebiet unter Beweis gestellt, sowohl als Arbeitnehmer als auch als Selbstständiger; in Deutschland ist er geschäftlich (wenn auch illegal) ebenfalls erfolgreich gewesen (vgl. B.I.2 lit. c, bb, bbb). Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich im Wesentlichen um persönliche Eigenschaften, auf die der Zeitablauf keine oder viel geringere Auswirkungen hat als auf Fachwissen.

Der monatliche Durchschnittsverdienst in den von der Botschaft am 26. November 2010 genannten Tätigkeiten hat damals bei etwa 18.500 Rubel gelegen (die Botschaft hat Monatsverdienste zwischen 14.000 und 23.000 Rubel genannt). Der in Russland von ortsansässigen Arbeitnehmern zu zahlende Einkommensteuersatz liegt bei 13% (zu Sozialversicherungsbeiträgen werden russische Arbeitnehmer nicht herangezogen, vgl. S. 5 und 7 der bereits zitierten Broschüre der Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland) so dass der Netto-Durchschnittsverdienst im Jahr 2010 bei etwa 16.100 R gelegen hat. Es liegt auf der Hand, dass ein russischer Staatsangehöriger, der - wie der Kläger - zum einen unternehmerische Fähigkeiten und Geschäftstüchtigkeit besitzt (die er sowohl selbstständig als auch unselbstständig einsetzen kann) und zum anderen zu einer selbstständigen Aktualisierung veralteten Ingenieurwissens befähigt ist, deutlich mehr verdienen kann.

bb) Der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 zufolge hat damals der monatliche Mindestbedarf für Lebenshaltungskosten (Wohnung ausgenommen) nach dem russischen Sozialhilfegesetz bei 4481,2 Rubel gelegen.

cc) Hinsichtlich seiner Unterkunft ist der Kläger nicht bereits dann existenzgefährdet, wenn ihm kein abgeschlossenes 1-Zimmer-Apartment zur Verfügung steht (BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3.11). Die deutsche Botschaft in Moskau hat in ihrer Stellungnahme vom 8. November 2013 mitgeteilt, sie könne die Frage nach kostengünstigeren Unterkunftsmöglichkeiten für den Kläger nicht konkret beantworten; in St. Petersburg bestehe aber die Möglichkeit, Makler, Zeitungsinserate und Internet zu nutzen und in einem Einzelzimmer oder in einer Wohngemeinschaft unterzukommen. Demzufolge gibt es kostengünstige Unterkunftsmöglichkeiten für Alleinstehende in Sankt Petersburg. Angesichts des Erfahrungswissens und der Nachforschungsmöglichkeiten der Botschaft stellt dies eine für die Prognose verwertbare Information dar.

Nur beispielhaft weist der Senat darauf hin, dass dem Internet, auf das die Botschaft unter anderem verwiesen hat, zu entnehmen ist, dass in St. Petersburg, wo der größte Teil der Bevölkerung in bescheidenen, weitgehend von der früheren Wohnraumbewirtschaftung geprägten Verhältnissen wohnt, noch immer eine traditionelle Form der Wohngemeinschaft sehr verbreitet ist („Kommunalka“), bei der sich mehrere Parteien eine Wohnung in der Weise teilen, dass ein Teil (Zimmer) den privaten Lebensbereich bildet, die Sanitär- und Kücheneinrichtungen aber gemeinsam genutzt werden. Der im Schriftsatz vom 16. Mai 2014 zitierten Veröffentlichung „Die Hauptstadt der Kommunalkas“ (Bauwelt 24.10) zufolge leben auf diese Weise noch mehr als eine halbe Million St. Petersburger, was gegen eine Begrenztheit auf besonders problematische Bevölkerungsgruppen spricht. Die städtischen Pläne, die Kommunalkas durch moderne Wohnformen zu ersetzen, kommen seit Jahrzehnten nicht voran (vgl. die im Schriftsatz vom 16.5.2014 zitierte Internet-Veröffentlichung „Petersburg wird seine Kommunalkas nicht los“) und sind daher für die Zeit alsbald nach der Abschiebung unerheblich.

Den Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass eine zwangsweise Unterkunft in einer sog. „Kommunalka“ oder in einer anderen Form von Gemeinschaftsunterkunft zu einer alsbaldigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers führen würde (Beweisantrag Nr. 1 lit a), sowie zum Beweis dafür, dass der Kläger, soweit er nicht mehr bei seiner Mutter bleiben kann, auf eine Unterkunft in beschützter Umgebung für geistig behinderte Erwachsene angewiesen ist (Beweisantrag Nr. 1 lit. c), konnte aus mehreren Gründen nicht Rechnung getragen werden. Der Beweisantrag Nr. 1 lit. a ist zunächst nicht erheblich, weil der Kläger weder nur in Gemeinschaftsunterkünften unterkommen kann noch zu einer speziellen Unterkunft („zwangsweisen Unterkunft“) genötigt ist. Darüber hinaus sind beide Beweisanträge unsubstantiiert, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger von einer auf ihn zugeschnittenen Wohnform nicht nur profitieren würde, sondern auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit oder gar auf eine Unterkunft für geistig behinderte Erwachsene zur Vermeidung einer Gesundheitsverschlechterung tatsächlich angewiesen und unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist. In St. Petersburg lebt noch mehr als eine halbe Million Menschen in Kommunalkas (Bauwelt 24/2010 als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 16.5.2014; die im selben Schriftsatz in Bezug genommene Internet-Veröffentlichung von Russland-Aktuell spricht von 744.000 Personen oder 15% der Stadtbevölkerung). Aus dieser Zahl ergibt sich, dass in Kommunalkas alle persönlichen Eigenschaften und nicht etwa nur randständige Persönlichkeiten anzutreffen sind. Das Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6. Februar 2013, das von einem „ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit“ spricht, stellt keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Kläger auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit angewiesen, also unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist. Das Attest ist erstellt worden, als sich der drei Tage vorher aus der JVA entlassene und nun zur Wohnungnahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtete (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 AufnG; § 1 Abs. 1 AsylbLG) Kläger erstmals in der psychiatrischen Institutsambulanz des Klinikums vorgestellt hat. Aufgrund des Attests ist eine Befreiung von dieser Verpflichtung ausgesprochen worden (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.6.2013 vorgelegten Unterlagen). Das Attest ist somit zur Stützung des Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft erstellt worden, in der alleinstehende Männer nicht selten in Mehrbettzimmern untergebracht sind. Der Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt dem Attest nicht zugrunde. Die Verfasser des Attests nehmen keinen Bezug auf Akten oder Gutachten. Das Attest ist ausschließlich anhand der vielfach sehr subjektiven Angaben des Klägers und seiner Mutter verfasst worden (vgl. etwa die Darstellung der Straftat vom 7.2.2001). Das Klinikum berücksichtigt bei dem Verfassen des Attests lediglich die Pauschalität der ausländerrechtlichen Zielsetzungen, auf denen die Wohnungnahmeverpflichtung beruht, den Umstand, dass der Kläger psychiatrisch beeinträchtigt ist, sowie die sich bei oberflächlicher Betrachtung aufdrängende Möglichkeit des Wohnens bei der Mutter. Das Konfliktpotenzial der Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Mutter scheint zwar andeutungsweise in der Anamnese auf; die abschließende Stellungnahme des Klinikums zum Befreiungsantrag würdigt jedoch ausschließlich die positiven Aspekte dieser Beziehung. Eine differenzierte Abwägung, inwieweit der Kläger in einer Gemeinschaftsunterkunft leben kann, insbesondere wenn eine andere Unterkunftsmöglichkeiten nicht besteht, und eine Berücksichtigung eines konkreten Maßes der Gemeinschaftlichkeit (die bis zum Schlafraum reichen kann, sich aber auch - wie in der traditionellen Kommunalka in Sankt Petersburg - auf die Küchen- und Badeinrichtungen beschränken kann) ist dem Attest nicht zu entnehmen. Die medizinische Begründung („schwere psychotische Erkrankung mit einer bekannt niedrigen Reizschwelle“) lässt sowohl die Tatsache außer acht, dass der Kläger - neuroleptisch unbehandelt und dennoch ohne Entwicklung einer produktivpsychotischen Episode - neun Jahre unter Strafgefangenen verbracht hat (insgesamt zwölf Jahre), unter denen nach seiner eigenen Angabe (Klägerschriftsatz vom 29.2.2008 im Verfahren 19 B 07.2762) Gewalt herrscht, als auch den durch die Behandlung mit Zyprexa erreichten Gesundheitszustand. Das Attest enthält auch keine differenzierte Erwägung zur Frage, in welchem Zeitraum (unter welchen Umständen) die Entstehung einer produktivpsychotischen Episode im Falle des Fehlens eines ruhigen isolierten Wohnraums mit einer Rückzugsmöglichkeit zu erwarten wäre. Nachdem der Kläger nicht aus Gesundheitsgründen auf eine Unterkunft in beschützter Umgebung für geistig behinderte Erwachsene angewiesen ist, ist die Frage unerheblich, ob dem Kläger in der Russischen Föderation eine solche Wohnsituation zur Verfügung steht, und war der hierzu gestellte Beweisantrag Nr. 2 lit. e (Alternative 2) abzulehnen.

Auch die Möglichkeit, dass der Kläger jedenfalls in der ersten Zeit bei Verwandten unterkommt und durch diese (auch schon vor der Übersiedlung) bei der Wohnungssuche unterstützt wird (vgl. Nr. IV) ist realistisch, zumal der Kläger bislang nicht dargelegt hat, wie seine Eltern über die Wohnung verfügt haben, die sie infolge der Übersiedlung ins Bundesgebiet aufgegeben haben, und eine Überlassung an Verwandte naheliegt.

Ein russischer Staatsangehöriger, der - wie der Kläger - in Sankt Petersburg geboren ist und russischsprachige Websites auswerten kann, konnte im Jahr 2010 nach der Überzeugung des Senats eine bescheidene Unterkunft für deutlich weniger als 200 € pro Monat finden. Dies ergibt sich daraus, dass angesichts der von der Botschaft genannten Verdienstmöglichkeiten einerseits und der Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung andererseits für einen wesentlichen Teil der Bevölkerung nur solche Unterkunftskosten noch tragbar sind. Auf der Basis des in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 mitgeteilten Währungsverhältnisses - 4481,2 Rubel für etwa 110 Euro - entspricht der Betrag von 200 € einem Betrag von etwa 8148 R. Einem Wohnqualitäts-Vergleich der in alten und abgewohnten Gebäuden gelegenen Kommunalkas mit der abgeschlossenen 1-Zimmer-Wohnung zum Mietpreis von 400 €, die über eigene Sanitär- und Kücheneinrichtungen verfügt und Gegenstand der Auskunft der deutschen Botschaft vom 26. November 2010 ist, spricht ebenfalls für diese Schätzung der Kosten einer bescheidenen Unterkunft.

Möglicherweise kann der Kläger eine noch günstigere Unterkunft finden, da einerseits seine Registrierung in Sankt Petersburg zu erwarten ist und er dann Zugang zu staatlich geförderten Wohnungen hat (vgl. nachfolgend lit. b) und andererseits das „Programm Landsleute“ Unterstützung auch insoweit bietet (vgl. IV.). Da aber offen ist, ob der Kläger eines dieser beiden Fördersysteme alsbald nutzen kann, lässt der Senat die Möglichkeit einer öffentlich geförderten Wohnung unberücksichtigt.

b) Der Kläger wird mit Wahrscheinlichkeit für seine Gesundheit nicht mehr als 95 €/Monat aufwenden müssen.

Der Kläger kann damit rechnen, in die kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge aufgenommen zu werden.

Die kostenlose medizinische Versorgung ist von der Registrierung abhängig. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt; die Registrierung erfolgt bei Vorlage des Inlandspasses und Nachweis von Wohnraum (zum Registrierungssystem vgl. Nr. IV.2 des Lageberichts vom 10.6.2013 sowie Nußberger a. a. O. S. 102). Der Kläger kann das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung in St. Petersburg geltend machen, denn es ist davon auszugehen, dass er hier eine Wohnsitzregistrierung erhalten wird. Der Ort der Registrierung aus dem Ausland zurückkehrender russischer Staatsangehöriger ist in aller Regel der letzte Wohnort, an dem sie vor ihrer Ausreise registriert waren (Botschaftsstellungnahme vom 27.7.2010). Der Kläger ist in St. Petersburg (Leningrad) geboren, aufgewachsen und war vor seiner Übersiedlung ins Bundesgebiet hier registriert (vgl. die Übersetzung des Passes vom 15.4.1982, Blatt 4 der Ausländerakte, sowie den Reisepass vom 14.1.1994, Blatt 18 der Ausländerakte sowie Schwb-Akte Bl. 3). Es bestehen keine Zweifel daran, dass die russischen Behörden hieran anknüpfen werden; die russische Zusage, den Kläger zurückzunehmen (vgl. den Beklagtenschriftsatz vom 7.1.2013) deutet darauf hin, dass diese Anknüpfung bereits erfolgt ist. Somit ist nicht zu erwarten, dass ihm die Ausstellung eines Inlandspasses in Sankt Petersburg verweigert wird, wie dies bei Personen vorkommt, die vorher an einem anderen Ort in der Russischen Föderation (insbesondere in Tschetschenien) registriert gewesen sind (vgl. den Lagebericht vom 10.6.2013 a. a. O.). Auch den für die Registrierung erforderlichen Wohnraumnachweis wird der Kläger führen können (vgl. B.I.3 lit. a, cc). Daher ist der Beweisantrag Nr. 2 lit. f (auf Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass sich der Kläger in der Russischen Föderation nicht registrieren lassen kann, ohne ausreichenden Wohnraum nachzuweisen) unerheblich.

Die Botschaft ist hinreichend sachkundig hinsichtlich der erteilten Auskünfte. Die Botschaft hat sich nicht zur gesundheitlichen Situation des Klägers geäußert, wofür es besonderer ärztlicher Fachkenntnis bedurft hätte (die sich ein Vertrauensarzt durch die konsiliarische Einschaltung eines entsprechenden Facharztes beschaffen könnte). Die Voraussetzungen und Leistungen der Krankenversorgung, beispielsweise die Verfügbarkeit und die Kosten von Medikamenten, können von jeder russischsprachigen Person festgestellt werden. Über seine Kontakte in Russland, über das Internet und mit Hilfe seiner als Neurochirurgin tätig gewesenen Mutter und deren Heimatkontakte ist dies auch dem Kläger möglich. Die von der Botschaft übermittelten Informationen können daher nicht durch einen Hinweis auf die Grenzen einer ärztlichen Ausbildung in Zweifel gezogen werden, sondern nur durch die substantiierte Darlegung, die Tatsachen lägen anders als in der Botschaftsäußerung dargestellt. Dies ist nicht geschehen, so dass der Senat die Botschaftsangaben zugrunde zulegen hat.

Zwar erhält dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2013 (S. 26) zufolge die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung keine kostenfreie medizinische Versorgung. Jedoch bedeutet dies nicht, dass dieser Bevölkerungsteil medizinisch unversorgt bleibt, denn zum einen finanzieren die Arbeitgeber nunmehr eine leistungsfähige Krankenversicherung (vgl. S. 5 und 7 der bereits zitierten Broschüre der Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland) und zum anderen können Empfänger höherer Gehälter ihre Gesundheitsaufwendungen selbst erbringen. Diese Anmerkung im Lagebericht ist somit kein Anhaltspunkt für eine Unbrauchbarkeit der kostenlosen Gesundheitsfürsorge.

Ein herzkranker Patient, der in der Russischen Föderation in den Genuss einer möglichst kostenfreien Behandlung und Medikation kommen will, muss nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 (auf der Grundlage von Auskünften eines Vertrauensarztes) eine Invalidität beantragen. Anschließend muss er sich persönlich einer medizinischen Kommission stellen, die den Grad der Beeinträchtigung feststellt. Unabhängig von dem Ergebnis der Kommission muss sich der Patient im Anschluss beim Bezirkskardiologen vorstellen, der den notwendigen Umfang der kostenlosen medizinischen Betreuung bestimmt und auch die Verschreibung der kostenfreien Substanzen festlegt. Die ärztlichen Unterlagen aus Deutschland können bei der Vorstellung vor einer medizinischen Kommission beigebracht werden. Eine Weiterbehandlung und Nachsorge des Klägers ist grundsätzlich unter anderem in der Föderalen Klinik Nr. 2 in Sankt Petersburg gewährleistet.

Der Botschaftsäußerung vom 8. November 2013 zufolge kann zwar von der Botschaft keine Stellungnahme abgegeben werden, in welchem Umfang der Kläger einen Anspruch auf kostenlose medizinische Behandlung und Bezug von Medikamenten hätte, weil dies erst aufgrund der erwähnten persönlichen Vorstellung und Einzelfallprüfung festgelegt wird. An der Aufnahme des Klägers in die kostenlose staatliche Gesundheitsversorgung als solche äußert die Botschaft keine Zweifel. Nicht zuletzt wegen der detaillierten Gutachten, mit denen der Kläger seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen belegen kann, hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass das von der Botschaft beschriebene russische Prüfungs- und Diagnoseverfahren zu einer sachgerechten Behandlung des Klägers auf dem Niveau des staatlichen russischen Gesundheitssystems führen wird. In Sankt Petersburg sind das Wissen und die technischen Möglichkeiten auch für anspruchsvolle Behandlungen vorhanden und ist die Versorgung mit Medikamenten gut (Lagebericht vom 10.6.2013, Nr. IV.1.2.).

Der Senat hat auch davon auszugehen, dass die Einleitung der kardiologischen Behandlung im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems zeitgerecht erfolgt. Da sich Herzkrankheiten schnell lebensbedrohlich entwickeln können, hätte ein Gesundheitssystem, das für solche besonderen Fälle keine notfallmäßige (also ein akribisches Begutachtungsverfahren nicht erfordernde) Versorgung vorsieht, nicht nur einen niedrigeren Standard als im Bundesgebiet, sondern wäre insoweit wertlos. Im Übrigen steht eine dringliche, mit Verzögerungen unvereinbare Behandlung des Klägers nicht an, so dass der Kläger nicht sofort nach der Übersiedlung auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems angewiesen ist. Schließlich hat die Beklagte zugesichert, dem Kläger vor der Ausreise oder Abschiebung einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € zu übergeben, so dass er zunächst existenzgesichert ist einschließlich der Möglichkeit, die benötigten Medikamente für die erste Zeit nach eigenem Ermessen entweder (nach Rezeptierung durch die ihn behandelnden Ärzte) mitzunehmen oder nach der Ankunft in Russland zu erwerben (vgl. IV.). Auch die in der ersten Zeit erforderlichen (kostengünstigen, vgl. unten) Kontrolluntersuchungen (Rezeptausstellungen eingeschlossen) kann der Kläger auf diese Weise finanzieren. Schließlich ist der Beweisantrag auch ungeeignet. Nachdem sich die Botschaft nicht in der Lage sieht, den konkreten Verlauf des Verfahrens zu prognostizieren, ist auch eine konkrete Zeitprognose nicht zu erwarten.

Soweit der Kläger mit Beweisantrag Nr. 2 lit. b die Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt hat, dass ihm in der Russischen Föderation keine kostenfreie ärztliche und medikamentöse Versorgung in Russland zuteil werden wird, konnte dem nicht Folge geleistet werden. Nachdem den vorliegenden Auskünften der deutschen Botschaft über die öffentliche Gesundheitsversorgung zu entnehmen ist, dass das Gegenteil der Beweisbehauptung zutrifft, und Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder ein sonstiges Ungenügen dieser Auskünfte nicht vorliegen, bedarf es einer weiteren Beweiserhebung nicht (§ 98 ZPO, § 412 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BVerwG, B. v. 27.3.2013 - 10 B 34.12). Soweit der Kläger mit seiner Beweisbehauptung auf den Umstand abhebt, dass im Rahmen der „kostenlosen“ staatlichen Gesundheitsversorgung Zuzahlungen verlangt werden, bedarf es der beantragten Beweiserhebung nicht, weil der Senat - wie im nachfolgenden Absatz dargestellt - von solchen Zuzahlungen auf der Grundlage der Auskünfte der deutschen Botschaft ausgeht; sie werden jedoch für den Kläger erschwinglich sein und daher nicht zur Ursache einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung werden.

Trotz der Aufnahme in das staatliche Gesundheitssystem muss der Kläger damit rechnen, eigene Mittel für die Behandlung aufwenden zu müssen. Nach Nr. IV.1.2. des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2013 werden in der Praxis nahezu alle Gesundheitsdienstleistungen erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet, obwohl die ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Allerdings zeigt sich dem von der Beklagten in Bezug genommenen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. April 2010 (S. 29) zufolge im Alltag häufig, dass von mittellosen und wenig verdienenden Personen nichts bzw. wenig an Zusatzzahlungen abverlangt wird, bei normal- bis gut verdienenden Personen dagegen mehr. Angesichts des unveränderten Fortbestandes des staatlichen russischen Gesundheitssystems fehlt es an Anhaltspunkten, die dafür sprechen, dass diese Äußerung des Auswärtigen Amtes keine Gültigkeit mehr besitzt. Manche Medikamente sind in die Medikamentenliste des Gesundheitsministeriums nicht aufgenommen und somit im kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem nicht vorgesehen. Bei den meisten der vom Kläger benötigten Medikamente ist dies der Fall (Botschaftsäußerung vom 26.11.2010 im Verfahren 19 B 09.824).

Russlands Präsident Putin hat am 28. Juni 2012 bei der Vorstellung der Haushaltsbotschaft für die Jahre 2013 bis 2015 dazu aufgefordert, jegliche Spekulationen betreffend eine Aufhebung der kostenlosen medizinischen Betreuung und Ausbildung einzustellen; er hat den Willen zu einer verbesserten Finanzierung sowie zu einer qualitätsfördernden Konkurrenz staatlicher und privater Leistungserbringer bekräftigt (vgl. S. 10 der Länderinformationen zur Russischen Föderation vom August 2012 des Informationszentrums Asyl und Migration im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Neben dieser politischen Zielsetzung von Gewicht spricht auch die deutliche Verbesserung der russischen Wirtschafts- und Einkommenssituation seit dem Jahr 2000 (vgl. lit. a) für eine schrittweise Verbesserung der derzeit eingeschränkten Leistungsfähigkeit des staatlichen Gesundheitssystems.

Der Kläger benötigt ein Mittel zur Blutverdünnung mit ausreichender Gerinnungshemmung. Das dem Kläger derzeit verabreichte, in Russland jedoch nicht verfügbare (Auskunft der Firma Roche vom 8.1.2007, vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) Medikament Marcumar kann der Stellungnahme des Dr. H. vom 3. September 2013 zufolge durch das für Patienten mit Kunstklappen geeignete Medikament Warfarin ersetzt werden, das der Botschaftsäußerung vom 8. November 2013 zufolge in Russland verfügbar ist. Die Kosten für Warfarin betragen etwa 5 Euro, wobei es sich - wie bei den anderen von der Botschaft genannten Medikamentenkosten - um den Monatsbetrag handelt (Botschaftsäußerung vom 8.11.2013, S. 2 oben). Der Kläger benötigt weiterhin einen ACE-Hemmer, in Russland kostengünstig erhältlich für weniger als 10 Euro/Monat, einen Kalziumantagonist, in Russland erhältlich für weniger als 35 €/Monat und ein Diuretikum. Der Botschaftsauskunft zufolge ist dies „kostengünstig“ in Russland zu erhalten; angesichts der gleichartigen Formulierung der Botschaft im Zusammenhang mit dem ACE-Hemmer geht der Senat auch hinsichtlich des Diuretikums von etwa 10 Euro/Monat aus. Diese Medikamente sind dem Gutachten des Dr. H. vom 8. April 2013 zwingend notwendig, um zu verhindern, dass es innerhalb weniger Wochen zu einer kardialen Dekompensation kommt. Im Gegensatz zur Beklagten (Schriftsatz vom 27.6.2013) zweifelt der Senat nicht daran, dass eine kardiale Dekompensation (Sauerstoffunterversorgung und Ödeme bereits im Ruhezustand) eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung im Sinne des Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellt, nachdem sie - wie im Attest des Klinikums N. vom 6. Februar 2013 (S. 1) beschrieben, aber auch allgemein bekannt - notfalltherapeutisch behandelt werden muss.

Die Medikation mit einem zusätzlichen Diuretikum und mit einem niedrig dosierten kardioselektiven Betablocker (als Kosten wären für das weitere Diuretikum ebenfalls 10 Euro/Monat anzusetzen - vgl. oben - und hinsichtlich des Betablockers der Botschaftsauskunft zufolge weniger als 15 €/Monat) hält der kardiologische Gutachter für sinnvoll. Der Kardiologe führt aber darüber hinaus aus, es sei nicht mit Sicherheit zu sagen, ob ihr Weglassen zu einer alsbaldigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen würde; hier würde er eher mit mittelfristigen Effekten rechnen. Hieraus ergibt sich klar, dass im Falle des Weglassens keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer alsbaldigen wesentlichen Gesundheitsverschlechterung besteht. Mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 11. Juli 2013 verkennt der Kläger, dass die Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht als solche eine Aufenthaltsbeendigung entgegensteht, sondern nur in Verbindung mit einem Zeithorizont, der durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anhand des Begriffs „alsbald“ festgelegt worden ist. Dieser Begriff steht in einem deutlichen Gegensatz zu dem vom Sachverständigen verwendeten Begriff „mittelfristig“. Anhaltspunkte dafür, dass die nichtkardiologischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (insbesondere die schizophrene Residualsymptomatik) eine andere kardiologische Beurteilung begründen könnten, liegen nicht vor.

Für die Annahme, der Kläger werde sich mit seiner Abschiebung nicht abfinden und deshalb schon hierbei einer außergewöhnlichen seelischen und/oder kardiologischen Belastung ausgesetzt sein (mit der Folge einer Gefährdung von Gesundheit und Leben, so dass § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Abschiebung entgegensteht), spricht nichts. Dem Gutachten vom 8. April 2013 ist die Wahrscheinlichkeit mittelfristiger Effekte im Falle des Weglassens der genannten Herzmedikamente zu entnehmen, also keine Wahrscheinlichkeit solcher Effekte bei der Abschiebung, während der die gutachterlich festgelegte Therapie noch wirkt. Durch Begleitpersonen kann die Einnahme der neuroleptischen Medikation gewährleistet und eine produktivpsychotische Episode verhindert werden; selbst in der neuroleptisch unbehandelten Zeit haben behördliche Maßnahmen beim Kläger keine Steigerung der gesundheitlichen Beeinträchtigung herbeigeführt (vgl. B.I.2 lit. a). Schließlich ist den Gutachten des Dr. H. zu entnehmen, dass selbst im Falle eines (nicht wahrscheinlichen) Aufbegehrens des Klägers gegen die Abschiebung die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung nicht besteht. Nach dem Gutachten vom 9. Februar 2010 (zu Nr. 7) ist es - auf der Grundlage der vom Gutachter zuvor getroffenen diagnostischen Feststellungen - eher unwahrscheinlich, dass eine Durchsetzung der Abschiebung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung zur Folge hat. Die diagnostischen Feststellungen, die Dr. H. in seinem Gutachten vom 9. Februar 2010 trifft, sind im Wesentlichen auch dem Gutachten vom 8. April 2013 zu entnehmen (vgl. Nr. B.I.1).

Im Ergebnis summieren sich die Kosten der kardiologischen Medikamente, die der Kläger benötigt, um einer wesentlichen Verschlechterung seiner Gesundheit alsbald nach der Abschiebung vorzubeugen, auf 60 € pro Monat. Nachdem der Botschaftsstellungnahme vom 26. November 2010 zufolge nur „die meisten“ der vom Kläger benötigten Medikamente nicht vom staatlichen Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt werden (also immerhin ein Teil zur Verfügung gestellt wird), liegen die benötigten Beträge tatsächlich etwas tiefer.

Über die Medikation hinaus erfordert die kardiologische Problematik des Klägers ärztliche Behandlungen und Kontrolluntersuchungen mit unterschiedlicher Frequenz. In seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2010 (19 B 09.824) ist der Senat aufgrund der von ihm bei der deutschen Botschaft in Moskau eingeholten Informationen davon ausgegangen, dass sich die Kosten für die ärztliche Behandlung (ohne Medikamentenkosten), die der Kläger in Russland benötigen wird, auf etwa 300 € pro Monat belaufen werden. Den für die hiesige Entscheidung bindenden Gründen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 zufolge (zu den Revisionsrügen betreffend den Betrag von 300 € vgl. u. a. den Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 28.3.2011) hat der Verwaltungsgerichtshof hierbei nicht hinreichend beachtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht schon dann erfüllt sind, wenn dem Kläger nicht mehr der in Deutschland übliche medizinische Standard dauerhaft zur Verfügung steht, sondern nur dann, wenn ihm die Behandlung nicht mehr zur Verfügung steht, durch die eine alsbaldige und wesentliche (gegebenenfalls sogar lebensbedrohliche) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verhindert wird.

Die Würdigung der Botschaftsinformationen unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt, dass die erforderliche Behandlung des Klägers nicht zu Arztkosten in Höhe von 300 € pro Monat führt, sondern grundsätzlich im Rahmen des kostenlosen staatlichen Gesundheitssystems erfolgen kann und deshalb lediglich Zuzahlungen in Höhe von wenigen Euro erfordert.

Die Frage des Senats, ob in Russland ein Anspruch auf kostenlose Gesundheitsbehandlung und Versorgung mit Medikamenten besteht (Nr. 2 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010 im Verfahren 19 B 09.824), hat die Botschaft mit Schreiben vom 27. Juli 2010 (zu Nr. 2) für den Ort der Registrierung des Staatsbürgers grundsätzlich bejaht. Sie hat diese Bestätigung jedoch in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: die kostenlose Versorgung entspreche nicht dem Standard in der Bundesrepublik und hinsichtlich der Medikamente beschränke sie sich auf diejenigen, die im Medikamentenverzeichnis des Gesundheitsministeriums aufgeführt seien. Auf die weitere Frage des Senats, ob der Kläger die in den fachpsychiatrischen, kardiologischen, orthopädischen und arbeitsmedizinischen Gutachten für erforderlich erachteten Behandlungsmaßnahmen in staatlichen russischen Kliniken oder in russischen Privatkliniken erhalten könne (Nr. 3 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010), hat die Botschaft geantwortet, sie seien „in der Russischen Föderation“ erhältlich. Die monatlichen Kosten hierfür hat die Vertrauensärztin der Botschaft auf etwa 300 €/Monat geschätzt (zu Nr. 4; aus Nr. 1 lit. a und lit. b der Botschaftsauskunft vom 26.11.2010 ergibt sich, dass die Medikamentenkosten in diesem Betrag nicht inbegriffen sind). Die weitere Frage, ob diese Kosten im Falle von Arbeitslosigkeit von öffentlichen Institutionen (Sozialhilfe) übernommen würden (Nr. 5 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010), hat die Botschaft weder bejaht noch verneint; sie hat erneut auf den Anspruch auf kostenlose medizinische Behandlung (bei Medikamenten vorbehaltlich der Auflistung im offiziellen Medikamentenverzeichnis) verwiesen. Auf die Nachfrage des Senats vom 24. August 2010 hat die Botschaft dann unter dem 26. November 2010 (zur Nr. 1 lit. a) mitgeteilt, der Kläger müsse die Behandlungskosten von 300 €/Monat selbst tragen.

Aus diesem Schriftwechsel sowie aus der Tatsache, dass trotz mehrfacher Nachfrage des Senats keine Aufschlüsselung des Betrags seitens der Botschaft zu erreichen war, ergibt sich, dass (wie bereits im vorherigen Rechtszug von der Beklagten - vgl. Schriftsatz vom 20.12.2010 - und von der Landesanwaltschaft - vgl. u. a. Schriftsatz vom 28.3.2011 - angenommen und vom BVerwG zur Begründung seiner Zurückverweisungsentscheidung vom 22.3.2012 herangezogen) die Botschaft die gutachterlich ermittelte Behandlung des Klägers dem deutschen Standard zugeordnet hat, der vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem in Russland nicht erreicht wird, und daher für diese ärztlichen Behandlungen überschlägig den langfristig zu erwartenden Durchschnittsbetrag pro Monat für eine Vielzahl von Marktpreisen angesetzt hat. Dies ist nachvollziehbar. Das durch Einholung von Gutachten ermittelte Behandlungskonzept ist von erfahrenen Spezialisten, leitenden Klinikärzten und Hochschullehrern im Rahmen intensiver Begutachtungen mit zahlreichen Tests und Diagnoseverfahren entworfen worden. Sowohl dieser Aufwand für die Befundung als auch die auf dieser Grundlage ermittelte Gesundheitsversorgung entspricht im Wesentlichen der höchsten deutschen Qualitätsstufe, liegt also noch über dem Standard der durchschnittlichen deutschen Krankenversorgung, der der Botschaftsauskunft zufolge vom staatlichen russischen Gesundheitssystem nicht erreicht wird. Beispielsweise wird in der Stellungnahme des Dr. H. vom 9. Februar 2010 (S. 3: für den Falle einer negativen Entwicklung, für die noch keine Anhaltspunkte vorliegen) das Übernähen des Lecks in der implantierten Aortenklappenprothese angesprochen. Welche ärztliche Maßnahme innerhalb dieses weiten Zeit- und Qualitätshorizonts wann und wie oft angewendet wird, ist von nicht konkret absehbaren Einzelfallumständen sowie der jeweiligen ärztlichen Beurteilung abhängig. Eine exakte Kostenberechnung war nicht möglich, lediglich eine überschlägige Prognose. Die scheinbar ausweichende Antwort der Botschaft zu Nr. 5 des Beweisbeschlusses vom 11. Mai 2010 hat somit ihren Grund zum einen darin, dass jeder russische Staatsbürger (also auch ein arbeitsloser) am Ort seiner Registrierung Anspruch auf die kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge hat, die dem Grunde nach auch Herz- und Seelenkrankheiten erfasst, und zum anderen aber auch darin, dass eine Bejahung der Frage in Nr. 5 des Beweisbeschlusses (Kostenübernahme durch öffentliche Institutionen?) gleichwohl nicht möglich war, weil die in der Nr. 5 und auch die in den Nrn. 3 und 4 des Beweisbeschlusses angesprochenen, nicht konkret feststehenden Behandlungen einem Standard entsprechen, der nur am Markt und nicht im staatlichen Gesundheitssystem erhältlich ist.

Nach der Stellungnahme des Dr. H. vom 8. April 2013 müssen beim Kläger Gerinnungskontrollen im Abstand von 2 bis 3 Wochen durchgeführt werden; der Blutdruck muss regelmäßig kontrolliert werden. Nachdem es sich bei diesen Messungen einerseits um Standardmaßnahmen bei einer Vielzahl von Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen und andererseits um technisch sehr einfache Maßnahmen handelt, die der Kläger - wie die meisten Patienten - selbst durchführen kann (vgl. den Arztbericht von Frau Dr. W. betreffend unter anderem die Selbstkontrolle des Gerinnungswertes durch den Kläger, Schwb-Akte Bl. 6 Rückseite), beispielsweise mit dem Selbstmessgerät „CoaguCheck“, das in der von der Beklagten vorgelegten (Anlage zum Schriftsatz vom 17.1.2008 im Verfahren 19 B 07.2762) und später wiederholt in Bezug genommenen Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 - „Mit dem CoaguCheck zum Baikalsee“ - Erwähnung findet, hat der Senat keine Zweifel daran, dass sie und die damit zusammenhängende ärztliche Beratung zu den Leistungen des kostenlosen russischen Gesundheitssystems gehören. Soweit hier eine Zuzahlung verlangt werden sollte, geht der Senat davon aus, dass sie für alle diese Maßnahmen nicht über 10 Euro/Monat liegt, nachdem sogar der (außerhalb des kostenfreien Gesundheitssystems zu zahlende) Marktpreis sehr niedrig liegt (laut der vorerwähnten Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 ist dem Verfasser als Tourist für eine Gerinnungskontrolle ein Betrag von 2 Euro abverlangt worden; der technische Fortschritt, die zunehmende Verbreitung moderner Messgeräte sowie die massenhafte Nachfrage sprechen dafür, dass heute die Kosten jedenfalls nicht höher liegen).

Kalium- und Kreatinin-Kontrollen müssen der kardiologischen Stellungnahme vom 8. April 2013 zufolge nur gelegentlich durchgeführt werden. Hieraus ergibt sich, dass der Gutachter ein Kontrollergebnis, das zu wesentlichen Behandlungskonsequenzen führt, nicht für alsbald wahrscheinlich hält, ein Wegfall dieser Kontrollen also nicht alsbald zu einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung führt. Im Übrigen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Bestimmung solcher Laborwerte zur Kontrolle der Herz- und Nierenfunktion nicht vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem geleistet wird, so dass die vorstehenden Erwägungen auch insoweit gelten. Der Hinweis der Beklagten, es handle sich um Routinekontrollen, hat Bedeutung vor dem Hintergrund, dass den Angaben der deutschen Botschaft Moskau zufolge das kostenlose russische Gesundheitssystem grundsätzlich ausreichend ist. Der Einschränkung, dass es nicht den deutschen Standard hat, kommt bei routinemäßigen Laboruntersuchungen kein wesentliches Gewicht zu.

Eine jährliche echokardiographische Untersuchung und eine Endokarditisprophylaxe (um Kunstklappen-Entzündungen vorzubeugen) vor zahnärztlichen Eingriffen hält der Gutachter für prinzipiell wünschenswert. Eine Unterlassung dieser Vorbeugungsmaßnahmen führt demgemäß nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung. Darüber hinaus deutet nichts darauf hin, dass sie alsbald nach der Abschiebung erforderlich sein werden.

Insgesamt geht der Senat davon aus, dass die Behandlung der kardiologischen Problematik, die zur Verhinderung einer alsbaldigen Existenzbedrohung erforderlich ist, dem Kläger allenfalls 70 €/Monat abverlangen wird. Hinsichtlich des Systems der Zuzahlungen ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Zuzahlungsverlangens vom Wohlstand/Verdienst des Patienten abhängt (Lagebericht vom 4.4.2010 Seite 29). Bereits deshalb ist nicht zu befürchten, dass durch die Zuzahlungen der notwendige Unterhalt des Klägers gefährdet sein wird.

Die psychiatrische Problematik des Klägers ist in Russland aktenkundig. Der Kläger verfügt über Informationen, die den im russischen Gesundheitssystem Tätigen die sachgerechte Anknüpfung an die damalige Behandlung ermöglichen. Die Anfang der 90er Jahre behandelnde Klinik ist einschließlich Name und Adresse des behandelnden Arztes bekannt. Der Kläger ist laut den im Gutachten Dr. W. vom 18. Oktober 2010 zitierten Angaben mit seiner psychiatrischen Erkrankungen in Russland registriert und musste deshalb keinen Wehrdienst leisten (den im Gutachten Dr. N. vom 13.10.1998 zitierten Angaben zufolge hatte er von 1991 bis 1995 die Diagnose einer Schizophrenie bzw. reaktiven Psychose - Psychopathie; dem Strafurteil zufolge liegen zwei medizinische Unterlagen aus Russland hierzu vor). Der Kläger kann sämtliche psychiatrischen Erkenntnisse aus Deutschland den russischen Ärzten vorlegen (vgl. die Ausführungen der Deutschen Botschaft Moskau betreffend die Verwendbarkeit deutscher Arztunterlagen im kostenlosen russischen Gesundheitssystem).

Der Senat vermag sich nicht der Auffassung der Beklagten anzuschließen, die Medikation, die der Kläger zur Behandlung seiner schizophrenen Erkrankung erhält, sei in seinen Bedarf nicht einzubeziehen, weil ihr Wegfall eine alsbaldige Existenzbedrohung nicht zur Folge haben werde. Die von der Beklagten (in Nr. 2 lit. b ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014) zitierten gutachterlichen Ausführungen betreffend eine längere Stabilität des Klägers auch ohne neuroleptische Medikation beziehen sich ersichtlich auf Lebensabschnitte ohne einschneidende Veränderungen. Die in Russland bestehende Notwendigkeit, den Lebensunterhalt eigenständig zu sichern, könnte aber eine einschneidende Veränderung darstellen, selbst wenn der Kläger auf zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen kann (vgl. u. a. IV.). Die Möglichkeit ist in Betracht zu ziehen, dass der Kläger nach der Abschiebung - fehlte diese Medikation - wegen der ungewohnten, mit den Schwierigkeiten einer Existenzgründung belasteten Situation eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Zwar ist eine solche Episode noch keine wesentliche Verschlechterung der Gesundheit oder Gefährdung der Existenz des Klägers und wird auch mit Wahrscheinlichkeit hierzu nicht führen (vgl. III.). Dennoch hält es der Senat in Anbetracht der Gesamtsituation des Klägers nicht für zumutbar, sehenden Auges das mit einer produktivpsychotischen Episode verbundene Restrisiko einzugehen (das - ausweislich der gerichtlich bestätigten Ausweisung des Klägers - auch für die Allgemeinheit nicht hinnehmbar ist), und bezieht daher diese Behandlungsnotwendigkeit in den Bedarf des Klägers ein.

Psychiatrische Krankheiten können - wie beim Kläger bereits Anfang der 90er Jahre geschehen - in Sankt Petersburg behandelt werden. Zweifel daran, dass der Standard der kostenlosen staatlichen Gesundheitsfürsorge vorliegend nicht ausreichend sein könnte, sind nicht veranlasst. Eine vollumfängliche Befunderhebung und Diagnose liegt bereits vor, so dass in der Zeit alsbald nach der Abschiebung lediglich die ärztliche Verschreibung des Neuroleptikums und die Kontrolle seiner (bereits über vier Jahre hinweg belegten) Wirkung anfällt.

Das dem Kläger verordnete Medikament Zyprexa mit dem Wirkstoff Olanzapin ist der Botschaftsauskunft vom 8. November 2013 zufolge ein rezeptpflichtiges modernes und deshalb erheblich teueres Psychopharmakon, das in Russland für 50 €/Monat erhältlich ist. Allerdings ist nach den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen der Patentschutz für Zyprexa vor wenigen Jahren ausgelaufen, so dass Generika mit demselben Wirkstoff auch in Russland verfügbar sind. Den diesbezüglichen Botschaftsmitteilungen von 22. und 23. Juli 2014 ist zu entnehmen, dass mehrere dieser in Russland erhältlichen Generika zum halben Zyprexa-Preis oder für weniger erworben werden können (das günstigste Generikum für etwa ein Fünftel des Zyprexa-Preises). Nachdem bei einem Medikamentenwechsel Unverträglichkeiten nicht ausgeschlossen werden können und daher eine gewisse Auswahl möglich sein sollte, veranschlagt der Senat die Kosten für die Behandlung mit dem Wirkstoff Olanzapin auf 25 €/Monat.

Demzufolge wird die medizinische Behandlung einschließlich Medikamentierung, durch die verhindert wird, dass sich die Gesundheit des Klägers alsbald wesentlich verschlechtert, Kosten von allenfalls 95 €/Monat verursachen.

c) Der aktuell erforderliche Betrag von 95 € zur Erhaltung der Gesundheit alsbald nach der Rückkehr nach Russland (vgl. lit. b) liegt zwar um 10 € über dem Betrag, der nach der unter lit. a für das Jahr 2010 erstellten Berechnung hierfür zur Verfügung steht. Aus mehreren Gründen wird es aber beim Kläger nicht zu einem Fehlbetrag kommen und damit auch nicht zur Inanspruchnahme einer der ihm zur Verfügung stehenden Unterstützungsmöglichkeiten (vgl. hierzu IV.). Die Berechnung unter lit. a geht vom Durchschnittslohn der in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 genannten Beschäftigten aus; eine Person mit den kaufmännischen sowie fachlichen Eignungen und der Fortbildungsfähigkeit des Klägers verdient aber deutlich mehr. Nach der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 sind die meisten der vom Kläger benötigten Medikamente in die Medikamentenliste des Gesundheitsministeriums nicht aufgenommen und somit im kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem nicht vorgesehen; der (von der Botschaft nicht näher bestimmte) Teil der in diese Liste aufgenommenen Medikamente, der in der Berechnung des Senats nicht (kostenmindernd) berücksichtigt ist, verbessert die Unterhaltssituation des Klägers entsprechend. Nachdem es auf die wirtschaftliche Situation des Klägers nach seiner Rückkehr nach Russland ankommt, müssen nicht nur die absehbaren Gesundheitsaufwendungen, sondern auch die Berechnungsposten, die unter lit. a auf der Grundlage von Auskünften aus dem Jahr 2010 einbezogen worden sind, mit ihrer aktuellen Wertigkeit berücksichtigt werden. Hierbei ergibt sich, dass die wirtschaftliche Situation des Klägers in Russland mit Wahrscheinlichkeit günstiger sein wird als sie es bei einer Rückkehr im Jahr 2010 gewesen wäre. Die Betrachtung der im Jahr 2010 mitgeteilten Berechnungsposten auf aktueller Basis ist anhand der Reallohnentwicklung möglich, denn die Wohnungskosten und die Kosten des sonstigen Mindestbedarfs bilden das Preisniveau, das für den größten Teil der Bevölkerung relevant ist. Seit dem Jahr 2010 ist der Reallohn in Russland um durchschnittlich 9% pro Jahr gestiegen (Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland), hat also der jährliche Anstieg des Durchschnittslohnniveaus um 9% über dem jährlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten gelegen.

II.

Sollte es nach der Abschiebung zu einer produktivpsychotischen Episode aufgrund Nichteinnahme des Neuroleptikums kommen (was nach allem unwahrscheinlich ist), könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung zwar der Episode zeitlich vorangegangen, nicht aber ihre wesentliche Ursache wäre.

Nach den psychiatrischen Erkenntnissen, auf die das Strafurteil vom 18. Dezember 2003 gestützt ist (Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998, Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 sowie dessen mündliche Erläuterung in der Hauptverhandlung), war der Kläger zur Zeit der Tat vom 7. Februar 2001 voll einsichtsfähig, obwohl er nicht unter neuroleptischer Behandlung gestanden hat. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Straftat überlegte Verhaltensweisen an den Tag gelegt (vgl. das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009). Dr. W. sieht seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 zufolge den wesentlichen (Ursachen-)Anteil der Tat nicht in der schizophrenen Erkrankung, sondern in nicht krankheitsbedingten Gefühlen des Klägers. Das Strafgericht hat sich in seinem Urteil vom 18. Dezember 2003 dieser Bewertung angeschlossen, wie die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren zeigt - bei gegebener Möglichkeit, die lebenslange Freiheitsstrafe für Mord in Anwendung der (wegen verbliebener Zweifel an der Steuerungsfähigkeit angewendeten) Vorschrift des § 21 StGB bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren zu mildern (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB). In seinem Gutachten vom 12. November 2009 bekräftigt Dr. W. seine Auffassung vom 18. Oktober 2001. Zufolge der in der Folgezeit eingeholten psychiatrischen Erkenntnisse ist der Kläger jedenfalls immer dann voll steuerungsfähig, wenn er unter Neuroleptikamedikation steht. An seiner Geschäftsfähigkeit bestehen - im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit des Ausländers, dessen Abschiebung Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2010 (1 C 1/02) ist - keine Zweifel. Auch nach dem im Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten des Arztes B. vom 26. August 2013 hat der Kläger keinerlei Verantwortlichkeitseinschränkungen und liegen deshalb die Voraussetzungen für einen Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB nicht vor. Daher ist ein solcher Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB („zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten“) vom Betreuungsgericht auch nicht angeordnet worden. Vor diesem Hintergrund sind die Fachärzte - offensichtlich in Kenntnis der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. insbesondere B. v. 11.10.2000 XII ZB 69/00 und vom 1.2.2006 XII ZB 236/05) - durchwegs zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen weder für eine Unterbringung noch für eine Zwangsbehandlung vorliegen (Mitteilung des Amtsarztes Dr. We. vom 7.8.1998 an das Ordnungsamt, zitiert im Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998, Bl. 4; Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009; vom JVA-Arzt eingeholte Stellungnahme des Konsiliarpsychiaters Dr. B. vom 22.8.2012). Die Neufassung des § 1906 BGB durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl. I S. 266 - m.W. v. 26.2.2013) hat hieran nichts geändert. Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 BGB n. F. setzt eine Zwangsbehandlung voraus, dass der Betreute die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkennen kann oder dass er nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Dies ist beim Kläger nach den vorliegenden ärztlichen Feststellungen nicht der Fall. Somit ist auch nach neuem Recht eine Zwangsbehandlung des Klägers frühestens dann möglich, wenn er das Neuroleptikum nicht mehr einnimmt und sich auf dieser Grundlage eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Bei dieser Sachlage wäre ein (in Russland oder auch schon im Bundesgebiet gefasster) Entschluss des Klägers, ein ihm zur Verfügung stehendes Neuroleptikum nicht mehr einzunehmen (mit der Folge der Möglichkeit, dass es zu produktivpsychotischen Episoden kommt und möglicherweise auch zu Weiterungen), eine eigenverantwortliche Selbstschädigung und Wahrnehmung des vom Bundesverfassungsgericht schon im Beschluss vom 7. Oktober 1981 (2 BvR 1194/80, BVerfGE 58,208) anerkannten Rechts auf „Freiheit zur Krankheit“ (ebenso Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009). Deswegen sich ergebende produktivpsychotische Episoden (und etwaige mit ihnen zusammenhängende Weiterungen) wären keine Gefahr, die wesentlich durch die Abschiebung verursacht ist, also keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

III.

Sollte der Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - das Neuroleptikum nach der Abschiebung eigenverantwortlich absetzen und es in der Folge zu einer produktivpsychotischen Episode kommen, wären die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht erfüllt, weil (worauf die Beklagte in Nr. 2 lit. a ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014 hinweist) die Wahnvorstellungen, die solche Episoden des Klägers kennzeichnen, noch keine Gesundheitsverschlechterung des in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebenen Schweregrades darstellen und weil Weiterungen, die diesen Schweregrad erreichen, nicht beachtlich wahrscheinlich sind. Die (wenn auch kleinen, vgl. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001) psychiatrisch relevanten Ursachenanteile an der Gewalttat vom 7. Februar 2001 bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kläger (vgl. dessen Schriftsatz vom 13.5.2011 im Verfahren 1 C 3/11) als eine solche Weiterung, weil diese Gewalttat zu einem langjährigen Freiheitsverlust geführt hat und weil derartige Taten wegen des Notwehrrechts des Geschädigten mit einem hohen Risiko auch für den Täter verbunden sind. Die Mehrzahl der objektiv festgestellten produktivpsychotischen Episoden (mehrere Anfang der 90er Jahre in Russland und eine im Jahr 1998 im Bundesgebiet, überwiegend mit Misshandlung der Eltern) hat aber weder anhaltende noch schwerwiegende Folgen für den Kläger gehabt; er ist hier jeweils lediglich der medizinischen Behandlung zugeführt worden, soweit dies erforderlich war. Die vom Kläger angegebenen Wahnvorstellungen während einzelner Phasen der Strafhaft sind allesamt von selbst wieder abgeklungen.

IV.

Sollte dem Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - aus Krankheitsgründen oder aus einem anderen Grund die Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich sein, kann er mit Unterstützung von verschiedenen Seiten rechnen, so dass die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geregelte Situation nicht eintreten wird.

Nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 kann im Falle von Arbeitslosigkeit - neben staatlicher Unterstützung bei der Arbeitssuche und bei Umschulungen - Arbeitslosengeld bis zu einem Jahr in gesetzlich festgelegter Höhe in Anspruch genommen werden. Dem hiergegen gerichteten Beweisantrag Nr. 2 lit. c auf Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in der Russischen Föderation keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Umschulungen hat und auch die Kosten der Sozialversicherung nicht vom Arbeitsamt übernommen werden, war nicht nachzukommen. Der Auskunft der deutschen Botschaft vom 8. November 2013 ist das Gegenteil der Beweisbehauptung zu entnehmen. Nachdem Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder ein sonstiges Ungenügen dieser Auskunft nicht vorliegen, bedarf es keiner weiteren Beweiserhebung (§ 98 ZPO, § 412 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BVerwG, B. v. 27.3.2013 - 10 B 34.12; der im Klägerschriftsatz vom 16.5.2014 geforderten Einzelfallprüfung durch die russische Sozialbehörde bedarf es nicht, nachdem die im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu stellende Prognose - also die Wahrscheinlichkeit einer Situation oder Entwicklung - im Streit steht). Auch dem Beweisantrag Nr. 2 lit. d auf Einholung eines länderkundigen Gutachten zum Beweis der Tatsache, dass die Arbeitslosengeldzahlungen in der russischen Föderation nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern, war nicht nachzukommen. Der Senat geht davon aus, dass die Beweisbehauptung zutrifft, dass also das Arbeitslosengeld nicht reichen würde, um den Lebensunterhalt des Klägers zu sichern. Angesichts der sonstigen Unterstützungsmöglichkeiten, auf die der Kläger zurückgreifen kann (insbesondere - wie nachfolgend dargestellt - Familie und Verwandtschaft sowie der Geldbetrag der Beklagten), würde dieser Umstand aber nicht zur Ursache einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung des Klägers werden. Aus diesem Grund kommt es auch nicht auf die im Klägerschriftsatz vom 16. Mai 2014 thematisierte Frage an, ob das russische Arbeitsamt die Kranken-, Renten- und Sozialversicherung nur während einer Umschulung oder auch während der übrigen Dauer der Arbeitslosigkeit übernimmt.

In dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Kläger keine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in Russland ausüben kann, kann er mit Erwerbsunfähigkeitsleistungen rechnen. Nach der in das Verfahren eingeführte Veröffentlichung von Vogts/Shteynberg (Russische Rentengesetze und Ansprüche in Deutschland, Die Rentenversicherung, 2010, Heft 3; http://www. vogtsundpartner.de/voe/So-6-Die%20RV-Heft%203-2010-Auszug-Vogts-Shteynberg-Rentengesetze.pdf) können arbeitsunfähige Personen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, - sogar wenn sie (noch) im Ausland leben - lebenslang oder bis zum Beginn der Arbeitsaltersrente Anspruch auf eine Arbeitsbehindertenrente haben, die Ähnlichkeiten zur deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufweist. Eine solche Rente können auch Personen erhalten, die nur kurz oder niemals einer Beschäftigung nachgegangen sind. Die Rentenhöhe ist vom vorangegangenen Beschäftigungszeitraum und dem Behinderungsgrad (drei Stufen) abhängig. Die in der Veröffentlichung von Vogts/Shteynberg beschriebenen Grundsätze gelten für den im Jahr 1966 geborenen Kläger, denn entgegen seiner Auffassung betrifft die Veröffentlichung gerade ältere, spätestens im Jahr 1966 geborene Personen, auf die das neue versicherungsbasierte Rentenmodell noch nicht anwendbar ist. Die mit Klägerschriftsatz vom 16. Mai 2014 eingewendete Voraussetzung einer Beschäftigung von mindestens fünf Jahren gilt - entsprechend S. 1 der Veröffentlichung - nur für die Arbeitsaltersrente. Nachdem der Kläger seinem Arbeitsbuch zufolge acht Jahre lang in Russland erwerbstätig gewesen ist, wird eine solche Rente mit Wahrscheinlichkeit - bei Zugrundelegung der geltenden Maximalbeträge (vgl. Vogts/Shteynberg a. a. O.) - weniger als 100 € betragen. Zu berücksichtigen sind bei der Gesamtbewertung aber auch staatliche Leistungen, die zusätzlich zur Rentenleistung erbracht werden, wie etwa das Recht zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. Nußberger a. a. O. S. 41).

Schließlich kann der Kläger mit verschiedenartiger Unterstützung aus dem „Programm Landsleute“ rechnen (vgl. B.I.3 lit. a, aa).

Bei nachgewiesener finanzieller Mittellosigkeit können sich (der Stellungnahme der deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 zufolge) in Not geratene und deshalb von Wohnungslosigkeit betroffene russische Staatsangehörige und Einwohner von St. Petersburg bezüglich einer sozialen Unterkunft an das Komitee für Sozialpolitik der Stadt wenden. Nachdem diese öffentliche Sozialleistung der Vermeidung von Obdachlosigkeit dient, ist auszuschließen, dass nach dem Eintritt eines solchen Notfalls längere Zeit bis zu ihrer Gewährung verstreicht. Der Kläger hat zwar mit Beweisantrag Nr. 2 lit. a begehrt, ein länderkundliches Gutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass dem Kläger in Russland oder St. Petersburg keine für ihn unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes (vgl. Attest der Beklagten vom 6.2.2013) geeignete einfache Wohnung durch die Kommune kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Diesem nur für den unwahrscheinlichen Fall einer Unterstützungsbedürftigkeit des Klägers relevanten Beweisantrag war nicht nachzukommen, weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte angegeben, die für eine Unrichtigkeit der Auskunft vom 8. November 2013 sprechen. Der Beweisantrag ist auch deshalb unsubstantiiert, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit angewiesen, also unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist, und weil auch das Attest vom 6. Februar 2013 aus den in Abschnitt B.I.3 lit. a, cc dargelegten Gründen keinen solchen Anhaltspunkt darstellt (mit dem „Attest der Beklagten vom 6.2.2013“ meint der Kläger offensichtlich das Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6.2.2013, das von einem „ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit“ spricht).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine mögliche Unterstützung durch Angehörige im In- und Ausland in die gerichtliche Prognose gemäß § 53 Abs. 6 Ausländergesetz 1990 (Jetzt § 60 Abs. 7 AufenthG) mit einzubeziehen (vgl. B. v. 1.10.2001 - 1 B 185/01).

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren Az. 1 C 3/11 ausgeführt, im russischen Kulturbereich bestehe traditionell ein enger familiärer Zusammenhalt. Für die Richtigkeit dieses Vorbringens spricht der Stand der Entwicklung der russischen Gesellschaft und die begrenzte Leistungsfähigkeit des sozialistischen Staates, die sich nach den Umwälzungen ab dem Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts in einer faktischen Begrenztheit des russischen Sozialsystems fortsetzt (vgl. insbesondere B.I.3 lit. b).

Von der Existenz von Verwandten des Klägers in Russland, insbesondere in St. Petersburg, hat der Senat auszugehen. Die Eltern des Klägers haben hier gelebt und gearbeitet, der Kläger ist hier aufgewachsen. Für dortige Verwandte des Klägers sprechen auch seine Angaben gegenüber dem Gutachter Dr. W. (vgl. dessen Gutachten vom 23.8.2013), die Überlassung des Petersburger Geschäfts des Klägers an einen Cousin sowie die Erwähnung „entfernter“ Verwandter im Schriftsatz vom 29. Januar 2014. Die Beklagte hat den Kläger im Hinblick auf eine Unterstützung durch Verwandte in Russland mehrfach auf seine Mitwirkungspflicht betreffend die Feststellung des familiären Umfeldes in Russland hingewiesen. Dieser Hinweis ist zutreffend, weil es um persönliche Umstände aus dem Bereich des Klägers geht (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - DVBl. 2003,463 - Juris Rn. 11). Der Kläger hat sich jedoch dieser Anforderung von Anfang an verweigert (beispielsweise hat er im Verfahren 19 B 07.2762 vorgetragen, er habe bei den Reisen nach Russland im Zeitraum 2000/2001 „keine ihm bekannten Personen besucht“, und die Existenz von Verwandten bestritten). Er beschränkt sich darauf, die von der Beklagten genannten Anhaltspunkte für Verwandte in Russland in Zweifel zu ziehen und die Beklagte insoweit auf den Berufsbetreuer zu verweisen (Klägerschriftsatz vom 29.1.2014). Jedoch verfügt nicht der Betreuer, sondern der Kläger über das einschlägige Wissen, und es ist auch nicht ersichtlich, dass er (anwaltlich vertreten) zu einem entsprechenden Vortrag nicht in der Lage wäre. Eine Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse in Russland hat die Klägerseite selbst dann nicht angeboten, als sie durch die Gründe des Beschlusses, durch den eine Einvernahme der Mutter des Klägers abgelehnt worden ist, noch einmal auf die Mitwirkungsverpflichtung hingewiesen worden ist. Die auf das bewusste Verhalten des Klägers zurückzuführende Unklarheit hinsichtlich seiner Verwandten in Russland wirkt sich zu seinen Lasten aus; er hat die nachteiligen Folgen seiner mangelnden Mitwirkung zu tragen (vgl. BVerwG, U. v. 26.1.2006 - 2 C 43/04 - BVerwGE 125,79, Juris Rn. 22).

Der Kläger behauptet, er unterhalte seit seiner Einreise in das Bundesgebiet keinerlei Kontakte zu seinen russischen Verwandten. Jedoch kann der Senat vom Fehlen solcher Kontakte nicht ausgehen, denn der Kläger verhindert durch seine Weigerung, seine Verwandtschaftsverhältnisse in Russland darzulegen, dass der Frage der Existenz solcher Kontakte nachgegangen werden kann. Unter anderem der in russischen Familien übliche enge verwandtschaftliche Zusammenhalt, die Überlassung des Petersburger Geschäfts an einen Cousin, die Reisen des Klägers zum Jahreswechsel 2000/2001 nach Russland sowie die Tatsache, dass der Kläger im Bundesgebiet kein neues Beziehungsgeflecht zu knüpfen vermocht hat, stellen Anhaltspunkte für solche Kontakte dar. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Kläger tatsächlich seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet keine Kontakte zu seinen russischen Verwandten gehabt haben sollte, spräche nichts dafür, dass eine Kontaktaufnahme für ihn eine besondere Belastung darstellen könnte. Der Kläger hat erst im Alter von mehr als 30 Jahren Russland verlassen. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass er nicht auf früher geknüpfte Kontakte zurückgreifen könnte. Zudem sind von seiner Mutter, die die Situation des Klägers und die verwandtschaftlichen Beziehungen mit Wahrscheinlichkeit besonders gut kennt, Hilfeleistungen bei der Kontaktaufnahme und Appelle an den familiären Zusammenhalt gegenüber der Verwandtschaft zu erwarten. Schließlich würde selbst eine besondere Belastung des Klägers infolge der Kontaktaufnahme angesichts der neuroleptischen Medikation keine produktivpsychotische Episode auslösen.

Von Seiten ortsnaher Verwandter kommt Unterstützung insbesondere durch Sozialkontakte und durch Sachleistungen in Betracht, etwa das Angebot einer Unterkunft. Nachdem der Kläger in der Lage ist, seine Straftat überzeugend als Notwehrhandlung darzustellen (vgl. die Anamnese im Attest vom 6.2.2013), wird sie selbst dann einer verwandtschaftlichen Hilfeleistung nicht entgegenstehen, wenn sie den Verwandten bekannt werden sollte.

Mit dem Beweisantrag Nr. 4 hat der Kläger die Einvernahme seiner Mutter zum Beweis der Tatsachen begehrt, dass er keinerlei Kontakt zu Verwandten in Russland hat, die Zeugin selbst keinen Kontakt hat und keinen Kontakt herstellen kann. Auch diesem Beweisantrag konnte mangels der erforderlichen Substantiierung nicht nachgegangen werden. In ihm wird ebenfalls das Fehlen von Kontakten (des Klägers und seiner Mutter) zur russischen Verwandtschaft unterstellt, wovon der Senat aus den bereits genannten Gründen nicht ausgehen kann. Zudem werden für die Behauptung, die Mutter des Klägers könne solche Kontakte auch nicht herstellen, keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen. Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht, dass die Mutter des Klägers fast ihr ganzes Leben in Russland verbracht hat (wo dem familiären Zusammenhalt besondere Bedeutung zukommt) und die verwandtschaftlichen Beziehungen mit Wahrscheinlichkeit besonders gut kennt.

In Deutschland leben auch noch die beiden Schwestern des Klägers. Auch wenn in den letzten Jahren zwischen dem Kläger und seinen Schwestern kein Kontakt bestanden haben sollte, hat er zumindest mäßige Unterstützungsbeiträge von diesen zu erwarten.

Mit dem Beweisantrag Nr. 4 hat der Kläger die Einvernahme seiner Mutter zum Beweis auch dafür begehrt, dass seine in Deutschland lebenden Schwestern wirtschaftlich nicht in der Lage sind, den Kläger zu unterstützen und ebenfalls keinen Kontakt zu dem Kläger haben und ihn deshalb auch nicht unterstützen würden. Auch diesem Beweisantrag kann nicht stattgegeben werden. Hinsichtlich der Behauptung, die Schwestern des Klägers seien wirtschaftlich nicht in der Lage, den Kläger zu unterstützen, ist der Beweisantrag unsubstantiiert, weil beide Schwestern (berufstätig als Ärztin bzw. als Krankenschwester) Erwerbseinkommen haben und der Vortrag, sie hätten Unterhaltsverpflichtungen, nicht genügt, um die Behauptung einer Unfähigkeit zur Unterstützung (die angesichts der Tatsache, dass der Lebensunterhalt in Russland zu einem Bruchteil des hiesigen zu bestreiten ist, nicht hoch sein muss) zu substantiieren. Für die Frage, ob die Schwestern des Klägers (Verwandte des zweiten Grades) diesen unterstützen würden, sind bestehende Kontakte zwischen dem Kläger und seinen Schwestern nicht entscheidend; gerade ein Notfall kann zur Wiederaufnahme von Kontakten führen. Eine Aussage der Mutter des Klägers mit dem Inhalt, dieser werde von seinen Schwestern nicht unterstützt werden, ergäbe keinen Beweis, so dass der Beweisantrag darüber hinaus ungeeignet ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es auf die Wahrscheinlichkeit der Unterstützung an; die Frage, ob eine Rechtspflicht zur Unterstützung besteht, ist unerheblich. Diese Wahrscheinlichkeit kann nur durch tatsächliche Anhaltspunkte festgestellt werden, nicht aber durch eine Zeugenaussage, die durch die verwandtschaftliche Interessenlage bestimmt ist. Daher war auch der Anregung der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung, die Schwestern des Klägers zu vernehmen, nicht nachzukommen. Für eine Unterstützung durch die Schwestern sprechen die verwandtschaftlichen Nähe, die gemeinsame Kindheit, die gemeinsame Jugend, die gemeinsame Übersiedlung ins Bundesgebiet sowie die Bedeutung des Zusammenhalts in russischen Familien. Weiterhin fühlt sich die Mutter des Klägers offensichtlich verpflichtet, ihren Sohn zu unterstützen, und es ist nicht zu erwarten, dass die Töchter ihre Mutter, die Grundsicherung erhält, bei diesem nachvollziehbaren Vorhaben allein lassen werden.

Schließlich hat die Beklagte (entsprechend einer Anregung der Landesanwaltschaft im Revisionsverfahren 1 C 3.11 und einer eigenen Überlegung im Schriftsatz vom 27.3.2014) zugesichert, dem Kläger bei der Aufenthaltsbeendigung einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € auszuhändigen, so dass er bei der Gründung einer Existenz gesichert und auch in der Lage ist, die benötigten Medikamente für die erste Zeit zu erwerben.

C. Die Kostenentscheidung betrifft nur noch die Kosten des Verfahrens betreffend die Regelung des Vollzugs der Ausweisung. Die Ausweisung ist nicht mehr Verfahrensgegenstand und die Kosten des sie betreffenden Verfahrens sind dem Kläger bereits auferlegt worden (vgl. insoweit zuletzt den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.3.2009 im Verfahren 1 B 20.08). Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, nachdem der Kläger letztlich auch hinsichtlich der Regelung des Vollzugs der Ausweisung und der hiermit zusammenhängenden Fragen unterlegen ist.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juni 2006 - A 2 K 259/06 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der in Anspruch genommene Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) bei der Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Die Klägerin hat einen Gehörsverstoß bereits nicht ausreichend und schlüssig dargelegt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Hierzu ist in dem Antrag auf Zulassung der Berufung mitzuteilen, welchen Inhalt die behaupteten und als übergangen gerügten Beweisthemen der Hilfsbeweisanträge hatten. Denn es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorbringen der Klägerin anhand der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts zu ergänzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005 - 1 B 10.05 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 36 zur Darlegungslast nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Hilfsanträge sind so wiederzugeben, dass der Verwaltungsgerichtshof anhand der Zulassungsbegründungsschrift nachprüfen kann, ob die Behauptung in ihrem Ausgangspunkt zutrifft. Es ist gerade Sinn des Darlegungserfordernisses, die Überprüfung im Zulassungsverfahren durch einen vollständigen Sachvortrag soweit als möglich zu entlasten. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre im Übrigen auch unbegründet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträge liegt nicht vor. Es wäre nur dann der Fall gewesen, wenn das Verwaltungsgericht die Beweisanträge aus Gründen abgelehnt hätte, die im geltenden Prozessrecht keine Stütze finden (BVerfGE 69, 141 (144) m.w.N.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insbesondere durfte das Verwaltungsgericht die Hilfsbeweisanträge, soweit diese auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens zum Verfolgungsvortrag gerichtet sind, als unzulässig zurückweisen, weil es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen. Die Feststellung der Wahrheit von Angaben des Asylbewerbers oder der Glaubhaftigkeit einzelner Tatsachenbehauptungen unterliegt als solche nicht dem Sachverständigenbeweis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005, a.a.O.). Bei den Hilfsbeweisanträgen ging es auch nicht darum, wie dies nunmehr im Zulassungsantrag anzuklingen scheint, durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob das Aussageverhalten der Klägerin aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflusst war und das Verwaltungsgericht deshalb zu einer anderen Beweiswürdigung hätte gelangen können. Dem Umstand, dass es Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, die Frage nach der Glaubhaftigkeit und dem Wahrheitsgehalt des von dem Schutzsuchenden zur Stützung seines Begehrens im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten konkreten Sachverhaltes zu beantworten, entspricht es aus medizinischer Sicht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur diagnostiziert werden kann, wenn ein Trauma nachgewiesen ist, wenn also vom Gericht, nicht vom Gutachter, nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden kann, dass das behauptete traumatisierende Ereignis stattgefunden hat. Der objektive Ereignisaspekt ist nicht Gegenstand der gutachtlichen Untersuchung zur posttraumatischen Belastungsstörung. Mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (vgl. Ebert/Kindt, VBlBW 2004, 41 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Zulassungsverfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.