Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 17. Juli 2015 - 8 B 17/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2015:0717.8B17.15.0A
bei uns veröffentlicht am17.07.2015

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 25.04.2014 wird angeordnet.

Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A- Straße in A-Stadt. Südlich davon liegt das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück A. Im Süden daran schließt sich im Anschluss an einen Weg das Grundstück des Beigeladenen an (Flurstück A), auf dem sich die Gebäude eines landwirtschaftlichen Betriebes befinden. Der Antragsgegner hatte dem Beigeladenen mit Baugenehmigung vom 25.04.2014 den Neubau eines Rinderboxenlaufstalls sowie den Ausbau eines Rinderstallgebäudes mit Hallenanbau zum reinen Rinderstall und Erweiterung der Kälberhaltung für die Haltung von insgesamt 593,7 Großvieheinheiten (GV) genehmigt. Die Genehmigung enthält die Auflage (Nr. 7), dass die Immissionsschutzstellungnahme vom 08.07.2013 der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein eine Grundlage für die Zulässigkeit des Vorhabens sei, sie sei Bestandteil der Baugenehmigung und bei der Errichtung und dem Betrieb des Vorhabens zu beachten. In dieser Stellungnahme wird ausgeführt, dass die Häufigkeit der bewerteten Geruchsstunden am Gebäude des Antragstellers vor dem Umbau bei 24,7 liege und nach dem Umbau bei 22,8 liegen werde. Die nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) maßgebliche belästigungsrelevante Kenngröße von 15 % für Dorfgebiete werde zwar überschritten, im Laufe der Jahre habe sich jedoch um den Betrieb des Beigeladenen quasi als Schicksalsgemeinschaft ein räumlich enges Miteinander von landwirtschaftlichen Betrieben und Wohnhäusern ergeben, dieses sei historisch gewachsen, habe bisher gut funktioniert und sei daher als ortsüblich zu bezeichnen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sich durch die geplanten Maßnahmen - bezogen auf die bestehende Immissionssituation - die belästigungsrelevanten Kenngrößen an allen Monitorpunkten deutlich verbesserten, so dass hier keine Verschlechterung der Immissionssituation zu erwarten sei. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 19.09.2014 Immissionsschäden auf seinem Grundstück, die auf dem Betrieb des Beigeladenen beruhten, geltend gemacht hat und um Überprüfung des Betriebs gebeten hatte, bat er mit Schreiben vom 24.10.2014 um Mitteilung der für den Betrieb des Beigeladenen erteilten Genehmigungen. Nachdem er mit Schreiben vom 29.12.2014 um Zusendung der vollständigen Baugenehmigung in Kopie gebeten hatte, legte er mit Schreiben vom 21.01.2015 Widerspruch ein. Diesen wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2015 zurück.

2

Nachdem der Beigeladene am 05.05.2015 den Baubeginn angezeigt hatte, erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 26.05.2015 Klage (8 A 90/15) und begehrte einstweiligen Rechtsschutz.

II.

3

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da der Widerspruch gemäß § 212 a BauGB keine aufschiebende Wirkung hat. Er ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere nicht verwirkt.

4

Verwirkung tritt ein, wenn der Berechtigte „längere Zeit" von seinem Abwehrrecht keinen Gebrauch macht und der Verpflichtete deswegen darauf vertraut, dass solche Abwehrrechte nicht geltend gemacht werden und die erfolgreiche Durchsetzung solcher Rechte mit erheblichen Nachteilen für den Verpflichteten verbunden wäre. Wann die Untätigkeit das Vertrauen der Verpflichteten rechtfertigt, Abwehrrechte würden nicht mehr geltend gemacht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßgeblich ist insofern, wann und aufgrund welcher Umstände die Berechtigten Anlass hatten, sich bei dem Störer zu melden und sich über die Beeinträchtigung ihrer Rechte zu beschweren (Domning/Möller/Bebensee, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., 16. Ergänzungslieferung 2013, § 59 Rnr. 123 m.w.N.). Hier liegen die Voraussetzungen für einen derartigen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben durch den Antragsteller nicht vor. Er hat sich im September 2014 bei dem Antragsgegner über die vom Betrieb des Beigeladenen ausgehenden immissionsbedingten Schäden auf seinem Grundstück beschwert, und nachdem ihm - nach längerer Prüfung durch den Antragsgegner - die hier streitige Baugenehmigung zur Kenntnis gegeben wurde, dagegen zeitnah Widerspruch eingelegt. Weder dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners noch dem Vorbringen der Beteiligten lassen sich Anhaltspunkte dafür nehmen, dass der Beigeladene vorher - also nach Erhalt der Baugenehmigung - darauf vertrauen durfte, der Antragsteller werde dagegen nichts unternehmen, da nicht erkennbar ist, dass er im Baugenehmigungsverfahren beteiligt wurde.

5

Der Antrag ist auch begründet. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 iVm § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO ergeht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung, in der das Aufschubinteresse des Antragstellers gegen das Interesse des Beigeladenen daran, von der Baugenehmigung Gebrauch zu machen, abzuwägen ist. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung zu berücksichtigen. Maßgeblich ist jedoch, dass ein Nachbar einen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage nicht schon dann hat, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist, sondern erst dann, wenn durch die Baugenehmigung Rechtsnormen verletzt werden, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dienen, also dritt- schützende Wirkungen haben. Drittschützende Wirkung vermitteln nur solche Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen. Gegenstand der rechtlichen Überprüfung sind (nur) die in der Genehmigung getroffenen Regelungen, eine evtl. abweichende Bauausführung oder abweichende Tierbestandszahlen sind nicht (unmittelbar) entscheidungsrelevant.

6

Bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil sich die Baugenehmigung als rechtswidrig erweist. Die Immissionen auf dem Grundstück des Antragstellers übersteigen die Grenze der Zumutbarkeit.

7

Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot soll gewährleisten, dass Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, so zugeordnet werden, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt (BVerwG, Urteil vom 29.10.2012 - 4 C 8/11 -, juris, Rnr. 16). Äußerste Grenze dessen, was im Nachbarschaftsverhältnis hingenommen werden muss, ist die Gesundheitsgefährdung. Allerdings ergeben sich auch darunter Zumutbarkeitsschwellen, die sich an einer konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter ausrichten (BVerwG, Beschluss vom 28.07.2010 - 4 B 29/10 -, juris, Rnr. 8). Für die Frage, welche Geruchsimmissionen bei der - hier immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen - Anlage des Beigeladenen (gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 iVm § 3 Abs. 1 BImSchG) hinzunehmen sind, ergeben sich Orientierungswerte aus der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL), die gemäß gemeinsamem Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und des Innenministeriums vom 04.09.2009 (Amtsbl. 2009, S. 1006) bei der Durchführung von Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und der Landesbauordnung zu berücksichtigen sind (BVerwG, Beschluss vom 28.07.2010 aaO juris, Rnr. 3). Die dort aufgeführten Kriterien sind für Behörden und Gerichte nicht bindend, dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Entscheidungshilfe herangezogen werden. Ähnliches gilt für die seit Ende 2012 in Kraft befindliche VDI-Richtlinie 3894 Bl. 1 und 2, die sich mit Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen (Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde) und der Methode zur Abstandsbestimmung hinsichtlich des Geruchs befassen. Danach ist die GIRL für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sinngemäß anzuwenden. Vor einer Immissionsbeurteilung ist grundsätzlich zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Verminderung der Immissionen ausgeschöpft sind (GIRL Abschnitt 2). Als Beurteilungskriterium gilt bei Wohn-/Mischgebieten ein Immissionswert von 0,10, für Dorfgebiete ein Wert von 0,15 (GIRL Abschnitt 3.1). Dabei handelt es sich um eine belästigungsrelevante Kenngröße, bei der berücksichtigt wird, dass der Geruch von Rinderhaltungsanlagen weniger belästigend wirkt als von Schweine- oder Geflügelställen. Gemäß GIRL Abschnitt 5 sind nur diejenigen Geruchsbelästigungen als schädliche Umwelteinwirkungen iSd § 3 Abs. 1 BImSchG zu werten, die erheblich sind. Die Erheblichkeit ist keine absolut festliegende Größe, sie kann in Einzelfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden. Dabei ist die Ortsüblichkeit, also die Prägung eines Gebiets durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung, der Charakter der Umgebung sowie besondere Verhältnisse in der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Geruchseinwirkungen sowie deren Art und deren Intensität zu berücksichtigen. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, die u.a. dazu führen kann, dass die Belästigten in höherem Maße Geruchseinwirkungen hinnehmen müssen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn einer emittierenden Anlage Bestandsschutz zukommt. In diesem Fall können Belästigungen hinzunehmen sein, selbst wenn sie bei gleichartigen Immissionen in anderen Situationen als erheblich anzusehen wären. In den Auslegungshinweisen zur GIRL (Amtsblatt 2009 S. 1022 ff) wird ausgeführt, dass bei der Anwendung auf nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen in jedem Fall eine Einzelprüfung erforderlich sei, da z.B. aufgrund der Ortsüblichkeit ggfls. höhere Geruchsimmissionen toleriert werden könnten. In diesen Fällen könnten die Immissionswerte als Zielwerte in bestehenden Konfliktfällen herangezogen werden. Auch die Festlegung von Zwischenwerten sei denkbar. Für den Fall, dass ein Wohngebiet direkt an den Außenbereich angrenzt, sollte der festgelegte Zwischenwert den Immissionswert für Dorfgebiete nicht überschreiten. In der VDI-Richtlinie 3849 Bl. 2 S. 38 wird ausgeführt, sowohl für den Übergang vom Dorfgebiet zum Außenbereich als auch von der geschlossenen Wohnbebauung zum Außenbereich könnten, wiederum nach Prüfung des Einzelfalls, Zwischenwerte vertretbar sein (Dorfgebiet zum Außenbereich: bis 20 %, Wohnbebauung zum Außenbereich: bis 15 %). In der Rechtsprechung ist auch für den Fall, dass nicht privilegierte Wohnbebauung im Außenbereich von Emissionen landwirtschaftlicher Betriebe, die ebenfalls im Außenbereich liegen, betroffen ist, anerkannt, dass insoweit der in der GIRL für Dorfgebiete vorgesehene Immissionswert von 0,15 nicht übernommen werden könne, sondern ein höherer Immissionswert als 0,15 hinzunehmen sei. Es bleibe offen, ob ein Immissionswert von bis zu 0,20 „im Regelfall" zumutbar sei (OVG Schleswig, Urteil vom 09.12.2010 - 1 LB 6/10 -, juris, Rnr. 23).

8

Nach diesen Grundsätzen überschreitet die in der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer festgestellte Geruchssituation auf dem Grundstück des Antragstellers (die mit 24,7 % der gewichteten Jahresstunden berechnet worden ist) die Zumutbarkeitsschwelle. Der Umstand, dass nach Umsetzung der Baugenehmigung ein Wert von 22,8 % errechnet wurde, führt nicht zu einer anderen - für den Antragsteller günstigen - Beurteilung.

9

Das Grundstück des Antragstellers liegt in einem Dorfgebiet, so dass als „Immissionswert" der Wert gemäß Abschnitt 3.1 der GIRL von 0,15 als Zumutbarkeitsschwelle anzusetzen ist. Wie in der Immissionsschutzstellungnahme ausgeführt wird, befinden sich - nach den überschlägigen Angaben des Antragstellers - im Bereich der Gemeinde A-Stadt noch zwei Rinderhaltungs- und zwei Pferdehaltungsbetriebe. Diese sind, wie sich aus dem Lageplan, der Anlage der Immissionsschutz-Stellungnahme ist, in räumlicher Nähe zum Betrieb des Beigeladenen gelegen, so dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Dorfgebiets (iSv § 5 BauNVO) hier gegeben sind. Schon der gegenüber Wohngebieten (0,10) für Dorfgebiete erhöhte Immissionswert (0,15) berücksichtigt, dass dort auf Landwirtschaft vorrangig Rücksicht zu nehmen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO; OVG Lüneburg, Urteil vom 09.06.2015 - 1 LC 25/14 -, juris, Rnr. 34). Auch wenn zu Grunde gelegt wird, dass der Betrieb des Beigeladenen sich - wovon die Beteiligten übereinstimmend wohl zutreffend ausgehen - auf einem Außenbereichsgrundstück befindet und sich das Grundstück des Antragstellers somit am Dorfrand in der Nähe zum Außenbereich befindet, wäre allenfalls eine Erhöhung des noch zumutbaren Immissionswerts auf 0,20 diskutabel. Auch dieser Wert wird jedoch - selbst wenn der in der Immissionsschutz-Stellungahme errechnete Wert bei Verwirklichung des Bauvorhabens zugrundegelegt wird (0,228), überschritten. Eine noch weitergehende Überschreitung ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen hinzunehmen. In der Rechtsprechung werden in diesem Zusammenhang Fälle ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe genannt, deren Wohngebäude zu landwirtschaftsfremder Wohnnutzung umgenutzt worden sind, und die noch an den Nachwirkungen der (ehemaligen) Rücksichtnahmepflichten im Verhältnis benachbarter landwirtschaftlicher Betriebe zueinander teilnehmen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.03.2013 - 1 ME 205/12 -, Rnr. 41 ff.).

10

Hier ist schon fraglich, ob überhaupt eine Verbesserung der Geruchsimmissionen zu erwarten ist. Aus der Stellungnahme geht schon nicht hervor, wie die Änderung des Rinderbestands von (genehmigten) 410 Stück (369,5 GV) um 281 Tiere auf 691 Stück (593,7 GV) zu einer Verbesserung der Geruchsbelastung führen soll. Veränderungen im Baubestand, in der Futter- oder Entmistungstechnik, die emissionsmindernd wirken können, werden nicht beschrieben. In der Immissionsschutz-Stellungnahme wird lediglich die Veränderung der Tierzahlen beschrieben, bei der Berechnung der vorhandenen Immissionssituation beschreibt die Verfasserin die vorhandenen Quellen sowie die weiteren landwirtschaftlichen Tierhaltungen in der Umgebung. Hinsichtlich der geplanten Immissionssituation beschreibt die Verfasserin ebenfalls die Quellen sowie zusätzlich den Umstand, dass die Silage-Lagerung 3 (Quelle Nr. 10) nach Umsetzung der baulichen Maßnahmen nicht mehr genutzt und die Bullenmast (50 Tiere) eingestellt werde. Die emissionsrelevanten Betriebe der Umgebung werden sowohl bei der Berechnung des Bestands als auch der geplanten Situation berücksichtigt. Hinsichtlich der Silage-Lagerung, der Dungplatte und den beiden Güllebehältern ergeben sich keine Veränderungen, die Anzahl der Geruchseinheiten (GE/s) bleibt gleich. Zwar entfällt die Bullenmast (50 Tiere, was GE/s von 420 entspricht (Stellungnahme Seite 6) und wird das südlich des Wohnhauses gelegene Silagelager 3 (180 GE/s) aufgelöst, diese Minderung der Geruchsbelastung wird jedoch durch die hinzukommenden Tierzahlen weit überwogen (vorhandene Situation: 4254 GE/s, geplante Situation: 5670 GE/s).

11

Selbst wenn der in der Stellungnahme errechnete verbesserte Wert von 0,228 zugrundegelegt wird, liegt dieser über der hier anzunehmenden Zumutbarkeitsgrenze, die bei einem Wert im Randbereich des Dorfgebiets im Übergang zum Außenbereich bei 0,20 liegt. Diese Verbesserung führt hier nicht zur Zumutbarkeit für die Nachbarschaft. Insoweit ist der überzeugenden Rechtsprechung des OVG Lüneburg zu folgen, wonach eine Verbesserung nicht automatisch zur Nachbarverträglichkeit führt, wenn die Zumutbarkeitsgrenzen überschritten sind (Beschluss vom 06.03.2013 - 1 ME 205/12 -, juris, Rnr. 28). Maßgeblich ist in solchen Fällen, ob die Gesamtbetrachtung der Immissionssituation des beeinträchtigten Nachbarn im Einzelfall die Bewertung rechtfertigt, die Situation sei trotz Überschreitung der Immissionsrichtwerte (noch) zumutbar. Wie oben beschrieben, kann ausnahmsweise im Randbereich eines Dorfgebiets im Übergang zum Außenbereich eine Überschreitung des Immissionswerts von 0,15 (bis zu 0,20) zumutbar sein. Eine darüber hinausgehende Zumutbarkeit kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, die u.a auch voraussetzen, dass die nach dem Stand der Technik möglichen Maßnahmen zur Reduzierung der Geruchsbelastung (GIRL Abschnitt 2, VDI Richtlinie 3894 Bl. 1, Abschnitt 4.2, S. 39) durchgeführt wurden. Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch nicht gegeben. In der Immissionsschutz-Stellungnahme und in den Bauvorlagen werden emissionsmindernde Maßnahmen nicht erwähnt. Das Grundstück des Antragstellers ist auch nicht (im Sinne der o.g. Rechtsprechung) durch landwirtschaftsbezogenes Wohnen im Außenbereich geprägt. Der Antragsteller hat insoweit - unwidersprochen - geltend gemacht, er sei Selbstversorger und habe bis vor einigen Jahren schottische Hochlandrinder gehalten. Selbst wenn es sich insoweit schon um Landwirtschaft gehandelt haben sollte, lag sein Grundstück schon immer im Bebauungszusammenhang, der hier ausweislich der vorliegenden Unterlagen einen Ortsteil bildet und somit im Dorfgebiet, also nicht im Außenbereich. Daher sind die Grundsätze, die für ehemalige landwirtschaftsbezogene Wohnnutzung eine Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze für gerechtfertigt halten, hier nicht anwendbar. Im Übrigen ist die Geruchsbelastung nur ein Ausschnitt aus den Emissionen des Betriebs des Beigeladenen auf seine Umgebung. Wie der Antragsteller zutreffend ausführt, sind zusätzlich der betriebsbezogene Lärm sowie die Belastungen durch Ammoniak, Lachgas und Methan zu berücksichtigen. Diese werden auch in der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, S. 36 beschrieben und sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Die genehmigte Nutzung des erweiterten Rinderstalls und des neu gebauten Stalls durch die erhöhte Tierzahlen verfestigt und vertieft - trotz der (hier unterstellten) Verbesserung der Geruchsbelastung - die schon im Bestand nicht zumutbare Immissionssituation zu Lasten des Antragstellers.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert aus § 63 Abs. 2 iVm §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG (im Hauptverfahren 15.000 €, im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes davon die Hälfte).


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 17. Juli 2015 - 8 B 17/15

Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 17. Juli 2015 - 8 B 17/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 17. Juli 2015 - 8 B 17/15 zitiert 11 §§.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 5 Dorfgebiete


(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwer

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Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 07. Dezember 2009 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat

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Gründe 1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützten Beschwerden haben keinen Erfolg.

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützten Beschwerden haben keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerdeführer beimessen.

3

a) Die Frage, ob die Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL - im Baugenehmigungsverfahren unmittelbar bzw. als Erkenntnisquelle angewendet werden kann, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sich auf sie auch ohne Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens antworten lässt. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden (Urteil vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 77.87 - BVerwGE 81, 197 <203 ff.>; Beschluss vom 24. Januar 1992 - BVerwG 4 B 228.91 - Buchholz 406.12 § 4a BauNVO Nr. 2 juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - III ZR 313/99 - BRS 64 Nr. 171 S. 665 f.), und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind. Soweit sich die Fragen auf die Auslegung der GIRL selbst beziehen, betreffen sie kein revisibles Recht, weil die Auslegung der GIRL keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung ist (vgl. Beschluss vom 30. September 1996 - BVerwG 4 B 175.96 - NVwZ-RR 1997, 214 zu DIN-Normen).

4

b) Die Frage, ob bei der Prüfung der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit einer baulichen Anlage, die zu einer bestehenden Anlage hinzutritt, allein die von der zur Genehmigung gestellten Anlage verursachten Immissionen oder die Gesamtbelastung zu berücksichtigen ist, nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Ist Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens eine Anlage, die Bestandteil eines Gesamtvorhabens werden soll, darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Gesamtanlage genehmigungsfähig ist (vgl. Urteil vom 15. November 1991 - BVerwG 4 C 17.88 - BRS 52 Nr. 52 S. 143), wenn also u.a. die von der Gesamtanlage ausgehenden Immissionen nicht die Schwelle der Schädlichkeit überschreiten. Von diesem Prüfungsansatz ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 12). Ob das Resultat seiner Prüfung zutrifft, ist keine Frage, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Der allgemeinen Kontrolle des angegriffenen Berufungsurteils dient das Beschwerdeverfahren nicht.

5

Die Frage des Beklagten, ob es die Möglichkeit der "Nachsteuerung" durch nachträgliche Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung gibt, beurteilt sich nicht nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, sondern nach der Bauordnung des Landes Rheinland-Pfalz. Deren Bestimmungen sind Bestandteil des nach § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO irrevisiblen Landesrechts. Die Zusatzfrage, ob eine erteilte Baugenehmigung für ein Erweiterungsvorhaben aufgehoben werden kann, obwohl eine förmliche Betriebsuntersagung nicht in Betracht kommt, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie für den Fall der Anwendbarkeit der hier nicht einschlägigen Bestimmung des § 25 Abs. 2 BImSchG gestellt worden ist.

6

c) Auch die Frage, ob Gummigerüche, die in ihrer Wahrnehmung vom Gutachter weder als angenehm noch als unangenehm bewertet wurden, eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 5 BImSchG darstellen und den Bestandsschutz eines bestehenden Betriebs in Frage stellen können, rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Die Vorstellung des Beklagten, nur als unangenehm empfundene Gerüche könnten erheblich belästigend wirken, "neutrale" Gerüche dagegen nicht, trifft ersichtlich nicht zu. Mit dem Thema Bestandsschutz hat die Würdigung, ob Geruchsimmissionen eine erhebliche Belästigung darstellen, nichts zu tun.

7

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das angefochtene Urteil weicht nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2002 - BVerwG 4 B 60.02 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 165) und vom 11. Februar 1977 - BVerwG 4 C 9.75 - (Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 2) ab. Es enthält keinen entscheidungstragenden Rechtssatz, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht.

8

a) Das Oberverwaltungsgericht hat sich von dem Rechtssatz leiten lassen, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG müssten im Rahmen des drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme nicht hingenommen werden (UA S. 11). Nach Auffassung des Beklagten steht dieser Rechtssatz im Widerspruch zu einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 29. Oktober 2002 (a.a.O.), der zum Inhalt haben soll, dass die Schwelle des nachbarlichen Abwehranspruchs erst bei der Gesundheitsgefahr anzusetzen ist. Einen solchen Rechtssatz hat der Senat indes nicht formuliert. Er zieht bei der Schwelle der Gesundheitsgefährdung die äußerste Grenze dessen, was im Nachbarschaftsverhältnis als zumutbar hinzunehmen ist. Auch darunter gibt es Zumutbarkeitsschwellen, die sich an der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter ausrichten (Urteil vom 14. Januar 1993 - BVerwG 4 C 19.90 - NVwZ 1993, 1184 <1185>).

9

b) Anknüpfungspunkt für die Divergenzrüge der Beigeladenen ist die Aussage im Berufungsurteil, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Immissionen im Rahmen der baurechtlichen Genehmigung einer neuen Immissionsquelle komme es nicht nur auf deren Immissionsanteil, sondern auf die Gesamtimmissionen einschließlich der von anderen Emissionsquellen verursachten Anteile an (UA S. 12). Die Beigeladene sieht darin einen Widerspruch zu dem Rechtssatz im Urteil des Senats vom 11. Februar 1977 (a.a.O.), wonach bei der Entscheidung über die Erteilung einer Änderungsgenehmigung unmittelbar abzustellen ist auf die Emissionen, die mit der Änderung ursächlich verbunden sind. Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. Immissionen und Emissionen sind nicht dasselbe. Immissionen sind auf verschiedene Rechtsgüter einwirkende Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 2 BImSchG), Emissionen von einer Anlageausgehende Erscheinungen (vgl. § 3 Abs. 3 BImSchG).

10

3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen.

11

a) Der Beklagte beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht kein weiteres Gutachten eingeholt hat, obwohl das Gutachten Dr. W. keine Ausbreitungsberechnung enthalte und wegen "Nichterfassens aller Emissionsquellen und deren Verwechslung" unbrauchbar sei. Einen Verfahrensmangel zeigt er damit nicht auf.

12

Die Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten oder gutachtlicher Stellungnahmen liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann nicht verfahrensfehlerfrei ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung zusätzlicher Gutachten absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31). Vorliegend musste sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht aufdrängen. Im Berufungsurteil ist ausgeführt, dass die GIRL die vom Gutachter Dr. W. angewandte olfaktorische Ermittlung der Geruchsimmissionen als zulässige Methode anerkennt und nur für die Berechnung einer Zusatzbelastung die Ausbreitungsberechnung vorrangig anzuwenden ist (UA S. 15). Auf die Ausbreitungsberechnung hat das Oberverwaltungsgericht verzichtet, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf die Zusatzbelastung nicht ankam. Ob diese Rechtsauffassung richtig ist, ist ohne Belang. Der Bereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Soweit der Beklagte die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens mit der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens Dr. W. begründet, scheitert seine Aufklärungsrüge daran, dass er nicht darlegt, dass und aus welchen Gründen eine erneute Begutachtung zur Klageabweisung hätte führen müssen. Die Behauptung, das Gutachten sei keine hinreichende Entscheidungsgrundlage für die Frage der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung, reicht nicht aus, um den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu genügen.

13

b) Nach Ansicht der Beigeladenen hätte sich dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen müssen, ein Sachverständigengutachten zu dem Beweisthema einzuholen, ob der Geruchsimmissionsbeitrag aus der zur Genehmigung gestellten Anlage irrelevant ist. Das trifft nicht zu. Die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts, mit denen es begründet hat, warum es der Behauptung der Beigeladenen zu dem Aspekt der irrelevanten Zusatzbelastung nicht weiter nachgegangen ist (UA S. 13 f.), sind mindestens vertretbar.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 07. Dezember 2009 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, Eigentümerin des mit einer Doppel-(Wohn-)haushälfte bebauten Grundstücks … auf …, wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 21. August 2006 (in der zuletzt durch die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geänderten Fassung). Gegenstand dieser Baugenehmigung ist die Nutzungsänderung eines Sauen- bzw. Abferkelstalls in einen Schweinemaststall mit 290 Mastplätzen. Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird gem. § 130 b S. 1 VwGO auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 07. Dezember 2009 verwiesen.

2

Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht - nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen … - der Klage mit der Begründung stattgegeben, die von dem genehmigten Vorhaben auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Geruchsimmissionen überschritten die Grenze des Zumutbaren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Beklagten am 18. Dezember 2009 zugestellt.

3

Am 18. Januar 2010 hat der Beklagte einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010, bei Gericht eingegangen am 15. Februar 2010, begründet. Durch Beschluss vom 31. März 2010 hat der Senat die Berufung mit der Begründung zugelassen, die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob nicht privilegierte Wohnbebauung im Außenbereich generell mehr Geruchsbelästigungen hinzunehmen habe als Wohnhäuser in einem Dorfgebiet, sei grundsätzlich bedeutsam.

4

Mit Schriftsatz vom 19. April 2010 begründet der Beklagte die Berufung wie folgt: Das Verwaltungsgericht gehe in dem angefochtenen Urteil davon aus, dass das "sonstige" Wohnen im Außenbereich denselben Schutz vor Geruchsbelästigungen beanspruchen könne wie die Wohnnutzung im Dorfgebiet. Das sei falsch. Die "sonstige" Wohnnutzung im Außenbereich habe mehr an Geruchsbelästigungen hinzunehmen, weil landwirtschaftliche Betriebe oder entsprechende gewerbliche Betriebe im Außenbereich privilegiert zulässig seien, die "sonstige" Wohnnutzung dagegen nicht. Deshalb sei für diese nach den (bundesrechtlichen) Auslegungshinweisen zur GIRL ein Immissionswert von bis zu 0,25 (= 25 v.H. geruchsbelastete Stunden / Jahr) zumutbar. Dieser Wert werde hier mit 0,18 deutlich unterschritten. Hinzu komme, dass die Gutachterin bei der Ermittlung des Werts von 0,18 unzulässigerweise von einer worst-case-Betrachtung ausgegangen sei, d.h. im Normalfall werde dieser Wert nicht erreicht werden. Das Verwaltungsgericht habe ferner die Vorbelastung unzutreffend berücksichtigt, die vor der Umstellung auf einen reinen Schweinmastbetrieb - aufgrund der Nutzung der Stallanlagen für die Sauenhaltung mit Ferkelaufzucht - bestanden habe. Für die frühere Nutzung sei die Zahl der GV nicht mit 23,5 anzusetzen gewesen, sondern mit 31,5 GV. Zudem sei die tatsächliche Ausstattung der für die Sauenhaltung mit Ferkelaufzucht genutzten Stallanlagen nur mit 68 Punkten zu bewerten gewesen, während der Maststall eine Punktzahl von (mindestens) 100 beanspruchen könne. Daraus folge - zusammengenommen -, dass sich die Immissionssituation durch die streitige Genehmigung sogar verbessert habe: Während der halbierte Mindestabstand nach der VDI-Richtlinie 3471 für die Sauenhaltung mit Ferkelaufzucht 95 m betragen habe, betrage er für die Mastschweinehaltung nur 83 m. Schon das schließe es aus, die Nachbarrechte der Klägerin als verletzt anzusehen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch dann nicht, wenn man nicht nur bezüglich des Immissionswerts auf die GIRL abstelle, sondern auch für die Ermittlung der Geruchsimmissionen ergänzend die GIRL heranziehe: Die Erhöhung der Abluftkamine habe dazu geführt, dass auch bei ungünstigen Windbedingungen nur ein Teil der Geruchsfahne auf das Grundstück der Klägerin einwirke. Vorher habe sich die Geruchsfahne insgesamt in Bodennähe bewegt. Völlig unberücksichtigt gelassen habe das Verwaltungsgericht, dass bei günstigeren Windbedingungen als zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung durch die Gutachterin, bei der mittlere bis hohe Windgeschwindigkeiten geherrscht hätten, die Abluftführung ausreiche, um die Abluftfahne über das Haus der Klägerin hinwegzuführen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es für die Beurteilung nach der GIRL auch unerheblich, falls die Gerüche bei ungünstigen Windbedingungen in mehr als 10 v.H. des Beurteilungszeitraums (Stunde) wahrnehmbar wären. Die Laubbäume auf dem Innendeich, die nach dem Gutachten bei ungünstigen Windbedingungen die Ableitung der Geruchsfahne zusätzlich behinderten und sie in Bodennähe drückten, seien im Übrigen inzwischen beseitigt worden. Unzulässig sei schließlich, dass das Verwaltungsgericht die Position des Beigeladenen deshalb als nicht besonders schutzwürdig angesehen habe, weil er lediglich als Genehmigungsantragsteller für seinen Pächter auftrete, dessen Betrieb sich auf dem Festland, im ..., befinde. Die Gründe, die es rechtfertigten, der Klägerin einen höheren Geruchs-Immissionswert als 0,15 zuzumuten, nämlich die Privilegierung der Schweinehaltung im Außenbereich, würden unabhängig davon und ungeachtet der Frage gelten, ob die Schweinehaltung in Form eines landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs betrieben werde.

5

Der Beklagte beantragt,

6

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

8

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil: Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass auch für Wohnnutzungen im Außenbereich der Immissionswert von 0,15 nicht überschritten werden dürfe. Es lägen auch keine Besonderheiten vor, die es rechtfertigten, ausnahmsweise einen höheren Immissionswert - hier: von 0,18 - für zumutbar zu halten. Im Gegenteil: Nach der GIRL gelte eine Stunde bereits dann als geruchsbelastet, wenn die Gerüche während 6 Minuten in dieser Stunde wahrnehmbar seien. Hier sei die Situation bei den kritischen Windrichtungen viel schlimmer, weil sich die Geruchsfahne zwischen Außen- und Binnendeich, also im Bereich ihres Hauses, niederschlage und es deshalb nicht nur 6 Minuten / Stunde, sondern permanent stinke. Erschwerend komme hinzu, dass die Gerüche ekelerregend und übelkeitsauslösend seien. Auch die gesundheitsschädliche Ammoniakbelastung, die zu einer schweren Atemwegserkrankung bei der Ehefrau ihres Mieters geführt habe, sei zu berücksichtigen. Durch die Erhöhung der Abluftkamine und das (rechtswidrige) Fällen der 60 bis 80 Jahre alten, gesunden Bäume auf dem Binnendeich habe sich die Immissionssituation nicht gebessert. Es stinke vielmehr stärker als vorher, weil die Filterwirkung der Bäume weggefallen sei. Die Richtigkeit der Angaben des Beklagten zur früheren Nutzung der Stallanlagen und damit die Richtigkeit der von ihm durchgeführten "Hochrechnung" der Vorbelastung bestreite sie. Eine Verwirkung ihrer Nachbarrechte sei keinesfalls eingetreten. Im Übrigen halte sie auch den vom Verwaltungsgericht für maßgeblich erachteten Immissionswert von 0,15 für zu hoch, dies neben den bereits angeführten Umständen deshalb, weil … ein anerkanntes Seeheilbad sei - für Kurgebiete gelte ein Immissionswert von nur 0,06 -, weil ihr Haus und die anderen Häuser zwischen den Deichen bereits lange vorhanden gewesen seien, als der Beigeladene 1997 mit der Schweinehaltung begonnen habe, und weil der Beigeladene keine typische Landwirtschaft mehr betreibe, sondern die Bewirtschaftungsform - für einen Pächter, dessen Hofstelle sich auf dem Festland befinde - einen deutlich gewerblichen Charakter trage.  

10

Die Klägerin legt ein Urteil des Landgerichts Flensburg vom 15. Februar 2010 vor. Damit wird dem Beigeladenen und seinem Pächter, Herrn …, untersagt, ihr Grundstück durch von dem Schweinemastbetrieb ausgehende Gerüche mehr als unwesentlich zu beeinträchtigen. Das Urteil ist rechtskräftig.

11

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ferner mehrere Beweisanträge gestellt. Der Senat hat diese abgelehnt. Der Vorsitzende hat die Ablehnung begründet.

12

Der Beigeladene unterstützt den Standpunkt des Beklagten. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist das streitige Stallgebäude derzeit nicht belegt: Der Pächter, Herr …, habe den Pachtvertrag gekündigt. Er, der Beigeladene, beabsichtige, die Schweinemast wieder aufzunehmen, falls die Berufung des Beklagten Erfolg hätte.

13

Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung ferner erklärt, dass er, obwohl er nach der angefochtenen Baugenehmigung nur verpflichtet gewesen sei, die Abluftschächte auf eine Höhe von 1,50 m über Dachfirst zu erhöhen, diese tatsächlich in einer Höhe von ca. 2,50 m ausgeführt habe. Daraufhin hat der Vertreter des Beklagten die angefochtene Baugenehmigung um die Auflage ergänzt, dass die Abluftschächte in der jetzt vorhandenen Höhe zu erhalten seien. Die Klägerin hat klargestellt, dass sie die Baugenehmigung in dieser ergänzten bzw. geänderten Fassung anfechte.

14

Der Senat hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehört. Auf die Verhandlungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

15

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt ist - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

16

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtene Baugenehmigung vom 21. August 2006 (in der Fassung der Nachtragsgenehmigung vom 28. Februar 2007 und der Erklärung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat), mit der dem Beigeladenen gestattet worden ist, einen Sauen- und Abferkelstall künftig als Schweinemaststall mit 290 Plätzen zu nutzen, verletzt keine öffentlich-rechtlichen (Nachbar-) Rechte der Klägerin: Sie verstößt nicht gegen das hier allein in Betracht kommende, sich aus § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB, § 22 Abs. 1 S. 1 BImSchG ableitende Gebot der Rücksichtnahme, dessen Kriterien das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend beschrieben hat.

17

Das Rücksichtnahmegebot ist deshalb nicht verletzt, weil die neu genehmigte Nutzung auf dem Grundstück der Klägerin keine schädlichen und damit unzumutbaren Umwelteinwirkungen im Sinne der § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB, § 22 Abs. 1 S. 1 BImSchG verursacht.

18

Dieses Ergebnis ergibt sich mit ausreichender Sicherheit allerdings nicht bereits aus der vom Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer, auch wenn danach der nach der VDI-Richtlinie 3471 "Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine" (Ziff. 3.2.3.2) im Außenbereich und in Dorfgebieten nur einzuhaltende halbierte Mindestabstand von 83 m gegenüber dem Grundstück bzw. der Doppelhaushälfte der Klägerin (gerade) eingehalten wird und die vom Verwaltungsgericht beauftragte Sachverständige dies in ihrem Gutachten - im Ergebnis - als richtig bestätigt hat (Ziff. 3.5, S. 16). Nach Ziff. 3.2.3.4 der Richtlinie ist im Nahbereich von unter 100 m - wie hier - vielmehr regelmäßig eine Sonderbeurteilung durch Fachbehörden oder Sachverständige erforderlich, bei der die einzelbetrieblichen Standortverhältnisse zu berücksichtigen sind. Auch die Sachverständige und - ihr folgend - das Verwaltungsgericht und die Klägerin haben eine solche Sonderbeurteilung auf der Grundlage der Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL - in der Fassung vom 29. Februar 2008 / 10. September 2008 für erforderlich gehalten (Ziff. 3.6, S. 17, ihres Gutachtens). Die Sachverständige hat sie in ihrem Gutachten durchgeführt. Nach Auswertung und Bewertung des Gutachtens steht für den Senat fest, dass die Klägerin nach der GIRL, die nach dem gemeinsamen Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 04. September 2009 (Amtsblatt S. 1006) bei der Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen als Orientierungs- bzw. Entscheidungshilfe herangezogen werden kann, keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt ist bzw. sein wird.

19

Die Sachverständige hat den Immissionswert von 0,18 (= Wahrnehmbarkeit der Gerüche oberhalb einer bestimmten Intensität - Erkennungsschwelle - in Prozent der Jahresstunden) aufgrund einer worst-case-Abschätzung ermittelt, die auf S. 18 des Gutachtens wie folgt beschrieben wird:

20

"Dem Verfahren [= worst-case-Abschätzung] liegt die Idee zugrunde, dass ein Immissionsort von einer Punktquelle unter Berücksichtigung einer Fahnenaufweitung von mindestens 60 Grad beaufschlagt wird. Über eine geeignete Windrichtungshäufigkeitsverteilung lässt sich die Häufigkeit der Windrichtungen aus diesem Sektor berechnen. Die so ermittelte Windrichtungshäufigkeit stellt die Beauf-schlagungshäufigkeit für den Immissionsort dar und wird im pessimalen Sinne gleich der dort auftretenden Geruchsimmissionshäufigkeit gesetzt. Voraussetzung dafür ist die Vorstellung, dass Gerüche immer dann am Immissionsort wahrnehmbar sind, wenn die Winde aus dem ermittelten Sektor wehen. Daher stellt der mit diesem Verfahren ermittelte Wert einen Maximalwert für die Überschreitungshäufigkeit der Erkennungsschwelle dar."

21

Dieses Verfahren hält der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall für zulässig und geeignet, da die Sachverständige - überzeugend - dargelegt hat, dass und aus welchen Gründen die in der GIRL unter Ziff. 4.1 beispielhaft aufgeführten Methoden zur Ermittlung von Geruchsimmissionen, die Ausbreitungsberechnung und die Rasterbegehung, hier keine verlässlichen Werte geliefert hätten (Ziff. 3.6.1 u. 3.6.2 des Gutachtens). Die Klägerin hat gegen das Verfahren der worst-case-Abschätzung keine Einwände erhoben. Den Einwänden des Beklagten kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der abschließenden Bewertung, ob die Geruchsimmissionen für den oder die Betroffenen zumutbar sind oder nicht, im Blick behalten wird, dass der danach ermittelte Wert ein Maximalwert ist. Tut man dies, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Immissionswert von 0,18 für die Klägerin zumutbar und damit hinnehmbar.

22

Der Umstand, dass die Gemeinde … ein anerkanntes Seeheilbad ist, hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Folge, dass in ihrem Falle der in der GIRL (Ziff. 3.1) für Wohngebiete festgelegte Immissionswert von 0,10 oder der noch niedrigere Wert für Kurgebiete von 0,06 (vgl. die bundesrechtlichen Auslegungshinweise zu Ziff. 5 der GIRL) als Zumutbarkeitsschwelle maßgeblich wäre. Die GIRL knüpft mit der Verwendung der Begriffe "Wohn- / Mischgebiete", "Gewerbe- / Industriegebiete" und "Dorfgebiete" (in Ziff. 3.1) ersichtlich an die Begriffsbestimmungen der Baunutzungsverordnung, also des Bauplanungsrechts, an, nicht dagegen an Anerkennungen, die einen gesundheitspolitischen und touristischen Hintergrund haben. Bauplanungsrechtlich ist die Bebauung, zu der die Doppelhaushälfte der Klägerin gehört, als Splittersiedlung im Außenbereich zu bewerten: Sie liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Sie ist auch kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Dafür fehlt der Bebauung, selbst wenn man dazu nicht nur die Bebauung östlich der Straße "…" (Nr. 1 bis 5), sondern auch - trotz des dazwischen liegenden Binnendeichs - die Gebäude auf der Hofstelle des Beigeladenen zählte, das für die Annahme eines Ortsteils erforderliche zahlenmäßige "gewisse Gewicht"; denn ein räumlicher Zusammenhang mit der Bebauung an der Straße "…" und der Bebauung des Ortes Süderhafen besteht wegen der dazwischen liegenden unbebauten Grundstücke nicht. Das ergibt sich eindeutig aus dem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kartenmaterial. Zudem fehlt der beschriebenen Bebauung die Ortsteilsqualität, weil sie nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (zum Begriff des Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, vgl. BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - 4 C 31.66 -, BRS 20 Nr. 36).

23

Einen Immissionswert für den Außenbereich enthält die GIRL nicht. Die Übernahme des Immissionswerts für Dorfgebiete von 0,15, wie es das Verwaltungsgericht und ihm (hilfsweise) folgend auch die Klägerin für richtig gehalten hat und wie es auch in den schleswig-holsteinischen Auslegungshinweisen zur GIRL in der Fassung vom 29. Februar 2008 (Amtsblatt 2009, S. 1019 ff, 1023 u. / 1024 o.) vertreten wird, überzeugt nicht; denn sog. sonstige, d.h. nicht privilegierte Wohnbebauung im Außenbereich, um die es hier geht, ist in Bezug auf von landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder sonstigen tierhaltenden Betrieben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgehenden Geruchsemissionen weniger schutzwürdig als Wohnbebauung im Dorfgebiet. Das liegt zum einen darin begründet, dass die sonstige Wohnbebauung im Außenbereich eine schwächere "Position" hat als die entsprechende Wohnbebauung im Dorfgebiet: Im Außenbereich hat sonstige Wohnbebauung grundsätzlich nichts "zu suchen", sie ist nur (ausnahmsweise) zulässig, wenn sie keine öffentlichen Belange beeinträchtigt (§ 35 Abs. 2 u. 3 BauGB). Im Dorfgebiet sind dagegen sonstige Wohngebäude allgemein zulässig (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Zum anderen ist die "Position" der landwirtschaftlichen Betriebe und der sonstigen unter § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fallenden tierhaltenden (gewerblichen) Betriebe im Außenbereich stärker als im Dorfgebiet: Im Außenbereich sind die Betriebe privilegiert, also bevorrechtigt, zulässig. Im Dorfgebiet sind unter § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fallende Betriebe dagegen gar nicht zulässig, landwirtschaftliche Betriebe sind zwar zulässig, auf deren Belange und Entwicklungsmöglichkeiten ist jedoch nach § 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO nur vorrangig Rücksicht zu nehmen - was "weniger" ist als Bevorrechtigung bzw. Privilegierung. Daraus folgt, dass sonstige Wohnbebauung im Außenbereich regelmäßig einen höheren Immissionswert als 0,15 hinzunehmen hat (zur geringeren Schutzwürdigkeit von Wohnbebauung im Außenbereich gegenüber heranrückenden Betrieben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, vgl. schon den Beschluss des Senats v. 13.03.2006 - 1 LA 5/06 -). Davon gehen auch die bundesrechtlichen Auslegungshinweise zur GIRL aus. Danach soll es möglich sein, der sonstigen Wohnbebauung im Außenbereich "unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls" einen Immissionswert von bis zu 0,25 für Gerüche aus tierhaltenden Betrieben zuzumuten. Dem folgt das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 25. März 2009 - 7 D 129/07.NE - BRS 74 Nr. 22 unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Überschreitung des Werts von 0,25 regelmäßig nicht zumutbar sein dürfte. Das Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hat in seinen Auslegungshinweisen zur GIRL, die der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2010 auszugsweise zitiert hat, im Außenbereich den Immissionswert von 0,25 für landwirtschaftstypische Gerüche "im Regelfall" als zulässig bezeichnet.

24

Der Senat lässt es dahingestellt, ob er in Fallgestaltungen wie der vorliegenden ebenfalls einen Immissionswert von bis zu 0,25 "im Regelfall" für zumutbar hält; denn letztlich ist die Frage, ob Geruchsbelastungen aus tierhaltenden Betrieben der benachbarten (sonstigen) Wohnbebauung zuzumuten sind, anhand der - wie es, wie erwähnt, in den bundesrechtlichen Auslegungshinweisen heißt - "speziellen Randbedingungen des Einzelfalls" zu beurteilen (vgl. auch Ziff. 5 der GIRL). Der vielfach "im Regelfall" für zulässig erachtete Immissionswert von bis 0,25 macht jedoch deutlich, dass der hier von der Sachverständigen ermittelte Wert von 0,18 nur ausnahmsweise als unzumutbar angesehen werden kann. Dafür, dass hier eine Ausnahmesituation vorliegt, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil: Die Situation war geprägt durch eine vom Betrieb des Beigeladenen ausgehende (Geruchs-) Vorbelastung: Unter dem 23. Januar 1998 war dem Beigeladenen die Genehmigung erteilt worden, den ehemaligen Kuhstall künftig als Abferkelstall zu nutzen und eine vorhandene Maschinenhalle in einen Ferkel- und Sauenstall umzubauen. Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung des Beklagten richtig ist, dass die Vorbelastung - bei richtiger Berechnung der Großvieheinheiten (GV) und richtiger Berechnung der für diese Stallanlagen anzusetzenden Punktzahl - sogar höher gewesen ist als die jetzige Belastung, sich die Immissionssituation durch die hier angefochtene Genehmigung also sogar verbessert hat. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, war die Vorbelastung doch erheblich. Das belegt die Beschwerde einer aus Eigentümern und Mietern, u.a. der Klägerin, der östlich der Straße "…" stehenden Häuser bestehenden Interessengemeinschaft, mit der sie sich darüber beklagt, dass seit der Umstellung von der Milchviehhaltung auf Schweinehaltung insbesondere bei Winden aus süd- bis nordwestlicher Richtung "unzumutbare Geruchsbelästigungen" und "teilweise penetranter Güllegeruch" auf ihren Grundstücken aufträten (Schreiben vom 28. April 1998). Klage gegen die Genehmigung vom 23. Januar 1998 haben die Interessengemeinschaft bzw. einzelne ihrer Mitglieder seinerzeit freilich nicht erhoben. Diese (Geruchs-) Vorbelastung rechtfertigt auch nach den schleswig-holsteinischen Auslegungshinweisen zur GIRL die Annahme eines begründeten Einzelfalls, in dem der Immissionswert von 0,15 überschritten werden darf. Die Klägerin kann sich zur Begründung einer Ausnahmesituation auch nicht darauf berufen, dass die von dem Betrieb des Beigeladenen einwirkenden Gerüche ekelerregend und deshalb besonders belastend seien. Die Art der Gerüche wird nach der GIRL (Tabelle 4, S. 14 o.) durch Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Tierarten berücksichtigt. Das hat die Sachverständige in ihrem Gutachten getan (S. 21). Ebenfalls zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, dass nach Ziff. 4.4.7 der GIRL eine Stunde bereits als geruchsbelastet gelte, wenn (nur) in mindestens 10 v.H. dieser Stunde relevante Geruchsimmissionen wahrnehmbar seien, hier jedoch - wenn sich bei ungünstigen Windbedingungen die Geruchsfahne zwischen Außen- und Binnendeich und damit im Bereich ihres Hauses und Grundstücks "niederschlage" - die Stunde regelmäßig zu 100 v.H. und in besonders hoher Konzentration geruchsbelastet sei. Zum einen wirken sich diese Umstände nach dem System der GIRL - bewusst und gewollt - nicht auf die Anzahl der zu wertenden Geruchsstunden und damit auf den Immissionswert aus (Gutachten S. 22). Die Bewertung einer Stunde als geruchsbelastet bei Auftreten von relevanten Geruchsbelastungen in nur 10 v.H. dieses Zeitraums beruht nämlich darauf, dass der Geruchssinn des Menschen viele kurz andauernde Geruchsschwellenüberschreitungen als belästigender empfindet als wenige länger andauernde, da letztere durch Adaption wirkungsseitig verkürzt werden (Auslegungshinweise zu Ziff. 4.4.7 der GIRL). Ob diese Wirkung angesichts der "in der Tendenz größeren Geruchsintensität" (Gutachten S. 22) hier einträte, sei dahingestellt; denn - zum anderen - wird die von der Klägerin als besonders belastend geschilderte Situation keinesfalls in 18 v.H. der Jahresstunden auftreten. Der Immissionswert von 0,18 ist - wie bereits dargelegt - ein Maximalwert, bei dem unterstellt wird, dass relevante Gerüche immer dann am Immissionsort wahrnehmbar sind, wenn Winde aus dem kritischen (Windrichtungs-) Sektor wehen. Das ist jedoch tatsächlich nicht der Fall. Die Sachverständige führt in ihrem Gutachten (S. 18 u. / 19 o.) aus, dass "real" auch Situationen aufträten, in denen die Geruchsfahne aufgrund einer deutlichen Fahnenüberhöhung so abgeführt werde, dass die Wohnhäuser der Klägerin und der Klägerin des Parallelverfahrens hinreichend sicher überströmt würden, ohne dass Gerüche in Bodennähe wahrnehmbar seien. Konkret seien dies einerseits Situationen mit geringen Windgeschwindigkeiten und kalten Außentemperaturen, wenn die warme Abluftfahne durch thermischen Auftrieb hinreichend sicher über die Häuser hinweg geführt werde, und andererseits Wetterlagen mit geringen Windgeschwindigkeiten und hohen Außentemperaturen, wenn durch die hohen Luftvolumenströme und die damit verbundenen hohen Austrittsgeschwindigkeiten eine dynamische Fahnenüberhöhung wirksam werde. Aber auch bei anderen Wetterlagen tritt die von der Klägerin als besonders belastend empfundene Immissionssituation nicht stets auf: Aufgrund dessen, dass die Abluftkamine ca. 2,50 m über First hinausragen, wird der sog. "Downwash" der Geruchsfahne in Bodennähe zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend vermieden (Gutachten S. 21). Zudem hat sich die Situation seit Erstellung des Gutachtens und des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils dadurch verbessert, dass einige auf dem Deich stehende Laubbäume, die die Ableitung der Geruchsfahne zusätzlich behindert und die Gefahr verstärkt haben, dass sich die Geruchsfahne in Bodennähe ausbreitete (Gutachten S. 21), inzwischen beseitigt worden sind. Dass sich dadurch die Immissionssituation verbessert hat, hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals ausdrücklich bestätigt und damit zugleich die Behauptung der Klägerin, das Laub der Bäume habe quasi als Geruchsfilter gewirkt, entkräftet (vgl. S. 2 des Verhandlungsprotokolls). Schließlich kommt dem Umstand, dass der Beigeladene die Mastschweinehaltung nicht auf "eigene Rechnung" betrieben hat, sondern für seinen Pächter, den Landwirt …, dessen Hofstelle sich auf dem Festland, im ..., befindet, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin keine Bedeutung zu. Das würde selbst dann gelten, wenn das streitige Stallgebäude nicht Teil des landwirtschaftlichen Betriebs des Herrn … wäre, sondern die Schweinehaltung dort gewerblich betrieben würde; denn auch im letzteren Fall wäre die Schweinehaltung angesichts der vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2010 (S 7, 2. Abs.) beschriebenen konkreten Situation in den Ortslagen der Gemeinde Nordstrand - nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB - im Außenbereich privilegiert zulässig und hätte - wie im Übrigen für gewerbliche, unter § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fallende Tierhaltungen schon oben dargelegt - damit die stärkere Position, die es rechtfertigt, der Wohnbebauung im Außenbereich mehr an Geruchsimmissionen zuzumuten als der Wohnbebauung in einem Dorfgebiet (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.01.2010 - 8 B 1015/09 -, UPR 2011, 33).

25

Die im Verhandlungstermin gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt. Der Vorsitzende hat die Ablehnung mündlich begründet. Dafür waren - nochmals zusammengefasst - folgende Gründe maßgeblich:

26

Der nach der VDI-Richtlinie 3471 einzuhaltende halbierte Mindestabstand von 83 m zwischen dem Emissionsschwerpunkt der streitigen Stallanlage und dem Grundstück der Klägerin wird eingehalten. Das ergibt sich sowohl aus der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 17. Mai 2006 als auch aus dem Gutachten der Sachverständigen …, die das - im Ergebnis - bestätigt hat. Abgesehen davon, bedarf es insoweit deshalb nicht der Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens, weil - wie dargelegt - eine Beurteilung der Zumutbarkeit der Geruchsimmissionen nach der VDI-Richtlinie 3471 hier nicht ausreicht, sondern eine Sonderbeurteilung nach der GIRL erforderlich war (die das Verwaltungsgericht durch Frau … hat erstellen lassen). Von der Notwendigkeit einer Sonderbeurteilung nach der GIRL war im Übrigen bisher auch die Klägerin ausgegangen.

27

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, ob 290 ausgemästete Schweine im Gewicht von 120 kg / Schwein einen höheren Immissionswert als 0,25 verursachen, ist ebenfalls nicht erforderlich. Zum einen beträgt der genehmigte Schweinebesatz 290 Mastschweine im Gewicht von (nur) 20 bis 110 kg, für die korrekterweise bei der Beurteilung nach der VDI-Richtline 3471 0,13 GV/Schwein in Ansatz gebracht worden ist (vgl. die der angefochtenen Genehmigung zugrundeliegende Betriebsbeschreibung sowie Ziff. 3.1 des Gutachtens der Sachverständigen). Zum anderen verkennt die Klägerin, dass der von der Sachverständigen ermittelte Immissionswert von 0,18 bereits ein Maximalwert ist. Dieser ist, da er auf der (worst-case-) Unterstellung beruht, dass eine relevante Geruchsbelastung immer dann vorhanden ist, wenn der Wind aus dem festgelegten kritischen Sektor weht, von dem Gewicht der gehaltenen Schweine völlig unabhängig.

28

Auch die beantragte Vernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde Nordstrand zum Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dass das Gebiet "…" in der nächsten Gemeinderatssitzung in den Ort … eingemeindet würde, brauchte nicht zu erfolgen. Die "Eingemeindung" änderte nichts an der Zugehörigkeit des Grundstücks der Klägerin und der anderen bebauten Grundstücke östlich des Weges "…" zum Außenbereich; denn für die Abgrenzung des Außenbereichs von der im Zusammenhang bebauten Ortslage kommt es auf die tatsächlichen, äußerlich erkennbaren Verhältnisse und nicht auf Gemeindegrenzen u.ä. an. Zudem ist für die zu treffende Entscheidung der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend.

29

Der Behauptung der Klägerin, dass die Bäume auf dem Deich wegen der von der streitigen Stallanlage, besetzt mit 290 Mastschweinen mit einem Gewicht von 120 kg / Schwein, ausgehenden Ammoniakbelastungen abgestorben seien, brauchte ebenfalls nicht nachgegangen zu werden. Der Senat bewertet den diesbezüglichen Beweisantrag als unzulässigen "Ausforschungsbeweis-" Antrag, d.h. als einen Antrag, mit dem Beweis für eine Behauptung angetreten wird, für deren Richtigkeit nicht einmal wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. Kopp/Schenke, Komm. zur VwGO, 16. Aufl., § 86 Rn. 18 a). Eine solche Fallgestaltung ist hier gegeben. Schon das von der Klägerin im Verhandlungstermin vorgelegte Foto belegt, dass die Behauptung nicht schlüssig ist; denn darauf ist - außer den abgestorbenen Bäumen - eine Vielzahl weiterer Bäume zu sehen, deren Laubwerk voll ausgebildet ist, die also offenbar gesund sind (s. auch das Luftbild auf S. 2 und die Fotodokumentation über die Rauchversuche auf S. 8 ff des Sachverständigengutachtens). Der Vortrag der Klägerin ist insoweit auch widersprüchlich. Im Schriftsatz vom 09. März 2010 hatte sie sich noch darüber beklagt, dass die auf dem Binnendeich stehenden, nach dem Gutachten der Sachverständigen die Ableitung der Geruchsfahne behindernden Laubbäume vom Beigeladenen gefällt worden seien, obwohl sie gesund gewesen seien und ihr Laubwerk eine Filterwirkung entfaltet habe. Das alles spricht dafür, dass das Absterben der genannten Bäume andere Ursachen gehabt haben muss als die Ammoniakbelastung aus der streitigen Stallanlage (möglicherweise den vom Beigeladenen genannten Grund, vgl. dazu das Verhandlungsprotokoll). Dafür spricht weiter, dass der Stall nur für 290 Mastplätze zugelassen und damit relativ klein ist. Er erreicht nicht annähernd die Größe, ab der Mastanlagen für Schweine zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes gehören (vgl. Ziff. 7.1, Spalte 2, des Anhangs zur 4. BImSchV). Selbst die TA-Luft, die vornehmlich für nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen gilt, fordert eine Prüfung, ob durch die Einwirkung von Ammoniak schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, nur dann, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen (Ziff. 4.4.2 i.V.m. Ziff. 4.8). Solche Anhaltspunkte gibt es hier nicht, weil - wie dargelegt - keine auch nur ansatzweise hinreichenden Indizien dafür vorliegen, dass das Absterben der Bäume auf Ammoniakeinwirkungen beruht, und weil die streitige Stallanlage nur eine verhältnismäßig geringe Größe aufweist.

30

Entsprechendes gilt für den Antrag, über die Richtigkeit der Behauptung Beweis zu erheben, dass die von der Stallanlage des Beigeladenen ausgehenden Ammoniakemissionen zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen und Erkrankungen der Atemwege der auf dem Grundstück der Klägerin sich aufhaltenden bzw. lebenden Menschen geführt hätten bzw. führen könnten. Es gibt angesichts der verhältnismäßig geringen Größe der Stallanlage - weit unter der Schwelle der Genehmigungsbedürftigkeit nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz -, der Entfernung von ca. 83 m zur Grundstücksgrenze und angesichts dessen, dass das Grundstück maximal in 18 v.H. der Jahresstunden, real noch weniger (vgl. o.), von Ammoniakeinwirkungen betroffen ist, keinen Anhaltspunkt, dass diese die genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen könnten. Das hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt: Sie hat es wegen der tierschutzrechtlich und arbeitsrechtlich nur zulässigen Ammoniakkonzentration im Stall sowie wegen der Verdünnung, die eintrete, bis die Abluftfahne das Grundstück der Klägerin erreiche, für "ausgeschlossen" erklärt, dass derartige Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten könnten. Die von der Klägerin als Zeugin benannte Frau …, die Ehefrau des Mieters des Hauses der Klägerin, ist zudem ein ungeeignetes "Beweismittel": Ob die von dem Stall des Beigeladenen ausgehenden Ammoniakemissionen schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen können, kann nur ein Sachverständiger beurteilen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass für die Frage, ob die Ammoniakeinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (gesundheits-) schädlich sind, auf einen - wie es das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 14. Januar 2010 (a.a.O.) ausgedrückt hat - "Durchschnittsmenschen" abzustellen ist, nicht dagegen auf die individuelle Empfindlichkeit eines konkreten Dritten, hier der benannten Zeugin.

31

Das (rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Flensburg vom 15. Februar 2010, mit dem dem Beigeladenen und Herrn … untersagt wird, das Grundstück der Klägerin durch vom Schweinmastbetrieb ausgehende Gerüche mehr als unwesentlich zu beeinträchtigen, ist für das vorliegende Verfahren bedeutungslos: Die Streitgegenstände sind nicht identisch - im landgerichtlichen Verfahren war Streitgegenstand der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB, im vorliegenden Verfahren ist Streitgegenstand die Baugenehmigung des Beklagten vom 21. August 2006 -, ebenfalls nicht identisch sind die (Haupt-) Beteiligten des Verfahrens, so dass eine Rechtskraftbindung nicht eintritt. Das vorliegende Urteil würde dem Beigeladenen bei einem behaupteten Verstoß gegen seine Unterlassungspflicht nur helfen, wenn sich das Landgericht im Vollstreckungsverfahren zur Festsetzung bzw. Beitreibung des in Ziff. 2 des Urteilstenors angedrohten Ordnungsgeldes (von bis zu 250.000,-- EURO) der Auffassung des Senats anschlösse, dass von dem streitigen Stall, wenn er im Rahmen und im Einklang mit der angefochtenen Baugenehmigung betrieben wird, keine unzumutbaren und damit keine wesentlich beeinträchtigende Geruchsimmissionen auf das Grundstück der Klägerin einwirkten. Ob das Landgericht das tun wird, unterliegt seiner freien Entscheidung, bei der es auch nicht an das Urteil des Senats, selbst wenn dieses rechtskräftig würde, gebunden wäre.

32

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Dafür, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, besteht kein Anlass; denn der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

34

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Das gilt auch für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zwar hat der Senat die Berufung zugelassen, weil es die Frage, ob sonstige, d.h. nicht privilegierte, Wohnbebauung im Außenbereich mehr Geruchsbelästigungen hinzunehmen habe als Wohnbebauung im Dorfgebiet, für grundsätzlich bedeutsam hielt. Dies hatte jedoch keinen - die Zulassung der Revision an das Bundesverwaltungsgericht nur rechtfertigenden - bundesrechtlichen, sondern einen landesrechtlichen Hintergrund, nämlich den Umstand, dass nach den landesrechtlichen Auslegungshinweisen zur GIRL die sonstige Wohnbebauung im Außenbereich im Grundsatz den gleichen immissionschutzrechtlichen Schutzstatus besitzen sollte wie die Wohnbebauung im Dorfgebiet (0,15).

35

Beschluss

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Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG auf

37

15.000,-- EURO

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festgesetzt.


(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist vorrangig Rücksicht zu nehmen.

(2) Zulässig sind

1.
Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
3.
sonstige Wohngebäude,
4.
Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse,
5.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6.
sonstige Gewerbebetriebe,
7.
Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
8.
Gartenbaubetriebe,
9.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 zugelassen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.