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| Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). |
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| Ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten liegt vor. Als Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (exemplarisch und umfassend Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.1992, BVerwGE 89, 327 - 334 mit weitgehenden und umfassenden Hinweisen auf die vorausgegangene Rechtsprechung). Der Streit der Beteiligten muss in Beziehung zu Bedeutung und Tragweite einer Vorschrift des öffentlichen Rechts im Hinblick auf einen konkreten Sachverhalt bestehen (so BVerwG, Urt. v. 26.11.1996 - BVerwGE 100, 262 - 275). |
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| Diese Voraussetzungen liegen im Verhältnis der Beteiligten vor. Denn das Landratsamt ... ist als untere Verwaltungsbehörde gemäß Art. 1 Abs. 10 Verwaltungsstruktur-Reform-Gesetz zuständige Behörde für Aufgaben im Bereich der Lebensmittelüberwachung und der damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben zuständig und hat somit dafür Sorge zu tragen, dass diese Vorschriften eingehalten werden, so dass die Klägerin nicht nur das Risiko von Vollzugsakten gewärtigen, sondern mit weiteren Ordnungswidrigkeitsverfahren rechnen muss. |
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| Die Klägerin hat auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der erstrebten Feststellung. Dieses Interesse schließt über ein rechtliches Interesse hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein, wobei jedoch zur Vermeidung der dem Verwaltungsprozess fremden Popularklage die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 29.06.1995, BVerwGE 99, 64 - 69). Das bedeutet, dass auch eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn es dem Kläger dabei um die Verwirklichung seiner Rechte geht, sei es, dass er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist, sei es, dass von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte des Klägers abhängen. Der Klägerin kommt somit schon deshalb ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zu, da bei Befolgung der von ihr geforderten Kennzeichnungspflicht wirtschaftliche Einbußen möglich sind. Ebenso kommt ihr ein Interesse an der baldigen Feststellung zu. |
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| Ebenso wenig mangelt es deshalb an einem Feststellungsinteresse der Klägerin, weil sie zur Zeit das umstrittene Produkt entsprechend den Maßgaben des Beklagten etikettiert, denn sie verfährt nur unter Vorbehalt und unter dem Druck des schwebenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens in dieser Weise und beabsichtigt, wieder zur bisherigen Praxis zurückzukehren. |
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| Die Klage ist jedoch nicht begründet, denn die Klägerin ist verpflichtet, das Produkt „... Räucherlachs Premiumqualität“ mit dem Hinweis „aufgetaut“ zu versehen. |
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| Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a der Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung - LMKV -) in der Fassung der Bekanntmachung v. 15.12.1999, BGBl. I S. 2464, zuletzt geändert durch Art. 11 VO zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts v. 08.08.2007 (BGBl. I S.1816) und Art. 1 ÄndVO v. 18.12.2007 (BGBl. I S. 3011) dürfen Lebensmittel in Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn Angaben nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 angegeben sind. Nach § 4 Abs. 5 LMKV wird die Verkehrsbezeichnung durch die Angabe „aufgetaut“ ergänzt, wenn das Lebensmittel gefroren oder tiefgefroren war und die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen. |
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| Das Produkt der Klägerin war zumindest einmal im Laufe des Herstellungsprozesses gefroren, so dass der Zusatz „ aufgetaut“ nach dem Wortlaut der Vorschrift anzubringen wäre. Es liegt auch keine Ausnahmekonstellation vor, die ein Absehen von diesem Zusatz rechtfertigt, denn die Unterlassung dieser Angabe ist entgegen der Auffassung der Klägerin geeignet, einen Irrtum beim Verbraucher herbeizuführen. |
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| Voraussetzung für die Beurteilung, ob die genannte Unterlassung geeignet ist, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen, ist die Feststellung, ob nach der zu ermittelnden Verkehrsauffassung der Verbraucher ein nicht zuvor gefrorenes Lebensmittel erwartet (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 110, § 4 LMKV, RdNr. 15 a - d). Die Angabe ist dann erforderlich, wenn der mögliche Irrtum für die Kaufentscheidung von Relevanz ist. Ihre Unterlassung muss sich zu einer Täuschung eignen, wobei eine mögliche Irreführung auch dann vorliegt, wenn nur ein kleiner Teil des angesprochenen Personenkreise getäuscht wird (Zipfel/Rathke, aaO, C 102, § 11 LFBG, RdNr. 23, 26). Maßgeblich ist dabei auf einen verständigen, aufmerksamen und an Informationen interessierten Verbraucher abzustellen (vgl. Zipfel/Rathke, aaO, C 102, § 11 LFGB RdNr. 44 m.w.N. u.a zur entsprechenden Rechtsprechung des EuGH). Dabei ist die Beurteilung der Frage, wie eine Angabe bzw. das Unterlassen einer Angabe „wahrscheinlich“ verstanden wird, in der Regel durch das erkennende Gericht vorzunehmen (Zipfel/Rathke, aaO, C 102, § 11 LFGB RdNr. 47). Ein wesentliches Kriterium für die rechtliche Beurteilung ergibt sich dabei aus der Prüfung, ob die entsprechende (unterlassene) Angabe für den Kaufentschluss relevant ist, d.h. ob die angesprochenen Verkehrskreise Gefahr laufen, sich über die Eigenschaft des Lebensmittels zu täuschen. Dabei sind Auffassungen zu berücksichtigen, die sich aus der allgemeinen Verkehrsauffassung ergeben (Zipfel/Rathke, aaO § 11 LFGB C 102 RdNr. 75). Der Begriff der allgemeinen Verkehrsauffassung umfasst die Auffassung der am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Kreise über den Inhalt einer Kennzeichnung, Angabe oder Aufmachung und über die Beschaffenheit eines Lebensmittels (Zipfel/Rathke, aaO, § 11 LFGB C 102 RdNr. 265), wobei es besonders auf die Auffassung der Verbraucher, d.h. die berechtigte Verbrauchererwartung, ankommt, wenn sie vor Irreführung geschützt werden sollen. Ein Kriterium für diese Beurteilung kann der Hersteller- und Handelsbrauch sein, es sei denn, er hat sich seinerseits zu einem Missbrauch entwickelt oder stellt nur einen geduldeten, nicht allgemein anerkannten Brauch dar (Zipfel/Rathke, aaO, § 11 LFGB C 102 RdNr. 268). Grundsätzlich ist eine Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung aber nicht zulässig, wenn eine Kennzeichnung gesetzlich normiert ist. Ferner können auch aufgehobene Rechtsvorschriften herangezogen werden, da in der Regel davon auszugehen ist, dass sie die Verbrauchererwartung geprägt haben (Zipfel/Rathke, aaO, § 11 LFGB C 102 RdNr. 283, 287, 290). |
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| Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erweist sich die Forderung nach der Angabe „aufgetaut“ im vorliegenden Fall als nicht zu beanstanden, da deren Unterlassen geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen. |
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| Wie der Sachverständige ... in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 02.06.2009, die die Klägerin selbst zur Begründung ihres Klagebegehrens vorgelegt hat, ausführt, wurde zu Beginn der „industriellen“ Fertigung üblicherweise der frisch geräucherte, lediglich gekühlte Lachs, mit beispielsweise aus Schlachtergeschäften bekannten Wurstaufschneidemaschinen entsprechenden Rundschneidemaschinen in Scheiben geschnitten, d.h. gesliced. In der Folge wurden Slicer mit sich gegenläufig bewegenden Messerklingen entwickelt. Als „ganze Räucherlachsseiten“ gehandelte Hochqualitäts-Erzeugnisse wurden/werden erstrangig mittels solcher oszillierender Messer „weich“, d.h. ohne Temperaturstabilisierung geschnitten. Nachdem in den 90iger Jahren die Nachfrage nach dem Produkt „Party-Räucherlachsseiten“ geradezu explosionsartig angestiegen war, war sehr schnell feststellbar, dass „der“ produktionstechnisch limitierende Faktor im Scheiben-Schneideprozess wurzelt. In der Folge entwickelte sich aus dem „Weichschneiden“ gekühlter Erzeugnisse das „Hartschneiden“ „temperaturstabilisierter“ Fischteile, wie kaltgeräucherter Lachsseiten. |
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| Bereits aus dieser unwidersprochen gebliebenen und von der Kammer als zutreffend zugrunde gelegten Darlegung ergibt sich jedoch nicht nur, dass es erst in jüngerer Zeit, d.h. im Wesentlichen ab den 90iger Jahren zu einer veränderten Produktionsmethode gekommen ist, d.h. der Temperaturstabilisierung zum Zwecke des Hartschneidens, sondern es wird vielmehr deutlich, dass es zwei verschiedene geläufige Produktionsmethoden gibt, die nebeneinander zum Einsatz kommen. Insbesondere Hochqualitätserzeugnisse wurden und werden, wie sich der Sachverständige ausdrückt, weich, d.h. ohne Temperaturstabilisierung geschnitten. Bestätigt wird diese Praxis aus durch für das Produkt Räucherlachs werbende Angaben wie „Frisch aus der Räucherei, keine gefrorene oder aufgetaute Ware“ (vgl. z. B. www.lachs2000.de/product; www.lachs-direkt.de/product) oder der Darstellung der Produktionsmethode unter besonderer Hervorhebung der Tatsache, dass der Lachs nicht zuvor gefroren worden ist (www.send-a-fish.de/raeucherlachs.html). Die Tatsache, dass nebeneinander im gleichen Zeitraum zwei unterschiedliche zum Einsatz kommende Produktionsmethoden bestehen, belegt, dass eine konkrete Verbrauchererwartung und Verkehrsauffassung nicht entstehen konnte, die sich darauf richtet, dass eine Temperaturstabilisierung zum Zwecke des Slicens als üblich vorausgesetzt wird. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil, nachdem bis in die 90iger Jahre ein Weichschneiden die übliche Methode darstellte, sich eine nunmehr veränderte Verkehrsauffassung hätte herausbilden müssen, die sich daran orientiert, dass ein Wechsel stattgefunden hat. Nachdem aber zwei Methoden nebeneinander existieren, konnte eine derartige Veränderung nicht eintreten, so dass sich keine generelle Verkehrsauffassung im Sinne der Klägerin entwickelt hat. |
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| Eine weitere Bestätigung dafür, dass keine einheitliche Verkehrsauffassung festzustellen ist, ergibt sich aus der Stellungnahme der Gesellschaft Deutscher Chemiker/Arbeitsgruppe Fisch und Fischerzeugnisse (www.gdch.de/strukturen/fg/lm/ag/ fisch/html), in der nicht nur ausgeführt wird, dass auch dem gut informierten Verbraucher nicht bekannt ist, dass in Fertigpackungen angebotener Räucherlachs aus dem Kühlregal mit dem Hinweis auf Kühllagerung (ca. 14 Tage) ggf. monatelang zuvor in dieser Form tiefgefroren gelagert wurde, sondern auch, dass es zwei Qualitäten auf dem Markt gibt, tiefgefroren gelagerte und später aufgetaute Ware und direkt nach dem Räuchern lediglich gekühlt gelagerte Ware, die der Verbraucher ohne ausreichende Kennzeichnung nicht unterscheiden kann. |
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| Daraus ergibt sich ebenfalls, dass der Verbraucher ohne zusätzliche Information keine Kenntnisse über den Produktionsprozess haben kann, den das Produkt, das er erwerben will, durchlaufen hat. |
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| Fehlt es somit an einem entsprechenden Hinweis, ist dies aber durchaus geeignet, ihn zu der Annahme zu verleiten, der begehrte Räucherlachs sei nach der traditionellen Methode ohne vorheriges Gefrieren geschnitten worden, zumal es eines Gefrierens zur Haltbarmachung nach erfolgter Räucherung hier nicht bedurfte und das Gefrieren ausschließlich aus produktionstechnischen Gründen erfolgte. Dieser (fehlende) Hinweis ist auch geeignet, seinen Kaufentschluss zu beeinflussen. Denn bis in jüngste Zeit wurde proklamiert, dass ein Wiedereinfrieren von aufgetauten Lebensmitteln nur unter Inkaufnahme eines erheblichen Qualitätsverlusts möglich ist. Auch wenn dies aufgrund der aktuellen Kenntnislage im Hinblick auf den aufgetauten Lachs unbedenklich möglich sein dürfte, gehört es zu der durch § 4 Abs. 5 LMKV beabsichtigten Transparenz, den mündigen Verbraucher durch korrekte Information in die Lage zu versetzen, sein Kauf- und ggf. auch sein anschließendes Konsumverhalten entsprechend einzurichten. |
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| Vor diesem Hintergrund spielt die von der Klägerin wesentlich zur Begründung herangezogene frühere Rechtslage nach den Vorschriften der Fischhygieneverordnung keine entscheidungserhebliche Rolle, so dass offen bleiben kann, ob sie im Sinne der Klägerin zu verstehen war. Die neue Rechtslage bezweckt die Anpassung an die Deklarationsrichtlinie und insoweit eine Übereinstimmung gemeinschaftsrechtlicher und nationaler Regelungen und löst die früheren Regelungen ab. Dass diesen weiterhin Geltung zukommen sollte, lässt sich auch nicht der unmittelbar zugrunde liegenden Begründung entnehmen. Die in § 4 Abs. 5 LMKV nunmehr festgeschriebene Kennzeichnungspflicht entspricht den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen in der Richtlinie 2000/13/EG, die in Art. 5 Abs. 3 vorsieht, dass eine Verkehrsbezeichnung eine Angabe über den physikalischen Zustand des Lebensmittels oder über die besondere Behandlung, die es erfahren hat (z.B. pulverförmig, gefriergetrocknet, tiefgekühlt, konzentriert, geräuchert) enthält oder ergänzt wird, sofern die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Käufer einen Irrtum herbeizuführen, und steht in engem Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) i) der genannten Richtlinie, wonach die Etikettierung nicht geeignet sein darf, den Käufer u.a. über die Herstellungsart irrezuführen. Unter diesen Umständen ist auch nicht relevant, was ggf. in Zukunft für lose Ware gelten wird. Die aktuelle rechtliche Neuregelung, die vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen soll (vgl. Gründe Nr. 6 der RL), verliert ihre Bedeutung im vorliegenden Fall auch nicht dadurch, dass entsprechend der Argumentation der Klägerin über den Umweg der Berücksichtigung der Verbraucherauffassung der alten Rechtslage weiterhin Bedeutung zugemessen werden könnte. Das gilt im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund, dass sich eine konkrete Verkehrsauffassung bezogen auf den Produktionsprozess bei Räucherlachs im Hinblick auf verschieden nebeneinander gehandhabte Methoden nicht herausbilden konnte. |
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| Die Klage ist deshalb abzuweisen. |
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| Die Berufung war zuzulassen, da der Rechtssache wegen der Frage der Deklarationspflicht grundsätzliche Bedeutung zukommt, § 124 a Abs.1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. |
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