Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14

bei uns veröffentlicht am22.05.2015

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.12.2014 rechtswidrig war und die Antragstellerin gemäß § 114 GWB in ihren Rechten verletzt ist.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr von ... Eurofestgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigte die Beschaffung von „Reinigungs- und Desinfektionsgeräten sowie Sterilisatoren“ im Rahmen des OP-Neubaus der Klinik in V... Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOL/A.

Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot an diesem Vergabeverfahren. Mit Schreiben vom 09.12.2014 erhielt sie die Information, dass nach dem derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens beabsichtigt sei, ihr Angebot vom 12.11.2014 nach Ablauf der in § 101 a GWB genannten Frist anzunehmen.

Mit Schreiben vom 16.12.2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin dann mit, dass das Vergabeverfahren gemäß § 20 EG VOL/A aufgehoben werde, weil schwerwiegende Gründe, hier wesentliche Änderungen der Planungsunterlagen, vorliegen würden.

Diese Entscheidung rügte die Antragstellerin am 17.12.2014, da sie davon ausgehe, dass hinreichend schwerwiegende Gründe, die eine Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigen könnten, nicht vorliegen würden.

Mit Schreiben vom 19.12.2014 erwiderte die Antragsgegnerin, dass eine vollständige Neukonzeption und Neuplanung erforderlich sei, da in einer Planungsentscheidung im Zusammenhang mit der Erweiterung der zur Unternehmensgruppe gehörenden Klinik A. nun auch die Sterligutaufbereitung für diese bei der Antragsgegnerin einzurichten sei. Der Rüge könne daher nicht abgeholfen werden.

Weil die Rüge vom 17.12.2014 die Antragsgegnerin nicht zur Änderung ihrer Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 22.12.2014 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren den Zuschlag auf ihr Angebot vom 12.11.2014 zu erteilen,

hilfsweise:

2. festzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.12.2014 rechtswidrig war und die Antragstellerin gemäß § 114 GWB in ihren Rechten verletzt ist,

3. der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren,

4. festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war,

5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 20 EG VOL/A ausscheide, weil die dafür im Schreiben vom 19.12.2014 in Anspruch genommenen wesentlichen Änderungen der Grundlagen des Vergabeverfahrens tatsächlich nicht vorlägen.

Nach Ansicht der Antragstellerin handle es sich bei der Planungsentscheidung der Antragsgegnerin um eine solche, die wirtschaftlich sinnvoll sein möge, aber nicht die Qualität habe, ein laufendes Vergabeverfahren nach Zuschlagszusage aufzuheben. Es werde bezweifelt, dass der behauptete Kapazitätsmehrbedarf durch die Übernahme der Sterligutaufbereitung für die Klinik A. zu einer Neuplanung mit „gänzlich anderen Gerätschaften“ führen müsse. Nach Informationen der Antragstellerin hätte die bisherige Kapazitätsplanung bereits ausgereicht, auch die zusätzlichen Leistungen zu erbringen. Denn die bisherige Planung beinhalte bereits Erweiterungsoptionen und davon, dass „gänzlich andere Gerätschaften“ zum Einsatz kommen müssten, könne keine Rede sein.

Außerdem seien dem Schreiben vom 19.12.2014 keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auch nur annähernd die Notwendigkeit einer Verfahrensaufhebung billigen würden. Die genannten Gründe seien dazu viel zu allgemein gehalten.

Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 22.12.2014. Diese legte die Vergabeunterlagen vor.

Mit Schreiben vom 19.01.2015 nahm die Antragsgegnerin zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte:

1. Der Nachprüfungsantrag wird abgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung einer anwaltlichen Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war erforderlich.

Nach Ansicht der Antragsgegnerin sei die Aufhebung des Verfahrens vergaberechtlich nicht zu beanstanden. So sei von wesentlichen Änderungen der Grundlagen auszugehen, wenn die Durchführung des Auftrags wegen einer im Nachhinein aufgetretenen Schwierigkeit nicht mehr möglich oder für den Auftraggeber mit unzumutbaren Folgen verbunden sei.

Folge aus der Planungsentscheidung der ... Klinik Holding GmbH sei, dass die ursprüngliche Konzeption der Sterilgutaufbereitung sowohl hinsichtlich Kapazität und Leistungsfähigkeit als auch Funktionalität und Wirtschaftlichkeit in Bezug auf den Arbeitsprozess nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die nun vorgesehene Einbindung der ... Klinik A. mit zusätzlich ca. 70 bis 80 Sterilguteinheiten täglich entspreche einer Steigerung gegenüber der ursprünglichen Planungen um ca. 35%, was eine völlig neue Konzeption der Sterilgutaufbereitung erfordere.

Neben der technischen Unverträglichkeit der ursprünglich vorgesehenen Geräte mit der neuen Konzeption würden die nicht mehr verwendbaren Gerätschaften bereits ca. 40% des gegenständlichen Auftragsvolumens ausmachen, seien also nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung, sondern würden vielmehr einen wesentlichen Anteil des gegenständlichen Vergabeverfahrens darstellen. Die Antragsgegnerin habe bereits die Ausarbeitung eines neuen, auf die geänderten Gegebenheiten angepassten Leistungsverzeichnisses sowie die Erstellung der weiteren Unterlagen für ein neues Vergabeverfahren veranlasst. Es werde erneut eine Ausschreibung im offenen Verfahren durchgeführt. Eine Teilnahme hieran würde insbesondere auch der Antragstellerin offen stehen.

Aufgrund der erst nachträglich eingetretenen wesentlichen Veränderungen der Grundlagen des Vergabeverfahrens, die für die Antragsgegnerin weder vorhersehbar noch beeinflussbar gewesen seien, sei die Antragsgegnerin berechtigt, gemäß § 20 EG Abs. 1 lit. b VOL/A das Vergabeverfahren aufzuheben. Der Hilfsantrag der Antragstellerin sei daher ebenfalls abzuweisen.

Mit Schreiben vom 23.01.2015 erwiderte die Antragstellerin, dass die Ausführungen der Antragsgegnerin deutlich machten, dass es sich nicht lediglich um eine (angebliche) Erhöhung der Quantität der Sterilgüter handele, sondern vielmehr wolle die Antragsgegnerin nunmehr auch andere Anforderungen an die Leistungen setzen, die nicht in der bloßen Mengenänderung begründet seien. Die von der Antragsgegnerin behauptete technische Unverträglichkeit der ursprünglich vorgesehenen Geräte mit der neuen Konzeption sei nicht gegeben. Die Antragsgegnerin nehme eine Änderung der Anforderungen vor, für die keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich sei. Die Antragstellerin beanstande die Wirksamkeit der Aufhebung und ziehe sich nicht auf die Geltendmachung von Schadensersatz zurück. Es müsse vielmehr die rechtswidrig getroffene Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin korrigiert werden.

Der ehrenamtliche sowie die hauptamtliche Beisitzerin haben die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden übertragen.

Mit Schreiben vom 03.02.2015 nahm die Antragsgegnerin Stellung zum Schriftsatz der Antragstellerin und übergab eine Kopie der E-Mail der Geschäftsführung der Muttergesellschaft vom 05.12.2014 an die Antragsgegnerin, mit der diese über die grundsätzliche Neuausrichtung, die Sterilgutaufbereitung des Klinikums A. ebenfalls im Klinikum V.. vorzunehmen, informiert und zur entsprechenden Umsetzung aufgefordert worden sei. Ein eigenes Beschlussprotokoll über die Geschäftsführersitzung der Muttergesellschaft existiere nicht.

Sie erwiderte, dass die Ausführungen der Antragstellerin zur angeblichen Tauglichkeit der ausgeschriebenen Gerätschaften für das geänderte Betriebskonzept basierend auf der Annahme von Betriebs- und Arbeitsabläufen, realitätsfremd seien und insbesondere nicht den bei der Antragsgegnerin gegebenen maßgeblichen Umständen entsprechen würden.

Mit Schreiben vom 11.02.2015 nahm die Antragstellerin hierzu Stellung und führte aus, dass aus der von der Antragsgegnerin beigefügten E-Mail weder eine Beschlussfassung der ... Klinik Holding GmbH noch der mutmaßliche Inhalt, die Sterilgutaufbereitung des Klinikums A. auch im Klinikum V.. durchführen zu wollen, erkennbar sei. Nach eigenen Aussagen der Antragsgegnerin existiere kein eigenes Beschlussprotokoll, obwohl der Beschluss angeblich erhebliche Auswirkungen auf das Vergabeverfahren habe. Deutlich werde hingegen, dass die Antragsgegnerin bereits am Morgen des 05.12.2014 über die mutmaßliche Änderung informiert worden sei, in Kenntnis dessen aber der Antragstellerin am 09.12.2014 dennoch den Zuschlag in einer Ausschreibung angekündigt habe, die nach den eigenen Angaben der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt bereits gar nicht mehr gewollt gewesen sei.

Hierauf entgegnete die Antragsgegnerin, dass das neu gefasste Konzept einer zentralen Sterilgutaufbereitung im Klinikum V.. darauf ausgerichtet werden müsse, Sterilgüter aus schlussendlich 17 Operationssälen abarbeiten zu können. Vielmehr sei festzustellen, dass sämtliche Behauptungen der Antragstellerin auf Annahmen basierten, die nicht mit der bei der Antragsgegnerin gegebenen Realität übereinstimmen würden.

Es werde nochmals auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 23.12.2010 - Az. Verg 21/10 aufmerksam gemacht, in der ausdrücklich klargestellt werde, dass bei Änderungen des Beschaffungsgegenstandes und fortbestehender Beschaffungsabsicht sehr wohl der Vergabestelle eine gerichtlich nicht nachprüfbare Entscheidungskompetenz zuzubilligen sei und im Zweifel die Aufhebung eines Vergabeverfahrens mit der Absicht der Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nicht beanstandet werden dürfe.

Auf all dies komme es allerdings vorliegend nicht an, da das Angebot der Antragstellerin bei einer Aufhebung der Aufhebungsentscheidung und Zurückversetzung des streitgegenständlichen Verfahrens in den Stand vor Aufhebung zwingend auszuschließen wäre. Eine nochmalige Überprüfung des Angebots der Antragstellerin habe ergeben, dass in zahlreichen Punkten Abweichungen der angebotenen Leistung von den sich aus dem Leistungsverzeichnis ergebenden Anforderungen vorlägen.

Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 04.03.2015 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 17.03.2015 geladen.

Die mündliche Verhandlung fand am 17.03.2015 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Antragstellerin teilte mit, dass sie an ihren Anträgen aus dem Nachprüfungsantrag vom 22.12.2014 zu Ziffer 2 bis 5 festhält. Der Antrag aus Ziffer 1 wurde nicht weiter verfolgt.

Mit Schreiben vom 10.04.2015 nahm die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung Stellung. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin der Meinung, dass es auf die Frage, ob das Interesse der Antragstellerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB deshalb nicht gegeben sei, weil sie aus verschiedenen Gründenmit ihrem Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen, für die Begründung eines Feststellungsinteresses nicht ankomme. So komme ein Feststellungsinteresse in Betracht, wenn ein Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin bestehen könne. Dafür reiche die Möglichkeit, über § 311 Abs. 2 BGB das negative Interesse geltend zu machen. Diese Möglichkeit stehe nicht nur denjenigen offen, die eine Zuschlagschance hatten, sondern allen Teilnehmern an einem Vergabeverfahren, die darauf vertrauen durften, dass der Auftraggeber die Ausschreibung nicht in rechtswidriger Weise aufheben würde. Darüber hinaus lägen auch keine Ausschussgründe vor.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Im Einzelnen wird auf deren Inhalt sowie auf die weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV). Die örtliche Zuständigkeit ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV gegeben, da die Vergabestelle ihren Sitz im Regierungsbezirk Oberbayern hat.

Vorliegend handelt es sich um einen öffentlichen Lieferauftrag i. S. d. §§ 99 Abs. 2 GWB. Der Antragsgegner ist auch öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 5 GWB.

Vorliegend überschreitet der Auftragswert den maßgeblichen Schwellenwert für Dienstleistungen bei weitem.

Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.

1. Zulässigkeit des Feststellungsantrags

Da die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2015 ihren ursprünglichen Hauptantrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren den Zuschlag auf ihr Angebot vom 12.11.2014 zu erteilen und damit auch den implizit darin erhaltenen Antrag, die Aufhebung der von der Antragsgegnerin am 16.12.2014 ausgesprochenen Aufhebung des Vergabeverfahren auszusprechen, nicht mehr aufrecht erhalten hat, war nur noch über den - vorher hilfsweise gestellten - Feststellungsantrag der Antragstellerin zu entscheiden.

Ein Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung ist zulässig, wenn der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig war, die Voraussetzungen des § 114 Abs.2 Satz 2 GWB gegeben sind und der Antragstellerin das Feststellungsinteresse zugestanden werden kann.

1.1 Antragsbefugnis

Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB oder zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen.

1.2 Voraussetzungen des §114 Abs. 2 Satz 2 GWB

Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.

Der Auftraggeber kann das Ausschreibungsverfahren auch noch während eines Vergabenachprüfungsverfahrens aufheben. Diese Kompetenz ist Ausfluss seiner (vergabe-)verfahrensrechtlichen Dispositionsbefugnis: Zivilrechtlich betrachtet stellt die Ausschreibung nämlich eine Aufforderung zur Angebotsabgabe dar, die keine Bindung und keinen Kontrahierungszwang für die Vergabestelle in dem Sinne begründet, auf eines der eingehenden Angebote einen Zuschlag erteilen und damit einen Vertrag abschließen zu müssen. Ebenso wenig besteht auf Seiten der Bieter ein Anspruch darauf, dass die Vergabestelle das Verfahren mit einem Zuschlag abschließt. An dieser zugrunde liegenden zivilrechtlichen Konstellation ändert z. B. § 20 EG VOL/A nichts. Die Frage, ob die Aufhebung durch einen der z. B. in § 20 EG VOL/A normierten Gründe gedeckt ist, erhält lediglich Bedeutung für mögliche Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens (1. VK Saarland, B. v. 01.10.2007 - Az.: 1 VK 02/2007). Wenden sich die Bieter - wie hier in der mündlichen Verhandlung - nicht mehr gegen die Aufhebung oder wird die Wirksamkeit der Aufhebung in einem Nachprüfungsverfahren bestätigt, hat sich das Ausschreibungsverfahren erledigt (OLG Düsseldorf, B. v. 11.05.2011 - Az.: VII-Verg 10/11; VK Südbayern, B. v. 05.03.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-01-01/07).

Hat ein Unternehmen mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung gemacht, ist die Vergabekammer bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Unternehmens auf dessen Antrag auch zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich herausstellt, dass trotz des Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 - Az.: VII - Verg 76/04; B. v. 08.03.2005 - Az.: VII - Verg 40/04) oder eine solche - wie hier - von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr verfolgt wird.

Für die Feststellung der Erledigung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens kommt es auf die ursprüngliche Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrags nicht an. Es reicht vielmehr aus, dass der auf Vornahme oder Unterlassung gerichtete Antrag des Antragstellers gegenstandslos geworden ist. Der Wortlaut des § 114 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 3 S. 3 GWB geht erkennbar von diesem Verständnis aus. Läge eine Erledigung nur dann vor, wenn der Nachprüfungsantrag ursprünglich zulässig und begründet gewesen wäre, wäre der das Ergebnis offen lassende Wortlaut „ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat“, nicht verständlich, weil dann bei einer Erledigung immer eine Rechtsverletzung vorläge. Der Gesetzgeber hat sich dabei (sprachlich allerdings klarer) an § 71 Abs. 2 S. 4 GWB und § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO orientiert.

In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass - insoweit anders als in einem Zivilprozess - eine Erledigung eines Antrags unabhängig davon eintreten kann, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung für die Regelung des § 71 Abs. 2 S. 2 GWB übernommen (Weyand, ibronline-Kommentar Vergaberecht, Stand 15.02.2015, § 114 GWB Rdn. 228).

Da die Antragstellerin die Aufhebung des Vergabeverfahrens an die Erteilung des Zuschlags an sie selbst zuletzt nicht mehr verfolgt hat, hat sich das Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache durch die mittlerweile wirksame Aufhebung gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt (OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 72/04).

1.3 Feststellungsinteresse

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach allgemeiner Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (z. B. OLG München, B. v. 19.07.2012 - Az.: Verg 8/12; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - Az.: VII-Verg 55/12; B. v. 08.06.2011 - Az.: VII-Verg 2/11; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 - Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 - Az.: 1 Verg 4/08). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Zur Bestimmung eines solchen Feststellungsinteresses kann auf die Grundsätze anderer Verfahrensordnungen, insbesondere zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung zurückgegriffen werden (VK Hessen, B. v. 31.7.2002 - Az.: 69 d VK - 14/2002; VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.01.2012 - Az.: VK-SH 24/11).

Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Ein solches Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (OLG München, B. v. 19.07.2012 - Az.: Verg 8/12;OLG Celle, B. v. 04.03.2010 - Az.: 13 Verg 1/10; OLG Düsseldorf, B. v. 30.04.2014 - Az.: VII-Verg 35/13; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 - Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 - Az.: 1 Verg 4/08).

Schadensersatzansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin kommen im vorliegenden Fall in zweierlei Hinsicht in Betracht. Zum einen könnte die Antragstellerin einen Anspruch auf das positive Interesse, also ihren entgangenen Gewinn gegen die Antragsgegnerin geltend machen, da sie ja zum Zuschlag vorgesehen war, wie ihr die Antragsgegnerin noch am 09.12.2014 mitgeteilt hatte. Dies würde allerdings voraussetzen, dass der Antragstellerin bei einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens der Zuschlag zwingend zu erteilen gewesen wäre, was angesichts des Vortrags der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren zu den Abweichungen des Angebots der Antragstellerin von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung zweifelhaft erscheint.

Zum anderen könnte der Antragstellerin aufgrund der von ihr behaupteten rechtswidrigen Aufhebung des Vergabeverfahrens aber jedenfalls der Ersatz des Vertrauensschadens zustehen. Für diesen genügt das Bestehen einer „echten Zuschlagschance“ im Sinn von § 126 S. 1 GWB (OLG Celle, B. v. 30.10.2014 - Az.: 13 Verg 8/14; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - Az.: VII-Verg 55/12).

Im Falle einer schuldhaft rechtswidrigen Aufhebung eines Vergabeverfahrens kann der Antragstellerin sogar dann ein Anspruch auf Ersatz ihres Vertrauensschadens gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB erwachsen, wenn ihr Angebot im Verfahren hätte ausgeschlossen werden müssen.

Anders als die Antragsgegnerin meint, führt ihr Vortrag zu den aus ihrer Sicht nachträglich im Nachprüfungsverfahren erkannten Ausschlussgründen nicht dazu, dass von vorneherein das Feststellungsinteresse für die Antragstellerin entfällt (OLG Naumburg, Urteil v. 27.11.2014 - Az.: 2 U 152/13).

Auch die Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs auf das negative Interesse ist geeignet, ein entsprechendes Feststellungsinteresse der Antragstellerin zu begründen. Dies begründet sich schon aus der Bindungswirkung der Zivilgerichte an die Entscheidungen der vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen gem. § 124 GWB.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist damit zulässig.

1.4 Erfüllung der Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB

Die Antragstellerin hat auf die mit Schreiben vom 16.12.2014 mitgeteilte Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Aufhebung des Vergabeverfahrens mit Schreiben vom 17.12.2014 reagiert und diese Entscheidung damit in jedem Fall unverzüglich als unzulässig gerügt.

2. Begründetheit des Feststellungsantrags

Die Antragstellerin wurde durch die rechtswidrige, aber mittlerweile wirksame Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt. Dabei muss nicht entschieden werden, ob das Angebot der Antragstellerin, das die Antragsgegnerin zunächst für zuschlagsfähig gehalten hatte, wegen Abweichungen von der Leistungsbeschreibung zwingend hätte vom Verfahren ausgeschlossen werden müssen.

2.1 Die Aufhebung der streitgegenständlichen Ausschreibung konnte nicht rechtmäßig nach § 20 EG Abs. 1 lit. b VOL/A erfolgen. Danach kann ein Vergabeverfahren aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben.

Für eine wesentliche Änderung der Grundlagen ist eine derartige Änderung erforderlich, dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden ist (OLG München, B. v. 04.04.2013 - Az.: Verg 4/13; 1. VK Bund, B. v. 11.06.2013 - Az.: VK 1 - 33/13; VK Südbayern, B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04). Die Umstände müssen so erheblich sein, dass eine Anpassung der Angebote nicht in Betracht kommt (1. VK Bund, B. v. 11.06.2013 - Az.: VK 1 - 33/13 - Vielzahl von zentralen Änderungsnotwendigkeiten im LV; 3. VK Bund, B. v. 09.02.2012 - Az.: VK 3 - 6/12).

Eine wesentliche Änderung liegt dann vor, wenn wegen rechtlicher, technischer, zeitlicher oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die während der laufenden Ausschreibung aufgetreten sind, die Durchführung des Auftrags nicht mehr möglich oder zumindest für den Auftraggeber objektiv sinnlos oder unzumutbar ist (VK Baden-Württemberg, B. v. 26.08.2013 - Az.: 1 VK 30/13).

Da die Aufhebung einer Ausschreibung den Ausnahmefall für die Beendigung einer Ausschreibung darstellt und die Bieter auf die Durchführung und den ordnungsgemäßen Abschluss vertrauen dürfen, ist die Vorschrift des § 20 EG VOL/A eng auszulegen. Eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen liegt daher nur dann vor, wenn eine ganz entscheidende Abänderung der bisherigen Absicht zur Leistungserbringung erforderlich wird. Korrekturen an nicht eindeutigen Leistungsbeschreibungen können zur Aufhebung führen, es sei denn, dass die Bieter den Inhalt einheitlich und richtig verstehen (OLG München, B. v. 06.12.2012 - Az.: Verg 29/12).

Hinzu kommt, dass die Gründe, die eine Aufhebung rechtfertigen sollen, nicht der Vergabestelle zurechenbar sein dürfen (OLG München, B. v. 04.04.2013 - Az.: Verg 4/13; B. v. 06.12.2012 - Az.: Verg 29/12; B. v. 28.08.2012 - Az.: Verg 11/12). Sie dürfen nicht der Risikosphäre des Auftraggebers zuzuordnen sein.

Eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens liegt hier sogar nahe. Die aufgrund der Planungsentscheidung der ... Klinik Holding GmbH, die Sterilgutaufbereitung von vier Operationssälen aus dem Klinikum A. ebenfalls in V.. durchführen zu lassen, vorgesehenen Änderungen am Leistungsumfang sind erheblich. Dies lässt sich allein schon an der Beschaffung der Dampfsterilisatoren verdeutlichen. In der aufgehobenen Ausschreibung ging es um drei Dampfsterilisatoren mit einmal 12 Sterilguteinheiten (STE) und zweimal 6 STE = 24STE, bzw. in der Ausbaustufe mit zusätzlich einem 12 STE-Sterilisator auf 36 STE, während das neue Konzept (und auch die Leistungsbeschreibung des mittlerweile erneut begonnenen Vergabeverfahrens) bei Los 1 zwei Dampfsterilisatoren mit einer maximalen Kapazität von zweimal 18 STE = 36 STE vorsieht. Dies stellt keineswegs nur eine Änderung des Beladungskonzepts dar, sondern fordert die Beschaffung anderer Gerätetypen, bzw. macht die in der ursprünglichen Ausschreibung vorgesehenen Geräte für die Antragsgegnerin nutzlos.

Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Die Gründe, die eine Aufhebung rechtfertigen sollen, sind hier nämlich der Vergabestelle zuzurechnen. Die Planungsentscheidung ihrer Konzernobergesellschaft, der ... Klinik Holding GmbH, das Klinikum A. einzubeziehen, muss sich die Antragsgegnerin zurechnen lassen, sie fällt in ihre Risikosphäre. Daran ändert auch nichts, dass der Antragsgegnerin nicht nachzuweisen war, dass sie vor dem 05.12.2014 Kenntnis von den Planungen der ... Klinik Holding GmbH hatte und möglicherweise diese auch nicht beeinflussen hätte können. Aus Sicht eines Bieters in einem Vergabeverfahren kann es keine Unterschied machen, ob die Entscheidung in dem ausschreibenden Unternehmen selbst, oder in einem Unternehmen gefallen ist, das einen beherrschenden Einfluss auf das vergebende Unternehmen ausübt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich öffentliche Auftraggeber nicht deshalb auf einen Aufhebungsgrund nach § 20 Abs. 1 lit. b VOL/A-EG berufen können, weil sie geltend machen, dass sie den Beschaffungsbedarf nunmehr anders definieren und ausschreiben oder auch gar nicht mehr ausschreiben würden. Derartige Motivationsänderungen haben sie zu vertreten. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, den Beschaffungsbedarf eines Vergabeverfahrens vor Verfahrensbeginn sorgfältig zu bestimmen, und zwar auch im Hinblick darauf, wie er zu beschreiben ist, um bestmögliche wirtschaftliche Beschaffungsergebnisse zu erreichen. Dazu zählt auch, wie offen oder detailliert ein Leistungsgegenstand beschrieben wird und erst recht, ob der Beschaffungsbedarf überhaupt besteht. Denn die zutreffende Beschreibung der ausgeschriebenen Leistung und damit auch das Bestimmungsrecht über den Beschaffungsinhalt obliegt grundsätzlich dem Auftraggeber (vgl. § 8 VOL/AEG), so dass auch Änderungen der Leistungsbeschreibung, jedenfalls wenn sie nicht auf unvorhersehbaren nachträglich eintretenden Ereignissen beruhen, in die Risikosphäre bzw. in den grundsätzlich vorhersehbaren Bereich des Auftraggebers fallen (1. VK Bund, B. v. 29.08.2011 - Az.: VK 1 - 105/11).

Dasselbe muss auch im Falle einer hier vorliegenden Motivationsänderung aufgrund von für die Vergabestelle überraschenden Entscheidungen ihrer Konzernobergesellschaft gelten. Eine solche führt nicht zu einer rechtmäßigen, sanktionslosen Aufhebung gem. § 20 EG Abs. 1 lit. b VOL/A, sondern allenfalls zu einer wirksamen, aber rechtswidrigen und schadensersatzpflichten Aufhebung (siehe dazu z. B. BGH, B. v. 20.03.2014 -Az.: X ZB 18/13).

2.2 Die Antragstellerin wurde durch die nicht von § 20 EG Abs. 1 lit. b VOL/A gedeckte Aufhebung des Vergabeverfahrens auch in ihren Rechten verletzt und hat ein Interesse an der Feststellung dieser Rechtswidrigkeit.

Dabei kommt es für die Feststellung der Rechtsverletzung nicht darauf an, ob das Angebot der Antragstellerin - der ja noch am 09.12.2014 mitgeteilt worden war, sie solle den Zuschlag auf dieses Angebot erhalten - wegen Abweichungen von der Leistungsbeschreibung zwingend auszuschließen war oder nicht.

Diese Frage spielt nur dann eine maßgebliche Rolle, wenn die Antragstellerin Schadensersatz für das positive Interesse - also insbesondere den entgangenen Gewinn fordert oder nach § 126 GWB vorgehen will. Im ersteren Fall müsste sie vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit nachweisen, dass ihr - bei einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren - der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, im Falle des § 126 GWB zumindest das Bestehen einer echten Zuschlagschance. Eine solche kann erst dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber darauf im Rahmen des ihm zustehenden Wertungsspielraums den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin hätte erteilen dürfen (BGH, Urteil vom 27.11.2007 -Az.: X ZR 18/07).

Beides ist angesichts des Vortrags der Antragsgegnerin zu den Abweichungen von der Leistungsbeschreibung fraglich, aber von der Vergabekammer nicht zu prüfen, da Vergabekammer und Vergabesenat grundsätzlich nicht die Erfolgsaussichten von beabsichtigten Schadensersatzansprüchen prüfen (OLG München, B. v. 19.07.2012 - Az.: Verg 8/12). Dies ist Sache der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Obwohl nicht auszuschließen ist, dass ihr Angebot mit einem zwingenden Ausschlussgrund behaftet war, hat die Antragstellerin nämlich möglicherweise einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses im Hinblick auf die rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Hätte die Konzernobergesellschaft der Antragsgegnerin, deren Handlungen dieser zuzurechnen sind, ihre Planungsentscheidungen vor Beginn der Ausschreibung getroffen, oder die Antragsgegnerin zumindest rechtzeitig von den - offenbar schon länger währenden Planungen - in Kenntnis gesetzt, so dass diese die Ausschreibung schon in einem deutlich früheren Zustand hätte beenden können, wozu sie auch zum Schutze ihrer Bieter verpflichtet war, wäre es nicht zu einer kostenträchtigen Teilnahme der Bieter am Vergabeverfahren gekommen bzw. hätten die Bieter ihre Aufwendungen möglicherweise minimieren können. Möglicherweise hätte auch die Antragstellerin ihre mit der Angebotserstellung verbundenen Aufwendungen erspart oder verringern können. Diese hypothetische Betrachtung rechtfertigt es, dass nicht nur der Bestbieter, d. h. der Bieter, der bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, einen Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses haben kann, sondern alle teilnehmenden Bietern (OLG Naumburg Urteil vom 27.11.2014 -Az.: 2 U 152/13). Ob und in welcher Höhe der Anspruch tatsächlich besteht, hat die Zivilgerichtsbarkeit zu entscheiden.

Im Vergaberecht ist Voraussetzung für das Feststellungsinteresse die nicht auszuschließende Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs des Bieters gegen die Vergabestelle für den Fall des konkreten Vergaberechtsverstoßes oder jedes nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (Thiele in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht 3. Auflage 2014, § 114 Rn. 63).

Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin ungeachtet dessen, ob ihr Angebot im Falle der hypothetischen Weiterführung des Vergabeverfahrens möglichweise hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen, ein ausreichendes Interesse an der Feststellung, dass die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig war.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 50.000 Euro erhöht werden kann. Im Einzelfall kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Im vorliegenden Verfahren wird die Gebühr auf ... Euro festgesetzt.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin wird als notwendig angesehen.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin beruht auf § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG.

Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von ihr nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.

Urteilsbesprechung zu Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14

Urteilsbesprechungen zu Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä
Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 128 Auftragsausführung


(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelunge

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 100 Sektorenauftraggeber


(1) Sektorenauftraggeber sind 1. öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,2. natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn a) d

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 124 Fakultative Ausschlussgründe


(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn1.das Unternehmen bei der Ausfüh

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 114 Monitoring und Vergabestatistik


(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnun

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 104 Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge


(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst: 1. die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Baut

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 71 Kostentragung und -festsetzung


Das Gericht kann anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch e

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 126 Zulässiger Zeitraum für Ausschlüsse


Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es 1. bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräft

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 22. Mai 2015 - Z3-3/3194/1/63/12/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Nov. 2007 - X ZR 18/07

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 18/07 Verkündet am: 27. November 2007 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ nein BGHR ja GWB §

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 18/13 vom 20. März 2014 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Fahrbahnerneuerung GWB § 124 Abs. 2 Die Divergenzvorlage kann nur in denselben Grenzen auf Ausschn

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Nov. 2014 - 2 U 152/13

bei uns veröffentlicht am 27.11.2014

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. November 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Beklagt

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 04. Feb. 2009 - 1 Verg 4/08

bei uns veröffentlicht am 04.02.2009

Tenor 1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt. 2.

Referenzen

(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnungen bis zum 15. Februar 2017 und danach auf Anforderung schriftlich Bericht. Zu berichten ist regelmäßig über die jeweils letzten drei Kalenderjahre, die der Anforderung vorausgegangen sind.

(2) Das Statistische Bundesamt erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine Vergabestatistik. Zu diesem Zweck übermitteln Auftraggeber im Sinne des § 98 an das Statistische Bundesamt Daten zu öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 103 Absatz 1 unabhängig von deren geschätzten Auftragswert und zu Konzessionen im Sinne des § 105. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabestatistik sowie der Datenübermittlung durch die meldende Stelle einschließlich des technischen Ablaufs, des Umfangs der zu übermittelnden Daten, der Wertgrenzen für die Erhebung sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendung der entsprechenden Verpflichtungen zu regeln.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1.
die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,
2.
die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,
3.
Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder
4.
Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1.
bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder
2.
der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnungen bis zum 15. Februar 2017 und danach auf Anforderung schriftlich Bericht. Zu berichten ist regelmäßig über die jeweils letzten drei Kalenderjahre, die der Anforderung vorausgegangen sind.

(2) Das Statistische Bundesamt erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine Vergabestatistik. Zu diesem Zweck übermitteln Auftraggeber im Sinne des § 98 an das Statistische Bundesamt Daten zu öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 103 Absatz 1 unabhängig von deren geschätzten Auftragswert und zu Konzessionen im Sinne des § 105. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabestatistik sowie der Datenübermittlung durch die meldende Stelle einschließlich des technischen Ablaufs, des Umfangs der zu übermittelnden Daten, der Wertgrenzen für die Erhebung sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendung der entsprechenden Verpflichtungen zu regeln.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnungen bis zum 15. Februar 2017 und danach auf Anforderung schriftlich Bericht. Zu berichten ist regelmäßig über die jeweils letzten drei Kalenderjahre, die der Anforderung vorausgegangen sind.

(2) Das Statistische Bundesamt erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine Vergabestatistik. Zu diesem Zweck übermitteln Auftraggeber im Sinne des § 98 an das Statistische Bundesamt Daten zu öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 103 Absatz 1 unabhängig von deren geschätzten Auftragswert und zu Konzessionen im Sinne des § 105. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabestatistik sowie der Datenübermittlung durch die meldende Stelle einschließlich des technischen Ablaufs, des Umfangs der zu übermittelnden Daten, der Wertgrenzen für die Erhebung sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendung der entsprechenden Verpflichtungen zu regeln.

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.

Das Gericht kann anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Das Gericht kann anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnungen bis zum 15. Februar 2017 und danach auf Anforderung schriftlich Bericht. Zu berichten ist regelmäßig über die jeweils letzten drei Kalenderjahre, die der Anforderung vorausgegangen sind.

(2) Das Statistische Bundesamt erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine Vergabestatistik. Zu diesem Zweck übermitteln Auftraggeber im Sinne des § 98 an das Statistische Bundesamt Daten zu öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 103 Absatz 1 unabhängig von deren geschätzten Auftragswert und zu Konzessionen im Sinne des § 105. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabestatistik sowie der Datenübermittlung durch die meldende Stelle einschließlich des technischen Ablaufs, des Umfangs der zu übermittelnden Daten, der Wertgrenzen für die Erhebung sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendung der entsprechenden Verpflichtungen zu regeln.


Tenor

1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt.

2. Die Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Senat und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.

4. Der Gegenstandswert wird auf 218.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Die Vergabestelle (Antragsgegnerin) hatte in 3 Lose aufgegliederte Tiefbauarbeiten mit einem von ihr mit rund 4,6 Mio. € angesetzten Gesamtauftragswert in Anwendung der Basisparagraphen der VOB/A national ausgeschrieben.

2

Die Antragsstellerin erfuhr durch die Öffentliche Ausschreibung von der Vergabeabsicht, forderte die Verdingungsunterlagen an, die ihr auch übersandt wurden, und gab fristgerecht ein Angebot mit einer Angebotssumme von ca. 4, 36 Mio. € ab, das von der Vergabestelle wegen des Fehlens geforderter Unterlagen und unvollständiger Angaben zu mehreren Leistungspositionen aus der Wertung genommen werden musste.

3

2. Der Angebotsausschluss wurde von der Antragstellerin nicht beanstandet. Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 2. Oktober 2008 strebte sie vielmehr eine Aufhebung der Ausschreibung und eine EU-weite Neuausschreibung im Offenen Verfahren an: Der Auftragswert sei von der Vergabestelle falsch geschätzt worden, tatsächlich liege er über dem Schwellenwert von 5,15 Mio. €. Außerdem seien bei den in den Losen 1 und 3 ausgeschriebenen Leistungen die Grenzwerte des § 2 Nr. 7 VgV deutlich überschritten worden. Diese Norm sei hier anwendbar, weil diese Teilleistungen in einem untrennbaren sachlichen und funktionalen Zusammenhang mit einem Großbauvorhaben (Hochwasserschutz) mit einem Auftragswert in zweistelliger Millionenhöhe stünden. Wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart müsse die Ausschreibung aufgehoben und ihr damit die Chance gegeben werden, in einem neuen Verfahren ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.

4

3. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als unzulässig mit der Begründung, die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) nicht nachgekommen.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein, die sie mit einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) verband.

II.

6

Mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 hat der Senat den Eilantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

7

„1. Der Eilantrag ist abzulehnen, weil die sofortige Beschwerde aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die Anfechtung vor dem Senat ist zwar ungeachtet der Frage des Auftragswerts zulässig, weil sie sich gegen eine Entscheidung der Vergabekammer richtet (§ 116 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Satz 1 GWB). In der Sache hat das Rechtsmittel wahrscheinlich aber keine Aussicht auf Erfolg: Entweder ist der Nachprüfungsantrag schon wegen Unterschreitung des Schwellenwerts und damit wegen Unanwendbarkeit des 4. Teils des GWB (§ 100 Abs. 1 GWB) unzulässig oder die Unzulässigkeit ergibt sich aus der fehlenden Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB). Auf eine (wahrscheinliche) Rügepräklusion (§ 107 Abs. 3 GWB) kommt es nicht mehr an.

8

2. Mit Blick auf die Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) ist es für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags erforderlich, dass der Antragsteller schlüssig darlegt, dass und welche vergaberechtliche Vorschrift verletzt worden sein soll und dass er ohne diese Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf diesen Vergaberechtsverstoß zurückzuführen ist. Daran fehlt es hier.

9

3. Die Weigerung einer Vergabestelle, eine Ausschreibung aufzuheben, kann allein noch keine Verletzung subjektiver Rechte eines Bieters begründen, weil es keinen isolierten Aufhebungsanspruch und auch keinen generellen Anspruch auf eine „zweite Chance“ gibt. Die Vergabestelle ist vielmehr dann, aber auch nur dann zugunsten eines Bieters zur Aufhebung verpflichtet, wenn diese Maßnahme zur Beseitigung einer Rechtsverletzung und Abwendung eines durch diese Rechtsverletzung dem Bieter drohenden Schadens als ultima ratio geboten ist. Ob ein öffentlicher Auftraggeber, der die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung missachtet, im eigenen Interesse – etwa zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen oder eines Vertragsverletzungsverfahrens – gehalten ist, die Ausschreibung aufzuheben, ist hier unerheblich.

10

4. Die Antragstellerin hat weder in der Begründung des Nachprüfungsantrags noch in der Beschwerdeschrift einen (potentiell) schadensträchtigen Vergaberechtsverstoß zu ihrem Nachteil dargelegt, der die Aufhebung der Ausschreibung geböte. Die bloße Behauptung, der fragliche Auftrag hätte EU-weit ausgeschrieben werden müssen, reichte selbst dann nicht aus, wenn sie zuträfe.

11

a) Die Bekanntmachung der Vergabeabsicht ist kein Selbstzweck. Sie stellt vielmehr die Publizität sicher und gewährleistet, dass potentielle Auftragnehmer von der bevorstehenden Auftragsvergabe erfahren und ihr Interesse bekunden können. Außerdem wird durch die Bekanntmachung sichergestellt, dass alle Interessenten die gleichen Informationen erhalten.

12

b) Ab einer durch Schwellenwerte definierten Größenordnung werden die Binnenmarktrelevanz eines Auftrages und damit ein grenzüberschreitendes Interesse an der Auftragsvergabe unwiderlegbar vermutet. Deshalb ist die Bekanntmachung der Vergabeabsicht grenzüberschreitend so zu gestalten, dass jedes in einem der Mitgliedsstaaten der EU ansässige Unternehmen davon Kenntnis erlangen kann. Dies ist bei einer „europaweiten Ausschreibung“ durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (§ 17a Nr. 2 Abs. 2 VOB/A) gewährleistet.

13

c) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung verletzt aber nicht ohne weiteres auf eine (potentiell) schadenskausale Weise die Rechte eines (in- oder ausländischen) Bieters, der nicht nur durch eine andere Form der Veröffentlichung über die Vergabeabsicht informiert und deshalb die Lage versetzt wird, durch Anforderung der Verdingungsunterlagen sein Interesse an der Auftragsvergabe zu bekunden, sondern auch ein Angebot abgibt.

14

aa) Dass der Antragstellerin durch die Nichtanwendung des § 17a VOB/A Informationen entgangen sein könnten, die geeignet gewesen wären, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern oder gar die Fehler zu vermeiden, die Ursache für den Ausschluss ihres Angebots gewesen waren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

15

bb) Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Wahl der Öffentlichen Ausschreibung anstelle eines Offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung und damit die Nichtanwendung der bei einer Schwellenwertvergabe zu beachtenden sonstigen Vorschriften des 2. Abschnitts der VOB/A („a-Paragraphen“) die Chancen der Antragstellerin nachteilig beeinflusst haben könnte oder (mit-)ursächlich für den Ausschluss ihres Angebots gewesen wäre (siehe dazu auch OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; Thür. OLG v. 08.05.2008 - 9 Verg 2/08 - IBR 2008, 605).“

III.

16

1. Die Vergabestelle hat inzwischen der Beigeladenen den Auftrag erteilt.

17

2. Die Antragstellerin beantragt nunmehr festzustellen, dass sie durch die Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt wurde (§§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB):

18

a) Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtsverletzung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Insbesondere diene die beantragte Feststellung der Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses gegen die Antragsgegnerin, so dass schon aus diesem Grunde nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung gegeben sei.

19

b) Die vom Senat vorgenommene Differenzierung danach, ob es sich um Informationsüberlassung aufgrund nationalrechtlicher Verpflichtung oder EU-rechtlicher Vorgabe handele, sei nicht möglich und widerspreche im Kern dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe nämlich bewusst davon abgesehen, den Primärrechtsschutz auf Verstöße gegen solche Vorgaben des Vergaberechts zu begrenzen, die auf die europäischen Vergaberichtlinien zurückzuführen sind. Dem Senat sei zuzugestehen, dass eine Verletzung subjektiver Bieterrechte unter anderem dann vorliegen könne, wenn dem Bieter Informationen vorenthalten worden sind. Die Frage der Informationsüberlassung sei jedoch nicht die einzig in Betracht kommende Rechtsverletzung. Vielmehr stelle auch die Wahl der zutreffenden Vergabeart ein subjektives Bieterrecht dar. Dieses Recht sei unabhängig davon verletzt worden, ob der Antragstellerin Informationen vorenthalten wurden oder nicht.

20

c) Tatsächlich seien der Antragstellerin auch Informationen vorenthalten worden, nämlich

21

- dass die streitgegenständliche Baumaßnahme in funktionalem Zusammenhang mit einer bereits EU-weit ausgeschriebenen Hochwasserschutzmaßnahme stehe;

22

- dass den Bietern die Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem 4. Teil des GWB mit dem Recht zur Anrufung von Vergabeprüfstellen, Vergabekammern und gegebenenfalls Vergabesenat zustehen.

23

Durch diese Unterlassung sei sie ebenfalls in ihren Rechten verletzt worden. Sie könne nicht nachzuvollziehen, wie der Senat zu der Ansicht gelangt sei, dazu sei nichts vorgetragen worden. Vielmehr habe sie umfangreich und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die vorgenannten Informationen in der streitgegenständlichen Vergabebekanntmachung und den streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen gerade nicht enthalten waren, und zwar deswegen, weil sich die Antragsgegnerin und die SGD Nord darauf verständigt hätten, die Maßnahme entgegen besseren Wissens nur national auszuschreiben. Diese Behauptung stelle sozusagen den Kern ihres gesamten Vortrags dar.

24

d) Zudem ergebe sich eine Rechtsverletzung nach § 97 Abs. 7 GWB auch daraus, dass der Zuschlag aus einem „anderen Grund“ (BGH v. 26..09.2006 - X ZB 14/06) unzulässig gewesen sei. Dieser „andere Grund“ sei hier, dass die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen das Gebot der EU-weiten Ausschreibung hätte aufgehoben werden müssen.

25

e) Im Übrigen sei der zwischenzeitlich abgeschlossene Vertrag gemäß § 138 GWB nichtig, weil die SGD Nord und die Antragsgegnerin zur Umgehung des Schwellenwertes kollusiv zusammengewirkt hätten. Da dies zu ihrem Nachteil geschehen sei, sei sie auch antragsbefugt.

IV.

26

Der Feststellungsantrag ist zwar statthaft, jedoch wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

27

1. Das Nachprüfungsverfahren i.e.S. hat sich durch Zuschlagserteilung erledigt (§ 114 Abs. 2 GWB). Eine Nichtigkeit des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Vertrages ist nicht gegeben (zu den hier offensichtlich zu verneinenden Voraussetzungen des § 138 BGB siehe Wendtland in: BeckOK BGB § 138, Rn. 20 f.). Im Übrigen könnte die Nichtigkeit mit dem von der Antragstellerin jetzt gestellten (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag überhaupt nicht geltend gemacht werden, weil dessen Statthaftigkeit einen wirksamen Zuschlag voraussetzt.

28

2. Ungeschriebene, weil selbstverständliche Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag nach §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB ist ein Feststellungsinteresse, dass vom Antragsteller darzulegen ist (OLG Düsseldorf v. 02.03.2005 - VII-Verg 70/04). Praktisch kommen die Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches und Wiederholungsgefahr in Betracht.

29

a) In der Regel genügt es, dass der Antragsteller vorträgt, er beabsichtige, Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Allerdings ist ein Feststellungsinteresse zu verneinen, wenn eine entsprechende Klage aussichtslos wäre (VK Sachsen v. 17.01.2007 - 1/SVK / 002 – 05 - veris m.w.N.). Das ist hier der Fall.

30

(1) Bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB – gleichgültig ob auf positives oder negatives Interesse gerichtet – könnte die Antragstellerin bei Beachtung des § 138 Abs. 1 ZPO noch nicht einmal behaupten, geschweige denn schlüssig darlegen, sie hätte mit ihrem nicht wertungsfähigen Angebot eine reelle Chance gehabt, wenn die Vergabestelle das Offene Verfahren statt der Öffentlichen Ausschreibung gewählt hätte. § 25 Nr. 1 VOB/A findet in beide Verfahrensarten Anwendung; ihr Angebot hätte also auf jeden Fall ausgeschlossen werden müssen (siehe auch BGH v. 07.06.2005 - X ZR 19/02 - juris: Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses kommen nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war.“ )

31

(2) Es spricht auch nichts dafür, dass die Antragstellerin gänzlich von der Bewerbung um den Auftrag Abstand genommen – und sich damit die Angebotskosten erspart – hätte, wenn sie vor Angebotsangabe von der Notwendigkeit einer EU-weiten Ausschreibung ausgegangen wäre. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war ihr die Wahl der Verfahrensart durch die Vergabestelle solange völlig gleichgültig, wie sie die Chance sah, den Zuschlag zu erhalten.

32

(3) Ob sie in einem neuen, mit einer EU-weiten Ausschreibung eingeleiteten Verfahren mit möglichen ausländischen Konkurrenten den Zuschlag erhalten hätte, ist völlig ungewiss, sodass ein Schadensersatz auch insoweit ausscheidet (BGH v. 01.08.2006 - X ZR 115/04 - juris Rn. 17).

33

(4) Ein Schadensersatzanspruch nach § 126 GWB setzt voraus, dass in einem vergaberechtskonformen Verfahren eine echte Chance auf den Zuschlag bestanden hätte. Dies ist nur der Fall, wenn das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte; es genügt nicht, dass das Angebot in die engere Wahl gelangt wäre (BGH v. 27.11.2007 - X ZR 18/07). Auch diese Voraussetzung liegt bei einem Bieter, der aus eigenem Verschulden ein mangelhaftes Angebot abgehen hat, offensichtlich nicht vor, und zwar völlig unabhängig davon, ob national oder EU-weit ausgeschrieben wurde.

34

b) Auf eine Wiederholungsgefahr hat sich die Antragstellerin nicht berufen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vergabestelle in absehbarer Zeit weitere Aufträge ausschreiben könnte, bei denen es zu der von der Antragstellerin vermuteten rechtswidrigen Umgehung der a-Paragraphen der VOB/A kommen könnte.

35

c) Zu einem Feststellungsinteresse aus sonstigen Gründen fehlt jeglicher Vortrag der Antragstellerin.

V.

36

Dem Erfolg des Feststellungsantrags steht auch entgegen, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag unzulässig gewesen war (OLG Koblenz v. 06.09.2006 - 1 Verg 6/06 - juris). Insoweit kann auf den oben auszugsweise zitierten Beschluss vom 8. Dezember 2008 Bezug genommen werden. Ergänzend ist anzumerken:

37

1. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle und der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens an sich. Sein einziger Zweck ist es, einem am Auftrag interessierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, den Auftraggeber zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen, das notwendig ist, um einen wegen eines Fehlers des Auftraggebers dem Antragsteller entstandenen oder drohenden Schaden zu beseitigen bzw. zu verhindern.

38

2. Dementsprechend steht in § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unmissverständlich, der Antragsteller habe dazulegen (also nicht nur zu behaupten), „dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht “.Der grundsätzliche Anspruch eines Bieters auf ein fehlerfreies Vergabeverfahren wird in seiner Durchsetzbarkeit im Nachprüfungsverfahren also kraft Gesetzes auf (potentiell) schadenskausale Vergaberechtsverstöße begrenzt. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist deshalb ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des Antragstellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung oder die Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt worden sein könnten (siehe zu einem vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; VK Schleswig-Holstein v. 28.01.2009 - VK-SH 18/08 - juris m.w.N.).

39

3. An einem den Anforderungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB genügenden Vortrag fehlt es im vorliegenden Verfahren nach wie vor gänzlich. Die Antragstellerin rügt(e) zwar die Wahl der Verfahrensart „Öffentliche Ausschreibung“ statt des nach ihrer Auffassung notwendigen Offenen Verfahrens. Es ist aber nicht ersichtlich und schon gar nicht vorgetragen, dass dieser – für die Zulässigkeitsprüfung als gegeben unterstellte – Vergaberechtsverstoß irgendeine nachteilige Folge für sie gehabt haben könnte. Ihr gesamtes Vorbringen geht völlig an der Sache vorbei.

40

a) Eine ordnungsgemäße Ausschreibung beginnt mit der Bekanntmachung, deren vom Auftragswert unabhängiger Inhalt (siehe dazu Lausen in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, § 17a VOB/A Rn. 41) in § 17 VOB/A geregelt ist. § 17a Nr. 2 VOB/A schreibt für Schwellenwertvergaben zwar die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vor. Wieso sich die Aussichten der Antragstellerin auf Erteilung des Zuschlags aber dadurch verschlechtert haben könnten, dass sie die Bekanntmachung „nur“ in einem der in § 17 Nr. 1 Abs. 1, 17a Nr. 2 Abs. 5 VOB/A genannten inländischen Publikationsorganen nachlesen konnte und potentielle ausländische Konkurrenten überhaupt nichts von der Vergabeabsicht erfuhren, ist unerfindlich.

41

b) Soweit § 17a Nr. 3 VOB/A für EU-weite Ausschreibungen zusätzliche Informationen in der Bekanntmachung verlangt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass deren Fehlen irgendwie nachteilig für die Antragstellerin oder gar ursächlich für ihr Unvermögen, ein wertungsfähiges Angebot abzugeben, gewesen sein könnte. Gleiches gilt auch für alle anderen a-Paragraphen, die bei Durchführung eines Offenen Verfahrens anzuwenden sind.

42

c) Die Auffassung der Antragstellerin, die Wahl der falschen Vergabeart sei (hier) ein „anderer“, der Zuschlagserteilung an jeden anderen Bieter entgegenstehender Grund i.S.d. BGH-Entscheidung vom 26. September 2006 (X ZB 14/06 - juris), teilt der Senat nicht. Gemeint ist dort ein anderer bieterbezogener Grund. Die entsprechende Passage der Entscheidungsgründe (juris Rn. 52) befasst sich mit dem Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter, das es nicht zulässt, das Angebot eines Bieters auszuschließen und den Auftrag einem anderen Bieter zu erteilen, der ebenfalls ein nicht wertungsfähiges Angebot eingereicht hat oder aus einen anderen Grund – wie Unzuverlässigkeit oder Mitwirkung an einer Submissionsabsprache – nicht „zuschlagswürdig“ ist.

43

d) Die von der Antragstellerin in der Begründung ihres Feststellungsantrags als fehlend gerügten Informationen haben mit den Erfolgsausichten ihres Angebots nicht das Geringste zu tun, sondern betreffen den Rechtsschutz, vom dem sie auch ohne diese Informationen offensichtlich Gebrauch macht.

44

4. Die Weigerung der Vergabestelle, die Ausschreibung aufzuheben, ist kein selbständiger Vergabeverstoß, der zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könnte. Aus dem Blickwinkel des Bieterschutzes ist die Aufhebung vielmehr eine Rechtsfolge, die als ultima ratio in Betracht kommt, wenn dies zur Beseitigung oder Abwendung eines wegen einer Rechtsverletzung dem Bieter entstandenen oder drohenden Schadens unerlässlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.

VI.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 50 Abs. 2 GKG.

Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es

1.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,
2.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. November 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61,20 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 2. September 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit ihrer seit dem 01.09.2012 rechtshängigen Klage Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns wegen einer vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags, hilfsweise Ersatz des negativen Interesses.

2

Im Rahmen des Bauvorhabens „…

3

4

“ mit einem Netto-Auftragswert über fünf Millionen Euro schrieb ein Eigenbetrieb des Beklagten für den Baubereich 4 das Gewerk Tischlerarbeiten (Fenster, Türen, zugehörige Artikel - Sanierung und Austausch) aus; die Ausschreibung wurde EU-weit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 23.03.2012 (… ) bekannt gemacht. Der Beklagte schätzte den Brutto-Auftragswert nach eigenen - von der Klägerin bestrittenen - Angaben auf 138.248,73 €. Die Ausschreibung erfolgte im Offenen Verfahren, als alleiniges Zuschlagskriterium war der niedrigste Angebotspreis vorgesehen. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Die Angebotsfrist lief bis zum 25.04.2012, 13:00 Uhr; die Bieter sollten sich an ihre Angebote bis zum 06.06.2012 binden.

5

Die Klägerin gab am 24.04.2012 insgesamt zwei Angebote auf elektronischem Wege, jeweils mit elektronischer Signatur, ab, und zwar um 09:11 Uhr ein Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.201,96 € (künftig: Angebot 1) und um 11:02 Uhr ein weiteres Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.580,38 € (künftig: Angebot 2). Beide Angebote wiesen weitgehend identische Preisangaben in den einzelnen Leistungspositionen auf, lediglich in zwei Positionen, deren Gegenstand jeweils die Überarbeitung historischer, einflügliger Innentüren war (Pos. 1.1.30 „… mit drei Kassetten“, Pos. 1.1.50 „… mit sechs Kassetten“), wurden die Einheitspreise gewechselt, was - wegen der unterschiedlichen Mengengerüste (Pos. 1.1.30 „3 St.“, Pos. 1.1.50 „6 St.“) - zu der Preisdifferenz in Höhe von 378,42 € führte. Beide Angebote enthielten in dem jeweiligen Angebotsschreiben auf Formblatt 213 des VHB Bund (Stand: Mai 2010) die Erklärung, dass die Klägerin alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführe, soweit sie nicht auf Formblatt 235 - Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen - abweichende Angaben mache. Das Formblatt 235 lag beiden Angeboten jeweils unausgefüllt bei. Bei beiden Angeboten fehlten u.a. die geforderten Eigen- und Fremderklärungen über Referenzleistungen der Klägerin; Eignungserklärungen oder -nachweise für bzw. Verpflichtungserklärungen von Nachunternehmern lagen nicht bei. Die Klägerin reichte für beide Angebote das geforderte Formblatt 221 (Preisermittlung Zuschlagskalkulation) ein, welches für das Angebot 1 keine Eintragung zu Nachunternehmerleistungen enthielt, während für das Angebot 2 unter Ziffer 2 auch relative (prozentuale) Zuschläge auf Nachunternehmerleistungen angegeben waren und unter Ziffer 3, dort Kostenfaktor 3.5, kalkulierte Nachunternehmerleistungen im Wert von 97.775,50 € angegeben waren.

6

Bei Eröffnung der Angebote lagen Hauptangebote von drei Bietern vor. Der Beklagte nahm von der Klägerin lediglich das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll auf. Dieses Angebot war das preisgünstigste, die weiteren Angebote überstiegen den Angebotspreis der Klägerin um ca. 1,26 % bzw. um ca. 2,99 %. Der Beklagte teilte der Klägerin das Submissionsergebnis mit, forderte sie zur Vorlage fehlender Erklärungen, insbesondere des Formblatts 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) auf und lud sie, anders als die anderen beiden Bieter, zu einem Aufklärungsgespräch ein. Das Aufklärungsgespräch fand am 15.05.2012 statt. Hierin teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass für sämtliche Tischlerarbeiten an historischen Türen ein hierauf spezialisierter Nachunternehmer eingesetzt werde, die M.  GmbH & Co. KG. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihr Angebot bis zum 16.05.2012 zu vervollständigen, insbesondere um ein vollständig ausgefülltes Formblatt 223 sowie um Referenzen für vergleichbare Leistungen und um ein zutreffend ausgefülltes Formblatt 235. Dem kam die Klägerin innerhalb der hierfür gesetzten Frist nach. Der Beklagte forderte zugleich auch einen weiteren Bieter zur Nachreichung von Eigenerklärungen auf.

7

Mit Schreiben vom 21.05.2012 teilte der Beklagte allen drei Bietern, darunter der Klägerin, mit, dass er das Vergabeverfahren aufgehoben habe, weil die Angebotssummen sämtlicher Angebote weit über den veranschlagten Haushaltsmitteln lägen. Er kündigte eine Neuausschreibung der Leistungen an. Der Rüge der Klägerin vom 25.05.2012 wegen der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Ausschreibung half der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.2012 nicht ab. Darin gab der Beklagte an, dass die Angebotssummen jeweils etwa 100 % über dem Haushaltsansatz für diese Leistungen lägen und damit anders, als in anderen Gewerken, erheblich von seiner vorherigen Kostenschätzung abwichen. Die Angebotssummen der eingegangenen Angebote lägen zwar nah beieinander, die Kostenansätze für einzelne Leistungspositionen wichen jedoch z.T. nicht nachvollziehbar erheblich von-einander ab.

8

Die Klägerin leitete ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Nachprüfungsanträge der Klägerin wurden von der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 30.07.2012 (GA Bd. I Bl. 36 ff.) als unzulässig verworfen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm die Klägerin nach den Hinweisen des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Naumburg in der Sitzung am 28.11.2012 zurück (vgl. BeiA 2 Verg 6/12, Bl. 121 f.).

9

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Beklagte die Leistungen unterteilt in vier Teillose am 16.10.2012 im elektronischen Vergabeportal für Deutschland „Vergabe 24“ erneut ausgeschrieben und in diesen Verfahren auch Zuschläge erteilt habe.

10

Mit ihrem Hauptantrag hat die Klägerin den Ersatz des positiven Interesses zu einem Betrag von 27.111,47 € begehrt und hierzu die Auffassung vertreten, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Sie hat behauptet, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag auf ihr Angebot 2 habe erteilt werden müssen. Bei der Berechnung des entgangenen Gewinns hat sie eine Gewinnmarge von 15 % auf Materialkosten i.H.v. 104.938,08 €, von 3 % auf eigene Lohnkosten i.H.v. 22.986,22 € und von 15 % auf Nachunternehmerleistungen i.H.v. 97.773,50 € zugrunde gelegt, was ihren Angaben im Formblatt 221 zu Angebot 2 entspricht.

11

Hilfsweise hat die Klägerin den Ersatz des negativen Interesses zu einem Betrag von 1.621,00 € geltend gemacht. Die Forderung hat sie aus Lohnkosten für 16 Stunden á 55,00 € für die Angebotserstellung und 8 Stunden á 85,00 € für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs (einschließlich Vorbereitung, Fahrt und Nachbereitung) sowie aus Fahrkosten in Höhe von 61,20 € (2x 102 km x 0,30 €/km) ermittelt.

12

Der Beklagte hat sich für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Ausschreibung darauf berufen, dass die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt habe; die Angebotspreise seien keine Marktpreise gewesen. Hilfsweise hat sie die Auffassung vertreten, dass das Angebot der Klägerin bei ordnungsgemäßem Verlauf des Verfahrens auszuschließen gewesen wäre. Ein Ausschluss sei wegen der vorsätzlich unzutreffenden Angaben der Klägerin im Angebot zum Nachunternehmereinsatz zwingend vorzunehmen gewesen. Zudem habe die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot abgegeben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

14

Das Landgericht hat mit seinem am 22.11.2013 verkündeten Urteil dem Hauptantrag der Klägerin im vollen Umfang, der ca. 10 % der Bruttoangebotssumme entspricht, stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Hierüber habe das Zivilgericht eigenständig zu befinden, weil die Entscheidung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit der Nachprüfungsanträge keine Feststellung über die Rechtswidrigkeit der Aufhebung beinhalte, welche nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung entfalten könne. Der Beklagte habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Angebotspreise der drei Bieter unangemessen hoch gewesen seien; hierzu hätte er insbesondere Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vortragen müssen. Hierfür genüge es nicht, dass die Angebotspreise nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprächen, es komme darauf an, ob der Beklagte den Wert der ausgeschriebenen Leistungen zutreffend ermittelt habe. Ein Ausschluss des Angebots 2 der Klägerin sei nicht geboten gewesen. Unrichtige Angaben zum Nachunternehmereinsatz habe die Klägerin nicht gemacht, vielmehr habe sie im Aufklärungsgespräch eindeutige Angaben zur Art und zum Umfang des Nachunternehmereinsatzes gemacht. Auch der Umstand, dass die Klägerin unstreitig zwei Angebote eingereicht habe, führe nicht zum Ausschluss. Es sei in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob es unzulässig sei, mehrere Angebote parallel abzugeben.

15

Der Beklagte hat gegen das ihm am 28.11.2013 zugestellte Urteil mit einem am 17.12.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am 28.12.2013 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

16

Der Beklagte meint, dass die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung für das Zivilgericht entfalte und daher vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes für das Angebot 2 der Klägerin auszugehen sei. Daher sei ihr Angebot 2 auch dann, wenn man von einer rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung ausgehe, jedenfalls nicht zuschlagsfähig gewesen. Das Angebot sei zwingend auszuschließen gewesen, weil die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot - zwei technisch gleiche Hauptangebote mit unterschiedlichen Preisen - eingereicht habe. Es sei weiter auszuschließen gewesen, weil die Klägerin im elektronisch eingereichten Angebot bedingt vorsätzlich falsche Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz gemacht habe, indem sie angegeben habe, alle Leistungen im eigenen Betrieb auszuführen, und erst im Aufklärungsgespräch auf Vorhalt eingeräumt habe, eine Nachunternehmerin einzusetzen. Hiermit habe die Klägerin versucht, der Bindung an den konkret zu benennenden Nachunternehmer zu entgehen. Im Übrigen sei die Aufhebung aber auch rechtmäßig gewesen; insoweit wiederholt der Beklagte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug, wonach seine Kostenschätzungen - die HU-Bau von Dezember 2010 und die AFU-Bau vom Januar 2012 - von einem renommierten Architektenbüro erarbeitet und „in mehreren Instanzen“ geprüft worden seien, und tritt für die Richtigkeit der Kostenschätzung Beweis durch das Zeugnis des für ihn tätig gewesenen Architekten an.

17

Der Beklagte beantragt,

18

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass hier durch den Eingang von zwei Hauptangeboten eine konkrete Manipulationsgefahr nicht entstanden sei, weil die Angebote finanziell gleichwertig gewesen seien. Ihr selbst bzw. ihrem Geschäftsführer sei auch gar nicht bewusst gewesen, dass die Klägerin zwei Angebote eingereicht habe. Der Beklagte habe ebenfalls lediglich das Angebot 2 geprüft und gewertet. Eine allenfalls abstrakte Manipulationsgefahr rechtfertige den Ausschluss des Angebots 2 nicht. Von vorsätzlich falschen Angaben im Vergabeverfahren sei nicht auszugehen, weil die Klägerin auf Nachfrage im Aufklärungsgespräch sofort klargestellt habe, dass sie alle Tischlerarbeiten, bei denen Auflagen des Denkmalschutzes existierten, von einer hierauf spezialisierten Nachunternehmerin durchführen lassen wolle. Das Aufklärungsgespräch habe gerade die Funktion, solche Nachfragen und Klarstellungen zu ermöglichen. Zeitlich sei auf das gesamte Vergabeverfahren abzustellen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sie den Hilfsantrag der Klage auch im Berufungsverfahren aufrechterhalte.

23

Der Senat hat am 21.05.2014 mündlich zur Sache verhandelt. Er hat u.a. darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Sachstand davon auszugehen sei, dass die Klägerin zwei Hauptangebote abgegeben habe, was in der hier vorliegenden Konstellation unzulässig gewesen sein dürfte; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tag Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.05.2014 hat die Klägerin daraufhin vorgetragen, dass das Angebot 2 lediglich eine Korrektur des Angebots 1 beinhaltet habe und dieses habe ersetzen sollen. Ihr Kalkulator O. habe nach Versendung des Angebots 1 die Vertauschung der Einheitspreise in den beiden o.g. Leistungspositionen entdeckt, habe aber das Angebot 1 nicht mehr „zurückholen“ können. Er habe bei der Vergabestelle angerufen und sei von dieser darauf verwiesen worden, dass er zur Korrektur ein neues vollständiges Angebot „nachsenden“ solle. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass die Mitarbeiterin H. des Beklagten im Aufklärungsgespräch deutlich zu erkennen gegeben habe, dass ihr bewusst sei, dass das Angebot 2 das Angebot 1 ersetzen solle.

24

Der Senat hat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und am 15.10.2014 fortgesetzt. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass sie ihren Kalkulator O. bewusst nicht als Zeugen für ihren Sachvortrag zur Kommunikation zwischen den Prozessparteien am Tag des Ablaufs der Angebotsfrist (24.04.2012) benannt habe, weil dieser über das Geschehen keine Aufzeichnungen angefertigt und nunmehr keine genauen Erinnerungen an die Details der Angebotsabgabe mehr habe. Sie meint, dass nach der Durchführung des Aufklärungsgesprächs ein „Rückzug“ der Klägerin auf das Angebot 1 nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weshalb eine Manipulationsgefahr ausgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte hat angegeben, dass seine Mitarbeiterin H. in einer dienstlichen Äußerung angegeben habe, dass sie erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens durch die von der Klägerin angegriffene Aufhebung in die Sachbearbeitung einbezogen worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 15.10.2014 Bezug genommen.

B.

25

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache ganz überwiegenden Erfolg. Lediglich der Hilfsantrag der Klägerin ist geringfügig begründet.

26

I. Für die Entscheidung über das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten sind ausschließlich die Zivilgerichte zuständig. Die Zivilgerichte sind dabei hier nicht nach § 124 Abs. 1 GWB durch die vorangegangene, inzwischen bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer im Vergabenachprüfungsverfahren gebunden, denn die Vergabekammer hat einen Verstoß des Beklagten gegen Vergabevorschriften gerade nicht festgestellt. Ihre Entscheidung war sowohl nach ihrem Entscheidungsausspruch als auch nach den die Entscheidung tragenden Gründen allein darauf gerichtet, dass der Nachprüfungsantrag der hiesigen Klägerin in der Hauptsache mangels Zugang zum Nachprüfungsverfahren nach wirksamer Beendigung des Vergabeverfahrens und hinsichtlich des Hilfsantrags mangels Feststellungsinteresses insgesamt unzulässig gewesen sei.

27

II. Auf das am 20.03.2012 durch Absendung der Vergabebekanntmachung begonnene Vergabeverfahren sind neben dem GWB 2009 und der VgV 2011 die Vorschriften der VOB/A 2009 anzuwenden, weil der 2. Abschnitt der VOB/A 2012 nach §§ 6, 23 VgV erst am 19.07.2012 in Kraft getreten ist.

28

III. Der Hauptantrag der Klägerin, welcher einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses der Klägerin wegen der vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung zum Gegenstand hat, ist unbegründet.

29

1. Allerdings hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die Ausschreibung rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S. von §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB begangen hat. Nach dem vorliegenden Prozessstoff ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Pflichten aus den - auch dem Schutz der Bieter im Sinn von § 97 Abs. 7 GWB dienenden - Vorschriften der §§ 2 Abs. 5 und 17 Abs. 1 VOB/A nicht genügt hat.

30

a) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darf eine Ausschreibung nur dann aufgehoben werden, wenn „andere schwerwiegende Gründe“ bestehen, also solche Gründe, die in ihrer Bedeutung denjenigen Gründen vergleichbar sind, welche in Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ausdrücklich aufgeführt werden. Ein solcher schwerwiegender Grund kann zwar auch darin liegen, dass ausreichende Haushaltsmittel für den Auftrag nicht zur Verfügung stehen. Hierfür genügt jedoch die objektive Überschreitung der Ansätze der eigenen Kostenschätzung und Kostenplanung allein nicht. Denn nach § 2 Abs. 5 VOB/A darf ein Auftraggeber Bauleistungen nur ausschreiben, wenn er berechtigt davon ausgehen darf, dass er die Leistungen auch bezahlen kann. Dies erfordert regelmäßig, so auch hier, eine pflichtgemäße Ermittlung der voraussichtlichen Kosten und bei einem öffentlichen Auftraggeber eine Prüfung, dass ihm die erforderlichen Haushaltsmittel hierfür zur Verfügung stehen. In der bloßen Überschreitung des Kostenansatzes kann daher auch ein Anzeichen für eine fehlerhafte ursprüngliche Kostenschätzung liegen. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Regelung des § 17 VOB/A nach ihrem Sinn und Zweck und nach dem systematischen Zusammenhang mit § 2 Abs. 5 VOB/A dahin auszulegen ist, dass eine sanktionslose Aufhebung einer Ausschreibung nur in Betracht kommt, wenn der schwerwiegende Aufhebungsgrund erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten ist oder dem Ausschreibenden zuvor jedenfalls nicht bekannt sein konnte (vgl. Urteil v. 08.09.1998, X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil v. 05.11.2002, X ZR 232/00 „Ziegelverblendung“, VergabeR 2003, 163, und Urteil v. 09.06.2011, X ZR 143/10 „Rettungsdienstleistungen II“, BGHZ 190, 89). Das schließt es aus, dass der Auftraggeber die Aufhebung der Ausschreibung erfolgreich auf eine Kostenschätzung und die Überschreitung der darin ermittelten Kostenansätze stützen kann, wenn seine Kostenschätzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. auch OLG München, Beschluss v. 07.03.2013, Verg 36/12 „Schülerbeförderung“, VergabeR 2013, 928; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.06.2013, VII-Verg 2/13, VergabeR 2014, 244). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

31

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Beklagte nicht nur beweisfällig dafür geblieben, dass die von ihm vor Beginn des Vergabeverfahrens angestellte Kostenschätzung einen Bruttoauftragswert in Höhe von (nur) 138.248,73 € ergeben habe, was ihm angesichts des erheblichen Bestreitens durch die Klägerin oblegen hätte. Er hat auch nicht erheblich bestritten, dass seine Kostenschätzung pflichtwidrig erfolgt sei, weshalb dieser von der Klägerin behauptete Umstand für die zu treffende Entscheidung als unstreitig zu behandeln ist. Denn die letztgenannte Behauptung der Klägerin ist nicht ins Blaue hinein erfolgt. Die Angebotsendsummen der drei Angebote liegen nahe beieinander - die Angebotsspreizung beträgt ca. drei Prozent - und weichen damit ca. 95 % bis 98 % vom Betrag der Kostenschätzung ab. Die Kostenschätzung des Beklagten beruhte auf einer Haushaltsunterlage (HU-Bau), welche vom Dezember 2010 stammte, was es zumindest nachvollziehbar erscheinen lässt, dass diese Kostenschätzung nicht das zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens im März 2012 aktuelle Markt- und Preisniveau widerspiegelte und die festgestellte erhebliche Abweichung zwischen dem so ermittelten Betrag und den Angebotsendsummen hierauf beruhte (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 17.05.2011, Verg W 16/10, VergabeR 2012, 124). Der Beklagte hat es in erster Instanz trotz eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts mit Verfügung vom 03.03.2013 (GA Bd. II Bl. 100) und auch im Berufungsverfahren versäumt, Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vorzutragen, was ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast oblegen hätte. Der bloße Verweis auf den ausführenden Architekten vermag einen solchen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen. Der Beklagte hat im vorvertraglichen Verhältnis zu den Bietern auch für etwaige Fehler des Architekten nach § 278 BGB einzustehen. Allein die - als wahr unterstellte - Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Architekten im Allgemeinen lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf eine nachvollziehbare und vertretbare Kostenschätzung im vorliegenden Fall und insbesondere auf eine - notwendige - Anpassung der aus dem Dezember 2010 stammenden ursprünglichen Kostenschätzung auf die für März 2012 zu prognostizierenden Marktverhältnisse zu. Der (Gegen-)Beweisantritt des Beklagten ist auf eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts durch das Gericht gerichtet und war deswegen unbeachtet zu lassen. Soweit sich der Beklagte darauf berufen hat, dass ihm ein vereinzelter Vortrag zu seiner eigenen Kostenschätzung wegen des erforderlichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht zumutbar sei, vermag der Senat diese Einwendung nicht nachzuvollziehen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, woraus sich für eine inzwischen bereits vollzogene und abgeschlossene Baumaßnahme ein Geheimhaltungsinteresse für die bis zur Einleitung des ersten Vergabeverfahrens gültige Kostenschätzung ergeben könnte. Jedenfalls ist hier bei der anzustellenden Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin und dem Geheimhaltungsinteresse des Beklagten von einem Überwiegen des erstgenannten Interesses auszugehen.

32

2. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten in Form einer Aufhebung der Ausschreibung ohne einen Aufhebungsgrund i.S. von § 17 Abs. 1 VOB/A ist für den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Schaden - das positive Interesse der Klägerin an einer Zuschlagserteilung auf ihr Angebot 2 - nicht ursächlich gewesen, weil das Angebot 2 der Klägerin auszuschließen gewesen wäre.

33

a) Dem durch eine rechtswidrige Aufhebung geschädigten Vermögen kann der entgangene Gewinn nur dann zugerechnet werden, wenn derselbe Auftrag bzw. ein oder mehrere Aufträge über die im Wesentlichen identischen Leistungen tatsächlich vergeben wird bzw. werden und es bei einem fiktiven rechtmäßigen Verlauf des aufgehobenen Vergabeverfahrens der Anspruchsteller gewesen wäre, der den Auftrag hätte erhalten müssen (vgl. BGH, Urteil v. 15.01.2013, X ZR 155/10 „Parkhaussanierung“, VergabeR 2013, 434; Urteil v. 20.11. 2012, X ZR 108/10 „Friedhofserweiterung“, VergabeR 2013, 208 m.w.N.; vgl. Scharen in: Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkomm. Vergaberecht, 3. Aufl. 2014, 14. Los, § 126 GWB Rn. 56).

34

b) Von einer tatsächlichen Beauftragung Dritter durch den Beklagten mit den Leistungen, welche Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens waren, ist hier mangels eines Bestreitens der entsprechenden Behauptung der Klägerin durch den Beklagten auszugehen. Das Landgericht hat diesen Umstand zutreffend als unstreitigen Vortrag behandelt.

35

c) Der Senat ist insbesondere aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 21.05.2014 davon überzeugt, dass die Klägerin im Vergabeverfahren nicht vorsätzlich unwahre Angaben zur beabsichtigten Leistungsausführung gemacht hat, so dass ein Ausschluss wegen hierauf beruhender Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Allerdings enthielt bei objektiver Betrachtung auch das zum Ablauf der Angebotsfrist vorliegende und danach dem Nachverhandlungs- und Änderungsverbot unterliegende Angebot 2 der Klägerin die Angabe, dass alle angebotenen Leistungen vollständig im eigenen Betrieb ausgeführt werden sollen. Ein Hinweis auf Nachunternehmer ergibt sich weder aus dem hierfür vorgesehenen Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen (Formblatt 235 EG) noch aus der Vorlage von Eignungsnachweisen der Nachunternehmer. Dem gegenüber sind für die Auslegung des Angebots die Erläuterungen zur Preisermittlung (Formblatt 221) nicht maßgeblich, zumal sie auch nicht erkennen lassen, für welche Teilleistungen u.U. Nachunternehmer zum Einsatz kommen sollen. Diese Angabe der Klägerin im Angebot 2 war objektiv unwahr, denn die Klägerin beabsichtigte nach ihren eigenen Angaben und insbesondere auch nach ihren Ausführungen im Aufklärungsgespräch vom 15.05.2012 von Anfang an, eine Nachunternehmerin für besonders anspruchsvolle Tischlerarbeiten einzusetzen. Ihr musste auch bewusst sein bzw. sie hätte aus der Gesamtschau der Vergabeunterlagen ohne weiteres erkennen können, dass es dem Beklagten auf eine wahrheitsgemäße Information über einen Nachunternehmereinsatz und über die Eignung des Nachunternehmers für die ihm übertragenen Aufgaben ankam. Anders als die Vergabekammer, deren Bewertung das Zivilgericht nicht bindet, weil sie keinen Eingang in eine bestandskräftige Feststellung eines Vergabeverstoßes der Beklagten gefunden hat, vermag der Senat insoweit aber einen Vorsatz der Klägerin nicht festzustellen. Die objektiv fehlerhafte Ausfüllung von Formularen und die Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen allein rechtfertigt hier diesen Rückschluss nicht. Gegen ein vorsätzliches Verhalten sprechen neben den - zu den Erklärungen der vollständigen Eigenausführung im Widerspruch stehenden - Erläuterungen zur Preisermittlung insbesondere der Umstand, dass die Klägerin im Aufklärungsgespräch auf entsprechende Nachfrage des Beklagten die beabsichtigte Einschaltung einer bestimmten Nachunternehmerin sofort eingeräumt und hinsichtlich der hiervon betroffenen Teilleistungen konkretisiert hat, und der weitere Umstand, dass sie zur unverzüglichen Nachreichung der erforderlichen Verpflichtungserklärung der Nachunternehmerin in der Lage war. Dem Verlauf des Vergabeverfahrens bis zur Aufhebung lässt sich schließlich entnehmen, dass der Beklagte nach der Offenbarung des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes durch die Klägerin deren ursprüngliche Angaben im elektronischen Angebot 2 nicht als vorsätzlich falsche Angabe bewertet hatte.

36

d) Gleichwohl hätte auch bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag jedenfalls nicht auf das Angebot 2 der Klägerin erteilt werden dürfen. Die Angebote der Klägerin wären als vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot auszuschließen gewesen.

37

aa) Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass jeder Bieter in einem Vergabeverfahren grundsätzlich nur ein Hauptangebot abgeben darf und dass mehrere gleichzeitig vorliegende Hauptangebote eines Bieters grundsätzlich unzulässig sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Bieters an der Abgabe zweier (oder mehrerer) Hauptangebote nicht vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.03. 2011, VII-Verg 52/10 „Verblendmauerwerk“, VergabeR 2011, 598; Beschluss v. 01.10.2012, VII-Verg 34/12; OLG München, Beschluss v. 06.12.2012, Verg 25/12 „Uhrenanlage“, VergabeR 2013, 492; Beschluss v. 29.10.2013, Verg 11/13 „Mensateria“, VergabeR 2014, 436). Die Regelungen zum Vergabeverfahren gehen davon aus, dass jeder Bieter nur ein Hauptangebot abgibt und daneben nur Angebote mit abweichenden technischen Spezifikationen, d.h. technisch unterschiedliche Hauptangebote (vgl. §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 7 VOB/A) oder Nebenangebote (vgl. §§ 13 Abs. 3, 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) und f), 16a Abs. 3 VOB/A) in Betracht kommen; bei gleichzeitiger Abgabe mehrerer technisch gleicher Angebote wird vermutet, dass der Bieter sich davon ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern verspricht (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/ Rusam, Handkomm. VOB, zuletzt 11. Aufl. 2008, § 25 VOB/A Rn. 149b). Die Berücksichtigung mehrerer Hauptangebote eines Bieters ist geeignet, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter im Vergabeverfahren zu verstoßen, weil der Bieter hierdurch seine Chancen auf Zuschlagserteilung u.U. erhöht. Zudem könnte die gleichzeitige Abgabe mehrerer Hauptangebote dem jeweiligen Bieter je nach dem Submissionsergebnis Gelegenheit zur Manipulation des Ausschreibungsergebnisses geben (vgl. auch Leinemann/Kirch VergabeNews 2008, 134). Die Gefahr einer Manipulation durch einen Bieter hat sich im Anwendungsbereich der VOB/A objektiv dadurch erhöht, dass der Auftraggeber bei unvollständigen Angeboten zur Nachforderung der fehlenden Erklärungen und Nachweise verpflichtet ist und es der Bieter durch die Erfüllung der Nachforderung bzw. durch deren Nichterfüllung in der Hand hat, ob er an jedes seiner Angebote gebunden bleibt oder nicht. Bei der Auslegung vergaberechtlicher Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass Manipulationsmöglichkeiten sowohl der Bieter als auch des Auftraggebers möglichst ausgeschlossen sein sollen. Schließlich ist bei einer gleichzeitigen Abgabe mehrerer Angebote auch möglich, dass der Bieter sich nachträglich darauf beruft, dass in Wirklichkeit nur ein Angebot abgegeben worden sei und eines der vorliegenden Angebote durch das andere habe ersetzt werden sollen. Diese - auch hier von der Klägerin in Anspruch genommene - Konstellation ist vergleichbar mit einem Angebot mit zweifelhaften Änderungen des Bieters an seinen eigenen Eintragungen innerhalb dieses Angebots, die nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 VOB/A zwingend zum Angebotsausschluss führen.

38

bb) Beim Beklagten sind insgesamt zwei Angebote der Klägerin innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Beide Angebote sind ihrem Charakter nach Hauptangebote, d.h. sie wurden auf der Grundlage des Amtsvorschlags ohne inhaltliche Abweichungen im Leistungsprogramm oder in den Vertragsbedingungen erstellt. Sie unterscheiden sich in ihrem Angebotsinhalt lediglich geringfügig hinsichtlich der Preise in zwei Leistungspositionen und - in Folge dessen - geringfügig im Angebotsendpreis. Die Angebote der Klägerin unterscheiden sich jedoch weiter hinsichtlich der beabsichtigten Ausführung und damit auch hinsichtlich ihrer Preisermittlungsgrundlagen: Das Angebot 1 fußt nach seinem objektiven Erklärungswert auf einer 100 %-igen Eigenleistung der Klägerin, dem Angebot 2 liegt tatsächlich eine umfangreiche Einbeziehung einer Nachunternehmerin für die höher qualifizierten Teilleistungen des Auftrags zugrunde. Während es bei isolierter Betrachtung des erst genannten Umstandes noch nahe liegen könnte, dass das Angebot 2 eine Korrektur des Angebots 1 im Hinblick auf eine Vertauschung der Einheitspreise für die zwei Leistungspositionen sein soll, trifft das auf den zuletzt genannten Umstand nicht ohne weiteres zu. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin von dieser unterschiedlichen Angebotsgestaltung wettbewerbliche Vorteile versprochen hat. So konnte das Angebot 1 aus Sicht der Klägerin ggf. bereits im Vergabeverfahren Bedeutung erlangen, wenn der Beklagte den vorgesehenen Nachunternehmer nicht für geeignet hielt. In der Vertragsdurchführung konnte eine Unklarheit über die Preisermittlungsgrundlagen des bezuschlagten Angebots im Fall von abändernden Anordnungen des Beklagten i.S. von § 1 VOB/B Bedeutung erlangen bzw. bei sonstigen Fällen, in denen nach § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B eine Preisanpassung unter Berücksichtigung der bisherigen Preisermittlungsgrundlagen in Betracht gekommen wäre. Soweit die Klägerin sich darauf berufen hat, dass ihr diese Möglichkeit jedenfalls im Ergebnis des Aufklärungsgesprächs vom 15.05.2012 genommen gewesen sei, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Denn schon allein im Hinblick darauf, dass der Klägerin wegen der gleichzeitigen Einreichung von zwei Hauptangeboten jedenfalls noch nach dem Ablauf der Angebotsfrist und damit nach dem Eintritt der Unveränderbarkeit der abgegebenen Angebote für alle Bieter exklusiv eine Möglichkeit eröffnet war, eines ihrer beiden - jeweils unvollständigen - Angebote in einem Zustand zu belassen, der zum Angebotsausschluss führte, und das andere Angebot zu vervollständigen, ggf. auch in Reaktion auf den Verlauf des Aufklärungsgesprächs, bestand die Chance eines Wettbewerbsvorteils der Klägerin und - damit korrespondierend - die Gefahr einer Benachteiligung aller anderen Bieter.

39

cc) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin geltend gemacht hat, dass das Angebot 2 statt des Angebots 1 und nicht selbständig neben diesem eingereicht worden sei. Maßgeblich ist im Vergabeverfahren insoweit die objektivierte Sicht der Vergabestelle. Der Beklagte hatte keine sichere Grundlage dafür, dass Angebot 1 nicht zu berücksichtigen und allein das Angebot 2 als eingereicht anzusehen sei. Beide Angebote lagen ihm vor und waren innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Das Angebot 2 enthielt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der wirkliche Wille der Klägerin darauf gerichtet gewesen sein könnte, mit dem Angebot 2 das Angebot 1 zu ersetzen. Dem Wortlaut des Angebots 2 war ein solcher Hinweis nicht zu entnehmen, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, dies zum Beispiel in dem individuell von der Klägerin formulierten Anschreiben zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen wäre es jedenfalls möglich gewesen, sich außerhalb des Systems der eVergabe mit einer entsprechenden eindeutigen Äußerung an den Beklagten zu wenden, zum Beispiel per eMail; entsprechende Kontaktdaten waren in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht worden. Auch hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Für eine telefonische Kontaktaufnahme und Verständigung zwischen den Prozessparteien am 24.04.2012, welche der Beklagte bestritten hat, ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Soweit die Klägerin schließlich darauf verwiesen hat, dass der Beklagte im Submissionstermin in Kenntnis der Einreichung von zwei elektronischen Hauptangeboten durch die Klägerin nur das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll eingetragen und im Rahmen des Aufklärungsgesprächs nur über das Angebot 2 gesprochen hat, liegt hierin kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von der Ersetzung des Angebots 1 ausgegangen ist und ausgehen durfte. Zu diesem Zeitpunkt war der Wertungsvorgang noch nicht abgeschlossen, insbesondere hatte der Beklagte noch keine Veranlassung, über die Zuschlagsfähigkeit des Angebots 1 der Klägerin eine endgültige Entscheidung zu treffen. Es war nicht absehbar, wie der Beklagte bei einer entsprechenden Intervention der Klägerin, auch ihr Angebot 1 in die Wertung mit einzubeziehen, reagiert hätte.

40

IV. Der Hilfsantrag der Klägerin, welcher auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist, ist ganz überwiegend unbegründet.

41

1. Ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 126 GWB ist schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin nach dem Vorausgeführten keine „echte Chance auf den Zuschlag“ hatte.

42

2. Allerdings hat die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses im Hinblick auf die rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Denn hätte der Beklagte eine ordnungsgemäße Kostenschätzung vorgenommen, wozu er auch zum Schutze der potenziellen Bieter verpflichtet war, und hätte diese - wie hier zu unterstellen ist - zu dem Ergebnis geführt, dass mit Kosten in der Größenordnung der im Submissionstermin protokollierten Angebotsendsummen zu rechnen sei, so hätte er entweder für eine entsprechende Bereitstellung von Haushaltsmitteln Sorge getragen oder auf die Ausschreibung des Auftrags in dieser Form verzichtet. In beiden Fällen wäre es nicht zu einer kostenträchtigen Teilnahme der Bieter am Vergabeverfahren gekommen. Auch die Klägerin hätte ihre mit der Angebotserstellung, -erläuterung und -aufklärung verbundenen Aufwendungen erspart. Diese hypothetische Betrachtung rechtfertigt es, nicht nur dem Bestbieter, d.h. dem Bieter, der bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, einen Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses zuzusprechen, sondern allen teilnehmenden Bietern (vgl. auch Scharen, a.a.O., Rn. 55). Jedenfalls hätte der Beklagte die Entstehung von Aufwendungen der Klägerin für die Durchführung des Aufklärungsgesprächs am 15.05.2012 vermeiden können, wenn er entweder auf den Umstand der erheblichen Überschreitung seiner eigenen Kostenschätzung und seines Haushaltsansatzes unmittelbar nach dem Submissionstermin reagiert hätte oder wenn er den o.g. Ausschlussgrund für das Angebot 2 der Klägerin bereits vor der Einladung der Klägerin zum Aufklärungsgespräch erkannt und deswegen auf eine Aufklärung verzichtet hätte.

43

3. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten beschränkt sich in der Höhe jedoch auf einen Betrag von 61,20 €.

44

a) Soweit die Klägerin als Schadenspositionen Personalkosten für die Angebotserstellung und Angebotserläuterung geltend macht, sind diese Kosten nicht als erstattungsfähig anzusehen. Die Personalkosten für eigene fest angestellte Mitarbeiter wären ihr auch dann entstanden, wenn sie nicht an der vorliegenden Ausschreibung teilgenommen hätte. Die Klägerin hat auch nicht etwa dargelegt, dass sie wegen der Teilnahme an der vorliegenden Ausschreibung andere Erwerbsmöglichkeiten nicht habe wahrnehmen können.

45

b) Als erstattungsfähig sind danach lediglich die Fahrkosten, die für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs notwendig waren, anzusehen (vgl. auch OLG Naumburg, Urteil v. 01.08.2013, 2 U 151/12 „ergänzende Rettungsdienstleistungen“, VergabeR 2014, 85). Das sind 61,20 € (vgl. GA Bd. I Bl. 57).

C.

46

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Abs. 1 und Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

47

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

48

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat,
2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat,
3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden,
4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,
5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann,
6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann,
7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat,
8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder
9.
das Unternehmen
a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen,
b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder
c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.

(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/13
vom
20. März 2014
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrbahnerneuerung
Die Divergenzvorlage kann nur in denselben Grenzen auf Ausschnitte des Beschwerdeverfahrens
beschränkt werden, in denen im Zivilprozess Teilurteile
zulässig sind und die Zulassung der Revision wirksam beschränkt werden kann.
Bei der Vergabe von Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an einer Bundesautobahn
ist als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen
Nachprüfungsverfahren das jeweils betroffene Land anzusehen, nicht die
Bundesrepublik Deutschland.
VOB/A § 17 Abs. 1 Nr. 3, § 17 EG Abs. 1 Nr. 3; VOL/A § 17 Abs. 1 Buchst. d,
§ 20 EG Abs. 1 Buchst. d
Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur Aufhebung des
Vergabeverfahrens berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung
maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung
zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urteil vom 12. Juni
2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637).
BGH, Beschluss vom 20. März 2014 - X ZB 18/13 - OLG Karlsruhe
Vergabekammer BadenWürttemberg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Gröning, die Richterin
Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Der Beschluss des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. Dezember 2013 wird im Ausspruch zu 1 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 26. August 2013 wird zurückgewiesen , soweit die Antragstellerin begehrt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass die Vergabestelle das Vergabeverfahren infolge der Verwendung einer missverständlichen Leistungsbeschreibung aufgehoben hat. Von den Kosten beider Instanzen des Nachprüfungsverfahrens haben die Antragstellerin ¾ und der Antragsgegner ¼ zu tragen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 410.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf die unionsweite Ausschreibung von Straßenbau-, insbesondere Fahrbahnerneuerungsarbeiten im Bereich des Autobahnkreuzes Heidelberg der Bundesautobahn A 5, an der sich sieben Bieter beteiligten.
2
1. Bei Prüfung und Wertung der Angebote traten unterschiedliche Vorstellungen der Beteiligten darüber zutage, wie die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Ausführung der Fahrbahndecke zu verstehen waren. Während andere Anbieter einen über die gesamte Fahrbahnbreite einstreifigen Einbau der geforderten Betondeckenabschnitte anboten, sah das Angebot der Antragstellerin , welches das günstigste war, eine Ausführung in zwei Streifen vor. Die Vergabestelle sah darin eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen und schloss das Angebot aus. In dem daraufhin von der Antragstellerin angestrengten Nachprüfungsverfahren wurde darum gestritten, ob in den Vergabeunterlagen mit der gebotenen Eindeutigkeit eine einstreifige Ausführung vorgegeben war. Die Vergabekammer verneinte dies und verpflichtete die Vergabestelle , das Angebot der Antragstellerin in die Wertung einzubeziehen. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden.
3
2. In der Folge hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf und verband dies mit der Ankündigung, ein neues Verfahren einzuleiten. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Einbau einer einstreifigen Fahrbahndecke biete erhebliche qualitative Vorteile, wobei bei Beauftragung der Antragstellerin und einer nachfolgenden Änderungsanordnung nach § 1 Abs. 3 VOB/B Mehrkosten entstünden, die, wenn sie im aufgehobenen Vergabeverfahren berücksichtigt worden wären, möglicherweise zu einer Änderung der Bieterreihen- folge geführt hätten, zumal die teureren Mitbewerber, wenn sie das Leistungsverzeichnis so verstanden hätten wie die Antragstellerin, im Zusammenhang mit der dann besseren Erreichbarkeit der Brückenbauwerke wesentliche Kostenvorteile hätten berücksichtigen können.
4
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit einem weiteren Nachprüfungsantrag gewandt und beantragt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben , hilfsweise, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat.
5
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
6
3. Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat die sofortige Beschwerde im Umfang des auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Hauptantrags zurückgewiesen. Im Übrigen hat er die Sache dem Bundesgerichtshof "zur Entscheidung hinsichtlich folgender Frage vorgelegt: Setzt ein sonstiger schwerwiegender Grund im Sinne von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A uneingeschränkt voraus, dass der Auftraggeber diesen Grund nicht selbst verschuldet hat?".
7
II. Die Vorlage ist zulässig.
8
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine zulässige Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2003 - X ZB 12/02, BGHZ 154, 96). Dass der Vergabesenat vorliegend so verfahren ist, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss zwar nicht. Darin werden entgegen den entsprechend anzuwendenden Be- stimmungen in § 313 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO120 Abs. 2 i.V.m. § 73 GWB, vgl. dazu K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 73 Rn. 5) weder die Namen der Richter mitgeteilt, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, noch der Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist. Auch einen Verkündungsvermerk (§ 315 Abs. 3 ZPO entsprechend) weist der Beschluss nicht auf; auf seinem Deckblatt findet sich lediglich seitlich neben dem großen Wappen des Landes Baden-Württemberg isoliert die Datumsangabe "4. Dezember 2013". Den Verfahrensakten lässt sich jedoch entnehmen, dass am 15. November 2013 eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, an der die Richter teilgenommen haben, die den Vorlagebeschluss unterzeichnet haben, und dass eine Entscheidung nach einer Verlegung des am Schluss der Sitzung vom 15. November 2013 beschlossenen Verkündungstermins am 4. Dezember 2013 verkündet worden ist. Es ist mit noch hinreichender Sicherheit anzunehmen, dass es sich dabei um den Vorlagebeschluss handelt.
9
2. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB für eine Divergenzvorlage liegen vor.
10
a) Eine Divergenzvorlage erfolgt nach ständiger Rechtsprechung, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 - S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr). So verhält es sich hier. Der vorlegende Vergabesenat meint, dass der von der Antragstellerin in erster Linie verfolgte Antrag, die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle aufzuheben, unbegründet sei, weil die Vergabestelle auf der Grundlage von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berechtigt gewesen sei, das Vergabeverfahren aufzuheben, und möchte aus dem gleichen Grund auch den Feststellungsantrag zurückweisen.
Damit würde das Beschwerdegericht sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf setzen. Dieses vertritt die Rechtsauffassung , dass die Aufhebung einer Ausschreibung die Rechte des Bieters aus § 97 Abs. 7 GWB verletze, wenn die vom öffentlichen Auftraggeber vorgebrachten Aufhebungsgründe im Sinne des vergleichbaren § 26 Nr. 1 VOL/A aF ihm als Verschulden oder Obliegenheitsverletzung zuzurechnen seien. Das sei der Fall, wenn der Auftraggeber die Aufhebung damit begründe, das Leistungsverzeichnis sei von den Bietern nicht zweifelsfrei in dem vom Auftraggeber gemeinten Sinne zu verstehen gewesen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2005 - Verg 72/04, bei juris).
11
b) Dem Bundesgerichtshof ist mit dem Vorlagebeschluss nicht nur der Hilfsantrag oder gar nur die vom Vergabesenat vorformulierte Frage zur Entscheidung angefallen, sondern der gesamte Streitstoff des Beschwerdeverfahrens. Diese Rechtsfolge ist im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit zweckmäßigerweise durch Aufhebung des Tenors zu 1 des Vorlagebeschlusses zum Ausdruck zu bringen, auch wenn, worauf zurückzukommen sein wird, die diesbezügliche Entscheidung des Vergabesenats im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden ist (unten III).
12
aa) Soweit der Vergabesenat den Hauptantrag der sofortigen Beschwerde abschließend beschieden und dem Bundesgerichtshof nur die erwähnte Frage zur Beantwortung vorgelegt hat (oben I 3), hat er nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Bundesgerichtshof bei einer zulässigen Divergenzvorlage grundsätzlich über die sofortige Beschwerde zu entscheiden hat. Dies ergibt sich aus § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB, wonach der Bundesgerichtshof "anstelle" des Oberlandesgerichts entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - X ZB 14/00, BGHZ 146, 202, 205). Das Gesetz sieht lediglich in der seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung vor, dass der Bundesgerichtshof sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage beschränken und dem Beschwerdegericht die Entscheidung in der Hauptsache übertragen kann, wenn dies nach dem Sach- und Streitstand angezeigt erscheint. Daraus folgt aber nicht im Gegenschluss, dass das Beschwerdegericht den Bundesgerichtshof verpflichten könnte, sich auf die Beantwortung einer vorformulierten Frage zu beschränken.
13
bb) Die Beschränkung der Divergenzvorlage auf den Hilfsantrag ist in entsprechender Anwendung der für die Zulässigkeit von Teilurteilen und die wirksame Beschränkung der Revisionszulassung geltenden höchstrichterlichen Grundsätze unzulässig.
14
(1) Grundsätzlich ist es dem Gericht in einem bürgerlichen Rechtsstreit zwar, wenn der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsantrag gestellt hat, unbenommen, Ersteren durch Teilurteil abzuweisen und die Entscheidung über den Letzteren zurückzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1992 - III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 mwN). Das gilt naturgemäß aber nur dann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Teilurteil überhaupt ergehen kann. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dies nur der Fall, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Diese Gefahr wird namentlich auch dadurch begründet, dass in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Sie muss nicht notwendigerweise den Entscheidungstenor betreffen. Es reicht aus, wenn die Gefahr der widersprüchlichen Bewertung von Streitstoff entsteht, die als solche weder in Rechtskraft erwächst noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren bindet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13).
15
(2) Bei entsprechender Anwendung dieser Grundsätze verbot sich eine Entscheidung des Vergabesenats über den mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie weiterverfolgten Antrag und eine Vorlage nur des Hilfsantrags an den Bundesgerichtshof. Damit geht die Gefahr einer widersprüchlichen rechtlichen Bewertung der Entscheidung der Vergabestelle einher, das Vergabeverfahren aufzuheben. Denn der Vergabesenat begründet seine die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags zurückweisende Entscheidung - worauf im Einzelnen zurückzukommen sein wird (unten III) - unter anderem damit, dass ein die Vergabestelle nach § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigender anderer schwerwiegender Grund vorgelegen habe. Danach wäre ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin von vornherein ausgeschlossen, weil der Auftraggeber in einem solchen Fall bei Aufhebung des Verfahrens nicht rechtswidrig gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; vgl. dazu auch Wagner in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 17 VOB/A Rn. 8 mwN). Der prozessuale Sinn und Zweck des Hilfsantrags der Antragstellerin besteht vor dem Hintergrund der Regelung in § 124 Abs. 1 GWB aber darin, die gerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs vorzubereiten. Hätte der die Bescheidung des Beschwerdehauptantrags betreffende Teil des Beschlusses des Vergabesenats vom 4. Dezember 2013 Bestand und gäbe der Bundesgerichtshof dem Hilfsantrag statt, hätte das zur Folge, dass hinsichtlich derselben entscheidungserheblichen Frage, ob der Umstand, dass die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Ausführung der Fahrbahndeckenabschnitte mehrdeutig sind, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berechtigte , widerstreitende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf der einen und des Vergabesenats auf der anderen Seite vorlägen. Nach der Entscheidung des Vergabesenats stünde fest, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist, weshalb die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt sein könnte, während eine dem Hilfsantrag statt- gebende Entscheidung voraussetzte, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Um dies zu vermeiden muss über Haupt- und Hilfsantrag einheitlich entschieden werden.
16
(3) Der Erstreckung der Divergenzvorlage auf den gesamten Streitstoff des Beschwerdeverfahrens stehen auch Rechtskraftsgesichtspunkte nicht entgegen. Die Beschlüsse der Vergabesenate werden als prinzipiell letztinstanzliche Entscheidungen zwar grundsätzlich mit ihrem Wirksamwerden rechtskräftig. Ebenso wenig, wie im Zivilprozess eine unzulässige Beschränkung der Revisionszulassung dazu führt, dass der von der Zulassung ausgenommene Teil in Rechtskraft erwächst, sondern in einem solchen Fall von einer unbeschränkten Zulassung auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, ZIP 2003, 1240), wird auch über den in unzulässiger Weise von der Divergenzvorlage ausgenommenen Teil nicht rechtskräftig entschieden. Unzulässig ist die beschränkte Revisionszulassung, wenn der damit ins Auge gefasste Teil des Streitstoffs nicht in dem Sinne selbständig ist, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs entstehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5), also im Wesentlichen unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen der Erlass eines Teilurteils unzulässig ist. So verhält es sich hier; auf die vorstehenden Ausführungen dazu wird Bezug genommen.
III. Den mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie weiterverfolgten
17
Antrag, die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle zu kassieren, hat der Vergabesenat in der Sache im Ergebnis zu Recht für unbegründet erachtet.
18
1. Die Vergabe von Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an einer Bundesautobahn, auf die sich das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht, ist ein Gegenstand der Auftragsverwaltung nach Art. 85 ff. GG. Diese ist eine Form der Landesverwaltung, bei der die Länder Landesstaatsgewalt ausüben und ihre Behörden als Landesorgane handeln, wobei dieses Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten, stets Landesangelegenheit bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88, NVwZ 1990, 955, 957). Als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist dementsprechend das jeweils betroffene Land anzusehen und nicht die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2003 - 4 C 9/02, NVwZ-RR 2004, 84 f.; OLG Celle, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 13 Verg 2/11, VergabeR 2011, 783 ff.; Müller in: Byok/ Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 106a GWB Rn. 13). Dementsprechend fällt die Vergabenachprüfung in diesen Fällen auch in die Zuständigkeit der Vergabekammern der Länder (§ 106a Abs. 2 Satz 1 GWB).
19
Die infolge missverständlicher Formulierungen im Rubrum des Nachprüfungsantrags und der sofortigen Beschwerdeschrift möglichen Zweifel daran, dass der Nachprüfungsantrag und die sofortige Beschwerde sich gegen das betroffene Land richten, hat die Antragstellerin auf den Hinweis des Senats durch Berichtigung des Passivrubrums, der das Land nicht entgegengetreten ist, ausgeräumt.
20
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Aus den genannten Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen folgt nicht im Gegenschluss, dass ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen wäre, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163). Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf , dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, VergabeR 2003, 163).
21
Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann der Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung auf die Feststellung antragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB entsprechend; § 123 Satz 3, 4 GWB). Ein Schadensersatzanspruch beschränkt sich in solchen Fällen allerdings regelmäßig auf die Erstattung des negativen Interesses (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 Rn. 16 - Rettungsdienstleistungen II; Scharen in Kompaktkommentar Vergaberecht, 3. Aufl., 13. Los Rn. 54). Weitergehende Ansprüche, wie ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des positiven Interesses oder - zur Vermeidung eines entsprechenden Schadenseintritts - ein Anspruch auf Weiterführung des Vergabeverfahrens, können unter besonderen Voraussetzungen zwar in Betracht kommen, etwa dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, ein Vergabeverfahren aufzuheben, in rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Auf- hebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können. Nach den vom Vergabesenat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt ein solcher Ausnahmetatbestand hier aber nicht vor. Die Vergabestelle will den Auftrag zwar umgehend erneut vergeben, aber nicht unter manipulativen Umständen, sondern in einem offenen, auch der Antragstellerin erneut eröffneten Wettbewerb.
22
Der Vergabesenat hat auch mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, eine vergaberechtswidrige Diskriminierung der Antragstellerin ausgeschlossen. Die Vergabestelle ist nicht aus Wettbewerbsgründen verpflichtet , eine zweistreifige Ausführung abzunehmen. Ob das Gewicht der mit dieser Ausführungsvariante verbundenen Nachteile anders bewertet werden kann, als es der Einschätzung der Vergabestelle entspricht, ist unerheblich, solange es sich dabei nicht um Argumente handelt, die lediglich zu dem Zweck vorgeschoben sind, eine bestimmte Ausführung als vorzugswürdig darzustellen, um die wirklich hinter der Entscheidung stehenden Gründe zu verdecken. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
IV. In der den Hilfsantrag betreffenden Divergenzfrage kann der vom
23
Beschwerdegericht befürworteten Sichtweise nicht beigetreten werden. Der Hilfsantrag ist begründet, da die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
24
1. Die Antragstellerin möchte mit dem Antrag, wie seine Auslegung ergibt, festgestellt wissen, dass die Aufhebung nicht von einem der in § 17 EG Abs. 1 VOB/A genannten Gründe, namentlich nicht von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, gedeckt und deshalb rechtswidrig war. Für die Frage, ob die Vergabestelle nach dieser Bestimmung berechtigt war, das Vergabeverfahren aufzuhe- ben oder ob die Aufhebung einen Bieter in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt, sind nach dem zu III dargestellten Zweck der Bestimmung die gesamten Umstände, die für die Aufhebungsentscheidung erheblich waren, zu berücksichtigen. Dazu gehören im Streitfall vor allem auch die Mängel der Ausschreibung , die zum ersten Nachprüfungsverfahren geführt haben. Nach den von der Vergabekammer dort getroffenen, in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 1 GWB bindenden Feststellungen war die Leistung in einer Weise beschrieben, dass darunter auch eine zweistreifige Ausführung verstanden werden konnte. Danach hatte die Antragstellerin ein wertungsfähiges Angebot abgegeben. Die Vergabestelle hat das Vergabeverfahren im Anschluss an diese Entscheidung der Vergabekammer aufgehoben, um zu vermeiden, auf dieses zwar den Vergabeunterlagen, aber nicht ihren Vorstellungen von der Ausführung entsprechende Angebot den Zuschlag erteilen zu müssen. Die Aufhebungsentscheidung stellt somit eine Maßnahme zur Korrektur eines eigenen vergaberechtlichen Fehlers dar.
25
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung eines zur Aufhebung berechtigenden schwerwiegenden Grundes strenge Maßstäbe anzulegen. Ein zur Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann danach schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil diese es andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Das wäre mit Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung öffentlicher Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwä- gung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637).
26
3. Der Vergabesenat berücksichtigt bei seiner Interessenabwägung die eigentliche Ursache für die Aufhebung (vorstehend III) nicht hinreichend. Sein Befund, ohne die Aufhebung könne dem Grundsatz eines gesunden und transparenten Wettbewerbs nicht mehr Genüge geleistet werden, nachdem es an einer konkreten, eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der nachgefragten Leistung fehle und das Ergebnis des Wettbewerbs unter Umständen anders zu bewerten wäre, wenn die übrigen Bieter die Vergabeunterlagen so verstanden hätten wie die Antragstellerin (oben I 2), wird dem gesamten Geschehen nur bei vordergründiger Betrachtung gerecht. Er berücksichtigt nicht angemessen, dass dieses Ergebnis Folge der missverständlichen Abfassung der Vergabeunterlagen durch die Vergabestelle ist und die Verneinung eines schwerwiegenden Grundes zur Aufhebung der Ausschreibung die Frage nicht präjudiziert, ob und inwieweit das Vergabeverfahren fortgesetzt werden durfte. Die beteiligten Interessen wären im Streitfall nicht angemessen berücksichtigt, wenn der Verursacher von den Folgen seines eigenen Handelns freigestellt und diese den Bietern aufgebürdet würden. Dies gilt, wie der Vergabesenat zutreffend erwägt, unabhängig von Fragen des Verschuldens. Das auf § 114 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbs., § 123 Satz 3 GWB gestützte Feststellungsbegehren betrifft lediglich die Frage der Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen. An deren Beurteilung durch die Nachprüfungsinstanzen soll das ordentliche Gericht im Schadensersatzprozess nach § 124 Abs. 1 GWB im prozessökonomischen Interesse an einer arbeitsteiligen Verwertung der im Nachprüfungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse gebunden sein (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm./ Gröning, 1. Aufl., § 124 GWB Rn. 2 f.). Alle weiteren mit der Frage zusammenhängenden Gesichtspunkte, ob hierdurch das von § 241 Abs. 2 BGB geschützte Interesse der Bieter daran verletzt ist, dass der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren so anlegt und durchführt, dass der mit der Angebotserstellung verbundene Aufwand nicht von vornherein unnütz ist (vgl. BGHZ 190, 89 Rn. 12 - Rettungsdienstleistungen II), betreffen die schadensrechtliche Auseinandersetzung und sind dementsprechend gegebenenfalls im Schadensersatzprozess zu klären.
27
Unergiebig für den Standpunkt des Beschwerdegerichts ist auch die von ihm angeführte Passage im Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2009 (VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47) zu den Möglichkeiten des Auftraggebers , ein Vergabeverfahren aufzuheben, wenn sich infolge der Verzögerung der Vergabe durch ein Nachprüfungsverfahren die Preise gravierend erhöht haben. Diese Ausführungen stellen zum einen nur ein obiter dictum dar. Zum anderen weist der Bundesgerichtshof dort darauf hin, der Auftraggeber habe in solchen Fällen "unter den Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 Buchst. c VOB/A" (aF, die § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012 entspricht) die Möglichkeit, die Ausschreibung aufzuheben. Entgegen dem Beschwerdegericht ist der Entscheidung also gerade nicht die Rechtsauffassung zu entnehmen, auch vom Auftraggeber zu vertretende Verzögerungen stellten einen schwerwiegenden, zur Aufhebung berechtigenden Grund dar. Vielmehr stellt der Hinweis in der Entscheidung, der Auftraggeber könne das Vergabeverfahren aufheben, dies ausdrücklich unter den Vorbehalt, dass (zusätzlich) die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Buchst. c VOB/A aF vorliegen.
28
Soweit die Vergabestelle die Aufhebung unter Hinweis auf von ihr geschätzte verzögerungsbedingte Mehrkosten von 500.000 € als gerechtfertigt ansehen möchte, kann dies schon deshalb keinen Erfolg haben, weil in Anbetracht des ursprünglichen Auftragsvolumens von rund 7.500.000 € in einer Verteuerung in dieser Größenordnung keine grundlegende Änderung der Preisermittlungsgrundlagen gesehen werden kann.
29
Nach allem sind keine i. S. von § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A schwerwiegenden Gründe für die Aufhebung anzuerkennen.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB; die Entscheidung
30
der Vergabekammer über die Höhe der Gebühren und Auslagen bleibt unberührt.
Meier-Beck Gröning Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.12.2013 - 15 Verg 9/13 -

Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es

1.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,
2.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 18/07 Verkündet am:
27. November 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ nein
BGHR ja
GWB § 126 Satz 1; VOB/A § 1a (jetzt: § 3 Abs. 1 VgV); BGB § 276 Fa

a) Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens in § 126 Satz 1 GWB setzt
kein Verschulden beim Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen voraus.

b) Ein Angebot hätte i. S. von § 126 Satz 1 GWB eine echte Chance auf den Zuschlag
gehabt, wenn es innerhalb des Wertungsspielraums der Vergabestelle
gelegen hätte, darauf den Zuschlag zu erteilen.

c) Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der
für die Auftragserteilung vorgesehenen Wertungskriterien und deren Gewichtung
, zu denen der öffentliche Auftraggeber ggf. nach den Grundsätzen der
sekundären Darlegungslast vorzutragen hat, zu prüfen.

d) Die vom Auftraggeber vorzunehmende Schätzung des Gesamtauftragswerts
i. S. von § 1a VOB/A (§ 3 Abs. 1 VgV) bezieht sich auf die unter Wettbewerbsbedingungen
voraussichtlich entstehende Gesamtvergütung.

e) Ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Erstattung der Kosten für die Teilnahme
am Vergabeverfahren kann einem Bieter zustehen, wenn er sich ohne
Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens (hier: Schätzung der
Gesamtvergütung unterhalb des einschlägigen Schwellenwerts) nicht oder
nicht so, wie geschehen, daran beteiligt hätte (Weiterführung von Sen.Urt. v.
27.6.2007 - X ZR 34/04, NZBau 2007, 727, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen
).
BGH, Urt. v. 27. November 2007 - X ZR 18/07 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Asendorf und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das am 15. Januar 2007 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt als Teilnehmerin eines später aufgehobenen Vergabeverfahrens von dem beklagten Land Schadensersatz.
2
Die Vergabestelle des Beklagten schrieb im Juni 1999 in öffentlicher Ausschreibung nach Abschnitt 1 der VOB/A Arbeiten für den Bau einer Hochwasserschutzanlage in der Ortslage O. aus. Im Submissionstermin lagen vier Angebote vor, von denen sich das preiswerteste auf 9.969.165 DM brutto (rd. 8.594.108 DM netto) belief. Die Klägerin hatte mit 10.733.990 DM brutto (rd.

9.253.440 DM netto) das zweitgünstigste Angebot abgegeben. Die mit einem Angebotspreis von 11.012.507 DM brutto (rd. 9.493.401 DM netto) an dritter Stelle liegende Bietergemeinschaft W. u. a. stellte einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer wegen Unterschreitung des Schwellenwerts als unzulässig verwarf. Auf die sofortige Beschwerde dieses Bieters verlängerte der Vergabesenat des OLG Koblenz die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB (Beschl. v. 16.12.1999 - 1 Verg 1/99) und stellte in seiner instanzbeendenden Entscheidung - sachverständig beraten - fest, dass der maßgebliche Schwellenwert von 9.606.331 DM überschritten sei (Beschl. v. 6.7.2000 - 1 Verg 1/99). Daraufhin hob die Vergabestelle die Ausschreibung auf und schrieb das Vorhaben im Jahre 2002 gemeinschaftsweit aus. Die Klägerin beteiligte sich an diesem Wettbewerb, den Zuschlag erhielt aber die Bietergemeinschaft W. u. a.
3
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Erstattung der Aufwendungen für die Ausarbeitung ihres im ersten Vergabeverfahren eingereichten Angebots, die sie auf 47.495,88 € beziffert und die sie nach ihren Behauptungen für die Erstellung des Angebots im Rahmen der Folgeausschreibung nicht hat nutzen können. Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Koblenz IBR 2007, 272). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB dem Grunde nach zu. Der hier in Rede stehende Vergaberechtsverstoß, das Vorhaben nicht europaweit ausgeschrieben zu haben, sei nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen.
7
Die Vergabestelle habe gegen eine im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Bestimmung verstoßen, indem sie das Vorhaben entgegen § 17a VOB/A nicht gemeinschaftsweit ausgeschrieben habe. Das stattdessen nach Abschnitt 1 der VOB/A durchgeführte Vergabeverfahren sei von vornherein mit einem schweren Verfahrensfehler behaftet gewesen, der, sobald er erkannt wurde, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens habe führen müssen. Auch bei solchen, die Aufhebung des Verfahrens rechtfertigenden Fehlern sei § 126 Satz 1 GWB entgegen der Ansicht des Beklagten anwendbar.
8
Der Prüfung, ob die echte Chance eines Bieters beeinträchtigt worden sei, sei der Sachverhalt zugrunde zu legen, der sich ergäbe, wenn die rechtswidrige beeinträchtigende Maßnahme hinweggedacht werde. Im Streitfall hätte die Beklagte den Auftrag dann europaweit ausgeschrieben und der Klägerin wäre dabei die Chance gesichert gewesen, die sie sich mit der Qualität ihres Angebots habe erarbeiten können.
9
Die Klägerin gehöre deshalb zum Kreis der nach § 126 Satz 1 GWB Anspruchsberechtigten , weil sie als Zweitplatzierte zur Spitze der Bieterliste gehört habe.

10
Der Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB setze ein Verschulden der Vergabestelle nicht voraus, stünde der Klägerin aber selbst dann zu, wenn die Norm als verschuldensabhängige Regelung zu verstehen wäre. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte mangels sorgfältiger Kostenberechnung die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung zu vertreten habe.
11
Die Klägerin könne wegen der vom Beklagten zu vertretenden fehlerhaften Ausschreibung Schadensersatzanspruch auch aus culpa in contrahendo verlangen. Bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens selbst betreffe, werde das Vertrauen jedes teilnehmenden Bieters darauf verletzt , dass seine Aufwendungen nicht von vornherein nutzlos seien.
12
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen entscheidungserheblichen Punkten stand.
13
1. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Zuerkennung des Klageanspruchs nach § 126 Satz 1 GWB nicht.
14
Nach dieser Bestimmung kann ein Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung seines Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Auftrag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.
15
a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vergabestelle gegen eine i. S. von § 126 Satz 1 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat. Der herangezogene § 17a VOB/A ist allerdings nicht einschlägig. Die Bestimmung schützt die Unternehmen vor unzulänglicher Publizität der Planung von öffentlichen Bauvorhaben und ihrer Ausschreibung. Weiter reicht ihr Schutzbereich nicht. Der Verstoß der Vergabestelle gegen diese Bestimmung ist nicht ursächlich für die Beeinträchtigung der Zuschlagschancen der Klägerin geworden, weil diese von der durchgeführten Ausschreibung Kenntnis erhalten und sich daran beteiligt hat. Der im Streitfall maßgebliche Verstoß gegen Schutzvorschriften liegt in der Verletzung von § 2 Abs. 1 der zur Zeit des Vergabeverfahrens (weiterhin) einschlägigen Vergabeverordnung (VgV) vom 22. Februar 1994 (BGBl. I S. 321; vgl. dazu Beck'scher VOB/AKomm. /Marx, § 100 GWB Rdn. 6). Danach war die Vergabestelle verpflichtet, ein den in § 1a VOB/A genannten Schwellenwert erreichendes Bauvorhaben gemeinschaftsweit auszuschreiben.
16
b) Der Verstoß gegen die Pflicht zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung wird entgegen der Ansicht der Revision vom Schutzzweck des § 126 Satz 1 GWB erfasst. Die Revision meint, bei einem fälschlicherweise auf nationaler Ebene eingeleiteten Verfahren könne zwar im Primärrechtsschutz die gemeinschaftsweite Vergabe durchgesetzt werden, jedoch sei einem Teilnehmer des nationalen Vergabeverfahrens der Weg, über § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz zu verlangen, verschlossen. Für ein solches einschränkendes Verständnis der Bestimmung bieten indes ihre Stellung im Gesetz, ihr Wortlaut, die Entstehungsgeschichte der Norm und ihr Sinn und Zweck keinen Raum. Die Bestimmung ist Bestandteil des Vierten Teils des GWB, der - vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Ausnahmekatalogs in § 100 Abs. 2 GWB - für alle von § 100 Abs. 1 GWB i. V. mit der Verordnung nach § 127 GWB erfassten Aufträge gilt. Der Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift bei bestimmten Verstößen gegen bieterschützende Vergabebestimmungen nicht eingreifen und dass insbesondere die Durchführung eines gemeinschaftsweiten Vergabeverfah- rens Voraussetzung für ihre Anwendung sein soll. Dahinstehen kann, inwieweit die Bestimmung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht zwingend erforderlich war. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 2 Abs. 1 lit. c der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21. Dezember 1989 (ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33) lediglich sicherzustellen, dass den durch einen Vergaberechtsverstoß Geschädigten Schadensersatz zuerkannt werden kann, was, wie die Revision zutreffend bemerkt , durch das Institut der culpa in contrahendo gewährleistet ist. Nur im - hier nicht berührten - Sektorenbereich sind Beweiserleichterungen zugunsten der Auftragnehmerseite vorgesehen (vgl. Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie 92/13/EWG v. 25.2.1992, ABl. Nr. L 76 v. 23.3.1992, S. 14). Da die Vergaberichtlinien des Gemeinschaftsrechts generell dem Schutz der Bieter gelten, verstößt es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn der deutsche Gesetzgeber eine bieterschützende Bestimmung wie § 126 Satz 1 GWB weiter fasst, als es gemeinschaftsrechtlich möglicherweise veranlasst war.
17
c) Die Revision hält § 126 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut ("bei Wertung der Angebote") nicht für anwendbar, wenn das Vergabeverfahren, wie hier, infolge eines beanstandeten Verstoßes gegen eine bieterschützende Bestimmung aufgehoben und die Wertungsphase deshalb gar nicht erreicht wird. Die fehlerhafte Ausschreibung hinweggedacht, läge überhaupt kein Vergabewettbewerb vor. Ein hypothetischer Sachverhalt dürfe nicht hinzugedacht werden. Dagegen habe das Berufungsgericht mit seiner Annahme verstoßen, die Vergabestelle hätte das Vorhaben , wenn sie den Fehler erkannt hätte, gemeinschaftsweit ausgeschrieben. Diese Reaktionsmöglichkeit sei nicht die einzige gewesen, die dem Auftraggeber zu Gebote gestanden hätte. Diese Einwände, die sich gleichermaßen gegen die Auslegung von § 126 Satz 1 GWB durch das Berufungsgericht wie gegen die Schadenszurechnung richten, sind nicht begründet.

18
aa) Richtig ist, dass das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob die Klägerin "bei der Wertung" eine echte Chance gehabt hätte, hypothetisch angenommen hat, dass die Vergabestelle eine gemeinschaftsweite Ausschreibung durchgeführt hätte, wenn sie deren Erforderlichkeit rechtzeitig erkannt hätte. Des Weiteren liegt dem Berufungsurteil die hypothetische Annahme zugrunde, dass das konkret in der nationalen Ausschreibung abgegebene Angebot der Klägerin bei der gedachten Wertung in dem hypothetischen gemeinschaftsweiten Verfahren eine echte Chance gehabt hätte. Diese Auslegung steht mit § 126 Satz 1 GWB in Einklang. Ob ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist, setzt nach dessen Wortlaut ("…und hätte das Unternehmen ohne diesen Verstoß…") eine hypothetische Ermittlung des Handlungsverlaufs voraus, der sich ohne den Verstoß zugetragen hätte. Wenn die Vergabestelle bei korrekter Handhabung gemeinschaftsweit ausgeschrieben hätte, ist es mit dem Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB vereinbar, darauf abzustellen, ob das abgegebene Gebot in diesem hypothetischen Verfahren eine echte Chance gehabt hätte.
19
bb) Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte bei richtiger Schätzung des Auftragswertes gemeinschaftsweit ausgeschrieben, hat das Berufungsgericht nicht gegen die Grundsätze der Schadenszurechnung verstoßen. Deren Grundvoraussetzung ist die Verursachung des Schadens im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (allgemeine Ansicht; vgl. nur BGHZ 96, 157; BGH, Urt. v. 4.7.1994 - II ZR 162/93, NJW 1995, 127). In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, aber kein weiterer Umstand hinzugedacht werden darf. Damit sind hypothetische Handlungen des Geschädigten (vgl. BGH NJW 1995, 126, 127) oder des Schädigers (vgl. BGHZ 96, 157, 172) gemeint, deren Hinzudenken den Erfolg bei ansonsten gegebener Kausalität des schadenstiftenden Verhaltens entfallen ließe.
20
Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht nicht verstoßen. Es hat vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen sein kann, wenn der Schaden bei gedachtem rechtmäßigem Alternativverhalten ebenfalls entstanden wäre, und deshalb geprüft, wie sich der Auftraggeber verhalten hätte, wenn ihm die Notwendigkeit der gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte ein gemeinschaftsweites Vergabeverfahren durchgeführt, hat das Berufungsgericht keine im vorgenannten Sinne hypothetische Handlung hinzugefügt. Wie die Revision selbst nicht verkennt, entspräche es nicht der Lebenswirklichkeit, die schadenstiftende Durchführung der Ausschreibung auf nationaler Ebene im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs in schlichter Negation ersatzlos hinwegzudenken, weil der Auftraggeber, wenn er die Notwendigkeit gemeinschaftsweiter Ausschreibung rechtzeitig erkannt hätte, zwangsläufig auf die eine oder andere Weise reagiert hätte. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht Feststellungen darüber getroffen, wie die Vergabestelle sich verhalten hätte, wenn sie sich der Verpflichtung zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Das vom Oberlandesgericht in tatrichterlicher Würdigung gefundene Ergebnis, in diesem Fall wäre gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden, bindet das Revisionsgericht. Damit hat das Berufungsgericht weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßen, sondern einen zumindest naheliegenden Verlauf angenommen, der im Übrigen auch dem späteren Vorgehen der Vergabestelle entsprach.
21
d) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Haftung des Auftraggebers aus § 126 Satz 1 GWB kein Verschulden voraussetzt.

22
aa) Diese Auffassung entspricht der in der Fachliteratur überwiegenden Meinung (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx, § 126 GWB Rdn. 2; Ingenstau/Korbion/ Müller-Wrede, VOB Komm., 15. Aufl., § 126 Satz 1 GWB Rdn. 3; Verfürth in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, § 126, Rdn. 24 ff.; Boesen, Vergaberecht, § 126 Rdn. 6, 13; Heiermann/Riedl/Rusam/Kullack, VOB, 10. Aufl., § 126 GWB Rdn. 3; Dippel in: jurisPK-Vergaberecht, § 126 Rdn. 22; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Bungenberg, Kartellrecht Bd. 2, GWB, § 126 Rdn. 10; Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 4; Niebuhr in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum Vergaberecht, § 126 Rdn. 10 ff.). Die Gegenauffassung stellt im Wesentlichen darauf ab, der Gesetzgeber hätte eine etwa gewollte verschuldensunabhängige Haftung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, weil es sich dabei um eine weder europarechtlich vorgegebene noch im Gesetzgebungsverfahren auch nur angesprochene Verschärfung der Haftung des Auftraggebers handele (Immenga/Mestmäcker/Stockmann, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 9) bzw. weil eine Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht grundsätzlich Verschulden voraussetze (Byok/Jaeger/Gronstedt, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl., Rdn. 1301; Jebens, DB 1999, 1741, 1743; vgl. auch Korbion, VgRÄG 1999, § 126 Rdn. 2).
23
bb) Der Senat tritt der ersteren Ansicht bei. § 126 Satz 1 GWB erfordert seinem Wortlaut nach, wie z. T. auch von der Gegenauffassung eingeräumt wird (vgl. Gronstedt, aaO), kein Verschulden. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung entspricht mit Blick auf die Verschuldensunabhängigkeit derjenigen in gesetzlichen Bestimmungen, in denen eine solche Haftungsverschärfung des Schuldners angeordnet ist (vgl. § 833 BGB, § 7 Abs. 1 StVG; §§ 1, 2 HPflG, § 1 ProdHaftG; § 1 UmweltHaftG).
24
Die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt zudem, dass der Gesetzgeber von Anfang an eine verschuldensunabhängig konzipierte spezialgesetzliche Regelung schaffen wollte. Nach § 135 des Regierungsentwurfs für das Vergaberechts- änderungsgesetzt (VgRÄG), aus dem § 126 Satz 1 GWB hervorgegangen ist, sollte ein Schadensersatz für die Kosten des Angebots oder die Teilnahme am Vergabeverfahren verlangendes Unternehmen lediglich nachweisen müssen, dass eine seinen Schutz bezweckende Vergabevorschrift verletzt worden ist und dass es ohne diesen Rechtsverstoß bei der Wertung der Angebote in die engere Wahl gekommen wäre (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 9). Soweit die Bestimmung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens umformuliert worden ist, diente das dem Zweck, den eigentlichen Charakter der Norm als Anspruchsgrundlage zum Ausdruck zu bringen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 36) und, worauf noch zurückzukommen sein wird (nachstehend II. 1. e) bb)), dazu, den Begriff der engeren Wahl durch den der echten Chance zu ersetzen. Dass der Nachweis des Verschuldens der Auftraggeberseite nicht vorgesehen war, wurde dagegen nicht infrage gestellt und nicht korrigiert.
25
e) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Tatbestandsmerkmal der echten Chance auf den Zuschlag bejaht hat, begegnen dagegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
26
aa) Wie dieses Tatbestandsmerkmal zu konkretisieren ist, beurteilt die Fachliteratur unterschiedlich. Eine Gleichsetzung mit dem aus der Angebotswertung nach der VOB/A bekannten Begriff der engeren Wahl wird überwiegend abgelehnt (vgl. Stockmann, aaO, § 126 Rdn. 14; Gronstedt, aaO Rdn. 1287 ff., Reidt/Stickler/ Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 126 Rdn. 18 ff., jew. m.w.N.; anders Marx, aaO, § 126 Rdn. 5; zum Streitstand auch Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 194 Tz. 12). Zum Teil wird vertreten, es reiche aus, wenn das fragliche Angebot zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe gehört (vgl. Glahs, aaO Rdn. 24). Vielfach wird darauf abgestellt, ob das Angebot nach dem dem Auftraggeber zustehenden Wertungsspielraum den Zuschlag hätte erhalten können (KG, Urt. v. 14.8.2003 - 27 U 264/02, VergabeR 2004, 496; Stockmann, aaO; Gronstedt, aaO Rdn. 1294; Bungenberg, aaO, § 126 Rdn. 7; Dippel, aaO, § 126 Rdn. 13 f.; Verfürth, aaO, § 126 Rdn. 17; ähnlich Schnorbus, BauR 1999, 77, 93).
27
bb) Der Senat tritt der letzteren Auffassung bei. Mit dem Attribut "echt" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung hätte haben müssen. Dafür reicht es nicht aus, wenn das fragliche Angebot in die engere Wahl gelangt wäre. Das ergibt bereits die historische Auslegung. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das VgRÄG vorgeschlagen, diesen Begriff durch den der echten Chance zu ersetzen, weil Ersterer darüber hinausgehe, was Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie verlange (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 37). Dem hatte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung bezüglich des Tatbestandsmerkmals der echten Chance zugestimmt (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 51 zu Nr. 37) und mit dieser Änderung ist der Gesetzentwurf verabschiedet worden. Hinzu kommt, dass das Kriterium der engeren Wahl sich zwar in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A findet, nicht aber in den entsprechenden Regelungen der anderen Verdingungsordnungen VOL/A und VOF, was ersichtlich damit zusammenhängt, dass es sich nicht überall als eigenständige Wertungsstufe eignet. Selbst nach der Systematik des Wertungsprozesses nach der VOB/A (vgl. BGHZ 139, 273) handelt es sich bei der engeren Wahl erst um eine Vorsichtung, die noch keinen Rückschluss darauf zulässt, ob jedes darin einbezogene Angebot große Aussichten auf den Zuschlag hat. Die Zugehörigkeit zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe ist generell wenig aussagekräftig dafür, ob tatsächlich die vom Gesetz vorausgesetzten Aussichten auf den Zuschlag bestehen. In Verfahren mit - wie im Streitfall - wenigen Teilnehmern ist dieses Kriterium schon von seinen Voraussetzungen her unpassend. Dass ein Angebot eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, kann vielmehr erst dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber dar- auf im Rahmen des ihm zustehenden Wertungsspielraums den Zuschlag hätte erteilen dürfen.
28
cc) Ob die Erteilung des Zuschlags an den Schadensersatz begehrenden Bieter innerhalb des dem Auftraggeber eröffneten Wertungsspielraums gelegen hätte, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur unter Berücksichtigung der für die Auftragserteilung vorgesehenen Wertungskriterien (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 i. V. mit § 10a lit. a VOB/A 2006, § 11 Nr. 1 Abs. 1 i. V. mit § 7 Nr. 2 Abs. 2 lit. i VOB/A-SKR 2006, § 25 Nr. 3, § 25a Nr. 1, § 25b Nr. 1 VOL/A 2006, § 11 Nr. 1 VOL/A-SKR 2006, § 16 Abs. 2, 3 VOF 2006) und deren Gewichtung (Marge, Matrix, Punktsystem , o. Ä.) beantwortet werden kann. Erst durch die Wertungsmaßstäbe und ihre ermessensfehlerfreie Anwendung kann der wirkliche Rang der einzelnen Angebote bestimmt und zuverlässig festgestellt werden, welches davon eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
29
dd) Das Berufungsgericht hat die echte Chance des Angebots der Klägerin allein deswegen bejaht, weil es an zweiter Stelle hinter dem "rein preislich gesehen günstigsten Anbieter" gelegen und damit zur Spitze der Bieterliste gehört habe. Da das Berufungsgericht zu den Wertungskriterien keine weiteren Feststellungen getroffen hat, ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass allein der Angebotspreis maßgeblich war. Danach aber wäre es in Anbetracht des preislichen Abstands zu dem an erster Stelle liegenden Angebot nicht vom Wertungsspielraum der Vergabestelle gedeckt gewesen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen. Die im Berufungsurteil in Bezug genommenen Unterlagen (Anlage K 1, Seite 15 der Faxkennung) weisen im Übrigen allerdings darauf hin, dass der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte annehmbarste Angebot erteilt werden sollte.

30
Soweit das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, es hätte noch im Ermessen der Vergabestelle gelegen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen, handelt es sich entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht um eine autonome und das Revisionsgericht bindende Feststellung, sondern um ein rechtliches Resümee, welches das allein den Preis berücksichtigende Wertungsergebnis mit anderen Worten wiederholt, aber nicht den Schluss zulässt, dem klägerischen Angebot sei unter Berücksichtigung der gesamten geltenden , lediglich nicht in den Entscheidungsgründen mitgeteilten Wertungskriterien eine echte Chance auf den Zuschlag zugemessen worden.
31
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht den Klageanspruch aus culpa in contrahendo für gerechtfertigt angesehen hat.
32
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Anspruchsgrundlage allerdings neben § 126 Satz 1 GWB angewendet. Mit § 126 Satz 2 GWB, wonach weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz unberührt bleiben, stellt das Gesetz nur deklaratorisch klar, dass der im Vergabeverfahren benachteiligte Bieter nicht auf die Geltendmachung des negativen Interesses beschränkt ist. Eine wie auch immer zu verstehende Exklusivität des Satzes 1 der Bestimmung für Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens ist der Regelung nicht zu entnehmen.
33
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens als solche betrifft, ein in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes enttäuschter Bieter Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Angebotskosten auch dann verlangen kann, wenn er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben oder zumindest eine echte Chance auf den Zuschlag i. S. von § 126 Satz 1 GWB gehabt hat.

34
aa) Die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, bei der die Regeln der VOB/A anzuwenden sind, können erwarten, dass dies schon bei den im Vorfeld der Ausschreibung liegenden Schritten geschehen ist (Sen.Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99, BB 2001, 1119; v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163). Vom Schutzbereich des Anspruchs aus culpa in contrahendo ist demnach auch die richtige Wahl der Verfahrensart umfasst.
35
bb) Allerdings kommt ein Anspruch aus culpa in contrahendo aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, regelmäßig allein für den Bieter in Betracht, der ohne den Verstoß den Zuschlag erhalten hätte. Das Ausschreibungsverfahren ist seinem Gegenstand nach ein Wettbewerbsverfahren, bei dem sich die unter Umständen beträchtlichen Aufwendungen der Bieter für die Erstellung der Angebotskosten nur beim Gewinner amortisieren, während sie bei den übrigen Teilnehmern regelmäßig kompensationslos verloren sind (vgl. Sen.Urt. v. 27.6.2007 - X ZR 34/04 Tz. 13, NZBau 2007, 727, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen). Ein Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen zum Nachteil eines nachrangigen Bewerbers wird deshalb regelmäßig nicht kausal für den bei ihm durch die Angebotsaufwendungen zu verzeichnenden Vermögensverlust sein. Dies gilt aber nicht ausnahmslos.
36
cc) Der Senat hat im Urteil vom 27. Juni 2007 entschieden, dass einem Bieter , der den Zuschlag nicht erhalten hat, gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz solcher Aufwendungen zustehen kann, die er nicht getätigt hätte, wenn die Vergabestelle ihm rechtzeitig bestimmte Informationen erteilt hätte (aaO Tz. 14 f.).
37
Vergleichbar verhält es sich nach Art des in Rede stehenden Verstoßes hier. Der Einwand, die einem Bieter entstandenen Angebotskosten wären nur dann nicht nutzlos gewesen, wenn er als Sieger aus dem Vergabewettbewerb hervorgegangen wäre, so dass Ersatz des Vertrauensschadens auch nur unter dieser Prämisse verlangt werden kann, greift nicht, wenn der Bieter ohne Vertrauen auf die - nicht gegebene - Rechtmäßigkeit der Einleitung gar kein Angebot oder ein solches nur unter anderen Voraussetzungen eingereicht hätte. In einer solchen Fallgestaltung wären die Angebotskosten bei hinweggedachtem Vertrauenstatbestand unabhängig vom Ausgang des Wettbewerbs nicht entstanden. Deshalb kommen bei einer solchen Sachlage auch solche Bieter als Gläubiger eines auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs in Betracht, die den Zuschlag nicht erhalten oder keine echte Chance darauf gehabt hätten.
38
dd) Dieser Anspruch steht einem Bieter - seiner Ableitung entsprechend - aber nur dann zu, wenn er die Kosten ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit nicht oder nicht so wie geschehen aufgewendet hätte. Die Haftung des Auftraggebers knüpft an das schutzwürdige Vertrauen des Bieter in den rechtmäßigen Ablauf des Vergabeverfahrens an (vgl. Sen.Urt., NZBau 2007, 727 Tz. 8 m.w.N). Das Berufungsgericht hat dies im Ausgangspunkt nicht verkannt und ausgeführt, einem in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Einleitung enttäuschten Bieter, der sich bei Kenntnis der Sachlage am Verfahren nicht beteiligt hätte, stehe ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo zu.
39
Dass die Klägerin sich in Kenntnis der Umstände nicht am ersten Vergabeverfahren beteiligt hätte, hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt. Dies verstünde sich auch nicht von selbst, so dass explizite Feststellungen dazu nicht entbehrlich waren. Nach Lebenserfahrung und wirtschaftlicher Vernunft ist nämlich kaum zu erwarten, dass ein Bieter gänzlich von der Bewerbung um einen Auftrag Abstand nehmen wird, wenn und bloß weil er erkennt, dass dieser fälschlicherweise nach Abschnitt 1 der VOB/A ausgeschrieben worden ist anstatt gemeinschaftsweit. Als naheliegende hypothetische Reaktionsmöglichkeit ist vielmehr zum einen in Erwägung zu ziehen, dass der Bieter die "Vorteile" des Verstoßes, etwa eine mangels internationaler Publizität erhoffte Abwesenheit ausländischer Konkurrenz, gegen Nachteile wie Defizite im Rechtsschutz und geringere Verfahrenstransparenz abwägen und sich - ggf. unter Spekulation auf die Möglichkeit einer nachträglichen Rüge - auf den nationalen Wettbewerb einlassen könnte. Dann vertraute er aber nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens und würde, wenn dieses wegen des von ihm erkannten Mangels nicht mit der Zuschlagserteilung endet, keinen Schaden im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens erleiden. Zum anderen kommt als Reaktion infrage, dass der Bieter die als falsch erkannte nationale Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren angreifen könnte. Nur wenn hypothetisch davon ausgegangen werden kann, dass er sich - abgesehen von der, wie ausgeführt, unwahrscheinlichen Möglichkeit der völligen Abstandnahme vom Vergabeverfahren - so verhält, kommt ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens infrage.
40
Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, kann die auf culpa in contrahendo gestützte Verurteilung der Beklagten keinen Bestand haben.
41
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen ferner die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen schuldhaften, dem Beklagten zuzurechnenden Vergaberechtsverstoß bejaht hat.
42
aa) Zweifelhaft erscheint bereits die verfahrensrechtlich einwandfreie Feststellung des objektiven Pflichtenverstoßes. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auf die Bindungswirkung des § 124 Abs. 1 GWB verwiesen, obwohl die Klägerin nicht Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens, sondern nur einfache Beigeladene war. Ob der Auftraggeber sich als Beklagter im Schadensersatzprozess in einem solchen Fall die Bindungswirkung der im Nachprüfungsverfahren gegen einen anderen Antragsteller rechtskräftig ergangenen Entscheidung entgegenhalten lassen muss, wird in der Fachliteratur unterschiedlich beur- teilt (vgl. einerseits Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Rdn. 1725; Beck'scher VOB/A-Komm./Gröning, § 124 GWB Rdn. 6; andererseits Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rdn. 1243 mit Fn. 7; Summa in: jurisPKVergaberecht , § 124 Rdn. 9). Die Frage bedarf indes hier keiner abschließenden Entscheidung, weil das Berufungsgericht jedenfalls das subjektive Verschulden nicht rechtsfehlerfrei bejaht hat.
43
bb) Soweit sich das Berufungsgericht für die Sorgfaltswidrigkeit der Vergabestelle auf den Beschluss des Vergabesenats vom 16. Dezember 1999 gestützt hat, hat es nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist, in welchem der Vergabesenat nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des erstinstanzlich unterlegenen Antragstellers verlängert (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Zur Schwellenwertproblematik ergibt sich aus dieser Entscheidung lediglich , dass die Vergabestelle den im Planfeststellungsverfahren ermittelten Wert von rd. 6,6 Mio. DM fortgeschrieben und vor der Einleitung des Vergabeverfahrens auf 8,03 Mio. DM netto beziffert, dazu aber im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens keine den Vergabesenat bei der summarischen Prüfung, ob die Vergabestelle zu Recht einen unterhalb des Schwellenwertes liegenden Betrag angenommen hatte, substanziell überzeugenden schriftlichen Unterlagen vorgelegt hatte. Daraus, dass nur unzulängliche Unterlagen zur Schätzung des Auftragswertes eingereicht worden waren, kann nicht ohne Weiteres auf eine vorsätzlich oder fahrlässig falsche Fehleinschätzung des Auftragswerts unterhalb des Schwellenwerts geschlossen werden.
44
cc) Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Verschulden der Vergabestelle allein daraus hergeleitet, dass der vom Vergabesenat bestellte Sachverständige den Gesamtauftragswert auf mindestens 12.100.000 DM geschätzt hat. Auch das ist nach den gesamten Umständen nicht tragfähig.

45
(1) Für die Frage, ob es schuldhaft war, den Auftragswert unterhalb des Schwellenwertes anzunehmen, ist davon auszugehen, dass seinerzeit nach § 2 Abs. 1 VgV i. V. mit § 1a VOB/A in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1992 der Gesamtauftragswert ohne Umsatzsteuer zu schätzen war. Die Vergabestelle musste eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert anstellen oder erstellen lassen (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx § 100 GWB Rdn. 7). Diese Prognose hat zum Gegenstand, zu welchem Preis die in den Verdingungsunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Da öffentliche Auftraggeber Bau-, Liefer- und Dienstleistungen im Wettbewerb beschaffen - und zwar nicht nur im Geltungsbereich des Vierten Teils des GWB (vgl. § 97 Abs. 1 GWB), sondern auch im Unterschwellenbereich (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß, § 2 VOB/A Rdn. 48, 50; Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A § 2 Rdn. 13) - kann der Wettbewerb als preisbeeinflussender Faktor bei der Schätzung nicht unberücksichtigt bleiben.
46
(2) Wie der Vergabesenat und das ihm folgende Berufungsgericht zu Recht angenommen haben, ist Stichtag für die Schätzung des Auftragswertes bei unterbliebener gemeinschaftsweiter Ausschreibung die Einleitung des Vergabeverfahrens. Dass die späteren Angebotspreise naturgemäß noch nicht in die Schätzung eingehen konnten, beantwortet indes noch nicht die Frage, ob das anschließende Wettbewerbsergebnis im nachträglichen Streit um die richtige Schätzung des Auftragswertes prozessual unberücksichtigt zu bleiben hat. Der Vergabesenat hat dem beauftragten Sachverständigen dieses Ergebnis vorenthalten und den von ihm ohne Kenntnis dieser Daten ermittelten Schätzwert seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Diese betrifft unbeschadet der Frage der förmlichen Bindungswirkung i. S. von § 124 Abs. 1 GWB aber, worauf die Revision zutreffend hinweist, jedenfalls nur den objektiven Verstoß.

47
(3) Der Verwertung des Wettbewerbsergebnisses für die Prüfung des subjektiven , dem Auftraggeber zuzurechnenden Verschuldens stand kein prozessuales Hindernis entgegen. Dieses Ergebnis zu berücksichtigen lag hier auch in der Sache nahe, weil bestimmte, in anderen Segmenten des Baubereichs verfügbare Erkenntnisquellen hier für die Schätzung nicht zur Verfügung standen. Die vom Sachverständigen über den mutmaßlichen Auftragswert erstellte Prognose war dadurch mit zusätzlichen Ungewissheiten behaftet. Der zeitnah nach dem für die Schätzung maßgeblichen Stichtag durchgeführte Vergabewettbewerb lieferte demgegenüber gewichtige Daten, mit denen kontrolliert und erhärtet werden konnte , ob der Schätzwert zutreffend prognostiziert worden war.
48
(4) Das günstigste im Wettbewerb abgegebene Angebot lag mit nicht ganz 8,6 Mio. DM netto um rd. 3,5 Mio. DM bzw. fast 29 % unter dem vom Sachverständigen angenommenen Mindestauftragswert von 12.100.000 DM netto und um rd. eine Mio. DM unter dem einschlägigen Schwellenwert von 9.606.331 DM. Noch das an dritter Stelle liegende Angebot der - die Überschreitung des Schwellenwertes geltend machenden - Bietergemeinschaft W. u. a. unterschritt diesen Wert um über 100.000 DM und nur das mit großem Abstand an letzter Stelle liegende vierte Angebot lag über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert.
49
In Anbetracht dieses im Wettbewerb um die ausgeschriebene Leistung zustande gekommenen Preisniveaus und -gefüges, bei dem nur eines von vier Angeboten den Schwellenwert überschritt, dabei aber einen sehr großen Abstand zu den übrigen Geboten aufwies, während die übrigen diesen Wert zum Teil deutlich unterschritten, war es rechtsfehlerhaft, allein aus dem vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert auf eine schuldhafte Fehlschätzung des Gesamtauftragswertes zu schließen. Dies hätte vielmehr näherer eigener Prüfung durch das Berufungsgericht bedurft.

50
III. Für das weitere Verfahren, in dem das Berufungsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:
51
Im Rahmen des Anspruchs aus § 126 Satz 1 GWB hat die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass die Zuschlagserteilung an sie innerhalb des Bewertungsspielraums der Vergabestelle gelegen hätte. Den öffentlichen Auftraggeber trifft aber nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast (vgl. BGHZ 140, 156, 158 f.) die Pflicht, die zugrunde gelegten Wertungskriterien , sofern sie nicht in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen mitgeteilt worden sind, sowie ggf. deren Gewichtung vorzutragen und ggf. substanziiert darzulegen, warum sie dem Angebot des nach § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz begehrenden Bieters den Zuschlag nicht wertungsfehlerfrei hätte erteilen können.
52
Sofern es für die Entscheidung darauf ankommt, ob der Klägerin ein Anspruch aus culpa in contrahendo zusteht, wird das Berufungsgericht zunächst nach entsprechendem Vortrag festzustellen haben, wie die Klägerin sich hypothetisch verhalten hätte, wenn sie nicht auf die Rechtmäßigkeit der nationalen Ausschreibung vertraut hätte (oben II. 2. b) dd)). Im Rahmen der Verschuldensprüfung wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass das Verschulden nicht schon dann bejaht werden kann, wenn der Vergabestelle oder ihren Erfüllungsgehilfen bei der Ermittlung des bisher vom Beklagten genannten Schätzwertes Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt. Eine Fehleinschätzung der Gesamtkosten gereicht der Vergabestelle erst dann zum Verschulden, wenn jegliche Schätzung unterhalb des Schwellenwertes vorwerfbar war.
Melullis Keukenschrijver Richterin am Bundesgerichtshof Ambrosius ist urlaubsbedingt gehindertzuunterschrei - ben. Melullis Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 14.06.2005 - 1 HKO 23/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.01.2007 - 12 U 1016/05 -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. November 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61,20 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 2. September 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit ihrer seit dem 01.09.2012 rechtshängigen Klage Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns wegen einer vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags, hilfsweise Ersatz des negativen Interesses.

2

Im Rahmen des Bauvorhabens „…

3

4

“ mit einem Netto-Auftragswert über fünf Millionen Euro schrieb ein Eigenbetrieb des Beklagten für den Baubereich 4 das Gewerk Tischlerarbeiten (Fenster, Türen, zugehörige Artikel - Sanierung und Austausch) aus; die Ausschreibung wurde EU-weit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 23.03.2012 (… ) bekannt gemacht. Der Beklagte schätzte den Brutto-Auftragswert nach eigenen - von der Klägerin bestrittenen - Angaben auf 138.248,73 €. Die Ausschreibung erfolgte im Offenen Verfahren, als alleiniges Zuschlagskriterium war der niedrigste Angebotspreis vorgesehen. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Die Angebotsfrist lief bis zum 25.04.2012, 13:00 Uhr; die Bieter sollten sich an ihre Angebote bis zum 06.06.2012 binden.

5

Die Klägerin gab am 24.04.2012 insgesamt zwei Angebote auf elektronischem Wege, jeweils mit elektronischer Signatur, ab, und zwar um 09:11 Uhr ein Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.201,96 € (künftig: Angebot 1) und um 11:02 Uhr ein weiteres Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.580,38 € (künftig: Angebot 2). Beide Angebote wiesen weitgehend identische Preisangaben in den einzelnen Leistungspositionen auf, lediglich in zwei Positionen, deren Gegenstand jeweils die Überarbeitung historischer, einflügliger Innentüren war (Pos. 1.1.30 „… mit drei Kassetten“, Pos. 1.1.50 „… mit sechs Kassetten“), wurden die Einheitspreise gewechselt, was - wegen der unterschiedlichen Mengengerüste (Pos. 1.1.30 „3 St.“, Pos. 1.1.50 „6 St.“) - zu der Preisdifferenz in Höhe von 378,42 € führte. Beide Angebote enthielten in dem jeweiligen Angebotsschreiben auf Formblatt 213 des VHB Bund (Stand: Mai 2010) die Erklärung, dass die Klägerin alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführe, soweit sie nicht auf Formblatt 235 - Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen - abweichende Angaben mache. Das Formblatt 235 lag beiden Angeboten jeweils unausgefüllt bei. Bei beiden Angeboten fehlten u.a. die geforderten Eigen- und Fremderklärungen über Referenzleistungen der Klägerin; Eignungserklärungen oder -nachweise für bzw. Verpflichtungserklärungen von Nachunternehmern lagen nicht bei. Die Klägerin reichte für beide Angebote das geforderte Formblatt 221 (Preisermittlung Zuschlagskalkulation) ein, welches für das Angebot 1 keine Eintragung zu Nachunternehmerleistungen enthielt, während für das Angebot 2 unter Ziffer 2 auch relative (prozentuale) Zuschläge auf Nachunternehmerleistungen angegeben waren und unter Ziffer 3, dort Kostenfaktor 3.5, kalkulierte Nachunternehmerleistungen im Wert von 97.775,50 € angegeben waren.

6

Bei Eröffnung der Angebote lagen Hauptangebote von drei Bietern vor. Der Beklagte nahm von der Klägerin lediglich das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll auf. Dieses Angebot war das preisgünstigste, die weiteren Angebote überstiegen den Angebotspreis der Klägerin um ca. 1,26 % bzw. um ca. 2,99 %. Der Beklagte teilte der Klägerin das Submissionsergebnis mit, forderte sie zur Vorlage fehlender Erklärungen, insbesondere des Formblatts 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) auf und lud sie, anders als die anderen beiden Bieter, zu einem Aufklärungsgespräch ein. Das Aufklärungsgespräch fand am 15.05.2012 statt. Hierin teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass für sämtliche Tischlerarbeiten an historischen Türen ein hierauf spezialisierter Nachunternehmer eingesetzt werde, die M.  GmbH & Co. KG. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihr Angebot bis zum 16.05.2012 zu vervollständigen, insbesondere um ein vollständig ausgefülltes Formblatt 223 sowie um Referenzen für vergleichbare Leistungen und um ein zutreffend ausgefülltes Formblatt 235. Dem kam die Klägerin innerhalb der hierfür gesetzten Frist nach. Der Beklagte forderte zugleich auch einen weiteren Bieter zur Nachreichung von Eigenerklärungen auf.

7

Mit Schreiben vom 21.05.2012 teilte der Beklagte allen drei Bietern, darunter der Klägerin, mit, dass er das Vergabeverfahren aufgehoben habe, weil die Angebotssummen sämtlicher Angebote weit über den veranschlagten Haushaltsmitteln lägen. Er kündigte eine Neuausschreibung der Leistungen an. Der Rüge der Klägerin vom 25.05.2012 wegen der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Ausschreibung half der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.2012 nicht ab. Darin gab der Beklagte an, dass die Angebotssummen jeweils etwa 100 % über dem Haushaltsansatz für diese Leistungen lägen und damit anders, als in anderen Gewerken, erheblich von seiner vorherigen Kostenschätzung abwichen. Die Angebotssummen der eingegangenen Angebote lägen zwar nah beieinander, die Kostenansätze für einzelne Leistungspositionen wichen jedoch z.T. nicht nachvollziehbar erheblich von-einander ab.

8

Die Klägerin leitete ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Nachprüfungsanträge der Klägerin wurden von der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 30.07.2012 (GA Bd. I Bl. 36 ff.) als unzulässig verworfen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm die Klägerin nach den Hinweisen des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Naumburg in der Sitzung am 28.11.2012 zurück (vgl. BeiA 2 Verg 6/12, Bl. 121 f.).

9

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Beklagte die Leistungen unterteilt in vier Teillose am 16.10.2012 im elektronischen Vergabeportal für Deutschland „Vergabe 24“ erneut ausgeschrieben und in diesen Verfahren auch Zuschläge erteilt habe.

10

Mit ihrem Hauptantrag hat die Klägerin den Ersatz des positiven Interesses zu einem Betrag von 27.111,47 € begehrt und hierzu die Auffassung vertreten, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Sie hat behauptet, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag auf ihr Angebot 2 habe erteilt werden müssen. Bei der Berechnung des entgangenen Gewinns hat sie eine Gewinnmarge von 15 % auf Materialkosten i.H.v. 104.938,08 €, von 3 % auf eigene Lohnkosten i.H.v. 22.986,22 € und von 15 % auf Nachunternehmerleistungen i.H.v. 97.773,50 € zugrunde gelegt, was ihren Angaben im Formblatt 221 zu Angebot 2 entspricht.

11

Hilfsweise hat die Klägerin den Ersatz des negativen Interesses zu einem Betrag von 1.621,00 € geltend gemacht. Die Forderung hat sie aus Lohnkosten für 16 Stunden á 55,00 € für die Angebotserstellung und 8 Stunden á 85,00 € für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs (einschließlich Vorbereitung, Fahrt und Nachbereitung) sowie aus Fahrkosten in Höhe von 61,20 € (2x 102 km x 0,30 €/km) ermittelt.

12

Der Beklagte hat sich für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Ausschreibung darauf berufen, dass die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt habe; die Angebotspreise seien keine Marktpreise gewesen. Hilfsweise hat sie die Auffassung vertreten, dass das Angebot der Klägerin bei ordnungsgemäßem Verlauf des Verfahrens auszuschließen gewesen wäre. Ein Ausschluss sei wegen der vorsätzlich unzutreffenden Angaben der Klägerin im Angebot zum Nachunternehmereinsatz zwingend vorzunehmen gewesen. Zudem habe die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot abgegeben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

14

Das Landgericht hat mit seinem am 22.11.2013 verkündeten Urteil dem Hauptantrag der Klägerin im vollen Umfang, der ca. 10 % der Bruttoangebotssumme entspricht, stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Hierüber habe das Zivilgericht eigenständig zu befinden, weil die Entscheidung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit der Nachprüfungsanträge keine Feststellung über die Rechtswidrigkeit der Aufhebung beinhalte, welche nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung entfalten könne. Der Beklagte habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Angebotspreise der drei Bieter unangemessen hoch gewesen seien; hierzu hätte er insbesondere Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vortragen müssen. Hierfür genüge es nicht, dass die Angebotspreise nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprächen, es komme darauf an, ob der Beklagte den Wert der ausgeschriebenen Leistungen zutreffend ermittelt habe. Ein Ausschluss des Angebots 2 der Klägerin sei nicht geboten gewesen. Unrichtige Angaben zum Nachunternehmereinsatz habe die Klägerin nicht gemacht, vielmehr habe sie im Aufklärungsgespräch eindeutige Angaben zur Art und zum Umfang des Nachunternehmereinsatzes gemacht. Auch der Umstand, dass die Klägerin unstreitig zwei Angebote eingereicht habe, führe nicht zum Ausschluss. Es sei in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob es unzulässig sei, mehrere Angebote parallel abzugeben.

15

Der Beklagte hat gegen das ihm am 28.11.2013 zugestellte Urteil mit einem am 17.12.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am 28.12.2013 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

16

Der Beklagte meint, dass die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung für das Zivilgericht entfalte und daher vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes für das Angebot 2 der Klägerin auszugehen sei. Daher sei ihr Angebot 2 auch dann, wenn man von einer rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung ausgehe, jedenfalls nicht zuschlagsfähig gewesen. Das Angebot sei zwingend auszuschließen gewesen, weil die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot - zwei technisch gleiche Hauptangebote mit unterschiedlichen Preisen - eingereicht habe. Es sei weiter auszuschließen gewesen, weil die Klägerin im elektronisch eingereichten Angebot bedingt vorsätzlich falsche Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz gemacht habe, indem sie angegeben habe, alle Leistungen im eigenen Betrieb auszuführen, und erst im Aufklärungsgespräch auf Vorhalt eingeräumt habe, eine Nachunternehmerin einzusetzen. Hiermit habe die Klägerin versucht, der Bindung an den konkret zu benennenden Nachunternehmer zu entgehen. Im Übrigen sei die Aufhebung aber auch rechtmäßig gewesen; insoweit wiederholt der Beklagte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug, wonach seine Kostenschätzungen - die HU-Bau von Dezember 2010 und die AFU-Bau vom Januar 2012 - von einem renommierten Architektenbüro erarbeitet und „in mehreren Instanzen“ geprüft worden seien, und tritt für die Richtigkeit der Kostenschätzung Beweis durch das Zeugnis des für ihn tätig gewesenen Architekten an.

17

Der Beklagte beantragt,

18

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass hier durch den Eingang von zwei Hauptangeboten eine konkrete Manipulationsgefahr nicht entstanden sei, weil die Angebote finanziell gleichwertig gewesen seien. Ihr selbst bzw. ihrem Geschäftsführer sei auch gar nicht bewusst gewesen, dass die Klägerin zwei Angebote eingereicht habe. Der Beklagte habe ebenfalls lediglich das Angebot 2 geprüft und gewertet. Eine allenfalls abstrakte Manipulationsgefahr rechtfertige den Ausschluss des Angebots 2 nicht. Von vorsätzlich falschen Angaben im Vergabeverfahren sei nicht auszugehen, weil die Klägerin auf Nachfrage im Aufklärungsgespräch sofort klargestellt habe, dass sie alle Tischlerarbeiten, bei denen Auflagen des Denkmalschutzes existierten, von einer hierauf spezialisierten Nachunternehmerin durchführen lassen wolle. Das Aufklärungsgespräch habe gerade die Funktion, solche Nachfragen und Klarstellungen zu ermöglichen. Zeitlich sei auf das gesamte Vergabeverfahren abzustellen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sie den Hilfsantrag der Klage auch im Berufungsverfahren aufrechterhalte.

23

Der Senat hat am 21.05.2014 mündlich zur Sache verhandelt. Er hat u.a. darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Sachstand davon auszugehen sei, dass die Klägerin zwei Hauptangebote abgegeben habe, was in der hier vorliegenden Konstellation unzulässig gewesen sein dürfte; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tag Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.05.2014 hat die Klägerin daraufhin vorgetragen, dass das Angebot 2 lediglich eine Korrektur des Angebots 1 beinhaltet habe und dieses habe ersetzen sollen. Ihr Kalkulator O. habe nach Versendung des Angebots 1 die Vertauschung der Einheitspreise in den beiden o.g. Leistungspositionen entdeckt, habe aber das Angebot 1 nicht mehr „zurückholen“ können. Er habe bei der Vergabestelle angerufen und sei von dieser darauf verwiesen worden, dass er zur Korrektur ein neues vollständiges Angebot „nachsenden“ solle. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass die Mitarbeiterin H. des Beklagten im Aufklärungsgespräch deutlich zu erkennen gegeben habe, dass ihr bewusst sei, dass das Angebot 2 das Angebot 1 ersetzen solle.

24

Der Senat hat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und am 15.10.2014 fortgesetzt. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass sie ihren Kalkulator O. bewusst nicht als Zeugen für ihren Sachvortrag zur Kommunikation zwischen den Prozessparteien am Tag des Ablaufs der Angebotsfrist (24.04.2012) benannt habe, weil dieser über das Geschehen keine Aufzeichnungen angefertigt und nunmehr keine genauen Erinnerungen an die Details der Angebotsabgabe mehr habe. Sie meint, dass nach der Durchführung des Aufklärungsgesprächs ein „Rückzug“ der Klägerin auf das Angebot 1 nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weshalb eine Manipulationsgefahr ausgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte hat angegeben, dass seine Mitarbeiterin H. in einer dienstlichen Äußerung angegeben habe, dass sie erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens durch die von der Klägerin angegriffene Aufhebung in die Sachbearbeitung einbezogen worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 15.10.2014 Bezug genommen.

B.

25

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache ganz überwiegenden Erfolg. Lediglich der Hilfsantrag der Klägerin ist geringfügig begründet.

26

I. Für die Entscheidung über das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten sind ausschließlich die Zivilgerichte zuständig. Die Zivilgerichte sind dabei hier nicht nach § 124 Abs. 1 GWB durch die vorangegangene, inzwischen bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer im Vergabenachprüfungsverfahren gebunden, denn die Vergabekammer hat einen Verstoß des Beklagten gegen Vergabevorschriften gerade nicht festgestellt. Ihre Entscheidung war sowohl nach ihrem Entscheidungsausspruch als auch nach den die Entscheidung tragenden Gründen allein darauf gerichtet, dass der Nachprüfungsantrag der hiesigen Klägerin in der Hauptsache mangels Zugang zum Nachprüfungsverfahren nach wirksamer Beendigung des Vergabeverfahrens und hinsichtlich des Hilfsantrags mangels Feststellungsinteresses insgesamt unzulässig gewesen sei.

27

II. Auf das am 20.03.2012 durch Absendung der Vergabebekanntmachung begonnene Vergabeverfahren sind neben dem GWB 2009 und der VgV 2011 die Vorschriften der VOB/A 2009 anzuwenden, weil der 2. Abschnitt der VOB/A 2012 nach §§ 6, 23 VgV erst am 19.07.2012 in Kraft getreten ist.

28

III. Der Hauptantrag der Klägerin, welcher einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses der Klägerin wegen der vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung zum Gegenstand hat, ist unbegründet.

29

1. Allerdings hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die Ausschreibung rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S. von §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB begangen hat. Nach dem vorliegenden Prozessstoff ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Pflichten aus den - auch dem Schutz der Bieter im Sinn von § 97 Abs. 7 GWB dienenden - Vorschriften der §§ 2 Abs. 5 und 17 Abs. 1 VOB/A nicht genügt hat.

30

a) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darf eine Ausschreibung nur dann aufgehoben werden, wenn „andere schwerwiegende Gründe“ bestehen, also solche Gründe, die in ihrer Bedeutung denjenigen Gründen vergleichbar sind, welche in Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ausdrücklich aufgeführt werden. Ein solcher schwerwiegender Grund kann zwar auch darin liegen, dass ausreichende Haushaltsmittel für den Auftrag nicht zur Verfügung stehen. Hierfür genügt jedoch die objektive Überschreitung der Ansätze der eigenen Kostenschätzung und Kostenplanung allein nicht. Denn nach § 2 Abs. 5 VOB/A darf ein Auftraggeber Bauleistungen nur ausschreiben, wenn er berechtigt davon ausgehen darf, dass er die Leistungen auch bezahlen kann. Dies erfordert regelmäßig, so auch hier, eine pflichtgemäße Ermittlung der voraussichtlichen Kosten und bei einem öffentlichen Auftraggeber eine Prüfung, dass ihm die erforderlichen Haushaltsmittel hierfür zur Verfügung stehen. In der bloßen Überschreitung des Kostenansatzes kann daher auch ein Anzeichen für eine fehlerhafte ursprüngliche Kostenschätzung liegen. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Regelung des § 17 VOB/A nach ihrem Sinn und Zweck und nach dem systematischen Zusammenhang mit § 2 Abs. 5 VOB/A dahin auszulegen ist, dass eine sanktionslose Aufhebung einer Ausschreibung nur in Betracht kommt, wenn der schwerwiegende Aufhebungsgrund erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten ist oder dem Ausschreibenden zuvor jedenfalls nicht bekannt sein konnte (vgl. Urteil v. 08.09.1998, X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil v. 05.11.2002, X ZR 232/00 „Ziegelverblendung“, VergabeR 2003, 163, und Urteil v. 09.06.2011, X ZR 143/10 „Rettungsdienstleistungen II“, BGHZ 190, 89). Das schließt es aus, dass der Auftraggeber die Aufhebung der Ausschreibung erfolgreich auf eine Kostenschätzung und die Überschreitung der darin ermittelten Kostenansätze stützen kann, wenn seine Kostenschätzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. auch OLG München, Beschluss v. 07.03.2013, Verg 36/12 „Schülerbeförderung“, VergabeR 2013, 928; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.06.2013, VII-Verg 2/13, VergabeR 2014, 244). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

31

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Beklagte nicht nur beweisfällig dafür geblieben, dass die von ihm vor Beginn des Vergabeverfahrens angestellte Kostenschätzung einen Bruttoauftragswert in Höhe von (nur) 138.248,73 € ergeben habe, was ihm angesichts des erheblichen Bestreitens durch die Klägerin oblegen hätte. Er hat auch nicht erheblich bestritten, dass seine Kostenschätzung pflichtwidrig erfolgt sei, weshalb dieser von der Klägerin behauptete Umstand für die zu treffende Entscheidung als unstreitig zu behandeln ist. Denn die letztgenannte Behauptung der Klägerin ist nicht ins Blaue hinein erfolgt. Die Angebotsendsummen der drei Angebote liegen nahe beieinander - die Angebotsspreizung beträgt ca. drei Prozent - und weichen damit ca. 95 % bis 98 % vom Betrag der Kostenschätzung ab. Die Kostenschätzung des Beklagten beruhte auf einer Haushaltsunterlage (HU-Bau), welche vom Dezember 2010 stammte, was es zumindest nachvollziehbar erscheinen lässt, dass diese Kostenschätzung nicht das zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens im März 2012 aktuelle Markt- und Preisniveau widerspiegelte und die festgestellte erhebliche Abweichung zwischen dem so ermittelten Betrag und den Angebotsendsummen hierauf beruhte (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 17.05.2011, Verg W 16/10, VergabeR 2012, 124). Der Beklagte hat es in erster Instanz trotz eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts mit Verfügung vom 03.03.2013 (GA Bd. II Bl. 100) und auch im Berufungsverfahren versäumt, Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vorzutragen, was ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast oblegen hätte. Der bloße Verweis auf den ausführenden Architekten vermag einen solchen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen. Der Beklagte hat im vorvertraglichen Verhältnis zu den Bietern auch für etwaige Fehler des Architekten nach § 278 BGB einzustehen. Allein die - als wahr unterstellte - Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Architekten im Allgemeinen lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf eine nachvollziehbare und vertretbare Kostenschätzung im vorliegenden Fall und insbesondere auf eine - notwendige - Anpassung der aus dem Dezember 2010 stammenden ursprünglichen Kostenschätzung auf die für März 2012 zu prognostizierenden Marktverhältnisse zu. Der (Gegen-)Beweisantritt des Beklagten ist auf eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts durch das Gericht gerichtet und war deswegen unbeachtet zu lassen. Soweit sich der Beklagte darauf berufen hat, dass ihm ein vereinzelter Vortrag zu seiner eigenen Kostenschätzung wegen des erforderlichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht zumutbar sei, vermag der Senat diese Einwendung nicht nachzuvollziehen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, woraus sich für eine inzwischen bereits vollzogene und abgeschlossene Baumaßnahme ein Geheimhaltungsinteresse für die bis zur Einleitung des ersten Vergabeverfahrens gültige Kostenschätzung ergeben könnte. Jedenfalls ist hier bei der anzustellenden Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin und dem Geheimhaltungsinteresse des Beklagten von einem Überwiegen des erstgenannten Interesses auszugehen.

32

2. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten in Form einer Aufhebung der Ausschreibung ohne einen Aufhebungsgrund i.S. von § 17 Abs. 1 VOB/A ist für den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Schaden - das positive Interesse der Klägerin an einer Zuschlagserteilung auf ihr Angebot 2 - nicht ursächlich gewesen, weil das Angebot 2 der Klägerin auszuschließen gewesen wäre.

33

a) Dem durch eine rechtswidrige Aufhebung geschädigten Vermögen kann der entgangene Gewinn nur dann zugerechnet werden, wenn derselbe Auftrag bzw. ein oder mehrere Aufträge über die im Wesentlichen identischen Leistungen tatsächlich vergeben wird bzw. werden und es bei einem fiktiven rechtmäßigen Verlauf des aufgehobenen Vergabeverfahrens der Anspruchsteller gewesen wäre, der den Auftrag hätte erhalten müssen (vgl. BGH, Urteil v. 15.01.2013, X ZR 155/10 „Parkhaussanierung“, VergabeR 2013, 434; Urteil v. 20.11. 2012, X ZR 108/10 „Friedhofserweiterung“, VergabeR 2013, 208 m.w.N.; vgl. Scharen in: Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkomm. Vergaberecht, 3. Aufl. 2014, 14. Los, § 126 GWB Rn. 56).

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b) Von einer tatsächlichen Beauftragung Dritter durch den Beklagten mit den Leistungen, welche Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens waren, ist hier mangels eines Bestreitens der entsprechenden Behauptung der Klägerin durch den Beklagten auszugehen. Das Landgericht hat diesen Umstand zutreffend als unstreitigen Vortrag behandelt.

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c) Der Senat ist insbesondere aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 21.05.2014 davon überzeugt, dass die Klägerin im Vergabeverfahren nicht vorsätzlich unwahre Angaben zur beabsichtigten Leistungsausführung gemacht hat, so dass ein Ausschluss wegen hierauf beruhender Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Allerdings enthielt bei objektiver Betrachtung auch das zum Ablauf der Angebotsfrist vorliegende und danach dem Nachverhandlungs- und Änderungsverbot unterliegende Angebot 2 der Klägerin die Angabe, dass alle angebotenen Leistungen vollständig im eigenen Betrieb ausgeführt werden sollen. Ein Hinweis auf Nachunternehmer ergibt sich weder aus dem hierfür vorgesehenen Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen (Formblatt 235 EG) noch aus der Vorlage von Eignungsnachweisen der Nachunternehmer. Dem gegenüber sind für die Auslegung des Angebots die Erläuterungen zur Preisermittlung (Formblatt 221) nicht maßgeblich, zumal sie auch nicht erkennen lassen, für welche Teilleistungen u.U. Nachunternehmer zum Einsatz kommen sollen. Diese Angabe der Klägerin im Angebot 2 war objektiv unwahr, denn die Klägerin beabsichtigte nach ihren eigenen Angaben und insbesondere auch nach ihren Ausführungen im Aufklärungsgespräch vom 15.05.2012 von Anfang an, eine Nachunternehmerin für besonders anspruchsvolle Tischlerarbeiten einzusetzen. Ihr musste auch bewusst sein bzw. sie hätte aus der Gesamtschau der Vergabeunterlagen ohne weiteres erkennen können, dass es dem Beklagten auf eine wahrheitsgemäße Information über einen Nachunternehmereinsatz und über die Eignung des Nachunternehmers für die ihm übertragenen Aufgaben ankam. Anders als die Vergabekammer, deren Bewertung das Zivilgericht nicht bindet, weil sie keinen Eingang in eine bestandskräftige Feststellung eines Vergabeverstoßes der Beklagten gefunden hat, vermag der Senat insoweit aber einen Vorsatz der Klägerin nicht festzustellen. Die objektiv fehlerhafte Ausfüllung von Formularen und die Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen allein rechtfertigt hier diesen Rückschluss nicht. Gegen ein vorsätzliches Verhalten sprechen neben den - zu den Erklärungen der vollständigen Eigenausführung im Widerspruch stehenden - Erläuterungen zur Preisermittlung insbesondere der Umstand, dass die Klägerin im Aufklärungsgespräch auf entsprechende Nachfrage des Beklagten die beabsichtigte Einschaltung einer bestimmten Nachunternehmerin sofort eingeräumt und hinsichtlich der hiervon betroffenen Teilleistungen konkretisiert hat, und der weitere Umstand, dass sie zur unverzüglichen Nachreichung der erforderlichen Verpflichtungserklärung der Nachunternehmerin in der Lage war. Dem Verlauf des Vergabeverfahrens bis zur Aufhebung lässt sich schließlich entnehmen, dass der Beklagte nach der Offenbarung des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes durch die Klägerin deren ursprüngliche Angaben im elektronischen Angebot 2 nicht als vorsätzlich falsche Angabe bewertet hatte.

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d) Gleichwohl hätte auch bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag jedenfalls nicht auf das Angebot 2 der Klägerin erteilt werden dürfen. Die Angebote der Klägerin wären als vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot auszuschließen gewesen.

37

aa) Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass jeder Bieter in einem Vergabeverfahren grundsätzlich nur ein Hauptangebot abgeben darf und dass mehrere gleichzeitig vorliegende Hauptangebote eines Bieters grundsätzlich unzulässig sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Bieters an der Abgabe zweier (oder mehrerer) Hauptangebote nicht vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.03. 2011, VII-Verg 52/10 „Verblendmauerwerk“, VergabeR 2011, 598; Beschluss v. 01.10.2012, VII-Verg 34/12; OLG München, Beschluss v. 06.12.2012, Verg 25/12 „Uhrenanlage“, VergabeR 2013, 492; Beschluss v. 29.10.2013, Verg 11/13 „Mensateria“, VergabeR 2014, 436). Die Regelungen zum Vergabeverfahren gehen davon aus, dass jeder Bieter nur ein Hauptangebot abgibt und daneben nur Angebote mit abweichenden technischen Spezifikationen, d.h. technisch unterschiedliche Hauptangebote (vgl. §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 7 VOB/A) oder Nebenangebote (vgl. §§ 13 Abs. 3, 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) und f), 16a Abs. 3 VOB/A) in Betracht kommen; bei gleichzeitiger Abgabe mehrerer technisch gleicher Angebote wird vermutet, dass der Bieter sich davon ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern verspricht (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/ Rusam, Handkomm. VOB, zuletzt 11. Aufl. 2008, § 25 VOB/A Rn. 149b). Die Berücksichtigung mehrerer Hauptangebote eines Bieters ist geeignet, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter im Vergabeverfahren zu verstoßen, weil der Bieter hierdurch seine Chancen auf Zuschlagserteilung u.U. erhöht. Zudem könnte die gleichzeitige Abgabe mehrerer Hauptangebote dem jeweiligen Bieter je nach dem Submissionsergebnis Gelegenheit zur Manipulation des Ausschreibungsergebnisses geben (vgl. auch Leinemann/Kirch VergabeNews 2008, 134). Die Gefahr einer Manipulation durch einen Bieter hat sich im Anwendungsbereich der VOB/A objektiv dadurch erhöht, dass der Auftraggeber bei unvollständigen Angeboten zur Nachforderung der fehlenden Erklärungen und Nachweise verpflichtet ist und es der Bieter durch die Erfüllung der Nachforderung bzw. durch deren Nichterfüllung in der Hand hat, ob er an jedes seiner Angebote gebunden bleibt oder nicht. Bei der Auslegung vergaberechtlicher Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass Manipulationsmöglichkeiten sowohl der Bieter als auch des Auftraggebers möglichst ausgeschlossen sein sollen. Schließlich ist bei einer gleichzeitigen Abgabe mehrerer Angebote auch möglich, dass der Bieter sich nachträglich darauf beruft, dass in Wirklichkeit nur ein Angebot abgegeben worden sei und eines der vorliegenden Angebote durch das andere habe ersetzt werden sollen. Diese - auch hier von der Klägerin in Anspruch genommene - Konstellation ist vergleichbar mit einem Angebot mit zweifelhaften Änderungen des Bieters an seinen eigenen Eintragungen innerhalb dieses Angebots, die nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 VOB/A zwingend zum Angebotsausschluss führen.

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bb) Beim Beklagten sind insgesamt zwei Angebote der Klägerin innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Beide Angebote sind ihrem Charakter nach Hauptangebote, d.h. sie wurden auf der Grundlage des Amtsvorschlags ohne inhaltliche Abweichungen im Leistungsprogramm oder in den Vertragsbedingungen erstellt. Sie unterscheiden sich in ihrem Angebotsinhalt lediglich geringfügig hinsichtlich der Preise in zwei Leistungspositionen und - in Folge dessen - geringfügig im Angebotsendpreis. Die Angebote der Klägerin unterscheiden sich jedoch weiter hinsichtlich der beabsichtigten Ausführung und damit auch hinsichtlich ihrer Preisermittlungsgrundlagen: Das Angebot 1 fußt nach seinem objektiven Erklärungswert auf einer 100 %-igen Eigenleistung der Klägerin, dem Angebot 2 liegt tatsächlich eine umfangreiche Einbeziehung einer Nachunternehmerin für die höher qualifizierten Teilleistungen des Auftrags zugrunde. Während es bei isolierter Betrachtung des erst genannten Umstandes noch nahe liegen könnte, dass das Angebot 2 eine Korrektur des Angebots 1 im Hinblick auf eine Vertauschung der Einheitspreise für die zwei Leistungspositionen sein soll, trifft das auf den zuletzt genannten Umstand nicht ohne weiteres zu. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin von dieser unterschiedlichen Angebotsgestaltung wettbewerbliche Vorteile versprochen hat. So konnte das Angebot 1 aus Sicht der Klägerin ggf. bereits im Vergabeverfahren Bedeutung erlangen, wenn der Beklagte den vorgesehenen Nachunternehmer nicht für geeignet hielt. In der Vertragsdurchführung konnte eine Unklarheit über die Preisermittlungsgrundlagen des bezuschlagten Angebots im Fall von abändernden Anordnungen des Beklagten i.S. von § 1 VOB/B Bedeutung erlangen bzw. bei sonstigen Fällen, in denen nach § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B eine Preisanpassung unter Berücksichtigung der bisherigen Preisermittlungsgrundlagen in Betracht gekommen wäre. Soweit die Klägerin sich darauf berufen hat, dass ihr diese Möglichkeit jedenfalls im Ergebnis des Aufklärungsgesprächs vom 15.05.2012 genommen gewesen sei, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Denn schon allein im Hinblick darauf, dass der Klägerin wegen der gleichzeitigen Einreichung von zwei Hauptangeboten jedenfalls noch nach dem Ablauf der Angebotsfrist und damit nach dem Eintritt der Unveränderbarkeit der abgegebenen Angebote für alle Bieter exklusiv eine Möglichkeit eröffnet war, eines ihrer beiden - jeweils unvollständigen - Angebote in einem Zustand zu belassen, der zum Angebotsausschluss führte, und das andere Angebot zu vervollständigen, ggf. auch in Reaktion auf den Verlauf des Aufklärungsgesprächs, bestand die Chance eines Wettbewerbsvorteils der Klägerin und - damit korrespondierend - die Gefahr einer Benachteiligung aller anderen Bieter.

39

cc) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin geltend gemacht hat, dass das Angebot 2 statt des Angebots 1 und nicht selbständig neben diesem eingereicht worden sei. Maßgeblich ist im Vergabeverfahren insoweit die objektivierte Sicht der Vergabestelle. Der Beklagte hatte keine sichere Grundlage dafür, dass Angebot 1 nicht zu berücksichtigen und allein das Angebot 2 als eingereicht anzusehen sei. Beide Angebote lagen ihm vor und waren innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Das Angebot 2 enthielt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der wirkliche Wille der Klägerin darauf gerichtet gewesen sein könnte, mit dem Angebot 2 das Angebot 1 zu ersetzen. Dem Wortlaut des Angebots 2 war ein solcher Hinweis nicht zu entnehmen, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, dies zum Beispiel in dem individuell von der Klägerin formulierten Anschreiben zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen wäre es jedenfalls möglich gewesen, sich außerhalb des Systems der eVergabe mit einer entsprechenden eindeutigen Äußerung an den Beklagten zu wenden, zum Beispiel per eMail; entsprechende Kontaktdaten waren in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht worden. Auch hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Für eine telefonische Kontaktaufnahme und Verständigung zwischen den Prozessparteien am 24.04.2012, welche der Beklagte bestritten hat, ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Soweit die Klägerin schließlich darauf verwiesen hat, dass der Beklagte im Submissionstermin in Kenntnis der Einreichung von zwei elektronischen Hauptangeboten durch die Klägerin nur das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll eingetragen und im Rahmen des Aufklärungsgesprächs nur über das Angebot 2 gesprochen hat, liegt hierin kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von der Ersetzung des Angebots 1 ausgegangen ist und ausgehen durfte. Zu diesem Zeitpunkt war der Wertungsvorgang noch nicht abgeschlossen, insbesondere hatte der Beklagte noch keine Veranlassung, über die Zuschlagsfähigkeit des Angebots 1 der Klägerin eine endgültige Entscheidung zu treffen. Es war nicht absehbar, wie der Beklagte bei einer entsprechenden Intervention der Klägerin, auch ihr Angebot 1 in die Wertung mit einzubeziehen, reagiert hätte.

40

IV. Der Hilfsantrag der Klägerin, welcher auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist, ist ganz überwiegend unbegründet.

41

1. Ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 126 GWB ist schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin nach dem Vorausgeführten keine „echte Chance auf den Zuschlag“ hatte.

42

2. Allerdings hat die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses im Hinblick auf die rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Denn hätte der Beklagte eine ordnungsgemäße Kostenschätzung vorgenommen, wozu er auch zum Schutze der potenziellen Bieter verpflichtet war, und hätte diese - wie hier zu unterstellen ist - zu dem Ergebnis geführt, dass mit Kosten in der Größenordnung der im Submissionstermin protokollierten Angebotsendsummen zu rechnen sei, so hätte er entweder für eine entsprechende Bereitstellung von Haushaltsmitteln Sorge getragen oder auf die Ausschreibung des Auftrags in dieser Form verzichtet. In beiden Fällen wäre es nicht zu einer kostenträchtigen Teilnahme der Bieter am Vergabeverfahren gekommen. Auch die Klägerin hätte ihre mit der Angebotserstellung, -erläuterung und -aufklärung verbundenen Aufwendungen erspart. Diese hypothetische Betrachtung rechtfertigt es, nicht nur dem Bestbieter, d.h. dem Bieter, der bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, einen Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses zuzusprechen, sondern allen teilnehmenden Bietern (vgl. auch Scharen, a.a.O., Rn. 55). Jedenfalls hätte der Beklagte die Entstehung von Aufwendungen der Klägerin für die Durchführung des Aufklärungsgesprächs am 15.05.2012 vermeiden können, wenn er entweder auf den Umstand der erheblichen Überschreitung seiner eigenen Kostenschätzung und seines Haushaltsansatzes unmittelbar nach dem Submissionstermin reagiert hätte oder wenn er den o.g. Ausschlussgrund für das Angebot 2 der Klägerin bereits vor der Einladung der Klägerin zum Aufklärungsgespräch erkannt und deswegen auf eine Aufklärung verzichtet hätte.

43

3. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten beschränkt sich in der Höhe jedoch auf einen Betrag von 61,20 €.

44

a) Soweit die Klägerin als Schadenspositionen Personalkosten für die Angebotserstellung und Angebotserläuterung geltend macht, sind diese Kosten nicht als erstattungsfähig anzusehen. Die Personalkosten für eigene fest angestellte Mitarbeiter wären ihr auch dann entstanden, wenn sie nicht an der vorliegenden Ausschreibung teilgenommen hätte. Die Klägerin hat auch nicht etwa dargelegt, dass sie wegen der Teilnahme an der vorliegenden Ausschreibung andere Erwerbsmöglichkeiten nicht habe wahrnehmen können.

45

b) Als erstattungsfähig sind danach lediglich die Fahrkosten, die für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs notwendig waren, anzusehen (vgl. auch OLG Naumburg, Urteil v. 01.08.2013, 2 U 151/12 „ergänzende Rettungsdienstleistungen“, VergabeR 2014, 85). Das sind 61,20 € (vgl. GA Bd. I Bl. 57).

C.

46

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Abs. 1 und Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

47

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

48

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.