Haftungsrecht: Hohes Mitverschulden bei folgereichem Eingriff in Hundebeißerei

published on 15/12/2011 16:02
Haftungsrecht: Hohes Mitverschulden bei folgereichem Eingriff in Hundebeißerei
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Greift eine Hundehalterin in die Beißerei zweier Hunde ein, um ihr eigenes Tier zu schützen, erhält sie von der Halte
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Auslöser des Rechtsstreits war der Hund der Beklagten. Dieser hatte sich von der Leine losgerissen, war auf den angeleinten knurrenden Hund der Klägerin zugerannt und hatte diesen mehrfach gebissen. Die Klägerin hielt schützend die Hand über den Kopf ihres Tieres, als der fremde Hund erneut zubiss und das erste Glied ihres linken Zeigefingers abtrennte.

Die gegen die fremde Hundehalterin gerichtete Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz war nur teilweise erfolgreich. Auch wenn die Klägerin in berechtigter Sorge um ihr Tier eingriff, musste sie nach Ansicht des OLG wissen, dass ihr Handeln die Gefahr mit sich bringt, selbst gebissen und verletzt zu werden. Ihr Mitverschulden haben die Richter mit 50 Prozent bewertet. Das verlangte Schmerzensgeld und der Verdienstausfall wurden entsprechend gekürzt, sodass sie noch gut 3.000 EUR erhielt (OLG Hamm, I-6 U 72/11).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:


OLG Hamm: Urteil vom 17.10.2011 - Az: I-6 U 72/11

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 1. März 2011 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.285,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von191,65 Euro freizustellen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Entscheidungsgründe

Am 27.12.2009 ist der Hund der Klägerin von dem Hund der Beklagten, der sich von der Leine losgerissen hatte, angegriffen und gebissen worden. Die Klägerin versuchte, ihren Hund zu schützen und die Tiere zu trennen. Dabei wurde auch sie gebissen. Das Endglied des linken Zeigefingers musste amputiert werden. Die Klägerin hat ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens 5.000,- Euro - und Ersatz von 1.511,73 Euro materieller Schäden sowie Freistellung von Anwaltskosten begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin vom Hund der Beklagten (und nicht vom eigenen Hund) gebissen worden sei. Doch sei der eigene Verursachungsbeitrag der Klägerin - Auslöser Knurren ihres Hundes und sodann ungeschützter Eingriff in die Hundebeißerei - so stark überwiegend, dass die Tiergefahr auf Beklagtenseite zurücktrete.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Ein Knurren ihres Hundes sei von den Zeugen nicht glaubhaft angegeben worden. Ihr könne auch kein Mitverschulden angelastet werden. Jedenfalls sei die Abwägung der Verursachungsanteile durch das Landgericht zu beanstanden.

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Die Beklagte haftet gem. §§ 833 S. 1, 254 BGB auf die Hälfte des Personenschadens der Klägerin sowie ¾ der Tierarztkosten.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme überzeugend festgestellt, dass der Biss in den Zeigefinger der Klägerin vom Hund der Beklagten herrührt. Allerdings hat der Hund der Klägerin den Angriff des Hundes der Beklagten durch ein Knurren ausgelöst. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen des Landgerichts begründen, liegen nicht vor.

Abweichend vom Landgericht sieht der Senat das Mitverschulden der Klägerin, die allerdings wissen musste, dass ihr Eingreifen die Gefahr, selbst gebissen zu werden, mit sich brachte, als nicht so gravierend an, dass dadurch die Tiergefahr auf Beklagtenseite zurücktreten könnte.

Die vom Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr war im konkreten Einzelfall sehr hoch. Ihr Hund hat sich von der Leine losgerissen, ist auf den angeleinten Hund der Klägerin zugestürmt und hat ihn mehrfach gebissen. Auch wenn der Hund der Klägerin durch ein Knurren das Verhalten des Hundes der Beklagten ausgelöst hat, war hier der Hund der Beklagten eindeutig der Angreifer in der Beißerei. Die Klägerin wollte ihren Hund gegen den Angriff schützen. Sie handelte in berechtigter Sorge um ihr Eigentum. Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge erscheint es dem Senat angemessen, die Mitverschuldensquote der Klägerin mit 50% zu bemessen. Dies entspricht auch der in vergleichbaren Fällen in der Rechtsprechung überwiegend angesetzten Quote.

Das der Klägerin gem. § 253 BG zustehende Schmerzensgeld bemisst der Senat mit 2.500,- Euro. Dieser Betrag ist angesichts der schmerzhaften Verletzung, die einen 4-tägigen Krankenhausaufenthalt und eine rund 3-monatige Arbeitsunfähigkeit, die Amputation des Endglieds des linken Zeigefingers und eine ambulante Nachfolgeoperation (Entfernung des Nagelbetts) mit sich brachte unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin angemessen. Wie die Erörterung im Senatstermin ergeben hat, ist die Beweglichkeit des Fingers auf Dauer nicht eingeschränkt. Allerdings stellt das fehlende Endglied einen Dauerschaden der Klägerin dar.

Materiellen Schadensersatz kann die Klägerin in Höhe von 637,59 Euro verlangen.

Der verletzungsbedingte Verdienstausfall beträgt nach den vorgelegten Unterlagen bis März 2010 einschließlich insgesamt 1.260,18 Euro. Die Klägerin hat im Senatstermin vom 17.10.2011 glaubhaft angegeben, dass sie im Zeitpunkt des Vorfalls lediglich wegen einer Erkältung kurzfristig krankgeschrieben war, ohne den Hundebiss aber ab 04.01.2010 wieder gearbeitet hätte.

Auch die geltend gemachten Medikamentenzuzahlungen von 15,- Euro sind nachvollziehbar Folge der Verletzung.

Die unter a) und b) genannten Beträge stehen der Klägerin wegen des Mitverschuldens nur zur Hälfte zu.


Zuzahlungen im Krankenhaus sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats wegen der gleichzeitigen häuslichen Ersparnis an Verpflegungskosten nicht ersatzfähig.

Tierarztkosten stehen der Klägerin in Höhe von 147,41 Euro zu. Durch die im Senatstermin überreichten Unterlagen ist die Bezahlung des geltend gemachten Betrages von 196,55 Euro belegt. Hinsichtlich dieser Position ist der Klägerin kein Mitverschulden anzulasten, denn ihr Eingreifen in die Hundebeißerei hat sich auf die Tierarztkosten ihres Hundes nicht ausgewirkt. Wohl ist die eigene Tiergefahr des Hundes der Klägerin, der die Beißerei durch das Knurren ausgelöst hatte, zu berücksichtigen. Die Tiergefahr des sich losreißenden und angreifenden Hundes der Beklagten überwiegt allerdings deutlich. Der Senat hält insoweit eine Haftung der Beklagten in Höhe von ¾ der Tierarztkosten für angemessen.

Der Zinsausspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die vorgerichtlichen Anwaltskosten ist auf den berechtigten Streitwert (bis 3.500,- Euro) zu kürzen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Anlass für eine Zulassung der Revision besteht nicht.


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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.