Haftungsrecht: Kratzer im Lack aufgrund der Benutzung der Waschstraße

bei uns veröffentlicht am30.10.2014

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Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Der Betreiber einer Waschstraße muss die Schäden an einem Pkw ersetzen, wenn dieser sowie weitere Fahrzeuge nach Benutzung der Waschstraße mehrere Kratzer im Lack aufweisen.
So entschied es das Amtsgericht Mülheim. Nach Ansicht des Gerichts stelle die Gleichartigkeit der Schäden (leicht bogenförmige Kratzer in vergleichbarer Höhe) ein Indiz dafür dar, dass die Schäden in der Waschanlage durch den mechanischen Vorgang einer automatischen Bürste entstanden seien.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

AG Mülheim, Urteil vom 1.8.2013, (Az.: 23 C 1428/12).


Tatbestand:

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des nachfolgend geschilderten behaupteten Schadensereignisses Vollkaskoversicherer des Mercedes Benz 200, K-RH 7070, ihres Versicherungsnehmers Rolf Haas. Die Beklagte betreibt deutschlandweit Waschstraßen, zu denen auch die Waschstraße auf der Otto-Hahn-Straße 6 in 50997 Köln gehört. Am 12.11.2011 nutzte der Versicherungsnehmer der Klägerin Herr Haas die genannte Waschstraße der Beklagten.

Die Klägerin behauptet: Bevor ihr Versicherungsnehmer den genannten Pkw in die Waschstraße der Beklagten eingefahren habe, seien ihm keine Schäden an der rechten Fahrzeugseite aufgefallen. Anlass der Nutzung der Waschstraße sei die geplante Umrüstung von Sommer- auf Winterreifen gewesen, der Versicherungsnehmer habe seine Reifen nicht von Hand waschen wollen. Nach der Nutzung der Waschstraße sei er von dem Zeugen Dübel in Begleitung des örtlichen Systempartners der Beklagten des Zeugen Duman auf mögliche Schäden an seinem Fahrzeug angesprochen worden. Die nachfolgende Inaugenscheinnahme habe eine Vielzahl an Schäden an der Lackierung auf der rechten Fahrzeugseite ergeben. Diese könnten am besten dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten der Firma IFM vom 2.2.2012 entnommen werden. Es handele sich um Lackkratzer an der rechten Seite der Motorhaube, der sogenannten A-Säule rechts, dem A-Spiegel rechts, den Türen rechts, der Heckklappe rechts und dem Heckstoßfänger.

Sie habe auch untersuchen lassen, ob die Schäden durch den Waschvorgang hervorgerufen worden seien. Dies sei aus technischer Sicht zu bestätigen. Die Kratzer seien einem Kontakt der rechtsseitig angeordneten senkrechten Bürsten in der Waschstraße zuzuordnen. Dies gelte insbesondere, wenn sich in diesen Bürsten ein Fremdkörper verfangen hätte. Die Spurenzeichnung der Kratzer sei hierfür jedenfalls typisch. Der Schaden an der Heckklappe rechts unten sei dem Waschvorgang mit dem einer rotierenden rechten senkrechten Bürste zuzuordnen. Die Kratzer verliefen im annähernd gleichen Bogenradius, wie beispielsweise auch auf der Stoßfängerverkleidung. Hier hätten sich die rotierenden Bürsten der Bauform des Fahrzeugs angepasst. Die Beseitigung der Schäden erfordere einen Reparaturkostenaufwand von mindestens 3.445,10 € netto. Hierbei seien die regionalen Stundensätze zugrunde gelegt worden. Die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt würde höhere Lohnkosten verursachen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.145,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.3.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet ein: Die Ursache für den Schaden liege weder in ihrem Verantwortungsbereich noch sei ihr eine fehlerhafte Bedienung der Waschstraße anzulasten. Eine Sorgfaltspflichtverletzung liege nicht vor. Sie bestreite, dass der Wagen vor dem Waschvorgang unbeschädigt gewesen sei. Sie bestreite auch, dass anlässlich des Waschvorganges eine Vielzahl von Schäden im Bereich der Lackierung auf der rechten Fahrzeugseite entstanden seien, insbesondere Lackkratzer an der rechten Seite der Motorhaube, der sogenannten A-Säule rechts, dem A-Spiegel rechts, den Türen rechts, der Heckklappe rechts und dem Heckstoßfänger. Bei dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten handele es sich unstreitig um ein Privatgutachten. Der Sachverständige habe nicht einmal die Waschstraße in Augenschein genommen. In jedem Fall seien die Kratzer am Fahrzeug des Zeugen Haas waschstraßenuntypisch.

Der Zeuge Dübel habe außergerichtlich Schadensersatzansprüche angemeldet, diese jedoch nach der Schadensanzeige nicht weiter verfolgt. Ihre Technik, Kontroll- und Wartungsarbeiten genügten in jeder Hinsicht den zu stellenden Anforderungen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat aufgrund des Schadensfalles vom 12.11.2011 gegen die Beklagte den geltend gemachten Regressanspruch nach den §§ 86 VVG, 611, 280 Abs. 1 BGB auf Zahlung von 3.145,10 €.

Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass bei dem automatischen Waschvorgang an der B-Klasse Limousine des Zeugen Haas rechtsseitig prägnante Kratzer im Lack eingetreten sind. Es handelt sich um eine Vielzahl leicht bogenförmiger Kratzer in vergleichbarer Höhe. Diese wären dem Zeugen Haas aufgefallen, wenn sie zuvor vorhanden gewesen wären. Er hat den Wagen mit Besitzerstolz dem Zeugen Kossmann gezeigt. Der Zeuge Dübel, der die Waschstraße vor dem Zeugen Haas benutzt hatte, hatte an seinem Fahrzeug einen Kratzer auf dem Dach und zwei, drei Kratzer auf der rechten Seite. Dieser hat bekundet, auch den nachfolgenden Fahrer habe er angesprochen, der Wagen habe auch mehrere Kratzer gehabt. Jener Fahrzeugführer habe das aber nicht weiter verfolgen wollen. Der sachverständige Zeuge Lenhartz hat bekundet, er habe an dem Fahrzeug des Zeugen Haas Schäden gesehen, die er dem Besuch einer Waschstraße zuordnen würde. Dies seien leicht bogenförmige Kratzer an der Seite rechts mit einer Anschlagsspur vorne, die nach hinten ausliefen. Einige Schäden seien auch hinten rechts gewesen. Die sich in unterschiedlichen Richtungen überlagernden Kratzer am Dach könne er nicht dem Besuch einer Waschstraße zuordnen. Die Waschstraße habe er nicht durchfahren und auch nicht selbst gemessen wegen der Wiederholung der Schäden rechts. Man habe ihn damals nur in die Waschstraße gelassen, als sie gestanden habe.

Die Gleichartigkeit der Kratzer spricht für ihre Verursachung durch einen mechanischen Vorgang wie die Bürstenreinigung in einer automatischen Waschstraße. Dass sie solches im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu vertreten habe, hat die Beklagte nicht bewiesen. Sie räumt schon nicht ein, dass solche Schäden in ihren Waschstraßen eintreten können. Solche Schäden stehen hiernach nicht auf ihrer Agenda. Der Einschätzung der Beklagten, die hier streitigen Schäden seien nicht waschstraßentypisch teilt das erkennende Gericht nicht, zumal die Beklagte Ausführungen dazu unterlässt, was denn aus ihrer Sicht waschstraßentypische Schäden seien.

Die rechtsseitige Neulackierung des B-Klasse Mercedes erfordert nach dem nur pauschal angegriffenen Gutachten des sachverständigen Zeugen Lenhartz den hier streitigen Kostenaufwand abzüglich der von der Klägerin nicht getragenen Selbstkostenbeteiligung in Höhe von 300,00 €.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 86 Übergang von Ersatzansprüchen


(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werd

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Wirtschaftsrecht

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(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.