Amtsgericht Nürnberg Urteil, 08. Mai 2015 - 18 C 8938/14

bei uns veröffentlicht am08.05.2015

Gericht

Amtsgericht Nürnberg

Gründe

Amtsgericht Nürnberg

Az.: 18 C 8938/14

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 08.05.2015

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigter: ...

gegen

1) ...

- Beklagter -

2) ...

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: ...

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht ... am 08.05.2015 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.554,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 133,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 zu bezahlen.

2. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.554,98 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Unfallbeteiligt war der Kläger mit seinem ..., amtliches Kennzeichen ..., sowie der Beklage zu 1) als Fahrer des bei der Beklagten zu 2) zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversicherten ..., amtliches Kennzeichen ...

Am 14.04.2014 gegen 10:40 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug in ... wobei er den rechten Fahrstreifen der im dortigen Bereich mehrspurigen Fahrbahn einhielt. Im weiteren Verlauf gabelt sich die ... in zwei Linksabbiegespuren sowie in eine Geradeaus/Linksabbiegespur und eine Rechtsabbiegespur. Es kam im Bereich der Geradeausspur zu einer Kollision beider Fahrzeuge, wobei der Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist.

Der Kläger filmte mittels einer sogenannten Dash-Cam aus seinem Auto das Verkehrsgeschehen.

Der Kläger macht einen Reparaturschaden in Höhe von 2.132,01 €, eine Unkostenpauschale von 25,00 € sowie Gutachtenkosten in Höhe von 411,53 € geltend. Hierauf hat die Beklagte zu 2) 1.013,56 € reguliert. Daneben begehrt der Kläger Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 2.568,54 € in Höhe von 334,75 €. Hierauf hat die Beklagte zu 2) 201,71 € reguliert.

Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Unfall vom Beklagten zu 1) durch einen Fahrstreifenwechsel allein verschuldet sei. Der Kläger sei dem Verlauf der Fahrbahn gefolgt und habe an der Gabelung den linken Fahrstreifen eingehalten. Der Beklagte zu 1) habe zunächst den mittleren Fahrstreifen der ... in gleicher Fahrtrichtung befahren und sei dann an der Stelle, an der sich die ... in zwei Fahrspuren in Richtung ... und ... aufteile, plötzlich und unvermittelt von seinem Fahrstreifen nach rechts gefahren und dort mit dem auf dem linken Fahrstreifen fahrenden klägerischen Fahrzeug kollidiert.

Sein Fahrzeug sei scheckheftgepflegt in markengebundenen Vertragswerkstätten. Bei einer Reparatur bei einem ... vertragshändler fielen UPE-Aufschläge und Verbringungskosten an.

Die Aufzeichnung der Dash-Cam sei als Beweis verwertbar.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.554,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 sowie 133,04 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagten tragen vor, dass der Beklagte zu 1) auf der Geradeausspur gefahren sei. Der Kläger habe die Rechtsabbiegespur befahren und sei dann plötzlich auf die Geradeausspur gewechselt und dem Beklagten zu 1) in die Seite gefahren.

Einer Verwertung der Dash-Cam Aufzeichnung widersprechen die Beklagten. Es bestünde ein Beweisverwertungsverbot.

Das klägerische Fahrzeug sei nicht scheckheftgepflegt. Der Kläger könne daher auf die günstigeren Stundensätze einer von den Beklagten benannten Referenzwerkstatt verwiesen werden. UPE-Aufschläge und Verbringungskosten könnten nicht berechnet werden. Bei einer Reparatur in der Referenzwerkstatt ... entstünden nur Reparaturkosten in Höhe von 1.590,60 €.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme der Zeugin ..., die Inaugenscheinnahme der Aufzeichnung der Dash-Cam sowie durch die Erholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.04.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von noch 1.554,98 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 BGB, im Hinblick auf die Beklagte zu 2) in Verbindung mit §§ 115 VVG, 1 PflVG.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklage zu 1) den Unfall verursacht hat und die Beklagten für die Schäden am klägerischen Fahrzeug zu 100% haften.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug den rechten Fahrstreifen der ... befuhr und dann mit seinem Fahrzeug nach der Ampel diagonal in Richtung Geradeaus/Linksabbiegefahrstreifen lenkte. Das beklagten Fahrzeug bewegte sich hingegen vom mittleren Fahrstreifen rechtsbogenförmig auf den linken Geradeausfahrstreifen.

Dieses Ergebnis steht fest aufgrund der informatorischen Angaben des Klägers, den Angaben der Zeugin ... der Videoaufzeichnung und den Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. ...

Der Vortrag des Beklagten zu 1), dass er vor der Ampel auf die vom Kläger befahrene Fahrspur gewechselt sei und dann im weiteren Verlauf den Geradeausfahrstreifen befahren habe, während der Kläger die Rechtsabbiegespur befahren habe und mit seinem Fahrzeug plötzlich nach links hinüber gekommen sei, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Die Zeugin ..., zum Unfallzeitpunkt Beifahrerin im klägerischen Fahrzeug, schilderte glaubhaft, dass der Kläger die Geradeausspur befuhr. Das Beklagtenfahrzeug habe sie erstmals beim Unfall bemerkt, den Spurwechsel des Beklagtenfahrzeuges habe sie nicht bemerkt. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte der Zeugin nicht zu glauben. Dies räumte ein, dass ihre Unfallschilderung zum Teil nicht auf eigener Wahrnehmung beruht, sondern aus der Videoaufzeichnung abgeleitet ist.

Anhand der Videoaufzeichnung aus dem Fahrzeug des Klägers ist zu erkennen, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug stets die mittlere Spur befuhr und nicht auf der vom Kläger befahrenen Spur hinter diesem fuhr. Der Beklagte zu 1) wechselte dann mit seinem Fahrzeug nach rechts auf die vom Kläger befahrene Fahrspur. Der Kläger befuhr nicht die rechte Spur, um nach links zu wechseln, sondern fuhr unmittelbar nach der Haltelinie an der Ampel diagonal in Richtung Geradeaus/Linksabbiegerfahrstreifen. Insoweit waren die Angaben des Beklagten zu 1) nicht richtig.

Nach Auffassung des Gerichts durfte die vom Kläger mit der Dash-Cam gefertigte Aufzeichnung als Beweis im Verfahren verwertet werden.

Zwar hatte sich das Gericht in der Verfügung vom 12.02.2015 noch dahingehend geäußert, dass es sich der Rechtsauffassung des AG München, Az. 345 C 5551/14, vom 13.08.2014 anschließt und von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Videoaufzeichnung ausgeht. Es steht dem Gericht jedoch zu, in dieser höchst strittigen Rechtsfrage, zu der bisher höchstrichterliche Rechtsprechung nicht existiert, seine geäußerte Auffassung zu überdenken und nach erneuter Prüfung zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen. Insoweit teilt das Gericht nunmehr die von Greger in NZV 2015, S. 114 ff geäußerte Rechtsauffassung, dass die Verwertung von privaten Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen als Beweis verwertbar sein können. Auf die geänderte Rechtsaufassung hat das Gericht im Termin vom 07.04.2015 hingewiesen.

Soweit der Beklagtenvertreter den klägerischen Schriftsatz vom 01.04.2015 als präkludiert rügt, geht dies ins Leere, da es sich lediglich um Rechtsausführungen zur Frage der Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen handelt.

Die Frage, ob sog. Dash-Cam-Videos in einem Zivilgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Zum Teil wird von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen, weil die Verwendung solcher Kameras gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG verstößt, vgl. AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift die in oder an Fahrzeugen mitgeführten Kameras überhaupt erfasst. § 6 b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut des § 6 b Abs. 2 BDSG, wonach der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind, ergibt sich, dass diese Vorschrift ersichtlich auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen abgestellt ist, nicht hingegen jedoch auf Aufzeichnungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus, bei denen die Öffentlichkeit schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden kann.

Zudem ist nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Beobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gerade zulässig. Das berechtigte Interesse kann hier in der Schaffung eines aussagekräftigen Beweismittels im Rahmen eines effizienten Individualrechtsschutzes und einer funktionsfähigen Rechtspflege gesehen werden. Fraglich kann nur sein, ob schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen, was im Rahmen einer Interessensabwägung zu klären ist (s. dazu unten).

Selbst bei einem Verstoß gegen § 6 b BDSG führt dies noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, vgl. Greger, a. a. O., S. 115 sowie Greger in Zöller, ZPO, 30. A., § 286 Rn. 15 b. Ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot in Zivilverfahren regelt das BDSG gerade nicht.

Neben dem Verstoß gegen § 6 b BDSG wird die Unzulässigkeit der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen auch aus § 22 S. 1 KunstUrhG abgeleitet, der ein Recht am eigenen Bild begründet, so AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14.

§ 22 KunstUrhG gewährt jedoch keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Nach § 24 KunstUrhG dürfen für Zwecke der Rechtspflege Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten öffentlich zur Schau gestellt werden, was eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung in öffentlicher Sitzung ermöglicht. Auch das KunstUrhG enthält kein ausdrückliches Verwertungsverbot. Vielmehr zeigt § 24 KunstUrhG, dass die Verwertung zulässig sein kann.

Bisher wird es in der Rechtsprechung für unproblematisch gehalten, wenn nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen und auch vom Unfallgegner gemacht werden, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligten zu sichern und diese in der Beweisaufnahme zu verwerten. Hier wurde die Verwertbarkeit nicht mit Verweis auf das KunstUrhG in Frage gestellt. Nichts anderes kann indes für Videoaufzeichnungen gelten.

Auch begründen Verstöße gegen einfaches Recht nicht per se Verwertungsverbote.

Ein Schutz vor dem Abgebildetwerden lässt sich nur auf § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stützen, vgl. Greger, a. a. O., S. 117. Für die Frage der Verwertbarkeit kommt es demnach auf das Ergebnis der Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Interesse an der Verwertung der Aufzeichnung an.

Die Verwertung der Videoaufzeichnung greift in das aus Artikel 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. Dies ist beim Beklagten zu 1) sicherlich der Fall. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist jedoch bei unbeteiligten Personen, die als Passanten oder sonstige Verkehrsteilnehmer quasi mitgefilmt werden, schon fraglich. Da es sich hier nur um eine technikbedingte Miterfassung ohne Erkenntnisgewinn handelt, soll der Aufzeichnung wegen der Anonymität der Personen keine Eingriffsqualität zukommen, so Greger, a. a. O., S. 115 und AG München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13 Rn. 14. So fertigen auch einige der vom Gericht beauftragten Unfallsachverständigen regelmäßig Videoaufzeichnungen des Unfallbereichs, auf denen auch Verkehrsteilnehmer und Passanten zu sehen sind, die dann in öffentlicher Sitzung abgespielt werden. An der Zulässigkeit dieses Vorgehens bestanden und bestehen auch weiterhin keine Zweifel.

Der Eingriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Beklagten zu 1) begründet allein jedoch noch nicht das Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Güte- und Interessensabwägung zu ermitteln, ob der Eingriff vom Betroffenen hingenommen werden muss. Ist ein starker Eingriff nicht zu bejahen, kann das Interesse des Aufzeichnenden überwiegen, vgl. MüKo, ZPO, 4. A., § 284 Rn. 70. Dementsprechend wurden z. B. ohne Wissen der Betroffenen angefertigt Videoaufnahmen bei einer Körperverletzung zur Aufklärung und Beweissicherung ohne Weiteres im Rahmen einer Güterabwägung für verwertbar gehalten, s. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 241. Gleiches muss bei der Aufklärung eines Verkehrsunfalls mit einem entsprechenden Personenschaden gelten. Jedoch auch bei einem Unfall mit einem reinen Sachschaden kann das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmeter Personen überwiegen, das im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert ist, wenn lediglich situationsbezogene Aufnahmen vorliegen, so Balzer/Nugel in NJW 2014, 1622, 1624.

Das Verwertungsinteresse des Klägers ist im vorliegenden Fall erheblich. Nachdem beklagtenseits ein anderer Unfallhergang geschildert worden ist, als klägerseits, hat der Kläger ein erhebliches und legitimes Interesse an der Zulassung des Beweismittels, um seine Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

Die Videoaufzeichnung dient aber auch dazu, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen, Greger, a. a. O., S. 115. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, seien die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebiete auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, NJW 2002, S. 3619, 3624.

Zwar soll nach der Rechtsprechung des BVerfG ein schlichtes Beweisinteresse nicht genügen. Jedoch befindet sich bei Verkehrsunfällen der Geschädigte oft in einem Beweisnotstand und kann den exakten Unfallhergang nicht anders beweisen. Zeugenaussagen können nur bedingt zu Aufklärung des Unfallgeschehens beitragen. So konnte hier die Zeugin ... aus eigener Wahrnehmung nicht sagen, welche Spur der Beklagte zu 1) vor der Kollision befuhr. Auch der Sachverständige, der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst kompetenter Sachverständiger bekannt ist, konnte anhand der Schäden und Unfallendstände keine sicheren Angaben darüber machen, ob der Beklagte zu 1), wie von diesem geschildert, noch vor der Kollision einen Fahrstreifenwechsel nach rechts durchführte. Nur mit der Videoaufzeichnung konnte der Kläger die Behauptung des Beklagten, dass dieser vor der Ampel auf die vom Kläger befahrene Fahrspur gewechselt sei und dann im weiteren Verlauf den Geradeausfahrstreifen befahren habe, widerlegen. Nur die Verwertung der Videoaufzeichnung führt hier zu einem materiell richtigem Ergebnis.

Dem ist das Interesse des Beklagten zu 1) entgegenzustellen. Die Aufzeichnung des Verkehrsgeschehen berührt nicht den absoluten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) wird in der Aufzeichnung auch nicht herabgewürdigt.

Zudem ist der aufgezeichnete Lebenssachverhalt auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt. Auf der Videoaufzeichnung ist der Beklagte zu 1) auch nicht als Fahrer des Beklagtenfahrzeuges identifizierbar. Das weiße Firmenfahrzeug der ... ist bei der Heranfahrt des klägerischen Fahrzeuges auf der mittleren Spur zu erkennen. Kurz nach dem Anfahren an der Ampel ist nur noch die vordere linke Ecke des Fahrzeuges zu sehen. Der Beklagte zu 1) ist selbst nicht zu erkennen.

Das Interesse des Beklagten zu 1) nicht eines Verkehrsverstoßes übeführt zu werden, ist hingegen kein schützenswertes Interesse. Insgesamt ist das Interesse des Beklagten zu 1) daher eher gering zu bewerten.

Dagegen wiegt das Interesse des Klägers an der vollständigen Unfallaufklärung schwerer, so auch AG München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13.

Insgesamt ergab sich daher, dass der Beklagte zu 1) den Unfall durch seinen unvorsichtigen Spurwechsel verursacht hat. Ein Spurwechsel des Klägers lag nicht vor. Dieser hat vielmehr nach der Ampel seinen Fahrstreifen gewählt.

Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass der Unfall für den Kläger vermeidbar gewesen wäre, wenn dieser mit seinem Fahrzeug nicht diagonal in Richtung zum Geradeaus/Linksabbiegefahrstreifen gefahren wäre, einen Schulterblick gemacht hätte und auf den Beklagten zu 1) durch Abbrechen der Diagonalbewegung und Lenken nach rechts das Unfallgeschehen noch gerade hätten vermeiden können, so tritt dies hinter dem Verschulden des Beklagten zu 1) zurück. Im Übrigen ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger, der den Fahrstreifen nach der Ampelanlage frei wählen durfte, hier einen anderen Fahrweg hätte wählen müssen oder sogar einen Schulterblick hätte machen müssen.

Es ergibt sich folgende Schadensberechnung:

Reparaturkosten netto

2.132,01 €

Gutachtenskosten

411,53 €

Unkostenpauschale

25,00 €

Gesamtschaden

2.568,54 €

reguliert

1.013,56 €

Restbetrag

1.554,98 €

Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass das Fahrzeug des Klägers nicht scheckheftgepflegt sei, so hat der Kläger bereits mit der Klage das Scheckheft vorgelegt. Ausweislich des Scheckheftes wurden sämtliche Wartungen regelmäßig in einer ...-Vertragswerkstatt durchgeführt. Hier hätte es der Beklagtenseite oblegen, näher auszuführen, weshalb sie dennoch davon ausgeht, dass das klägerische Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt ist. Das Gericht hatte hierauf mit Verfügung vom 08.01.2015 hingewiesen.

Nachdem das klägerische Fahrzeug scheckheftgepflegt ist, können die Beklagten den Kläger auch nicht auf eine nicht markengebundene Referenzwerkstatt und die Reparaturkosten in einer solchen Werkstatt verweisen.

Hinsichtlich der UPE-Aufschläge hat der Sachverständige im Termin ausgeführt, dass sämtliche ... händler im ... Raum Ersatzteilpreisaufschläge verlangen. Hinsichtlich der Verbringungskosten fallen diese bei einem Mazdavertragshändler ohne Lackiererei an. Insoweit waren auch UPE-Aufschläge und Verbringungskosten zuzusprechen.

Ebenfalls zuzusprechen waren restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Ein Forderungsübergang auf eine Rechtsschutzversicherung ist nicht erfolgt, da der Kläger keine Rechtsschutzversicherung unterhält.

Da es sich bei den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren um erstattungsfähige Kosten der Rechtverfolgung nach § 249 BGB handelt, kommt es nach Ansicht des Gerichts nicht darauf an, ob die Klagepartei die Rechtsanwaltsgebühren bereits bezahlt hat. Als Schadensersatzposition besteht ein Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten, der sich durch die Zahlungsverweigerung der Beklagten in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, vgl. BGH, NJW 2004, 1868.

Die Verzinsung folgt §§ 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung erging aufgrund § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erging aufgrund § 709 S. 2 ZPO.

Soweit beklagtenseits beantragt wurde, die Revision zuzulassen, war diesem Antrag jedenfalls durch das Amtsgericht nicht stattzugeben. Für eine Sprungrevision gilt § 566 ZPO. Danach erfolgt nach § 566 Abs. 1 ZPO die Zulassung bei Einwilligung des Gegners in die Sprungrevision durch das Revisionsgericht. Nach § 566 Abs. 2 ZPO ist die Zulassung durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Revisionsgericht zu beantragen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Nürnberg-Fürth

Fürther Str. 110

90429 Nürnberg

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Nürnberg

Fürther Str. 110

90429 Nürnberg

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

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(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.

(2) Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.

(3) Ist in den Fällen des § 17 auch der Führer eines Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so sind auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnis zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Kraftfahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer die Vorschriften des § 17 entsprechend anzuwenden.

(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Besigheim vom 23.05.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Besigheim ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 820,64 EUR

Gründe

 
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Sie ist zwar die Halterin, nicht jedoch die Eigentümerin des beim streitgegenständlichen Unfall beschädigten Pkw VW Passat, a.K.:, nachdem sie dieses zur Kaufpreisfinanzierung an die Bank GmbH sicherungsübereignet hat. Jedoch macht die Klägerin die Schadensersatzansprüche der Sicherungseigentümerin in eigenen Namen geltend. Dies ist vorliegend zulässig. Die Klägerin hat die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft ausreichend dargetan.
2. In der Sache bleibt der Klage jedoch der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch nach Auffassung der Kammer stehen der Bank GmbH die von der Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten nicht zu.
a. Die Haftungsvoraussetzungen der §§ 7 Abs.1, 18 Abs. 1 StVG hinsichtlich der Zweitbeklagten und in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Ziff. 1 VVG bezüglich der Erstbeklagten liegen zwar vor. Der Verkehrsunfall hat sich beim Betrieb des von der Zweitbeklagten gefahrenen Motorrades Suzuki 650, a.K.:, ereignet, dessen Halterin sie auch ist und das bei der Erstbeklagten haftpflichtversichert ist. Dadurch ist an dem der Bank GmbH sicherungsübereigneten Pkw VW Passat ein Sachschaden entstanden. Dieser Ausgangspunkt ist zwischen den Parteien unstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Darlegung.
b. Die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten ist nicht nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 StVG gilt der Haftungsausschluss des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG grundsätzlich auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs der – wie vorliegend – nicht dessen Halter ist. Jedoch vermochten die Beklagten den ihnen obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis bzw. den Nachweis fehlenden Verschuldens nicht zu führen. Denn es ist keineswegs bewiesen, dass auch ein Idealfahrer, auf den in diesem Rahmen abzustellen ist, den Verkehrsunfall nicht hätte vermeiden können. Der Sachverständige hat in seinem mündlichen Gutachten vor dem Amtsgericht ausgeführt, dass sich bei der vorliegenden Spurenlage aus technischer Sicht ein Reaktionsverzug der Zweitbeklagten nicht ermitteln lasse. Damit ist jedoch der Nachweis nicht geführt, dass die Zweitbeklagte die Kollision auch bei optimaler Reaktion nicht hätte verhindern können. Dies gilt umso mehr, als sich der Verkehr in Fahrtrichtung der Zweitbeklagten auf der Geradeausspur der Landesstraße L 1110 (Bietigheimer Straße) aufgrund einer Lichtzeichenanlage auf einer Länge von ungefähr 200 m gestaut hatte und ein Idealfahrer beim Befahren der Linksabbiegerspur deshalb mit der naheliegenden Möglichkeit gerechnet und sich darauf eingestellt hätte, dass Führer von auf der Geradeausspur im Stau stehenden Kraftfahrzeugen möglichen Linksabbiegern, die von rechts aus der untergeordneten Zufahrt vom Industriegebiet Tamm-Nord in die Landesstraße L 1110 einfahren wollten, den Vorrang gewähren, weshalb nicht ausgeschlossen ist, dass ein Idealfahrer den Unfall in der konkreten Situation möglicherweise durch entsprechend langsame Fahrweise und optimale Reaktion hätte vermeiden können. Bei dieser Sachlage ist auch der der Zweitbeklagten als Fahrerin obliegende Nachweis fehlenden Verschuldens nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG nicht geführt.
c. Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensbeiträge für die Entstehung des Verkehrsunfalls führt indessen zur Alleinhaftung des Ehemannes der Klägerin, der den der Bank GmbH sicherungsübereigneten Pkw zum Unfallzeitpunkt geführt hat. Die Bank GmbH muss sich zwar, weil sie selbst nicht Halterin des beschädigten Pkw ist, nicht gemäß § 17 StVG die Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeugs anspruchsmindernd zurechnen lassen, wohl aber gemäß §§ 9, 17 StVG, 254 BGB das Verschulden des Fahrers ihres Kraftfahrzeugs (BGH, NJW 2011, 996; OLG Hamm, r+s 1996, 339; LG Münster, NJW-RR 2011, 1327).
aa. Dem Ehemann der Klägerin fällt ein schuldhafter Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs. 1 StVO zur Last. Gegen ihn spricht bereits der Anscheinsbeweis, da er unmittelbar bevor er mit dem Motorrad der Zweitbeklagten kollidiert ist aus der untergeordneten Zufahrt vom Industriegebiet Tamm-Nord auf die bevorrechtigte Landesstraße L1110 eingefahren ist. Stoßen an einer Straßeneinmündung zwei Kraftfahrzeuge zusammen, spricht der Anscheinsbeweis regelmäßig für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen (BGH VersR 1982, 903). Die Klägerin konnte den gegen ihren Ehemann sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Ehemann der Klägerin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt, selbst wenn er sich langsam in die bevorrechtigte Landesstraße L 1110 hineingetastet hätte, die mit einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von 35 km/h heranfahrende Zweitbeklagte so rechtzeitig erkennen können, dass er sein Fahrzeug noch auf dem rechten Fahrstreifen zum Stillstand hätte bringen und den Unfall damit vermeiden können.
bb. Die nach §§ 9, 18 Abs. 3, 17 StVG, 254 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der Zweitbeklagten und des Pflichtverstoßes des Ehemannes der Klägerin für die Entstehung des Unfalls, führt nach Auffassung der Kammer zu einer Alleinhaftung des Ehemanns der Klägerin.
10 
(1) Zu Lasten der Klägerin ist die schuldhafte Vorfahrtsverletzung ihres Ehemannes zu berücksichtigen, die aufgrund des Anscheinsbeweises erwiesen ist, den die Klägerin nicht zu erschüttern vermochte. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die oben Ausführungen unter lit. c aa).
11 
(2) Dagegen ist zu Lasten der Zweitbeklagten neben der Betriebsgefahr ihres Motorrades kein relevanter Pflichtverstoß zu berücksichtigen.
12 
Die Klägerin kann sich nicht auf die Grundsätze der sog. Lückenrechtsprechung berufen, die bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Pflichtverstoß der Zweitbeklagten gegen § 1 StVO hätte begründen können. Eine besondere Sorgfaltspflicht des vorfahrtsberechtigten Vorbeifahrenden nach § 1 StVO besteht erst dann, wenn der stockende Verkehr eine so deutliche Lücke gelassen hat, dass mit Querverkehr oder Abbiegern gerechnet werden und der Vorfahrtsberechtigte sich hierauf einstellen muss. Die Lücke muss daher für den auf der freien Spur Fahrenden deutlich erkennbar sein, muss also mehr als nur eine Fahrzeuglänge betragen und über einen gewissen Zeitraum als solche bereits bestanden haben (LG Berlin Schaden-Praxis 2014, 190). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier ersichtlich.
13 
Es ist auch nicht erwiesen, dass die Zweitbeklagte zu schnell gefahren ist und/oder falsch, nämlich auf der Linksabbiegerspur, überholt hat. Zwar hat der Ehemann der Klägerin im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Amtsgericht bekundet, dass die Zweitbeklagte zu schnell gefahren sei, was er als erfahrener Autofahrer beurteilen könne. Dem ist das Amtsgericht jedoch völlig zu Recht und mit überzeugender Begründung, der sich die Kammer vollinhaltlich anschließt, nicht gefolgt. Der Sachverständige hat hingegen die Bremsausgangsgeschwindigkeit der Zweitbeklagten im Bereich von 25 km/ bis maximal 35 km/h ermittelt, so dass eine Geschwindigkeit von nur 25 km/h erwiesen ist. Ein Geschwindigkeitsverstoß ist demnach nicht bewiesen. Auch die Behauptung der Klägerin, die Zweitbeklagte habe überhaupt nicht nach links abbiegen wollen, vielmehr habe sie die auf der Geradeausspur stehenden Fahrzeuge verbotswidrig auf der Linksabbiegerspur überholt, ist gleichfalls nicht erwiesen. Denn nach dem Befund des Sachverständigen wäre es der Zweitbeklagten bei der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit von 25 km/h bis 35 km/h ohne weiteres möglich gewesen, nach links abzubiegen.
14 
Eine weitere Aufklärung des Unfallhergangs ist nicht möglich. Zwar hat der Ehemann der Klägerin den Unfallhergang offenbar mit einer im Fahrzeug installierten Dashcam des Modells F 900 LHD , einer 2,5`` FullHD Videokamera mit Nachtsichtmodus und HDMI-Anschluss, aufgenommen und die Klägerin hat sich zum Beweis für den von ihr behaupteten Unfallhergang auf die Inaugenscheinnahme dieser Videoaufzeichnung berufen. Auch hat der Sachverständige nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung dieser Videoaufzeichnung weitere Erkenntnisse für die technische Rekonstruktion des Unfalls gewonnen werden könnten. Jedoch hat das Amtsgericht zu Recht eine Verwertung dieses Beweismittels nicht zugelassen. Denn Videoaufzeichnungen, die ohne Kenntnis des Betroffenen angefertigt wurden, sind lediglich nach den Grundsätzen über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel ausnahmsweise zulässig. Über die Verwertbarkeit ist nach ständiger Rechtsprechung und mangels einer ausdrücklichen Regelung in der ZPO aufgrund einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung zu entscheiden (BVerfG NJW 2002, 3619 [3624]; BGH NJW 2003, 1123 [1124 f.]). Indizwirkung haben dabei auch Verstöße gegen einfachgesetzliche Normen, die hier nach Auffassung der Kammer in mehrfacher Hinsicht gegeben sind und einer Verwertung als Beweismittel entscheidend entgegenstehen:
15 
(a) Die Aufzeichnung der Zweitbeklagten mittels Dashcam verletzt diese in ihrem Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst das Recht am eigenen Bild und ist Ausprägung eines sich an moderne Entwicklungen anpassenden Persönlichkeitsschutzes über personenbezogene Informationen. Dem Grundrechtsträger steht hiernach die Befugnis zu, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 [43]; 78, 77 [84]; BVerfG, NJW 2001, 879 [880]). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann jedoch insbesondere durch konkurrierende Grundrechte Dritter eingeschränkt werden (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art.2, Rn.181). Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist auf Seiten der Klägerin dabei zu beachten, dass das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG der Rechtspflege eine hohe Bedeutung zumisst. Im Hinblick auf § 286 ZPO, dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG und dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte gehalten, angebotene Beweise zu berücksichtigen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts (BVerfG NJW 2007, 753 [758]; NJW 2011, 2783 [2785]).
16 
Allerdings kommt dem Interesse an der Zivilrechtspflege nicht generell ein überwiegendes Gewicht zu. Es müssen vielmehr weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen lassen (vgl. Anm. Bull zu: BVerfG NJW 2009, 3279; NJW 2007, 753 [758]; BGH NJW 2005, 497 [498 f.]). Das kann etwa der Fall sein, wenn sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation i.S.v. § 227 BGB oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BGHZ 27, 284 [289 f.]; BGH NJW 2003, 1727 [1728]). Der BGH sieht hingegen durch eine permanente, verdachtslose Überwachung des Zugangs zu einem Wohnhaus das Persönlichkeitsrecht selbst dann als verletzt an, wenn die Aufzeichnungen nicht verbreitet werden sollen. Ein derartiger Eingriff könne höchstens dann zulässig sein, wenn schwerwiegenden Beeinträchtigungen, wie etwa Angriffe auf die Person, nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könne (BGH NJW 1995, 1955 [1957]). Entsprechend urteilt das BAG zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz, die nur im Fall des konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers in Betracht kommt. Zudem muss die Überwachung das einzig verbleibende Mittel darstellen (BAG, Urteil v. 21.06.2012, Az.: 2 AZR 153/11, juris-Rn.30). Vor diesem Hintergrund müssen die von der Dashcam aufgezeichneten Daten auch erforderlich sein (Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 [1623]).
17 
(b) Im vorliegenden Fall können die einzelfallbezogenen Umstände kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Beweissicherung begründen. So sind Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die nur als Beiwerk des Stadt- oder Straßenbildes mit erfasst werden, von diesen zwar zunächst auch ohne weiteres hinzunehmen (BGH NJW 1995, 1955). Geht es jedoch um die gezielte und verdeckte Fertigung von Bildaufnahmen, muss dann etwas anderes gelten, wenn die Betroffenen nicht absehen können, ob Aufzeichnungen gefertigt werden. Dies ist vorliegend der Fall. Der Ehemann der Klägerin macht mit der im Pkw installierten Dashcam umfassende, als heimlich bezeichenbare Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsgeschehens. Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die hier vorgenommene, permanente Aufzeichnung mit der Videokamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird (VG Ansbach, DAR 2014, 663; a.A. offenbar AG München, NJW-RR 2014, 413, dem die Kammer jedoch nicht zu folgen vermag). Die Videoaufzeichnung des Ehemanns der Klägerin war zudem zeitlich nicht von vornherein auf das konkrete Unfallgeschehen eingegrenzt. Vielmehr wurde ein zeitlich separierter Teil der Aufnahmen nachträglich zur Beweissicherung bestimmt. Technische Vorrichtungen der Kamera zur spezifizierten Beweissicherung, bei der im Rahmen einer Ringspeicherung innerhalb zu bestimmender Zeitabstände die alten gespeicherten Aufnahmen gelöscht werden, sind zudem nicht vorhanden (Bl. 98 d.A.). Auf den jeweiligen Videofilmen wird darüber hinaus festgehalten, wann ein Betroffener die jeweilige Straße mit welchem Verkehrsmittel und ggfs. auch in welcher Begleitung passiert. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sich nur kurzzeitig, wie bei einer auf einen bestimmten, festen Ort gerichteten Kamera, im Aufzeichnungsbereich aufhält, da es der Ehemann der Klägerin selbst in der Hand hat, wie lange er einen Betroffenen aufzeichnet und was er anschließend mit der gespeicherten Aufnahme macht. Sieht der BGH schon eine stationäre, permanente und verdachtslose Überwachung ohne Veröffentlichungswillen als unzulässig an, so kann hier erst recht nichts anderes gelten, da die potentiellen Gefahren für das Persönlichkeitsrecht erhöht sind und überdies eine Veröffentlichungsabsicht vorhanden ist. Zudem liegen die von BGH und BAG angedachten Rechtfertigungskonstellationen nicht vor. Letztlich kann auch dann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten, wenn die Videoaufzeichnungen wieder gelöscht würden, wenn sich keine besonderen Vorkommnisse ereigneten. Denn es kann nicht allein der Klägerin bzw. ihrem Ehemann überlassen bleiben, wie mit derart hergestellten Videoaufnahmen zu verfahren ist (AG München, Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14 -, ZD-Aktuell 2014, 04297; VG Ansbach, a.a.O.). Darin läge eine gravierende Missachtung der Befugnis der Betroffenen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen. Wollte man dies anders sehen und der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könnte, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen. Damit aber würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben (AG München, Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14, ZD-Aktuell 2014, 04297).
18 
(c) Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dashcam verstößt zudem gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1 KunstUrhG.
19 
Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mittels Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist das Anliegen der Klägerin, eine Beweissicherung vorzunehmen, legitim. Wie dargelegt überwiegen jedoch die schutzwürdigen Interessen der Zweitbeklagten, da die dauerhafte Offenbarung privater Daten im vorliegenden Fall nicht freiwillig geschieht.
20 
Nach § 22 S.1 KunstUrhG dürfen Bildnisse ferner nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, soweit nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG die Abgebildeten nicht nur als Beiwerk einer bestimmten Örtlichkeit erscheinen. Die Befugnis nach § 23 Abs. 1 KunstUrhG erstreckt sich gemäß Abs. 2 jedoch nicht auf eine Verbreitung und Zurschaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Wie dargelegt verletzt die gezielte Aufnahme der Betroffenen diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
21 
(3) Bei der danach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensanteile der Unfallbeteiligten erscheint eine Haftungsverteilung von 100 zu 0 zu Lasten der Klägerin gerechtfertigt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begeht, allein für den Unfallschaden haftet, wenn nicht dem anderen Unfallbeteiligten neben dessen Betriebsgefahr weitere die Betriebsgefahr erhöhende Verursachungsbeiträge bzw. ein Verschulden nachgewiesen werden können (BGH NJW 1998, 1137 [1138]; BGH, NJW 1990, 1483 [1484]). Die Betriebsgefahr des anderen tritt in diese Fall zurück. Genau so liegt der Fall aber hier. Da der Ehemann der Klägerin einen gravierenden schuldhaften Vorfahrtsverstoß begangen hat und der Zweitbeklagten kein relevanter Pflichtverstoß anzulasten ist, hat die Betriebsgefahr des Motorrades zurückzutreten. Dies führt zur Alleinhaftung des Ehemannes der Klägerin.
III.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Besigheim vom 23.05.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Besigheim ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 820,64 EUR

Gründe

 
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Sie ist zwar die Halterin, nicht jedoch die Eigentümerin des beim streitgegenständlichen Unfall beschädigten Pkw VW Passat, a.K.:, nachdem sie dieses zur Kaufpreisfinanzierung an die Bank GmbH sicherungsübereignet hat. Jedoch macht die Klägerin die Schadensersatzansprüche der Sicherungseigentümerin in eigenen Namen geltend. Dies ist vorliegend zulässig. Die Klägerin hat die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft ausreichend dargetan.
2. In der Sache bleibt der Klage jedoch der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch nach Auffassung der Kammer stehen der Bank GmbH die von der Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten nicht zu.
a. Die Haftungsvoraussetzungen der §§ 7 Abs.1, 18 Abs. 1 StVG hinsichtlich der Zweitbeklagten und in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Ziff. 1 VVG bezüglich der Erstbeklagten liegen zwar vor. Der Verkehrsunfall hat sich beim Betrieb des von der Zweitbeklagten gefahrenen Motorrades Suzuki 650, a.K.:, ereignet, dessen Halterin sie auch ist und das bei der Erstbeklagten haftpflichtversichert ist. Dadurch ist an dem der Bank GmbH sicherungsübereigneten Pkw VW Passat ein Sachschaden entstanden. Dieser Ausgangspunkt ist zwischen den Parteien unstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Darlegung.
b. Die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten ist nicht nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 StVG gilt der Haftungsausschluss des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG grundsätzlich auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs der – wie vorliegend – nicht dessen Halter ist. Jedoch vermochten die Beklagten den ihnen obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis bzw. den Nachweis fehlenden Verschuldens nicht zu führen. Denn es ist keineswegs bewiesen, dass auch ein Idealfahrer, auf den in diesem Rahmen abzustellen ist, den Verkehrsunfall nicht hätte vermeiden können. Der Sachverständige hat in seinem mündlichen Gutachten vor dem Amtsgericht ausgeführt, dass sich bei der vorliegenden Spurenlage aus technischer Sicht ein Reaktionsverzug der Zweitbeklagten nicht ermitteln lasse. Damit ist jedoch der Nachweis nicht geführt, dass die Zweitbeklagte die Kollision auch bei optimaler Reaktion nicht hätte verhindern können. Dies gilt umso mehr, als sich der Verkehr in Fahrtrichtung der Zweitbeklagten auf der Geradeausspur der Landesstraße L 1110 (Bietigheimer Straße) aufgrund einer Lichtzeichenanlage auf einer Länge von ungefähr 200 m gestaut hatte und ein Idealfahrer beim Befahren der Linksabbiegerspur deshalb mit der naheliegenden Möglichkeit gerechnet und sich darauf eingestellt hätte, dass Führer von auf der Geradeausspur im Stau stehenden Kraftfahrzeugen möglichen Linksabbiegern, die von rechts aus der untergeordneten Zufahrt vom Industriegebiet Tamm-Nord in die Landesstraße L 1110 einfahren wollten, den Vorrang gewähren, weshalb nicht ausgeschlossen ist, dass ein Idealfahrer den Unfall in der konkreten Situation möglicherweise durch entsprechend langsame Fahrweise und optimale Reaktion hätte vermeiden können. Bei dieser Sachlage ist auch der der Zweitbeklagten als Fahrerin obliegende Nachweis fehlenden Verschuldens nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG nicht geführt.
c. Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensbeiträge für die Entstehung des Verkehrsunfalls führt indessen zur Alleinhaftung des Ehemannes der Klägerin, der den der Bank GmbH sicherungsübereigneten Pkw zum Unfallzeitpunkt geführt hat. Die Bank GmbH muss sich zwar, weil sie selbst nicht Halterin des beschädigten Pkw ist, nicht gemäß § 17 StVG die Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeugs anspruchsmindernd zurechnen lassen, wohl aber gemäß §§ 9, 17 StVG, 254 BGB das Verschulden des Fahrers ihres Kraftfahrzeugs (BGH, NJW 2011, 996; OLG Hamm, r+s 1996, 339; LG Münster, NJW-RR 2011, 1327).
aa. Dem Ehemann der Klägerin fällt ein schuldhafter Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs. 1 StVO zur Last. Gegen ihn spricht bereits der Anscheinsbeweis, da er unmittelbar bevor er mit dem Motorrad der Zweitbeklagten kollidiert ist aus der untergeordneten Zufahrt vom Industriegebiet Tamm-Nord auf die bevorrechtigte Landesstraße L1110 eingefahren ist. Stoßen an einer Straßeneinmündung zwei Kraftfahrzeuge zusammen, spricht der Anscheinsbeweis regelmäßig für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen (BGH VersR 1982, 903). Die Klägerin konnte den gegen ihren Ehemann sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Ehemann der Klägerin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt, selbst wenn er sich langsam in die bevorrechtigte Landesstraße L 1110 hineingetastet hätte, die mit einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von 35 km/h heranfahrende Zweitbeklagte so rechtzeitig erkennen können, dass er sein Fahrzeug noch auf dem rechten Fahrstreifen zum Stillstand hätte bringen und den Unfall damit vermeiden können.
bb. Die nach §§ 9, 18 Abs. 3, 17 StVG, 254 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der Zweitbeklagten und des Pflichtverstoßes des Ehemannes der Klägerin für die Entstehung des Unfalls, führt nach Auffassung der Kammer zu einer Alleinhaftung des Ehemanns der Klägerin.
10 
(1) Zu Lasten der Klägerin ist die schuldhafte Vorfahrtsverletzung ihres Ehemannes zu berücksichtigen, die aufgrund des Anscheinsbeweises erwiesen ist, den die Klägerin nicht zu erschüttern vermochte. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die oben Ausführungen unter lit. c aa).
11 
(2) Dagegen ist zu Lasten der Zweitbeklagten neben der Betriebsgefahr ihres Motorrades kein relevanter Pflichtverstoß zu berücksichtigen.
12 
Die Klägerin kann sich nicht auf die Grundsätze der sog. Lückenrechtsprechung berufen, die bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Pflichtverstoß der Zweitbeklagten gegen § 1 StVO hätte begründen können. Eine besondere Sorgfaltspflicht des vorfahrtsberechtigten Vorbeifahrenden nach § 1 StVO besteht erst dann, wenn der stockende Verkehr eine so deutliche Lücke gelassen hat, dass mit Querverkehr oder Abbiegern gerechnet werden und der Vorfahrtsberechtigte sich hierauf einstellen muss. Die Lücke muss daher für den auf der freien Spur Fahrenden deutlich erkennbar sein, muss also mehr als nur eine Fahrzeuglänge betragen und über einen gewissen Zeitraum als solche bereits bestanden haben (LG Berlin Schaden-Praxis 2014, 190). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier ersichtlich.
13 
Es ist auch nicht erwiesen, dass die Zweitbeklagte zu schnell gefahren ist und/oder falsch, nämlich auf der Linksabbiegerspur, überholt hat. Zwar hat der Ehemann der Klägerin im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Amtsgericht bekundet, dass die Zweitbeklagte zu schnell gefahren sei, was er als erfahrener Autofahrer beurteilen könne. Dem ist das Amtsgericht jedoch völlig zu Recht und mit überzeugender Begründung, der sich die Kammer vollinhaltlich anschließt, nicht gefolgt. Der Sachverständige hat hingegen die Bremsausgangsgeschwindigkeit der Zweitbeklagten im Bereich von 25 km/ bis maximal 35 km/h ermittelt, so dass eine Geschwindigkeit von nur 25 km/h erwiesen ist. Ein Geschwindigkeitsverstoß ist demnach nicht bewiesen. Auch die Behauptung der Klägerin, die Zweitbeklagte habe überhaupt nicht nach links abbiegen wollen, vielmehr habe sie die auf der Geradeausspur stehenden Fahrzeuge verbotswidrig auf der Linksabbiegerspur überholt, ist gleichfalls nicht erwiesen. Denn nach dem Befund des Sachverständigen wäre es der Zweitbeklagten bei der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit von 25 km/h bis 35 km/h ohne weiteres möglich gewesen, nach links abzubiegen.
14 
Eine weitere Aufklärung des Unfallhergangs ist nicht möglich. Zwar hat der Ehemann der Klägerin den Unfallhergang offenbar mit einer im Fahrzeug installierten Dashcam des Modells F 900 LHD , einer 2,5`` FullHD Videokamera mit Nachtsichtmodus und HDMI-Anschluss, aufgenommen und die Klägerin hat sich zum Beweis für den von ihr behaupteten Unfallhergang auf die Inaugenscheinnahme dieser Videoaufzeichnung berufen. Auch hat der Sachverständige nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung dieser Videoaufzeichnung weitere Erkenntnisse für die technische Rekonstruktion des Unfalls gewonnen werden könnten. Jedoch hat das Amtsgericht zu Recht eine Verwertung dieses Beweismittels nicht zugelassen. Denn Videoaufzeichnungen, die ohne Kenntnis des Betroffenen angefertigt wurden, sind lediglich nach den Grundsätzen über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel ausnahmsweise zulässig. Über die Verwertbarkeit ist nach ständiger Rechtsprechung und mangels einer ausdrücklichen Regelung in der ZPO aufgrund einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung zu entscheiden (BVerfG NJW 2002, 3619 [3624]; BGH NJW 2003, 1123 [1124 f.]). Indizwirkung haben dabei auch Verstöße gegen einfachgesetzliche Normen, die hier nach Auffassung der Kammer in mehrfacher Hinsicht gegeben sind und einer Verwertung als Beweismittel entscheidend entgegenstehen:
15 
(a) Die Aufzeichnung der Zweitbeklagten mittels Dashcam verletzt diese in ihrem Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst das Recht am eigenen Bild und ist Ausprägung eines sich an moderne Entwicklungen anpassenden Persönlichkeitsschutzes über personenbezogene Informationen. Dem Grundrechtsträger steht hiernach die Befugnis zu, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 [43]; 78, 77 [84]; BVerfG, NJW 2001, 879 [880]). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann jedoch insbesondere durch konkurrierende Grundrechte Dritter eingeschränkt werden (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art.2, Rn.181). Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist auf Seiten der Klägerin dabei zu beachten, dass das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG der Rechtspflege eine hohe Bedeutung zumisst. Im Hinblick auf § 286 ZPO, dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG und dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte gehalten, angebotene Beweise zu berücksichtigen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts (BVerfG NJW 2007, 753 [758]; NJW 2011, 2783 [2785]).
16 
Allerdings kommt dem Interesse an der Zivilrechtspflege nicht generell ein überwiegendes Gewicht zu. Es müssen vielmehr weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen lassen (vgl. Anm. Bull zu: BVerfG NJW 2009, 3279; NJW 2007, 753 [758]; BGH NJW 2005, 497 [498 f.]). Das kann etwa der Fall sein, wenn sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation i.S.v. § 227 BGB oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BGHZ 27, 284 [289 f.]; BGH NJW 2003, 1727 [1728]). Der BGH sieht hingegen durch eine permanente, verdachtslose Überwachung des Zugangs zu einem Wohnhaus das Persönlichkeitsrecht selbst dann als verletzt an, wenn die Aufzeichnungen nicht verbreitet werden sollen. Ein derartiger Eingriff könne höchstens dann zulässig sein, wenn schwerwiegenden Beeinträchtigungen, wie etwa Angriffe auf die Person, nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könne (BGH NJW 1995, 1955 [1957]). Entsprechend urteilt das BAG zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz, die nur im Fall des konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers in Betracht kommt. Zudem muss die Überwachung das einzig verbleibende Mittel darstellen (BAG, Urteil v. 21.06.2012, Az.: 2 AZR 153/11, juris-Rn.30). Vor diesem Hintergrund müssen die von der Dashcam aufgezeichneten Daten auch erforderlich sein (Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 [1623]).
17 
(b) Im vorliegenden Fall können die einzelfallbezogenen Umstände kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Beweissicherung begründen. So sind Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die nur als Beiwerk des Stadt- oder Straßenbildes mit erfasst werden, von diesen zwar zunächst auch ohne weiteres hinzunehmen (BGH NJW 1995, 1955). Geht es jedoch um die gezielte und verdeckte Fertigung von Bildaufnahmen, muss dann etwas anderes gelten, wenn die Betroffenen nicht absehen können, ob Aufzeichnungen gefertigt werden. Dies ist vorliegend der Fall. Der Ehemann der Klägerin macht mit der im Pkw installierten Dashcam umfassende, als heimlich bezeichenbare Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsgeschehens. Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die hier vorgenommene, permanente Aufzeichnung mit der Videokamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird (VG Ansbach, DAR 2014, 663; a.A. offenbar AG München, NJW-RR 2014, 413, dem die Kammer jedoch nicht zu folgen vermag). Die Videoaufzeichnung des Ehemanns der Klägerin war zudem zeitlich nicht von vornherein auf das konkrete Unfallgeschehen eingegrenzt. Vielmehr wurde ein zeitlich separierter Teil der Aufnahmen nachträglich zur Beweissicherung bestimmt. Technische Vorrichtungen der Kamera zur spezifizierten Beweissicherung, bei der im Rahmen einer Ringspeicherung innerhalb zu bestimmender Zeitabstände die alten gespeicherten Aufnahmen gelöscht werden, sind zudem nicht vorhanden (Bl. 98 d.A.). Auf den jeweiligen Videofilmen wird darüber hinaus festgehalten, wann ein Betroffener die jeweilige Straße mit welchem Verkehrsmittel und ggfs. auch in welcher Begleitung passiert. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sich nur kurzzeitig, wie bei einer auf einen bestimmten, festen Ort gerichteten Kamera, im Aufzeichnungsbereich aufhält, da es der Ehemann der Klägerin selbst in der Hand hat, wie lange er einen Betroffenen aufzeichnet und was er anschließend mit der gespeicherten Aufnahme macht. Sieht der BGH schon eine stationäre, permanente und verdachtslose Überwachung ohne Veröffentlichungswillen als unzulässig an, so kann hier erst recht nichts anderes gelten, da die potentiellen Gefahren für das Persönlichkeitsrecht erhöht sind und überdies eine Veröffentlichungsabsicht vorhanden ist. Zudem liegen die von BGH und BAG angedachten Rechtfertigungskonstellationen nicht vor. Letztlich kann auch dann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten, wenn die Videoaufzeichnungen wieder gelöscht würden, wenn sich keine besonderen Vorkommnisse ereigneten. Denn es kann nicht allein der Klägerin bzw. ihrem Ehemann überlassen bleiben, wie mit derart hergestellten Videoaufnahmen zu verfahren ist (AG München, Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14 -, ZD-Aktuell 2014, 04297; VG Ansbach, a.a.O.). Darin läge eine gravierende Missachtung der Befugnis der Betroffenen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen. Wollte man dies anders sehen und der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könnte, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen. Damit aber würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben (AG München, Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14, ZD-Aktuell 2014, 04297).
18 
(c) Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dashcam verstößt zudem gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1 KunstUrhG.
19 
Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mittels Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist das Anliegen der Klägerin, eine Beweissicherung vorzunehmen, legitim. Wie dargelegt überwiegen jedoch die schutzwürdigen Interessen der Zweitbeklagten, da die dauerhafte Offenbarung privater Daten im vorliegenden Fall nicht freiwillig geschieht.
20 
Nach § 22 S.1 KunstUrhG dürfen Bildnisse ferner nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, soweit nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG die Abgebildeten nicht nur als Beiwerk einer bestimmten Örtlichkeit erscheinen. Die Befugnis nach § 23 Abs. 1 KunstUrhG erstreckt sich gemäß Abs. 2 jedoch nicht auf eine Verbreitung und Zurschaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Wie dargelegt verletzt die gezielte Aufnahme der Betroffenen diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
21 
(3) Bei der danach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensanteile der Unfallbeteiligten erscheint eine Haftungsverteilung von 100 zu 0 zu Lasten der Klägerin gerechtfertigt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begeht, allein für den Unfallschaden haftet, wenn nicht dem anderen Unfallbeteiligten neben dessen Betriebsgefahr weitere die Betriebsgefahr erhöhende Verursachungsbeiträge bzw. ein Verschulden nachgewiesen werden können (BGH NJW 1998, 1137 [1138]; BGH, NJW 1990, 1483 [1484]). Die Betriebsgefahr des anderen tritt in diese Fall zurück. Genau so liegt der Fall aber hier. Da der Ehemann der Klägerin einen gravierenden schuldhaften Vorfahrtsverstoß begangen hat und der Zweitbeklagten kein relevanter Pflichtverstoß anzulasten ist, hat die Betriebsgefahr des Motorrades zurückzutreten. Dies führt zur Alleinhaftung des Ehemannes der Klägerin.
III.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

Für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit dürfen von den Behörden Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung der Berufung unterliegen, findet auf Antrag unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die Revision (Sprungrevision) statt, wenn

1.
der Gegner in die Übergehung der Berufungsinstanz einwilligt und
2.
das Revisionsgericht die Sprungrevision zulässt.
Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision sowie die Erklärung der Einwilligung gelten als Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung.

(2) Die Zulassung ist durch Einreichung eines Schriftsatzes (Zulassungsschrift) bei dem Revisionsgericht zu beantragen. Die §§ 548 bis 550 gelten entsprechend. In dem Antrag müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision (Absatz 4) dargelegt werden. Die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Antragsgegners ist dem Zulassungsantrag beizufügen; sie kann auch von dem Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges oder, wenn der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen gewesen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.

(3) Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Geschäftsstelle des Revisionsgerichts hat, nachdem der Antrag eingereicht ist, unverzüglich von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges die Prozessakten einzufordern.

(4) Die Sprungrevision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Die Sprungrevision kann nicht auf einen Mangel des Verfahrens gestützt werden.

(5) Das Revisionsgericht entscheidet über den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision durch Beschluss. Der Beschluss ist den Parteien zuzustellen.

(6) Wird der Antrag auf Zulassung der Revision abgelehnt, so wird das Urteil rechtskräftig.

(7) Wird die Revision zugelassen, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt der form- und fristgerechte Antrag auf Zulassung als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(8) Das weitere Verfahren bestimmt sich nach den für die Revision geltenden Bestimmungen. § 563 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht erfolgt. Wird gegen die nachfolgende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts Berufung eingelegt, so hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung durch das Revisionsgericht zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.