Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 02. März 2016 - 27 Ca 443/15

bei uns veröffentlicht am02.03.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 796,43 festgesetzt.

4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der Vergütung für Bereitschaftszeiten.

2

Die Beklagte ist ein diakonisches Dienstleistungsunternehmen in der Gesellschaftsform einer gemeinnützigen GmbH, die für Menschen mit Behinderungen Leistungen im ambulanten und stationären Bereich anbietet. Sie gehört zur Evangelischen Stiftung A.

3

Der Kläger ist seit dem 02.04.2012 bei der Beklagten als Heilerziehungspfleger in Teilzeit mit 77,49 % einer Vollzeitkraft beschäftigt, zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrags vom 06.12.2013 (Anlage K 1, Bl. 6 f. d.A.). Eine Vollzeitkraft arbeitet bei der Beklagten 2.020 Jahresstunden. Auf das Arbeitsverhältnis findet nach Ziffer 3 des Arbeitsvertrags der Kirchliche Tarifvertrag Diakonie (KTD) vom 15.08.2002 in der jeweils geltenden Fassung und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen Anwendung. Der monatliche Bruttolohn des Klägers betrug im Jahr 2015 im Januar € 2.045,11 (Grundlohn: € 1.965,92), im Februar € 1.999,63 (Grundlohn: € 1.965,92), im März € 1.999,63 (Grundlohn: € 1.965,92), im April € 2.168,32 (Grundlohn: € 2.089,13), im Mai € 2.122,84 (Grundlohn: € 2.089,13), im Juni € 3.005,95 (Grundlohn: € 2.089,13) und im Juli € 2.089,13 (Grundlohn: € 2.089,13) (Anlage K 2, Bl. 10 ff. d.A.).

4

Der Kläger war gemäß Ziffer 5 seines Arbeitsvertrags in Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Bis einschließlich März 2015 war der Kläger in Stufe 1 eingestuft. Das Stundenentgelt betrug ausgehend von dem tarifvertraglichen Bruttomonatsentgelt € 15,07 in Entgeltgruppe 7, Stufe 1. Ab April 2015 war der Kläger in Stufe 2 eingestuft, wodurch sich sein Stundenentgelt ausgehend von dem tarifvertraglichen Bruttomonatsentgelt auf € 16,02 erhöhte. In der Zeit von Januar bis Juli 2015 wurde der Kläger zu unterschiedlichen Bereitschaftsdiensten im Umfang von 5 bis 20 Stunden pro Monat eingeteilt. Insgesamt absolvierte der Kläger in diesem Zeitraum 93 Stunden Bereitschaftsdienste (Anlage K 2, Bl. 10 ff. d.A.). § 11 Abs. 4 S. 1, 2 KTD sieht folgende Regelung zu Bereitschaftsdiensten vor:

5

„Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern und Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation wird wie folgt faktorisiert:

6

I bei Arbeitsleistungen
innerhalb des Bereitschaftsdienstes von 0 - 30 % mit dem Faktor 0,50

7

II bei Arbeitsleistungen
innerhalb des Bereitschaftsdienstes von > 30 - 49 % mit dem Faktor 0,85

8

Alle übrigen Bereiche werden dem Bereitschaftsdienst der Stufe I und den dazugehörigen Regelungen zugeordnet und der Bereitschaftsdienst wird mit dem Faktor 0,45 faktorisiert.“

9

Bei einem Faktor von 0,45 ergab sich für den Kläger für Bereitschaftszeiten bis einschließlich März 2015 ein tarifvertraglicher Stundenlohn in Höhe von € 6,78 und ab April 2015 in Höhe von € 7,21 gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 KTD.

10

Weiterhin ist in § 14 Abs. 1 KTD zu den Entgeltgrundlagen u.a. geregelt

11

Das Entgelt der Arbeitnehmerin wird nach der Entgeltgruppe und der Entgeltstufe bemessen. Es wird für den Kalendermonat (Entgeltzeitraum) berechnet. (…)

12

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.09.2015, eingegangen bei Gericht am 18.09.2015, und der Beklagten zugestellt am 24.09.2015, Klage erhoben und weitere Vergütung für die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste geltend gemacht.

13

Der Kläger trägt vor, dass er sogar in Arbeitsbereitschaft gearbeitet habe, weil er als Alleinverantwortlicher vor Ort durchgängig darauf habe achten müssen, ob er von sich aus habe tätig werden müssen. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich nicht um Arbeitsbereitschaft, sondern Bereitschaftsdienst handle, verstoße die tarifvertragliche Vergütung für den Bereitschaftsdienst gegen die Regelungen des Mindestlohngesetzes. Die Vergütung einer jeden Zeitstunde hätte bei Arbeitsbereitschaft, aber auch bei Bereitschaftsdiensten gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG mit € 8,50 brutto vereinbart werden müssen. Bezugspunkt sei dabei jede einzelne Arbeitszeitstunde. Zwischen Vollarbeitszeit und Bereitschaftszeit erfolge gerade keine Unterscheidung. Nicht geboten sei eine Durchschnittsbetrachtung über einen Abrechnungszeitraum. Außerdem wäre anderenfalls § 611 BGB nicht eingehalten, weil der eigentlich vereinbarte Stundenlohn für die Vollarbeitszeit bei einer Durchschnittsbetrachtung letztlich doch nicht gezahlt werden würde. Es würde zu einem rückwirkenden Abbau des zunächst erdienten Entgelts kommen. Die tarifliche Regelung sei im Ergebnis unwirksam, sodass der Kläger meint, einen Anspruch auf seine sonstige Stundenvergütung in Höhe von € 15,07 bis einschließlich März und ab April 2015 in Höhe von € 16,02 zu haben. Eine Begrenzung auf den Mindestlohn könne dem MiLoG nicht entnommen werden. Aus der Differenz des gezahlten Bereitschaftsstundenlohns zu seinem sonstigen Stundenlohn ergäben sich die monatlichen Differenzbeträge.

14

Der Kläger beantragt:

15

Die Beklagte wird verurteilt, 796,43 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf € 140,90 seit dem 01.02.2015, auf weitere € 99,46 seit dem 01.03.2015, auf weitere € 124,33 seit dem 01.04.2015, auf weitere € 61,68 seit dem 01.05.2015, auf weitere € 149,79 seit dem 31.05.2015, auf weitere € 176,22 seit dem 01.07.2015 sowie auf den Gesamtbetrag seit dem 01.08.2015 an den Kläger zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte trägt vor, dass es sich um Bereitschaftsdienste gehandelt habe, weil sich die Bewohner der Einrichtung in der Regel selbständig versorgen würden und der Kläger nicht von sich aus aktiv werden müsse. Vielmehr könne er nachts sogar schlafen, bis sich jemand bei ihm melde. Solche Bereitschaftszeiten fielen auch nicht unter den Anwendungsbereich des MiLoG, weil es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG handle. Grund dafür sei, dass die Bereitschaftszeit im Verhältnis zur sonstigen Arbeitszeit eine andere Leistung und somit ein „aliud“ darstelle. Dies ergäbe sich auch aus § 2 Abs. 3 PflegeArbbV, wonach Bereitschaftszeiten arbeitszeitlich geringer bewertet werden können, wenn auch mit mindestens 25 %. Außerdem sei der Kläger jedenfalls nicht mindestlohngesetzwidrig bezahlt worden, weil auf die monatliche Durchschnittsvergütung abzustellen sei. Sinn und Zweck des MiLoG sei, dass ein alleinstehender Vollzeitbeschäftigter bei durchschnittlicher Wochenarbeitszeit ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsgrenzen des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO erlangen könne. Eine gegenteilige Bewertung stünde auch anderen Vergütungsmodellen, wie dem Stücklohn entgegen. Selbst wenn die Bezahlung nicht dem MiLoG entsprechen würde, könne der Kläger nur € 8,50 pro Bereitschaftsarbeitsstunde verlangen, mithin die Differenz seines Stundenlohns zum Mindestlohn. Der Kläger könne jedenfalls nicht seinen sonstigen Stundenlohn in Höhe von € 15,07, bzw. € 16,02 verlangen. Dies folge auch aus § 3 S. 1 MiLoG, wonach Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten, nur „insoweit“ unwirksam seien.

19

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch zu.

I.

21

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Lohnzahlungen für seine geleisteten Bereitschaftsdienste.

22

1. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht darauf stützten, dass er Arbeitsbereitschaft leistet und diese nach dem KTD wie Vollarbeit zu vergüten sei. Bei der Tätigkeit des Klägers handelt es sich im arbeitsrechtlichen Sinne nicht um Arbeitsbereitschaft, sondern Bereitschaftsdienst. Um eine Vergütung für Arbeitsbereitschaft geltend zu machen, müsste der Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass seine Tätigkeit Arbeitsbereitschaft und nicht Bereitschaftsdienst darstellte. Unter Arbeitsbereitschaft sind „Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustande der Entspannung" zu verstehen (BAG v. 30.01.1996 - 3 AZR 1030/94 -, Rn. 16, juris mwN). Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung“ (BAG v. 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12 -, Rn. 16, juris mwN). Der Kläger hat keine Tatsachen substantiiert vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass er Arbeitsbereitschaft leistet. Er hat lediglich pauschal behauptet, dass er in der gesamten Zeit seiner Anwesenheit seine Aufmerksamkeit darauf richten müsse, ob seine Tätigkeit erforderlich sei und von sich aus tätig werden müssen. Dem hat die Beklagte widersprochen. Insbesondere hat die Beklagte vorgetragen, dass der Kläger nicht von sich aus aktiv werden müsse und er nachts auch schlafen könne. Der Kläger müsse nachts keine Rundgänge machen, sondern werde im Bedarfsfall durch die Bewohner geweckt. Seine Behauptung, er müsse von sich aus tätig werden, hat der Kläger hingegen nicht substantiiert.

23

2. Der Anspruch des Klägers auf eine weitere Vergütung folgt nicht aus § 611 BGB. Die Vergütung für die vom Kläger geleisteten Bereitschaftsdienste ergibt sich aus § 11 Abs. 3, 4 KTD. Der Kläger ist nicht mindestlohngesetzwidrig vergütet worden, § 3 S. 1, § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG, sodass ihm keine weitere Vergütung zusteht.

24

a. Dem Kläger kann allerdings nicht entgegen gehalten werden, dass Bereitschaftsdienste bereits nicht von § 1 MiLoG erfasst würden. Ob Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG gilt, ist weder im Gesetz ausdrücklich geregelt noch höchstrichterlich entschieden. Gegen die Einordnung von Bereitschaftszeit als Arbeitszeit wird angeführt, dass ein Stufenverhältnis zur Vollarbeit bestünde, wobei das MiLoG nur „Arbeitsleistung“ und damit keine „Bereitschaftsruhe- oder Bereithaltezeiten“ umfasse (Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970 ff.; Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz 2015, § 1 Rn. 66 ff.). Sinn und Zweck des MiLoG sei es, wie man § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MiLoG entnehmen könne, „erbrachte Arbeitsleistung“ zu vergüten (Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, 972). Diese Auffassung ist insoweit jedoch nicht überzeugend. Sowohl Arbeitsbereitschaft als auch Bereitschaftsdienst sind nach dem MiLoG zu vergüten (Lembke, NZA 2016, 1, 5 f.; Lakies, AuR 2016, 14, 15 f.). Entscheidend für die Anwendbarkeit des MiLoG ist nicht die Intensität der Arbeit, mit welcher der Arbeitgeber den Arbeitnehmer betraut, sondern die Disponibilität der Zeit aus Arbeitnehmersicht. Insoweit ist die Rechtsprechung des BAG zum Mindestentgelt in der Pflegebranche übertragbar. Danach zählt nicht nur jede Tätigkeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (BAG v. 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12 -, Rn. 16, juris mwN; ebenso BAG v. 18.11.2015 - 5 AZR 814/14 -, Rn. 25, juris). Bei der Bereitschaftszeit muss sich der Arbeitnehmer regelmäßig vor Ort aufhalten und ist insoweit eingeschränkt in seiner Lebensgestaltung und hat gerade keine absolute Freizeit. Er kann weder über seine Zeit, den Aufenthaltsort oder seine Arbeitskraft verfügen, sodass es sich nicht nur um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, sondern auch um solche Sinne des MiLoG handelt. Soweit in der Literatur vertreten wird, man könne die Regelungen des ArbZG wegen eines anderen Schutzzweckes nicht auf das MiLoG übertragen, sondern müsse auf das synallagmatische Austauschverhältnis, also Leistung und Gegenleistung, abstellen (Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, 972), ergibt sich für die Bereitschaftszeit kein anderes Ergebnis. Solange sich der Arbeitnehmer infolge des ausgeübten Direktionsrechts des Arbeitgebers für einen vorgegebenen Zeitraum an einem vorgegebenen Ort aufhalten muss und der tatsächliche Arbeitsanfall vom Zufall abhängt, besteht ein synallagmatisches Austauschverhältnis. Im Ergebnis handelt es sich dann um nach dem MiLoG zu vergütende Arbeitszeit. Vom gesetzgeberischen Standpunk (BT-Drs. 18/1558, S. 28) erscheint es zumindest unwahrscheinlich, dass Arbeitnehmer, die ausschließlich oder weit überwiegend in Bereitschaftsdiensten tätig sind, also im Rahmen einer Vollzeitstelle nicht über ihre Zeit als Frei- oder anderweitige Arbeitszeit verfügen können, vom Gesetzeszweck der Sicherung eines pauschaliertes Existenzminimum als Monatseinkommen ausgenommen werden sollen. Soweit darauf abgestellt wird, dass es sich bei dem Bereitschaftsdienst um eine andere Leistung als die eigentlich vertraglich geschuldete handelt, vermag auch dieses Argument nicht zu überzeugen. Für die Anwendung des MiLoG kann es nicht maßgeblich sein, welche Arbeitsleistung erbracht wird, solange diese im Rahmen einer vertraglich geregelten Austauschbeziehung erbracht wird. Entsprechend ist das BAG zu dem Ergebnis gekommen, dass Bereitschaftsdienste dem Mindestlohn der Pflegebranche unterfallen und grundsätzlich geringer vergütet werden können als Vollarbeit, jedoch nur soweit eine gesonderte Vergütungsregelung besteht (BAG v. 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12 -, Rn. 16, juris). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung hat der Gesetzgeber erst mit der „Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche“ vom 27.11.2014 geschaffen. Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält das MiLoG hingegen nicht, sodass kein Unterschied zu machen ist, ob Vollarbeit oder aber Bereitschaftsdienst zu vergüten ist.

25

b. Auch wenn Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG anzusehen sind, war die Klage gleichwohl abzuweisen. Der Kläger wurde im Rahmen der vorliegend gebotenen monatlichen Durchschnittsbetrachtung entsprechend des MiLoG vergütet.

26

Als Bewertungsmaßstab für die Frage der Einhaltung des Mindestlohns ist in der Regel eine monatliche Durchschnittsbetrachtung zum Fälligkeitszeitpunkt und keine Stundenbetrachtung anzustellen (so die überwiegende Meinung in der Literatur: Lembke, NZA 2016, 1, 4; Lakies, AuR 2016, 14, 16; Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, 970; Sittard, NZA 2014, 951, 951; Bayreuther, NZA 2014, 865, 867; BeckOK-Greiner, 38. Edition, § 1 MiLoG Rn. 49 ff.; Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 2015, § 1 Rn. 31; wohl auch ErfK-Franzen, 16. Auflage 2016, § 1 MiLoG Rn. 5, 8; a.A. wohl Schubert/Jerchel/Düwell, Das neue Mindestlohngesetz, 1. Auflage 2014, Teil 2 Rn. 96 ff.). Hierfür sprechen der Wortlaut, der Sinn und Zweck und die Systematik des Mindestlohngesetzes.

27

Ausgangspunkt für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt. Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, ihrem Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte (BGH v. 07.12.2011 - IV ZR 50/11 -, Rn. 14, juris).

28

(1) Dem Wortlaut des MiLoG ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, auf welche Bezugsgröße es für die Bewertung ankommt, ob der Mindestlohn gezahlt worden ist oder nicht. In § 1 Abs. 1 MiLoG ist lediglich die Rede davon, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns hat. Hierin wird keinerlei Regelung dazu getroffen, auf welchen Zeitraum es ankommt. Es ist nicht näher bestimmt, ob das „Arbeitsentgelt“ ein Entgelt für eine Stunde, einen Tag, einen Monat oder ein Jahr meint.

29

§ 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG sieht vor, dass der Mindestlohn ab dem 01.01.2015 € 8,50 brutto je Zeitstunde beträgt. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift damit die Zeitstunde als Berechnungsgrundlage vorgibt, führt dies jedoch nicht zwingend dazu, dass eine rein stundenweise Betrachtung anzustellen ist ohne Berücksichtigung beispielsweise monatsweise zu bestimmender Prämien oder Boni. Andernfalls hätte ein Arbeitnehmer für jeweils 60 Minuten Arbeitsleistung einen Anspruch darauf, den Mindestlohn ausgezahlt bekommen, ohne beispielsweise Tantieme, die von einem erfolgreichen Geschäftsabschluss abhängen, berücksichtigen zu können. Der Arbeitgeber hingegen wäre verpflichtet, den Mindestlohn für jede Arbeitsstunde isoliert betrachtet auszuzahlen. Dies würde jedoch die Flexibilität der Lohngestaltung übermäßig einschränken, ohne dass dies von Sinn und Zweck des MiLoG gefordert wäre. Genauso lässt es sich mit dem Wortlaut vereinbaren, dass am Ende eines Bemessungszeitraums der Arbeitnehmer im Durchschnitt für jede geleistet Zeitstunde den Mindestlohn verdient haben muss. Denn der Wortlaut lässt auch die Auslegung zu, dass unter Berücksichtigung des jeweiligen Abrechnungszeitraums der Arbeitnehmer für jede in dem Zeitraum geleistet Zeitstunde einen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns je Zeitstunde hat. Auch eine solche ex post-Betrachtung führt dazu, dass der Arbeitnehmer den Mindestlohn pro Zeitstunde iSd § 1 Abs. 2 MiLoG erhält.

30

(2) Nach dem Sinn und Zweck des Mindestlohngesetzes ist von einer in der Regel monatlichen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Nach den Gesetzesmaterialien wollte der Gesetzgeber mit der Einführung eines allgemeinen Mindestlohns die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Niedrigstlöhnen schützen, die branchenübergreifend als generell unangemessen anzusehen sind (BT-Drs. 18/1558, S. 28, 34). Dabei ist die Rede davon, dass es alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit mit einem „Arbeitsentgelt von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde“ ermöglicht werden soll, dass ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO erzielt wird (BT-Drs. 18/1558, S. 28). Obwohl auf das Entgelt für die Zeitstunde abgestellt wird, ist das Ziel des Gesetzes, dass ein auf die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeschnittenes pauschaliertes Existenzminimum als Monatseinkommen erreicht wird. Hierfür ist es aber unerheblich, ob einzelne Arbeitsstunden mit weniger als € 8,50 brutto vergütet werden, solange im (Monats-)Durchschnitt dieser Mindeststundenlohn erreicht wird.

31

Dem Bestreben, ein bestimmtes Mindestauskommen zu schaffen, steht die Festlegung eines Mindestlohns nach Zeitstunden in § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG nicht entgegen. Zwar wäre eine gesetzliche Regelung zu einem Mindestbruttomonatslohn noch konkreter auf ein monatliches pauschaliertes Existenzminimum gerichtet gewesen. Gleichwohl ist auch über den Maßstab der Zeitstunde ein Mindestauskommen regelbar. Es erleichtert den Umgang in der Praxis, weil nur eine Einheit festgelegt werden musste. Bei einem Mindestbruttomonatslohn hätte man noch die regelmäßige Stundenzahl bestimmen müssen, um den vollen Anspruch auf den Mindestbruttomonatslohn zu erhalten, mithin also ein branchenunabhängiges Normarbeitsverhältnis definieren müssen. Einem Mindeststundenlohn kommt zudem ein gewisser Grad an Verwaltungsvereinfachung für die Praxis zugute. Auch bei der Anpassung der Höhe durch die Mindestlohnkommission ist eine Verhandlung über einen Stundenlohn einfacher, als über eine Kombination von Bruttomonatslohn und monatlicher Stundenzahl.

32

Ausdrücklich weiterhin zulässig ist nach der Gesetzesbegründung eine Vereinbarung von Stück- und Akkordlöhnen, bei denen gerade kein Zeitlohn vereinbart wird, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird (BT-Drs. 18/1558, S. 34; Lemke, NZA 2016, 1, 4). Entscheidend für die Vereinbarkeit mit dem MiLoG ist auch hier, dass am Ende eines Referenzzeitraums überprüft wird, ob im Durchschnitt der Mindestlohn in Höhe von € 8,50 je Zeitstunde gezahlt worden ist. Entsprechendes muss auch bei Prämien und Tantiemen gelten, deren Vorliegen und Höhe monatsweise bestimmt wird. Demgegenüber würde die ausschließliche Stundenbetrachtung im Zeitpunkt der Leistung der Arbeitsstunde die Gestaltungsspielräume der Vertrags- oder Tarifvertragsparteien einengen, ohne dass dies von Sinn und Zweck des MiLoG, ein bestimmtes Mindestauskommen zu schaffen, erforderlich wäre.

33

Auch Überstundenabgeltungsklauseln sind nach überwiegender Ansicht mit dem MiLoG zu vereinbaren, indem eine Durchschnittsbetrachtung angestellt wird (Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz 2015, § 1 Rn. 30 f., § 3 Rn. 8 f.; Lembke, NZA 2016, 1, 4; anhand eines Beispiels mit wöchentlicher Betrachtungsweise: BeckOK-Hilgenstock, § 3 MiLoG, Rn. 7 ff.; Bayreuther, NZA 2014, 865, 867; Sittard, NZA 2014, 951, 951). Nach der bisherigen ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel zulässig, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (BAG v. 27.06.2012 - 5 AZR 530/11 -, Rn. 16, juris mwN). Dies soll auch für Klauseln gelten, bei denen eine bestimmte Anzahl an Überstunden bereits mit dem Bruttomonatslohn abgegolten sein soll. Maßgeblich ist, dass der Mindestlohn im Abrechnungszeitraum auch unter Berücksichtigung der Überstunden eingehalten ist (vgl. ArbG Hamburg v. 26.02.2014 - 27 Ca 388/13, Rn. 41, juris, mwN). Eine rein stundenweise Betrachtung würde auch hier dazu führen, dass für die bereits pauschal abgegoltenen Überstunden der Mindestlohn nicht gezahlt wird, soweit man das Grundgehalt lediglich auf die reguläre Arbeitszeit bezieht. Würde die Einführung des MiLoG zur Unwirksamkeit von Überstundenabgeltungsklauseln führen, würde auch dies deutlich über das hinausgehen, was der Gesetzgeber mit dem MiLoG regeln bzw. gewährleisten wollte. Soweit im Abrechnungszeitraum das Mindestauskommen gesichert ist, muss nach Sinn und Zweck des MiLoG nicht jede Überstunde einzeln betrachtet mit dem Mindestlohn vergütet werden. Es genügt den Anforderungen des MiLoG, wenn das Entgelt im Abrechnungszeitraum im Durchschnitt den Mindestlohn für jede Arbeits- und Überstunde erreicht.

34

Bei einem nach Monaten vereinbarten Zeitlohn, und keinem reinen Stundenlohn, wird die vereinbarte Bruttomonatsvergütung einschließlich aller berücksichtigungsfähigen Vergütungsbestandteile durch die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit geteilt (LAG Köln v. 15.10.2015 - 8 Sa 540/15 -, juris, nicht rechtskräftig, anhängig BAG, Az: 5 AZR 716/15). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Parteien einen Bruttomonatslohn vereinbart haben oder einen Stundenlohn, der monatlich und bei fester Stundenzahl zur Auszahlung kommt (a.A. wohl ErfK-Franzen, 15. Aufl. 2015, § 1 MiLoG Rn. 8). Ein solches Vergütungsmodell ist regelmäßig aus Transparenz- und Vergleichsgründen vereinbart und nicht, weil nach jeder Arbeitsstunde eine Abrechnung und Auszahlung erfolgen soll. Dies kann aber letztlich offen bleiben, da vorliegend nach § 14 Abs. 1 KTD ein monatliches Entgelt geregelt ist, das für den Kalendermonat (Entgeltzeitraum) berechnet wird, und kein reiner Stundenlohn. Auch für den Bereitschaftsdienst enthält § 11 Abs. 3 KTD lediglich eine Faktorisierung der Arbeitszeit, um den Monatsverdienst zu berechnen, mithin also kein ausdrücklich vereinbartes Stundenentgelt.

35

(3) Aus der systematischen Auslegung des MiLoG ergibt sich ebenfalls, dass eine Durchschnittsbetrachtung für den Abrechnungszeitraum anzustellen ist.

36

Eine Durchschnittsbetrachtung für die Ermittlung des gezahlten Lohns in Höhe von € 8,50 folgt aus dem Zusammenhang mit der Fälligkeitsregel des § 2 Abs. 1 S. 1 MiLoG. Die Auszahlungsmodalitäten ermöglichen eine praktikable und rechtssichere Überprüfung, ob der Mindestlohn gezahlt worden ist. Der Arbeitslohn ist entweder zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit zu zahlen, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MiLoG, oder spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MiLoG. Zu diesen Zeitpunkten wird der Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in der Höhe des Mindestlohns aus § 1 Abs. 1 MiLoG fällig. Erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt insofern die Verknüpfung des Arbeitsentgelts - ggf. unter Berücksichtigung etwaiger anrechenbarer Vergütungsbestandteile - mit den geleisteten Arbeitsstunden und dem Mindestlohn, die einer Überprüfung der Höhe des dann zu zahlenden Arbeitsentgelts zugänglich ist.

37

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl nach Sinn und Zweck des MiLoG als auch nach der Systematik der vertraglich geregelte Fälligkeitszeitraum - hilfsweise der des § 2 Abs. 1 S. 1 MiLoG - maßgeblich für die Bestimmung ist, was unter „Mindestlohn“ iSd § 1 Abs. 1 MiLoG zu verstehen ist. Maßgeblich ist, dementsprechend, ob für den Abrechnungszeitraum im Durchschnitt mindestens der in § 1 Abs. 2 MiLoG geregelte Lohn pro Zeitstunde gezahlt wird. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 KTD wird das Entgelt für den Kalendermonat (Entgeltzeitraum) berechnet. Dementsprechend ist die Bezugsgröße zur Bestimmung des Mindestlohns vorliegend auch der Kalendermonat. Dieses Verständnis von § 1 MiLoG führt - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht dazu, dass ihm am Ende des Monats „etwas weggenommen“ wird, was er bereits erarbeitet hat, da er weiterhin das nach § 14 Abs. 1 KTD zu bestimmende Monatsentgelt erhält.

38

(4) Im Rahmen der Durchschnittsbetrachtung des nach § 14 Abs. 3 KTD am letzten Werktag eines Monats fälligen Entgelts ist der Kläger nicht mindestlohngesetzwidrig vergütet worden. Die jährliche Arbeitszeit des Klägers betrug 1.565 Stunden (77,49 % einer Vollzeitkraft, die 2.020 Jahresstunden arbeitet) und somit im Schnitt 133,44 monatliche Arbeitsstunden (vgl. § 14 Abs. 4 KTD). Bei monatlich 133,44 Arbeitsstunden muss der Kläger bei einem zurzeit geltenden Mindestlohn in Höhe von € 8,50 mindestens € 1.108,75 brutto im Monat verdienen. Der Kläger verdiente in dem geltend gemachten Zeitraum vom Januar bis Juli 2015 mehr als € 1.108,75, nämlich monatlich zwischen € 1.999,63 und € 3.005,95. Auch unter Berücksichtigung der geleisteten Bereitschaftsstunden pro Monat - diese betrugen zwischen fünf und zwanzig Stunden - hat der Kläger im jeweiligen monatlichen Durchschnitt deutlich mehr als € 8,50 brutto pro Stunde verdient, wobei der Kläger nicht geltend gemacht hat, dass hierbei Nacht- und Feiertagszuschläge angerechnet wurden, die nicht auf den Mindestlohn anzurechnen sind (vgl. BAG v. 16.04.2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 39, juris). Mithin stehen dem Kläger für die Bereitschaftsdienste keine weiteren Vergütungsansprüche zu.

II.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

40

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3, 5 ZPO.

41

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen war die Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die für die Entscheidung maßgebliche Frage, welcher Betrachtungszeitraum der Bestimmung des Mindestlohns gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 MiLoG zugrunde zulegen ist, für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen unter Anwendung des KTD von Bedeutung ist.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313 Form und Inhalt des Urteils


(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 4 Ruhepausen


Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nac

Mindestlohngesetz - MiLoG | § 1 Mindestlohn


(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. (2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Di

Mindestlohngesetz - MiLoG | § 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns


Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch

Mindestlohngesetz - MiLoG | § 2 Fälligkeit des Mindestlohns


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn1.zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,2.spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbei

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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 15. Okt. 2015 - 8 Sa 540/15

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(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

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(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2012 - 4 Sa 48/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung und dabei insbesondere darüber, ob das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 (BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571) auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

2

Die 1954 geborene Klägerin war vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 2010 bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. Arbeitsort war das Haus der Katholischen Schwesternschaft V e.V. in S.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2010 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Der Arbeitnehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflegehelferin für die Rudu Pflege und Betreuung an der Pflegestelle VS für Sr. E, Sr. U und Sr. C unbefristet eingestellt.

        

Er ist nach jeweiliger näherer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet, Pflege- und sonstige Dienstleistungen für die pflegebedürftigen Personen zu erbringen. Die Dienstleistungen erfolgen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.

        

…       

        

§ 3

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält ein Festlohn von € 1.685,85 brutto monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen)

        

2.    

Es ist wird eine Arbeitszeit von 204 Rudu - Einsätzen abzüglich der 24 Urlaubstage sind 180 Rudu-Einsätzen / Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart.

        

3.    

Der Arbeitnehmer ist jedoch auf Anweisung der Arbeitgebers verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten.

        

4.    

Rudu wird berechnet nach Pflegemodulen / Pflegezeiten dabei wird der Mindeslohn anzuwenden, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bereitschaft und Anwesenheit gesondert Ruhezeiten und Pausen werden nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)

        

Fahrtzeiten und Fahrtkosten werden nicht vergütet.

        

…“    

4

Die Klägerin leistete im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 Rund- um-die-Uhr-Dienste vom 6. August, 21:00 Uhr, bis zum 20. August, 12:00 Uhr, vom 2. September, 21:00 Uhr, bis zum 16. September, 12:00 Uhr, und vom 30. September, 21:00 Uhr, bis zum 15. Oktober, 12:00 Uhr. Dabei bewohnte sie im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Von diesen leiden Sr. E und Sr. U an Demenz und sind an den Rollstuhl gebunden. Sr. C kam am 15. August 2010 ins Krankenhaus und verstarb dort. Neben Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie zB Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Geschirr spülen, Wechseln und Waschen von Wäsche). Täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr nahmen die Pflegebedürftigen am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft, von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

5

Mit der am 19. November 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, während der Rund-um-die-Uhr-Dienste durchgehend gearbeitet zu haben. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei zudem nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst zu zahlen.

6

Die Klägerin hat zuletzt - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.198,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 670,53 Euro seit dem 16. September 2010, aus 696,03 Euro seit dem 16. Oktober 2010 und aus 832,03 Euro seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin habe nicht rund um die Uhr gearbeitet, sondern arbeitstäglich mindestens vier Stunden Pause nehmen können. Sie habe in der Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr allenfalls Rufbereitschaft gehabt und nachts schlafen können. Zudem sei Bereitschaftsdienst nicht mit dem Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV zu entlohnen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur weiteren Vergütungszahlung nebst Zinsen verurteilt. Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet. Das folgt aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV.

10

I. Streitgegenständlich ist in der Revisionsinstanz aufgrund der beschränkten Revisionseinlegung der Beklagten und mangels Anschlussrevision der Klägerin die Differenzvergütung, die sich aus der Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung und dem Mindestentgelt von - im Streitzeitraum - 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV ergeben kann. Das sind auf der Basis von 22 Arbeitsstunden je Arbeitstag - rechnerisch unstreitig - für den Monat August 2010 670,53 Euro brutto, für den Monat September 2010 696,03 Euro brutto und für den Monat Oktober 2010 832,03 Euro brutto.

11

II. Die Klägerin hat Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Das ergibt die Auslegung der Norm, die die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede in der Entgelthöhe korrigiert.

12

1. Die PflegeArbbV ist wirksam (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 17 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit entsprechender Verordnungen siehe auch BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 17 ff.). Das stellt die Beklagte nicht in Frage. Für eine (erneute) Prüfung der Wirksamkeit der PflegeArbbV besteht von Amts wegen kein Anlass (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 21 f.).

13

2. Der Geltungsbereich der PflegeArbbV ist eröffnet. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Landesarbeitsgericht hat zudem festgestellt, dass die Beklagte einen Pflegebetrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PflegeArbbV betreibt und die Klägerin mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Pflege und Betreuung der Schwestern E, U und C überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI erbrachte, § 1 Abs. 3 Satz 1 PflegeArbbV.

14

3. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist „je Stunde“ festgelegt. Damit knüpft die Norm - entsprechend den Gepflogenheiten der Tarifpartner und auch vieler Arbeitsvertragsparteien, als Entgelt einen bestimmten Euro-Betrag in Relation zu einer bestimmten Zeiteinheit (zumeist Stunde oder Monat, bisweilen auch Tag, Woche, Jahr) bzw. dem Umfang der in einer bestimmten Zeiteinheit zu leistenden Arbeit festzusetzen - an die „vergütungspflichtige Arbeitszeit“ an. Dieser Begriff hat zwar insofern eine gewisse Unschärfe, als die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB allein für die „Leistung der versprochenen Dienste“ besteht und damit unabhängig ist von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 143, 107). Er hat sich aber zur Unterscheidung von Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne, zeitlichem Umfang der zu vergütenden Arbeit und Arbeitszeit im Sinne der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes eingebürgert (vgl. Wank RdA 2014, 285). Die Anknüpfung des Mindestlohns an die vergütungspflichtige Arbeitszeit bestätigt § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV, der die Fälligkeit des Mindestentgelts „für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit“ regelt.

15

4. Damit ist das Mindestentgelt in der Pflegebranche zu zahlen für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bzw. - präziser - für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt oder, was im Streitfall nicht erheblich ist, aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist. § 2 PflegeArbbV stellt weder auf die Art der Tätigkeit(§ 11 Abs. 1 iVm. § 5 Nr. 1 AEntG), noch auf die Intensität der Arbeit (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst) ab. Ist der Anwendungsbereich der PflegeArbbV eröffnet, weil der Arbeitnehmer in einem Pflegebetrieb überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI zu erbringen hat, muss deshalb das Mindestentgelt auch für die nicht pflegerischen (Zusammenhangs-)Tätigkeiten (wie zB im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) und für alle Formen von Arbeit gezahlt werden.

16

Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG (zur gesetzeshistorischen Entwicklung aufgrund von Vorgaben des Unionsrechts, vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 42, BAGE 119, 41), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, BAGE 137, 366). Diese Voraussetzung ist bei der Arbeitsbereitschaft, die gemeinhin umschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung (vgl. ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 21), und dem Bereitschaftsdienst gegeben. In beiden Fällen muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung“ (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 19; vgl. zum Ganzen auch: Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 33 ff.; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 ff., jeweils mwN). Zwar kann für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366). Von dieser Möglichkeit hat aber der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege weder in § 2 noch in den übrigen Bestimmungen der PflegeArbbV Gebrauch gemacht. Deshalb ist es unerheblich, ob arbeitsvertraglich für den Bereitschaftsdienst eine geringere Vergütung vereinbart werden sollte. In einer solchen Auslegung wäre der - sprachlich gänzlich missglückte - § 3 Nr. 4 Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam, § 134 BGB.

17

5. Danach schuldet die Beklagte jedenfalls für die vom Landesarbeitsgericht angesetzten 22 Stunden pro Arbeitstag das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV. Denn die Klägerin musste sich, so sie keine Vollarbeit leistete, auch nach dem Vorbringen der Beklagten rund um die Uhr bei oder jedenfalls in der Nähe der zu pflegenden Schwestern aufhalten, um bei Bedarf tätig werden zu können. Sie durfte die in § 1 Arbeitsvertrag bezeichnete Pflegestelle nicht verlassen. Ob die Klägerin in der Zeit von 11:45 bis 12:45 Uhr und 17:50 bis 18:50 Uhr tatsächlich Pausen im Rechtssinne hatte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die diesbezügliche Wertung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen.

18

Soweit die Beklagte die Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr als Rufbereitschaft bewertet wissen will, verkennt sie, dass eine solche nicht schon dann vorliegt, wenn die Arbeit nur „auf Zuruf“ (hier: der Pflegebedürftigen) aufgenommen werden muss. Rufbereitschaft setzt - in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst - vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern - unter freier Wahl des Aufenthaltsorts - lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können (EuGH 3. Oktober 2000 - C-303/98 - [Simap] Rn. 50, Slg. 2000, I-07963; BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 41, BAGE 119, 41; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 48 ff.; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 28 ff., jeweils mwN). Dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, des Nachts die in § 1 Arbeitsvertrag genannte Pflegestelle zu verlassen und eigenen Interessen nachzugehen, hat die Beklagte nicht behauptet. Ob die Klägerin, wie die Beklagte vorbringt, nachts (durch-)schlafen konnte, ist für die Einordnung als Bereitschaftsdienst ohne Belang.

19

Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr („Mittagsruhe“ der zu pflegenden Schwestern) unter Übergehen von - in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierten - Beweisangeboten zu Unrecht nicht als Pause bewertet, greift nicht durch. Nach § 4 ArbZG sind - nicht zur Arbeitszeit zählende und nicht nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütende - Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann(BAG 23. September 1992 - 4 AZR 562/91 - zu I 2 der Gründe; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 9; ErfK/Wank 15. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 1; Schliemann 2. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 6, jeweils mwN). Unstreitig musste die Klägerin aber auch während der „Mittagsruhe“ an der Pflegestelle anwesend sein, um bei Bedarf jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können.

20

6. Die Anzahl der im Streitzeitraum geleisteten Dienste ist unstreitig. Auch im Übrigen hat die Revision die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Höhe der Differenzvergütung in rechnerischer Hinsicht nicht angegriffen.

21

III. Zinsen auf die Differenzvergütung stehen der Klägerin jeweils ab dem 16. des Folgemonats zu, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV.

22

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Rainer Rehwald    

        

    Dirk Pollert    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2012 - 4 Sa 48/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung und dabei insbesondere darüber, ob das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 (BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571) auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

2

Die 1954 geborene Klägerin war vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 2010 bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. Arbeitsort war das Haus der Katholischen Schwesternschaft V e.V. in S.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2010 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Der Arbeitnehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflegehelferin für die Rudu Pflege und Betreuung an der Pflegestelle VS für Sr. E, Sr. U und Sr. C unbefristet eingestellt.

        

Er ist nach jeweiliger näherer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet, Pflege- und sonstige Dienstleistungen für die pflegebedürftigen Personen zu erbringen. Die Dienstleistungen erfolgen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.

        

…       

        

§ 3

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält ein Festlohn von € 1.685,85 brutto monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen)

        

2.    

Es ist wird eine Arbeitszeit von 204 Rudu - Einsätzen abzüglich der 24 Urlaubstage sind 180 Rudu-Einsätzen / Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart.

        

3.    

Der Arbeitnehmer ist jedoch auf Anweisung der Arbeitgebers verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten.

        

4.    

Rudu wird berechnet nach Pflegemodulen / Pflegezeiten dabei wird der Mindeslohn anzuwenden, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bereitschaft und Anwesenheit gesondert Ruhezeiten und Pausen werden nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)

        

Fahrtzeiten und Fahrtkosten werden nicht vergütet.

        

…“    

4

Die Klägerin leistete im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 Rund- um-die-Uhr-Dienste vom 6. August, 21:00 Uhr, bis zum 20. August, 12:00 Uhr, vom 2. September, 21:00 Uhr, bis zum 16. September, 12:00 Uhr, und vom 30. September, 21:00 Uhr, bis zum 15. Oktober, 12:00 Uhr. Dabei bewohnte sie im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Von diesen leiden Sr. E und Sr. U an Demenz und sind an den Rollstuhl gebunden. Sr. C kam am 15. August 2010 ins Krankenhaus und verstarb dort. Neben Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie zB Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Geschirr spülen, Wechseln und Waschen von Wäsche). Täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr nahmen die Pflegebedürftigen am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft, von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

5

Mit der am 19. November 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, während der Rund-um-die-Uhr-Dienste durchgehend gearbeitet zu haben. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei zudem nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst zu zahlen.

6

Die Klägerin hat zuletzt - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.198,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 670,53 Euro seit dem 16. September 2010, aus 696,03 Euro seit dem 16. Oktober 2010 und aus 832,03 Euro seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin habe nicht rund um die Uhr gearbeitet, sondern arbeitstäglich mindestens vier Stunden Pause nehmen können. Sie habe in der Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr allenfalls Rufbereitschaft gehabt und nachts schlafen können. Zudem sei Bereitschaftsdienst nicht mit dem Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV zu entlohnen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur weiteren Vergütungszahlung nebst Zinsen verurteilt. Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet. Das folgt aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV.

10

I. Streitgegenständlich ist in der Revisionsinstanz aufgrund der beschränkten Revisionseinlegung der Beklagten und mangels Anschlussrevision der Klägerin die Differenzvergütung, die sich aus der Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung und dem Mindestentgelt von - im Streitzeitraum - 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV ergeben kann. Das sind auf der Basis von 22 Arbeitsstunden je Arbeitstag - rechnerisch unstreitig - für den Monat August 2010 670,53 Euro brutto, für den Monat September 2010 696,03 Euro brutto und für den Monat Oktober 2010 832,03 Euro brutto.

11

II. Die Klägerin hat Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Das ergibt die Auslegung der Norm, die die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede in der Entgelthöhe korrigiert.

12

1. Die PflegeArbbV ist wirksam (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 17 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit entsprechender Verordnungen siehe auch BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 17 ff.). Das stellt die Beklagte nicht in Frage. Für eine (erneute) Prüfung der Wirksamkeit der PflegeArbbV besteht von Amts wegen kein Anlass (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 21 f.).

13

2. Der Geltungsbereich der PflegeArbbV ist eröffnet. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Landesarbeitsgericht hat zudem festgestellt, dass die Beklagte einen Pflegebetrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PflegeArbbV betreibt und die Klägerin mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Pflege und Betreuung der Schwestern E, U und C überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI erbrachte, § 1 Abs. 3 Satz 1 PflegeArbbV.

14

3. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist „je Stunde“ festgelegt. Damit knüpft die Norm - entsprechend den Gepflogenheiten der Tarifpartner und auch vieler Arbeitsvertragsparteien, als Entgelt einen bestimmten Euro-Betrag in Relation zu einer bestimmten Zeiteinheit (zumeist Stunde oder Monat, bisweilen auch Tag, Woche, Jahr) bzw. dem Umfang der in einer bestimmten Zeiteinheit zu leistenden Arbeit festzusetzen - an die „vergütungspflichtige Arbeitszeit“ an. Dieser Begriff hat zwar insofern eine gewisse Unschärfe, als die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB allein für die „Leistung der versprochenen Dienste“ besteht und damit unabhängig ist von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 143, 107). Er hat sich aber zur Unterscheidung von Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne, zeitlichem Umfang der zu vergütenden Arbeit und Arbeitszeit im Sinne der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes eingebürgert (vgl. Wank RdA 2014, 285). Die Anknüpfung des Mindestlohns an die vergütungspflichtige Arbeitszeit bestätigt § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV, der die Fälligkeit des Mindestentgelts „für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit“ regelt.

15

4. Damit ist das Mindestentgelt in der Pflegebranche zu zahlen für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bzw. - präziser - für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt oder, was im Streitfall nicht erheblich ist, aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist. § 2 PflegeArbbV stellt weder auf die Art der Tätigkeit(§ 11 Abs. 1 iVm. § 5 Nr. 1 AEntG), noch auf die Intensität der Arbeit (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst) ab. Ist der Anwendungsbereich der PflegeArbbV eröffnet, weil der Arbeitnehmer in einem Pflegebetrieb überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI zu erbringen hat, muss deshalb das Mindestentgelt auch für die nicht pflegerischen (Zusammenhangs-)Tätigkeiten (wie zB im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) und für alle Formen von Arbeit gezahlt werden.

16

Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG (zur gesetzeshistorischen Entwicklung aufgrund von Vorgaben des Unionsrechts, vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 42, BAGE 119, 41), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, BAGE 137, 366). Diese Voraussetzung ist bei der Arbeitsbereitschaft, die gemeinhin umschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung (vgl. ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 21), und dem Bereitschaftsdienst gegeben. In beiden Fällen muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung“ (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 19; vgl. zum Ganzen auch: Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 33 ff.; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 ff., jeweils mwN). Zwar kann für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366). Von dieser Möglichkeit hat aber der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege weder in § 2 noch in den übrigen Bestimmungen der PflegeArbbV Gebrauch gemacht. Deshalb ist es unerheblich, ob arbeitsvertraglich für den Bereitschaftsdienst eine geringere Vergütung vereinbart werden sollte. In einer solchen Auslegung wäre der - sprachlich gänzlich missglückte - § 3 Nr. 4 Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam, § 134 BGB.

17

5. Danach schuldet die Beklagte jedenfalls für die vom Landesarbeitsgericht angesetzten 22 Stunden pro Arbeitstag das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV. Denn die Klägerin musste sich, so sie keine Vollarbeit leistete, auch nach dem Vorbringen der Beklagten rund um die Uhr bei oder jedenfalls in der Nähe der zu pflegenden Schwestern aufhalten, um bei Bedarf tätig werden zu können. Sie durfte die in § 1 Arbeitsvertrag bezeichnete Pflegestelle nicht verlassen. Ob die Klägerin in der Zeit von 11:45 bis 12:45 Uhr und 17:50 bis 18:50 Uhr tatsächlich Pausen im Rechtssinne hatte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die diesbezügliche Wertung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen.

18

Soweit die Beklagte die Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr als Rufbereitschaft bewertet wissen will, verkennt sie, dass eine solche nicht schon dann vorliegt, wenn die Arbeit nur „auf Zuruf“ (hier: der Pflegebedürftigen) aufgenommen werden muss. Rufbereitschaft setzt - in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst - vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern - unter freier Wahl des Aufenthaltsorts - lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können (EuGH 3. Oktober 2000 - C-303/98 - [Simap] Rn. 50, Slg. 2000, I-07963; BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 41, BAGE 119, 41; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 48 ff.; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 28 ff., jeweils mwN). Dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, des Nachts die in § 1 Arbeitsvertrag genannte Pflegestelle zu verlassen und eigenen Interessen nachzugehen, hat die Beklagte nicht behauptet. Ob die Klägerin, wie die Beklagte vorbringt, nachts (durch-)schlafen konnte, ist für die Einordnung als Bereitschaftsdienst ohne Belang.

19

Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr („Mittagsruhe“ der zu pflegenden Schwestern) unter Übergehen von - in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierten - Beweisangeboten zu Unrecht nicht als Pause bewertet, greift nicht durch. Nach § 4 ArbZG sind - nicht zur Arbeitszeit zählende und nicht nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütende - Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann(BAG 23. September 1992 - 4 AZR 562/91 - zu I 2 der Gründe; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 9; ErfK/Wank 15. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 1; Schliemann 2. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 6, jeweils mwN). Unstreitig musste die Klägerin aber auch während der „Mittagsruhe“ an der Pflegestelle anwesend sein, um bei Bedarf jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können.

20

6. Die Anzahl der im Streitzeitraum geleisteten Dienste ist unstreitig. Auch im Übrigen hat die Revision die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Höhe der Differenzvergütung in rechnerischer Hinsicht nicht angegriffen.

21

III. Zinsen auf die Differenzvergütung stehen der Klägerin jeweils ab dem 16. des Folgemonats zu, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV.

22

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Rainer Rehwald    

        

    Dirk Pollert    

                 

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. August 2014 - 8 Sa 764/13 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen aufgehoben, soweit es die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin mehr als 3.765,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 369,00 Euro seit dem 3. November 2012 sowie aus 3.396,12 Euro seit dem 20. November 2012 zu zahlen.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25. April 2013 - 3 Ca 2940/12 - zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 44 % und die Beklagte zu 56 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 34 % und die Beklagte 66 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung und Urlaubsabgeltung.

2

Die Klägerin war vom 10. Februar bis zum 31. Oktober 2012 bei der Beklagten als Busbegleiterin beschäftigt. Sie hatte vormittags gemeinsam mit der Busfahrerin geistig und körperlich behinderte Schüler an verschiedenen Zustiegspunkten abzuholen, zur T-Schule in E zu bringen und nachmittags von dort wieder abzuholen und zurück nach Hause zu begleiten. Dabei wurde sie selbst für beide Touren von zu Hause abgeholt und dorthin zurückgebracht.

3

Die Beklagte ist Mitglied des Verbands nordrhein-westfälischer Omnibusunternehmen e. V., dem im Streitzeitraum 450 der 718 privaten Omnibusunternehmen im Land Nordrhein-Westfalen angehörten.

4

Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zunächst nicht geschlossen. Die Klägerin erhielt bei Einstellung den Hinweis, die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen fänden in ihrer jeweils letzten Fassung Anwendung. Die Beklagte vergütete die Tätigkeit mit jeweils 7,50 Euro pro Tour. Zahlungen wurden nur für erbrachte Arbeit geleistet. Entgeltfortzahlung für Feiertage oder bei Arbeitsunfähigkeit erhielt die Klägerin ebenso wenig wie bezahlten Erholungsurlaub.

5

Am 18. Juli 2012 schlossen die Parteien folgende schriftliche Vereinbarung:

        

„Hiermit vereinbaren die … Vertragsparteien einvernehmlich, dass das bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 21.08.12 ordentlich abgerechnet wurde.

        

Sämtliche beiderseitigen Forderungen sind bis zum oben genannten Zeitpunkt abgegolten, sein sie bekannt oder unbekannt genannt oder unbenannt.“

6

Ebenfalls am 18. Juli 2012 wurde ein schriftlicher Formulararbeitsvertrag geschlossen, der ua. regelt:

        

„1.     

Tätigkeitsbereich, … Arbeitszeit

                 

…       

        
                 

c)    

Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit beträgt ca. 20,5 Wochenstunden. Soweit die Schliesszeiten- Ferien- der Schulen und oder Werkstätten den zustehenden Jahresurlaub überschreiten, ruht während der Zeit das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Diese Zeit gilt als unbezahlte Freizeit und wird nicht vergütet. …

                 

…       

        
        

2.    

Arbeitsort

                 

Der Einsatz beginnt am Betriebssitz …, oder an der vom Arbeitgeber bekanntgegebenen Einsatzstelle.

        

…       

        
        

5.    

Tätigkeitsbeginn

                 

Das Arbeitsverhältnis beginnt am: 22.08.12

        

…       

        
        

8.    

Tätigkeitsvergütung

                 

A       

Eine Vergütung erfolgt nach gefahrenen Touren bzw. nach Einsatzplan. Die Zeiten zwischen den jeweils angewiesenen Touren sind Freizeiten und werden nicht vergütet. …

                          

Der Arbeitnehmer erhält … entsprechend dem Umfang seiner Tätigkeit einen anteiligen Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen jährlich. ...

                          

Der Stundenlohn beträgt brutto 9,00 Euro.

        

…       

                 
        

13.     

Kollektivregelungen

                 

Das Arbeitsverhältnis unterliegt im Übrigen den … Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen NWO in ihrer jeweils letzten Fassung.

                 

Ansprüche aus Mehrarbeit … sowie alle übrigen Ansprüche sind spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. ...“

7

Der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2011 idF vom 1. Dezember 2011 (im Folgenden Lohntarifvertrag) bestimmt ua.:

        

㤠1

        
        

Geltungsbereich

        
        

Dieser Lohntarifvertrag gilt:

        
        

räumlich: für das Land Nordrhein-Westfalen,

        
        

fachlich:

für     

                 

a)    

alle Betriebe des privaten Kraftomnibusgewerbes,

                 
                 

…       

                          
        

persönlich:

        

für alle in diesen Betrieben tätigen gewerblichen Arbeitnehmer mit Ausnahme derjenigen, die in dieser Tätigkeit weniger als 15 Wochenarbeitsstunden beschäftigt sind.

                 
        

…       

                                   
        

§ 3

        
        

Lohngruppeneinteilung

        
        

Die Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Lohntarifvertrages fallen, werden wie folgt eingruppiert:

        
        

1.    

Werkstattbereich

        
                 

…       

        
        

2.    

Fahrdienst

        
                 

Lohngruppe 1

        
                 

Ungelernte Arbeiter

        
                 

…       

        
        

§ 4

        
        

Entlohnung

        
        

(1)     

Die Löhne betragen je Stunde im

                 

…       

        
                 

II.     

Fahrdienst in

                          

ab 01.10.2011

        
                 

Lohngruppe 1

€ 9,76

        
                 

...     

...“   

        
8

Im September 2012 begleitete die Klägerin an 20 Arbeitstagen die beiden Touren. In der ersten Oktoberwoche arbeitete sie an vier Tagen; Mittwoch, der 3. Oktober 2012, war ein gesetzlicher Feiertag. In den Herbstferien vom 8. bis zum 12. Oktober 2012 wurde die Klägerin nicht eingesetzt. Ab dem 15. Oktober 2012 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin arbeitsunfähig krank.

9

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2012. Später erklärte die Beklagte die Rücknahme der Kündigung. Die Klägerin war zu einer einvernehmlichen Fortsetzung nicht bereit.

10

Die Klägerin hat Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und Zahlung weiterer Vergütung erhoben. Später hat sie die Klage um einen Auflösungsantrag erweitert. In der Berufungsinstanz hat sie darüber hinaus Urlaubsabgeltung gefordert.

11

Die Klägerin meint, die Beklagte schulde weitere Vergütung. Der gezahlte Lohn sei sittenwidrig. Die tägliche Arbeitszeit habe insgesamt 4,42 Stunden betragen. Zum rechtzeitigen Erreichen der Abholorte hätten gewisse Zeitpuffer berücksichtigt werden müssen. An der Schule habe es wegen der Abfertigung der parallel ankommenden bzw. abfahrenden Busse Standzeiten gegeben. Auch Leerfahrten ohne Schüler seien zu vergütende Arbeitszeit. Dem gezahlten Stundenlohn von ca. 4,00 Euro stünde der Tarifstundenlohn von 9,76 Euro brutto gegenüber. Vergütung schulde die Beklagte auch für die Ferien. Eine Vereinbarung über ein Ruhen der Hauptleistungspflichten sei nicht getroffen worden. Ein Angebot der Arbeitsleistung sei entbehrlich gewesen. Urlaubsabgeltung werde geschuldet, weil kein bezahlter Erholungsurlaub gewährt worden sei.

12

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Relevanz - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.342,02 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2012 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 369,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2012 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, als Arbeitszeit sei nur die Fahrtzeit mit Schülern zur Schule und mit diesen zurück zu vergüten, also ca. eine Stunde pro Tour. Die Klägerin werde nur aus Gefälligkeit abgeholt. Die bis 21. August 2012 gezahlte Vergütung entspreche dem Branchenüblichen. Auch ab 22. August 2012 bestünden keine weiteren Vergütungsansprüche. Die im Arbeitsvertrag genannte Wochenstundenzahl habe die maximale Arbeitszeit darstellen sollen. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit sei mangels Vergleichbarkeit von Brutto- und Nettozahlung ein Aufschlag von 25 % einzurechnen. Während der Schulschließzeiten sei zumindest ein wörtliches Angebot der Klägerin erforderlich gewesen. Schließlich sei zu beachten, dass es sich um sog. freigestellten Verkehr handele, der keiner Tarifbindung unterliege. Wenn überhaupt, sei der Referenzwert für die Sittenwidrigkeit aus dem Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen für freigestellten Verkehr herzuleiten.

14

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 800,00 Euro brutto aufgelöst. Für die Zeit August bis Oktober 2012 hat es Vergütung iHv. 1.359,90 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 4.351,12 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Anschlussberufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit sie zur Zahlung von insgesamt 5.711,02 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht überwiegend stattgegeben. Der Klägerin steht weitere Vergütung und Urlaubsabgeltung iHv. 3.765,12 Euro brutto nebst Zinsen zu. Hinsichtlich des überschießenden Betrags iHv. 1.945,90 Euro nebst Zinsen ist die Klage unbegründet.

16

I. Die Revision ist nicht bereits wegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 547 Nr. 3 ZPO begründet. Nach § 557 Abs. 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen, zu denen die nach § 49 Abs. 3 ArbGG unanfechtbare Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gehört. Deshalb ist eine Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen einer Revision gegen die unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters getroffene Entscheidung in der Hauptsache ausgeschlossen (BAG 20. Januar 2009 - 1 ABR 78/07 - Rn. 20).

17

II. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden dürfen. Bei der Gewährung der Wiedereinsetzung handelt es sich um eine dem Endurteil vorausgegangene unanfechtbare Entscheidung, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 525 Satz 1, § 238 Abs. 3 ZPO. Soweit die Revision diese angreift und eine Verletzung des § 233 ZPO rügt, kann sie damit nicht gehört werden(BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 284/83 - zu I der Gründe).

18

III. Die Revision ist teilweise begründet, soweit die Klägerin weitere Vergütung für die Zeit 10. Februar bis 31. Juli 2012 fordert.

19

1. Der Vergütungsanspruch für diesen Zeitraum folgt für die Tage, an denen die Klägerin gearbeitet hat, aus § 611 Abs. 1 iVm. § 612 Abs. 2 BGB und für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG, denn die für diesen Zeitraum vereinbarte Vergütung ist sittenwidrig.

20

a) Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis. Ein wucherähnliches Geschäft liegt nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten. Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 BGB, schuldet der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung(BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 9, BAGE 130, 338). Bei arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarungen kommt es auf den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum an (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 10, aaO).

21

Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Das Missverhältnis ist auffällig, wenn es einem Kundigen, ggf. nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Erreicht die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts, liegt eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedarf. Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat, bleibt (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 27 mwN). Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 32, BAGE 141, 348).

22

b) Die Klägerin erhielt für jede gefahrene Tour eine Pauschale von 7,50 Euro, dh. pro Arbeitstag 15,00 Euro. Nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts betrug die vergütungspflichtige Arbeitszeit der Klägerin 4,42 Stunden täglich.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat die vergütungspflichtige Arbeitszeit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt.

24

bb) Hierzu hat es als vertragliche Vereinbarung der Parteien festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Busbegleiterin jeweils an ihrer Wohnung mit dem Bus abgeholt bzw. dorthin zurückgebracht werde. Diese Vereinbarung schloss den Umfang der zu vergütenden Arbeitszeit mit ein.

25

(1) § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste“, also an jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107; 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 22). Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist dabei nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinn ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause noch Freizeit hat (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21, BAGE 137, 366).

26

(2) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin während der als Beifahrerin verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihr geschuldete Tätigkeit als Busbegleiterin erbracht. Sie musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung an ihrem Arbeitsplatz, dem Bus, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung ihrer Zeit bestimmen (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21). Von der Einordnung als vergütungspflichtige Arbeitszeit werden dabei sowohl die sog. Leerfahrten, dh. die Fahrten vormittags von der Schule zurück und nachmittags zur Schule hin, wie auch die Standzeiten des Busses an der Schule und schließlich die sog. Pufferzeiten, dh. die Zeiten, die die Busfahrerin zum rechtzeitigen Erscheinen beim ersten Kind bzw. nachmittags an der Schule im Hinblick auf das zu berücksichtigende Verkehrsaufkommen einplante, umfasst.

27

cc) Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit hat die Beklagte keine durchgreifenden Revisionsrügen erhoben. Somit ist der Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO an diese gebunden.

28

(1) Soweit die Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe Vortrag und Beweisangebote übergangen, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil nicht im Einzelnen dargetan worden ist, welches wesentliche und entscheidungserhebliche Vorbringen das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung übergangen haben bzw. zu welchem Beweisthema eine an sich gebotene Beweisaufnahme rechtsfehlerhaft unterlassen worden sein soll und welches Ergebnis diese voraussichtlich gehabt hätte (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BAGE 109, 145; 31. Mai 2006 - 5 AZR 342/06 (F) - Rn. 6, BAGE 118, 229).

29

(2) Die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung hat ebenfalls keinen Erfolg. Die richterliche Beweiswürdigung des Tatsachengerichts ist nur beschränkt revisibel. Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist sowie nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt(BAG 27. Mai 2015 - 7 ABR 26/13 - Rn. 26; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21). Gemessen daran ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat sich in seinen Entscheidungsgründen ausführlich sowohl mit dem Inhalt der Aussage als auch mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin auseinandergesetzt. Es hat auch keinen wesentlichen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage stellenden Vortrag außer Acht gelassen.

30

c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die von der Beklagten gezahlte Vergütung von täglich 15,00 Euro bei arbeitstäglich 4,42 Stunden in einen Stundenlohn von (gerundet) 3,40 Euro umgerechnet.

31

d) Basierend auf Lohngruppe 1 (Fahrdienst) des Lohntarifvertrags hat das Landesarbeitsgericht richtigerweise den objektiven Wert der Arbeitsleistung auf 9,76 Euro brutto pro Stunde beziffert.

32

aa) Hierzu hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, im Jahr 2012 seien in Nordrhein-Westfalen 450 der 718 privaten Omnibusunternehmen im Arbeitgeberverband organisiert gewesen, womit die Tarifbindung der Arbeitgeber im Wirtschaftsgebiet knapp 63 % betragen habe. Diese Feststellung greift die Beklagte nicht mit einer ordnungsgemäß begründeten Verfahrensrüge an. Sie ist somit für den Senat bindend, § 559 Abs. 2 ZPO.

33

Soweit die Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe Vortrag und Beweisangebote zu branchenüblichem Lohn ignoriert, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

34

Gleichermaßen kann die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe einen gebotenen Hinweis unterlassen, keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat nicht darlegt, auf welchen konkreten Hinweis des Landesarbeitsgerichts sie welchen Vortrag geleistet hätte.

35

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Lohngruppe 1 als Vergleichsgruppe gewählt. Die Lohngruppe 1 umfasst „ungelernte Arbeiter“ und damit sämtliche Arbeitnehmer, die nicht von den weiteren Lohngruppen, die höhere Qualifikationen voraussetzen, einbezogen werden. Hierzu zählt die Tätigkeit einer Busbegleiterin.

36

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt der Lohntarifvertrag auch für die Begleitung von Behindertenfahrdiensten.

37

(1) Ausgangspunkt für die Feststellung des Werts der Arbeitsleistung sind die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs (vgl. zur Bestimmung BAG 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 - Rn. 12, BAGE 141, 137). Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, ist vorliegend der Wirtschaftszweig das private Kraftomnibusgewerbe in Nordrhein-Westfalen.

38

(2) Unschädlich ist, dass der persönliche Anwendungsbereich des Lohntarifvertrags diejenigen Arbeitnehmer ausnimmt, die weniger als 15 Wochenstunden beschäftigt sind. Eine solche Einschränkung des Geltungsbereichs verstößt gegen § 4 TzBfG(vgl. BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - Rn. 32 ff.).

39

(3) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, die Fahrten seien von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Denn das Personenbeförderungsgesetz regelt Aspekte der Genehmigungspflicht bestimmter Personenbeförderungen, weist aber keinen Bezug zu den Arbeitsbedingungen der in der Personenbeförderung eingesetzten Arbeitnehmer auf.

40

(4) Der in § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 10. Januar 2012 (GV NRW 2012 S. 15), in Kraft getreten am 1. Mai 2012, vorgegebene Mindestlohn von 8,62 Euro ist nicht bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit zugrunde zu legen. Ein Mindestlohn bezeichnet lediglich das Minimum der Vergütung, berücksichtigt aber nicht die übliche Vergütung dieser Arbeit. Doch gerade darauf zielt die Prüfung der Sittenwidrigkeit ab (vgl. ErfK/Franzen 15. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 1; Däubler NJW 2014, 1924, 1927).

41

dd) Der Vergleich zwischen dem Tariflohn und dem gezahlten Lohn ist ohne Aufschlag für den Nettozufluss vorzunehmen, denn nach der nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien keine Nettolohnvereinbarung getroffen.

42

e) Der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts iSd. § 138 Abs. 1 BGB ist erfüllt. Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung, doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 36, BAGE 141, 348).

43

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die geleistete Vergütung erreicht nicht die Hälfte des objektiven Werts der Arbeitsleistung. Die Klägerin hat sich stets, insbesondere durch Verweis auf die fehlende Dokumentation der Arbeitsbedingungen, auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten berufen. Die mit dem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung kann zwar im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Die insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 37, BAGE 141, 348) hat aber solche Umstände nicht dargelegt.

44

f) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB(BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 26, BAGE 118, 66) unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns ohne Zuschläge, Zulagen und Sonderleistungen (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 18, BAGE 130, 338). Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend für täglich 4,42 Stunden eine Vergütung von 43,14 Euro brutto pro Arbeits-/Feiertag errechnet.

45

2. Dem Vergütungsanspruch stehen keine Einwendungen entgegen. In der Vereinbarung vom 18. Juli 2012 liegt kein Verzicht der Klägerin.

46

a) Bei dieser Vereinbarung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung ( § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB ). Das steht zwischen den Parteien außer Streit und entspricht den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Wertung des Landesarbeitsgerichts. Für die Auslegung kommt es deshalb darauf an, wie die Klausel - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 15 mwN).

47

b) Ausgehend vom Wortlaut, das bestehende Arbeitsverhältnis sei bis zum 21. August 2012 „ordentlich abgerechnet“, erscheint schon fraglich, ob die Vereinbarung rechtsgeschäftliche Erklärungen enthalten soll, die eine Erfüllung etwaiger noch offener Vergütungsansprüche der Klägerin betreffen. Von der „Abrechnung“ des Arbeitsentgelts in Textform iSd. § 108 GewO ist der Vergütungsanspruch zu trennen. Die Beklagte konnte auch angesichts des Wortlauts „sämtliche beiderseitigen Forderungen seien abgegolten“ nicht davon ausgehen, die Klägerin wolle den Bestand ihrer Rechte verändern und damit auf ihre Ansprüche verzichten. Bei objektiver Auslegung bestätigt die Klägerin damit nur, wechselseitige Ansprüche seien ihres Wissens vollständig erfüllt. Dies berechtigt allenfalls zur Annahme eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses. Dieses hindert die weitere Geltendmachung der Ansprüche nicht. Die Klägerin kann die Unrichtigkeit der Erklärung beweisen, indem sie ihre Ansprüche beweist (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 24, BAGE 124, 349).

48

3. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht Vergütung auch für die Schulferien zugesprochen hat. Insofern ist die Klage unbegründet. Dies betrifft acht Tage im April, zwei Tage im Mai, einen Tag im Juni, 17 Tage im Juli, 15 Tage im August und fünf Tage im Oktober.

49

a) Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug.

50

aa) Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet. Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis(zum rückwirkend begründeten vgl. BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 22 f.) die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB(BAG 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 41; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 41). Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (BAG 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 41; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 41). Streiten die Parteien über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, genügt ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers. Dieses kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Zudem kann ein Angebot der Arbeitsleistung ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Arbeitgeber auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 22 mwN, BAGE 149, 144; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe), insbesondere er durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 25; 26. Juni 2013 - 5 AZR 432/12 - Rn. 18).

51

bb) In den Schulferien hat die Klägerin ihre Arbeitsleistung weder tatsächlich noch wörtlich angeboten. Ein Angebot war auch nicht entbehrlich. Die Klägerin hätte gegen den Nichteinsatz während der Ferienzeit zumindest protestieren und damit ihre Arbeitsleistung wörtlich anbieten müssen (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 42).

52

b) Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus § 615 Satz 3 BGB wegen Betriebsrisikos. Es liegt kein Fall vor, in dem die Beklagte das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat. § 615 Satz 3 BGB meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko(ErfK/Preis 15. Aufl. § 615 BGB Rn. 122; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 615 Rn. 90; BT-Drs. 14/6857 S. 48). Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb wegen einer Störung nicht betreiben zu können. Die Arbeitsleistung der Klägerin unterblieb nicht wegen Ausfalls von Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel, einer Betriebsstilllegung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften/Anordnungen (vgl. BAG 30. Mai 1963 - 5 AZR 282/62 - zu 2 b der Gründe) oder eines Geschehens, das von außen auf typische Betriebsmittel einwirkt und sich als höhere Gewalt darstellt, wie zB die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe (vgl. BAG 23. September 2014 - 5 AZR 146/14 - Rn. 22 mwN). Entscheidender Umstand war der fehlende Auftrag zum Schülertransport während der Ferienzeit. Dieser gehört nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers.

53

IV. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Klägerin weitere Vergütung für die Zeit vom 22. August bis zum 5. Oktober 2012 zugesprochen hat.

54

1. Für Tage, an denen die Klägerin gearbeitet hat, folgt der Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag. Dies waren acht Arbeitstage im August, 20 Arbeitstage im September 2012 sowie vier Arbeitstage im Oktober. Für die insgesamt 32 Arbeitstage schuldet die Beklagte 1.180,80 Euro brutto (32 Tage x 4,1 Std. x 9,00 Euro brutto).

55

2. Der Vergütungsanspruch iHv. 36,90 Euro brutto für den gesetzlichen Feiertag am 3. Oktober 2012 (Mittwoch) folgt aus § 2 Abs. 1 EFZG. Dem Anspruch steht Nr. 1c Arbeitsvertrag nicht entgegen. Diese Regelung des Ruhens ist intransparent und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Regelung lässt nicht erkennen, an welchen Ferientagen Urlaub gewährt werden und an welchen Tagen das Arbeitsverhältnis ruhen soll. Eine ergänzende Vertragsauslegung kann wegen § 12 EFZG zu keinem abweichenden Ergebnis führen.

56

3. Der Vergütungsanspruch für die Zeit vom 15. bis zum 31. Oktober 2012 iHv. 479,70 Euro brutto folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Klägerin während dieser 13 Tage arbeitsunfähig krank war, wird von der Revision nicht angegriffen. Die Gehörsrüge zur maßgeblichen Wochenarbeitszeit greift mangels ordnungsgemäßer Begründung nicht. Die Beklagte bleibt die erforderliche Darlegung schuldig, mit welchem Schriftsatz was konkret vorgetragen sowie zu welchem Beweisthema in welchem Schriftsatz welcher Beweis angeboten wurde.

57

V. Der Urlaubsabgeltungsanspruch iHv. 369,00 Euro brutto folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Es sind zehn Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 3 BUrlG) abzugelten. Insofern hat die Revision keine begründete Rüge vorgebracht.

58

VI. Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) stehen der Klägerin ab dem 20. November 2012 zu. Die Klageerweiterung ist am 19. November 2012 rechtshängig geworden. Verzugszinsen auf die Urlaubsabgeltung (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) werden ab dem 3. November 2012 geschuldet. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstand nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wurde wegen § 193 BGB am 2. November 2012 fällig. Der 1. November ist in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 FeiertagsG NW).

59

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2012 - 4 Sa 48/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung und dabei insbesondere darüber, ob das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 (BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571) auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

2

Die 1954 geborene Klägerin war vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 2010 bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. Arbeitsort war das Haus der Katholischen Schwesternschaft V e.V. in S.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2010 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Der Arbeitnehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflegehelferin für die Rudu Pflege und Betreuung an der Pflegestelle VS für Sr. E, Sr. U und Sr. C unbefristet eingestellt.

        

Er ist nach jeweiliger näherer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet, Pflege- und sonstige Dienstleistungen für die pflegebedürftigen Personen zu erbringen. Die Dienstleistungen erfolgen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.

        

…       

        

§ 3

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält ein Festlohn von € 1.685,85 brutto monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen)

        

2.    

Es ist wird eine Arbeitszeit von 204 Rudu - Einsätzen abzüglich der 24 Urlaubstage sind 180 Rudu-Einsätzen / Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart.

        

3.    

Der Arbeitnehmer ist jedoch auf Anweisung der Arbeitgebers verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten.

        

4.    

Rudu wird berechnet nach Pflegemodulen / Pflegezeiten dabei wird der Mindeslohn anzuwenden, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bereitschaft und Anwesenheit gesondert Ruhezeiten und Pausen werden nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)

        

Fahrtzeiten und Fahrtkosten werden nicht vergütet.

        

…“    

4

Die Klägerin leistete im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 Rund- um-die-Uhr-Dienste vom 6. August, 21:00 Uhr, bis zum 20. August, 12:00 Uhr, vom 2. September, 21:00 Uhr, bis zum 16. September, 12:00 Uhr, und vom 30. September, 21:00 Uhr, bis zum 15. Oktober, 12:00 Uhr. Dabei bewohnte sie im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Von diesen leiden Sr. E und Sr. U an Demenz und sind an den Rollstuhl gebunden. Sr. C kam am 15. August 2010 ins Krankenhaus und verstarb dort. Neben Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie zB Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Geschirr spülen, Wechseln und Waschen von Wäsche). Täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr nahmen die Pflegebedürftigen am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft, von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

5

Mit der am 19. November 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, während der Rund-um-die-Uhr-Dienste durchgehend gearbeitet zu haben. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei zudem nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst zu zahlen.

6

Die Klägerin hat zuletzt - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.198,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 670,53 Euro seit dem 16. September 2010, aus 696,03 Euro seit dem 16. Oktober 2010 und aus 832,03 Euro seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin habe nicht rund um die Uhr gearbeitet, sondern arbeitstäglich mindestens vier Stunden Pause nehmen können. Sie habe in der Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr allenfalls Rufbereitschaft gehabt und nachts schlafen können. Zudem sei Bereitschaftsdienst nicht mit dem Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV zu entlohnen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur weiteren Vergütungszahlung nebst Zinsen verurteilt. Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet. Das folgt aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV.

10

I. Streitgegenständlich ist in der Revisionsinstanz aufgrund der beschränkten Revisionseinlegung der Beklagten und mangels Anschlussrevision der Klägerin die Differenzvergütung, die sich aus der Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung und dem Mindestentgelt von - im Streitzeitraum - 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV ergeben kann. Das sind auf der Basis von 22 Arbeitsstunden je Arbeitstag - rechnerisch unstreitig - für den Monat August 2010 670,53 Euro brutto, für den Monat September 2010 696,03 Euro brutto und für den Monat Oktober 2010 832,03 Euro brutto.

11

II. Die Klägerin hat Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Das ergibt die Auslegung der Norm, die die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede in der Entgelthöhe korrigiert.

12

1. Die PflegeArbbV ist wirksam (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 17 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit entsprechender Verordnungen siehe auch BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 17 ff.). Das stellt die Beklagte nicht in Frage. Für eine (erneute) Prüfung der Wirksamkeit der PflegeArbbV besteht von Amts wegen kein Anlass (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 21 f.).

13

2. Der Geltungsbereich der PflegeArbbV ist eröffnet. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Landesarbeitsgericht hat zudem festgestellt, dass die Beklagte einen Pflegebetrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PflegeArbbV betreibt und die Klägerin mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Pflege und Betreuung der Schwestern E, U und C überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI erbrachte, § 1 Abs. 3 Satz 1 PflegeArbbV.

14

3. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist „je Stunde“ festgelegt. Damit knüpft die Norm - entsprechend den Gepflogenheiten der Tarifpartner und auch vieler Arbeitsvertragsparteien, als Entgelt einen bestimmten Euro-Betrag in Relation zu einer bestimmten Zeiteinheit (zumeist Stunde oder Monat, bisweilen auch Tag, Woche, Jahr) bzw. dem Umfang der in einer bestimmten Zeiteinheit zu leistenden Arbeit festzusetzen - an die „vergütungspflichtige Arbeitszeit“ an. Dieser Begriff hat zwar insofern eine gewisse Unschärfe, als die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB allein für die „Leistung der versprochenen Dienste“ besteht und damit unabhängig ist von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 143, 107). Er hat sich aber zur Unterscheidung von Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne, zeitlichem Umfang der zu vergütenden Arbeit und Arbeitszeit im Sinne der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes eingebürgert (vgl. Wank RdA 2014, 285). Die Anknüpfung des Mindestlohns an die vergütungspflichtige Arbeitszeit bestätigt § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV, der die Fälligkeit des Mindestentgelts „für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit“ regelt.

15

4. Damit ist das Mindestentgelt in der Pflegebranche zu zahlen für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bzw. - präziser - für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt oder, was im Streitfall nicht erheblich ist, aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist. § 2 PflegeArbbV stellt weder auf die Art der Tätigkeit(§ 11 Abs. 1 iVm. § 5 Nr. 1 AEntG), noch auf die Intensität der Arbeit (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst) ab. Ist der Anwendungsbereich der PflegeArbbV eröffnet, weil der Arbeitnehmer in einem Pflegebetrieb überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI zu erbringen hat, muss deshalb das Mindestentgelt auch für die nicht pflegerischen (Zusammenhangs-)Tätigkeiten (wie zB im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) und für alle Formen von Arbeit gezahlt werden.

16

Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG (zur gesetzeshistorischen Entwicklung aufgrund von Vorgaben des Unionsrechts, vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 42, BAGE 119, 41), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, BAGE 137, 366). Diese Voraussetzung ist bei der Arbeitsbereitschaft, die gemeinhin umschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung (vgl. ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 21), und dem Bereitschaftsdienst gegeben. In beiden Fällen muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung“ (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 19; vgl. zum Ganzen auch: Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 33 ff.; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 ff., jeweils mwN). Zwar kann für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366). Von dieser Möglichkeit hat aber der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege weder in § 2 noch in den übrigen Bestimmungen der PflegeArbbV Gebrauch gemacht. Deshalb ist es unerheblich, ob arbeitsvertraglich für den Bereitschaftsdienst eine geringere Vergütung vereinbart werden sollte. In einer solchen Auslegung wäre der - sprachlich gänzlich missglückte - § 3 Nr. 4 Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam, § 134 BGB.

17

5. Danach schuldet die Beklagte jedenfalls für die vom Landesarbeitsgericht angesetzten 22 Stunden pro Arbeitstag das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV. Denn die Klägerin musste sich, so sie keine Vollarbeit leistete, auch nach dem Vorbringen der Beklagten rund um die Uhr bei oder jedenfalls in der Nähe der zu pflegenden Schwestern aufhalten, um bei Bedarf tätig werden zu können. Sie durfte die in § 1 Arbeitsvertrag bezeichnete Pflegestelle nicht verlassen. Ob die Klägerin in der Zeit von 11:45 bis 12:45 Uhr und 17:50 bis 18:50 Uhr tatsächlich Pausen im Rechtssinne hatte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die diesbezügliche Wertung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen.

18

Soweit die Beklagte die Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr als Rufbereitschaft bewertet wissen will, verkennt sie, dass eine solche nicht schon dann vorliegt, wenn die Arbeit nur „auf Zuruf“ (hier: der Pflegebedürftigen) aufgenommen werden muss. Rufbereitschaft setzt - in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst - vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern - unter freier Wahl des Aufenthaltsorts - lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können (EuGH 3. Oktober 2000 - C-303/98 - [Simap] Rn. 50, Slg. 2000, I-07963; BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 41, BAGE 119, 41; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 48 ff.; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 28 ff., jeweils mwN). Dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, des Nachts die in § 1 Arbeitsvertrag genannte Pflegestelle zu verlassen und eigenen Interessen nachzugehen, hat die Beklagte nicht behauptet. Ob die Klägerin, wie die Beklagte vorbringt, nachts (durch-)schlafen konnte, ist für die Einordnung als Bereitschaftsdienst ohne Belang.

19

Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr („Mittagsruhe“ der zu pflegenden Schwestern) unter Übergehen von - in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierten - Beweisangeboten zu Unrecht nicht als Pause bewertet, greift nicht durch. Nach § 4 ArbZG sind - nicht zur Arbeitszeit zählende und nicht nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütende - Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann(BAG 23. September 1992 - 4 AZR 562/91 - zu I 2 der Gründe; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 9; ErfK/Wank 15. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 1; Schliemann 2. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 6, jeweils mwN). Unstreitig musste die Klägerin aber auch während der „Mittagsruhe“ an der Pflegestelle anwesend sein, um bei Bedarf jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können.

20

6. Die Anzahl der im Streitzeitraum geleisteten Dienste ist unstreitig. Auch im Übrigen hat die Revision die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Höhe der Differenzvergütung in rechnerischer Hinsicht nicht angegriffen.

21

III. Zinsen auf die Differenzvergütung stehen der Klägerin jeweils ab dem 16. des Folgemonats zu, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV.

22

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Rainer Rehwald    

        

    Dirk Pollert    

                 

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

14
aa) Ausgangspunkt für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers , so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt (BGH, Urteil vom 30. Juni 1966 - KZR 5/65, BGHZ 46, 74, 76). Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, ihrem Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Februar 2011 - 6 Sa 90/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der 1978 geborene Kläger war vom 4. November 2002 bis zum 28. Februar 2009 bei der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 23./29. Oktober 2002 beschäftigt. Dort heißt es ua.:

        

„§ 2 Tätigkeit

        

Der Arbeitnehmer wird als Mitarbeiter für den Bereich Kanzlei-Börse eingestellt und mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung des Arbeitgebers beschäftigt. Er ist auch verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten.

                 
        

§ 3 Arbeitszeit

        

1.    

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich.

        

2.    

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Pausenregelung richten sich nach den Anweisungen des Arbeitgebers oder der betrieblichen Übung.

                 
        

§ 4 Vergütung / Sonstige Leistungen

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein monatliches Gehalt in Höhe von € 2.200,00 brutto.

        

2.    

Etwaige Überstunden gelten mit dem Gehalt als abgegolten.

        

3.    

Die Zahlung des Gehalts ist jeweils am letzten des Monats fällig.“

3

Unter dem 1. September 2005 schlossen die Parteien folgende Ergänzung zum Arbeitsvertrag:

        

„§ 4 Vergütung / Sonstige Leistungen

        

1.    

Der/die Arbeitnehmer/in erhält für seine/ihre Tätigkeit ein monatliches Grundgehalt in Höhe von EUR 2.200,00 brutto. Zusätzlich wird ab 01.09.2005 eine Vergütung für die alleinige Vermittlung von Kanzleien, in Höhe von 10 % des Nettobetrages aus der berechneten Provision für die Kanzleivermittlung, vereinbart. Die Auszahlung der Vergütung erfolgt nach Kundenzahlung.

        

2.    

Etwaige Überstunden gelten mit dem Gehalt als abgegolten.

        

3.    

Die Zahlung des Gehalts ist jeweils am letzten des Monats fällig.“

4

Am 11. September 2007 vereinbarten die Parteien mündlich, dass für den Kläger der - provisionspflichtige - Verkauf des „Notfallplans“, einem Produkt der Beklagten, erste Priorität haben und der Kläger bei seinen übrigen Tätigkeiten von einer neu eingestellten Kraft entlastet werden sollte.

5

Der Kläger erzielte 2006 (Brutto-)Provisionen iHv. 7.916,60 Euro, 2007 iHv. 14.665,89 Euro, 2008 iHv. 12.965,52 Euro sowie in den Monaten Januar und Februar 2009 iHv. 400,00 Euro.

6

Mit der am 19. März 2009 eingereichten Klage hat der Kläger erstmals die Vergütung von zuletzt 268,52 Überstunden geltend gemacht, die er im Zeitraum Februar 2006 bis Januar 2009 mit Außendiensttätigkeiten geleistet habe. Die in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag vorgesehene Pauschalvergütung von Überstunden sei unwirksam.

7

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.603,54 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Überstunden hätten durch einen flexiblen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ausgeglichen werden können. Im Übrigen habe sie Überstunden nicht angeordnet. Deren Vergütung sei mit den verdienten Provisionen abgegolten. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung sei jedenfalls verwirkt.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

11

I. Das Berufungsurteil unterliegt nicht schon deshalb der Aufhebung, weil es dem Kläger erst nach Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst zugestellt worden ist. Auf Gründe des § 72b ArbGG kann die Revision nicht gestützt werden, § 73 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.

12

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

13

1. Das ergibt sich allerdings nicht schon aus § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag.

14

a) Die genannte Regelung unterliegt der Kontrolle anhand § 307 BGB. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 14). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalvergütung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen entnehmen.

18

2. Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vergütungserwartung ist im Streitfall nicht gegeben.

19

a) Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen. Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird deshalb in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10). Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind (BAG 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 32, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11), wenn Dienste höherer Art geschuldet sind (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 21, aaO) oder insgesamt eine deutlich herausgehobene, die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitende Vergütung gezahlt wird (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

20

b) Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ waren die Vertragsbeziehungen der Parteien seit der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 1. September 2005 im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger für einen Teil seiner Arbeit - nämlich die Vermittlungstätigkeit - eine zusätzliche Vergütung in Form einer Provision erhalten sollte. Bei einer solchen kommt es aber typischerweise (vgl. § 87 Abs. 1 HGB) aus der Sicht der beteiligten Kreise nicht auf die Erfüllung eines Stundensolls, sondern den Erfolg - die vermittelten Geschäfte - an. Erhält der Arbeitnehmer arbeitszeitbezogene Vergütung und zusätzlich für einen Teil seiner Arbeitsaufgaben in nicht unerheblichem Maße Provisionen, lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist.

21

c) Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Insbesondere waren die bezogenen Provisionen nicht unerheblich. Nach den unstreitigen Zahlen betrugen sie 2006 knapp 30 %, 2007 rd. 55 % und 2008 rd. 49 % der Festvergütung. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des Klägers stützende entsprechende Verkehrssitte hat der Senat nicht.

22

3. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits zur (Vorgänger-)Richtlinie 93/104/EG entschieden, dass die Arbeitszeitrichtlinie auf die Vergütung der Arbeitnehmer keine Anwendung findet (EuGH 1. Dezember 2005 - C-14/04 - [Dellas ua.] Rn. 38, Slg. 2005, I-10253). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargetan, dass eine von den Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB losgelöste Vergütungspflicht für Überstunden überhaupt geeignet wäre, den in der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Arbeitszeitschutz effektiver als die im Arbeitszeitgesetz normierte Überwachungspflicht der Aufsichtsbehörden(§ 17 ArbZG) und die dortigen Bußgeld- und Strafvorschriften (§§ 22, 23 ArbZG) zu gewährleisten.

23

4. Auf die vom Landesarbeitsgericht angenommene Verwirkung des Anspruchs kommt es nicht an (abl. zur Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung bei einer intransparenten Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24 mwN; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 21).

24

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Dittrich    

        

    Busch    

                 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Januar 2013 Lohn in Höhe von brutto € 186,75 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.02.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Februar 2013 Lohn in Höhe von brutto € 207,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.03.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 1.493,28 festgesetzt.

7. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Zahlung und ein Zeugnis.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der Gebäudereinigungsbranche. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 25.09.2012 bis zum 21.06.2013 als Reinigungskraft angestellt. In ihrem Arbeitsvertrag ist in Ziffer 2 geregelt, dass sich ihre Vergütung nach dem Mindestlohntarifvertrag berechnet und dass ihre Arbeitszeit 5,5 Stunden pro Tag bei einer 5-Tage-Woche beträgt. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 1 (Bl. 4 ff. d.A.).

3

Die Klägerin wurde von der Beklagten regelmäßig in zwei Objekten beschäftigt. In den Morgenstunden sollte sie das Objekt „C.“ reinigen, in den Nachmittagsstunden das Objekt „R.“. Für den Monat Januar 2013 vergütete die Beklagte 105,75 Stunden mit € 9,00 brutto pro Stunde (Anlage K 3, Bl. 10 d.A.). Für den Monat Februar 2013 wurde die Vergütung der Klägerin auf der Basis von 77 Stunden ermittelt und an die Klägerin ausbezahlt (Anlage K 5, Bl. 13 d.A.). Ein Zeugnis wurde der Klägerin nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht erteilt.

4

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin findet der „Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn)“ vom 23.08.2011 Anwendung. Nach dem TV Mindestlohn hat die Klägerin Anspruch auf einen Stundenlohn in Höhe von € 9,00 brutto. Weiterhin ist im TV Mindestlohn geregelt:

5

§ 2
Mindestlöhne

6

(…)
4. Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den der Mindestlohn zu zahlen ist. (…)
5. Der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. (…)

7

Weiterhin fand der „Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung“ vom 28.06.2011 (im Folgenden RTV) Anwendung. In diesem ist u.a. geregelt:

8

§ 23 Ausschlussfristen

9

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

10

Mit Schreiben vom 17.05.2013 machte die Klägerin ausstehende Vergütung für 23,75 Stunden im Januar 2013 und für 24 Stunden im Februar 2013 geltend (Anlage B 1, Bl. 20 f. d.A.).

11

Mit ihrer bei Gericht am 15.08.2013 eingegangenen und der Beklagten am 22.08.2013 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Zahlung und die Erteilung eines Zeugnisses.

12

Die Klägerin trägt vor, dass sie im Januar 2013 129,5 Stunden gearbeitet habe. Die Beklagte habe lediglich 105,75 Stunden vergütet. Im Objekt „R.“ habe sie regelmäßig von 16.00 bis 19.30 Uhr gearbeitet (Anlage K 2, Bl. 8 d.A.). Im Objekt „C.“ habe sie um 4.45 Uhr bzw. um 5.00 Uhr angefangen und bis um 07.00 bzw. 07.45 oder 09.15 Uhr gearbeitet (Anlage K 2, Bl. 9 d.A.). Insbesondere habe sie bei ihrer Arbeit den Mitarbeiter M. sowie die Mitarbeiterin R1 vertreten. Hierzu sei sie von der Objektleiterin aufgefordert worden.

13

Im Februar 2013 habe sie 100 Stunden gearbeitet, von denen die Beklagte lediglich 77 Stunden vergütet habe. Im Objekt „R.“ habe sie von 16.00 bis 19.30 Uhr gearbeitet (Anlage K 4, Bl. 11 d.A.), im Objekt „C.“ von 05.00 bis 07.00 Uhr (Anlage K 4, Bl. 12 d.A.).

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Januar 2013 Lohn in Höhe von brutto € 213,75 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.02.2013 zu zahlen,

16

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Februar 2013 Lohn in Höhe von brutto € 207,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.03.2013 zu zahlen,

17

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Beklagte trägt vor, dass die behaupteten Ansprüche der Klägerin aufgrund der Ausschlussfrist nach dem Rahmentarifvertrag verfallen seien. Vorliegend finde die Ausschlussfrist nach dem TV Mindestlohn keine Anwendung. Da sie den Mindestlohn zahle, handele es sich vorliegend nicht um eine Streitigkeit nach dem TV Mindestlohn. Streitig sei allein die Ableistung der Stunden. Im Übrigen seien die von der Klägerin behaupteten Stunden weder abgeleistet noch angeordnet oder geduldet worden. Der Arbeitsbeginn im Objekt „R.“ sei täglich um 16.30 Uhr gewesen. Die Klägerin habe sich regelmäßig bereits um 16.00 Uhr aufgehalten, ohne mit den Reinigungsarbeiten zu beginnen. Arbeitsbeginn beim „C.“ sei 07.00 Uhr gewesen. Nach den „Leistungskennziffern im Gebäudereiniger-Handwerk“ (Anlage B 5, Bl. 62 ff. d.A.) habe der Zeitaufwand im Objekt „C.“ 2,0 Stunden pro Tag betragen, im Objekt „R.“ 1,75 Stunden. Bei den Kontrollen durch die Objektleiter sei regelmäßig festgestellt worden, dass die Klägerin die Reinigungsarbeiten innerhalb der vorgegebenen Stunden erfüllt habe, auch wenn sie nicht zu den zügigsten Reinigungskräften gezählt habe. Demgegenüber enthielten die von der Klägerin als eigene Aufzeichnungen angefertigten Listen (Anlagen K 2 und K 4) wohl nicht den tatsächlichen Arbeitsbeginn.

21

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

I.

23

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung der von ihr geltend gemachten regulären Arbeitszeit sowie auf Erteilung eines Zeugnisses. Demgegenüber war die Klage abzuweisen, soweit sie die Überstunden betraf.

24

1. Die Klägerin hat Anspruch auf die Vergütung von 126,5 Stunden im Januar und 100 Stunden im Februar. Der Anspruch folgt aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag und dem TV Mindestlohn. Für den 01.01.2013 als gesetzlichen Feiertag folgt der Vergütungsanspruch aus § 2 EFZG. Soweit die Klägerin hingegen die Vergütung von Überstunden begehrt, hat sie nicht substantiiert dargelegt, dass diese angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden.

25

a. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt für die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des BAG, der sich die Kammer anschließt, folgende Verteilung:

26

Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (BAG v. 26.05.2012 - 5 AZR 347/11 -, juris Rn. 26).

27

Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Dabei muss er darlegen - und gegebenenfalls beweisen -, dass die Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat (BAG v. 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 -, juris Rn. 16). Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG v. 26.05.2012 - 5 AZR 347/11 -, juris Rn. 27).

28

b. Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich, dass die Klägerin substantiiert dargelegt hat, dass sie der Beklagten innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ihre Arbeitskraft angeboten hat. Demgegenüber hat die Beklagte nicht substantiiert erwidert.

29

Nach der arbeitsvertraglichen Gestaltung schuldete die Klägerin bei einer 5-Tage-Woche 5,5 Arbeitsstunden pro Tag. Der Januar 2013 hatte 23 Arbeitstage, sodass die reguläre Arbeitszeit der Klägerin 126,5 Stunden betrug. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie sich in diesem Umfang in den beiden zu reinigenden Objekten aufgehalten und der Beklagten ordnungsgemäß ihre Arbeitskraft angeboten und auch gearbeitet hat. Die Beklagte hat demgegenüber pauschal bestritten, dass die Klägerin anwesend war bzw. dass sie während ihrer Anwesenheitszeit tatsächlich gearbeitet hat. Auch hat die Beklagte unter Verweis auf die Leistungskennziffern im Gebäudereiniger-Handwerk (Anlage B 5) dargelegt, dass die Klägerin die Arbeitsleistung innerhalb der tatsächlich abgerechneten Arbeitszeit erbringen konnte. Dieser Vortrag genügt nicht den vom BAG aufgestellten Grundsätzen für die Darlegungs- und Beweislast. Aus dem Vortrag der Beklagten folgt nicht, wann sich die Klägerin an den einzelnen Tagen in den Reinigungsobjekten aufgehalten hat und welche Arbeiten ihr zugewiesen wurden. Insbesondere ist der Hinweis auf Leistungskennziffern nicht ausreichend. Bei den Leistungskennziffern handelt es sich ausweislich ihrer Unterüberschrift auf der Titelseite um einen „Wegweiser für Ausschreibungen und Auftragsvergabe“. Anhand der Leistungskennziffern wird also lediglich eine Kalkulation für Auftraggeber und Auftragnehmer ermöglicht. Aus den Leistungskennziffern folgt nicht, welcher zeitliche Umfang für das konkrete Objekt erforderlich ist. So heißt es ausdrücklich (Anlage B 5, Bl. 71 d.A.):

30

„Individueller Leistungsumfang
Die Kalkulationen aus den Praxisbeispielen machen deutlich: Jedes Objekt bedarf einer individuellen Beurteilung. Leistungszahlen müssen immer objektbezogen und nach dem mit dem Auftraggeber vereinbarten Leistungsverzeichnis ermittelt werden.“

31

Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche Leistungszahlen sie mit ihren Auftraggebern für die einzelnen Objekte vereinbart hat. Allerdings ist es nicht entscheidend, welche Vereinbarung mit dem Auftraggeber getroffen wurde. Maßgeblich ist vielmehr allein, welche Arbeitszeiten die Beklagte mit ihren Arbeitnehmern vereinbart und welche Zeiten tatsächlich abgeleistet und angewiesen wurden. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Klägerin zugewiesene Arbeiten abgelehnt oder sich nicht zu den vorgegebenen Zeiten in den Reinigungsobjekten eingefunden und ihre Arbeitskraft angeboten hat. Entsprechendes gilt für etwaige Pausen, zu denen die Beklagte ebenfalls nichts vorgetragen hat. Da die Beklagte in den Monaten Januar und Februar 2013 nicht die reguläre Arbeitszeit abgerechnet und ausgezahlt hat, würde das bedeuten, dass die Klägerin entweder ihre Arbeitskraft nicht ordnungsgemäß angeboten hat, also ihre vertragliche Pflicht verletzt hat, oder aber dass eine gesonderte Vereinbarung zwischen den Parteien geschlossen wurde, dass die Klägerin in den betreffenden Monaten weniger arbeiten sollte als vertraglich geschuldet. Die Beklagte hat weder das eine noch das andere behauptet. Allein der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise langsamer gearbeitet hat als von der Beklagten kalkuliert, führt nicht dazu, dass die Beklagte keine Vergütung schuldet. Anders als beim Werkvertrag schuldet die Klägerin als Arbeitnehmerin keinen Erfolg.

32

Die Klägerin hat hingegen nicht substantiiert dargelegt, dass die von ihr behaupteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet bzw. geduldet oder gebilligt wurden. Sie hat lediglich pauschal behauptet, dass der „Arbeitsmehraufwand“ durch die Objektleiter angeordnet wurde. Sie hat hingegen nicht dargelegt, welcher Objektleiter wann welche Mehrarbeits- bzw. Vertretungsstunden angeordnet hat. Insofern war die Kammer nicht gehalten, dem Beweisangebot der Klägerin nachzugehen. Unerheblich war dabei, ob die Beklagte auch die Mehrarbeitsstunden nicht substantiiert bestritten hat. Der Arbeitnehmer hat kein Recht, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber aufzudrängen. Selbst unstreitige Mehrarbeitsstunden, die weder angeordnet noch geduldet oder gebilligt wurden, müssen aus diesem Grund nicht vergütet werden.

33

2. Dem Anspruch der Klägerin steht nicht die Ausschlussfrist aus dem RTV bzw. dem TV Mindestlohn entgegen. Die Klägerin hat innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist aus § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn ihren Vergütungsanspruch gerichtlich geltend gemacht.

34

a. Maßgeblich für den Rechtsstreit ist die Ausschlussfrist nach dem TV Mindestlohn. Es handelt sich vorliegend um einen Streit um den Mindestlohn. Dabei kommt es nicht darauf an, dass zwischen den Parteien kein Streit um die Höhe des Stundenlohns besteht. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des TV Mindestlohn also auch aus Sinn und Zweck sowie der gesetzlichen Vorgaben des AEntG, deren Umsetzung der TV Mindestlohn dient.

35

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG v. 13.10.2011 - 8 AZR 514/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).

36

Für den vorliegenden Rechtsstreit sind sowohl der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV) und der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) einschlägig. Der TV Mindestlohn enthält in § 2 Ziff. 5 eine eigene Regelung zu Ausschlussfristen. Während § 23 RTV eine zweistufige Ausschlussfrist enthält, nach der auf der ersten Stufe Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen, sieht § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn lediglich eine einstufige Ausschlussfrist von sechs Monaten vor.

37

Die Ausschlussfrist des § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn ist unabhängig davon einschlägig, ob die Stundenvergütung für die reguläre vertraglich oder tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit geltend gemacht wird oder aber die Vergütung für etwaige Mehrarbeit. Auch kommt es nicht darauf an, ob sowohl das Stundenentgelt als auch die Anzahl der geleisteten Stunden streitig sind.

38

aa. Der Wortlaut des § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn spricht dafür, dass die Ausschlussfrist Streitigkeiten über die zu vergütenden Stunden und über den Stundenlohn erfasst.

39

Nach dem Wortlaut der Norm verfällt „der Anspruch auf den Mindestlohn, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird.“ Was mit „Anspruch auf den Mindestlohn“ gemeint ist, wird nicht weiter ausgeführt. Allerdings ist die Rede davon, dass der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht rechtzeitig nach der Fälligkeit geltend gemacht wird. Das bedeutet, dass es um eine konkrete Forderung geht, die nach Grund und Höhe zu beziffern ist. Allein die Stundenvergütung nach dem TV Mindestlohn ergibt keinen Anspruch, der fällig werden könnte. Ein solcher Anspruch entsteht erst aus der Multiplikation der gearbeiteten Stunden mit dem Stundenlohn. Wird vom Arbeitgeber ein geringeres Stundenentgelt als der Mindestlohn gezahlt, geht es um einen „Anspruch auf den Mindestlohn“. Aber auch dann, wenn der Arbeitgeber bestreitet, dass eine Stunde überhaupt gearbeitet wurde, geht es um einen „Anspruch auf den Mindestlohn“.

40

bb. Das im Rahmen der Wortlautauslegung gefundene Ergebnis wird durch die Annahme gestützt, dass die Tarifvertragsparteien mit dem TV Mindestlohn eine rechtskonforme Umsetzung der Vorgaben des AEntG schaffen wollten.

41

Nach § 5 Nr. 1 AEntG können in einem Tarifvertrag nach § 3 AEntG (Tarifvertragliche Arbeitsbedingungen) die Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze geregelt werden. Beim Mindestlohn im Sinne des Gesetzes werden dabei alle Zahlungen berücksichtigt, die die „Normalleistung“ abgelten. Hierzu zählt beispielsweise auch ein anteiliges 13./14. Monatsgehalt, sofern es anteilig regelmäßig gezahlt wird (vgl. ErfK-Schlachter, 13. Aufl. 2013, § 5 AEntG Rn. 3; LAG Berlin-Brandenburg v. 01.09.2011 - 25 Sa 131/11 u.a. - juris Rn. 42). Der vorgeschriebene Mindeststandard ist gewährleistet, wenn im Durchschnitt der Arbeitsstunden der Mindestlohn gezahlt wurde (BAG v. 08.10.2008, - 5 AZR 8/08 - juris Rn. 28). Dies spricht dafür, dass auch bei der geleisteten Arbeitszeit eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist, um zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer im Durchschnitt das im TV Mindestlohn vorgesehene Stundenentgelt erhalten hat. Werden beispielsweise Überstunden geringer vergütet als die reguläre Arbeitszeit oder einzelne Stunden überhaupt nicht, wird im Durchschnitt der Mindeststundenlohn nicht erreicht. Den damit verbundenen Wettbewerbsdruck der Unternehmen, möglichst günstige Stundensätze durchzusetzen (vgl. für den Baubereich BAG v. 19.05.2004 - 5 AZR 449/03 - juris Rn. 34), wollte der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Mindestlohns nach unten aber begrenzen.

42

Die Ausschlussfrist in § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn dient der Umsetzung von § 9 AEntG. Nach § 9 S. 3 AEntG müssen Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen auf das Mindestentgelt mindestens sechs Monate betragen. Die Gesetzgebungshistorie spricht dafür, dass der Gesetzgeber durch die Ausschlussfristen des § 9 AEntG sowohl die geleisteten Stunden als auch die Entgelthöhe erfassen wollte. In dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 07.10.2008 hieß es: „Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs sind unzulässig.“ Durch diese Regelung sollte die Effektivität des Mindestentgelts in der Praxis gesichert werden: „Der Zweck von tarifvertraglichen Mindestentgelten würde unterlaufen, wenn der Anspruch durch Verzicht, Verwirkung oder den Ablauf von Ausschlussfristen untergehen könnte.“ (Drucks 16/10486, S. 7, 14). Der Anspruch auf das Mindestentgelt - bestehend aus den geleisteten Stunden und dem Stundenlohn - sollte also nicht durch Ausschlussfristen untergehen können. Die Möglichkeit der Vereinbarung von Ausschlussfristen im Tarifvertrag ist erst nach einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 21.01.2009 in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden. In der Begründung heißt es: „Geregelt wird darüber hinaus, dass Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf das Mindestentgelt zulässig sind, wenn sie im Mindestlohntarifvertrag selbst vereinbart sind und mindestens - wie im Bauhauptgewerbe - sechs Monate betragen.“ (Drucks. 16/11669, S. 3). Nachdem der Entwurf des § 9 AEntG Ausschlussfristen zunächst generell entgegenstand, wurde eine Mindestgrenze für die Ausschlussfristen von sechs Monaten eingeführt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass damit zugleich die sechsmonatigen Ausschlussfristen lediglich dann greifen sollte, wenn der Arbeitgeber die Zahlung des Mindeststundensatzes verweigert, hingegen beliebige Ausschlussfristen im Tarifvertrag vorgesehen werden können, wenn der Arbeitgeber allein oder zugleich die Anzahl der geleisteten Stunden bestreitet, eine Vergütung für diese streitigen Stunden also insgesamt verweigert. Dieses Ergebnis hat auch seinen Niederschlag im Wortlaut und der Systematik des AEntG gefunden. In § 5 Nr. 1 AEntG ist geregelt, dass Gegenstand eines Tarifvertrags über tarifvertragliche Arbeitsbedingungen im Sinne des § 3 AEntG die „Mindestentgeltsätze“ sein können. In § 9 AEntG gilt die Ausschlussfrist für den „Anspruch auf das Mindestentgelt“. Unter „Mindestentgelt“ ist die Vergütung zu verstehen, die sich aus den geleisteten Stunden ergibt. Eine Beschränkung der sechsmonatigen Ausschlussfrist auf den Streit um die Mindestentgeltsätze - hierauf läuft die Ansicht der Beklagten hinaus - steht damit der Wortlaut des § 9 AEntG entgegen.

43

cc. Schließlich spricht auch die Praktikabilität dafür, die Ausschlussfrist des § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn einheitlich anzuwenden. Es handelt sich immer um einen Streit um den Mindestlohn, auch wenn zwar die Entgelthöhe nicht im Streit steht, ein Arbeitgeber also die Stundensätze des TV Mindestlohn anerkennt, jedoch die geleisteten Stunden bestreitet. Andernfalls würde man einen einheitlichen Anspruch nach Grund - geleistete Stunden - und Höhe - Stundenlohn - „auseinanderreißen“. Eine solche Unterscheidung ist im TV Mindestlohn nicht angelegt und würde auch der Rechtsprechung des BAG zuwider laufen, nach der zur Wahrung einer Ausschlussfrist der Anspruch nach Grund und Höhe anzugeben ist (vgl. BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - juris Rn. 29). Dementsprechend gehört beispielsweise zum Anspruch auf Abgeltung von Überstunden auch die Angabe der Anzahl der Überstunden (vgl. BAG v. 17.04.2002 - 5 AZR 644/00 -, juris Rn. 74). Hat der Arbeitnehmer, der - anders als die Beklagte - beispielsweise keine Abrechnung und Stundenaufstellung erhalten hat, keine Kenntnis, wie viele Stunden der Arbeitgeber mit welchem Stundensatz vergütet hat, bestünde für ihn die Unklarheit, welche Ausschlussfrist gelten soll. Dies würde von der Einlassung des Arbeitgebers abhängen. Insofern bestünde eine nicht hinnehmbare Unklarheit für den Arbeitnehmer, innerhalb welcher Frist er seine Ansprüche geltend machen muss und ob eine schriftliche Geltendmachung nach dem RTV ausreicht oder eine Klagerhebung nach dem TV Mindestlohn erforderlich ist. Ohnehin würde eine Aufteilung eines einheitlichen Anspruchs auf unterschiedliche Ausschlussfristen zu erheblichen Unsicherheiten führen, die der Praktikabilität entgegenstehen würden. Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, dass ein solches Ergebnis von ihnen gewollt war.

44

dd. Zusammenfassend ergibt sich für die Kammer aus den vorstehenden Erwägungen, dass vorliegend die Ausschlussfrist nach § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn einschlägig ist. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des TV Mindestlohn als auch aus den Vorgaben des AEntG und der Praktikabilität der tarifvertraglichen Regelungen.

45

b. Die Klägerin hat die Ausschlussfrist durch ihre Klageerhebung gewahrt.

46

Nach § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn verfällt der Anspruch auf den Mindestlohn, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den der Mindestlohn zu zahlen ist (§ 2 Ziff. 4 TV Mindestlohn). Ausreichend ist der Eingang der Klage beim Gericht, wenn die Klagezustellung demnächst erfolgt. § 167 ZPO findet dabei Anwendung. Soll durch die Zustellung der Klage eine Frist gewahrt werden, tritt nach § 167 ZPO die Wirkung der Zustellung mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Es ist umstritten, ob § 167 ZPO auf Ausschlussfristen Anwendung findet (vgl. ErfK-Preis, 13. Aufl. 2013, §§ 194-218 BGB Rn.65 m.w.N.). Für die rechtzeitige schriftliche Geltendmachung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 4 AGG hat das BAG die Anwendung des § 167 ZPO abgelehnt (BAG v. 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 -, juris Rn. 27). Allerdings verlangt § 15 Abs. 4 AGG die schriftliche Geltendmachung und nicht die gerichtliche Geltendmachung. Entsprechend hat das BAG zu tariflichen Ausschlussfristen entschieden, dass es auf die Klagzustellung innerhalb der Ausschlussfrist ankommt, wenn lediglich eine schriftliche Geltendmachung verlangt wird (BAG v. 08.03.1976 - 5 AZR 361/75 -, juris Rn. 20). Dies kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gefordert wird. Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Formulierung in § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn auf die gerichtliche Geltendmachung abgestellt, ohne zu unterscheiden, ob die Klageinreichung oder die Zustellung maßgeblich sein soll. Damit haben die Tarifvertragsparteien ohne Einschränkungen Bezug auf das Prozessrecht genommen, sodass auch die Regelung des § 167 ZPO auf die Wahrung materieller Ausschlussfristen anzuwenden ist.

47

Die Klägerin hat ihre Ansprüche fristgemäß geltend gemacht. Die Lohnansprüche für Januar 2013 wurden am 15.02.2013 fällig, die Lohnsprüche für Februar 2013 am 15.03.2013. Die sechsmonatige Ausschlussfrist begann also für die Ansprüche aus Januar am 16.02.2013 zu Laufen und endete am 15.08.2013. Die Klage wurde am 15.08.2013 erhoben und der Beklagten am 22.08.2013 zugestellt. Damit hat die Klägerin die Ausschlussfrist gewahrt.

48

3. Die Klägerin hat nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Dieser Anspruch folgt aus § 109 GewO und soll von der Beklagten unstreitig erfüllt werden.

II.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da die Zuvielforderung der Klägerin in Höhe von € 27,00 nur relativ gering war und keine höheren Kosten ausgelöst hat.

50

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO. Der Zeugnisantrag war mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten, die Zahlungsanträge mit ihrem Wert.

51

Die Berufung war gesondert zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG liegen vor. Die Frage, ob bei einem Streit um die geleisteten Arbeitsstunden die Ausschlussfrist des TV Mindestlohn oder aber des RTV Anwendung findet, wenn unstreitig pro geleisteter Arbeitsstunde der Mindestlohn gezahlt wird, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt und spielt nach der Kenntnis der Kammer in mehreren Gerichtsverfahren beim Arbeitsgericht Hamburg eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund kommt der Sache eine grundsätzliche Bedeutung zu. Im Übrigen liegt auch der Zulassungsgrund des § 64 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ArbGG vor, da es um die Auslegung des RTV und des TV Mindestlohn geht, die bundesweite Geltung beanspruchen.

Tenor

  • 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.04.2015 – 1 Ca 448/15 h – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • 2. Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 62 63 64 65 66

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 2015 - 8 Sa 540/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung von Bereitschaftszeiten.

2

Die Beklagte betreibt einen Rettungsdienst. Der Kläger ist bei ihr als Rettungsassistent beschäftigt. Er leistet im Rahmen einer Vier-Tage-Woche mit Zwölfstundenschichten einschließlich Bereitschaftszeiten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.680,31 Euro nebst Zulagen.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, der ua. bestimmt:

        

„Aufgrund der Überführung des Beschäftigungsverhältnisses auf die tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) treten zum 01.01.2012 an die Stelle der bestehenden Arbeitsbedingungen folgende arbeitsvertraglichen Regelungen:

        

§ 1

        

Herr … wird unter Eingruppierung in Entgeltgruppe 5, Stufe 6, TVöD als vollbeschäftigter Rettungsassistent unbefristet weiterbeschäftigt. …

        

§ 2

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

        

…       

        

§ 3

        

Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt. …“

4

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 idF des Änderungstarifvertrags vom 1. April 2014 (im Folgenden TVöD) regelt ua.:

        

§ 6

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

a)    

die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

                 

b)    

die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, ...

                 

…       

        
        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. …

        

…       

        
        

§ 9

        

Bereitschaftszeiten

        

(1)     

Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Für Beschäftigte, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende Regelungen:

                 

a)    

Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert).

                 

b)    

Sie werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

c)    

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten.

                 

d)    

Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

        

…       

                 
        

§ 15

        

Tabellenentgelt

        

(1)     

Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe. …

        

…       

        

Anhang zu § 9

        

…       

        

B.    

Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

                 

(1)     

Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

                          

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet(faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

(2)     

Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

                 

(3)     

Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt.

        

…“      

5

Nach erfolgloser Geltendmachung weiterer Vergütung von Bereitschaftszeiten hat der Kläger im Februar 2015 Zahlungsklage erhoben, welche die Monate Januar und Februar 2015 umfasst.

6

Der Kläger meint, die Beklagte vergüte die Bereitschaftszeiten nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei aufgrund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden. Folge sei ein Anspruch auf die übliche Vergütung in Höhe des tariflichen Tabellenentgelts von 15,81 Euro brutto/Stunde.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.237,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 618,65 Euro ab 1. Februar und 1. März 2015 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt. Das Tabellenentgelt vergüte die Arbeitsleistung des Klägers, die aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit bestehe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der Bereitschaftszeiten ist erfüllt.

11

I. Die Zahlungsklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zwei Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

12

II. Die Klage ist unbegründet.

13

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil der Kläger seine Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags des Klägers hinzuwirken, weil der Zahlungsantrag in jedem Fall unbegründet ist.

14

2. Der Kläger kann für Bereitschaftszeiten keine weitere Zahlung von 7,90 Euro brutto pro Stunde fordern. Ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB besteht nicht.

15

a) Nach § 612 Abs. 2 BGB wird die übliche Vergütung geschuldet, wenn die arbeitsvertragliche Entgeltabrede im Streitzeitraum unwirksam war oder unwirksam geworden ist. Denn bei Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung ist die Höhe der für die versprochenen Dienste vom Arbeitgeber zu leistenden Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB) nicht (mehr) bestimmt, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die übliche Vergütung hat (vgl. BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 23, BAGE 152, 228).

16

b) Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.

17

aa) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet nach § 2 Arbeitsvertrag der TVöD Anwendung. Der Kläger ist gemäß § 1 Arbeitsvertrag in die Entgeltgruppe 5, Stufe 6 TVöD eingruppiert.

18

bb) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch(vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22).

19

Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 24 mwN; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

20

c) § 612 Abs. 2 BGB gibt dem Kläger keinen Anspruch auf weitere Vergütung für Januar und Februar 2015. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Das Mindestlohngesetz hat weder die arbeitsvertragliche noch die tarifvertragliche Vergütungsregelung in ihrer Wirksamkeit berührt. Vielmehr regelt es eigenständig die Rechtsfolge einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns, indem mit § 1 Abs. 1 MiLoG eine Anspruchsgrundlage formuliert wird(vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 4; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 1a).

21

3. Der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

22

a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26).

23

b) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 27). Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers(zur Auslegung vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 28 f.).

24

c) Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Der Mindestlohn ist für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt, zu zahlen.

25

aa) Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich nach § 3 Arbeitsvertrag iVm. § 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD iVm. dem Anhang zu § 9 B TVöD. Danach wird die in § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD geregelte Arbeitszeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst modifiziert. Die Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert), wobei die Summe aus diesen faktorisierten Bereitschaftszeiten und sog. Vollarbeit nicht die in § 6 Abs. 1 TVöD genannten 39 Stunden pro Woche überscheiten darf. Darüber hinaus darf die Summe aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten.

26

Die Tätigkeit als Rettungsassistent umfasst einen gewissen Anteil an Bereitschaftszeiten iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD(vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag). Es handelt sich dabei um Zeiten, in denen sich der Kläger am Arbeitsplatz oder an einer anderen von der Beklagten bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auf Anordnung aufzunehmen, und in denen Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.

27

bb) Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

28

Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei der Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (vgl. BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82).

29

Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme (Thüsing/Bayreuther MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 50; Lembke NZA 2015, 70, 76; ders. NZA 2016, 1, 5; Schubert/Jerchel/Düwell Das neue Mindestlohngesetz Rn. 96; Viethen NZA-Beilage 2014, 143, 146; aA Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 66; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 4a; diff. Thüsing/Hütter NZA 2015, 970, 973). Leistet der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit, gibt das Gesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn. Das Mindestlohngesetz enthält keine abweichende Regelung. Insbesondere ist auf eine Regelung verzichtet worden, wie sie die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV) vom 27. November 2014 verwendet hat (§ 2 Abs. 3 für Bereitschaftsdienste und § 2 Abs. 4 für Rufbereitschaft), über deren Vereinbarkeit mit dem Mindestlohngesetz (§ 1 Abs. 3, § 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) hier nicht zu entscheiden ist. Ohne eine solche im Gesetz selbst niedergelegte Staffelung fehlt es an einer Legitimation, Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne mit weniger als dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Zumal das Bundesrecht mit der 2. PflegeArbbV zeigt, wie eine derartige Regelung ausgestaltet sein könnte.

30

Werden Bereitschaftszeiten tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt, ändert dies nichts daran, dass jede so erbrachte Zeitstunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. Der gesetzliche Mindestlohn ist zwingend und kann nicht einzel- oder tarifvertraglich gemindert oder abbedungen werden (§ 3 MiLoG). Folglich vermag eine abweichende arbeits- oder tarifvertragliche Regelung nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu erfassen.

31

d) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch des Klägers für die Monate Januar und Februar 2015 bereits durch die allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts iHv. 2.680,31 Euro erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

32

In diesen Monaten überschritt die gezahlte Bruttovergütung iHv. 2.680,31 Euro das Produkt der nach Behauptung des Klägers jeweils - einschließlich Bereitschaftszeit - geleisteten 208,7 Arbeitsstunden multipliziert mit 8,50 Euro (= 1.773,95 Euro brutto). Dies gilt selbst im Fall der denkbaren 228 Arbeitsstunden, die der Kläger in dem für ihn geregelten Arbeitszeitmodell mit Vollarbeit und Bereitschaftszeit in einem Kalendermonat an 19 Arbeitstagen maximal leisten kann. Auch dann übersteigt die Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro brutto), womit in jedem Fall sein Mindestlohnanspruch erfüllt ist.

33

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Reinders    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 9. Dezember 2010 - 1 Ca 769/10 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 239,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers nach einem Mindestlohntarifvertrag.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsfachunternehmen. Sie betreibt ua. eine Niederlassung in S. Dort ist der Kläger als Altpapiersortierer im „4-Schichtsystem“ beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 21. September 2005 heißt es ua.:

        

„4.     

Sie erhalten die Vergütungsgruppe 6 = 6,73 €/ Stunde.

                 

Die Vergütung richtet sich nach den derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen.

        

5.    

Zuschläge und Zulagen werden entsprechend den hierfür geltenden Bestimmungen gewährt. Alle derzeit oder später gezahlten Zulagen sind arbeitsplatzbezogen. Außerdem sind sie stets freiwillige und widerrufliche Leistungen und können auf Lohnerhöhungen, auch wenn sie durch eine Änderung der Lohngruppe bedingt sind, angerechnet werden, soweit sie nicht ausdrücklich als feste Zulagen vereinbart sind.“

3

Der Kläger wird bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in wechselnden Schichten im Umfang von 37,5 Stunden eingesetzt. Wöchentliche Pausenzeiten werden von der Beklagten mit dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn vergütet.

4

Die Beklagte kauft Altpapier an. Das angelieferte Altpapier wird in ihrem Betrieb für die weitere Bearbeitung in sog. De-Inking-Papier für die Papier- sowie in Karton und Papier für die Kartonherstellung getrennt. Nach einer maschinellen Grobsortierung am Förderband einer Sortieranlage, an der ua. der Kläger tätig ist, wird das sortierte Altpapier ausschließlich von der auf demselben Gelände tätigen L GmbH (L GmbH) weiterverarbeitet. Die Altpapierversorgung der L GmbH, die alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist, bildet den Betriebszweck der Beklagten. Bei der L GmbH geht das sortierte Papier vom Förderband in eine Presse und dann in einen Stoffauflöser (sog. Pulper).

5

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte im Jahr 1999 mit dem am Standort S gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV 1999) geschlossen, in der ua. Zuschläge bei regelmäßiger Nachtarbeit iHv. 25 vH und für Spätschichten iHv. 5 vH je Stunde geregelt sind.

6

Am 31. Dezember 2009 wurde im Bundesanzeiger (BAnz. Nr. 198 S. 4573) die auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AEntG(vom 20. April 2009, BGBl. I S. 799) erlassene „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst“ (AbfallArbbV) veröffentlicht. In dieser heißt es ua.:

        

§ 1   

        

Zwingende Arbeitsbedingungen

        

Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Mindestlohntarifvertrages für die Branche Abfallwirtschaft vom 7. Januar 2009 in der Fassung des ersten Änderungstarifvertrages vom 12. August 2009 … finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet oder Dienstleistungen des Kehrens und Reinigens öffentlicher Verkehrsflächen und Schnee- und Eisbeseitigung von öffentlichen Verkehrsflächen einschließlich Streudienste erbringt. …

        

§ 2     

        

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

        

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und am 31. Oktober 2010 außer Kraft.“

7

Der Mindestlohntarifvertrag für die Branche Abfallwirtschaft (vom 7. Januar 2009 idF vom 12. August 2009, nachfolgend TV Mindestlohn) enthält ua. folgende Regelungen:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Räumlicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

        

(2)     

Betrieblicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für die Branche Abfallwirtschaft. Diese umfasst alle Betriebe oder selbstständigen Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Abfälle sammeln, befördern, lagern, behandeln, verwerten oder beseitigen und/oder öffentliche Verkehrsflächen reinigen.

        

Protokollerklärung

        

…       

                 
        

§ 2

        

Mindestlohn

        

Der Mindestlohn beträgt mit Wirkung vom 1. Mai 2009 8,02 Euro je Stunde.

        

(2) Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens am letzten Werktag des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den der Mindestlohn zu zahlen ist.

        

(3) Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.“

8

Die Beklagte, die keinem der tarifschließenden Arbeitgeberverbände des TV Mindestlohn angehört, zahlte dem Kläger in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 einen Stundenlohn von 6,73 Euro brutto sowie für Zeiten von Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 7,45 Euro brutto bzw. 7,47 Euro brutto. Der Kläger erhielt auf Basis des vertraglich vereinbarten Stundenlohns einen Zuschlag iHv. 25 vH für geleistete Nachtarbeit, für Spätschichten einen iHv. 5 vH sowie vermögenswirksame Leistungen iHv. 39,88 Euro brutto im Monat.

9

Der Kläger hat mit seiner der Beklagten am 28. August 2010 zugestellten Klage für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 die monatliche - rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige - Differenz zwischen dem ihm tatsächlich gezahlten Stundenlohn (ohne Berücksichtigung der Zuschläge für Spätschichten und Nachtarbeit sowie den vermögenswirksamen Leistungen) und dem Mindestlohn von 8,02 Euro brutto verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten werde als Abfallverwertungsbetrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Weder die gezahlten Zuschläge für die Spätschichten und die Nachtarbeit noch die vermögenswirksamen Leistungen könnten auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden. Gleiches gelte für die bezahlten Pausen, die vergütet würden, weil Vor- und Nacharbeiten sowie Zeiten der Übergaben ohne Bezahlung blieben.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.285,85 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Mindestlohn stelle eine verfassungswidrige Sonderabgabe dar. Zudem habe der Vorordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn erweitert. Dies führe zur Nichtigkeit der AbfallArbbV. Nach der Richtlinie 2008/98/EG (vom 19. November 2008) sei Altpapier kein Abfall, sondern ein recyclingfähiger Rohstoff, der von ihr für die Produktion von Papier sortiert werde. Es liege weder eine Behandlung noch eine Verwertung von Abfällen vor. Neben den Spätschicht- und Nachtarbeitszuschlägen sowie den vermögenswirksamen Leistungen müssten die vergüteten Pausenzeiten bei der Ermittlung des für wöchentlich 37,5 Stunden gezahlten Entgelts berücksichtigt werden. Selbst wenn nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein Ausgleich für Nachtarbeit zu zahlen sei, wäre ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH des Stundenlohns bereits ausreichend und angemessen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und sie unter Anrechnung der gezahlten Spätschichtzulagen und der vermögenswirksamen Leistungen im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien zurückgewiesen und für beide die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt mit der von ihr eingelegten Revision die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers ist teilweise begründet.

14

Der Kläger kann nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn iVm. § 5 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG für die in der Zeit von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 vergüteten Arbeitsstunden ein Entgelt iHv. 8,02 Euro brutto verlangen. Die Rechtsnormen des TV Mindestlohn gelten für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis (unter I). Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die von ihr geleisteten Zuschläge für Nachtarbeit und die vermögenswirksamen Leistungen den Mindestlohnanspruch des Klägers in den jeweiligen Monaten nicht teilweise erfüllt. Demgegenüber ist der Vergütungsanspruch in den einzelnen Monaten durch Zahlung der Spätschichtzuschläge iHv. 104,99 Euro brutto erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), weshalb die Beklagte nur verpflichtet ist, an den Kläger insgesamt 1.180,96 Euro brutto zu zahlen (unter II).

15

I. Der Betrieb der Beklagten in S wird vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Aufgrund der wirksamen AbfallArbbV findet der TV Mindestlohn im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

16

1. Die AbfallArbbV ist wirksam.

17

a) Ein Verstoß gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten(zu diesem einschlägigen Maßstab BVerfG 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25) liegt nicht vor.

18

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Es fehlt bereits an einer Geldleistungspflicht gegenüber der öffentlichen Hand (zu den Voraussetzungen ausf. BVerfG 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 156; s. auch 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25).

19

bb) Gleiches gilt für die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Verpflichtung, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, die sich aus der erhöhten Zahlungsverpflichtung ergeben, zu zahlen. Es handelt sich bei diesen um Beiträge im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, die nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden (vgl. dazu BSG 25. Januar 2006 - B 12 KR 27/04 R - Rn. 18 mwN zur Rspr. des BVerfG).

20

b) Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Revision verletzt § 4 AEntG auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG, in dem die gesetzliche Regelung die Möglichkeit der zwingenden Anwendung tariflicher Regelungen nur auf bestimmte Branchen ermöglicht.

21

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 ua. - Rn. 73 ff., BVerfGE 133, 377; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 21 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400).

22

bb) Die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 4 AEntG nur bestimmte Branchen aufzunehmen, kann sich auf einen hinreichenden Differenzierungsgrund stützen. Der Gesetzgeber konnte, nachdem (lediglich) die Tarifvertragsparteien der in § 4 Nr. 4 bis Nr. 8 AEntG genannten Branchen bereits bis zum 31. März 2008 Anträge auf Aufnahme in den Regelungsbereich des AEntG gestellt hatten (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23), davon ausgehen, dass die dort üblicherweise durch Tarifverträge geregelten Arbeitsbedingungen (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23) aktuell gefährdet seien (vgl. dazu die Gesetzesbegründung BR-Drucks. 542/08 S. 13, unter Hinweis auf die Erwägungen in BT-Drucks. 13/2414 S. 7). Das gesetzgeberische Handeln war deshalb auch unter Berücksichtigung der Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1 GG möglich(ebenso für das Baugewerbe nach dem AEntG idF vom 19. Dezember 1998, BGBl. I S. 3843 BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 405/00 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 357; sowie Däubler/Lakies TVG 3. Aufl. Anhang 2 zu § 5 TVG Rn. 71).

23

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die AbfallArbbV auch nicht deshalb unwirksam, weil der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn in unzulässiger Weise erweitert hat. Soweit § 1 AbfallArbbV den Anwendungsbereich auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt, wenn der Betrieb oder die Betriebsabteilung „Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet“, ist die gesetzliche Bestimmung inhaltlich identisch mit § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Maßstäben etwa BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238).

24

aa) Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337).

25

bb) Nach diesen Grundsätzen entspricht der Begriff „Abfall“ in § 1 Abs. 2 TV Mindestlohn dem Abfallbegriff in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG(vom 27. September 1994, BGBl. I S. 2705, in Kraft bis zum 31. Mai 2012). Danach sind „Abfälle im Sinne dieses Gesetzes … alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung.“ Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem langjährig unverändert gesetzlich definierten Abfallbegriff abweichen wollten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich.

26

2. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV Mindestlohn erfasst. Bei dem dort sortierten Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. TV Mindestlohn und nicht bereits um einen sog. Sekundärrohstoff. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

27

a) Für die Auslegung der Begriffe „Abfälle“ und „verwerten“ nach § 1 Abs. 2 Satz 2 TV Mindestlohn sind nach den genannten Maßstäben(oben I 1 c bb) die einschlägigen, durch das KrW-/AbfG näher bestimmten Rechtsbegriffe heranzuziehen.

28

b) Bei dem von der Beklagten angekauften Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG(in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung).

29

aa) Abfälle iSd. Gesetzes sind alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Zu diesen beweglichen Sachen zählen nach der Gruppe Q14 „Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z.B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.)“. Die früheren Besitzer haben ihre Sachherrschaft an dem Papier aufgegeben und es einer Verwertung iSd. § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG iVm. dem Anhang II B zum KrW-/AbfG - Fall R2: Verwertung organischer Stoffe - zugeführt. Das ist insoweit zwischen den Parteien auch nicht streitig.

30

bb) Die Abfalleigenschaft des Altpapiers war weder schon vor der Anlieferung entfallen noch wurde sie durch die bei der Beklagten vorgenommene Sortierung und damit vor Verlassen des Betriebsgeländes beendet.

31

(1) Das Ende der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG die Beendigung des Verwertungsverfahrens bei gleichzeitiger Erfüllung der sich aus dem Abfallrecht ergebenden Pflichten des Abfallbesitzers in Bezug auf die Schadlosigkeit der Verwertung voraus. Erst mit der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des Abfalls endet das Regime des Abfallrechts. Die stoffliche Verwertung iSd. § 4 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 KrW-/AbfG durch Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen und somit die Beendigung der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt voraus, dass die Eigenschaften der gewonnenen Stoffe mit den Eigenschaften der zu substituierenden Primärrohstoffe identisch oder vergleichbar sind und ein Auftreten abfalltypischer Gefahrenlagen ausscheidet(BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Dies liegt etwa - unter bloßer Änderung der stofflichen Eigenschaften - vor bei der Gewinnung von Pappe aus Altpapier, von Glas aus Altglas oder von Kupfer aus Kabeln (BVerwG 14. Dezember 2006 - 7 C 4/06 - Rn. 21 f., 14, BVerwGE 127, 250; s. auch 4. September 2009 - 7 B 8/09 - Rn. 9 mwN).

32

(2) Danach handelt es sich beim Vorsortieren unterschiedlicher (Alt-)Papiersorten im Betrieb der Beklagten nicht um ein eigenständiges Verwertungsverfahren, sondern nur um einen ersten Teilschritt einer beabsichtigten weiteren Verwertung - die Bereitstellung des sortierten Ausgangsmaterials für den Betrieb der L GmbH, die im Rahmen eines weiteren Verwertungsprozesses das sortierte Altpapier in einem sog. Pulper weiter bearbeitet, um diejenige Faserstoffsuspension zu gewinnen, die für die Papier- und Kartonagenproduktion geeignet ist. Jedenfalls bei der Beklagten ist der Verwertungsvorgang noch nicht abgeschlossen. Deshalb hat die Abfalleigenschaft des Altpapiers noch nicht geendet. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 19. Juni 2003 - C-444/00 - [Mayer Parry Recycling] Rn. 84, Slg. 2003, I-6163; sowie 11. November 2004 - C-457/02 - [Antonio Niselli] Rn. 52, Slg. 2004, I-10853; 18. Dezember 1997 - C-129/96 - [Inter-Environnement Wallonie] Rn. 34, Slg. 1997, I-7411 zur RL 91/156/EG).

33

(3) Dass die Beklagte das Altpapier am Markt erwirbt, ist für dessen Abfalleigenschaft ohne Bedeutung. Auch die Verwertung von Abfällen ist Teil des Wirtschaftsgeschehens (vgl. EuGH Urteil vom 25. Juni 1997 - C-304/94 - [Tombesi] Rn. 54, Slg. 1997, I-3561). Sowohl das europäische als auch das deutsche Abfallrecht wollen im Interesse der Schonung der natürlichen Ressourcen die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder von Energie aus dafür geeigneten Abfällen befördern. Um dies sicherzustellen, soll der betreffende Stoff so lange den spezifischen Anforderungen des Abfallrechts unterliegen, bis der Verwertungserfolg eingetreten ist. Ob auf dem Weg zu dem Verwertungserfolg Veräußerungsgeschäfte stattfinden, ist grundsätzlich ohne Belang (BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2008/98/EG(vom 19. November 2008, ABl. EG L 312 vom 22. November 2008 S. 3) nicht gefolgert werden, dass „wiederwertbare Stoffe nicht als Abfall gelten dürfen“. Die Beklagte übersieht, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens erforderlich ist und weitere spezifische Kriterien zu erfüllen sind.

34

II. Den Mindestentgeltanspruch auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden hat die Beklagte in den einzelnen Monaten von Januar 2010 bis Juli 2010, die nach der Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn jeweils maßgebend sind, nicht in vollem Umfang erfüllt.

35

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers auf eine Vergütung mit einem Mindestlohn iHv. 8,02 Euro brutto gemäß § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht nur im Umfang der von der Beklagten angenommenen Arbeitsleistung von 37,5 Stunden besteht, sondern aufgrund des bei ihr bestehenden Schichtsystems und der Vergütung von weiteren 2,5 Stunden als „bezahlte Pausen“ im Umfang der vertraglich vereinbarten 40 Stunden. Deshalb kommt eine Umrechnung der auf Basis von wöchentlich 40 Stunden geleisteten Vergütung auf einen Mindestlohnanspruch iHv. lediglich 37,5 Stunden in der Woche - wie es die Beklagte geltend macht - nicht in Betracht.

36

Soweit die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers entgegen der vertraglichen Vereinbarung im Umfang von 2,5 Stunden nicht angenommen hat, befand sie sich entweder - wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat - im Annahmeverzug (§ 615 BGB)oder - was nach dem Vorbringen des Klägers näher liegt - die tatsächliche Durchführung des Arbeitsvertrags ist dahingehend zu verstehen, dass die bezahlten Pausen als Bestandteil der Arbeitszeit zu vergüten war (vgl. dazu etwa BAG 24. November 1999 - 4 AZR 479/98 - zu I 3 der Gründe, BAGE 93, 26; s. auch 24. Mai 2007 - 6 AZR 706/06 - Rn. 20, BAGE 122, 371; 23. Januar 2001 - 9 AZR 4/00 - zu II 3 c bb (3) der Gründe).

37

2. Die von der Beklagten in den Monaten Januar 2010 bis Juli 2010 geleisteten Spätschichtzuschläge haben den Mindestlohnanspruch des Klägers erfüllt (unter a). Die weiteren Zahlungen für Nachtarbeit (unter b) sowie die vermögenswirksamen Leistungen (unter c) haben ihn hingegen nicht zum Erlöschen gebracht (§ 362 Abs. 1 BGB).

38

a) Die gezahlten Spätschichtzuschläge iHv. 5 vH zum vereinbarten Stundenentgelt sind auf den Anspruch des Klägers nach dem TV Mindestlohn anzurechnen, sodass sich der geltend gemachte Anspruch um 104,99 Euro brutto verringert. Der Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn ist in dieser Höhe erfüllt.

39

aa) Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Besteht danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit Sachgruppenbildung nach § 4 Abs. 3 TVG - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen(vgl. dazu etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244: „funktional äquivalent“), ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen (ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 28, BAGE 141, 163).

40

Zur Beurteilung der „funktionalen Gleichwertigkeit“ ist es erforderlich, die „Funktion“ zu bestimmen, die die reale Leistung des Arbeitgebers hat, um sodann festzustellen, ob sie sich auf diejenige vom Arbeitnehmer geleistete oder zu leistende Arbeit bezieht, die nach dem durch eine Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag mit dem Mindestlohn abgegolten sein soll. Für diese Bestimmung der Funktion ist jedenfalls dann der subjektive Wille des Arbeitgebers nicht entscheidend, wenn die Leistung nach einer an anderer Stelle als in dem durch Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag getroffenen Regelung erfolgt und sich ihre Funktion aus dieser Regelung ergibt. Soweit die vom Arbeitgeber danach angewandte Regelung etwa die Arbeitsleistung als besonders schwierig oder als unter erschwerten Bedingungen geleistet ansieht und hierfür einen in den Entgeltabrechnungen gesondert ausgewiesenen „Zuschlag“ an den Arbeitnehmer zahlt, ist dieser gleichwohl auf den Mindestentgeltanspruch anzurechnen, wenn der betreffende Mindestlohntarifvertrag diese Tätigkeit gerade nicht als zuschlagspflichtig ansieht, sondern sie als im Rahmen der mit dem Grundentgelt abzugeltenden „Normaltätigkeit“ bewertet (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 20, BAGE 141, 173; - 4 AZR 139/10 - Rn. 31, BAGE 141, 163).

41

Eine Erfüllungswirkung aller von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich deshalb nicht bereits aus dem Umstand, dass es sich um gezahltes Entgelt handelt. Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung insbesondere nicht auf die Entscheidung des Fünften Senats vom 23. März 2011 (BAG - 5 AZR 7/10 - Rn. 33, BAGE 137, 249) stützen. Das Urteil handelt von der Gewährung der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ gemäß § 10 Abs. 4, § 9 Nr. 2 AÜG während der Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung. Nur für diese Fallgestaltung, nicht aber für die Leistung von „Mindestentgeltsätzen“ iSd. § 5 Nr. 1 AEntG hat der Fünfte Senat auf einen Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum abgestellt.

42

bb) Die von der Beklagten gezahlten Spätschichtzuschläge haben den Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn in Höhe von 104,99 Euro erfüllt.

43

(1) Der nach dem TV Mindestlohn geregelte Mindestlohn erfasst jede Tätigkeit in der Abfallwirtschaft und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitsleistung unter erschwerten Bedingungen einer Spätschicht (dazu etwa BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 34; zur Zahlung einer Wechselschichtzulage wegen der erheblichen Einwirkung auf den Lebensrhythmus vgl. 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 39 mwN, BAGE 128, 42) erbracht wird oder nicht. Der von der Beklagten gezahlte Spätschichtzuschlag vergütet neben dem vertraglichen Stundenlohn iHv. 6,73 Euro brutto die Arbeitsbedingungen des Klägers, die nach dem TV Mindestlohn allein einen Anspruch von 8,02 Euro brutto für die dort geregelte „Normaltätigkeit“ begründen würden (vgl. auch BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 32, BAGE 141, 163 für eine Verkehrsmittelzulage).

44

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus § 2 Abs. 3 TV Mindestlohn kein anderes Ergebnis.

45

(a) Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine eigene tarifliche Kollisionsregelung, die der Auflösung eventueller Anspruchskonkurrenzen dient (dazu BAG 26. September 2012 - 4 AZR 782/10 - Rn. 33). Danach bleiben sowohl günstigere tarifliche als auch - namentlich im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG - betriebliche Regelungen „unberührt“. Für günstigere vertragliche Vereinbarungen wird das sowieso anwendbare Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG im Tarifvertrag festgehalten(vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14).

46

(b) Danach ist es zwar zutreffend, wenn der Kläger ausführt, die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn hätten „die Regelung … von besonderen Erschwernissen anderen Regelwerken … überlassen“. Seine weitere Schlussfolgerung, damit seien etwaige Erschwernisse nicht mit der „Stundenlohnvergütung als abgegolten“ anzusehen, wird von § 2 Abs. 3 iVm. Abs. 1 TV Mindestlohn aber nicht getragen. Entsprechend seinem Regelungswillen bestimmt der TV Mindestlohn als Mindestlohntarifvertrag den Mindestlohn „je Stunde“ unabhängig von den konkreten Arbeitsbedingungen oder „Erschwerungen“. Ihm kann nach Wortlaut und Systematik nicht entnommen werden, einzelne Vergütungsbestandteile, die aufgrund „anderer Tarifverträge, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Vereinbarungen“ zu zahlen sind, seien bei der Bestimmung des „höheren Entgeltanspruchs“ - in Anwendung des TV Mindestlohn einerseits und nach den anderen genannten Rechtsgrundlagen andererseits - nicht zu berücksichtigen.

47

(3) Einer Anrechenbarkeit der Spätschichtzulagen auf den Mindestlohnanspruch steht Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c Richtlinie 96/71/EG nicht entgegen.

48

(a) Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen „Isbir“ (7. November 2013 - C-522/12 - Rn. 36 ff., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14; unter Hinweis auf 14. April 2005 - C-341/02 - [Kommission/Deutschland] Rn. 39, Slg. 2005, I-2733) gibt die Richtlinie 96/71 selbst keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Definition des Mindestlohns. Vielmehr ist im Recht des betreffenden Mitgliedsstaates festzulegen, aus welchen Bestandteilen sich der Mindestlohn zusammensetzt. Die „Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteile des Mindestlohns definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern“, können „nicht aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 als derartige Bestandteile betrachtet werden“ (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 38, aaO).

49

(b) In Anwendung dieser Grundsätze kann nach den Rechtsvorschriften und Praktiken der Bundesrepublik Deutschland dem TV Mindestlohn nicht entnommen werden, dass Zuschläge für Spätschichten „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ worden sind. Die Vergütung für eine Arbeitsleistung unter den zeitlichen Bedingungen einer Spätschicht wurde nach dem TV Mindestlohn nicht einer separaten Regelung vorbehalten. Der tarifliche Mindestlohn ist „je Stunde“ festgelegt und unabhängig von der zeitlichen Lage sowie von den damit verbundenen Bedingungen, unter denen die Arbeitsleistungen zu erbringen sind. Nach den Gepflogenheiten des nationalen Tarifrechts bestand für die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn - grundsätzlich und vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher oder tariflicher Regelungen - kein Erfordernis, ausdrücklich festzulegen, dass diese Entgeltregelung auch Arbeitsleistungen zu bestimmten Tageszeiten oder unter erschwerten Bedingungen erfasst, wenn - wie hier - ein Mindestlohn je Arbeitsstunde vereinbart ist.

50

b) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschläge erloschen.

51

aa) Dem Kläger wurde für geleistete Nachtarbeit ein Zuschlag iHv. 25 vH des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. Dabei kann dahinstehen, ob der Zuschlag auf Grundlage der vom Kläger angeführten BV 1999 - deren weitere Geltung nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte und der vom Landesarbeitsgericht festgestellten „Eingliederung in den Betrieb der Beklagten“ vom Kläger nicht näher dargelegt wurde (dazu BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu III 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 356; 19. Juli 1957 - 1 AZR 420/54 - zu 2 der Gründe, BAGE 4, 232; für eine betriebliche Vergütungsordnung 14. August 2013 - 7 ABR 56/11 - Rn. 26), einer betrieblichen Übung, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, oder in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung nach § 6 Abs. 5 ArbZG geleistet worden ist. Da eine tarifliche Ausgleichsregelung für geleistete Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht bestand(zur vorrangigen Ausgestaltung durch die Tarifvertragsparteien BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272), war die Beklagte nach § 6 Abs. 5 ArbZG verpflichtet, „eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das“ dem Kläger zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist sie durch die Leistung der Nachtarbeitszuschläge als von ihr gewählter Schuldnerleistung (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 102, 309) nachgekommen. Indem sie das ihr nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehende Ermessen für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 ausgeübt hat, hat sie jedenfalls selbst den Inhalt des(gesetzlichen) Wahlschuldverhältnisses konkretisiert.

52

bb) Auch nach den Bestimmungen des TV Mindestlohn hätte die Beklagte über den dort in § 2 Abs. 1 geregelten Mindestlohn hinaus nach dem Inhalt des von ihr konkretisierten Wahlschuldverhältnisses einen Zuschlag für geleistete Nachtarbeit im Rahmen ihrer Ausgleichspflicht nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu leisten gehabt. Der Entgeltbestimmung in § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn kann - anders als für eine Arbeitsleistung unter den Bedingungen einer Spätschicht(oben II 2 a bb) - nicht entnommen werden, dass mit dem tariflichen Mindestlohn von 8,02 Euro zugleich ein Ausgleich iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit geregelt ist.

53

(1) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich braucht zwar nicht nur ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein. Eine stillschweigende Ausgleichsregelung kann den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18 mwN).

54

(2) Der TV Mindestlohn enthält keine ausdrückliche Ausgleichsregelung für die Nachtarbeit. Ihm sind auch keine weiteren Hinweise zu entnehmen, dass die Belastungen durch Nachtarbeit in der Abfallwirtschaft bei der Bemessung des tariflichen Mindestlohns - stillschweigend - berücksichtigt worden sind. Bei Tätigkeiten im Rahmen der „Branche Abfallwirtschaft“ (§ 1 Abs. 2 TV Mindestlohn) fehlt es an Anhaltspunkten, die Tarifvertragsparteien der Abfallwirtschaft hätten diese Belastungen bereits mit dem Grundlohn erfasst. Allein der Umstand, dass in dieser Branche auch Nachtarbeit geleistet wird, reicht für eine solche Annahme nicht aus (vgl. nur BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).

55

(3) Da die Leistung von Nachtarbeitszuschlägen nach den nationalen Bestimmungen des TV Mindestlohn „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ wurde (dazu oben II 2 a bb (3) (a)), können sie, weil der Arbeitnehmer „auf Verlangen des Arbeitgebers … Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet“ auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Bestimmung des Mindestlohns iSd. Richtlinie 96/71 unberücksichtigt bleiben (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 39, ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

56

cc) Diesen in der Vergangenheit als Nachtzuschlag iHv. 25 vH geleisteten Zahlungen kann die Beklagte auf Grundlage von Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht rückwirkend eine teilweise andere Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB zuordnen.

57

(1) Der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, der als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterfällt, ist bereits wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam und kann auch nicht hinsichtlich eines der beiden Teile aufrecht erhalten werden(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 24 f., BAGE 139, 156).

58

(2) Ob der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags gleichfalls enthaltene Anrechnungsvorbehalt (zur Teilbarkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 691/10 - Rn. 33, BAGE 141, 207) überhaupt einen durch Ausübung des Wahlrechts konkretisierten gesetzlich geregelten Zuschlag (dazu BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 15) nach § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit erfasst und die bereits in der Vergangenheit geleisteten Nachtarbeitszuschläge auf den höheren Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn wenigstens teilweise angerechnet werden können(zum vertraglich vereinbarten Vorbehalt hinsichtlich der Tilgungsbestimmung bei übertariflichen Zulagen BAG 27. August 2008 - 5 AZR 821/07 - Rn. 12, 18, 22 ff. mwN), muss der Senat nicht entscheiden.

59

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, sie wolle mit ihrem Vorbringen, ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH sei angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG, eine rückwirkende teilweise Anrechnung der bereits geleisteten Nachtarbeitszuschläge geltend machen, hat sie schon nicht dargetan, dass eine Zuschlagsregelung in dieser - geringeren - Höhe „angemessen“ ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt ein Zuschlag iHv. 25 vH regelmäßig als angemessen (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 19; 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - Rn. 21; 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - zu I 4 b aa der Gründe). Umstände, die es rechtfertigen, hiervon abzuweichen und einen geringeren Zuschlag als angemessen anzusehen (etwa bei Arbeitsbereitschaftszeiten BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 25; oder wenn der vom Gesetzgeber mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern, nicht zum Tragen kommt BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 115, 372), hat die Beklagte weder vorgetragen noch sind solche im Entscheidungsfall ersichtlich.

60

c) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 gezahlten vermögenswirksamen Leistungen erfüllt worden.

61

aa) Vermögenswirksame Leistungen dienen wesentlich anderen Zwecken als der unmittelbaren Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit. Sie sind sowohl nach der Konzeption des nationalen Gesetzgebers als auch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zur langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorgesehen und verfolgen gerade im Hinblick auf die staatliche Förderung konkrete sozialpolitische Zwecke. Trotz regelmäßiger monatlicher Zahlung sind sie nicht dazu bestimmt, unmittelbar dem Bestreiten des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers zu dienen. Sie stehen ihm grundsätzlich nicht zur freien Verfügung, sondern sind zwingend langfristig anzulegen. Dabei gelten je nach Anlageart unterschiedliche Sperrfristen, etwa sieben Jahre bei Sparverträgen über Wertpapiere oder andere Vermögensbeteiligungen (§ 4 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Fünftes VermBG)und sechs Jahre beim Wertpapier-Kaufvertrag (§ 5 Abs. 2 Fünftes VermBG)und beim Beteiligungsvertrag oder dem Beteiligungs-Kaufvertrag mit dem Arbeitgeber (§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 3 Fünftes VermBG). Die vermögenswirksamen Leistungen sind danach unter nationalrechtlichen Gesichtspunkten nicht „funktional gleichwertig“ mit dem vom Arbeitgeber zu entrichtenden Mindestlohn (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 34, BAGE 141, 173). Nach dem Recht der Europäischen Union ergibt sich kein anderes Ergebnis (EuGH 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] - Rn. 43 f., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

62

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine mögliche Kündigung des der jeweiligen Anlageform zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses - hier der vom Kläger geschlossene Bausparvertrag - für eine Anrechenbarkeit ohne Bedeutung. Die von der Beklagten selbst für den Kläger nach § 2 Abs. 1 Einleitungssatz Fünftes VermBG angelegten Geldleistungen sind nach ihrer Zweckbestimmung gerade nicht dazu bestimmt, den laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern dienen der Vermögensbildung des Arbeitnehmers(§ 1 Abs. 1 Fünftes VermBG).

63

Darüber hinaus ist der Kläger aus keinem Rechtsgrund gehalten, die zwischen den Parteien vereinbarte Zweckbestimmung der von der Beklagten geleisteten vermögenwirksamen Leistungen zu ihren Gunsten abzuändern, um - wie diese meint - eine Anrechenbarkeit herbeizuführen.

64

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

65

III. Die Kostentscheidung ergibt sich in Anwendung von § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Valerie Holsboer    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.