Arbeitsgericht Pforzheim Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 Ca 208/17

bei uns veröffentlicht am05.04.2018

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf EUR 1.803352,33 festgesetzt.

4. Die Berufung wird ausdrücklich zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen durchgeführter Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Klägerin betrieb in P. den Städtischen Linienbusverkehr. Sie beschäftigte im März 2016 noch ca. 240 Mitarbeiter, die größtenteils bei der Beklagten gewerkschaftlich organisiert waren. Alleinige Gesellschafterin der Komplementärin und alleinige Kommanditistin der Gesellschaft war die Stadt P.. Grundlage der von der Klägerin zu erbringenden Fahrdienstleistungen war ein mit der Stadt P. (Eigenbetrieb P. Verkehrs- und Bäderbetriebe, EPVB) bestehender Verkehrsvertrag, der zum 10. Dezember 2016 endete.
Die Stadt P. hat als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs in dem am 2. Mai 2015 erschienenen Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ihre Absicht bekanntgegeben, mit Wirkung zum 11. Dezember 2016 eine wettbewerbliche Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Busverkehr in der Stadt P. vorzunehmen. Beabsichtigt war, dass die Klägerin sich hierauf hätte bewerben sollen. In dieser Vorabbekanntmachung erfolgte jedoch auch der Hinweis, dass Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für vorrangige eigenwirtschaftliche Verkehre spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung gestellt werden können. Einen solchen Antrag stellte die Bahntochter R. R. Südwest GmbH Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. Januar 2016 wurde der R. die Genehmigung zur eigenwirtschaftlichen Erbringung der Linienverkehre im Bündel „Stadtverkehr P.“ erteilt. Die Konzessionsübergabe erfolgte sukzessive für einzelnen Linien zum 14. Dezember 2016, 10. Juni 2017 und 10. Dezember 2017. Damit war der Stadt P. die Grundlage entzogen, der Klägerin einen neuen Verkehrsvertrag anzubieten. Der Gemeinderat der Stadt P. beschloss daraufhin am 15. März 2016, die Klägerin zum 31. Dezember 2016 aufzulösen und den Betrieb stillzulegen. Die Beschlüsse des Gemeinderates vom 15. März 2016 wurden im Rahmen einer Gesellschafterversammlung der Klägerin am 21. März 2016 durch entsprechende Gesellschafterbeschlüsse umgesetzt. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin war zum 31. Dezember 2016 zu schließen und das Unternehmen abzuwickeln. Die Geschäftsführung der Klägerin wurde mit der Umsetzung der Maßnahme beauftragt.
Die Klägerin stellte ihren operativen Geschäftsbetrieb nach Kündigung aller bestehenden Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des 31. Dezember 2016 ein, und befindet sich seitdem im Stadium der Abwicklung. Der Fuhrpark der Klägerin wurde bereits durch Veräußerung verwertet. Die Veräußerung des weiteren Anlagevermögens ist im Gang. Das von der Klägerin pachtweise genutzte Betriebsgelände wird nach vollständiger Räumung an den Eigentümer zurückgegeben werden.
Die Klägerin ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Die Arbeitsbedingungen in ihrem Betrieb sind jedoch mit der Beklagten durch ein umfangreiches Tarifwerk geregelt, das aus folgenden Tarifverträgen besteht:
- Haustarifvertrag für die S. GmbH & Co. KG vom 28.03.2012
- Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 in der Fassung des Nachtrags vom 19.05.2014 (vgl. insoweit Anlage 01). Dieser Tarifvertrag wurde unter den Daten 31.01.2014 für die S. von der Geschäftsführerin Frau W. unterschrieben, und am 18.02.2014 für ver.di von Frau S. und Herr H. sowie am 07.03.2014 für die Stadt P. von Herrn E., Stadtdirektor.
Der Nachtrag zum Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 wurde am 19.05.2014 für die S. von Frau W., Geschäftsführerin der Klägerin, für die Beklagte wiederum von Frau S. und Herrn H. unterschrieben, und für die Stadt P. von Herrn Bernhard E. (Stadtdirektor).
- Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15./23.07.2015 zum Tarifvertrag vom 31.01./10.02.2014 (Anlage 01). Dieser wurde am 23.07.2015 von Frau W., Geschäftsführerin der Klägerin für die S. unterschrieben, am 15.07.2015 für ver.di wiederum von Frau S. und Herrn H., und unter Benutzung des Dienstsiegels der Stadt P.“ für die Stadt P. „von Herrn E. (Stadtdirektor).
10 
- Der TV 2014 ist nach Maßgabe eines Änderungs- und Ergänzungstarifvertrages vom 15.07./23.07.2015 erstmalig zum 30.06.2018 kündbar. Eine Kündigung wurde durch die Parteien bisher nicht erklärt.
11 
Der Haustarifvertrag vom 04.05.2007 wurde im Jahr 2014 gekündigt und mit Tarifvertrag vom 31.01.2014/18.02.2014 wieder mit einzelnen Änderungen in Kraft gesetzt.
12 
Im Tarifvertrag 2014 heißt es, soweit vorliegend von Interesse:
13 
„§ 1 Nr. 5 Beschäftigungssicherung
14 
An die Stelle der zum 31.12.2013 auslaufenden Regelung in § 2 Haustarifvertrag tritt folgende Bestimmung:
15 
5.1 Gegenüber kündigungsgeschützten Beschäftigten, die bei der S. zum Stichtag 01.02.2014 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, ist eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in der Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.12.2026 ausgeschlossen.
16 
5.2 Ausnahmsweise sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (z. B. durch Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen) so ändert, dass die S. zu Maßnahmen greifen muss, die sich zur Anzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG verpflichten.“
17 
Im Haustarifvertrag befinden sich unter anderem folgende mit dem TV 2014 wieder in Kraft gesetzte Regelungen:
18 
„§ 22 Anwendung weiterer Tarifverträge
19 
1. Neben diesem Tarifvertrag sind die nachfolgenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden:
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a. Der Tarifvertrag, über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987
21 
§ 26 Inkrafttreten.
22 
…(5) Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, bei drohendem Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit oder drohendem Verlust von Leistungen bei einem oder mehreren Unternehmen bzw. in vergleichbaren Fällen gravierender Veränderungen der Geschäftsgrundlage für diesen Tarifvertrag unverzüglich in Verhandlungen einzutreten.
23 
In diesen Fällen werden die Tarifvertragsparteien insbesondere aus ursächlichen Veränderungen der Marktsituation die notwendigen Folgerungen im Sinne einer zielgerichteten Fortschreibung dieses Tarifvertrages ableiten, damit ihr Hauptanliegen (Sicherung des Geschäftes und der öffentlichen Arbeitsplätze) unverändert verfolgt werden können….“
24 
Auf Aufruf der Beklagten wurde der Betrieb der Verfügungsklägerin im Zeitraum 09.03.2016 bis 01.07.2016 an insgesamt 34 Tagen bestreikt (vgl. bzgl. der einzelnen Tage Aktenseiten 6 und 7). Sämtliche Streikhandlungen erfolgten ohne Vorankündigung durch die Beklagte. Seit Juli 2016 fanden keine weiteren Streikmaßnahmen mehr statt.
25 
Die jeweiligen Streikaufrufe der Beklagten liegen der Klägerin nicht vollständig vor. Die Beklagte verfolgte ausweislich ihrer Streikaufrufe und Verlautbarungen (Anlagen 02 bis 07) das Ziel einer Verlängerung des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31.12.2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 und einer Betriebsfortführung der Klägerin bis dahin. Dies vor dem Hintergrund, dass die Konzession für den größten Teil der Buslinien des Stadtverkehrs noch bis Juni 2017 bei der Klägerin lag. Außerdem begehrte die Beklagte in ihren Streikaufrufen vom 30.03.2016 und 16.03.2016 den Abschluss eines Sozialtarifvertrages und „endlich konkrete Arbeitsplatzangebote und intelligente Lösungen im Sinne des § 22 HausTV“. Es heißt insoweit wörtlich: „Seit Monaten liegen uns von der Geschäftsführung, aber auch von Seiten der Gesellschafterin, der Stadt P., lediglich mündliche Zusagen vor, im Sinne des Ratio TV vorgehen zu wollen)“.
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Die Streikaufrufe vom 27.04.2016 und 28.04.2016 enthalten die Forderung: „Wir bleiben dabei, wir fordern den Abschluss eines Sozialtarifvertrages!“.
27 
Es existiert außerdem ein Schreiben „an alle Beschäftigen bei den Verkehrsbetrieben in P.“ vom 04.03.2016 dessen Inhalt wie folgt lautet:
28 
„Liebe Kolleginnen und Kollegen,
29 
heute, am 04.03.2016, fand im ver.di Haus die zweite Verhandlungsrunde statt. Die S. war durch die Herren Z. und L. vertreten. Von der Stadt war leider niemand anwesend…..
30 
Wir haben eingefordert:
31 
1. Teilnahme von Vertretern der Stadt bei den zukünftigen Verhandlungen.
32 
2. Fortführung des Betriebes, auf jeden Fall über den 31.12.2016 hinaus!
33 
3. Sicherung der Bedingungen – wie im SanierungsTV verhandelt.
34 
4. Übersicht über alle bei der Stadt zur Verfügung stehenden Stellen (im Sinne des § 22 HausTV).
35 
5. Wahrheitsgemäße Ergänzung der Beschlussvorlage Q0645 (vor allem Ergänzung um die tariflichen Verpflichtungen der Stadt) für alle Gemeinderatsmitglieder.
36 
Ergebnis: ………..Einvernehmen bestand auch darüber, dass dringendst zwischen allen Beteiligten (Stadt, S., R., ver.di) die weitere Vorgehensweise verbindlich und in Schriftform vereinbart werden muss. Einen entsprechenden Entwurf hat die Geschäftsführung ebenfalls bis zum 08.03.2016 zugesagt. Auch im Resümee haben wir gemeinsam festgehalten, dass es unumgänglich sein wird, die Stadt von ihrer bisher starren Verweigerungshaltung abzubringen. In Sachen Fürsorgepflicht besteht hier noch deutlich Luft nach oben.
37 
Wie geht’s weiter? Die Tarifverhandlungen werden am 11.03.2016 bei ver.di fortgeführt. Wir zählen auch da auf Eure Unterstützung!!!“.
38 
Die rechtliche Qualität dieses Schreibens ist zwischen den Parteien streitig.
39 
Es gab auch weitere Verlautbarungen der Beklagten, in denen ihrerseits insbesondere die vertragliche Einbeziehung der Stadt P. in die als „Sozialtarifvertrag „bezeichnete Regelung gefordert wurde.
40 
Es existiert eine Pressemitteilung vom 14.03.2016 (Anlage K8), die soweit maßgeblich wie folgt lautet:
41 
„….ver.di drängt darauf, dass auch die Stadt sich endlich an den Verhandlungen beteiligt und damit ihrer Verantwortung als Eigentümerin des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten nachkommt….“
42 
Weiter existieren Pressemitteilungen vom 03.04. und 08.04.2016:
43 
 „……ver.di fordert den Weiterbetrieb über den 31.12. hinaus bis Mitte 2017 und einen Sozialtarifvertrag, der für die Beschäftigten die Abmilderung der angedrohten Massenentlassungen bedeuten könnte.
44 
 Dazu gehört, dass die Beschäftigten, die zur R. übergehen, einen Ausgleich für die Lohneinbußen von etwa 500,00 EUR monatlich bekommen, dass rentennahe Beschäftigte mit einer Abfindung in vorzeitigen Ruhestand gehen können, dass Beschäftigte bei der Stadt, städtischen oder privaten Unternehmen, einen gleichwertigen Ersatzarbeitsplatz erhalten können, und dass über eine Transfergesellschaft die Mitarbeiter aufgefangen werden können, die bis Mitte 2017 nicht vermittelt sind. Dazu braucht die S. die Unterstützung ihres 100 %igen Gesellschafters, weil ihr Betriebsvermögen für diese Maßnahmen nicht ausreichen wird….“
45 
(vgl. insoweit Anlagen K9 und K10).
46 
Es existiert weiter eine Pressemitteilung vom 12.05.2016, die lautet wie folgt:
47 
„…..die Stadt entzieht sich nach wie vor ihrer Verantwortung. Noch am 01.05. erklärte der Oberbürgermeister H. auf der Maikundgebung, dass ihm das Schicksal nicht egal ist und es eine Lösung geben wird. Seither ist nichts aber auch gar nichts passiert. Immer wieder fordert ver.di zu Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag auf, aber die Stadt und der Oberbürgermeister H. weigern sich die nötigen Mittel für eine Lösung, die auf dem Tisch liegt – bereitzustellen bzw. Alternativen für die Kolleginnen und Kollegen zu finden….“(vgl. Anlage K11).
48 
Es sind weitere Pressemitteilungen vom 21.04.2016 (Anlage K12 v. 08.05.2016, Anlage K13) vorgelegt worden.
49 
Die Klägerin hatte allen Busfahrern betriebsbedingt gekündigt. Es war eine Vielzahl an Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Pforzheim anhängig.
50 
Die Klägerin hat seit ca. Mitte April 2016 einen ständigen Ersatzverkehr eingerichtet gehabt, den sie bis Dezember 2016 unterhielt, der an streikfreien Tagen teilweise parallel zum normalen Busbetrieb fuhr und ab Juli 2016 als Ersatz für den normalen Busbetrieb.
51 
Die Klägerin hat sich von vornherein auf die Auffassung gestellt, die Streiks der Beklagten seien rechtswidrig und deshalb zu untersagen.
52 
Sie hat deshalb mit Antragsschrift vom 11.03.2016 beim Arbeitsgericht Pforzheim einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung gegenüber der Beklagten erhoben, die Mitglieder und andere Mitarbeiter……..zu Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Arbeitsniederlegungen, aufzurufen oder aufrufen zu lassen, um den Abschluss eines Sozialtarifvertrages, insbesondere mit dem Inhalt einer Fortführung des Betriebs der Antragstellerin über den 31.12.2016 hinaus, und/oder unter Beteiligung der Stadt P. zu erzwingen.
53 
Dieses Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 6 Ga 1/16 geführt.
54 
Das Arbeitsgericht Pforzheim wies die entsprechenden Verfügungsanträge der Klägerin mit Urteil vom 16.03.2016 zurück. Das Arbeitsgericht vertrat den Standpunkt, dass es an einem Verfügungsanspruch fehle, weil durch die Klägerin nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass die seinerzeitigen oder geplanten künftigen Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten rechtswidrig und somit zu unterlassen seien (vgl. bzgl. des exakten Inhalts der Entscheidung Aktenseiten 181 bis 188 in 6 Ga 1/16).
55 
Gegen dieses Urteil hatte die Klägerin Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegt, welche unter dem Aktenzeichen 4 SaGa 2/16 geführt wurde.
56 
Diese Berufung wurde mit Urteil vom 03.08.2016 zurückgewiesen.
57 
Anders als das Arbeitsgericht Pforzheim gelangte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu der Feststellung, dass der Beklagten jedenfalls ein Verfügungsanspruch zustand, weil die Beklagte in rechtswidriger Weise das Ziel verfolgte, die Stadt P. im Rahmen tariflicher beschäftigungssichernder Maßnahmen mit einbinden zu wollen.
58 
Das Landesarbeitsgericht führte insoweit in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:
59 
„a. Ein Tarifziel kann nur rechtmäßig sein, wenn es auch vom Gegner des Arbeitskampfes, also der anderen Tarifvertragspartei erfüllt werden soll. Forderungen, die bei einem erstrebten Haustarifvertrag nicht vom bekämpften Arbeitgeber erfüllt werden sollen, sondern von Dritten, sind rechtswidrig.
60 
b. Dies angewendet, müssen die Äußerungen der Verfügungsbeklagten differenziert betrachtet werden,
61 
aa.) Soweit lediglich gefordert wurde, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle, kann dies tatsächlich noch losgelöst vom eigentlichen Streikziel des Abschlusses eines Sozialtarifvertrages betrachtet werden…. Insoweit handelte es sich tatsächlich nur um einen begleitenden politischen Appell und nicht um die eigentliche Tarifforderung, die weiterhin der Abschluss eines Sozialtarifvertrages ist.
62 
bb.) Jedoch kann die Forderung, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch soll, nicht losgelöst vom Inhalt des erstrebten Sozialtarifvertrages gesehen werden. Die Verfügungsbeklagte bekundete in ihren Streikaufrufen und Verlautbarungen mehrfach, dass es ihr um beschäftigungssichernde Maßnahmen in einer entsprechenden Anwendung von § 22 Haus TV in Verbindung mit dem TV RatioAng angehe, somit um die anderweitige Unterbringung der bei der Verfügungsklägerin wegen der Stilllegung ausscheidenden Busfahrer. Da die Verfügungsklägerin über keine anderweitigen Betriebe zur Unterbringung der Busfahrer verfügt, geht es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze bei der Stadt P.. Dies äußerte die Verfügungsklägerin auch deutlich z. B. im Streikaufruf vom 04.03.2016. Darin heißt es unter anderem, dass eine Übersicht über alle bei der Stadt P. zur Verfügung stehenden Stellen (im Sinne des § 22 Haus TV) vorgelegt werden solle. Deshalb sollen auch die Vertreter der Stadt P. bei den zukünftigen Verhandlungen teilnehmen. Dass es der Verfügungsbeklagten gerade um diese beschäftigungssichernde Unterbringung auf anderen Arbeitsplätzen bei der Stadt P. ging, bestätigen die Vertreter der Verfügungsbeklagten auf Nachfrage der Kammer nochmals ausdrücklich. Dies geht über einen bloßen Appell an die politische Verantwortung hinaus. Es sollten auch für die Stadt P. verbindliche Regelungen zur Unterbringung von Busfahrern getroffen werden. Ein solches Ziel zu Lasten eines Dritten, der nicht als Arbeitgeber Tarifpartei ist, ist eindeutig unzulässig.“
63 
Das Landesarbeitsgericht verneinte jedoch am 03.08.2016 das Vorliegen eines Verfügungsgrundes unter anderem mit folgender Begründung: „Die Verfügungsklägerin scheint angesichts des derzeit funktionierenden und parallel zum Regelbetrieb laufenden dauerhaften Ersatzverkehrs ausreichend geschützt.
64 
Die dadurch von der Verfügungsbeklagten verursachten Mehrkosten kann sie von dieser im Rahmen des Schadensersatzes geltend machen. Anhaltspunkte, dass die Verfügungsbeklagte zur Deckung dieser Schäden nicht in der Lage sein sollte, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht.“ (vgl. bzgl. der Einzelheiten des Urteils des Landesarbeitsgerichts Aktenseiten 95 bis 114 des Verfahrens 4 Sa Ga 2/16).
65 
Im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Landesarbeitsgerichts vom 03.08.2016 erklärte Herr R. S. , Gewerkschaftssekretär und Verhandlungsführer der Beklagten auch in den mit der Klägerin geführten Tarifgesprächen und Verhandlungen ausweislich des Protokolls: „Die Antragsgegnerseite erklärt auf ausdrückliche Nachfrage, was mit dem Tarifziel eines analogen Rationalisierungsschutztarifvertrages gemeint gewesen sei, dass die Arbeitnehmer anderweitig hätten untergebracht werden sollen. Ursprünglich sei angedacht gewesen, sie bei der Bahn bzw. der R. unterzubringen, aber auch eine Unterbringung bei der Stadt sei angedacht gewesen, entsprechend den Regelungen des TV Ratio.“…….“Wenn es Absichten zu Arbeitskampfmaßnahmen bei der Antragstellerseite gäbe, müssten diese Absichten über seinen Tisch laufen. Derzeit habe er keinerlei Erkenntnisse, dass auf Bundesebene entsprechende Streikmaßnahmen bei der Antragstellerseite geplant seien.“
66 
Die Beklagte erklärte den von ihr geführten Arbeitskampf zu keiner Zeit für beendet.
67 
Die Klägerin hat im Rahmen eines bezifferten Leistungsantrags von 1.213.769 EURO Schadenspositionen bestehend aus Pönalen wegen nicht erbrachter Nutzkilometer, Kosten für Ersatzverkehr und Subvergaben sowie entgangene Einnahmen abzüglich ersparter Personal-und Sachkosten in Höhe von 995.632,00 EUR für den Zeitraum vom 09.03.2016 bis 31.08.2016 geltend gemacht, und den Erlösmalus der von ihr für das gesamte Jahr 2016 in Höhe von behaupteten 218.137,00 EUR geltend gemacht wird.
68 
Die Schadensposition Pönale wird mit der Behauptung geltend gemacht, dass sich die der Klägerin nach dem Verkehrsvertrag jährlich zustehende Vergütung (Abgeltung) vertraglich im Fall der Nicht- oder Schlechtleistung um vereinbarte Pönalen reduziert.
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 Die ursprünglich hierzu in § 42 Verkehrsvertrag vorgesehene Regelung wurde als Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens nach § 53 Verkehrsvertrag im Jahr 2010 modifiziert. Die Einigung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens sieht für Fahrtausfälle in Ziffer 1.1.2 – soweit hier von Interesse – folgende Regelung vor:
70 
„Fahrtausfälle:
71 
Streik: Im Fall des Streiks der Mitarbeiter/innen – der S. Stadtverkehr P. GmbH & Co. KG – entfallen neben der Fahrleistung, ausgedrückt in Nutzkilometern und Umlaufstunden, auch die gesamten Serviceleistungen wie beispielsweise Fahrkartenverkauf und Kundenberatung im Servicecenter, Beschwerdemanagement, Auskünfte im Callcenter und Betriebsplanung. Deshalb wird im Falle des Streiks ein höherer Kostensatz von 2,500 EUR pro Kilometer angewendet. Die Berechnung erfolgt analog der Formel für tatsächliche Fahrtausfälle. Zusätzlich leistet die S. eine Zahlung von 300,00 EUR je durch den Streik geschlossener Stunde des Servicecenters an den EPV.“
72 
Die Klägerin hat im Rahmen dieser Schadensersatzklage behauptete, streikbedingte Pönalen in einer Größenordnung von 415.402,78 EUR geltend gemacht (vgl. insoweit Aktenseiten 22 bis 31).
73 
Die Klägerin hat außerdem an Kosten für Ersatzverkehr und Subvergaben im Rahmen dieses Verfahrens insgesamt 2.880.655,26 EUR geltend gemacht, auf die sie sich ersparte Personal/Sachkosten in Höhe von 1.691.572,22 EUR anrechnen ließ (bezüglich dieser Schadensposition vgl. insoweit Aktenseiten 31 bis 99).
74 
Sie hat außerdem an entgangenen Einnahmen 4.656,60 EUR geltend gemacht (vgl. insoweit Aktenseiten 99 bis 103).
75 
Mit der Klagerweiterung vom 16.11.2017 hat die Klägerin außerdem den Erlösmalus für das gesamte Jahr 2016 in Höhe von 218.137,00 EUR geltend gemacht (vgl. insoweit Aktenseite 359), und einen Feststellungsantrag erhoben..
76 
Die Klägerin führt aus,
77 
dass die Beklagte der Klägerin umfassend zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die gegen den Betrieb der Klägerin gerichteten massiven Streikhandlungen der Beklagten seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Dies folge aus einem Verstoß der Beklagten gegen die relative Friedenspflicht ebenso wie aus der Verfolgung rechtswidriger Streikziele. Der Klägerin sei durch die rechtswidrigen Streikhandlungen der Beklagten, wie im Einzelnen dargelegt, erheblicher Schaden entstanden, den die Beklagte zu ersetzen habe. Die Ersatzpflicht der Beklagten folge wegen Verletzung der relativen Friedenspflicht aus § 280 Abs. 1 BGB sowie unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Eingriffs der Beklagten in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
78 
Die Klägerin habe ihrem Betriebsrat frühzeitig bereits im Januar 2016 Verhandlungen über einen Interessenausgleich im Sinne von §§ 111 ff. BetrVG angeboten. Zu Verhandlungen sei es jedoch aufgrund der Verweigerungshaltung des Betriebsrats auch im Rahmen eines durch die Klägerin initiierten und im Juli 2016 durchgeführten Einigungsstellenverfahrens nicht gekommen. Die Beklagte habe sich von Beginn an intensiv in die Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat eingeschaltet und die Klägerin zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufgefordert. Sie habe von Anfang an folgende Tarifforderungen formuliert:
79 
-Fortführung des Betriebes der Klägerin über den 31.12.2016 hinaus und Beschäftigungssicherung bis 2026 -Eintritt der Stadt P. in Tarifverhandlungen (gemeinsam an den Tisch).
80 
In sämtlichen Verlautbarungen der Beklagten sei die vertragliche Einbeziehung der Stadt P. in die als Sozialtarifvertrag bezeichnete Regelung gefordert worden.
81 
Dies sei aus Sicht der Beklagten auch essentiell und unerlässlich gewesen, weil nach dem angekündigten Wegfall aller Arbeitsplätze bei der Klägerin naturgemäß nur die Stadt P. für intelligente Lösungen im Sinne des §§ 22 Haus TV, sprich den Erhalt von Arbeitsplätzen hätte bürgen können, und die Klägerin, wie die Beklagte gewusst und offen kommuniziert habe, wirtschaftlich gar nicht in der Lage gewesen sei, die Wünsche der Beklagten an die Dotierung eines gedachten Sozialtarifvertrages zu erfüllen.
82 
Es sei der Beklagten nicht darum gegangen, die Stadt P. an ihre politische Verantwortung zu erinnern, sondern eine Beteiligung der Stadt P. an einer als Sozialtarifvertrag bezeichneten Regelung sei offen eingefordert worden. Auch in der internen Kommunikation mit ihren Mitgliedern habe die Beklagte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass ihr wesentliches Arbeitskampfziel darin bestanden habe, die Stadt P. in den angestrebten Sozialtarifvertrag einzubinden, und dort unmittelbare Rechte und Pflichten auch im Verhältnis zu dieser festzuschreiben. Die Beklagte habe Angebote der Stadt P. erwartet, die auch bereits rein rechtlich nur in eigener Person und durch rechtsgeschäftliches Handeln ihres obersten Verwaltungsorgans oder eines entsprechend bevollmächtigten Vertreters in der Lage gewesen wäre, eine Übernahme auf Stellen in der Stadt verbindlich zuzusagen und entsprechende tarifvertragliche Verpflichtungen einzugehen. Die Klägerin habe insoweit – wie auch die Beklagte gewusst habe – gar keine Befugnisse gehabt. Die Stadt P. habe eine Teilnahme an den zwischen den Parteien des Rechtsstreits geführten Tarifgesprächen und Verhandlungen ebenso zurückgewiesen wie den Vorschlag einer Schlichtung. Darin habe für die Beklagte, die genau gewusst habe, dass die Klägerin mangels verbleibender Arbeitsplätze keine intelligenten Lösungen im Sinne des § 22 HausTV anbieten gekonnt habe, und auch bereits ihr gesamtes Betriebsvermögen zur Verwertung im Rahmen des sozialen Ausgleichs zur Verfügung gestellt und so gesehen nichts mehr zu bieten gehabt habe die Krux des von ihr gegen die Klägerin geführten Arbeitskampfes gelegen. Die Beklagte sei offensichtlich darauf angewiesen gewesen, und habe mit ihren Arbeitskampfhandlungen erkennbar nur darauf abgezielt, die Stadt P. in eine als Sozialtarifvertrag bezeichnete Regelung einzubinden, weil nur die Stadt P. für anderweitige Arbeitsplätze und eine aus Sicht der Beklagten angemessene Dotierung des sonstigen sozialen Ausgleichs Sorge habe tragen können. Die Klägerin sei für die Beklagte als alleinige Partnerin des von ihr angestrebten Tarifvertrages offenkundig wertlos gewesen. Die Beklagte habe auch ungeachtet der rechtlichen Einschätzung des Landesarbeitsgerichts am 03.08.2016 auch in der mündlichen Verhandlung nicht von ihrem rechtswidrigen Tarifziel Abstand genommen und kein klares Bekenntnis zur Unterlassung entsprechender Streikhandlungen abgegeben. Die Forderung der Beklagten nach Beschäftigungssicherung im Sinne einer entsprechenden Anwendung von § 22 HausTV i. V. m. dem Rationalisierungsschutztarifvertrag vom 09.01.1987 durch Angebot anderweitiger Arbeitsplätze durch die Stadt P. habe sich wie ein roter Faden durch die zwischen den Parteien des Rechtsstreits seit Anfang 2016 geführten Tarifgespräche und Verhandlungen gezogen. Es sei hier von Seiten der Beklagten von Beginn an eine aus Sicht der Beklagten bedarfsgerechte Paketlösung aus der Zurverfügungstellung von Arbeitsplätzen durch die Stadt P. einerseits und ergänzenden, insbesondere monetär wirkenden Ausgleichsregelungen, wie etwa Abfindungen, Sprinterprämien, Entgeltausgleichszahlungen etc. eingefordert worden. Besonders deutlich sei die von der Beklagten hergestellte Verknüpfung zwischen dem Angebot anderweitiger Arbeitsplätze durch die Stadt P. und ergänzender Ausgleichsregelungen in der Verhandlungsrunde der Parteien am 11.03.2016 in Karlsruhe geworden, die von Seiten der Beklagten nach nur wenigen Minuten abrupt beendet worden sei, nachdem Herr Z., damaliger Geschäftsführer der Klägerin die Frage des Verhandlungsführers der Beklagten von Herrn S., ob er Arbeitsplätze bei der Stadt P. mitgebracht habe, verneint habe. An diesem Punkt sowie an dem die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Klägerin weit übersteigenden Gesamtvolumen, der von der Beklagten für Zwecke des sozialen Ausgleichs eingeforderten Leistungen seien auch die weiteren Verhandlungsrunden gescheitert. Dies habe auch für die letzte Verhandlungsrunde am 22.06.2016 in P. gegolten, in der die Vertreter der Klägerin durch den Verhandlungsführer der Beklagten, Herrn S., mit der Bemerkung: “So kommen Sie hier nicht heraus“ wiederholt aufgefordert worden seien, zum Telefon zu greifen und die verbindliche Zusage der Stadt P. einzuholen, die erforderlichen Arbeitsplätze und die aus Sicht der Beklagten für den weiteren sozialen Ausgleich benötigten und von der Klägerin aus eigener Kraft nicht leistbaren Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Klägerin dies abgelehnt und deutlich gemacht habe, dass es nicht in ihrer Macht stehe, auf die Willensbildung der Gesellschafterin Einfluss zu nehmen, und das geforderte Engagement der Stadt P. nach der geltenden Beschlusslage des Gemeinderates auch nicht zu erwarten sei, sei auch diese letzte Verhandlungsrunde ergebnislos geblieben. Die Beklagte habe ihre Tarifziele auch im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem lag Baden-Württemberg und im Weiteren auch nach Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03.08.2016 sowie in der Folge bis zuletzt nicht korrigiert. Zwar habe die Klägerin rein tatsächlich seit August 2016 keine Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten mehr erdulden müssen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Klägerin bis zuletzt unter fortbestehender Streikdrohung der Beklagten gestanden habe, und mit entsprechendem Aufwand Vorkehrungen zu treffen gehabt habe, um den Fahrbetrieb auch bei akuten Streikhandlungen soweit wie möglich sicher zu stellen. Die Klägerin habe keine Chance gehabt, den Einkauf von Drittleistungen auf die eigentlichen Streiktage zu beschränken, und hätte selbst wenn am jeweiligen Streiktag kurzfristig Kapazitäten verfügbar gewesen wären, aufgrund der fehlenden Vorankündigung der Streikhandlungen durch die Beklagte und des erforderlichen zeitlichen Vorlaufs des beauftragten Dritten jedenfalls einen nennenswerten Teilausfall, der an diesem Tag zu erbringenden Verkehrsleistungen erdulden müssen. Sie sei aber als Konzessionsnehmerin sowie aufgrund des Verkehrsvertrages zur Durchführung der definierten Verkehrsleistungen im Linienbündel „Stadtverkehr P.“ verpflichtet geblieben, und habe soweit möglich anderweitig Vorsorge gegen zu erwartende Leistungsausfälle zu treffen gehabt. Dazu habe sie sich des Mittels des Ersatzverkehrs bedient, d. h. des Einkaufs entsprechender Verkehrsleistungen bei Dritten, nicht streikbetroffenen oder streikbedrohten Busunternehmen sowie diesen ergänzenden anderweitigen Subvergaben. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, die Leistungen des Ersatzverkehrs von Beginn an für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel einen Monat zu planen und zu beauftragen, wobei der Ersatzverkehr ursprünglich neben den eigentlichen Fahrplan und ab Mitte Juli 2016 an dessen Stelle getreten sei, um Doppelverkehre an den Nichtstreiktagen zu vermeiden. Ab Mitte Juli 2016 sei der Betrieb der Klägerin primär durch den monatelangen Arbeitskampf, aber auch durch den beginnenden vorzeitigen Austritt von Mitarbeitern bereits soweit destabilisiert gewesen, dass die Klägerin auch bei Ausbleiben weiterer Streikhandlungen voraussichtlich nicht zur vollumfänglichen Durchführung der definierten Verkehrsleistungen in der Lage gewesen wäre.
83 
Die Klägerin habe über die Durchführung der definierten Verkehrsleistungen im Linienbündel Stadtverkehr P. hinaus in ständiger Praxis auch Auftragsfahrten, insbesondere im Schülerverkehr (Bad und Sportfahrten) hier etwa im Auftrag der Stadt P. Amt für Bildung und Sport, durchgeführt, die nach den Parametern Streckenlänge, Zeitaufwand und Anzahl der zu befördernden Personen auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung gesondert vergütet worden seien. Streikbedingt sei es zu im Einzelnen geschilderten Fahrtausfällen mit der Folge des Wegfalls von Einnahmen gekommen.
84 
Den dargestellten, arbeitskampfbedingten Mehraufwendungen der Klägerin stünden Kosteneinsparungen in Form der Einsparungen von Personalkosten und Sachkosten gegenüber, die sich die Klägerin insoweit anrechnen lasse.
85 
Die Rechtswidrigkeit der Streikhandlungen der Beklagten folge in erster Linie bereits aus einer Verletzung der Friedenspflicht.
86 
Ein Arbeitskampf könne nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden. Die Beklagte habe im Hinblick auf die beschäftigungssichernden Inhalte ihrer Tarifforderungen „Fortführung des Betriebs auf jeden Fall über den 31.12.2016 hinaus“, „konkrete Arbeitsplatzangebote und intelligente Lösungen im Sinne des § 22 Haus TV“ bei zutreffender Würdigung der von ihr formulierten Arbeitskampfziele offenkundig nicht den Abschluss eines Tarifvertrages zu einem bislang tarifvertraglich nicht geregelten Gegenstand (genannt Sozialtarifvertrag), sondern eine inhaltliche Änderung des geltenden Tarifwerks angestrebt, und damit auf die Kampfweise Durchsetzung von durch Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz nicht gedeckten Forderungen abgezielt.
87 
Dies mache den von der Beklagten geführten Arbeitskampf von vornherein insgesamt rechtswidrig. Fragen der Beschäftigungssicherung und des Rationalisierungsschutzes seien in dem zwischen den Parteien bestehenden Tarifwerk umfassend und abschließend geregelt. Dieses könne überhaupt erstmals zum 30.06.2018 gekündigt werden.
88 
Für eine von der Beklagten als Sozialtarifvertrag bezeichnete Regelung mit den genannten Inhalten bestehe danach kein Raum. Dem stehe § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrages vom 28.03.2012 nicht entgegen. Zwar sehe diese Regelung die Aufnahme von Verhandlungen in Fällen einer gravierenden Veränderung der Geschäftsgrundlage vor.
89 
Es fehle hier jedoch bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung einer „Veränderung der Geschäftsgrundlage“, weil die Tarifvertragsparteien die Situation des Verlustes von Leistungen und Genehmigungen nicht nur gesehen, sondern in § 1 Nr. 5.2 des Tarifvertrages vom 31.01./18.02.2014 einer ausdrücklichen Regelung zugeführt hätten.
90 
Es sei für diesen Fall eine Ausnahme von dem in § 1 Nr. 5.1 des Tarifvertrages vom 31.01./18.02.2014 grundsätzlich vorgesehenen temporären Kündigungsverzicht vereinbart worden.
91 
Es liege somit bereits keine Veränderung der Geschäftsgrundlage vor, mit der Folge, dass § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrages vom März 2012 schon dem Grunde nach nicht einschlägig sei.
92 
Es könne dahinstehen, ob die Friedenspflicht durch die in § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrags vom 28.03.2012 vorgesehene Verhandlungsverpflichtung überlagert werde. Auch wenn man insoweit gegenteiliger Auffassung sei, würde dieses Ergebnis nicht zu einer anderen Bewertung führen. Wenn die Tarifvertragsparteien gewollt hätten, dass das Tarifwerk ungeachtet seiner mindestens bis zum 30.06.2018 fest vereinbarten Laufzeit über § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrags vom März 2012 jederzeit inhaltlich zur Disposition stehe, hätte dies im Tarifwerk Ausdruck gefunden und Ausdruck finden müssen. Dies sei offensichtlich nicht der Fall. Im Gegenteil, wie gerade auch die Vereinbarung des § 1 Nr. 5.2 des Tarifvertrages zeige, sei es den Tarifvertragsparteien darauf angekommen, auch in der Krisensituation des drohenden Verlustes von Leistungen und Genehmigungen eine stabile Regelung zu treffen, die während der vereinbarten Laufzeit Bestand habe, und gerade nicht fortlaufend in dem Sinne unter dem Vorbehalt des § 26 Abs. 5 Haustarifvertrag vom 28.03.2012 stehe, dass die Friedenspflicht gerade auch im Hinblick auf die im Tarifwerk vereinbarten Regelungen der Beklagten stehe. Dass die mit dem Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 verfolgten Ziele hierdurch auch vollständig konterkariert würden, liege auf der Hand. Ein Ausschluss der Friedenspflicht während der Laufzeit des Tarifwerks sei von den Tarifvertragsparteien offensichtlich nicht gewollt gewesen und finde im Tarifvertrag auch keine Andeutung. § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrags vom 28.03.2012 sei mangels Veränderung der Geschäftsgrundlage bereits dem Grunde nach nicht einschlägig.
93 
Die Rechtswidrigkeit der Streikhandlungen der Beklagten folge weiterhin auch aus der Verfolgung unzulässiger Streikziele.
94 
Ein Arbeitskampf dürfe nur um tariflich regelbare Ziele geführt werden. Hieran fehle es jedenfalls im Hinblick auf das Tarifziel der Beklagten, die Stadt P. in den angestrebten Tarifvertrag einzubeziehen, weil die Klägerin ein solches Tarifziel von vornherein nicht erfüllen gekonnt habe.
95 
Die Klägerin habe im Hinblick auf die Stadt P. offenkundig nicht nur keinerlei Vertretungsbefugnis, sondern ersichtlich bereits keinen Einfluss auf deren Entscheidung, ihrerseits in Tarifverhandlungen mit der Beklagten einzutreten. Ein Tarifziel könne jedoch nur rechtmäßig sein, wenn es auch vom Gegner des Arbeitskampfes erfüllt werden solle.
96 
Forderungen, die bei einem erstrebten Haustarifvertrag nicht vom bekämpften Arbeitgeber erfüllt werden sollten, sondern von Dritten, hier der Stadt P., seien rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit auch nur einer Streikforderung führe im Ergebnis zur Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes insgesamt.
97 
Die Forderung der Beklagten, die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch zu holen, sei offenkundig eine Kernforderung der Beklagten gewesen, bei näherer Betrachtung die Tarifforderung überhaupt, nachdem die Beklagte gewusst und offen kommuniziert habe, dass die Klägerin zur Erfüllung der Tarifforderung der Beklagten ohne Unterstützung der Stadt P. nicht in der Lage sein werde. Folgerichtig habe die Beklagte auch nicht etwa die Klägerin, sondern die Stadt P. wiederholt zu einer Tarifschlichtung aufgefordert. Dass zum Zwecke der Auslegung von Forderungen einer streikführenden Gewerkschaft auch Verlautbarungen herangezogen werden dürften, die in einer Pressemitteilung enthalten seien, sei rechtlich unzweifelhaft. Zwar werde aus Gründen der Rechtssicherzeit in erster Linie auf den Streikbeschluss abzustellen sein. Auch außerhalb des Beschlusses liegende Umstände seien jedoch zur Bestimmung des wirklichen Willens der Gewerkschaft heranzuziehen. Wenn sich das eigentliche oder jedenfalls ein weiteres zentrales Streikziel in außerhalb des Streikbeschlusses liegenden Umständen, etwa entsprechenden Pressemitteilungen der streikführenden Gewerkschaft manifestiere, könne nicht lediglich auf den Streikbeschluss abgestellt werden. Außerdem sei auch eine weitere der Tarifforderungen der Beklagten, namentlich die Forderung nach Fortführung des Betriebs der Klägerin über den 31.12.2016 hinaus mit dem Makel der Rechtswidrigkeit behaftet. Der von der Beklagten gegen die Klägerin geführte Arbeitskampf habe insoweit, als die Beklagte eine Fortführung des Betriebs über den 31.12.2016 hinaus angestrebt habe, offensichtlich in unzulässiger Weise in die unternehmerische Organisationsfreiheit der Klägerin eingegriffen.
98 
Die Beklagte habe auch schuldhaft, nämlich mindestens fahrlässig gehandelt. Zwar sei nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden.
99 
Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen habe die Gewerkschaft ihre Streikziele jedoch sorgfältig zu prüfen.
100 
Hier sei jedenfalls von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Zum Zeitpunkt der verschiedenen Streikaufrufe sei der Beklagten das geltende Tarifwerk ebenso bekannt gewesen, wie die einschlägige Rechtsprechung. Sie habe daher nicht nur keinen Zweifel an der Rechtswidrigkeit der von der ihr verfolgten Tarifziele gehabt. Sie habe jedenfalls hinsichtlich der Forderung, die Stadt P. in einen Tarifabschluss einzubinden, als sicher von einer Rechtswidrigkeit ausgehen können, weil die Klägerin offensichtlich und von vorneherein nicht in der Lage gewesen sei, diese Forderung zu erfüllen. Auf einen etwaigen Irrtum, für dessen Vorliegen aber auch keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, könne sich die Beklagte nicht berufen. Namentlich sei die Beklagte in ihrer abweichenden Rechtsauffassung nicht durch das .Arbeitsgericht Pforzheim gestützt worden. Spätestens mit Zustellung des Urteils des Arbeitsgerichts P. und dessen konkreten Inhalt sei jeglichem Zweifel der Beklagten an der Rechtswidrigkeit des von ihr gegen die Klägerin geführten Arbeitskampfs der Boden entzogen gewesen.
101 
Gegenstand des Klageantrags Ziffer 2 sei noch ein weiterer Schaden der Klägerin, der darin bestehe, dass ihr in Folge des rechtswidrigen Arbeitskampfes ein Erlösbonus entgangen sei, den sie ohne den rechtswidrigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erzielt hätte. Im Vorjahr 2015 habe die Klägerin noch einen Erlösbonus in Höhe von 884.375,00 EUR netto erwirtschaftet. Aufgrund der kontinuierlich positiven Entwicklung der Verkaufszahlen in den Vorjahren sei davon auszugehen, dass die Klägerin ohne Streikbelastung auch im Jahr 2016 Verkaufserlöse mindestens in Höhe des Vorjahres erzielt hätte. In diesem Fall hätte sich im Rahmen der Schlussrechnung des Verkehrsvertrages zum 10.12.2016 zugunsten der Klägerin ein Erlösbonus in Höhe von 884.375,00 EUR netto ergeben. Die Klägerin sehe aus prozessökonomischen Gründen bis auf Weiteres davon ab, auch diese Schadensposition zum Gegenstand des Klageantrags Ziffer 1, Leistungsantrag, zu machen. Das Feststellungsinteresse für den Klageantrag Ziffer 2 entfalle dadurch nicht. Sei eine Feststellungsklage zulässig erhoben worden, brauche der Kläger nicht zur Leistungsklage übergehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar sei. Der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage zwinge nicht zur Umstellung des ganzen Feststellungsantrags.
102 
Die Klägerin beantragt sodann:
103 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.213.769,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.124.000,00 EUR seit 14.10.2016 und weiteren 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 89.769,00 EUR ab 20.11.2017 zu bezahlen.
104 
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser durch die rechtswidrigen Streikhandlungen der Beklagten seit dem 09.03.2016 wegen der im Verkehrsvertrag zwischen der Klägerin und der Stadt P. enthaltenen Regelung über einen Erlösmalus entstanden sind oder noch entstehen werden.
105 
Die Beklagte beantragt:
106 
Klagabweisung.
107 
Die Beklagte führt aus,
108 
dass die Friedenspflicht bereits deshalb nicht verletzt sein könne, da in § 1 Ziffer 2 des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags vom 15.07.2015 eine Verhandlungsverpflichtung als obligatorische Regelung zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart sei. Dieser Vereinbarung sei die Suspendierung der Friedenspflicht immanent. Denn Verhandlungspflicht und Friedenspflicht schlössen sich gegenseitig aus. Die Beklagte sei in einem solchen Fall ohne das Recht auf Streik auf bloßes „kollektives Betteln“ verwiesen.
109 
Der Streik sei nicht wegen Verletzung der relativen Friedenspflicht rechtswidrig.
110 
Die Friedenspflicht sei hier tarifvertraglich nicht erweitert worden. Folglich könne es sich in diesem Fall nur um einen Verstoß gegen die nicht besonders vereinbarte, relative Friedenspflicht handeln. Die Klägerin mache hier nicht die Rechtswidrigkeit bloß eines Teils der Tarifforderungen der Beklagten geltend, sondern deren Rechtswidrigkeit in toto. Eine Friedenspflicht bestehe, soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie „erkennbar umfassend“ geregelt hätten. Nur die Tarifforderungen unterlägen ihr, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem „befriedeten Bereich“ stünden.
111 
 Soweit das BAG Wert auf die Erkennbarkeit des Regelungswillens der Tarifvertragsparteien lege, woraus die enge Auslegung der Reichweite der Friedenspflicht folge, es aber den sachlichen inneren Zusammenhang nicht näher konturiere, sei dies problematisch, da eine Einschränkung des Streikrechts im Hinblick auf die Friedenspflicht nur in Betracht komme, wenn der Tarifvertrag klare Hinweise dafür gäbe, dass die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Regelungskomplex abschließend regeln wollten.
112 
Blieben Zweifel, seien diese zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen. Auch unter Zugrundelegung des BAG könne die Friedenspflicht eventuell entfallen, wenn eine bei Abschluss der Tarifverträge unvorhergesehene und von deren Regelung offensichtlich nicht erfasste Entwicklung eintrete. So wie die Tarifparteien die Friedenspflicht erweitern oder zur absoluten ausgestalten könnten, könnten sie sie auch einschränken oder gänzlich aufheben. Auch dies unterliege in vollem Umfang der Tarifautonomie. Ob dies erklärt sei, ergäbe die Auslegung des Tarifvertrags. Einschränkung oder Aufhebung der relativen Friedenspflicht müsse nicht explizit vereinbart worden sein. Die Klägerin unterstelle, die Beklagte habe bei zutreffender Würdigung offenkundig nicht einen Sozialtarifvertrag, sondern eine inhaltliche Änderung des geltenden Tarifwerks angestrebt. Die Klageschrift lege nicht dar, warum sich aus den in Bezug genommenen Anlagen ergeben solle, dass nicht der Abschluss eines Sozialtarifvertrags, sondern eine inhaltliche Änderung des geltenden Tarifwerks gefordert werde.
113 
Wegen der tariflich obligatorisch eingegangenen Verhandlungspflicht der Tarifparteien sei die Friedenspflicht aufgehoben. Sowohl das Arbeitsgericht Pforzheim als auch das Landesarbeitsgericht hätten im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Verstoß gegen die Friedenspflicht verneint. Soweit die Klägerin ausführe, dass es keine Verhandlungsverpflichtung mangels Änderung der Geschäftsgrundlage gäbe, und daher auch kein Streikdruck auf gar nicht mehr zu führende Tarifverhandlungen statthaft sei, so könne dem nicht gefolgt werden. Die an der einen Stelle im selben Tarifvertrag ein und desselben Tarifvertrags eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen solle durch eine an anderer Stelle im gleichen Tarifvertrag getroffene Regelung bereits erfüllt sein. Wenn die Vertragsparteien aber bereits erfüllt hätten, warum dann überhaupt noch tarifvertraglich Statuierung einer Verhandlungspflicht bestehe, sei nicht klar.
114 
Eine solche tarifliche Regelung wäre sinnlos. Derartiges gewollt zu haben könne den Tarifparteien nicht unterstellt werden. Bei der Stilllegung der Klägerin handle es sich um eine bei Abschluss der Tarifverträge unvorhergesehene und von deren Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklung.
115 
Der Haustarifvertrag vom 04.05.2007 habe bereits vorausschauend Regelungen zur Bewältigung von Krisen enthalten. Dazu zählten z. B. § 26 Abs. 5 und Abs. 6 HTV und die tarifliche Inbezugnahme des TV-RatAng. Geschäftsgrundlage dieser tariflichen Regelungen, insbesondere des § 26 Abs. 5 und 6 HTV sei aber das Fortbestehen der Klägerin, nicht ihre Stilllegung und Liquidation gewesen.
116 
Die Verhandlungspflicht der Tarifparteien habe einerseits für den Fall gegolten, dass die zu erwartende Wettbewerbssituation nicht eintreten würde oder aber der ÖPNV wettbewerbsfähig sei (§ 26 Abs. 6 HTV).
117 
Andererseits sei eine Verhandlungspflicht für den Fall drohenden Verlustes der Eigenwirtschaftlichkeit oder von Leistungen vereinbart worden. Die Verhandlungspflicht habe sich auch für einen solchen Fall nur auf eine zielgerichtete Fortschreibung dieses TV bezogen, damit die Hauptanliegen unverändert verfolgt werden könnten. Selbst für diesen Fall sei Prämisse die Fortführung der Klägerin gewesen. Dies ergäbe sich bereits aus der Vorbemerkung des Sanierungs-TV vom 31.01./18.02.2014, nämlich beabsichtigte Konsolidierung des hoch defizitären Geschäftsbetriebs der Klägerin. Ziel der Stadt sei eine vorübergehende Fortführung der Klägerin mit der Stadt als alleiniger Gesellschafterin sowie nach Durchführung eines Vergabeverfahrens eine Wiederüberleitung der S. in ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen zum 11.12.2016, dem Zeitpunkt des Ablaufs des Verkehrsvertrags gewesen. Der Sanierungsvertrag habe im Wege eines tariflichen Bündnisses für Arbeit eine Reihe von Verzichtsleistungen der Beschäftigten der Klägerin enthalten und in § 1 Ziffer 5 Regelungen zur Beschäftigungssicherung. Nach § 2 sei der Tarifvertrag unter der auflösenden Bedingung des unterlassenen Rückerwerbs des Kommanditanteils bis spätestens 30.06.2014 gestanden. Auch die Beschäftigungssicherung nach § 1 Ziffer 5.1 habe zur Geschäftsgrundlage den Fortbestand des Unternehmens bis zum 31.12.2026 gehabt. Auch die ausnahmsweise zulässige betriebsbedingte Beendigungskündigung nach Ziffer 5.2 habe als Geschäftsgrundlage implizit die Fortführung des Unternehmens gehabt. Von Stilllegung der Klägerin sei hierin keine Rede. In einem Letter of Intent vom 07.05.2015 seien die Bestandteile des Änderungstarifvertrages festgehalten, die unter Ziffer 7 insbesondere die Übernahme des TV Nahverkehr Baden-Württemberg mit Wirkung ab 01.01.2017 vorgesehen hätten, und in einer Protokollnotiz z. B. vereinbart habe, der Betriebsrat werde am Vergabevorgang beteiligt. Dementsprechend sei es am 15./23.07.2015 nach Ausbleiben der auflösenden Bedingung zum Abschluss des Änderungs- und Ergänzungs-TV gekommen, obwohl der Sanierungs-TV erstmals zum 31.12.2016 kündbar gewesen sei. In Übereinstimmung mit dem Letter of Intent habe dieser Tarifvertrag zur Stärkung der im Sanierungs-TV sowie zur Konsolidierung des Geschäftsbetriebes das Ende des Sanierungs-TV mit den dort geregelten Verzichtsleistungen der Arbeitnehmer nach durchgeführtem Sanierungsprozess des Unternehmens vorgesehen.
118 
Die Tarifparteien seien also davon ausgegangen, dass die Sanierung der Klägerin zum Ende des Geschäftsjahres 2016 abgeschlossen sein würde, so dass ab 01.01.2017 wieder der tarifvertragliche Normalzustand für den Nahverkehr gelten solle. Auch § 1 Ziffer 2 der Protokollerklärung TV vom 15.07.2015 bestimme, dass ein Rettungs-TV lediglich den Zeitraum bis zum 31.12.2016 umfassen könne. Geschäftsgrundlage dieser Klausel sei nicht etwa die Stilllegung der Klägerin zum 31.12.2016 gewesen, sondern die, dass mit den zum Nachteil der Beschäftigten von den Tarifstandards in Baden-Württemberg abweichenden Regelungen mit diesem Datum Schluss sein solle. Umso überraschter sei die Beklagte gewesen, dass die Stadt nun durch Gemeinderatsbeschluss vom 15.03.2016 die komplette Stilllegung aufgrund der Regeln zur Eigenwirtschaftlichkeit nach § 8 PBefG eingeleitet, und ohne Vergabeverfahren durchgeführt habe. Sämtliche tarifvertraglichen Regelungen vom HTV 2007 über den ebenfalls mit der Stadt abgeschlossenen Sanierungs-TV vom 31.01./18.02.2014, über den“ Letter of Intent „vom 07.05.2015 bis zum Änderungstarifvertrag vom 05.07.2015 hätten als Geschäftsgrundlage den Fortbestand des Unternehmens, die vorübergehende, tarifvertraglich vereinbarte Sanierung mit den entsprechenden Sanierungsbeiträgen, nicht aber die Stilllegung der Klägerin gehabt. Dies finde sich auch in dem Text eindeutig wieder.
119 
In Bezug auf die Friedenspflicht bedeute die Stilllegung damit eine bei Abschluss dieser Tarifverträge unvorhergesehene und von deren Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklung.
120 
Der TV-RatAng sei in seiner jeweiligen Fassung tarifvertraglich in Bezug genommen worden, gelte also mit unmittelbarer und zwingender Wirkung. Er sei allerdings nur einschlägig für Fälle der Rationalisierung. Dies sei bei einer Stilllegung des Betriebs nicht der Fall. Vorliegend habe die Beklagte für den Abschluss eines Tarifsozialplans für den Fall der Stilllegung und nur dafür gestreikt. Hierzu regelt der TV-RatAng nichts. Folglich sei die Friedenspflicht auch deshalb nicht einschlägig. Dass die Gesellschafterin der Klägerin dies ebenso zu sehen scheine, werde deutlich an einem Schreiben des Leiters des Personal- und Organisationsamtes vom 19.11.2015 an den seinerzeitigen Betriebsratsvorsitzenden bei der Klägerin.
121 
Vorliegend sei ferner relevant, ob die Beklagte Streikaufrufe an Beschäftigte der Klägerin und/oder der Stadt für Tarifforderungen, die die Stadt vertraglich hätten verpflichten sollen, erlassen habe. Dies könne nicht festgestellt werden. In der Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts sei zur Begründung die Rede von einem Streikaufruf vom 04.03.2016 – einen solchen gäbe es nicht.
122 
Der Warnstreikaufruf zum 14.03.2016 enthalte nicht das, worauf sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts beziehe. Ein auch in den dortigen Akten befindliches Infoblatt der Beklagten vom 04.03.2016 sei kein offizieller Streikaufruf, sondern lediglich eine Unterrichtung der Mitglieder über den Ablauf der Verhandlung an diesem Tag.
123 
Auch sei am 04.03.2016 noch nicht gestreikt worden. Jedenfalls sei die Forderung der Beklagten nach Teilnahme von Vertretern der Stadt an den zukünftigen Verhandlungen in diesem Mitgliederinfo vom 04.03.2016 weder Tarifforderung noch Streikaufruf gewesen. Eine Übersicht über alle bei der Stadt zur Verfügung stehenden Stellen im Sinne des § 22 Haus TV sei ebenfalls keine Streikforderung gewesen, wäre aber, unterstellt sie wäre als solche erhoben worden, tariflich regelbar gewesen. Gewerkschaftlicher Streikaufruf sei nicht bereits jedes öffentliche oder halböffentliche Werben für bestimmte Aktionen. Genauso wenig seien dies Meinungsäußerungen oder allgemein der“ Mobilisierung „dienende Äußerungen lokaler Funktionäre. Vielmehr sei es die offizielle Aufforderung zum Streik, die von der zuständigen Streikleitung der Gewerkschaft ausgehe.
124 
Die Stadt sei auch Tarifpartei geworden. Die Stadt habe ja den Sanierungs-TV, dessen Nachtrag vom 19.05.2014 und den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15.07.2015 als Tarifvertragspartei unterschrieben, und in der Vorbemerkung zum Sanierungs- TV sei die Beteiligung der Stadt an der Klägerin Voraussetzung und Regelungsinhalt . Auch habe der Sanierungs-TV an dem Eintritt der auflösenden Bedingung des vollständigen Rückerwerbs des Kommanditanteils durch die Stadt gehangen. Ferner seien die Gesprächsergebnisse vom 07.05.2015 mit dem“ Letter of Intent“ von ver.dis Tarifkommission der S. einerseits, von der S. und der Stadt andererseits unterzeichnet worden und enthielten wesentliche Bestandteile eines Änderungstarifvertrags, der abzuschließen sein werde entgegen dem LOI aber nicht abgeschlossen worden sei.
125 
Die Einbeziehung der Stadt P. sei kein Tarifziel gewesen. Die Stadt P. sei bereits schon kein „außenstehender Dritter „gewesen. Die Stadt sei nach Rückerwerb der Geschäftsanteile von V. nicht nur einzige Gesellschafterin der Klägerin gewesen, sondern auch Tarifvertragspartei. Es habe aber auch keine Streikaufrufe der Beklagten gegen die Stadt gegeben.
126 
§ 823 BGB setze den unmittelbaren Eingriff in das Recht des bestreikten Arbeitgebers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb voraus. Gegenüber einem kampfunbeteiligten Dritten, auch Arbeitgeber, fehle es regelmäßig an der Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in seinen Gewerbebetrieb, möge er durch einen Streik auch beeinträchtigt werden.
127 
Die Stadt sei weder Adressat von Tarifforderungen der Beklagten gewesen, noch in den Arbeitskampf einbezogen worden. Die Stadt sei stets kampfunbeteiligt gewesen. Dies ergäbe sich schon aus den von der Klägerin eingereichten Arbeitskampfaufrufen der Beklagten. Die Aufrufe der Beklagten zum Arbeitskampf hätten eine ausschließlich gegen die Klägerin zielende Stoßrichtung der Streikmaßnahme. Es seien stets nur die Beschäftigten der Klägerin zum Warnstreik bzw. Streik aufgerufen worden, nicht dagegen Beschäftigte der Stadt. Eine Drittschadensliquidation durch die Klägerin für Rechtspositionen der Stadt liege außerhalb ihres Schutzbereichs des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Dass die Friedenspflicht ungeschrieben auch einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter enthalte, gelte nur für die Konstellation, dass in einem Streik um einen Verbandstarifvertrag die dem Arbeitgeberverband angehörenden einzelnen Arbeitgeber auch durch die Friedenspflicht als obligatorischem Teil des Tarifvertrags mitgeschützt seien. Diese Konstellation liege im Verhältnis der Klägerin zur Stadt P. nicht vor.
128 
Entgegen des Vortrages der Klägerin seien die Streikziele tariflich regelbar gewesen. Auch sei ein die Stadt bindender Tarifsozialplan keine Streikforderung gewesen. Rechtlich relevant könne ein solches Einbinden oder Einbeziehen nur dadurch werden, dass dem Dritten, hier der Stadt, rechtlich bindende Verpflichtungen in einem Tarifvertrag als Tarifsozialplan zu ihren Lasten auferlegt werden sollten. Aber die Beklagte habe keine Tarifforderungen erhoben und streikweise durchzusetzen versucht, die die Stadt bindende normative oder obligatorische Regelungen enthielten.
129 
Die Stadt „mit an den Verhandlungstisch zu holen“ sei erst recht keine Streikforderung der Beklagten im Rahmen ihrer Tarifforderung auf Abschluss eines Tarifsozialplans gewesen.
130 
Vielmehr habe sie stets nur Regelungsinhalte eines Tarifsozialplans zur Sicherung der Arbeitsplätze im Sinne des TV-RatAng oder in Anlehnung an den TV-RatAng als Tarifforderung aufgestellt, und dafür den Streik geführt. Dies hätte nach dem Inhalt des TV-RatAng nicht zur Auferlegung rechtlicher Bindungen der Stadt führen können. Da die Klägerin stillgelegt worden sei, sei die Sicherung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bei demselben Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 2 TV-RatAng nicht in Betracht gekommen. Nichts Anderes gelte für das Angebot eines nicht gleichwertigen unterwertigen Arbeitsplatzes gemäß § 3 Abs. 3 RatAng. Da § 3 Abs. 2 und 3 nicht in Betracht kämen, wäre allein das Bemühen der Klägerin, nicht etwa der Stadt, um einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an demselben Ort gemäß § 3 Abs. 4 RatAng und Nachweis eines freien Arbeitsplatzes gemäß § 3 Abs. 5 RatAng bei einem anderen Arbeitgeber in Betracht gekommen.
131 
Inhalt der Streikforderung der Beklagten in Anlehnung an den TV-RatAng seien damit die Verpflichtung, nicht etwa der Stadt, sondern nur der Klägerin, gewesen, sich um freie Arbeitsplätze bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an demselben Ort zu bemühen bzw. bei einem anderen Arbeitgeber. Dies sei der konkrete Inhalt des von der Klägerin sogenannten „Einbeziehens“ bzw. des“ Miteinbeziehens“ laut Urteil des lag gewesen. Daraus wäre keine rechtlich bindende Verpflichtung Dritter erwachsen, und zwar weder der Stadt noch eines anderen Arbeitgebers im Sinne des § 29 Abschnitt B. Absatz 7 BAT. Die Klägerin habe sich lediglich um solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ggf. verbunden mit Fortbildungen und Umschulungen gem. § 4 RatAng bemühen sollen. Klar sei dabei stets gewesen, dass dieses Bemühen auch erfolglos bleiben könne. Daher seien entgegen des Urteils des lag Baden-Württembergs nicht auch für die Stadt P. verbindliche Regelungen zur Unterbringung von Busfahrern beabsichtigt gewesen.
132 
Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem lag könne eine solche Forderung der Beklagten nicht entnommen werden. Aus dem TV RATIO ergäbe sich keine unmittelbare Rechtswirkung zulasten der Stadt oder anderer Dritter. Was an einer solchen Tarifforderung unter arbeitskampfrechtlichen Aspekten wegen ihrer fehlenden tariflichen Regelbarkeit rechtswidrig sein solle, sei nicht einleuchtend. Außerdem hätte die Beklagte mit ihrer Tarifforderung nicht die Klägerin und im Übrigen erst Recht nicht die Stadt durch Tarifvertrag rechtlich binden wollen, Arbeitsplätze für bei der Klägerin ausscheidende Busfahrer zu schaffen.
133 
Als obligatorischer Inhalt des Tarifvertrages wäre eine solche Forderung auf Vermittlung der Arbeitnehmer auch erstreikbar gewesen. Höchst vorsorglich hätte die Stadt, da Tarifvertragspartei als solche, auch für den Tarifsozialplan bestreikt werden dürfen.
134 
Nach § 1 Ziffer 1 Sanierungs-TV sei der Haustarifvertrag vom 04.07.2017 wieder in Kraft gesetzt worden und Gegenstand dieses Tarifvertrags. Damit habe auch die Stadt die aus § 26 Abs. 5 Haus-TV i. V. m. § 1 Ziff. 1 Sanierungs-TV obliegende Verpflichtung, unverzüglich in Tarifverhandlungen einzutreten, als obligatorische Tarifvertragsregelung abgeschlossen. Auch die Verhandlungsverpflichtung gem. § 1 Ziff. 2 Änderungs- und Ergänzungs-TV vom Juli 2015 sei die Stadt eingegangen. Die Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen als Tarifpartei, die die Klägerin und die Stadt gleichermaßen eingegangen seien, heiße, dass aus diesen Tarifverhandlungen auch Tarifverträge hätten resultieren können, wenn auch nicht müssen. Die aus solchen Tarifverhandlungen resultierenden Tarifverträge hätten folglich jeden dieser drei Vertragspartner berechtigen und verpflichten können, also auch die Stadt.
135 
Dass die Stadt als Körperschaft des öffentlichen Rechts Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite sei und auch in Bezug auf den Tarifsozialplan hätte werden können, sei evident. Folglich hätte die Auferlegung obligatorischer oder normativer Rechte und Pflichten der Stadt gegenüber tarifvertraglich geregelt werden können. Damit hätten sich auch Streikaufrufe der Beklagten an die Beschäftigten der Klägerin auf Abschluss eines Tarifsozialplans auch durch die Stadt als Tarifvertragspartei und als Adressatin obligatorischer und normativer Verpflichtungen richten können. Da dies folglich tarifvertraglich regelbar gewesen wäre, wäre ein Streik der Beklagten, der das Tarifziel verfolgt hätte, auch für die Stadt P. verbindliche Regelungen zur Unterbringung z. B. von Busfahrern zu treffen tarifvertraglich regelbar gewesen. Aufgrund der von der Stadt eingegangenen Verhandlungsverpflichtung wäre ein solches Ziel zu Lasten einer Tarifpartei keineswegs eindeutig unzulässig gewesen, sondern weil die Stadt Tarifvertragspartei gewesen sei, eindeutig zulässig.
136 
Die Stadt habe nicht nur den früheren Eigenbetrieb auf die Klägerin outgesourct und sei im weiteren Verlauf deren einzige Gesellschafterin geworden. Sie habe nicht nur die Verhandlungsverpflichtungen als Tarifvertragspartei übernommen und sei so auch ihrer Verpflichtung aus der Vorgeschichte ihres ÖPNV Betriebs gerecht geworden. Sie habe als Gesellschafterin der Klägerin auch mit dem betrieblichen Bündnis für Arbeit den Sanierungstarifvertrag 2014, den Letter of Intent vom 07.05.2015 und den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15.07.2015 mit abgeschlossen, wonach die Beschäftigten erhebliche Sanierungsbeiträge geleistet hätten, und zwar in der Erwartung der Tarifvertragsparteien, dass durch Inkrafttreten des Bezirks-TV Nahverkehr Baden-Württemberg mit Wirkung ab 01.01.2017 wieder tarifvertragliche Normalzustände eintreten würden.
137 
Diese Erwartung der Beschäftigten der Beklagten sei aber dadurch frustriert worden, dass die Stadt anstelle der Fortführung des Betriebs auf vollem tarifvertraglichen Niveau das glatte Gegenteil, nämlich die Stilllegung der Klägerin zum 31.12.2016 beschlossen habe.
138 
Als Konsequenz aus dieser Vorgeschichte habe sich eine, wenn nicht rechtlich, so jedenfalls politische Obliegenheit der Stadt ergeben, nach diesem Beschluss des Gemeinderats auch das ihre zu tun, die Beschäftigten der Klägerin anderweitig unterzubringen. Dem habe die Handlungsweise und Rolle der Stadt in der Tarifauseinandersetzung jedenfalls zunächst entsprochen.
139 
Dies zeige auch ganz deutlich ein Schreiben der Klägerin vom 08.03.2016 an die Beklagte (vgl. Aktenseiten 236 bis 237). Am 16.03.2016 hätten der Oberbürgermeister der Stadt, Herr H. und der Leiter des Rechtsamts Herr E., Frau B. vom Vorstand der Beklagten in Berlin zu einem Spitzengespräch zum Thema Stadtverkehr P. aufgesucht. Der Oberbürgermeister habe in dem Entwurf einer Pressemeldung mitgeteilt, es habe Übereinstimmung bestanden, dass sich die Stadt aktiv um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der S. kümmere, zugleich aber keine finanzielle Haftung außerhalb der Rolle als Gesellschafter trage.
140 
Zeitnah habe es eine Fortsetzung der Gespräche geben sollen. Bereits am 26.08. und 30.09.2015 habe es auch mit Vertretern der Stadt, auch Oberbürgermeister H. (erster Bürgermeister H., in Personalunion auch AR Vorsitzender und Stadtdirektor E.) mit der Beklagten Gespräche zur Zukunft von S. im Allgemeinen und um die Anwendung des TV-RatAng im Besonderen gegeben. In der Beschlussvorlage Q0645 des Personalamtes vom 12.02.2016 heiße es sinngemäß, die Klägerin habe ggf. Verhandlungen über einen Sozialplantarifvertrag aufzunehmen, über den die Gesellschafterversammlung zu gegebener Zeit entscheide. In einem Schreiben der Stadt an den Betriebsratsvorsitzenden der SSB vom 25.05.2016 heiße es unter anderem, die S. und die Stadt als Gesellschafterin seien bereit, über die rentennahen Jahrgänge zu reden. S. und Gesellschafterin hätten die Bildung einer Transfergesellschaft angeboten. Die Stadt sei bereit, allen anderen Mitarbeitern nach Kräften zu helfen, um schnellstmöglichst einen neuen Job zu finden. Auch in einem Schreiben der R. GmbH vom 15.01.2016 werde die Einbeziehung der Stadt als sinnvoll erachtet. Daraus ergebe sich, dass die Stadt in Bezug auf die Zukunft der Klägerin von dieser keineswegs hermetisch abgeschlossen gewesen sei, sondern als alleinige Gesellschafterin und als Inhaberin des Eigenbetriebs bis vor 10 Jahren sich zurecht in der politischen Verantwortung für die Zukunft der Klägerin und der dort Beschäftigten gesehen habe. Die Beklagte habe auch Arbeitnehmer der Stadt nicht zum Streik aufgerufen. Eine Fortführung des Betriebs über den 31.12.2016 hinaus sei keine Streikforderung gewesen. Aber selbst wenn, wäre eine solche und auch ein längerer Bestandsschutz für die Arbeitnehmer tarifvertraglich regelbar gewesen.
141 
Es sei nicht klar, warum die Streikforderung der Beklagten, die Klägerin möge sich darum bemühen, in Anlehnung an § 3 TV-RatAng die Beschäftigen bei der Stadt oder bei anderen Arbeitgebern unterzubringen vom Arbeitgeber nur persönlich für sich zu entscheiden und zu verantworten sein solle.
142 
Hätte die Beklagte, sei es eine Verlängerung des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31.12.2016 hinaus, sei es eine Betriebsfortführung bis Juni 2017 als Streikforderung aufgestellt, wären diese Forderungen tariflich regelbar und auch erstreikbar gewesen.
143 
Jedoch sei der Streik nur für das Streikziel Abschluss eines Sozialtarifvertrages in Anlehnung an den TV-RatAng geführt worden, ohne dessen § 5. Die zunächst erhobene Forderung auf Fortbestand der Klägerin bis 30.06.2017 ergäbe sich daraus, dass es in der Beschlussvorlage Q0645 vom 12.02.2016 an den Gemeinderat unter anderem geheißen habe, die einzelnen Linien gingen auf die R. zum 14.12.2016, zum 10.06.2017 und schlussendlich zum 10.12.2017 über.
144 
Damit seien weit über 90 % der Linien frühestens ab Juni 2017 an den eigenwirtschaftlichen neuen Betreiber R. GmbH übergegangen. Nach dem Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.01.2016 hätte bis zu dem Übergang am 10.06. bzw. 10.12.2017 die Klägerin den ÖPNV sei es selbst, sei es durch Fremdvergaben, weiterzubetreiben gehabt. Die komplette Stilllegung der Klägerin bereits zum 31.12.2016 sei folglich die irreguläre, d. h. rechtswidrige Umsetzung des Bescheids des RP gewesen. Wieso in Anbetracht der ohnehin bestehenden Pflichten der Klägerin zur Gewährleistung des ÖPNV eine Tarifforderung, ohne dass für diese gestreikt worden wäre, auf Weiterbetrieb von Linien durch die Klägerin bis Juni 2017 tariflich nicht regelbar gewesen wäre, sei nicht einleuchtend. Nachdem der Gemeinderat die Stilllegung zum 31.12.2016 beschlossen gehabt habe, habe die Tarifkommission der Beklagten die Forderung nach Aufrechterhaltung des Betriebs bis Juni 2017 fallen lassen.
145 
Damit sei die Klage dem Grunde nach unbegründet. Auf die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches komme es damit nicht mehr an.
146 
Es gäbe auch keine deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüche aus bloß unterstellter Einbeziehung der Stadt in nicht erhobene Tarifforderungen. Folglich fehle es für den deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB, selbst eine auf die Stadt P. erstreckte Tarifforderung als von der Beklagten erhoben unterstellt, an der Betriebsbezogenheit. Für einen vertraglichen Anspruch aus dem obligatorischen Teil der zwischen der Beklagten und der Klägerin geschlossenen Tarifverträge fehle es an der Einbeziehung der Stadt in die Schutzwirkung der tarifvertraglichen Friedenspflicht.
147 
Die Klägerin habe auch bereits keinen substantiierten Schaden dargelegt. Bezüglich der Ersatzverkehre und Subvergaben nach ganzen Monaten für April bis Dezember solle Schadensursache ausschließlich die fortlaufende Streikdrohung sein, und zwar für jeden Monat von April bis Dezember 2016 komplett.
148 
Die der Klägerin durch die Streiks, also an den einzelnen Streiktagen entstandenen Vermögensschäden würden in keinem dieser Monate, d. h. weder von März bis Dezember 2016 berechnet. Bei den Pönalen und entgangenen Einnahmen aus Auftragsfahrten nach Streiktag solle Schadensursache die entgangenen Einnahmen aufgrund der durch die jeweiligen Streiktage entfallenen Auftragsfahrten sein. Geltend gemacht werde für die Monate April bis Dezember zum einen der durch die Streiks vom 09.03. bis 01.07.2016, also an insgesamt 34 Tagen, entstandene Schaden.
149 
Jedoch werde der je Streiktag entstandene Schaden nicht berechnet, sondern verschwinde in den angeblich für jeden kompletten Monat beauftragten Ersatzverkehren und Subvergaben. Es würden also die 7 Streiktage im April 2016 ebenso wenig als Schadensersatz geltend gemacht, wie die 12 Streiktage im Mai, die 9 Streiktage im Juni und der 1 Streiktag im Juli. Stattdessen seien Subunternehmer und Ersatzverkehre gleich für die kompletten Monate April bis Dezember vertraglich verpflichtet worden. Es sei davon auszugehen, dass der Ersatzverkehr spätestens ab Anfang Juli 2016 vollständiges Äquivalent zu dem ÖPNV durch die Stadt gewesen sei.
150 
Bei der Stilllegung der Klägerin handle es sich um eine bei Abschluss der Tarifverträge unvorhergesehene, und von deren Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklung. Der Haustarifvertrag vom 04.05.2007 habe bereits vorausschauend Regelungen zur Bewältigung von Krisen enthalten. Dazu zählten z. B. § 26 Abs. 5 und Abs. 6 HTV und die tarifliche Inbezugnahme des TV-RatAng. Geschäftsgrundlage dieser tariflichen Regelungen, insbesondere des § 26 Abs. 5 und 6 HTV sei aber das Fortbestehen der Klägerin, nicht ihre Stilllegung und Liquidation gewesen. Die Verhandlungspflicht der Tarifparteien habe einerseits für den Fall gegolten, dass die zu erwartende Wettbewerbssituation nicht eintreten würde oder aber der ÖPNV wettbewerbsfähig sei ( § 26 Abs. 6 HTV). Andererseits sei eine Verhandlungspflicht für den Fall drohenden Verlustes der Eigenwirtschaftlichkeit oder von Leistungen vereinbart worden. Die Verhandlungspflicht habe sich auch für einen solchen Fall nur auf eine zielgerichtete Fortschreibung dieses TVs bezogen, damit die Hauptanliegen unverändert verfolgt werden könnten.
151 
Selbst für diesen Fall sei Prämisse die Fortführung der Klägerin gewesen. Dies ergäbe sich bereits aus der Vorbemerkung des Sanierungs-TV vom 31.01./18.02.2014, nämlich beabsichtigte Konsolidierung des hoch defizitären Geschäftsbetriebs der Klägerin. Ziel der Stadt sei eine vorübergehende Fortführung der Klägerin mit der Stadt als alleiniger Gesellschafterin sowie nach Durchführung eines Vergabeverfahrens eine Wiederüberleitung der S. in ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen zum 11.12.2016, dem Zeitpunkt des Ablaufs des Verkehrsvertrags, gewesen. Der Sanierungsvertrag habe im Wege eines tariflichen Bündnisses für Arbeit eine Reihe von Verzichtsleistungen der Beschäftigten der Klägerin enthalten.
152 
Damit sei die Klage dem Grunde nach unbegründet.
153 
Allerdings werde der Schaden auch bezüglich seiner Berechtigung und seiner Höhe nach vollumfänglich bestritten. Die Kosten für die vorzeitige Übertragung des ÖPNV auf die Firma R. GmbH solle nun deklariert als aus der Streikdrohung entstanden, die Beklagte tragen. Da der Ersatzverkehr offensichtlich als in vollem Umfang funktionelles Äquivalent an die Stelle des von der Klägerin zuvor veranstalteten ÖPNV getreten sei, handele es sich dabei aber tatsächlich um den Versuch, Kosten des ÖPNV, die durch die vorzeitige Stilllegung der Klägerin entstanden seien, als Vermögensschaden kausal aufgrund des Streiks entstanden, der Beklagten unterzuschieben.
154 
Die Klägerin führe selbst aus, dass der Ersatzverkehr zwar ursprünglich neben den Fahrplan, jedoch ab Mitte Juli 2016 an dessen Stelle getreten sei.
155 
Es könne jedenfalls seit Anfang Juli 2016, spätestens ab 02.07. keine Rede sein, dass der Streik kausal für die Einsetzung des Ersatzverkehrs durch R. gewesen sei. Vielmehr sei Ursache dafür die längst geplante und zunächst ins Werk gesetzte Stilllegung des Unternehmens gewesen. Es werde nicht dargelegt, woraus sich eine bis zuletzt fortbestehende Streikdrohung der Beklagten ergeben solle. Dass der ÖPNV aus nicht streikbedingten Gründen ganz oder teilweise ausfallen könne, sei für die Klägerin ja auch sonst kein Grund gewesen, Ersatzverkehre und Subvergaben bei Dritten zu ordern und schon gar nicht für ganze Monate. Auch treffe es nicht zu, dass die Streiks stets unangekündigt stattgefunden hätten.
156 
Vielmehr hätten die Mitglieder der Tarifkommission der Beklagten bei Streiks ab Dienstbeginn immer den jeweils diensthabenden Verkehrsmeister, der in der Regel gegen 4 Uhr seinen Dienst angetreten habe, vor Beginn des Betriebs über den jeweils auf einen Tag befristeten Streik unterrichtet.
157 
Es bestehe keine Pflicht einer Gewerkschaft, einen von ihr geführten Arbeitskampf für beendet zu erklären. Das bedeute aber nicht, dass deshalb nach dessen Ende eine Streikdrohung eo ipso fortbestehe. Aus den Flugblättern der Beklagten ergebe sich nur, dass für den jeweiligen Tag zum Warnstreik bzw. Streik bzw. für ein früheres Ende aufgerufen worden sei, wenn es zur Zusicherung von Verhandlungen komme. Weder habe die Beklagte der Klägerin deshalb mit Streik gedroht, noch habe diese nicht existente Drohung der Beklagten fortbestanden. Genauso wenig, wie es eine arbeitskampfrechtliche Absagepflicht zum Ende eines Arbeitskampfes gebe, existiere eine Ansagepflicht. Vorliegend habe die Klägerin stets gewusst, dass es um einen von verdi jeweils getragenen Warnstreik oder Erzwingungsstreik zwecks Durchführung von Tarifverhandlungen zum Abschluss eines Tarifsozialplans gebe. Das reiche völlig. Die nicht auszuschließende Möglichkeit von Streik stelle keine Verletzung des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb dar. Weder die theoretische Möglichkeit eines Streiks noch deren Fortdauer seien unmittelbarer betriebsbezogener Eingriff in den betrieblichen Tätigkeitskreis.
158 
Die Klägerin entgegnet darauf,
159 
dass der Arbeitskampf rechtswidrig gewesen sei. Unstreitig sei die Stadt P. weder Adressat von Tarifforderungen der Beklagten gewesen, noch Kampfgegner in dem hier streitgegenständlichen Arbeitskampf. Die Beklagte habe ihren Arbeitskampf allein gegen die Klägerin geführt und mit ihren Kampfhandlungen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen. Betriebe bzw. Dienststellen der Stadt seien von den Kampfhandlungen nicht betroffen gewesen. Folglich komme es für die Frage der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes allein auf die Umstände im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin an.
160 
In dem Verhältnis folge die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes aus den folgenden Umständen:
161 
Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin Tarifforderungen erhoben, die von der Klägerin von vorneherein nicht erfüllt werden könnten. Durch den von der Beklagten geforderten Tarifvertrag sollten unmittelbar auch für die Stadt P. verbindliche Regelungen zur ersatzweisen Unterbringung von Busfahrern bei der Stadt und zur Finanzierung von Transferleistungen oder Entschädigungen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen getroffen werden.
162 
Dieses Ziel im Arbeitskampf gegen die Klägerin sei auf den Abschluss eines Tarifvertrags zwischen der Beklagten und der Klägerin zu Lasten eines Dritten, der Stadt P., hinausgelaufen, und sei deshalb eindeutig rechtswidrig.
163 
Die weitere von der Beklagten gegenüber der Klägerin erhobene Tarifforderung sei die Fortführung des Betriebs der Beklagten über den 31.12.2016 hinaus gewesen, obwohl der Verkehrsvertrag zwischen der Stadt P. und der Klägerin in Folge Befristung bereits mit Ablauf des 10.12.2016 automatisch geendet habe, die Klägerin einen neuen Verkehrsvertrag wegen des unmittelbar bevorstehenden Verlustes der Liniengenehmigungen nicht erlangen gekonnt habe, und somit ab dem 11.12.2016 aus dem Stadtverkehr keinerlei Betriebseinnahmen mehr gehabt habe. Mangels Betriebseinnahmen hätte die Fortführung des Betriebs der Klägerin über den 31.12.2016 hinaus binnen kürzester Zeit zur Insolvenz der Klägerin geführt. Die von der Beklagten erhobene Tarifforderung sei auf die Existenzvernichtung der Klägerin hinausgelaufen, und sei deshalb eindeutig rechtswidrig. Schließlich habe der von der Beklagten gegen die Klägerin geführte Arbeitskampf die in diesem Verhältnis bestehende Friedenspflicht aus den von den Parteien zuvor abgeschlossenen und während des Arbeitskampfes weiterhin geltenden Haustarifverträgen verletzt, in denen Fragen der Beschäftigungssicherung bereits umfassend und abschließend geregelt gewesen seien. Die Beklagte habe die Klägerin zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages zwingen wollen, der diese rechtswidrigen Kampfziele erfüllen solle.
164 
Für die Frage der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Arbeitskampfes sei es daher vollkommen unerheblich, welche Rolle die Stadt P. in der Vergangenheit bei dem Abschluss anderer, früherer Tarifverträge gespielt hätte. Die Stadt P. sei entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht Partei des Sanierungstarifvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 31.01./18.02.2014, des Nachtrags hierzu vom 19.05.2014 und des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 15./23.07.2015 gewesen.
165 
Tarifvertragsparteien seien diejenigen Arbeitgeber und Verbände, die als Parteien eines jeweils abgeschlossenen Tarifvertrags in der Weise erkennbar seien, dass der Tarifabschluss für und gegen die jeweilige Partei erfolge.
166 
Entscheidend sei in erster Linie die Bezeichnung als Tarifvertragspartei. Die Nennung der Tarifvertragspartei unterliege dem Schriftformgebot.
167 
 Es sei daher primär an die Parteibezeichnung anzuknüpfen, die, wenn sie klar sei, maßgeblich sei. Es müsse insgesamt anhand der Vertragsurkunde hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag abgeschlossen habe.
168 
Daher ergebe sich, dass die Stadt P. nicht Partei der oben genannten Haustarifverträge gewesen sei, und daher auch keine Pflichten aus diesen Tarifverträgen gehabt habe. Die Rubren der Tarifverträge seien eindeutig. Tarifvertragsparteien seien ausschließlich die Klägerin und die Beklagte. Es fehle jeglicher Anhaltspunkt dafür, darüber hinaus eine andere Rechtspersönlichkeit als Tarifvertragspartei anzusehen. Diesbezüglich reiche insbesondere die Unterschrift „für die Stadt P.“ nicht aus. Weder dem Gesamtzusammenhang noch dem Tariftext ließen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Unterschrift“ für die Stadt P. „eine Aufnahme als Tarifvertragspartei oder eine Gleichstellung mit der Klägerin als Tarifvertragspartei begründen könne. Die Stadt P. sei daher nicht Partei der oben genannten Haustarifverträge gewesen, und habe demzufolge keine Pflichten aus diesen Tarifverträgen gehabt.
169 
Zudem beanspruchten die Haustarifverträge zwischen der Klägerin und der Beklagten keinerlei Geltung für Arbeitnehmer der Stadt. Die Unterschrift „für die Stadt P.“ habe in der damaligen Situation allenfalls eine Billigung des Tarifabschlusses durch die Stadt P. in ihrer Rolle als Alleingesellschafter der Klägerin zum Ausdruck gebracht. Vorliegend sei dies jedoch irrelevant, da es nur auf die Arbeitskampfziele ankomme, die ab März 2016 von der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin verfolgt worden seien. Dass eine von der Beklagten angenommene“ politische Obliegenheit“ der Stadt P., die von der Betriebsschließung der Klägerin Betroffenen anderweitig unterzubringen, rechtlich nicht anders zu beurteilen sei, liege auf der Hand.
170 
Die Abgabe politischer Absichtserklärungen sei tarifvertraglich nicht regelbar, und somit als Streikziel offensichtlich unzulässig. Die Rechtswidrigkeit folge ansonsten auch insoweit heraus, dass die Klägerin auf die politische Willensbildung der Stadt P. keinen Einfluss, und insoweit auch offensichtlich bereits keine Regelungszuständigkeit gehabt habe.
171 
Das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 08.03.2016 sei insoweit unerheblich. Außerdem folge aus den zitierten Stellen gerade, worum es der Klägerin hier gegangen sei, nämlich um ihre Absicht, den durch die bevorstehende Stilllegung ihres Geschäftsbetriebs bedingten Wegfall der Arbeitsplätze, möglichst auch dadurch zu kompensieren, die Betroffenen an dritte Arbeitgeber, etwa auch die Stadt P., die R. oder andere Busunternehmen zu vermitteln. In diesem Schreiben drücke sich somit frühzeitig gerade das aus, was die Beklagte heute als angebliches Ziel ihres Arbeitskampfes verkaufen wolle, ein Bemühen der Klägerin um etwaige Ersatzarbeitsplätze bei Dritten.
172 
Auch das Gespräch am 16.03.2016 in Berlin sei unerheblich. Es sei zutreffend, dass Vertreter der Stadt P., nämlich Herr H., ehemaliger Oberbürgermeister und Herr E. als Leiter des Personal- und Organisationsamts am 16.03.2016 in Berlin mit Vertretern des ver.di Bundesvorstandes zu einem Sondierungsgespräch zusammengekommen seien. Der Entwurf einer Presseerklärung, die die Gesprächsergebnisse angeblich zusammenfassen solle und die die Beklagte teilinhaltlich wiedergebe, sei auf Seiten der Klägerin nicht bekannt. Die Ergebnisse aus dem Gespräch am 16.03.2016 seien im Rahmen einer nachfolgenden Sondierung am 21.03.2016 von Vertretern des ver.di Landesfachverbandes sowie des Bezirks Mittelbaden/Nordschwarzwald wieder in Frage gestellt worden, was die Stadt P. zum Anlass einer Pressemitteilung vom 22.03.2016 genommen habe. Es sei nicht maßgeblich, welche Gespräche die Beklagte vor, zu Beginn oder während des Arbeitskampfes mit welchen Vertretern der Stadt P. geführt habe, sondern, dass Tarifforderungen an die Klägerin gestellt und mit den Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht habe, die gegen geltendes Tarif- und Arbeitskampfrecht verstießen, und daher rechtswidrig gewesen seien.
173 
Auch das Schreiben des damaligen Oberbürgermeisters H. vom 25.05.2016 sei unerheblich. Herr H. sei darin auf verschiedene, seitens des Betriebsratsvorsitzenden der SSB in einem vorangegangenen Schreiben an Herrn H. vom 24.05.2016 scheinbar angesprochene Fragen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Schließung des Geschäftsbetriebs der Klägerin eingegangen.
174 
Die Hintergründe seien der Klägerin nicht bekannt. Die Ausführungen von Herrn H. machten deutlich, dass sich die Stadt ihrerseits, ohne rechtlich hierzu verpflichtet zu sein, bemüht habe, für möglichst viele von der Betriebsschließung betroffene Arbeitnehmer der Klägerin anderweitige Beschäftigungsperspektiven aufzuzeigen, und damit genau auf der Linie gelegen habe, die die Klägerin ihrerseits vertreten und bereits mit Schreiben an die Beklagte vom 08.03.2016 deutlich zum Ausdruck gebracht habe.
175 
Auch das Schreiben der R. an ver.di vom 21.01.2016 sei unerheblich. Dieses Schreiben gebe für den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gar nichts her.
176 
Ein hypothetischer Arbeitskampf gegen die Stadt stehe nicht zur Entscheidung an.
177 
Die Forderungen und Kampfziele der Beklagten hätten die tarifvertragliche Begründung unmittelbarer Pflichten der Stadt P. zur Gestellung von Ersatzarbeitsplätzen für die Busfahrer der Klägerin und eine aus Sicht der Beklagten angemessene Dotierung von Transferleistungen und/oder eines sozialen Ausgleichs für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zum Gegenstand gehabt.
178 
Die Versuche der Beklagten, diese klar artikulierten Kampfziele mit der Worthülse Sozialtarifvertrag zu verbrämen, verfingen nicht. Das Wort „Sozialtarifvertrag“ sage über konkret gegebene Tarifforderungen und Kampfziele nichts aus.
179 
Der wirkliche Inhalt der seitens der Beklagten erhobenen Tarifforderungen und gegenüber der Klägerin verfolgten Kampfziele erschlösse sich aus dem bereits in der Klageschrift dargelegten Streikaufrufen, Pressemitteilungen, und sonstigen Verlautbarungen der Beklagten sowie nicht zuletzt aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem lag.
180 
Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht darauf zurückziehen, dass sie ihren Streikbeschluss der Klägerin zu keiner Zeit offiziell zur Kenntnis gegeben habe.
181 
Insgesamt sei der Inhalt des Streikbeschlusses der Klägerin auf der Grundlage der der Klägerin bekannt gewordenen Streikaufrufe, Presseverlautbarungen und sonstigen Erklärungen von Vertretern der Beklagten zu ermitteln. Die Klägerin habe diesbezüglich alle ihr bekannt gewordenen Umstände in der Klageschrift dargelegt und unter Beweis gestellt. Käme man zu dem Schluss, die Beklagte hätte der Klägerin einen Streikbeschluss gar nicht bekannt gemacht, wäre der streitgegenständliche Arbeitskampf schon aus diesem Grund wegen Verletzung der Mitteilungspflicht rechtswidrig gewesen.
182 
Die Beklagte führe nun schriftsätzlich im Verlauf der gesamten Auseinandersetzung zum ersten Mal aus, es sei ihr nicht um rechtsverbindliche Regelungen zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen bei der Stadt P., sondern in Anlehnung an den TV-RatAng lediglich um ein bloßes Bemühen der Klägerin um freie Arbeitsplätze bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an demselben Ort oder bei einem anderen Arbeitgeber gegangen. Ein solches Bemühen hätte auch erfolglos bleiben können. Rechtliche Verpflichtungen Dritter wären hieraus nicht gefordert worden. Dies stehe im direkten Widerspruch zu den der Klägerin bekannt gewordenen Umständen, die auf die wahren Tarifforderungen und Kampfziele der Beklagten schließen ließen und werde durch diese widerlegt. Wäre es der Beklagten, wie sie nun wahrheitswidrig vortrage, tatsächlich nur um das besagte Bemühen der Klägerin gegangen, sei unverständlich, warum nach dem Erhalt des Schreibens vom 08.03.2016 überhaupt gestreikt worden sei. Diese angebliche in Anlehnung an den TV-RatAng eingeforderte Bemühenspflicht habe die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 08.03.16 bereits zugestanden. Die angebliche Tarifforderung der Beklagten sei somit bereits erfüllt gewesen.
183 
Die Rechtswidrigkeit dieses Arbeitskampfes folge weiter daraus, dass die Beklagte eine Fortführung des Betriebs über den 31.12.2016 habe erzwingen wollen und somit in unzulässiger Weise in die gem. § 12 GG verfassungsrechtlich geschützte unternehmerische Organisationsfreiheit eingegriffen habe. Zwar könne jede Tarifforderung und jeder Arbeitskampf im weitesten Sinn mit einer Beeinträchtigung der unternehmerischen Organisationsfreiheit des bekämpften Arbeitgebers einhergehen. Insoweit bestehe ein Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten aus Artikel 9 Abs. 3 GG und Artikel 12 GG.
184 
Rechtswidrig werde ein Eingriff in die unternehmerische Organisationsfreiheit durch Arbeitskampf aber spätestens dann, wenn er auf den Abschluss eines Tarifvertrages ziele, dessen Anwendung zwangsläufig die Existenzvernichtung des bekämpften Unternehmens zur Folge hätte. Diese Grenze sei vorliegend überschritten. Der Verkehrsvertrag zwischen der Stadt P. und der Klägerin habe mit Ablauf des 10.12.2016 automatisch geendet und die Klägerin wegen des Bescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom Januar 2016 keine Aussicht auf den Abschluss eines neuen Verkehrsvertrages mehr gehabt. Damit habe festgestanden, dass die Klägerin nach dem 10.12.2016 aus dem Stadtverkehr keinerlei Einnahmen mehr haben würde.
185 
 Dies sei auch für die Beklagte offensichtlich gewesen. An der automatischen Beendigung des Verkehrsvertrags könnte auch der lediglich stufenweise Wegfall der Liniengenehmigung nichts ändern. Die Laufzeit des Verkehrsvertrags einerseits und die Laufzeit der Liniengenehmigung andererseits seien zwei voneinander unabhängige rechtliche Ebenen. Der Klägerin wäre es zwar personenbeförderungsrechtlich noch gestattet gewesen, bestimmte Linien über den 31.12.2016 hinaus zu bedienen, hätte jedoch mangels Verkehrsvertrags dafür kein Geld erhalten. Sie sei daher gezwungen gewesen, ihren Betrieb zum 31.12.2016 still zu legen und die Arbeitnehmer betriebsbedingt zu entlassen. Trotzdem habe die Beklagte die Klägerin zu einer unmittelbar in die Insolvenz führenden Betriebsfortführung zwingen wollen. Die Grenzen des rechtmäßigen Arbeitskampfes seien somit offensichtlich überschritten.
186 
Die Klägerin habe den Bescheid des RP Karlsruhe auch nicht rechtswidrig umgesetzt.
187 
 Aber auch ein unterstellter Verstoß der Stadt P. gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätte die Beklagte nicht zu einem ansonsten rechtswidrigen Arbeitskampf gegen die Klägerin berechtigt. Der Bescheid entfalte offensichtlich keinerlei drittschützende Wirkung zugunsten der Beklagten.
188 
Für eine Suspendierung der tarifvertragsimmanenten Friedenspflicht durch die in § 26 Abs. 5 des Haustarifvertrags angelegte Verhandlungspflicht biete das Tarifwerk an keiner Stelle einen Anhaltspunkt. Die Geschäftsgrundlage für das geltende Tarifwerk sei in Folge des Bescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.01.2016 nicht weggefallen, denn die Parteien hätten die Situation eines etwaigen Verlustes von Leistungen und Genehmigungen im Blick gehabt und in § 1 Nr. 5.2 des Tarifvertrags ausdrücklich geregelt.
189 
Die jetzt erstmals von der Beklagten erhobene Behauptung, sie habe in Person der Mitglieder der Tarifkommission bei Streiks ab Dienstbeginn immer den jeweils diensthabenden Verkehrsmeister unterrichtet, sei frei erfunden. Die Beklagte habe das Mittel der Nichtankündigung ihrer geplanten Streikhandlungen jeweils gezielt als Druckmittel eingesetzt. Kern der durchgängigen Kampfstrategie der Beklagten sei die Durchführung einzelner, jeweils unangekündigter Arbeitsniederlegungen gewesen, die der Klägerin und der Bevölkerung keine Möglichkeit lassen sollten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Beklagte habe damit eine Kampflage geschaffen, in der die Klägerin tatsächlich permanent zu jeder Tages- und Nachtzeit mit plötzlichen Arbeitsniederlegungen zu rechnen gehabt habe.
190 
Diese Bedrohung sei ein unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gewesen, denn sie habe auf den Kern und die Grundlagen der betrieblichen Tätigkeit eines kommunalen Unternehmens gezielt, die Planbarkeit und Verlässlichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Beklagte habe an dieser Kampfstrategie über den gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum hinweg festgehalten. Der Arbeitskampf sei nicht vorzeitig beendet worden. Die Beklagte hätte jedoch den Arbeitskampf für beendet erklären müssen, wenn es ihre Haftung für arbeitskampfbedingte Schäden hätte einschränken wollen.
191 
Der von der Beklagten gegen den Betrieb der Klägerin geführte Arbeitskampf habe sich nicht auf die einzelnen Streiktage beschränkt, und auch nicht mit Ablauf des letzten Streiktages geendet. Die Klägerin sei seit dem 09.03.2016 und auch über den 01.07.2016 hinaus fortlaufend unter akuter Streikandrohung der Beklagten gestanden, die den Arbeitskampf bis zuletzt nicht für beendet erklärt, oder von ihren rechtswidrigen Streikforderungen Abstand genommen habe.
192 
Die Stadt P. sei nicht Tarifvertragspartei geworden, da diese im Rubrum der jeweiligen Tarifverträge nicht als Tarifvertragspartei bezeichnet sei.
193 
 Die zusätzliche Unterzeichnung der Tarifverträge durch die Stadt P., zumal durch Herrn E. als Leiter des Personal- und Organisationsamtes, und nicht etwa durch den Oberbürgermeister, habe lediglich eine Billigung der Inhalte der jeweiligen Tarifverträge durch die Stadt P. zum Ausdruck gebracht, und habe im Rahmen eines Geschäfts der laufenden Verwaltung aus Rechtsgründen auch nicht mehr als diese Wirkung erzielen können.
194 
Die zu keiner Zeit beabsichtigte Begründung eigener tarifvertraglicher Verpflichtungen durch die Stadt P. wäre nur auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussfassung durch den Gemeinderat möglich gewesen.
195 
Jene Billigung der Inhalte der jeweiligen Tarifverträge durch die Stadt P., deren Bindung im Sinne einer Übernahme eigener tarifvertraglicher Verpflichtungen im Übrigen bis 2015 zu keiner Zeit Gegenstand der mit der Beklagten geführten Tarifgespräche und Verhandlungen gewesen sei, habe sehr wohl einen Wert für die Beklagte gehabt. Dies zeige insbesondere die Situation bei Zustandekommen des Tarifvertrags vom 31.01./18.02.2014. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin habe sich als nachhaltig und langjährig defizitär erwiesen. Die V. als damalige Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin sei im Rückzug begriffen gewesen. Die Stadt P. sei dabei gewesen, die Beteiligung der V. vorübergehend zu übernehmen. Die Präambel des Tarifvertrages vom 31.01./18.02.2014 bringe dies zum Ausdruck.
196 
Ursprüngliches Ziel der Stadt P. sei hiernach eine vorübergehende Fortführung der Klägerin mit der Stadt P. als alleiniger Gesellschafterin sowie sodann eine Wiederüberleitung der Klägerin in ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen gewesen. Die Tarifverträge vom 31.01./18.02.2014, 19.05.2014 und 15./23.07.2015 seien mithin eingebettet in die Aktivitäten auf Gesellschafterebene gewesen und hätten im Zusammenhang mit dem Bemühen um eine Fortsetzung des Verkehrsbetriebs über den 10.12.2016 hinaus bestanden. Angesichts dessen sei es durchaus auch für die Beklagte von Wert gewesen, dass die Stadt P. im Hinblick auf die auf Gesellschafterebene für die Klägerin entwickelten Perspektiven ihre Billigung und Unterstützung durch die Unterschrift für die Stadt P. zum Ausdruck gebracht habe. Dies aus Sicht der Stadt P. umso mehr, als ihre Interessen auch durch § 1 Nr. 9 des Tarifvertrages vom 31.01./18.02.2014 berührt worden seien. Die Bedeutsamkeit der Vorgänge auf Gesellschafterebene, komme auch in § 2 Nr. 1.2 des Tarifvertrags vom 31.01./18.02.2014 zum Ausdruck. Es heiße dort, dass der Tarifvertrag unter der auflösenden Bedingung des nicht vollständigen Rückerwerbs der Kommanditbeteiligung der V. an der Klägerin durch die Stadt P. stehe. Eine derartige Einbettung der Tarifregelungen in den Erwerb der Alleingesellschafterstellung durch die Stadt P. und in die Perspektiven gem. der Vorbemerkung zum Tarifvertrag lasse es mehr als plausibel erscheinen, dass die Stadt P. die Unterschrift geleistet habe um allen Beteiligten zu verstehen zu geben, dass sie das Vorgehen der Tarifvertragsparteien auf dieser Grundlage billige.
197 
Maßgeblich für die Rechtswidrigkeit des von der Beklagten gegen die Klägerin geführten streitgegenständlichen Arbeitskampfes sei nicht, ob und ggf. welche tarifvertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Stadt P. bestanden hätten, deren Änderung oder Ergänzung die Beklagte ggf. von der Stadt P. hätte fordern können.
198 
Die Behauptung der Beklagten, die Stadt P. habe ursprünglich das Ziel einer Fortführung des Betriebs der Klägerin bis zum 30.06.2017 verfolgt, sei unzutreffend.
199 
Es gehe vorliegend nicht darum, dass die Beklagte im Sinne einer zulässigen Tarifpolitik und typischen Verhandlungsführung zulässigerweise überhöhte Forderung gestellt hätte, die im Wege eines gegenseitigen Nachgebens typischerweise in einen Tarifabschluss einmündeten. Die Rechtswidrigkeit der Tarifforderungen der Beklagten liege darin, dass die Beklagte von vornherein unzulässige Tarifziele verfolgt habe, die auf die rechtliche Bindung eines Dritten, und soweit eine Fortführung des Betriebs über den 31.12.2016 hinaus angestrebt worden sei, auf eine Existenzvernichtung bzw. Insolvenz der Klägerin gerichtet gewesen seien.
200 
Die Umschreibung der Kampfziele der Beklagten mit dem Wort „Sozialtarifvertrag“ sei nicht mehr als die Verwendung einer Worthülse, und somit als Verlautbarung eines Streikziels untauglich. Die im Prozess nachgeschobenen Bemühungen der Beklagten der Worthülse Kontur zu geben, seien vergeblich. Einen Tarifsozialplan im Sinne des TV-RatAng habe die Beklagte zu keiner Zeit gefordert. Ebenso wenig habe sie eine Tarifforderung im Sinne, in Anlehnung an, entsprechend TV-RatAng gestellt. Es sei der Beklagten nach eigenem Bekunden, insbesondere auch in den vorgelegten Streikaufrufen und sonstigen Verlautbarungen, gerade um konkrete Arbeitsplatzangebote gegangen, für die die Klägerin in Folge Betriebsschließung naturgemäß und für jeden erkennbar keine Grundlage bieten gekonnt habe. Der Beklagten sei es nicht um ein schlichtes Bemühen der Klägerin, sondern ausdrücklich und unmissverständlich um konkrete Arbeitsplatzangebote, d. h. eine Weiterbeschäftigung der von der bevorstehenden Betriebsschließung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stadt P. gegangen.
201 
Die Beklagte entgegnet darauf,
202 
dass die Stadt P. Tarifvertragspartei geworden sei. Wieso die Unterschrift unter den Tarifvertrag nur den Erklärungsinhalt einer Billigung des Tarifvertrages durch den Alleingesellschafter haben solle, sei nicht nachvollziehbar, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Tarifverträge noch aus den Umständen. Der „Billigung“ der Stadt habe es im Übrigen allenfalls im Innenverhältnis ohne rechtliche Konsequenzen für das Außenverhältnis der Tarifparteien zueinander bedurft.
203 
Die Unterschrift bringe das Rechtsgeschäft zustande, nicht die Parteibezeichnung. Billigung des Vertrags sei die Voraussetzung der Unterschrift, nicht ihre Rechtsfolge. Aus den Unterschriften ergäben sich auch die Parteien des Vertrags. Alles Weitere sei Frage der Auslegung des Textes. Habe eine Partei einen Vertrag unterschrieben, werde sie im Rubrum des Vertrags aber nicht genannt, sei die Auslegung zwingend, dass genau diese Partei, die durch ihre Unterschrift den Vertrag zustande gebracht habe, auch Partei des Vertrages sei, gleichgültig ob sie im Rubrum genannt sei.
204 
Vorliegend seien keine Unklarheiten in Bezug auf die Vertretungsverhältnisse der Stadt P. zu sehen, die es nahelegen könnten, § 164 BGB heranzuziehen. Den Sanierungstarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 habe Stadtdirektor E.
205 
für die Stadt als Partei ebenso unterschrieben wie den Nachtrag vom 19.05.2014 und den Ergänzungs-TV vom 15.07.2015. Die Unterschrift sei ausdrücklich für die Stadt geleistet. Ein Anwendungsfall von § 164 Abs. 2 BGB sei nicht gegeben. Auch die Stadt habe sich also als Tarifvertragspartei zu Tarifverhandlungen über einen Rettungstarifvertrag verpflichtet. Aus diesen Verhandlungspflichten hätten auch tarifliche Pflichten derer resultieren können, die sich zuvor zu Verhandlungen über den Abschluss eines Rettungs-TV verpflichtet hätten, also auch solche der Stadt. Es sei nicht ersichtlich, was das Eingehen einer Verhandlungsverpflichtung über den Abschluss eines Tarifvertrages anderes besagen solle, als die Bereitschaft, je nach Verhandlungsverlauf in einem aufgrund dessen zustande gekommen Tarifvertrag ggf. auch Adressat tariflicher Normen bzw. Gläubiger oder Schuldner tariflicher Pflichten zu werden. Damit wäre die tarifvertragliche Begründung von Pflichten der Stadt kein rechtswidriges, sondern ein rechtmäßiges Streikziel gewesen.
206 
Die Behauptung der Klägerin, dass die Beklagte Forderungen und Kampfziele gegenüber der Klägerin, die tarifvertragliche Begründung unmittelbarerer Pflichten der Stadt P. zum Gegenstand gehabt hätten, sei unzutreffend. Bei dem zitierten Schreiben vom 04.03.2016 handle es sich um eine Mitgliederinformation, und nicht um einen Streikaufruf. In keinem der von der Klägerin mit der Klageschrift überreichten Warnstreikaufrufe sei die Rede von dem, was sie nun vortrage, nämlich von einem Streikziel der tariflichen Begründung unmittelbarer Pflichten der Stadt.
207 
Die Schlussfolgerung der Klägerin, notwendige Folge einer Betriebsfortführung über den 31.12.2016 hinaus sei Insolvenz, werde ins Blaue hineingezogen. Außerdem wäre eine solche Standortentscheidung tarifvertraglich regelbar gewesen.
208 
Die Fortführung des Betriebs der Klägerin bis zum 30.06.2017 habe ja dem entsprochen, was von der Stadt ursprünglich geplant gewesen sei. Die Beklagte habe mit ihrem Tarifsozialplan nicht mehr als das erreichen wollen.
209 
Die Forderung der Beklagten habe sich lediglich in dem Rahmen der ursprünglich vorgesehenen, regulären Variante der teilweisen und schrittweisen Stilllegung der Klägerin bewegt.
210 
Die Tarifforderungen der Beklagten seien auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
211 
Der sachliche Geltungsbereich des TV-RatAng sei nicht einschlägig. Eine Tarifforderung“ im Sinne, in Anlehnung an, entsprechend TV-RatAng“ meine die tarifvertragliche Vereinbarung von diesem Tarifvertrag ähnlichen Regelungen ungeachtet der Tatsache, dass er nach seinem sachlichen Geltungsbereich für den vorliegenden Fall der Stilllegung des Betriebs gerade nicht gegolten habe, womit zugleich die erkennbar umfassende Regelung im TV-RatAng zwar womöglich zur Rationalisierung, nicht aber zur Stilllegung der Rechtmäßigkeit eines Streiks nicht entgegen gestanden habe.
212 
Die von der Beklagten geltend gemachte Streikforderung auf Abschluss eines Sozialtarifvertrags in Anlehnung an den TV-RatAng sei klar und verständlich gewesen, so dass die Klägerin ihr Verhalten in den anstehenden Tarifvertragsverhandlungen darauf habe einstellen können.
213 
Eine arbeitskampfrechtliche Pflicht zur Ausformulierung einer Tarifforderung in einen geschlossenen Vertragsentwurf bestehe nicht. Erst recht müsse eine Streikforderung nicht dem Verhandlungsergebnis kongruent sein. Auch in Anbetracht dessen, dass der Inhalt des TV-RatAng seit langem geltendes Tarifvertragsrecht sei, sei die Streikforderung der Beklagten hinreichend präzise. Die Klägerin habe ihr Verhalten in der Tarifauseinandersetzung darauf einstellen können. Wenn die Beklagte den Abschluss eines Tarifvertrags in Anlehnung an den Tarifvertrag RatAng fordere, hieße dies zugleich, dass sie von Anbeginn an nicht mehr fordere, als dass, was dieser Tarifvertrag beinhaltet habe. Es könne keine Rede davon sein, dass eine vage und einseitige Bereitschaft, sich zu „kümmern,“ die Erfüllung des TV-RatAng bedeutet hätte.
214 
Die aus Streiks entstehenden, wirtschaftlichen Schäden seien Mittel zum Zweck des Tarifabschlusses und vom Grundrecht auf Streik umfasst. Ebenso wenig wie eine Ansagepflicht von Streiks bestehe, bestehe eine Absagepflicht. Der bestreikte Arbeitgeber, die Klägerin, habe bezüglich seiner Streikabwehrmaßnahmen ebenfalls nichts an- oder abgesagt, sondern die Beklagte stattdessen mit der exorbitanten Abwehr bloß befürchteter Streiks der Beklagten durch Ersatzverkehre und Subvergaben gleich bis zum Ablauf des Verkehrsvertrages überrascht.
215 
Wenn ein Streik, den der Arbeitgeber bloß vermuten, annehmen oder fürchten würde, genauso zum Schadensersatz verpflichtete, wie ein Vollstreik von Anbeginn bis zum Ende einer Tarifrunde, seien bloß Tage- oder schichtweise durchgeführte Streiks sinnlos, weil der dadurch ausgeübte wirtschaftliche Druck viel geringer, der aber von der Gewerkschaft gegenüber dem Arbeitgeber zu leistende Schadensersatz genauso hoch wäre wie beim Vollstreik.
216 
 Dann müssten überall wieder Vollstreiks stattfinden mit den für beide Seiten gravierenden Schadensfolgen. Darauf laufe die Auffassung der Klägerin hinaus. Unterstellt, das BAG mache sich die Auffassung der Klägerin zu eigen, hätte dies die faktische Konsequenz, dass via Schadensersatzrecht der §§ 249 ff., 823 BGB das gewerkschaftliche Streikrecht abgeschafft würde oder dies die Gewerkschaften zu Vollstreiks in sämtlichen Betrieben rund um die Uhr zwingen würde. Ihre Arbeitskampftaktik bestimme die Gewerkschaft selbst. Dies sei Ausdruck ihrer Freiheit der Kampfmittelwahl, die ebenfalls Teil des Grundrechts auf Streik sei
217 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Terminsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
218 
Die Klage ist insgesamt zulässig, allerdings unbegründet.
I.
219 
Die Klage ist insgesamt zulässig.
220 
1.) Der Klageantrag Ziffer 1 ist als bezifferter Leistungsantrag zulässig.
221 
2.) Auch der Klageantrag Ziffer 2, Feststellungsantrag, ist gemäß §256 ZPO zulässig.
222 
Die Klägerin hat mit ihrer Klageschrift zunächst den Schaden geltend gemacht, der ihr durch den behauptet rechtswidrigen Arbeitskampf unter Anwendung der Erlösbonus/Erlösmalusregel gemäß § 28 Abs. 3 i. V. m. § 32 Abs. 1 des Verkehrsvertrags entsteht.
223 
Erlösbonus bzw. Erlösmalus werden auf der Grundlage der Jahresabrechnung ermittelt, welche jeweils zum 31.07. des Folgejahres erstellt wird.
224 
Bei Erhebung der Klage vom 19.06.2017 war die Jahresabrechnung noch nicht erstellt worden.
225 
Grund und Höhe einer etwaigen Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines Erlösmalus standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.
226 
Deshalb hat die Klägerin zunächst einen Feststellungsantrag gestellt, was rechtlich unproblematisch zulässig war.
227 
Eine Feststellungsklage ist nämlich dann zulässig, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, und der Kläger seinen Anspruch deshalb ganz oder teilweise noch nicht beziffern kann (vgl. bereits BGH VIII. Zivilsenat vom 30.03.1983 VIII ZR 3/82, recherchiert unter www.juris-testa.de). Zwischenzeitlich hat die Stadt P. zum 31.07.2017 die Jahresabrechnung per 10.12.2016 erstellt. Danach hat sich eine von der Klägerin vorgetragene Verpflichtung gegenüber der Stadt P. zur Zahlung eines Erlösmalus in Höhe von 218.137,00 EUR ergeben. Die Klägerin hat nunmehr ihren Klageantrag Ziffer 1, den Leistungsantrag, um die Höhe des nunmehr bezifferbaren Erlösmalus erweitert.
228 
Gegenstand des verbleibenden Feststellungsantrags ist jetzt noch ein weiterer behaupteter Schaden der Klägerin, der darin bestehen soll, dass ihr als Streikfolge ein Erlösbonus entgangen sei. Insoweit stellt die Klägerin bisher lediglich eine Vergleichsbetrachtung mit dem Kalenderjahr 2015 ohne Streikbelastung der Klägerin an, und sieht dieses auch als übertragbar und vergleichbar mit dem Streikjahr 2016 an und gerät so auf einen Erlösbonus in Höhe von 884.375,00 EUR.
229 
Auch wenn es der Klägerin nunmehr grundsätzlich möglich gewesen wäre, auch diesen Betrag als unterstellten weiteren Schaden in Form des Erlösbonus zu beziffern, entfällt das Feststellungsinteresse für den Klageantrag Ziffer 2 dadurch nicht.
230 
Ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO, wie hier, in zulässiger Weise erhoben worden, braucht ein Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nachträglich zur Leistungsklage überzugehen, wenn dies im Lauf des Rechtsstreits möglich wird (vgl. BGH Urteile vom 17.10.2003 V ZR 84/02).
II.
231 
Die Klage ist aber unbegründet.
232 
1. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu.
233 
Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützten sonstigen Rechten gehört das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung seines Betriebs gerichtet, und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht (BAG vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08 Rn. 21,juris.de). Durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehende Gewerbebetrieb in den Kreis der sonstigen Rechte des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich erwähnten Rechtsgütern hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Der Auffangtatbestand ist geschaffen worden um eine andernfalls bestehende Lücke im Rechtsschutz zu schließen (BAG vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08,juris.de).
234 
a. Allerdings löst nicht jedwede Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs Ersatz oder Abwehransprüche seines Inhabers aus. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen, dem allgemeinen deliktsrechtsfremden Vermögensschutz bezweckt, bedarf es einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestands. Dem dient das Erfordernis des unmittelbaren Eingriffs der eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Inhaber von Gewerbebetrieben gegenüber anderen von einem schadensstiftenden Ereignis Betroffenen ausschließt (BGH v. 18.01.2012, I ZR 187/10,juris.de).
235 
b. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. insoweit BAG v. 26.07.2016, 1 AZR 160/14 unter Verweis auf BAG v. 19.06.2012, 1 AZR 775/10).
236 
c. .Mit den 34 Einzelstreikmaßnahmen, d. h. des Streiks an 34 Tagen in dem Zeitraum vom 09.03.2016 bis insgesamt zum 01.07.2016 hat die Beklagte in das Recht der Klägerin an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.
237 
Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich des Personennahverkehrs ab.
238 
d. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Artikel 12 Grundgesetz und Artikel 14 Grundgesetz entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. auch insoweit Urteil des BAG vom 26.07.2016 unter Verweis auf bereits RG 27.02.1904 I 418/03).
239 
Zwar unterliegen solche, wie hier öffentlich beherrschte Unternehmen, wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind.
240 
Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (Bundesverfassungsgericht v. 22.02.2011, 1 BVR 699/06,juris.de,“ Fraport-Entscheidung“).
241 
Vollzieht sich diese Teilnahme so wie hier im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten nicht weniger schutzwürdig als Private.
242 
2. Die Streikmaßnahmen waren jedoch nicht rechtswidrig.
243 
a. Die Beklagte hat mit ihnen nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen und diese verletzt:
244 
Mit dem Abschluss eines Tarifvertrages und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG v. 18.02.2003, 1 AZR 142/02,juris.de). Diese relative Friedenspflicht ist auch ohne besondere Vereinbarung dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG v. 19.06.2007, 1 AZR 396/06juris.de).
245 
Ein Tarifvertrag schützt in seinem schuldrechtlichen Teil, zu dem die Friedenspflicht gehört, die Tarifvertragsparteien davor, hinsichtlich der tariflich geregelten Materien mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden (BAG 19.06.2007, 1 AZR 396/06, BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06,jeweils juris.de).
246 
Die Friedenspflicht endet mit Ablauf der betreffenden tariflichen Regelungen (BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BAG v. 26.07.2016 a.a.O. unter Verweis auf Pfohl, Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien bis 2010 Seite 32 ff., sowie ausdrücklich auch Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg v. 03.08.2016 in 4 SaGa 2/16). Die Tarifvertragsparteien können über die relative Friedenspflicht auch verfügen (Däubler/Reinfelder Arbeitskampfrecht 3. Auflage, Kapitel 15, Rn. 5). Auch ganz ungewöhnliche, bei Abschluss des Tarifvertrages unvorhergesehene, und von dessen Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklungen können es möglich erscheinen lassen, die Friedenspflicht entfallen zu lassen (BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02).
247 
Soweit von den Tarifvertragsparteien, so wie hier, nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelung zu ermitteln (vgl. BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02 in Däubler/Reinfelder, Arbeitskampfrecht 3. Auflage, Kapitel 15, Rn. 14).
248 
Nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BAG vom 26.07.2016 besteht eine Friedenspflicht danach, soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt haben. Nur die Tarifforderungen unterliegen ihr, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG v. 10.12.2002 a.a.O.).
249 
b. Soweit die Beklagte eine Verlängerung bzw. Erweiterung des Kündigungsschutzes über den 31.12.2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 forderte, liegt ein Verstoß gegen die Friedenspflicht nicht vor.
250 
 Die Parteien haben unter § 1 Nr. 5.1 TV 2014 bereits ausdrücklich eine Beschäftigungssicherung durch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 31.12.2026 geregelt. Genauso ausdrücklich haben die Parteien unter § 1 Nr. 5.2 TV 2014 auch geregelt, dass ausnahmsweise betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig sein sollen, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage so ändern sollte, dass die Klägerin zu Maßnahmen greifen müsste, die massenentlassungspflichtig im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG wären.
251 
Als Geschäftsgrundlage wird in dieser Regelung ausdrücklich der Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit sowie der drohende Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen bezeichnet. Dass der vorliegende Konzessions- und Auftragsverlust ein solcher Störfall im Sinne von § 1 Nr. 5.2 TV 2014 ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Tarifvertrag 2014 trifft somit eine eindeutige Regelung zu Kündigungen und würde somit selbst für den vorliegenden Störfall Arbeitskämpfe für eine hiervon abweichende anderweitige Regelung sperren (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16).
252 
Über § 1 Nr. 1 TV 2014 wurde aber zugleich auch § 26 Haus-TV wieder in Kraft gesetzt. § 26 HausTV beinhaltet vor allem in seinen Absätzen 1 bis 3 Regelungen zu Beginn und Ende, insbesondere zur Kündbarkeit des Tarifvertrags, die durch § 2 TV 2014 abgeändert wurden. Nicht abgeändert wurde § 26 Abs. 5 HausTV. Darin verpflichteten sich die Parteien, bei Veränderungen der Geschäftsgrundlage unverzüglich wieder in Verhandlungen für diesen Tarifvertrag einzutreten. Als solche wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage wurde der drohende Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, der drohende Verlust von Leistungen oder vergleichbare Fälle gravierender Veränderungen genannt.
253 
Eingebettet in Regelungen zur Beendigung des Tarifvertrags sahen die Tarifvertragsparteien entsprechend der Regelung in § 313 BGB somit für gewisse Fallgestaltungeneinen Abänderungsbedarf. Die Geschäftsgrundlage für diesen Abänderungsbedarf wurde ausdrücklich benannt.
254 
Diese Abänderungen sollten durch Verhandlungen zustande kommen. Wenn die Parteien sich aber entsprechend der Regelung des § 313 BGB eine Verhandlungspflicht auferlegen, liegt darin immanent eine Suspendierung der Friedenspflicht. Verhandlungspflicht und Friedenspflicht schließen sich gegenseitig aus.
255 
Die Beklagte zur Führung von Tarifvertragsverhandlungen ohne das Recht zum Streik zu verpflichten, wäre eine unzulässige und gegen Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz verstoßende Zurücksetzung der Rechte der Beklagten auf ein „kollektives Betteln“ (BAG v. 12.09.1984, 1 AZR 342/83,juris.de). Einer ausdrücklichen Aufnahme der Suspendierung der Friedenspflicht für diese Fälle bedurfte es daher nicht (vgl. auch insoweit Urteil des lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
256 
Die Klägerin trägt insoweit vor, dass es mangels Änderung der Geschäftsgrundlage keine Verhandlungsverpflichtung gäbe. Damit argumentiert sie dahingehend, dass das, was gemäß § 26 Abs. 5 HausTV erst zu Tarifvertragsverhandlungen verpflichtet, in demselben Tarifwerk gem. § 1 Nr. 5.2 Sanierungs-TV durch Aufhebung des Schutzes vor betriebsbedingten Beendigungskündigungen bereits erfüllt ist.
257 
Damit solle die Geschäftsgrundlage deshalb nicht verändert sein, weil ihre Veränderung im selben Tarifvertrag bereits eine tarifvertragliche Regelung gefunden habe. Auch aus Sicht der erkennenden Kammer kann den Tarifparteien aber nicht unterstellt werden, dass in demselben Tarifvertrag zugleich ein Verpflichtungsgeschäft eingegangen wurde und die dazugehörige Erfüllung bereits geregelt sein sollte.
258 
Eine solche tarifliche Regelung wäre sinnlos.
259 
Dass eine solche in § 26 Abs. 5 Haus-TV beschriebene Störung der Geschäftsgrundlage in Form eines Verlusts von Leistungen oder in Form einer vergleichbaren gravierenden Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegt, ist nach dem Verlust der Konzession und dem Verlust des Verkehrsvertrages offenkundig (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts v. 03.08.2016,juris.de).
260 
Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer kann die Tatsache, dass für ein- und denselben Fall des Leistungs- und Genehmigungsverlusts in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen sind, und in § 1 Nr. 1 TV 2014 i. V. m. § 26 Abs. 5 HausTV eine Verhandlungspflicht, nur so aufgelöst werden, dass die Kündigungsmöglichkeiten nur solange bestehen sollen, bis im Rahmen von Verhandlungen Lösungen gefunden werden, die angesichts des aufgetretenen Störfalls die Hauptanliegen beider Seiten (Sicherung des Geschäfts und der Arbeitsplätze) wieder zu einem Ausgleich bringen (vgl. auch insoweit Landesarbeitsgericht v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
261 
§ 26 Abs. 5 des zugrundeliegenden Haustarifvertrages statuiert eine ausdrückliche Verpflichtung, bei einem drohenden Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit oder drohendem Verlust von Leistungen bei einem oder mehreren Unternehmen bzw. in vergleichbaren Fällen gravierender Veränderung der Geschäftsgrundlage für diesen Tarifvertrag unverzüglich in Verhandlungen einzutreten.
262 
Es wird auch das Hauptanliegen dieses Haustarifvertrages definiert, nämlich die Sicherung des Geschäftes und der öffentlichen Arbeitsplätze in dem Sinne, dass diese unverändert beibehalten werden können.
263 
Nachdem wie von Seiten der Klägerin vorliegend auch dargelegt, die Klägerin nach dem Verlust der Konzession und dem bevorstehenden Verlust des Verkehrsvertrages nicht mehr in der Lage gewesen ist, den Betrieb der Klägerin so wie bis dato aufrecht zu erhalten und diesen zumindest zwingend in Teilen stilllegen musste, konnte das tarifvertraglich vereinbarte Ziel, nämlich eine Fortführung des Betriebes und Erhalt der kompletten Arbeitsplätze nicht mehr erreicht werden, es wurde auch nach den Regelungen des Haustarifvertrages der Fall einer Verhandlungsverpflichtung ausgelöst.
264 
Wie bereits zuvor ausgeführt, setzt das Bestehen einer Verhandlungsverpflichtung auch die Möglichkeit voraus, für diese ggf. zur Durchsetzung von tarifvertraglichen Forderungen einen Arbeitskampf zu beginnen/zu führen.
265 
Die Forderung der Beklagten auf Fortführung des Betriebes über den 31.12.2016 hinaus zu einem hinausgeschobenen Zeitpunkt im Kalenderjahr 2017 und eine Erweiterung des Kündigungsschutzes sind insoweit auch deckungsgleich mit den Versprechungen/ Intentionen, die die Klägerin und auch die Stadt P. der Beklagten vor Durchführung des Arbeitskampfes im Rahmen von Gesprächen in Aussicht gestellt hat.
266 
Da die Klägerin nicht mit dem Stichtag 31.12.2016 sämtliche Konzessionen verloren hat und es ihr durchaus möglich gewesen wäre, den Busverkehr noch auf einigen Linien fortzuführen, ggf. im Rahmen einer Teilbetriebsfortführung, liegt in der Forderung der Beklagten den Kündigungsschutz über den 31.12.2016 hinaus zu verlängern, kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vor.
267 
c. Auch soweit die Beklagte von der Klägerin beschäftigungssichernde Maßnahmen entsprechend § 22 Haustarifvertrag gefordert hat, liegt darin kein Verstoß gegen die Friedenspflicht.
268 
Zwar hat die Beklagte erklärt, das Ziel gehabt zu haben, im Rahmen eines Sozialtarifvertrages beschäftigungssichernde Regelungen entsprechend § 22 Haus-TV zu erzielen. Dies würde zwar grundsätzlich gegen die aus dem Tarifvertrag 2014 resultierende Friedenspflicht verstoßen, weil § 22 Haus-TV und damit auch der TV-RatAng über § 1 Nr. 1 TV 2014 bereits geltendes Tarifrecht sind.
269 
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind beschäftigungssichernde Maßnahmen bei einer Stilllegung jedoch gar nicht vom Geltungsbereich des TV-RatAng umfasst.
270 
§ 1 Abs. 1 TV-RatAng definiert Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Tarifvertrags als vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise.
271 
Vorliegend geht es allerdings nicht um eine Änderung der Arbeitstechnik oder eine Änderung der Arbeitsorganisation, sondern um die komplette gänzliche Betriebsstilllegung des einzigen Betriebes der Klägerin, anders als möglicherweise die Stilllegung eines von mehreren Betrieben des Arbeitgebers.
272 
Eine solche Betriebsstilllegung dient nicht dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, sondern vielmehr der Aufgabe jeglicher betrieblicher Tätigkeit (vgl. insoweit auch Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf lag Baden-Württemberg vom 13.01.2014, 1 Sa 14/13,juris.de).
273 
Daher ist insgesamt keine Rechtswidrigkeit des Streiks aufgrund einer Verletzung der Friedenspflicht gegeben.
274 
d. Der Streik war ferner nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte mit ihm eventuell rechtswidrige Ziele verfolgt hätte.
275 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden (vgl. etwa BAG v. 05.03.1985, 1 AZR 468/83 in BAGE 48, 160, 168). Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (vgl. dazu grundlegend BAG GS v. 21.04.1971 GS 1/68).
276 
Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss.
277 
Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (vgl. BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02 unter Verweis auf BAG v. 04.05.1955, 1 AZR 493/54,juris.de).
278 
Es kommt nicht darauf an, ob die begehrte tarifliche Regelung eine solche aus dem normativen Teil oder eine solche des schuldrechtlichen Teils ist (Däubler, Tarifverträge zur Unternehmenspolitik, Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 S.81).
279 
Diese Beschränkung verstößt nicht gegen die ESC.
280 
 Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06, Rn. 109).
281 
Der gewerkschaftliche Streikbeschluss bildet den Abschluss interner Willensbildung. Er ist damit keine Willenserklärung und ebenso wenig eine geschäftsähnliche Handlung. Der Streikbeschluss ist auch keinem anderen gegenüber abzugeben im zivilrechtlichen Sinn von § 130 Abs. 1 BGB. Allerdings ist dem Kampfgegner der Streikbeschluss bekannt zu machen. Rechtsgrundlage der Mitteilungspflicht des Streikbeschlusses an den Kampfgegner ist das Gebot fairer Kampfführung. Die Arbeitgeberseite als Arbeitgeberverband oder der einzelne Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Information darüber, ob der sich anbahnende Streik von der Gewerkschaft getragen wird (Rechtsklarheit).
282 
Überdies muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, den Streik durch Erfüllung der gewerkschaftlichen Forderungen zu vermeiden.
283 
Dem Streikbeschluss kommt ferner vor dem Hintergrund diskutierter Schadensersatzansprüche bei fehlerhafter Streikforderung oder vermeintlicher Streikziele außerhalb des Beschlusses klarstellende Bedeutung für alle Beteiligten zu. Dagegen geht es nicht darum, der Arbeitgeberseite durch die Ankündigung ausreichende Zeit für Abwehrmaßnahmen zu verschaffen (vgl. insoweit insgesamt: Wolter, in Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflage, Kapitel 16 Rn. 9).
284 
An Form und Inhalt der Bekanntmachung sind keine hohen Anforderungen zu stellen, wohl aber hat seine Erstellung im Übrigen hinsichtlich tariflich regelbarer Ziele, Beachtung von Ultima Ratio- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie Streikgegner aus Sicht der handelnden Gewerkschaft sehr akkurat zu sein. Es genügt aber, wenn die Arbeitgeberseite den Streikbeschluss aus den ihr bekannten Umständen entnehmen kann, so etwa der örtlichen Presse, einem Flugblatt, das den Arbeitgeber als Adressaten des Streikbeschlusses nicht explizit benennt, aber vor dem Betrieb verteilt wird, der alsdann bestreikt wird oder bei Verlautbarungen auf einer Pressekonferenz der Gewerkschaft. Allerdings muss diese öffentliche Verlautbarung zur Kenntnis des Arbeitgebers gelangen.
285 
Vom Streikbeschluss als gewerkschaftsinternem Vorgang ist der Streikaufruf an die möglichen Streikenden (Mitglieder und Nichtmitglieder) zu unterscheiden (vgl. auch insoweit Wolter a.a.O.).
286 
Wie das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 10.12.2002 (1 AZR 96/02,juris.de) ausgeführt hat, sieht es auch die Möglichkeit, dass die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Artikel 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedarf.
287 
Das BAG führt insoweit zur Überzeugung der Kammer aus, dass der Sachverständigenausschuss das Verbot aller Streiks in Deutschland, die nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichtet sind, und die nicht von einer Gewerkschaft ausgerufen oder übernommen worden sind, mit den Garantien von Artikel 6 Nr. 4 ESC für unvereinbar hält (vgl. Nr. 82 des Berichts des Regierungsausschusses der ESC an das Ministerkomitee des Europarats, ArbuR 1998, 154 ff.).
288 
Auch erteilte das Ministerkomitee des Europarats am 03.02.1998 der Bundesregierung die „Empfehlung“, in angemessener Weise die negative Schlussfolgerung des Ausschusses unabhängiger Experten zu berücksichtigen (vgl. auch insoweit BAG v. 10.12.2002 a.a.O.).
289 
Die ESC stellt eine von der Bundesrepublik eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen. Bei einer Begrenzung des in Teil II Art.6 Nr.4 ESC anerkannten Streikrechts dürfen sie daher nur solche Grundsätze aufstellen, die nach Teil III Art.31 Abs.1 ESC zulässig sind(BAG vom 10.12.2002 unter Verweis auf BAG 12.9.84,1 AZR 342/83).
290 
Dies bedeutet aber nicht, dass nach der ESC Streiks für Tarifverträge mit rechtswidrigem Inhalt zulässig wären. Nach Teil 3 Artikel 31 ESC darf die in Teil II vorgesehene Ausübung der in Teil I niedergelegten Rechte anderen als den in diesen Teilen vorgesehenen Einschränkungen oder Begrenzungen nur unterliegen, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben, und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig sind.
291 
Die Einhaltung der ESC wird durch einen Sachverständigenausschuss des Europarates überwacht.
292 
Damit ist fraglich, ob die zuwiderlaufende Ausgestaltung des Deutschen Arbeitskampfrechts eine unzulässige Begrenzung der in Teil II Artikel 6 Nr.4 ESC geregelten Rechte darstellt. Die hiermit aufgeworfene Frage der Verbindlichkeit der ESC wird heftig diskutiert. Weder das Bundesverfassungsgericht (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 20.10.1981, 1 BVR 404/78) noch das BAG (vgl. BAG v. 12.09.1984, 1 AZR 342/83) haben dazu abschließend entschieden. In der Literatur werden die unterschiedlichsten Ansätze vertreten. Solange es keine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfrechtes gibt, müssen sich die Gerichte auch an die ESC halten. Allerdings gewinnt die Vorschrift lediglich als Auslegungshilfe Bedeutung.
293 
Die Spruchpraxis des Sachverständigenausschusses kann nicht zu einer authentischen Interpretation der ESC herangezogen werden (vgl. insoweit Hergenröder in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrechtkommentar 7. Auflage 2016 Art.9GG Rz. 262).
294 
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist die Frage, ob vorliegend tatsächlich eine rechtswidrige Forderung, d. h. eine durch einen Tarifvertrag nicht regelbare Forderung von Seiten der Beklagten verlangt wurde unter dem Lichte von Artikel 6 Nr. 4 ESC als Auslegungshilfe und zwar in Form einer Unklarheitenregelung zu lösen.
295 
Diese Regelung ist als Interpretationshilfe dahingehend zu verstehen, dass etwaige Unklarheiten oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Streiks zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen sind. Die Arbeitskampffreiheit, welche in Art.9 Absatz 3 GG garantiert ist, darf folglich insoweit nur, durch für den Kampfführer erkennbar rechtswidrige Forderungen begrenzt werden, da ansonsten das Recht zum Arbeitskampf über die unkalkulierbare Gefahr für die kampfführende Gewerkschaft, im Wege eines Schadensersatzprozesses in Regress genommen zu werden, quasi beseitigt würde.
296 
Artikel 6 Nr. 4 ESC bringt klar zum Ausdruck, dass es sich bei dem Streikrecht zunächst einmal um ein absolutes Recht handelt, das nicht unzulässig beschränkt werden darf.
297 
Bei Sachverhalten, die wie hier, durchaus von der Historie her unklar sind, auch im Hinblick auf die wechselnde Rolle der Stadt P. als Tarifvertragspartei zwischen den Parteien muss diese Regelung nach Auffassung der Kammer als Unklarheitenregelung wie nachfolgend geschehen, angewandt werden.
298 
e. Der Streik ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte mit der Forderung nach einer Betriebsfortführung über den 31.12.2016 hinaus, zunächst mindestens bis Juni 2017 später dann gar nicht mehr in dieser Absolutheit erhoben, ein tariflich nicht regelbares Ziel verfolgt hätte
299 
Unter Berücksichtigung der dargestellten Differenzierung zwischen Streikaufrufen, Streikbeschlüssen und unverbindlichen Meinungsäußerungen, welche nicht durch die Entscheidungsträger der Gewerkschaft abgesegnet sind, müssen die Forderungen bzw. Anliegen der Beklagten bewertet werden.
300 
-Soweit sich das Ziel der Beklagten darauf beschränkt, lediglich eine Verlängerung des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31.12.2016 hinaus erreichen zu wollen, handelt es sich um ein normativ tariflich regelbares Ziel, das sich allenfalls mittelbar auf die unternehmerische Entscheidung auswirken kann, weil es deren Umsetzung teurer und ggf. unattraktiv macht. Die Höhe der Streikforderung hat aber auf die Kampfparität keinen Einfluss, und darf danach auch keiner Rechtskontrolle unterzogen werden.
301 
Die Grenze liegt erst in einer gezielten wirtschaftlichen Existenzvernichtung des Gegners. Diese wäre vom Schutzbereich des Artikel 9 Abs. 3 GG nicht mehr gedeckt (vgl. insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03.08.2016 a.a.O. unter Verweis auf BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06,juiris.de).
302 
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist es nicht annähernd zu erkennen, dass Anhaltspunkte dafür gegeben wären, dass diese Grenze überschritten sein könnte.
303 
- Auch die Forderungen der Beklagten auf eine Betriebsfortführung seitens der Klägerin über einen längeren Zeitraum hinaus als dem 31.12.2016 ist keine tariflich nicht regelbare Forderung.
304 
Seitens der Beklagten wird ohnehin ausgeführt, dass dies nur zunächst einmal ein Anliegen und eine Streikforderung gewesen sei, diese allerdings im Verlaufe des Streiks auch fallengelassen worden sei, so dass es sich dabei nicht um eine durchgehende, insbesondere keine Kernforderung des geführten Streiks gehandelt hat.
305 
Auch Kampfziele, die eine Betriebsstilllegung oder Betriebsverlagerung verhindern sollen, sind solche, bei denen es um die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geht, auch wenn eine entsprechende Regelung nur in einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Tarifvertrages möglich ist (vgl. Erfurter-Kommentar Linsenmaier ,16. Auflage, Artikel 9, GG, Rn. 116).
306 
Ein solches Kampfziel greift aber erheblich in die zugunsten des Arbeitgebers grundrechtlich geschützte Berufswahlfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 GG ein. Es bedarf daher eines Ausgleichs der widerstrebenden Grundrechtspositionen um zu entscheiden, ob und welche Bereiche unternehmerischer Betätigung, die zugleich Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen darstellen, aus dem Bereich des durch Arbeitskampf erkämpfbaren herauszunehmen sind (Hessisches lag 09.09.2015, 9 SaGa 1082/15 und lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16). Was der einzelne Arbeitgeber nur persönlich entscheiden kann, darf nicht durch Streikdruck erzwungen werden.
307 
Bei Kapitalgesellschaften und Großunternehmen haben aber Standortentscheidungen regelmäßig keine derart persönlichen Dimensionen. Daraus folgt für die Zulässigkeit von Streiks ein differenzierter Grenzverlauf, können doch Betriebsänderungen oder Schließungen das Ergebnis höchst unterschiedlicher Unternehmensentscheidungen sein (vgl. auch insoweit lag Baden-Württemberg, Urteil v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf Erfurter Kommentar Linsenmaier, 16. Auflage, Artikel 9 GG, Rn. 75 und 116).
308 
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.04.2007 (1 AZR 252/06,juris.de) offengelassen hat, ob die Forderung auf Verzicht einer geplanten Betriebsänderung zulässig wäre, ist zu berücksichtigen, dass die tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie jedenfalls nicht so weit gehen kann, dass die Gewerkschaft darauf beschränkt wäre, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln. Der Regelungsauftrag des Artikel 9 Abs. 3 GG besteht auch dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen lassen. Der Regelungsauftrag ist dann auch auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung gerichtet (vgl. lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf BAG v. 03.04.1990, 1 AZR 123/89,juris.de).
309 
Vorliegend hat die Beklagte nicht den gänzlichen Verzicht auf die unternehmerische Stilllegungsentscheidung gefordert. Sie hat zunächst eine Verschiebung des Stilllegungszeitpunkts und eine Fortführung des Betriebs für den Zeitraum, für den noch eine Konzession für einen Großteil der Buslinien vorlag, nämlich zunächst bis Juni 2017, gefordert.
310 
Selbst der Gemeinderat der Stadt P. hat ausweislich der Beschlussvorlage Q0645 unterschiedliche Möglichkeiten auch mit Fortführung diskutiert, wenn auch im Ergebnis verworfen, vor allem aus kommunalwirtschaftsrechtlichen und EU-beihilferechtlichen Erwägungen. In diesem Gesamtzusammenhang kann keine Rede davon sein, dass die Streikforderung der Beklagten insoweit offenkundig rechtswidrig gewesen wäre (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgericht v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
311 
f. Die Beklagte hat auch nicht dadurch rechtswidrig gehandelt, dass sie nach der Argumentation der Klägerin das Ziel verfolgt habe, die Stadt P. im Rahmen tariflicher beschäftigungssichernder Maßnahmen mit einbinden zu wollen.
312 
Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Tarifziel nur rechtmäßig sein, wenn es auch vom Gegner des Arbeitskampfes, also der anderen Tarifvertragspartei, erfüllt werden soll. Forderungen, die bei einem erstrebten Haustarifvertrag nicht vom bekämpften Arbeitgeber erfüllt werden sollen, sondern von Dritten, sind rechtswidrig.
313 
-Soweit lediglich gefordert wurde, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle, kann nach Auffassung der erkennenden Kammer von vornherein keine Rechtswidrigkeit dieses Ansinnens/Forderung gesehen werden.
314 
Es ist dabei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Stadt P. insbesondere den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 ausdrücklich unter Benutzung des Dienstsiegels durch Herrn Stadtdirektor E. mitunterschrieben hat.
315 
Dieser Tarifvertrag enthält unter Ziffer 2 eine explizite Verhandlungsverpflichtung im Fall einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität der S.
316 
Daher wäre dieses Ansinnen der Beklagten an die Klägerin, die Stadt P. mit „ins Boot zu nehmen“ und mit dieser gemeinsam über einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln, logisch und aus Sicht der Kammer auch stringent.
317 
Bei der Stadt P. handelt es sich um die alleinige Eigentümerin und 100 % ige Gesellschafterin der Klägerin, d. h. ihre Kommanditistin, so dass entsprechend eingegangene Verpflichtungen in finanzieller Hinsicht von vornherein ohnehin nur von der Stadt P. als Gesellschafterin hätten getragen werden müssen. Dabei handelt es sich um einen begleitenden politischen Appell und nicht um die eigentliche Tarifforderung, die weiterhin der Abschluss eines Sozialtarifvertrages war.
318 
-Die erkennende Kammer folgt nicht der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in der Entscheidung 4 SaGa 2/16 in der Gestalt, dass in der Forderung, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle und beschäftigungssichernde Maßnahmen in einer entsprechenden Anwendung von § 22 Haus-TV i. V. m. dem TV-RatioAng eine Verpflichtung der Klägerin auslösen sollte, neue Arbeitsplätze bei der Stadt P. zu schaffen und damit zu Unrecht einen rechtlich unabhängigen Dritten zu dessen Lasten verpflichten sollte, und damit der ganze Streik rechtswidrig sei.
319 
Da hier ein Dritter einbezogen worden sei, sei eine rechtswidrige Forderung der Beklagten gegeben gewesen.
320 
Der Klägerin (und dem Landesarbeitsgericht) ist insoweit Recht zu geben, dass es sich bei der Stadt P. im Verhältnis zur Klägerin dieses Rechtsstreits um eine rechtliche Dritte handelt.
321 
Bei der S. handelt es sich um eine aus einem Eigenbetrieb der Stadt P. hervorgegangene eigene Rechtspersönlichkeit, deren 100 %ige Gesellschafterin und Alleineigentümerin allerdings auch tatsächlich die Stadt P. ist.
322 
Die Stadt P. ist mit der Klägerin zusammen als Kommanditistin aufgetreten und zwar wie eine eigene Tarifvertragspartei.
323 
Die Stadt P. ist mit Billigung der Klägerin im Rahmen der Gespräche mit der Beklagten im Vorfeld des Streiks als Verhandlungspartner aufgetreten.
324 
Sogar der Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde wie bereits zuvor ausgeführt, ausdrücklich für die Stadt P. unter Nutzung des Dienstsiegels von Herrn E. als Stadtdirektor unterschrieben.
325 
Eben dieser maßgeblich letzte Tarifvertrag sah auch, wie bereits zuvor ausgeführt, unter Ziffer 2 eine Verhandlungsverpflichtung der Parteien des Tarifvertrages vor, die im Fall einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität der Klägerin unverzüglich, spätestens jedoch am 01.06.2016, in eine Verhandlungsverpflichtung über einen Rettungstarifvertrag münden sollte.
326 
Da die Stadt im weiteren Verlauf auch mit der Klägerin zusammen als Kommanditistin aufgetreten ist, und sich auch direkt an die Beklagte gewandt hatte und zu erkennen gegeben hat, dass sie sich für die Erfüllung der von der Klägerin übernommenen Tarifforderungen mitverantwortlich sieht, ist die Stadt P. im Vorfeld des hier streitgegenständlichen Streiks wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten. Durch das gemeinsame Auftreten der Stadt und der Klägerin, welches auch von der Klägerin ausdrücklich gebilligt wurde, konnte nach Auffassung der erkennenden Kammer bei der Beklagten zumindest der Eindruck entstehen, dass die Klägerin mit der Stadt zusammen eine gemeinsame Haftung für einen abzuschließenden Tarifvertrag übernehmen und sich ggf. auch verpflichten würde Arbeitsplätze für die betroffenen Arbeitnehmer zu schaffen.
327 
Aus Sicht der erkennenden Kammer lässt sich dies auch aus der Historie der jetzigen Klägerin begründen.
328 
Die zuvor ausgeführten Erwägungen werden dadurch verstärkt, dass die Stadt P. auch im Vorfeld der Gründung der jetzigen Klägerin Arbeitgeber für viele der betroffenen Arbeitnehmer war.
329 
Daher musste sich für die Beklagte nach Auffassung der Kammer auch nicht der Eindruck aufdrängen, dass die Forderung, die Stadt P. in den erstrebten Sozialtarifvertrag einzubinden, tatsächlich eine Forderung gegen einen unbeteiligten Dritten, und damit ein vom Kampfgegner nicht zu erfüllendes Ziel darstellt.
330 
Durch das gesamte Verhalten der Stadt P. und deren ursprüngliche Arbeitgeberstellung als öffentlicher Träger für viele der betroffenen Arbeitnehmer, erscheint es auch der erkennenden Kammer nachvollziehbar, dass sich die Stadt in einer subjektiven Verantwortlichkeit gegenüber den von der Betriebsschließung betroffenen Arbeitnehmern gesehen haben könnte und daher auch an den Verhandlungen über einen Tarifsozialplan teilgenommen hat.
331 
Die Stadt hat ja, wie bereits ausgeführt, den Sanierungstarifvertrag vom 31.01./18.02.2014, den Nachtrag dazu vom 19.05.2014, den Letter of Intent vom 07.05.2015 und den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15.07.2015 unterschrieben.
332 
Sie hat diese Unterschriften ohne eine rechtliche Einschränkung oder mit dem Hinweis auf eine Billigung durch die Stadt P. geleistet.
333 
Die Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen als Tarifpartei hätte die Klägerin und die Stadt gleichermaßen verpflichtet, da aus den Tarifverhandlungen auch Tarifverträge hätten resultieren können.
334 
-Nach Auffassung der erkennenden Kammer war die Stadt P. daher vorliegend nicht klassischer Dritter in dem Sinne, dass die Beklagte ein Streikziel an einen Dritten gerichtet hätte.
335 
Dritter ist grundsätzlicher der, der nicht Partei eines Tarifvertrages geworden ist, und trotzdem mit einer Streikforderung überzogen werden soll.
336 
Die Mitunterschrift der Stadt P. auf dem Haustarifvertrag und auch dem Ergänzungstarifvertrag sogar unter Nutzung des Dienstsiegels der Stadt P. hat nach Auffassung der Kammer dazu geführt, dass die Stadt zumindest den Eindruck erweckt hat, sich mit für die Umsetzung und Durchführung dieses Tarifvertrages verantwortlich zu sehen, und durch diese Mitunterschrift zumindest wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten ist.
337 
Daher wäre es auch, wenn die Beklagte tatsächlich ein Streikziel an die Stadt P. gerichtet hätte, keine rechtswidrige Forderung, sondern ein legitimes Vorgehen gewesen, die Stadt an die Umsetzung der mitübernommenen Verpflichtungen zu erinnern, und auch Streikforderungen zu stellen, die nur durch die Stadt zu erfüllen gewesen wären.
338 
Daher würde es sich auch bei der tarifvertraglichen Begründung von Pflichten der Stadt um ein rechtmäßiges, und kein rechtswidriges Streikziel handeln.
339 
Die Kammer folgt der Argumentation der Klägerin nicht, dass die Unterschrift unter die Tarifverträge nur deshalb geleistet worden sei, weil die Stadt als alleinige Gesellschafterin die wirtschaftliche Haftung übernehmen müsse und dadurch in keinster Weise zur Tarifvertragspartei hätte werden wollen.
340 
Das Gesamtauftreten der Stadt P. im Zusammenhang mit den Verhandlungen über einen Tarifvertrag ist nach Auffassung der Kammer als Gesamtes zu würdigen.
341 
Insgesamt war es daher nicht erkennbar, in welcher konkreten Funktion die Stadt hier aufgetreten ist, und daher auch nicht erkennbar für die Beklagte, dass die Stadt P. als Mitunterzeichnerin des Tarifvertrages nicht wie eine Tarifvertragspartei in Anspruch genommen werden dürfte.
342 
Wie bereits zuvor ausgeführt, ist die Stadt P. mit der Klägerin zum Bundesvorstand der Beklagten gefahren, um dort an Verhandlungen teilzunehmen. Sie hat die bereits aufgeführten Tarifverträge mitunterschrieben, ohne irgendeine Einschränkung zu unternehmen, in welcher Funktion diese Unterzeichnung erfolgen sollte.
343 
Daher musste die Beklagte zumindest nicht unbedingt erkennen können, dass durch diese Unterschrift und das Gesamtverhalten der Stadt gemeinsam mit der Klägerin keine Verpflichtung übernommen worden sein soll, aus diesen Tarifverträgen auch persönlich in Anspruch genommen zu werden.
344 
Die Übernahme einer Verhandlungsverpflichtung in einem Tarifvertrag, welcher eben auch von der Stadt P. unterschrieben wurde, signalisiert die eindeutige Bereitschaft, je nach Verhandlungsverlauf in einen aufgrund dieser übernommenen Verhandlungsverpflichtung über den Abschluss eines Tarifvertrages übernommenen Verpflichtungen ggf. auch Adressat tariflicher Normen bzw. Schuldner tariflicher Pflichten zu werden. Die Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen als Tarifpartei, die die Klägerin und auch die Stadt P. durch ihre Unterschrift gleichermaßen eingegangen sind, heißt, dass aus diesen Tarifverhandlungen auch Tarifverträge hätten resultieren können.
345 
Die aus solchen Tarifverhandlungen resultierenden Tarifverträgen hätten daher auch jeden dieser drei Unterzeichner des Tarifvertrags berechtigen und verpflichten können, also auch die Stadt.
346 
Zwar ist der Klägerin Recht zu geben, dass ein Tarifvertrag zwingend schriftlich vereinbart werden muß.
347 
Schriftform in diesem Sinne bedeutet aber insbesondere die Leistung einer Unterschrift, um nicht in eine Formunwirksamkeit nach § 125 BGB zu geraten.
348 
Die ausdrückliche Aufnahme der Stadt P. als Partei im Rubrum des Tarifvertrages ist hierzu nicht zwingend erforderlich. Die Stadt als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist auch in der Lage Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite zu werden. Daher hätte die Auferlegung von obligatorischen oder normativen Rechten und Pflichten der Stadt gegenüber auch tarifvertraglich geregelt werden können.
349 
In diesem Zusammenhang ist auch insbesondere wieder bei der Frage, ob hier die Stadt P. wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten ist, und auch im Hinblick auf die Frage der Erkennbarkeit eines eventuellen Vorbehaltes oder einer Einschränkung Artikel 6 Nr. 4 ESC als Interpretationshilfe heranzuziehen, wonach im Zweifelsfall bei Unklarheiten dieser Konflikt bzw. die Unklarheit zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen ist.
350 
In diesem Zusammenhang ist auch darauf ergänzend hinzuweisen, dass selbst das Arbeitsgericht Pforzheim erstinstanzlich in dem dortigen einstweiligen Verfügungsverfahren von einer fehlenden Rechtswidrigkeit des Streiks ausgegangen ist.
351 
Außerdem kann die Kammer den der Akte vorliegenden Streikaufrufen nicht die eindeutige Forderung der Beklagten erkennen, dass es ihr um die anderweitige Unterbringung der bei der Klägerin wegen der Stilllegung ausgeschiedenen Busfahrer gegangen sei.
352 
Das Schreiben vom 04.03.2016, das vom Landesarbeitsgericht als Streikaufruf gewertet wurde, stellt nach diesseitiger Auffassung allerdings keinen Streikaufruf dar, sondern lediglich eine Mitgliederinformation, eine Unterrichtung der Mitglieder über den Ablauf der Gespräche/Verhandlungen an diesem Tag. Eine Meinungsäußerung oder allgemeine der Mobilisierung dienende Äußerungen lokaler Funktionäre ist kein gewerkschaftlicher Streikaufruf in diesem Sinne. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist, das die offizielle Aufforderung zum Streik, welches von der zuständigen Streikleitung der Gewerkschaft ausgeht.
353 
Daher ist der von der Beklagten geführte Streik insgesamt nicht rechtswidrig gewesen und die Beklagte der Klägerin mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 BGB daher auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
354 
Die Klage ist daher abzuweisen.
III.
355 
Da die Klägerin vorliegend vollinhaltlich unterlegen ist, trägt sie nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.
356 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 61 Abs.1 ArbGG.
357 
Der Gegenstandswert wurde bezüglich des Klageantrags Ziffer 1 auf der Höhe der streitgegenständlich bezifferten Forderung festgesetzt.
358 
Der Feststellungsantrag Ziffer 2 wurde mit 589.583,30 EUR bewertet, d. h. 2/3 des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin, welches diese mit 884.375,00 EUR angegeben hat.
359 
Die reduzierte Berücksichtigung dieses Antrags basiert darauf, dass es sich nicht um eine Leistungsklage, sondern lediglich um eine Feststellungsklage gehandelt hat.
360 
Die Berufung wurde nach § 64 Abs.3 Nr.1 ArbGG ausdrücklich zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und ihre Wirkungen über den hier entschiedenen Einzelfall hinausgehen können.

Gründe

 
218 
Die Klage ist insgesamt zulässig, allerdings unbegründet.
I.
219 
Die Klage ist insgesamt zulässig.
220 
1.) Der Klageantrag Ziffer 1 ist als bezifferter Leistungsantrag zulässig.
221 
2.) Auch der Klageantrag Ziffer 2, Feststellungsantrag, ist gemäß §256 ZPO zulässig.
222 
Die Klägerin hat mit ihrer Klageschrift zunächst den Schaden geltend gemacht, der ihr durch den behauptet rechtswidrigen Arbeitskampf unter Anwendung der Erlösbonus/Erlösmalusregel gemäß § 28 Abs. 3 i. V. m. § 32 Abs. 1 des Verkehrsvertrags entsteht.
223 
Erlösbonus bzw. Erlösmalus werden auf der Grundlage der Jahresabrechnung ermittelt, welche jeweils zum 31.07. des Folgejahres erstellt wird.
224 
Bei Erhebung der Klage vom 19.06.2017 war die Jahresabrechnung noch nicht erstellt worden.
225 
Grund und Höhe einer etwaigen Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines Erlösmalus standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.
226 
Deshalb hat die Klägerin zunächst einen Feststellungsantrag gestellt, was rechtlich unproblematisch zulässig war.
227 
Eine Feststellungsklage ist nämlich dann zulässig, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, und der Kläger seinen Anspruch deshalb ganz oder teilweise noch nicht beziffern kann (vgl. bereits BGH VIII. Zivilsenat vom 30.03.1983 VIII ZR 3/82, recherchiert unter www.juris-testa.de). Zwischenzeitlich hat die Stadt P. zum 31.07.2017 die Jahresabrechnung per 10.12.2016 erstellt. Danach hat sich eine von der Klägerin vorgetragene Verpflichtung gegenüber der Stadt P. zur Zahlung eines Erlösmalus in Höhe von 218.137,00 EUR ergeben. Die Klägerin hat nunmehr ihren Klageantrag Ziffer 1, den Leistungsantrag, um die Höhe des nunmehr bezifferbaren Erlösmalus erweitert.
228 
Gegenstand des verbleibenden Feststellungsantrags ist jetzt noch ein weiterer behaupteter Schaden der Klägerin, der darin bestehen soll, dass ihr als Streikfolge ein Erlösbonus entgangen sei. Insoweit stellt die Klägerin bisher lediglich eine Vergleichsbetrachtung mit dem Kalenderjahr 2015 ohne Streikbelastung der Klägerin an, und sieht dieses auch als übertragbar und vergleichbar mit dem Streikjahr 2016 an und gerät so auf einen Erlösbonus in Höhe von 884.375,00 EUR.
229 
Auch wenn es der Klägerin nunmehr grundsätzlich möglich gewesen wäre, auch diesen Betrag als unterstellten weiteren Schaden in Form des Erlösbonus zu beziffern, entfällt das Feststellungsinteresse für den Klageantrag Ziffer 2 dadurch nicht.
230 
Ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO, wie hier, in zulässiger Weise erhoben worden, braucht ein Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nachträglich zur Leistungsklage überzugehen, wenn dies im Lauf des Rechtsstreits möglich wird (vgl. BGH Urteile vom 17.10.2003 V ZR 84/02).
II.
231 
Die Klage ist aber unbegründet.
232 
1. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu.
233 
Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützten sonstigen Rechten gehört das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung seines Betriebs gerichtet, und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht (BAG vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08 Rn. 21,juris.de). Durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehende Gewerbebetrieb in den Kreis der sonstigen Rechte des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich erwähnten Rechtsgütern hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Der Auffangtatbestand ist geschaffen worden um eine andernfalls bestehende Lücke im Rechtsschutz zu schließen (BAG vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08,juris.de).
234 
a. Allerdings löst nicht jedwede Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs Ersatz oder Abwehransprüche seines Inhabers aus. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen, dem allgemeinen deliktsrechtsfremden Vermögensschutz bezweckt, bedarf es einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestands. Dem dient das Erfordernis des unmittelbaren Eingriffs der eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Inhaber von Gewerbebetrieben gegenüber anderen von einem schadensstiftenden Ereignis Betroffenen ausschließt (BGH v. 18.01.2012, I ZR 187/10,juris.de).
235 
b. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. insoweit BAG v. 26.07.2016, 1 AZR 160/14 unter Verweis auf BAG v. 19.06.2012, 1 AZR 775/10).
236 
c. .Mit den 34 Einzelstreikmaßnahmen, d. h. des Streiks an 34 Tagen in dem Zeitraum vom 09.03.2016 bis insgesamt zum 01.07.2016 hat die Beklagte in das Recht der Klägerin an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.
237 
Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich des Personennahverkehrs ab.
238 
d. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Artikel 12 Grundgesetz und Artikel 14 Grundgesetz entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. auch insoweit Urteil des BAG vom 26.07.2016 unter Verweis auf bereits RG 27.02.1904 I 418/03).
239 
Zwar unterliegen solche, wie hier öffentlich beherrschte Unternehmen, wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind.
240 
Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (Bundesverfassungsgericht v. 22.02.2011, 1 BVR 699/06,juris.de,“ Fraport-Entscheidung“).
241 
Vollzieht sich diese Teilnahme so wie hier im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten nicht weniger schutzwürdig als Private.
242 
2. Die Streikmaßnahmen waren jedoch nicht rechtswidrig.
243 
a. Die Beklagte hat mit ihnen nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen und diese verletzt:
244 
Mit dem Abschluss eines Tarifvertrages und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG v. 18.02.2003, 1 AZR 142/02,juris.de). Diese relative Friedenspflicht ist auch ohne besondere Vereinbarung dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG v. 19.06.2007, 1 AZR 396/06juris.de).
245 
Ein Tarifvertrag schützt in seinem schuldrechtlichen Teil, zu dem die Friedenspflicht gehört, die Tarifvertragsparteien davor, hinsichtlich der tariflich geregelten Materien mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden (BAG 19.06.2007, 1 AZR 396/06, BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06,jeweils juris.de).
246 
Die Friedenspflicht endet mit Ablauf der betreffenden tariflichen Regelungen (BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BAG v. 26.07.2016 a.a.O. unter Verweis auf Pfohl, Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien bis 2010 Seite 32 ff., sowie ausdrücklich auch Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg v. 03.08.2016 in 4 SaGa 2/16). Die Tarifvertragsparteien können über die relative Friedenspflicht auch verfügen (Däubler/Reinfelder Arbeitskampfrecht 3. Auflage, Kapitel 15, Rn. 5). Auch ganz ungewöhnliche, bei Abschluss des Tarifvertrages unvorhergesehene, und von dessen Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklungen können es möglich erscheinen lassen, die Friedenspflicht entfallen zu lassen (BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02).
247 
Soweit von den Tarifvertragsparteien, so wie hier, nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelung zu ermitteln (vgl. BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02 in Däubler/Reinfelder, Arbeitskampfrecht 3. Auflage, Kapitel 15, Rn. 14).
248 
Nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BAG vom 26.07.2016 besteht eine Friedenspflicht danach, soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt haben. Nur die Tarifforderungen unterliegen ihr, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG v. 10.12.2002 a.a.O.).
249 
b. Soweit die Beklagte eine Verlängerung bzw. Erweiterung des Kündigungsschutzes über den 31.12.2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 forderte, liegt ein Verstoß gegen die Friedenspflicht nicht vor.
250 
 Die Parteien haben unter § 1 Nr. 5.1 TV 2014 bereits ausdrücklich eine Beschäftigungssicherung durch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 31.12.2026 geregelt. Genauso ausdrücklich haben die Parteien unter § 1 Nr. 5.2 TV 2014 auch geregelt, dass ausnahmsweise betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig sein sollen, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage so ändern sollte, dass die Klägerin zu Maßnahmen greifen müsste, die massenentlassungspflichtig im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG wären.
251 
Als Geschäftsgrundlage wird in dieser Regelung ausdrücklich der Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit sowie der drohende Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen bezeichnet. Dass der vorliegende Konzessions- und Auftragsverlust ein solcher Störfall im Sinne von § 1 Nr. 5.2 TV 2014 ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Tarifvertrag 2014 trifft somit eine eindeutige Regelung zu Kündigungen und würde somit selbst für den vorliegenden Störfall Arbeitskämpfe für eine hiervon abweichende anderweitige Regelung sperren (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16).
252 
Über § 1 Nr. 1 TV 2014 wurde aber zugleich auch § 26 Haus-TV wieder in Kraft gesetzt. § 26 HausTV beinhaltet vor allem in seinen Absätzen 1 bis 3 Regelungen zu Beginn und Ende, insbesondere zur Kündbarkeit des Tarifvertrags, die durch § 2 TV 2014 abgeändert wurden. Nicht abgeändert wurde § 26 Abs. 5 HausTV. Darin verpflichteten sich die Parteien, bei Veränderungen der Geschäftsgrundlage unverzüglich wieder in Verhandlungen für diesen Tarifvertrag einzutreten. Als solche wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage wurde der drohende Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, der drohende Verlust von Leistungen oder vergleichbare Fälle gravierender Veränderungen genannt.
253 
Eingebettet in Regelungen zur Beendigung des Tarifvertrags sahen die Tarifvertragsparteien entsprechend der Regelung in § 313 BGB somit für gewisse Fallgestaltungeneinen Abänderungsbedarf. Die Geschäftsgrundlage für diesen Abänderungsbedarf wurde ausdrücklich benannt.
254 
Diese Abänderungen sollten durch Verhandlungen zustande kommen. Wenn die Parteien sich aber entsprechend der Regelung des § 313 BGB eine Verhandlungspflicht auferlegen, liegt darin immanent eine Suspendierung der Friedenspflicht. Verhandlungspflicht und Friedenspflicht schließen sich gegenseitig aus.
255 
Die Beklagte zur Führung von Tarifvertragsverhandlungen ohne das Recht zum Streik zu verpflichten, wäre eine unzulässige und gegen Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz verstoßende Zurücksetzung der Rechte der Beklagten auf ein „kollektives Betteln“ (BAG v. 12.09.1984, 1 AZR 342/83,juris.de). Einer ausdrücklichen Aufnahme der Suspendierung der Friedenspflicht für diese Fälle bedurfte es daher nicht (vgl. auch insoweit Urteil des lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
256 
Die Klägerin trägt insoweit vor, dass es mangels Änderung der Geschäftsgrundlage keine Verhandlungsverpflichtung gäbe. Damit argumentiert sie dahingehend, dass das, was gemäß § 26 Abs. 5 HausTV erst zu Tarifvertragsverhandlungen verpflichtet, in demselben Tarifwerk gem. § 1 Nr. 5.2 Sanierungs-TV durch Aufhebung des Schutzes vor betriebsbedingten Beendigungskündigungen bereits erfüllt ist.
257 
Damit solle die Geschäftsgrundlage deshalb nicht verändert sein, weil ihre Veränderung im selben Tarifvertrag bereits eine tarifvertragliche Regelung gefunden habe. Auch aus Sicht der erkennenden Kammer kann den Tarifparteien aber nicht unterstellt werden, dass in demselben Tarifvertrag zugleich ein Verpflichtungsgeschäft eingegangen wurde und die dazugehörige Erfüllung bereits geregelt sein sollte.
258 
Eine solche tarifliche Regelung wäre sinnlos.
259 
Dass eine solche in § 26 Abs. 5 Haus-TV beschriebene Störung der Geschäftsgrundlage in Form eines Verlusts von Leistungen oder in Form einer vergleichbaren gravierenden Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegt, ist nach dem Verlust der Konzession und dem Verlust des Verkehrsvertrages offenkundig (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts v. 03.08.2016,juris.de).
260 
Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer kann die Tatsache, dass für ein- und denselben Fall des Leistungs- und Genehmigungsverlusts in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen sind, und in § 1 Nr. 1 TV 2014 i. V. m. § 26 Abs. 5 HausTV eine Verhandlungspflicht, nur so aufgelöst werden, dass die Kündigungsmöglichkeiten nur solange bestehen sollen, bis im Rahmen von Verhandlungen Lösungen gefunden werden, die angesichts des aufgetretenen Störfalls die Hauptanliegen beider Seiten (Sicherung des Geschäfts und der Arbeitsplätze) wieder zu einem Ausgleich bringen (vgl. auch insoweit Landesarbeitsgericht v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
261 
§ 26 Abs. 5 des zugrundeliegenden Haustarifvertrages statuiert eine ausdrückliche Verpflichtung, bei einem drohenden Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit oder drohendem Verlust von Leistungen bei einem oder mehreren Unternehmen bzw. in vergleichbaren Fällen gravierender Veränderung der Geschäftsgrundlage für diesen Tarifvertrag unverzüglich in Verhandlungen einzutreten.
262 
Es wird auch das Hauptanliegen dieses Haustarifvertrages definiert, nämlich die Sicherung des Geschäftes und der öffentlichen Arbeitsplätze in dem Sinne, dass diese unverändert beibehalten werden können.
263 
Nachdem wie von Seiten der Klägerin vorliegend auch dargelegt, die Klägerin nach dem Verlust der Konzession und dem bevorstehenden Verlust des Verkehrsvertrages nicht mehr in der Lage gewesen ist, den Betrieb der Klägerin so wie bis dato aufrecht zu erhalten und diesen zumindest zwingend in Teilen stilllegen musste, konnte das tarifvertraglich vereinbarte Ziel, nämlich eine Fortführung des Betriebes und Erhalt der kompletten Arbeitsplätze nicht mehr erreicht werden, es wurde auch nach den Regelungen des Haustarifvertrages der Fall einer Verhandlungsverpflichtung ausgelöst.
264 
Wie bereits zuvor ausgeführt, setzt das Bestehen einer Verhandlungsverpflichtung auch die Möglichkeit voraus, für diese ggf. zur Durchsetzung von tarifvertraglichen Forderungen einen Arbeitskampf zu beginnen/zu führen.
265 
Die Forderung der Beklagten auf Fortführung des Betriebes über den 31.12.2016 hinaus zu einem hinausgeschobenen Zeitpunkt im Kalenderjahr 2017 und eine Erweiterung des Kündigungsschutzes sind insoweit auch deckungsgleich mit den Versprechungen/ Intentionen, die die Klägerin und auch die Stadt P. der Beklagten vor Durchführung des Arbeitskampfes im Rahmen von Gesprächen in Aussicht gestellt hat.
266 
Da die Klägerin nicht mit dem Stichtag 31.12.2016 sämtliche Konzessionen verloren hat und es ihr durchaus möglich gewesen wäre, den Busverkehr noch auf einigen Linien fortzuführen, ggf. im Rahmen einer Teilbetriebsfortführung, liegt in der Forderung der Beklagten den Kündigungsschutz über den 31.12.2016 hinaus zu verlängern, kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vor.
267 
c. Auch soweit die Beklagte von der Klägerin beschäftigungssichernde Maßnahmen entsprechend § 22 Haustarifvertrag gefordert hat, liegt darin kein Verstoß gegen die Friedenspflicht.
268 
Zwar hat die Beklagte erklärt, das Ziel gehabt zu haben, im Rahmen eines Sozialtarifvertrages beschäftigungssichernde Regelungen entsprechend § 22 Haus-TV zu erzielen. Dies würde zwar grundsätzlich gegen die aus dem Tarifvertrag 2014 resultierende Friedenspflicht verstoßen, weil § 22 Haus-TV und damit auch der TV-RatAng über § 1 Nr. 1 TV 2014 bereits geltendes Tarifrecht sind.
269 
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind beschäftigungssichernde Maßnahmen bei einer Stilllegung jedoch gar nicht vom Geltungsbereich des TV-RatAng umfasst.
270 
§ 1 Abs. 1 TV-RatAng definiert Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Tarifvertrags als vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise.
271 
Vorliegend geht es allerdings nicht um eine Änderung der Arbeitstechnik oder eine Änderung der Arbeitsorganisation, sondern um die komplette gänzliche Betriebsstilllegung des einzigen Betriebes der Klägerin, anders als möglicherweise die Stilllegung eines von mehreren Betrieben des Arbeitgebers.
272 
Eine solche Betriebsstilllegung dient nicht dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, sondern vielmehr der Aufgabe jeglicher betrieblicher Tätigkeit (vgl. insoweit auch Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf lag Baden-Württemberg vom 13.01.2014, 1 Sa 14/13,juris.de).
273 
Daher ist insgesamt keine Rechtswidrigkeit des Streiks aufgrund einer Verletzung der Friedenspflicht gegeben.
274 
d. Der Streik war ferner nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte mit ihm eventuell rechtswidrige Ziele verfolgt hätte.
275 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden (vgl. etwa BAG v. 05.03.1985, 1 AZR 468/83 in BAGE 48, 160, 168). Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (vgl. dazu grundlegend BAG GS v. 21.04.1971 GS 1/68).
276 
Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss.
277 
Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (vgl. BAG v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02 unter Verweis auf BAG v. 04.05.1955, 1 AZR 493/54,juris.de).
278 
Es kommt nicht darauf an, ob die begehrte tarifliche Regelung eine solche aus dem normativen Teil oder eine solche des schuldrechtlichen Teils ist (Däubler, Tarifverträge zur Unternehmenspolitik, Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 S.81).
279 
Diese Beschränkung verstößt nicht gegen die ESC.
280 
 Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06, Rn. 109).
281 
Der gewerkschaftliche Streikbeschluss bildet den Abschluss interner Willensbildung. Er ist damit keine Willenserklärung und ebenso wenig eine geschäftsähnliche Handlung. Der Streikbeschluss ist auch keinem anderen gegenüber abzugeben im zivilrechtlichen Sinn von § 130 Abs. 1 BGB. Allerdings ist dem Kampfgegner der Streikbeschluss bekannt zu machen. Rechtsgrundlage der Mitteilungspflicht des Streikbeschlusses an den Kampfgegner ist das Gebot fairer Kampfführung. Die Arbeitgeberseite als Arbeitgeberverband oder der einzelne Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Information darüber, ob der sich anbahnende Streik von der Gewerkschaft getragen wird (Rechtsklarheit).
282 
Überdies muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, den Streik durch Erfüllung der gewerkschaftlichen Forderungen zu vermeiden.
283 
Dem Streikbeschluss kommt ferner vor dem Hintergrund diskutierter Schadensersatzansprüche bei fehlerhafter Streikforderung oder vermeintlicher Streikziele außerhalb des Beschlusses klarstellende Bedeutung für alle Beteiligten zu. Dagegen geht es nicht darum, der Arbeitgeberseite durch die Ankündigung ausreichende Zeit für Abwehrmaßnahmen zu verschaffen (vgl. insoweit insgesamt: Wolter, in Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflage, Kapitel 16 Rn. 9).
284 
An Form und Inhalt der Bekanntmachung sind keine hohen Anforderungen zu stellen, wohl aber hat seine Erstellung im Übrigen hinsichtlich tariflich regelbarer Ziele, Beachtung von Ultima Ratio- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie Streikgegner aus Sicht der handelnden Gewerkschaft sehr akkurat zu sein. Es genügt aber, wenn die Arbeitgeberseite den Streikbeschluss aus den ihr bekannten Umständen entnehmen kann, so etwa der örtlichen Presse, einem Flugblatt, das den Arbeitgeber als Adressaten des Streikbeschlusses nicht explizit benennt, aber vor dem Betrieb verteilt wird, der alsdann bestreikt wird oder bei Verlautbarungen auf einer Pressekonferenz der Gewerkschaft. Allerdings muss diese öffentliche Verlautbarung zur Kenntnis des Arbeitgebers gelangen.
285 
Vom Streikbeschluss als gewerkschaftsinternem Vorgang ist der Streikaufruf an die möglichen Streikenden (Mitglieder und Nichtmitglieder) zu unterscheiden (vgl. auch insoweit Wolter a.a.O.).
286 
Wie das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 10.12.2002 (1 AZR 96/02,juris.de) ausgeführt hat, sieht es auch die Möglichkeit, dass die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Artikel 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedarf.
287 
Das BAG führt insoweit zur Überzeugung der Kammer aus, dass der Sachverständigenausschuss das Verbot aller Streiks in Deutschland, die nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichtet sind, und die nicht von einer Gewerkschaft ausgerufen oder übernommen worden sind, mit den Garantien von Artikel 6 Nr. 4 ESC für unvereinbar hält (vgl. Nr. 82 des Berichts des Regierungsausschusses der ESC an das Ministerkomitee des Europarats, ArbuR 1998, 154 ff.).
288 
Auch erteilte das Ministerkomitee des Europarats am 03.02.1998 der Bundesregierung die „Empfehlung“, in angemessener Weise die negative Schlussfolgerung des Ausschusses unabhängiger Experten zu berücksichtigen (vgl. auch insoweit BAG v. 10.12.2002 a.a.O.).
289 
Die ESC stellt eine von der Bundesrepublik eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen. Bei einer Begrenzung des in Teil II Art.6 Nr.4 ESC anerkannten Streikrechts dürfen sie daher nur solche Grundsätze aufstellen, die nach Teil III Art.31 Abs.1 ESC zulässig sind(BAG vom 10.12.2002 unter Verweis auf BAG 12.9.84,1 AZR 342/83).
290 
Dies bedeutet aber nicht, dass nach der ESC Streiks für Tarifverträge mit rechtswidrigem Inhalt zulässig wären. Nach Teil 3 Artikel 31 ESC darf die in Teil II vorgesehene Ausübung der in Teil I niedergelegten Rechte anderen als den in diesen Teilen vorgesehenen Einschränkungen oder Begrenzungen nur unterliegen, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben, und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig sind.
291 
Die Einhaltung der ESC wird durch einen Sachverständigenausschuss des Europarates überwacht.
292 
Damit ist fraglich, ob die zuwiderlaufende Ausgestaltung des Deutschen Arbeitskampfrechts eine unzulässige Begrenzung der in Teil II Artikel 6 Nr.4 ESC geregelten Rechte darstellt. Die hiermit aufgeworfene Frage der Verbindlichkeit der ESC wird heftig diskutiert. Weder das Bundesverfassungsgericht (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 20.10.1981, 1 BVR 404/78) noch das BAG (vgl. BAG v. 12.09.1984, 1 AZR 342/83) haben dazu abschließend entschieden. In der Literatur werden die unterschiedlichsten Ansätze vertreten. Solange es keine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfrechtes gibt, müssen sich die Gerichte auch an die ESC halten. Allerdings gewinnt die Vorschrift lediglich als Auslegungshilfe Bedeutung.
293 
Die Spruchpraxis des Sachverständigenausschusses kann nicht zu einer authentischen Interpretation der ESC herangezogen werden (vgl. insoweit Hergenröder in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrechtkommentar 7. Auflage 2016 Art.9GG Rz. 262).
294 
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist die Frage, ob vorliegend tatsächlich eine rechtswidrige Forderung, d. h. eine durch einen Tarifvertrag nicht regelbare Forderung von Seiten der Beklagten verlangt wurde unter dem Lichte von Artikel 6 Nr. 4 ESC als Auslegungshilfe und zwar in Form einer Unklarheitenregelung zu lösen.
295 
Diese Regelung ist als Interpretationshilfe dahingehend zu verstehen, dass etwaige Unklarheiten oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Streiks zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen sind. Die Arbeitskampffreiheit, welche in Art.9 Absatz 3 GG garantiert ist, darf folglich insoweit nur, durch für den Kampfführer erkennbar rechtswidrige Forderungen begrenzt werden, da ansonsten das Recht zum Arbeitskampf über die unkalkulierbare Gefahr für die kampfführende Gewerkschaft, im Wege eines Schadensersatzprozesses in Regress genommen zu werden, quasi beseitigt würde.
296 
Artikel 6 Nr. 4 ESC bringt klar zum Ausdruck, dass es sich bei dem Streikrecht zunächst einmal um ein absolutes Recht handelt, das nicht unzulässig beschränkt werden darf.
297 
Bei Sachverhalten, die wie hier, durchaus von der Historie her unklar sind, auch im Hinblick auf die wechselnde Rolle der Stadt P. als Tarifvertragspartei zwischen den Parteien muss diese Regelung nach Auffassung der Kammer als Unklarheitenregelung wie nachfolgend geschehen, angewandt werden.
298 
e. Der Streik ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte mit der Forderung nach einer Betriebsfortführung über den 31.12.2016 hinaus, zunächst mindestens bis Juni 2017 später dann gar nicht mehr in dieser Absolutheit erhoben, ein tariflich nicht regelbares Ziel verfolgt hätte
299 
Unter Berücksichtigung der dargestellten Differenzierung zwischen Streikaufrufen, Streikbeschlüssen und unverbindlichen Meinungsäußerungen, welche nicht durch die Entscheidungsträger der Gewerkschaft abgesegnet sind, müssen die Forderungen bzw. Anliegen der Beklagten bewertet werden.
300 
-Soweit sich das Ziel der Beklagten darauf beschränkt, lediglich eine Verlängerung des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31.12.2016 hinaus erreichen zu wollen, handelt es sich um ein normativ tariflich regelbares Ziel, das sich allenfalls mittelbar auf die unternehmerische Entscheidung auswirken kann, weil es deren Umsetzung teurer und ggf. unattraktiv macht. Die Höhe der Streikforderung hat aber auf die Kampfparität keinen Einfluss, und darf danach auch keiner Rechtskontrolle unterzogen werden.
301 
Die Grenze liegt erst in einer gezielten wirtschaftlichen Existenzvernichtung des Gegners. Diese wäre vom Schutzbereich des Artikel 9 Abs. 3 GG nicht mehr gedeckt (vgl. insoweit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03.08.2016 a.a.O. unter Verweis auf BAG v. 24.04.2007, 1 AZR 252/06,juiris.de).
302 
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist es nicht annähernd zu erkennen, dass Anhaltspunkte dafür gegeben wären, dass diese Grenze überschritten sein könnte.
303 
- Auch die Forderungen der Beklagten auf eine Betriebsfortführung seitens der Klägerin über einen längeren Zeitraum hinaus als dem 31.12.2016 ist keine tariflich nicht regelbare Forderung.
304 
Seitens der Beklagten wird ohnehin ausgeführt, dass dies nur zunächst einmal ein Anliegen und eine Streikforderung gewesen sei, diese allerdings im Verlaufe des Streiks auch fallengelassen worden sei, so dass es sich dabei nicht um eine durchgehende, insbesondere keine Kernforderung des geführten Streiks gehandelt hat.
305 
Auch Kampfziele, die eine Betriebsstilllegung oder Betriebsverlagerung verhindern sollen, sind solche, bei denen es um die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geht, auch wenn eine entsprechende Regelung nur in einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Tarifvertrages möglich ist (vgl. Erfurter-Kommentar Linsenmaier ,16. Auflage, Artikel 9, GG, Rn. 116).
306 
Ein solches Kampfziel greift aber erheblich in die zugunsten des Arbeitgebers grundrechtlich geschützte Berufswahlfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 GG ein. Es bedarf daher eines Ausgleichs der widerstrebenden Grundrechtspositionen um zu entscheiden, ob und welche Bereiche unternehmerischer Betätigung, die zugleich Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen darstellen, aus dem Bereich des durch Arbeitskampf erkämpfbaren herauszunehmen sind (Hessisches lag 09.09.2015, 9 SaGa 1082/15 und lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16). Was der einzelne Arbeitgeber nur persönlich entscheiden kann, darf nicht durch Streikdruck erzwungen werden.
307 
Bei Kapitalgesellschaften und Großunternehmen haben aber Standortentscheidungen regelmäßig keine derart persönlichen Dimensionen. Daraus folgt für die Zulässigkeit von Streiks ein differenzierter Grenzverlauf, können doch Betriebsänderungen oder Schließungen das Ergebnis höchst unterschiedlicher Unternehmensentscheidungen sein (vgl. auch insoweit lag Baden-Württemberg, Urteil v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf Erfurter Kommentar Linsenmaier, 16. Auflage, Artikel 9 GG, Rn. 75 und 116).
308 
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.04.2007 (1 AZR 252/06,juris.de) offengelassen hat, ob die Forderung auf Verzicht einer geplanten Betriebsänderung zulässig wäre, ist zu berücksichtigen, dass die tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie jedenfalls nicht so weit gehen kann, dass die Gewerkschaft darauf beschränkt wäre, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln. Der Regelungsauftrag des Artikel 9 Abs. 3 GG besteht auch dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen lassen. Der Regelungsauftrag ist dann auch auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung gerichtet (vgl. lag Baden-Württemberg v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16 unter Verweis auf BAG v. 03.04.1990, 1 AZR 123/89,juris.de).
309 
Vorliegend hat die Beklagte nicht den gänzlichen Verzicht auf die unternehmerische Stilllegungsentscheidung gefordert. Sie hat zunächst eine Verschiebung des Stilllegungszeitpunkts und eine Fortführung des Betriebs für den Zeitraum, für den noch eine Konzession für einen Großteil der Buslinien vorlag, nämlich zunächst bis Juni 2017, gefordert.
310 
Selbst der Gemeinderat der Stadt P. hat ausweislich der Beschlussvorlage Q0645 unterschiedliche Möglichkeiten auch mit Fortführung diskutiert, wenn auch im Ergebnis verworfen, vor allem aus kommunalwirtschaftsrechtlichen und EU-beihilferechtlichen Erwägungen. In diesem Gesamtzusammenhang kann keine Rede davon sein, dass die Streikforderung der Beklagten insoweit offenkundig rechtswidrig gewesen wäre (vgl. auch insoweit Urteil des Landesarbeitsgericht v. 03.08.2016, 4 SaGa 2/16,juris.de).
311 
f. Die Beklagte hat auch nicht dadurch rechtswidrig gehandelt, dass sie nach der Argumentation der Klägerin das Ziel verfolgt habe, die Stadt P. im Rahmen tariflicher beschäftigungssichernder Maßnahmen mit einbinden zu wollen.
312 
Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Tarifziel nur rechtmäßig sein, wenn es auch vom Gegner des Arbeitskampfes, also der anderen Tarifvertragspartei, erfüllt werden soll. Forderungen, die bei einem erstrebten Haustarifvertrag nicht vom bekämpften Arbeitgeber erfüllt werden sollen, sondern von Dritten, sind rechtswidrig.
313 
-Soweit lediglich gefordert wurde, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle, kann nach Auffassung der erkennenden Kammer von vornherein keine Rechtswidrigkeit dieses Ansinnens/Forderung gesehen werden.
314 
Es ist dabei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Stadt P. insbesondere den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 ausdrücklich unter Benutzung des Dienstsiegels durch Herrn Stadtdirektor E. mitunterschrieben hat.
315 
Dieser Tarifvertrag enthält unter Ziffer 2 eine explizite Verhandlungsverpflichtung im Fall einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität der S.
316 
Daher wäre dieses Ansinnen der Beklagten an die Klägerin, die Stadt P. mit „ins Boot zu nehmen“ und mit dieser gemeinsam über einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln, logisch und aus Sicht der Kammer auch stringent.
317 
Bei der Stadt P. handelt es sich um die alleinige Eigentümerin und 100 % ige Gesellschafterin der Klägerin, d. h. ihre Kommanditistin, so dass entsprechend eingegangene Verpflichtungen in finanzieller Hinsicht von vornherein ohnehin nur von der Stadt P. als Gesellschafterin hätten getragen werden müssen. Dabei handelt es sich um einen begleitenden politischen Appell und nicht um die eigentliche Tarifforderung, die weiterhin der Abschluss eines Sozialtarifvertrages war.
318 
-Die erkennende Kammer folgt nicht der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in der Entscheidung 4 SaGa 2/16 in der Gestalt, dass in der Forderung, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle und beschäftigungssichernde Maßnahmen in einer entsprechenden Anwendung von § 22 Haus-TV i. V. m. dem TV-RatioAng eine Verpflichtung der Klägerin auslösen sollte, neue Arbeitsplätze bei der Stadt P. zu schaffen und damit zu Unrecht einen rechtlich unabhängigen Dritten zu dessen Lasten verpflichten sollte, und damit der ganze Streik rechtswidrig sei.
319 
Da hier ein Dritter einbezogen worden sei, sei eine rechtswidrige Forderung der Beklagten gegeben gewesen.
320 
Der Klägerin (und dem Landesarbeitsgericht) ist insoweit Recht zu geben, dass es sich bei der Stadt P. im Verhältnis zur Klägerin dieses Rechtsstreits um eine rechtliche Dritte handelt.
321 
Bei der S. handelt es sich um eine aus einem Eigenbetrieb der Stadt P. hervorgegangene eigene Rechtspersönlichkeit, deren 100 %ige Gesellschafterin und Alleineigentümerin allerdings auch tatsächlich die Stadt P. ist.
322 
Die Stadt P. ist mit der Klägerin zusammen als Kommanditistin aufgetreten und zwar wie eine eigene Tarifvertragspartei.
323 
Die Stadt P. ist mit Billigung der Klägerin im Rahmen der Gespräche mit der Beklagten im Vorfeld des Streiks als Verhandlungspartner aufgetreten.
324 
Sogar der Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag vom 31.01./18.02.2014 zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde wie bereits zuvor ausgeführt, ausdrücklich für die Stadt P. unter Nutzung des Dienstsiegels von Herrn E. als Stadtdirektor unterschrieben.
325 
Eben dieser maßgeblich letzte Tarifvertrag sah auch, wie bereits zuvor ausgeführt, unter Ziffer 2 eine Verhandlungsverpflichtung der Parteien des Tarifvertrages vor, die im Fall einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität der Klägerin unverzüglich, spätestens jedoch am 01.06.2016, in eine Verhandlungsverpflichtung über einen Rettungstarifvertrag münden sollte.
326 
Da die Stadt im weiteren Verlauf auch mit der Klägerin zusammen als Kommanditistin aufgetreten ist, und sich auch direkt an die Beklagte gewandt hatte und zu erkennen gegeben hat, dass sie sich für die Erfüllung der von der Klägerin übernommenen Tarifforderungen mitverantwortlich sieht, ist die Stadt P. im Vorfeld des hier streitgegenständlichen Streiks wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten. Durch das gemeinsame Auftreten der Stadt und der Klägerin, welches auch von der Klägerin ausdrücklich gebilligt wurde, konnte nach Auffassung der erkennenden Kammer bei der Beklagten zumindest der Eindruck entstehen, dass die Klägerin mit der Stadt zusammen eine gemeinsame Haftung für einen abzuschließenden Tarifvertrag übernehmen und sich ggf. auch verpflichten würde Arbeitsplätze für die betroffenen Arbeitnehmer zu schaffen.
327 
Aus Sicht der erkennenden Kammer lässt sich dies auch aus der Historie der jetzigen Klägerin begründen.
328 
Die zuvor ausgeführten Erwägungen werden dadurch verstärkt, dass die Stadt P. auch im Vorfeld der Gründung der jetzigen Klägerin Arbeitgeber für viele der betroffenen Arbeitnehmer war.
329 
Daher musste sich für die Beklagte nach Auffassung der Kammer auch nicht der Eindruck aufdrängen, dass die Forderung, die Stadt P. in den erstrebten Sozialtarifvertrag einzubinden, tatsächlich eine Forderung gegen einen unbeteiligten Dritten, und damit ein vom Kampfgegner nicht zu erfüllendes Ziel darstellt.
330 
Durch das gesamte Verhalten der Stadt P. und deren ursprüngliche Arbeitgeberstellung als öffentlicher Träger für viele der betroffenen Arbeitnehmer, erscheint es auch der erkennenden Kammer nachvollziehbar, dass sich die Stadt in einer subjektiven Verantwortlichkeit gegenüber den von der Betriebsschließung betroffenen Arbeitnehmern gesehen haben könnte und daher auch an den Verhandlungen über einen Tarifsozialplan teilgenommen hat.
331 
Die Stadt hat ja, wie bereits ausgeführt, den Sanierungstarifvertrag vom 31.01./18.02.2014, den Nachtrag dazu vom 19.05.2014, den Letter of Intent vom 07.05.2015 und den Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15.07.2015 unterschrieben.
332 
Sie hat diese Unterschriften ohne eine rechtliche Einschränkung oder mit dem Hinweis auf eine Billigung durch die Stadt P. geleistet.
333 
Die Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen als Tarifpartei hätte die Klägerin und die Stadt gleichermaßen verpflichtet, da aus den Tarifverhandlungen auch Tarifverträge hätten resultieren können.
334 
-Nach Auffassung der erkennenden Kammer war die Stadt P. daher vorliegend nicht klassischer Dritter in dem Sinne, dass die Beklagte ein Streikziel an einen Dritten gerichtet hätte.
335 
Dritter ist grundsätzlicher der, der nicht Partei eines Tarifvertrages geworden ist, und trotzdem mit einer Streikforderung überzogen werden soll.
336 
Die Mitunterschrift der Stadt P. auf dem Haustarifvertrag und auch dem Ergänzungstarifvertrag sogar unter Nutzung des Dienstsiegels der Stadt P. hat nach Auffassung der Kammer dazu geführt, dass die Stadt zumindest den Eindruck erweckt hat, sich mit für die Umsetzung und Durchführung dieses Tarifvertrages verantwortlich zu sehen, und durch diese Mitunterschrift zumindest wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten ist.
337 
Daher wäre es auch, wenn die Beklagte tatsächlich ein Streikziel an die Stadt P. gerichtet hätte, keine rechtswidrige Forderung, sondern ein legitimes Vorgehen gewesen, die Stadt an die Umsetzung der mitübernommenen Verpflichtungen zu erinnern, und auch Streikforderungen zu stellen, die nur durch die Stadt zu erfüllen gewesen wären.
338 
Daher würde es sich auch bei der tarifvertraglichen Begründung von Pflichten der Stadt um ein rechtmäßiges, und kein rechtswidriges Streikziel handeln.
339 
Die Kammer folgt der Argumentation der Klägerin nicht, dass die Unterschrift unter die Tarifverträge nur deshalb geleistet worden sei, weil die Stadt als alleinige Gesellschafterin die wirtschaftliche Haftung übernehmen müsse und dadurch in keinster Weise zur Tarifvertragspartei hätte werden wollen.
340 
Das Gesamtauftreten der Stadt P. im Zusammenhang mit den Verhandlungen über einen Tarifvertrag ist nach Auffassung der Kammer als Gesamtes zu würdigen.
341 
Insgesamt war es daher nicht erkennbar, in welcher konkreten Funktion die Stadt hier aufgetreten ist, und daher auch nicht erkennbar für die Beklagte, dass die Stadt P. als Mitunterzeichnerin des Tarifvertrages nicht wie eine Tarifvertragspartei in Anspruch genommen werden dürfte.
342 
Wie bereits zuvor ausgeführt, ist die Stadt P. mit der Klägerin zum Bundesvorstand der Beklagten gefahren, um dort an Verhandlungen teilzunehmen. Sie hat die bereits aufgeführten Tarifverträge mitunterschrieben, ohne irgendeine Einschränkung zu unternehmen, in welcher Funktion diese Unterzeichnung erfolgen sollte.
343 
Daher musste die Beklagte zumindest nicht unbedingt erkennen können, dass durch diese Unterschrift und das Gesamtverhalten der Stadt gemeinsam mit der Klägerin keine Verpflichtung übernommen worden sein soll, aus diesen Tarifverträgen auch persönlich in Anspruch genommen zu werden.
344 
Die Übernahme einer Verhandlungsverpflichtung in einem Tarifvertrag, welcher eben auch von der Stadt P. unterschrieben wurde, signalisiert die eindeutige Bereitschaft, je nach Verhandlungsverlauf in einen aufgrund dieser übernommenen Verhandlungsverpflichtung über den Abschluss eines Tarifvertrages übernommenen Verpflichtungen ggf. auch Adressat tariflicher Normen bzw. Schuldner tariflicher Pflichten zu werden. Die Verpflichtung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen als Tarifpartei, die die Klägerin und auch die Stadt P. durch ihre Unterschrift gleichermaßen eingegangen sind, heißt, dass aus diesen Tarifverhandlungen auch Tarifverträge hätten resultieren können.
345 
Die aus solchen Tarifverhandlungen resultierenden Tarifverträgen hätten daher auch jeden dieser drei Unterzeichner des Tarifvertrags berechtigen und verpflichten können, also auch die Stadt.
346 
Zwar ist der Klägerin Recht zu geben, dass ein Tarifvertrag zwingend schriftlich vereinbart werden muß.
347 
Schriftform in diesem Sinne bedeutet aber insbesondere die Leistung einer Unterschrift, um nicht in eine Formunwirksamkeit nach § 125 BGB zu geraten.
348 
Die ausdrückliche Aufnahme der Stadt P. als Partei im Rubrum des Tarifvertrages ist hierzu nicht zwingend erforderlich. Die Stadt als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist auch in der Lage Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite zu werden. Daher hätte die Auferlegung von obligatorischen oder normativen Rechten und Pflichten der Stadt gegenüber auch tarifvertraglich geregelt werden können.
349 
In diesem Zusammenhang ist auch insbesondere wieder bei der Frage, ob hier die Stadt P. wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten ist, und auch im Hinblick auf die Frage der Erkennbarkeit eines eventuellen Vorbehaltes oder einer Einschränkung Artikel 6 Nr. 4 ESC als Interpretationshilfe heranzuziehen, wonach im Zweifelsfall bei Unklarheiten dieser Konflikt bzw. die Unklarheit zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen ist.
350 
In diesem Zusammenhang ist auch darauf ergänzend hinzuweisen, dass selbst das Arbeitsgericht Pforzheim erstinstanzlich in dem dortigen einstweiligen Verfügungsverfahren von einer fehlenden Rechtswidrigkeit des Streiks ausgegangen ist.
351 
Außerdem kann die Kammer den der Akte vorliegenden Streikaufrufen nicht die eindeutige Forderung der Beklagten erkennen, dass es ihr um die anderweitige Unterbringung der bei der Klägerin wegen der Stilllegung ausgeschiedenen Busfahrer gegangen sei.
352 
Das Schreiben vom 04.03.2016, das vom Landesarbeitsgericht als Streikaufruf gewertet wurde, stellt nach diesseitiger Auffassung allerdings keinen Streikaufruf dar, sondern lediglich eine Mitgliederinformation, eine Unterrichtung der Mitglieder über den Ablauf der Gespräche/Verhandlungen an diesem Tag. Eine Meinungsäußerung oder allgemeine der Mobilisierung dienende Äußerungen lokaler Funktionäre ist kein gewerkschaftlicher Streikaufruf in diesem Sinne. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist, das die offizielle Aufforderung zum Streik, welches von der zuständigen Streikleitung der Gewerkschaft ausgeht.
353 
Daher ist der von der Beklagten geführte Streik insgesamt nicht rechtswidrig gewesen und die Beklagte der Klägerin mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 BGB daher auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
354 
Die Klage ist daher abzuweisen.
III.
355 
Da die Klägerin vorliegend vollinhaltlich unterlegen ist, trägt sie nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.
356 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 61 Abs.1 ArbGG.
357 
Der Gegenstandswert wurde bezüglich des Klageantrags Ziffer 1 auf der Höhe der streitgegenständlich bezifferten Forderung festgesetzt.
358 
Der Feststellungsantrag Ziffer 2 wurde mit 589.583,30 EUR bewertet, d. h. 2/3 des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin, welches diese mit 884.375,00 EUR angegeben hat.
359 
Die reduzierte Berücksichtigung dieses Antrags basiert darauf, dass es sich nicht um eine Leistungsklage, sondern lediglich um eine Feststellungsklage gehandelt hat.
360 
Die Berufung wurde nach § 64 Abs.3 Nr.1 ArbGG ausdrücklich zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und ihre Wirkungen über den hier entschiedenen Einzelfall hinausgehen können.

Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Pforzheim Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 Ca 208/17

Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Pforzheim Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 Ca 208/17

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
Arbeitsgericht Pforzheim Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 Ca 208/17 zitiert 17 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 17 Anzeigepflicht


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er 1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und wenig

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(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters


(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 125 Nichtigkeit wegen Formmangels


Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden


(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Wide

Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 8 Förderung der Verkehrsbedienung und Ausgleich der Verkehrsinteressen im öffentlichen Personennahverkehr


(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-,

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2010 - 8 Sa 446/10 - aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung

Referenzen

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.

(2) Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet.

(3) Für die Sicherstellung einer ausreichenden den Grundsätzen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind die von den Ländern benannten Behörden (Aufgabenträger) zuständig. Der Aufgabenträger definiert dazu die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in der Regel in einem Nahverkehrsplan. Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Die in Satz 3 genannte Frist gilt nicht, sofern in dem Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. Im Nahverkehrsplan werden Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen getroffen. Bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans sind die vorhandenen Unternehmer frühzeitig zu beteiligen; soweit vorhanden sind Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände anzuhören. Ihre Interessen sind angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen. Der Nahverkehrsplan bildet den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Länder können weitere Einzelheiten über die Aufstellung und den Inhalt der Nahverkehrspläne regeln.

(3a) Die Genehmigungsbehörde wirkt im Rahmen ihrer Befugnisse nach diesem Gesetz und unter Beachtung des Interesses an einer wirtschaftlichen, den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit sowie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse berücksichtigenden Verkehrsgestaltung an der Erfüllung der dem Aufgabenträger nach Absatz 3 Satz 1 obliegenden Aufgabe mit. Sie hat hierbei einen Nahverkehrsplan zu berücksichtigen, der unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 6 zustande gekommen ist und vorhandene Verkehrsstrukturen beachtet.

(3b) Für Vereinbarungen von Verkehrsunternehmen und für Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen gilt § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht, soweit sie dem Ziel dienen, für eine Integration der Nahverkehrsbedienung, insbesondere für Verkehrskooperationen, für die Abstimmung oder den Verbund der Beförderungsentgelte und für die Abstimmung der Fahrpläne, zu sorgen. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Anmeldung bei der Genehmigungsbehörde. Für Vereinigungen von Unternehmen, die Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen im Sinne von Satz 1 treffen, gilt § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entsprechend. Verfügungen der Kartellbehörde, die solche Vereinbarungen, Beschlüsse oder Empfehlungen betreffen, ergehen im Benehmen mit der zuständigen Genehmigungsbehörde.

(4) Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind eigenwirtschaftlich zu erbringen. Eigenwirtschaftlich sind Verkehrsleistungen, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Ausgleichsleistungen auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften nach Artikel 3 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) und sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne, soweit diese keine Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 darstellen und keine ausschließlichen Rechte gewährt werden. Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs nach § 45a sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausgenommen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 84/02 Verkündet am:
17. Oktober 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Zahlungsantrag des Klägers in Höhe von 5.121.379,88 DM (= 2.618.519,95 nsen und der Feststellungsantrag abgewiesen worden sind, soweit es um die Blöcke 1, 5 und 6b geht.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte, deren Anteile von der Stadt Köln und dem Land Nordrhein -Westfalen gehalten werden, ist mit der Verwirklichung des Stadtentwicklungsprojekts "M. P. " auf einem etwa 20 ha großen, ehemals als Güterbahnhof genutzten Gelände in Köln befaßt. Ihr oblag die Projektsteuerung. Ziel war es, das Gesamtprojekt bis Anfang 1993 fertigzustellen. Zu diesem Zweck
wurde den Investoren zusammen mit dem Grundstückserwerb Bauverpflichtun- gen mit engen zeitlichen Vorgaben, gesichert durch Vertragsstrafen, auferlegt.
Der Kläger erwarb 1990 ein Grundstück aus dem Gesamtareal und errichtete dort den Block 4, den er zu großen Teilen an die A. -G. AG vermietet hat. Wegen Schlechterfüllung bei der Realisierung und Koordinierung des Gesamtprojekts und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, nämlich wegen Täuschung über die Defizite hinsichtlich des Entwicklungsstands des Gesamtprojekts , hat der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangt, und zwar durch Zahlungsklage in Höhe von 13.378.232,06 DM nebst Zinsen sowie im Wege der Feststellungsklage hinsichtlich weiterer noch nicht bezifferbarer Schäden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 13 Mio. DM dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß stattgegeben. Den Feststellungsantrag hat es als nicht gestellt betrachtet. Der Senat hat die Revisionen beider Parteien gegen dieses Urteil nicht angenommen und klargestellt, daß die angefochtene Entscheidung so zu verstehen sei, daß über den auf positive Forderungsverletzung gestützten Feststellungsantrag noch nicht entschieden sei.
Der Kläger hat im Betragsverfahren seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 19.518.084 DM weiter verfolgt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichtfertigstellung bzw. der nicht vertragsgemäßen Nutzung der Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 bzw. aus der nicht- oder nicht ordnungsgemäßen
Erfüllung der sonstigen von der Beklagten eingegangenen Vertragspflichten entsteht.
Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 14.396.704,12 DM stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den bezifferten Klageantrag im Umfang der Abweisung weiter. Den weiteren Antrag hat er eingeschränkt und auf die Feststellung präzisiert, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren mit der Entscheidung über den Zahlungsantrag nicht verbrauchten Schaden zu ersetzen, der entstehe, solange die Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 nicht fertiggestellt seien oder nach Errichtung nicht gemäß den vertraglichen Vereinbarungen , insbesondere nicht nach der vertraglich vorgesehenen Nutzungsbindung, genutzt würden.
Der Senat hat die Revision des Klägers hinsichtlich des Zahlungsantrags und hinsichtlich des Feststellungsantrags angenommen, soweit es um eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b geht. Im übrigen hat er die Revision des Klägers wie auch die Revision der Beklagten, die die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


A. Zahlungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger entsprechend dem rechtskräftigen Grundurteil Schadensersatz wegen unzutreffender vorvertraglicher Erklärungen der Beklagten bezüglich Block 2 und Block 5 in Höhe des Wertes zu, um den der Kläger das von ihm mit Block 4 bebaute Grundstück infolge seiner Fehlvorstellungen zu teuer erworben hat. Es schätzt diese Wertdifferenz , sachverständig beraten, auf 10,7 Mio. DM und zieht davon im Wege des Vorteilsausgleichs einen sogenannten Overrent-Ertrag von (rund) 1,7 Mio. DM ab. Denn der Kläger habe von der A. -G. AG einen um 2 DM/qm höheren Mietzins erhalten, als es dem von dem Sachverständigen als lageangemessen veranschlagten Mietzins entspreche.
2. Als Schaden spricht das Berufungsgericht dem Kläger hilfsweise geltend gemachte kapitalisierte Verzugszinsen in Höhe von 5.396.704,12 DM zu, versagt ihm aber den in erster Linie verfolgten Anspruch auf Ersatz des Zinsaufwandes , der dem Kläger zur Finanzierung des von ihm bei vertragsgerechtem Verhalten nicht geschuldeten Kaufpreisanteils erwachsen ist und den er mit 8.818.084 DM beziffert hat. Es meint, es fehle an einer hinreichenden Darlegung dieses Anspruchs, da der Kläger nichts zu anrechenbaren Steuervorteilen vorgetragen habe, die er infolge der Kreditbelastung gehabt habe.
3. Hinsichtlich des weiterhin hilfsweise geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " (Ansiedlung von Künstlern und Kulturschaffenden in Block 4) verneint das Berufungsgericht einen Schaden mit der Begründung, der Kläger habe nicht dargelegt, daß er überhaupt einen Mietausfall erlitten habe.

II.


Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.
1. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten nicht angenommen hat, ist davon auszugehen, daß der Kläger das Grundstück infolge der unzutreffenden , von der Beklagten zu vertretenden Angaben zum Entwicklungsstand des Gesamtprojekts bezüglich Block 2 und Block 5 um 10,7 Mio. DM zu teuer erworben hat. Daß dieser Betrag, der den nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß zu ersetzenden Schaden beziffert, nach den Regeln der Vorteilsausgleichung gemindert sein kann, steht außer Zweifel. Die für die Schadensberechnung maßgebliche Differenzhypothese (BGHZ 98, 212, 217) bedingt die den Schaden mindernde Berücksichtigung von Vorteilen, die dem Geschädigten infolge des Schadensereignisses zugeflossen sind. Dabei besteht heute Einigkeit, daß nicht generell jeder Vorteil den Schaden mindert, sondern daß eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entsprechen muß, mithin den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen darf. Der einzelne Vorteil muß, soll er zur Anrechnung führen, mit dem einzelnen Nachteil kongruent sein, d.h. ihm seiner Art nach entsprechen (Senat, Urt. v. 6. Juni 1997, V ZR 115/96, NJW 1997, 2378 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen gegen die von dem Berufungsgericht vorgenommene Vorteilsausgleichung an sich keine Bedenken. Da der den Schaden bestimmende Minderwert auf der von dem noch nicht intakten Umfeld geprägten Ertragseinbuße beruht, ist es grundsätzlich gerechtfertigt,
Mehrerträge im Einzelfall schadensmindernd zu berücksichtigen. Zwar hätte dies, worauf die Revision zu Recht hinweist, bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu unterbleiben, wenn der Mehrertrag auf eine besondere Geschäftstüchtigkeit des Klägers zurückzuführen wäre, die dem Schädiger nicht zugute kommen dürfte (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Band 2a, § 249 Rdn. 263). Die Revision verweist aber nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , wonach die über dem lageangemessenen Durchschnitt liegende Miete der Geschäftstüchtigkeit des Klägers zuzuschreiben ist. Möglich, wenn nicht sogar näher liegend ist, daß die Miete im Hinblick auf die Vorstellung von Mieter und Vermieter vereinbart wurde, daß das Stadtentwicklungsprojekt in dem vorgesehenen zeitlichen Rahmen verwirklicht werden würde. Dann aber gäbe es keinen Grund, den Vorteil dem Kläger zu belassen.
Etwas anderes gilt aber, wenn der Vortrag des Klägers zutrifft, er habe den höheren Mietzins von der A. -G. AG nur deswegen bekommen, weil er im Hinblick auf sonst gerechtfertigte Mietminderungen finanzielle Zugeständnisse bei einem früheren Mietverhältnis in Düsseldorf gemacht habe. Diese Zugeständnisse überstiegen den in Köln erwirtschafteten "Overrent". Trifft dies zu, so hat sich der Kläger den ursprünglichen Vorteil nur durch anderweitige wirtschaftliche Zugeständnisse erhalten können. Im Saldo bliebe kein anrechenbarer Vorteil.
Dem kann man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen halten, eine Mietminderung sei gar nicht gerechtfertigt gewesen. Wenn der Sachverständige wegen der Situation im Umfeld einen geringeren Mietertrag zugrunde legt, so deswegen, weil die noch fehlende Fertigstellung des Gesamtprojekts Einfluß auf den angemessenen Mietzins hat. Das beruht
nicht lediglich auf der rein subjektiven Einschätzung potentieller Mieter, sondern auf Umständen, die die Nutzung objektiv erschweren und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Gründe dafür sind beschwerlichere Zugänge, fehlende Einbindung in eine funktionierende Infrastruktur und ein insgesamt weniger attraktives Erscheinungsbild. Solche Nachteile können die Abläufe in einem Gewerbebetrieb erschweren, seine Außendarstellung beeinträchtigen und sein Ansehen mindern. Der Mieter, der Büro- oder Gewerberäume unter der vertragsgemäßen Voraussetzung eines intakten Umfelds mietet, kann daher die Miete mindern, wenn solche Umstände die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinflußen (§ 536 Abs. 1 BGB a.F.). Daß dies hier der Fall war, liegt angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten allgemeinen Ertragseinbußen nicht fern. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht einen solchen Nachteil für den Kläger deswegen nicht verneinen, weil er und die Mieterin dem von dieser geltend gemachten Minderungsrecht wirtschaftliche Bedeutung beigemessen und dies - nach dem Klägervortrag - zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht haben. Danach verzichtete der Kläger auf Forderungen aus dem früheren Mietverhältnis mit der A. -G. AG, und diese verzichtete auf Minderungsansprüche. Dies dokumentiert den wirtschaftlichen Wert dieser Ansprüche. Mit Blick darauf kann auch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht in analoger Anwendung des § 539 Satz 1 BGB a.F. von einem Verlust des Minderungsrechts wegen fehlender Geltendmachung ausgegangen werden. Die Mietvertragsparteien sind, wie der Vergleich zeigt, nicht von einem Verlust des Minderungsrechts ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr seinem Vortrag zufolge mit Rücksicht auf die angedrohte Minderung auf Mietzinsforderungen in erheblichem Umfang verzichtet. Dies läßt, wenn es zutrifft, den von dem Sachverständigen ermittelten "Over-
rent-Ertrag" wieder entfallen und steht einer Berücksichtigung im Wege des Vorteilsausgleichs entgegen.
2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Zinsaufwand, der auf den Kaufpreisanteil entfällt, der bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wäre, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Soweit es indes eine nicht hinreichende Darlegung des Klägers zu anrechenbaren Steuervorteilen bemängelt, verkennt es - wie die Revision zu Recht rügt - die Darlegungs- und Beweislast.
Für Vorteile, die den Schaden mindern, ist grundsätzlich der Schädiger, hier also die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig (Senat, Urt. v. 3. Mai 2002, V ZR 115/01, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Zwar gibt es Beweiserleichterungen , die bis zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gehen können, wenn es sich um Geschehnisse aus dem Vermögensbereich der anderen Partei handelt. Das ist insbesondere bei der Berücksichtigung von Steuervorteilen angenommen worden (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814, 1815; Senat, Urt. v. 15. April 1983, V ZR 152/82, NJW 1983, 2137, 2139). Doch muß zunächst der Schädiger überhaupt geltend machen, daß ein Vorteil anzurechnen ist. Diese Darlegung ist ihm nicht erlassen (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86 aaO). Daran fehlt es. Die Revisionserwiderung verweist zwar auf Tatsachenvortrag, in dem darauf hingewiesen wird, daß nach einer Entscheidung des Senats vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, WM 1997, 2309) bei der Ermittlung des Schadens eine Gesamtbetrachtung stattzufinden habe. Darin liegt jedoch auf den konkreten Fall bezogen keine Geltendmachung von Steuervorteilen, die dem Kläger infolge seines durch den Zinsaufwand entstandenen Schadens zugeflossen sein sollten. Eine nähere
Darlegung hätte dazu schon deswegen erfolgen müssen, weil ein etwaiger Steuervorteil des Klägers dadurch wieder ausgeglichen sein kann, daß der zugesprochene Schadensersatzbetrag seinerseits zu versteuern ist (vgl. BGHZ 74, 103, 114; BGH, Urt. v. 25. Februar 1988, VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788; Urt. v. 9. Dezember 1987, IVa ZR 204/86, NJW-RR 1988, 856).
3. Sollte es nach den nachzuholenden Feststellungen des Berufungsgerichts gleichwohl bei einer Nichtberücksichtigung des von dem Kläger auf 8.818.084 DM bezifferten Schadensbetrages bleiben, gilt für die hilfsweise geltend gemachten Forderungen folgendes:
Die kapitalisierten Verzugszinsen, die das Berufungsgericht in Höhe von 5.396.704,12 DM berücksichtigt hat, würden sich erhöhen, wenn der Grundschadensbetrag nicht 9 Mio. DM - wie vom Berufungsgericht angenommen -, sondern 10,7 Mio. DM betragen sollte. Der Kläger beziffert sie auf 6.321.244,44 DM.
Hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " bleiben die Angriffe der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts ohne Erfolg. Zwar ist es richtig, daß § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten die Darlegungslast erleichtert. Die Revision verweist aber nicht auf Tatsachenvortrag, dem zu entnehmen wäre, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, daß der Markt eine Vermietung zu einem Quadratmeterpreis von 29 DM, den der Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, überhaupt hergegeben hätte. Wie der Sachverständige festgestellt hat, war ein Quadratmeterpreis von 29 DM angesichts der besonderen Situati-
on mehr, als man an sich hätte erzielen können. Nur die A. -G. AG war bereit, diesen Mietzins zu zahlen. Daß der Kläger wegen der unzureichenden Projektbegleitung der Beklagten nicht mehr an Miete erzielen konnte (vom "Overrent-Ertrag" abgesehen), mag richtig sein. Diesen Schaden deckt aber der Anspruch aus culpa in contrahendo ab; denn der Kläger erhält die auf dem geringeren Ertragswert beruhende Werteinbuße erstattet.
B. Feststellungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse, soweit der Feststellungsantrag noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, sich also auf die nicht bzw. nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b bezieht. Der Kläger habe den Schaden beziffern und daher zur Leistungsklage übergehen können.
2. Im übrigen hält es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aber auch für nicht begründet.

a) Hinsichtlich Block 1 fehle es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Fehlverhalten der Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten des Investors hätten auch vertraglich geschuldete frühere Bemühungen der Beklagten, die Bauverpflichtung durchzusetzen, keinen Erfolg gehabt.

b) Hinsichtlich Block 5 und 6b verneint das Berufungsgericht ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten.

II.


1. Der Umstand, daß der Schaden während des Prozesses bezifferbar geworden sein mag, führt nicht dazu, daß der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses nicht mehr zulässig wäre. Ist eine Feststellungsklage - wie hier - in zulässiger Weise erhoben worden, so ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (BGH, Urt. v. 31. Januar 1952, III ZR 131/51, LM ZPO § 256 Nr. 5; Urt. v. 15. November 1977, VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, bei BGHZ 70, 39 nicht abgedruckt).
2. a) Bei der Frage, ob die nicht rechtzeitige Fertigstellung von Block 1 auf eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, verkennt das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast, wenn es annimmt, daß nichts dafür spreche, daß die Beklagte eine Fertigstellung bis zum 31. Dezember 1994 durchgesetzt hätte, wenn sie frühzeitig, und nicht erst im September 1995 eine Vertragsstrafe verhängt hätte. Denn es ist nicht Sache des Klägers darzulegen, daß der Schaden bei vertragsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre. Vielmehr muß die Beklagte darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, daß der Investor auch dann, wenn sie sich rechtzeitig um eine zügige Bebauung gekümmert hätte, wegen seiner Liquiditätsschwierigkeiten außerstande gewesen wäre, den Block vertragsgemäß zu erstellen (vgl. BGHZ 143, 362, 365 f.; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2001, III ZR 288/00, NJW 2002, 888, 890; MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rdn. 218 m.w.N.). Daran fehlt es, und davon geht auch das Berufungsgericht nicht aus. Es erwägt selbst, daß die Beklagte auch von ihrem Rücktrittsrecht hätte Gebrauch machen und den Block - wie später auch geschehen - anderweit vergeben kön-
nen. Mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose läßt sich aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall die Kausalität des Fehlverhaltens der Beklagten verneinen. Hierzu bedarf es konkreter Feststellungen.

b) Hinsichtlich Block 5 macht die Revision zu Recht geltend, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten Sachvorbringen des Klägers übergangen.
Das gilt allerdings nicht für den unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellten Vortrag, die Entscheidung, den Block in Teilen zu vermarkten, sei falsch gewesen. Dem brauchte das Berufungsgericht , weil dieses Vorbringen zu wenig auf die konkrete Situation eingeht, nicht nachzugehen. Die Beklagte hatte - wie sie im einzelnen unter Beweisantritt dargelegt hat - zunächst versucht, den Block als solchen zu vermarkten, was aber wegen des großen Volumens nicht gelang. Die Revision verweist nicht auf Vortrag des Klägers, der hierauf eingegangen wäre. Die Frage, ob eine Vermarktung durch Aufteilung sachgerecht ist, kann aber nicht generell, etwa durch Sachverständigengutachten, geklärt werden, sondern muß vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse beurteilt werden.
Berechtigt ist die Rüge aber hinsichtlich des Vortrags, wonach die Beklagte eine sichere Möglichkeit der Vermarktung habe scheitern lassen, um eine vage Hoffnung auf ein anderes Geschäft (mit R. ) aufrechterhalten zu können. Wenn das Berufungsgericht meint, daß es der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wenn sie an R. festgehalten habe, da dies dem Gesamtkonzept des "M. -P. " entsprochen habe, so ist dies zwar eine mögliche Erwägung, die aber nicht ohne vorherige Aufklärung der Tatsa-
chen angestellt werden durfte. Der Kläger behauptet hierzu nämlich unter Beweisantritt , daß das Geschäft mit einem Investor deswegen gescheitert sei, weil die Beklagte ihn abgelehnt habe, obwohl dieser auch an R. habe vermieten wollen. Trifft dies zu, kommt eine schuldhafte Pflichtverletzung in Betracht, durch die eine erhebliche Verzögerung eingetreten wäre. Die Ablehnung soll nämlich im Mai 1992 erklärt worden sein; die jetzige Realisierung des Projekts hat das Berufungsgericht für 2003 angenommen.
Bei der Schadensberechnung wird, soweit das Berufungsgericht dem Grunde nach zu einem Anspruch kommen wollte, zu berücksichtigen sein, daß nur der Schaden erfaßt wird, der nicht schon Gegenstand der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist. Ein solcher weiterer Schaden, der durch eine verzögerte Fertigstellung des Blocks 5 verursacht wurde, ist nicht von vornherein notwendigerweise mit dem von der culpa in contrahendo verursachten Vertrauensschaden deckungsgleich.
Hinsichtlich von Block 6b läßt das Berufungsgericht vom rechtlichen Ansatz her die Haftung der Beklagten zwar daran scheitern, daß es an einer schuldhaften Pflichtverletzung fehle. Es heißt nämlich, es könne nicht von Versäumnissen der Beklagten ausgegangen werden. Die weiteren Ausführungen zeigen aber, daß es - wie bei Block 1 - um Fragen der Kausalität geht. Insoweit leidet das Urteil an demselben Rechtsfehler, wie er zu Block 1 unterlaufen ist.

III.


Soweit Ansprüche wegen positiver Forderungsverletzung von dem Kläger "äußerst hilfsweise" auch zur Auffüllung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht und vom Berufungsgericht abgewiesen worden sind, geht die Revision hierauf nicht gesondert ein, da es aus ihrer Sicht darauf nicht ankommt. Der Senat brauchte daher nicht im einzelnen zu prüfen, ob solche Ansprüche bestehen und insbesondere der Höhe nach schlüssig dargelegt sind. Soweit es um den Haftungsgrund geht, kommen Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b in Betracht. Das hierzu bei der Behandlung des Feststellungsantrags Ausgeführte gilt in gleicher Weise auch für daraus abgeleitete Zahlungansprüche.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 187/10
Verkündet am:
18. Januar 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
gewinn.de

a) Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber kein absolutes
Recht an dem Domainnamen und damit kein sonstiges Recht im Sinne

b) Derjenige, der bei einer sogenannten WHOIS-Abfrage bei der DENIC als
Inhaber eines Domainnamens eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC
materiell berechtigt zu sein, kann diese Stellung im Sinne von § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 2 BGB auf Kosten des Berechtigten erlangt haben.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. September 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung, dass er an deren Stelle in die von der DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e.G. in Frankfurt am Main (im Weiteren: DENIC) geführten "WHOIS-Datenbank" als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" eingetragen wird.
2
Das Unternehmen "NetzWerkStadt" ließ im Jahre 1996 den Domainnamen "gewinn.de" bei der DENIC, der zentralen Vergabestelle für Internetdomainnamen unter der Top-Level-Domain ".de", für sich registrieren. Bei einer auf der Internetseite der DENIC möglichen "WHOIS-Abfrage", mit der unter anderem der Inhaber und der administrative Ansprechpartner eines Internetdomainnamens unter der Top-Level-Domain ".de" erfragt werden können, wurde bis zum 2. Juni 2005 "NetzWerkStadt" als Inhaber des Domainnamens mit dem Namen "gewinn.de" genannt. Nach diesem Zeitpunkt wechselten die Angaben über den Domaininhaber; "NetzWerkStadt" wurde dabei nicht mehr als Inhaber genannt. Am 3. Februar 2006 schloss die Beklagte auf der DomainHandelsplattform Sedo mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Domainnamen "gewinn.de".
3
Der Kläger hat behauptet, "NetzWerkStadt" sei zur Zeit der Registrierung des Domainnamens "gewinn.de" im Jahre 1996 die Bezeichnung für sein Unternehmen gewesen. Der zwischen ihm und der DENIC geschlossene Registrierungsvertrag bestehe nach wie vor fort, so dass er weiterhin Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" sei. Bei einer "WHOIS-Abfrage" werde jedoch seit dem 15. Februar 2006 die Beklagte als Inhaberin dieses Domainnamens genannt.

4
In einem weiteren, noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren verfolgt der Kläger unmittelbar gegen die DENIC seine Eintragung als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de".
5
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in die Änderung der WHOIS-Datenbank der DENIC e.G., Kaiserstraße 75 bis 77, 60329 Frankfurt, dahingehend einzuwilligen, dass als Inhaber und administrativer Ansprechpartner (admin-c) der Domain "gewinn.de" der Kläger eingetragen wird; hilfsweise festzustellen, dass der Kläger als Vertragspartner der DENIC e.G. Inhaber der Domain "gewinn.de" ist; äußerst hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht Inhaberin der Domain "gewinn.de" ist.
6
Die Beklagte hat demgegenüber insbesondere geltend gemacht, nicht sie, sondern ihr Geschäftsführer sei als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" registriert. Zudem habe sie den Domainnamen "gewinn.de" ordnungsgemäß erworben.
7
Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz mit dem Hauptantrag erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Brandenburg, GRUR-RR 2010, 485). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten die Zustimmung dazu verlangen , dass er an deren Stelle als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC eingetragen werde. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Der Kläger könne sein Hauptbegehren nicht mit Erfolg auf einen dinglichen Beseitigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog stützen. Der Inhaber einer Internetadresse erwerbe an dem dazu gehörenden Domainnamen kein absolutes Recht, sondern lediglich ein - relativ wirkendes - vertragliches Nutzungsrecht von regelmäßig unbestimmter Dauer. Die Möglichkeit, den registrierten Domainnamen ausschließlich nutzen zu können, sei allein technisch bedingt. Eine derartige Ausschließlichkeit begründe noch kein absolutes Recht. Ein Bedürfnis, den Anwendungsbereich des quasinegatorischen Rechtsschutzes auf rechtliche Positionen zu erstrecken, die weder absolute Rechte noch sonstige deliktisch geschützte Rechtsgüter beträfen , bestehe nicht.
10
Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren sei auch nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB begründet. Die Beklagte habe nichts rechtsgrundlos auf Kosten des Klägers erlangt.
11
Die vom Kläger gestellten Hilfsanträge seien mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Bei einem Streit mehrerer Forderungsgläubiger um ihre Berechtigung sei eine Feststellungsklage zwar im Allgemeinen zulässig. Im Streitfall gehe es jedoch nicht um einen bloßen Gläubigerstreit im Sinne von § 75 ZPO, sondern vielmehr um die Klärung der Frage, welche der beiden Prozessparteien Vertragspartner eines laufenden Dauerschuldverhältnisses sei. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits die DENIC gerichtlich in Anspruch genommen habe. Unter diesen Umständen verbessere die hilfsweise erhobene Feststellungsklage den Rechtsschutz für den Kläger nicht, sondern führe zu einem erheblichen prozessualen Mehraufwand und könne divergierende Entscheidungen zur Folge haben.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist uneingeschränkt zulässig. Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei mangels hinreichender Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Bereicherungsanspruchs des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB wende. Die Revision hat das Berufungsurteil auch in dieser Hinsicht mit der Sachrüge gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO angegriffen.
13
Die genannte Vorschrift verlangt vom Revisionskläger die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers. Sie weist zwar nur knapp darauf hin, dass dem Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zustehe, weil sie eine "Buchposition" in der "WHOIS-Datenbank" ohne rechtlichen Grund erlangt habe, die aufgrund der tatsächlichen Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts des Domaininhabers dem Kläger zugewiesen sei. Die Rügen der Revision richten sich hauptsächlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, bei einem Domainnamen handele es sich nicht um ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Der Kläger verfolgt im Streitfall jedoch nur einen prozessualen Anspruch, der lediglich auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird. In einem solchen Fall ist die rechtliche Nach- prüfung in vollem Umfang eröffnet, wenn eine Sachrüge in zulässiger Weise in das Revisionsverfahren eingeführt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 1990 - IX ZB 89/89, NJW 1990, 1184; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 551 Rn. 13; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 551 Rn. 13). Für die uneingeschränkte Zulässigkeit der Revision genügt es daher, dass der Kläger sich in seiner Revisionsbegründung nur mit dem vom Berufungsgericht verneinten Anspruch aus § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog näher auseinandergesetzt hat.
14
III. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Hauptbegehren des Klägers sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Hauptklageantrag , mit dem der Kläger seine Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC erstrebt, nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
16
Der Kläger wendet sich dagegen, dass bei einer "WHOIS-Abfrage" nicht er, sondern die Beklagte als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" genannt wird. Er macht geltend, dadurch über den Domainnamen faktisch nicht mehr verfügen zu können. Die Revisionserwiderung weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC keine konstitutive Wirkung dahingehend entfaltet, wer Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung eines bestimmten Domainnamens geworden ist (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767; Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Gleichwohl verfolgt der Kläger mit der Änderung des Eintrags in der "WHOISDatenbank" der DENIC ein berechtigtes Interesse, das er durch die Inanspruchnahme der Beklagten auch erreichen kann. Sein gegen die Beklagte ge- richtetes Hauptbegehren erweist sich für ihn weder als objektiv sinnlos noch kann er sein Klageziel auf einfachere Weise erreichen.
17
a) Nach § 8 Satz 1 der auf der Internetseite der DENIC bereitgestellten DENIC-Domainbedingungen veröffentlicht die DENIC unter anderem den Namen und die Anschrift des Inhabers des Domainnamens ("Domaininhaber"). Gemäß Nr. VII Satz 1 der DENIC-Domainrichtlinien ist der "Domaininhaber" der Vertragspartner der DENIC und damit der an der Domain materiell Berechtigte. Danach kann der Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" nicht jede Bedeutung und Wirkung abgesprochen werden. Die Eintragung hat zumindest eine deklaratorische Wirkung für die Frage, wer nach außen als Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung eines bestimmten Domainnamens - und damit als Inhaber des Domainnamens - angesehen wird (vgl. Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Ein am Erwerb eines Domainnamens Interessierter wird einem Erwerbsgeschäft mit demjenigen, der nicht als Domaininhaber bei einer "WHOIS-Abfrage" genannt wird, skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüberstehen. Ungeachtet der materiellen Berechtigung ist es daher wahrscheinlich, dass die Namensangabe bei der "WHOIS-Abfrage" maßgebliche Bedeutung für die Verwertbarkeit eines Domainnamens hat. Unter diesen Umständen besteht ein berechtigtes Interesse des materiell Berechtigten an der Berichtigung der Eintragung, wenn die Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" mit der tatsächlichen Rechtslage nicht übereinstimmt.
18
b) Die gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten ist dazu geeignet, das vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgte Klageziel zu erreichen.
19
Dem Inhaber eines Domainnamens steht aus dem von ihm mit der DENIC geschlossenen Registrierungsvertrag ein vertraglicher Berichtigungsan- spruch zu, wenn ein Dritter in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC zu Unrecht als Inhaber des Domainnamens geführt wird (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob seine Ansprüche werkvertraglicher (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767) oder dienstvertraglicher (vgl. Koch in Kilian /Heussen, Computerrechtshandbuch, Stand 2011, Teil 2, Domains Rn. 68) Natur sind. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die DENIC eine Änderung der Eintragung betreffend den Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" zugunsten des Klägers bislang abgelehnt und davon abhängig gemacht, dass die Beklagte hierzu ihre Zustimmung erteilt. Gegenteilige Feststellungen hat auch das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
Der Kläger hat zwar in zweiter Instanz erfolgreich gegen die DENIC seine Eintragung als Domainnamensinhaber erstritten. Da dieses Urteil bislang nicht rechtskräftig ist, kann er sein Klageziel aber nicht auf einfachere Weise, etwa im Wege der Vollstreckung dieses Titels, erreichen.
21
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Inhaber eines Domainnamens verfüge nicht über ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB und könne daher nicht gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC zu Unrecht geführten (formell) Berechtigten die Zustimmung zur Berichtigung der Eintragung verlangen.
22
a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist allerdings umstritten, ob die Registrierung eines Domainnamens dem Inhaber ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB verschafft. Diese Frage ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und dem überwiegenden Teil des Schrifttums zu verneinen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. November 2004 - 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 = NJW 2005, 589 - ad-acta.de, mwN; Bornkamm in Festschrift für Schilling, 2007, S. 31, 38 f.; Brockmann in Büscher /Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., Kap. 14 Rn. 417; aA OLG Köln, GRUR-RR 2006, 267, 268 - investment.de; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., Einl. G Rn. 15).
23
Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber der Internetadresse weder Eigentum am Domainnamen selbst noch ein sonstiges absolutes Recht, das ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008 - I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 Rn. 21 = WRP 2008, 1520 - afilias.de; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 = WRP 2009, 1533 - airdsl). Der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle begründet allerdings ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht zu Gunsten des Domainnamensinhabers, das ihm ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie das Eigentum an einer Sache (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de; BGH, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 - airdsl). Eine Einordnung als deliktsrechtlich geschütztes Recht erfordert dagegen eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition (vgl. Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39). Bei einem Domainnamen handelt es sich aber nur um eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung , die darauf beruht, dass ein Domainname von der DENIC nur einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 5/05, GRUR 2005, 969, 970 = NJW 2005, 3353; BFH, Urteil vom 19. Oktober 2006 - III R 6/05, BFHE 215, 222, 225 = BB 2007, 769, 770; Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39).

24
b) An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass ein Domainname als immaterieller Vermögensgegenstand im Sinne von § 266 Abs. 2 Buchst. A Ziffer I 1 HGB wegen inhaltlicher Vergleichbarkeit mit einem gewerblichen Schutzrecht dem zu bilanzierenden Anlagevermögen zuzurechnen ist (vgl. BFHE 215, 222, 225). Diese Einordnung ist allein durch die faktische Ausschließlichkeitsstellung begründet, die für die Einstufung als immaterielles Wirtschaftsgut und damit als immaterieller Vermögensgegenstand im Sinne von § 266 Abs. 2 Buchst. A Ziffer I 1 HGB ausreicht (vgl. BFHE 215, 222, 225). Die Vergleichbarkeit beruht dagegen nicht auf einer von der Rechtsordnung eingeräumten Rechtsposition, die Voraussetzung für den Schutz als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist.
25
Entgegen der Ansicht der Revision ist das Nutzungsrecht des Inhabers eines Domainnamens daher auch nicht mit dem berechtigten Besitz als sonstigem Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vergleichbar. Die Ausschließlichkeitsrechte des berechtigten Besitzers werden - anders als diejenigen des Inhabers eines Domainnamens - gerade nicht vertraglich begründet, sondern beruhen auf dem gesetzlich geregelten und gegenüber jedem Dritten wirkenden Besitzschutz gemäß den §§ 858 ff. BGB.
26
c) Der Revision ist auch nicht darin beizutreten, dass verfassungsrechtliche Vorgaben sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Einordnung des ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Domainnamen eine Einordnung als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB gebieten.

27
aa) Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 24. November 2004 (GRUR 2005, 261 - ad-acta.de) dem aus dem Vertrag mit der DENIC folgenden Nutzungsrecht an einem Internetdomainnamen eine eigentumsfähige Position im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuerkannt hat, hat dies nicht zwangsläufig eine Einordnung dieses Nutzungsrechts als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB zur Folge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählen zu dem gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentum auch die auf dem Abschluss von Verträgen beruhenden obligatorischen Rechte, die als relative Rechte gerade nicht den für absolute Rechte bestimmten Schutz des § 823 Abs. 1 BGB genießen (vgl. MünchKomm.BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 160; Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39). Dementsprechend unterscheidet auch das Bundesverfassungsgericht deutlich zwischen der Qualifizierung als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auf der einen und der Einordnung als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf der anderen Seite. In dem Beschluss vom 24. November 2004 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Inhaber eines Domainnamens weder das Eigentum an der Internetadresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an dem Domainnamen erwirbt, das ähnlich einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre; dem Inhaber des Domainnamens stehe vielmehr nur ein vertragliches, relativ wirkendes Nutzungsrecht zu (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de).
28
bb) Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Revision angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. September 2007 (MMR 2008, 29). Der Gerichtshof hat dort dargelegt, dass das durch den Vertrag mit der DENIC begründete Nutzungsrecht eine geschützte Eigentumsposition im Sinne von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK darstellt. Einer notwendigen Einbeziehung in den Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht bedarf es nicht, da der Schutz dieser Rechtsposition - wie auch der sonstiger vertraglicher Rechte - bereits durch das Vertragsregime und die dadurch begründeten primären Erfüllungs- und Sekundäransprüche im Falle einer Leistungsstörung hinreichend gesichert ist. Entgegen der Ansicht der Revision ist dieser Schutz nicht dadurch beeinträchtigt, dass die DENIC aufgrund ihrer Position als einzige Vergabestelle für Domainnamen unter der Top-LevelDomain ".de" möglicherweise Einschränkungen bei der Frage der Kontrahierungsfreiheit unterliegt.
29
d) Soweit die Revision darauf verweist, dass das dem Inhaber des Domainnamens zustehende Nutzungsrecht ein wirtschaftlich verwertbares Gut darstellt, das nicht nur veräußert oder übertragen werden kann, sondern auch der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO unterliegt, verhilft ihr das ebenfalls nicht zum Erfolg. Gegenstand der Pfändung gemäß § 857 Abs. 1 ZPO ist nicht der Domainname als solcher im Sinne eines absoluten Rechts, sondern vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber des Domainnamens gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen (vgl. BGH, GRUR 2005, 969, 970).
30
3. Der vom Kläger mit dem Hauptantrag gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
31
a) Eine solche Haftung setzt voraus, dass der Eingriff gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 75 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN). Ein derartiger "betriebsbezogener" Eingriff fehlt bei einer Beeinträchtigung von Rechten oder Rechtsgütern, die mit der Wesenseigentümlichkeit des Betriebs nicht in Beziehung stehen und daher - auch wenn sie für den Betrieb wichtig sind - den Betrieb weder zum Erliegen bringen noch in seiner Substanz ernstlich beeinträchtigen, wenn sie dem Betriebsinhaber nicht mehr ungestört zur Verfügung stehen. Die Berücksichtigung einer solchen Störung würde das Gewerbevermögen ohne sachlichen Grund privilegieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80, NJW 1983, 812, 813).
32
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Substanz des Betriebs des Klägers durch die Störung seiner behaupteten Stellung als Inhaber des streitgegenständlichen Domainnamens tatsächlich beeinträchtigt wird. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag des Klägers auf, den das Berufungsgericht in dieser Hinsicht rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen hätte.
33
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Verneinung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs des Klägers. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die begehrte Zustimmung von der Beklagten nach den Grundsätzen der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB verlangen kann.
34
a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB mit der Begründung verneint, die Beklagte habe nichts auf Kosten des Klägers erlangt. Die Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" genieße weder öffentlichen Glauben noch ermögliche sie einen gutgläubigen Erwerb von Rechten an einem Domainnamen. Ebenso wenig komme der Eintra- gung konstitutive Wirkungen zu. Es handele sich um ein rein privates Verzeichnis der Vertragspartner der DENIC, das die Erreichbarkeit des Inhabers eines Domainnamens bei technischen Schwierigkeiten gewährleisten solle. Darüber hinaus könne bei einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung mit Hilfe des Verzeichnisses festgestellt werden, wer möglicherweise in Anspruch zu nehmen sei. Die rechtliche Position des Klägers werde durch die Eintragung der Beklagten als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" nicht gefährdet.
35
b) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten.
36
aa) Als erlangtes Etwas im Sinne der allgemeinen Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB kommt jeder vermögensrechtlich nutzbare Vorteil in Betracht, der von der Rechtsordnung einer bestimmten Person zugewiesen sein kann. Hierzu zählen nicht nur alle absoluten Rechte, der Besitz sowie Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten, sondern ebenso vorteilhafte Rechtsstellungen sonstiger Art, wie beispielsweise unrichtige Eintragungen im Grundbuch , ein Erbschein, ein Testamentsvollstreckerzeugnis und Urkunden, denen gewisse Rechtswirkungen zukommen oder aber unter ungünstigen Umständen zukommen können, aber auch die Stellung eines Forderungsprätendenten bezüglich eines hinterlegten Geldbetrages (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1989 - VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240, 244; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 97/93, NJW-RR 1994, 847; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812 Rn. 40; BeckOK-BGB/Wendehorst, Stand: 1. März 2011, § 812 Rn. 132). Die auf Kosten des wirklichen Rechtsinhabers erlangte Stellung als Hinterlegungsbeteiligter verleiht dem anderen Forderungsprätendenten die Macht, die Auszahlung des hinterlegten Betrags an den materiell Berechtigten zu verhindern. Diese Rechtsstellung muss der an dem hinterlegten Gegenstand nicht Berech- tigte auf der Grundlage der Eingriffskondiktion durch Erklärung gegenüber dem Berechtigten oder dem Schuldner nicht nur im Falle einer förmlichen Hinterlegung aufgeben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1961 - VII ZR 181/59, BGHZ 35, 165, 170; BGH NJW-RR 1994, 847), sondern auch dann, wenn der Schuldner die Leistung an den materiell Berechtigten von der Zustimmung des weiteren Forderungsprätendenten abhängig macht, der wahre Berechtigte mithin nicht ohne die Zustimmung des anderen über sein Recht verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 - VIII ZR 10/68, NJW 1970, 643).
37
bb) Eine dem Forderungsprätendenten vergleichbare Stellung nimmt auch derjenige ein, der als Inhaber eines Domainnamens in der "WHOISDatenbank" der DENIC eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC tatsächlich materiell berechtigt zu sein.
38
Die Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC hat nicht nur Bedeutung für die Verwaltung des Domainnamens und die Feststellung des möglichen Anspruchsgegners im Falle einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung, sie ist - wie bereits dargelegt (s. oben Rn. 17) - vielmehr auch bedeutsam für die wirtschaftliche Verwertung eines Domainnamens. Die mit der materiellen Rechtslage übereinstimmende Eintragung des Berechtigten in die "WHOIS-Datenbank" verleiht diesem nach außen hin die Stellung eines Vertragspartners der DENIC und gibt ihm den vermögensrechtlich wirksamen Vorteil, über den Domainnamen nicht nur rechtswirksam, sondern auch tatsächlich verfügen zu können. Die Eintragung eines Nichtberechtigten bewirkt dagegen eine tatsächliche Sperrfunktion, die den berechtigten Inhaber des Domainnamens bei einer Verwertung über sein Recht zumindest behindert.

39
cc) Ein Bereicherungsausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB setzt allerdings voraus, dass sich der Schuldner eine vermögenswerte Rechtsposition "auf Kosten" des Gläubigers zu eigen macht, deren Nutzen ihm ohne die Gestattung des Rechtsinhabers in rechtmäßiger Weise nicht zukommt. Diese Voraussetzung ist bei der unrichtigen Eintragung der Person erfüllt, die als Inhaber des Domainnamens in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC eingetragen ist.
40
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB ist die Verletzung einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Der erlangte Vermögensvorteil muss dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition widersprechen. Der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition entspricht einem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers, in dessen Macht es steht, die Nutzung des Rechtsguts einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung zu überlassen. Der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB unterliegt danach jeder vermögensrechtliche Vorteil, den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1989 - I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 121 - Forschungskosten, mwN).
41
Domainnamen kann ebenso wenig wie anderen schuldrechtlichen Rechtspositionen die Zuordnungsfunktion zu ihrem Inhaber abgesprochen werden (vgl. Bornkamm aaO S. 38 f.). Dem steht nicht entgegen, dass schuldrechtliche Ansprüche die beanspruchten Rechtsgüter vor ihrer Erfüllung dem Gläubiger noch nicht zuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 - V ZR 140/85, NJW 1987, 771; Urteil vom 23. März 1993 - XI ZR 167/92, NJW 1993, 1919; Palandt/Sprau aaO § 812 Rn. 40; Erman/Buck-Heeb, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 72). Der Gegenstand des einen Bereicherungsanspruch auslösenden Eingriffs ist im Falle der Forderungsanmaßung nicht der zur Erfüllung beanspruchte Gegenstand. Der bereicherungsrechtlich relevante Eingriff erfolgt vielmehr in die Stellung des Forderungsinhabers als solche. Aufgrund der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen zwischen der bereicherungsrechtlichen Eingriffshaftung auf der einen und dem Deliktsschutz auf der anderen Seite führt die Einbeziehung schuldrechtlicher Positionen auch nicht zu einer dem Deliktsschutz vergleichbaren Haftung für die Verletzung solcher Rechtsgüter, die gerade nicht dem Deliktsschutz unterliegen.
42
c) Für einen Eingriff in die vom Kläger beanspruchte Stellung als Inhaber des Domainnamens gibt es im Verhältnis unmittelbar zwischen den Parteien auch keinen rechtlichen Grund.
43
IV. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil hierfür noch weitere Feststellungen erforderlich sind (§ 563 Abs. 1 ZPO).
44
1. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage getroffen, ob der Kläger hinsichtlich der Registrierung des Domainnamens "gewinn.de" weiterhin Vertragspartner der DENIC ist, was von der Beklagten, die einen eigenen rechtmäßigen Erwerb dieses Domainnamens für sich in Anspruch nimmt, in Abrede gestellt wird. Darüber hinaus fehlen Feststellungen dazu, ob bei einer "WHOIS-Abfrage" die Beklagte oder deren Geschäftsführer persönlich als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" genannt wird.
45
2. Des Weiteren hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen , wie es zu einer Umschreibung in der "WHOIS-Datenbank" gekommen ist. Daher ist unklar, ob eine mögliche Eintragung der Beklagten - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - mittels einer an sie gerichteten vertraglichen Leistung erfolgt ist.
46
Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger nicht geleistet worden ist (Grundsatz des Vorrangs der Leistungs- gegenüber der Eingriffskondiktion, vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04, NJW 2005, 60 mwN). Ein Eingriff in die Rechtsposition des Klägers, der zu einer Bereicherung der Beklagten geführt hat, ist als von der Rechtsordnung im Sinne einer endgültigen Güterzuordnung gebilligt anzusehen, wenn und soweit sich die Eintragung der Beklagten im bereicherungsrechtlichen Sinne als eine Leistung an die Beklagte dargestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1999 - III ZR 56/98, NJW 1999, 1393, 1394). Die dahingehende Bewertung entzieht sich indes jeder schematischen Betrachtung , sondern ist in erster Linie nach den Besonderheiten des Falles für eine sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung zwischen den Beteiligten der Vermögensverschiebung zu beurteilen (vgl. BGH, NJW 1999, 1393, 1394; Palandt /Sprau aaO § 812 Rn. 53).
47
V. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:
48
1. Sollte das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren des Klägers keinen Erfolg haben, kann der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag nicht schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen werden.
49
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Streit zwischen zwei Parteien, die miteinander kollidierende Rechte gegen einen Dritten für sich in Anspruch nehmen, zwischen diesen beiden Forderungsprätendenten ein Rechtsverhältnis schafft, das grundsätzlich einer Feststellung im Wege der Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 198/86, NJW-RR 1987, 1439, 1440; Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 21/91, NJW-RR 1992, 252, 253). Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, sind diese Grundsätze aber nicht nur dann anzuwenden , wenn ein Gläubigerstreit im Sinne von § 75 ZPO in Rede steht. Sie gelten vielmehr auch für den umgekehrten Fall, dass zwischen zwei möglichen Schuldnern durch eine Feststellungsklage des einen gegen den anderen geklärt werden soll, wer von beiden für die betreffende Verbindlichkeit haftet (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, BGHZ 123, 44, 47). Selbst wenn im Regelfall das Interesse des einen Schuldners auf Feststellung der Verpflichtung des anderen Schuldners gerichtet sein dürfte, sind auch Fälle denkbar, in denen der klagende Schuldner die Feststellung seiner eigenen Verbindlichkeit begehrt, wenn es ihm beispielsweise darum geht, seine Stellung als Vertragspartner gegenüber dem Gläubiger zu sichern. Dementsprechend schafft bereits der Streit um die generelle Stellung als Vertragspartner zwischen zwei Prätendenten ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein kann.
50
Nach dem Vortrag des Klägers tritt die Beklagte als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" auf und beansprucht damit - ebenso wie der Kläger - die Stellung als Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung dieses Domainnamens.
51
b) Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass er Inhaber des streitgegenständlichen Domainnamens ist.
52
Das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche schutzwürdige Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt, wenn dem Kläger anstelle der Feststellungsklage eine bessere und einfachere Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung steht. Sofern eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist, kommt dem abstrakten Feststellungsinteresse im Allgemeinen kein hinreichender Schutz zu (vgl. Zöller/Greger aaO § 256 Rn. 7a). Der Umstand, dass der Kläger im Streitfall die begehrte Eintragung als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" möglicherweise auch im Wege einer Leistungsklage gegen die DENIC erreichen könnte, steht dem Feststellungsinteresse hier gleichwohl nicht entgegen.
53
Die Klage, die auf Feststellung der eigenen Berechtigung und der fehlenden Berechtigung des anderen, sich derselben Vertragsstellung berühmenden Prätendenten gerichtet ist, kann die Ungewissheit über die streitige Rechtsstellung ausräumen. Dass das Urteil wegen seiner Inter-partes-Wirkung nur den Verlierer des Prätendentenstreits, nicht aber den anderen Vertragspartner bindet, steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die DENIC erklärt, dass sie den Stand der "WHOISDatenbank" nach Klärung des vorliegenden Prätendentenstreits anpassen werde , so dass es dann einer unmittelbaren Inanspruchnahme der DENIC nicht mehr bedarf. Aber auch ohne eine solche ausdrückliche Erklärung ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Vertragspartner in den Grenzen seiner Leistungspflicht leisten wird, sobald der Streit zwischen den Prätendenten entschieden ist (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1439, 1440).
54
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht dem Feststellungsinteresse des Klägers auch nicht der Umstand entgegen, dass er bereits eine Leistungsklage gegen die DENIC erhoben hat, mit der er im Ergebnis dasselbe Rechtsschutzziel wie mit seiner Feststellungsklage verfolgt (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1439, 1440). Solange der Kläger - wie vorliegend - noch kein rechtskräftiges Leistungsurteil erstritten hat, stellt die gegen die DENIC erhobene Leistungsklage keine bessere, sondern allenfalls eine gegenüber der hier erhobenen Feststellungsklage gleichwertige Möglichkeit der Rechtsverfolgung dar.
55
Nach dem Vorbringen des Klägers würde sich die DENIC ungeachtet des Ausgangs der Leistungsklage an das Ergebnis der Feststellungsklage halten und damit selbst bei einer Erfolglosigkeit ihrer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Kläger dessen Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" auf freiwilliger Grundlage bewirken. Die vom Berufungsgericht angenommene Gefahr sich inhaltlich widersprechender Entscheidungen ist nicht größer als dann, wenn der Kläger sein Begehren zunächst im Wege der Feststellungsklage und im Falle eines für ihn ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits sodann mit einer gegen die DENIC gerichteten Leistungsklage verfolgen würde. Dieser Weg wäre ihm nicht versperrt. Einer späteren Leistungsklage steht mangels Identität der Streitparteien weder die Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) der Feststellungsklage entgegen, noch wäre eine derartige Klage mangels Bindung des Gerichts der Leistungsklage an die Entscheidung im Feststellungsverfahren objektiv sinnwidrig und daher ohne jedes schützenswerte Interesse. Unter diesen Umständen besteht kein sachlicher Grund, der gegen ein gleichzeitiges Betreiben der Feststellungs - und der Leistungsklage spricht.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 07.12.2009 - 8 O 458/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 15.09.2010 - 3 U 164/09 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin zu 3. wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2013 - 9 Sa 592/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zu 3. gegen das ihren Zahlungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2013 - 9 Ca 5558/12 - zurückgewiesen hat.

2. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und zu 2. gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht - auch über die Kosten des Rechtsstreits - zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen durchgeführter und angekündigter Arbeitskampfmaßnahmen.

2

Die Klägerinnen zu 1. und 2. sind Luftfahrtunternehmen. Sie nutzen ua. den Flughafen Frankfurt am Main, der von der als Aktiengesellschaft verfassten, mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Klägerin zu 3. betrieben wird. Diese beschäftigt ca. 12.000 Mitarbeiter, davon (vormals) 86 im Bereich Vorfeldkontrolle, 90 im Bereich Vorfeldaufsicht und 29 im Bereich Verkehrszentrale. Die Vorfeldkontrolle (apron control) ist die für die Verkehrslenkung von Luftfahrzeugen auf den Vorfeldflächen verantwortliche Einrichtung. Die Vorfeldaufsicht leitet die Luftfahrzeuge am Boden zu den Parkstationen. Die Verkehrszentrale bearbeitet ua. die operativen Flugplandaten.

3

Der beklagte eingetragene Verein ist die am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Sie schloss am 20. September 2007 mit der Klägerin zu 3. und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e.V. (KAV Hessen) den „Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007 - Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG“ (TV Apron Control), der nach Satz 1 seiner Präambel Regelungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit enthält, sowie dem Schutz vor physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch die Tätigkeit in der Vorfeldkontrolle dient. Nach § 2 des Tarifvertrags in seiner zuletzt durch Landesbezirkstarifvertrag Nr. 19/2010 vom 4. Juni 2010 geänderten Fassung gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, soweit keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Der TV Apron Control regelt in § 3 unter der Überschrift „Entgelt“ Zulagen und Einmalzahlungen, in § 4 eine „Pause bei Wechselschicht, Wochenarbeitszeit und Regenerationspausen“ sowie in § 9 die Ein- und Höhergruppierung von Beschäftigten in einer bestimmten Funktion. § 10 TV Apron Control bestimmt die Folgen einer ggf. eintretenden „Funktionstrennung“ zwischen Verkehrszentrale und Vorfeldkontrolle. Im Übrigen lautet der TV Apron Control:

        

㤠1

        

Geltungsbereich, Zuständigkeit

        

(1)     

Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich ‚Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale‘ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden.

        

(2)     

Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die GdF keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der Fraport AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an.

                 

…       

                 

§ 5

                 

Zeitwertkonto

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 wird für die Beschäftigten ein Zeitwertkonto eingeführt.

        

…       

        
        

(6)     

…       

                 

Protokollnotiz:

                 

Die Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim arbeitgeberfinanzierten Wertguthaben ist auf den Betrag beschränkt, der …

        

(7)     

…       

                 

§ 6

                 

Unterstützung bei vorgezogenem Renteneintritt

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 erhalten Beschäftigte, die mindestens fünfzehn Jahre in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt waren, zur Unterstützung eines vorgezogenen Eintritts in Altersrente einen Ausgleich für damit verbundene Rentenabschläge …

        

…       

        
                 

§ 7

                 

Belastungsausgleich

        

(1)     

Die Beschäftigten nehmen ab 1. Januar 2008 einmal jährlich auf Kosten des Arbeitgebers an einem Gesundheits-Check bei der arbeitsmedizinischen Abteilung des Unternehmens teil.

        

(2)     

Beschäftigte, die in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden, sind grundsätzlich verpflichtet, in einem fünfjährigen Turnus an einer Regenerationskur von 30 Kalendertagen teilzunehmen. …

        

…       

        
        

(4)     

…       

        

§ 8

        

Beschäftigungssicherung

        

Beschäftigten, die nach Feststellung der Arbeitsmedizin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden können, soll ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz innerhalb des Bereiches Aviation angeboten werden. Sollte ein derartiger Arbeitsplatz nicht vorhanden sein, kommt auch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz im Unternehmen in Frage. Die Differenz zwischen den bisherigen und künftigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen (Stammbezüge) wird (soweit erforderlich) gestaffelt nach Tätigkeitsjahren in der Funktion ‚Apron Control‘ wie folgt abgesichert:

        

-       

ab 28 Jahren zu 100 % unbegrenzt

        

-       

ab 23 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 90 % innerhalb von 8 Jahren

        

-       

ab 18 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 80 % innerhalb von 5 Jahren.

        

…       

        

§ 12

        

Inkrafttreten, Laufzeit, Kündigung

        

(1)     

Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. August 2007 in Kraft.

                 

Die Regelungen in § 5 bis § 8 sind mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2017, kündbar. Im Übrigen ist diese Vereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2011, kündbar.

        

(2)     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die in dieser Vereinbarung aufgeführten Regelungen für die genannten Zeiträume abschließend sind. Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte werden von der Friedenspflicht der Vereinbarung erfasst.“

4

Die Beklagte erklärte mit einem an die Klägerin zu 3. gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2011 die Teilkündigung des TV Apron Control. Wörtlich heißt es in dem über der Zeile „S Vorstand Tarif/Recht“ handschriftlich unterzeichneten Schreiben:

        

„…    

        

auf Basis des von der zuständigen Tarifkommission der GdF gefassten Beschlusses

        

kündigen

        

wir hiermit den landesbezirklichen Tarifvertrag Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG (Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007) vom 20. September 2007 in der Fassung der Änderung ...

        

Die Kündigung wird, mit Ausnahme der Regelungen in § 5 bis § 8, fristgemäß zum 31. Dezember 2011 ausgesprochen.

        

…“    

5

Die Klägerin zu 3. erhielt dieses Schreiben am gleichen Tag sowohl per Fax als auch per PDF-Dokument und im Original am 1. Juli 2011. Ein im Wesentlichen gleichlautendes Kündigungsschreiben ging dem KAV Hessen am 29. Juni 2011 zu.

6

Ab dem 19. Oktober 2011 verhandelten die Beklagte und die Klägerin zu 3. unter Einbeziehung des KAV Hessen sowie der Fra-Verkehrszentrale GmbH, der Fra-Vorfeldkontrolle GmbH und der Fra-Vorfeldaufsicht GmbH über neue tarifliche Regelungen. Ein vom 13. Januar bis 1. Februar 2012 durchgeführtes Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters, welche auszugsweise lautet:

        

„Im Laufe der Verhandlungen konnte über diverse Punkte Einigung erzielt werden.

        

Diese Punkte sind zusammengefasst in der den Parteien vorliegenden ‚Synopse der Verhandlungen Donnerstag, 26. Januar 2012‘, welche mit einer grünen Markierung versehen sind. Der Schlichter macht sich diese Einigung zu Eigen und empfiehlt einen Vertragsabschluss in diesen Punkten auf dieser Grundlage.

        

Gleiches gilt für Einigungen, die sich thematisch aus der am 31. Januar 2012 übergebenen Synopse über die zum Zeitpunkt der Erstellung noch strittigen Punkte ergeben, nämlich

                 

●       

der Bereich ‚Zulagen‘,

                 

●       

der Bereich ‚Aktienprogramm‘,

                 

●       

der Bereich ‚Zeitzuschläge‘, mit Ausnahme der Überstundenregelung und

                 

●       

dem Bereich ‚Urlaubs- / Weihnachtsgeld‘, wobei hier ein einheitliches Urlaubs- / Weihnachtsgeld von 100 Prozent der Bezüge vereinbart wurde.

        

Diese Synopse liegt den Parteien ebenfalls vor.

        

Bis zum Ende strittig waren somit die Punkte:

                 

●       

Geltungsbereich

                 

●       

Laufzeit,

                 

●       

Entgelte,

                 

●       

Berechnung des Nachtzeitraums,

                 

●       

Vergütung der Überstunden,

                 

●       

Regelung der Rufbereitschaft und

                 

●       

die Überleitungsvorschriften.

        

Zu diesen Punkten erfolgt die Schlichterempfehlung.“

7

In der der Schlichtungsempfehlung beigefügten Synopse heißt es ua.:

        

㤠18 - Sozialleistungen

        

…       

        

(8)     

Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Folge eines Arbeitsunfalls, den sie in Folge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr vollleistungsfähig und werden sie deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt, so erhalten sie eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung. Zur Überbrückung besonderer wirtschaftlicher Notlagen kann der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter auf Antrag ein zinsbegünstigtes Darlehen gewährt werden.

        

…       

        

§ 49 - Entlastung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

        

Apron-Controller, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst gearbeitet haben, haben einen Anspruch auf einen Wechsel aus dem Wechselschichtdienst in den Schichtdienst.

        

Unabhängig davon kann im Einzelfall ein Wechsel in den Schichtdienst aus persönlichen Gründen jederzeit vereinbart werden.

        

Der Antrag muss mindestens 6 Monate vor dem beabsichtigten Zeitpunkt der Reduzierung gestellt werden. Über diesen Antrag ist innerhalb von 8 Wochen zu entscheiden.“

8

Außerdem weist die Synopse unter „§ 35 - Zeitwertkonto“ in den Absätzen 1 bis 6 dem § 5 Abs. 1 bis Abs. 6 TV Apron Control wortlautgleiche Regelungen aus sowie einen auf Initiative der Klägerin zu 3. eingefügten Abs. 6a zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben, welcher der mit § 1 Nr. 2 des Landesbezirkstarifvertrags Nr. 19/2010 nach § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control eingefügten Protokollnotiz entspricht.

9

Am 15. Februar 2012 beschloss der Bundesvorstand der Beklagten die Durchführung von Streikmaßnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte er gegenüber der Klägerin zu 3. an, „dass die GdF ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Donnerstag, den 16.02.2012 für die Zeit von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr lokaler Zeit zu einem befristeten Streik aufruft“. Weiter lautet das Schreiben:

        

„…    

        

Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der von Herrn … den Tarifparteien vorgelegten Schlichterempfehlung mit folgenden Anpassungen:

                 

●       

Geltungsbereich eines Tarifvertrages ausschließlich für die Fraport AG;

                 

●       

Verkürzung der Laufzeit auf 24 Monate;

                 

●       

Umsetzung der Entgelttabellen zu 100 % ab Beginn der Laufzeit sowie

                 

●       

Beginn der Nachtarbeit um 20.00 Uhr ab Beginn der Laufzeit

        

…“    

                 
10

In einem weiteren Schreiben an die Klägerin zu 3. - gleichfalls vom 15. Februar 2012 - führte die Beklagte aus:

        

„…    

        

wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom heutigen Tage betreffend die Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen. Darin haben wir Ihnen auch die mit dem Arbeitskampf verfolgten Tarifziele im Einzelnen dargestellt.

        

Zur Vermeidung von Missverständnissen weisen wir darauf hin, dass sich unsere Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses selbstverständlich nicht auf diejenigen Regelungen bezieht, die im Schlichterspruch aus rein technischen Gründen aus den weiterhin ungekündigten Tarifverträgen zwischen den Parteien übernommen wurden. Im Hinblick auf diese Regelungen bleibt es bei derjenigen Laufzeit, die sich aus den ungekündigten Tarifverträgen ergibt.

        

…“    

11

Der Streik wurde am Donnerstag, 16. Februar 2012, 15.00 Uhr begonnen und mit einer Unterbrechung am Wochenende mehrfach verlängert. Im Flugverkehr kam es zu Ausfällen und Verzögerungen, wobei die Klägerin zu 3. einen Großteil der durch die Arbeitsniederlegung in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht ausgefallenen Arbeitskräfte kompensieren konnte. In einem während der Streikmaßnahmen von „Spiegel-Online“ geführten Interview erklärte der Vorstand Tarif/Recht der Beklagten - auf den sinngemäßen Vorhalt, dass das gewerkschaftliche Drohpotential schrumpfe - wörtlich:

        

„Naja, es läuft mehr Verkehr, als wir erwartet haben. Aber der Streik ist trotzdem ein Erfolg. Es geht doch um mehr als annullierte Flüge. Dazu kommen die Verspätungen und noch wichtiger: Die Buchungszahlen bei den Airlines sind eingebrochen.“

12

Der zuletzt bis 24. Februar 2012, 23.00 Uhr geplante Streik wurde am 23. Februar 2012, 21.00 Uhr wegen eines Angebots der Klägerin zu 3. auf Wiederaufnahme der Verhandlungen abgebrochen. Nachdem diese ohne Ergebnis blieben, kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 3. mit Schreiben vom 25. Februar 2012 unter Beibehaltung ihrer Streikziele an, „ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Sonntag, den 26.02.2012 von 21.00 Uhr für die Zeit bis zum Donnerstag, den 01.03.2012, 05.00 Uhr“ zu einem Streik aufzurufen. Der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehenen Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) teilte sie mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereich Tower am Tower Frankfurt“ am 29. Februar 2012 für die Zeit von 05.00 Uhr bis 11.00 Uhr zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen.

13

Auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. und der DFS erließ das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 28. Februar 2012 eine einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereichstower am Tower Frankfurt zu Streiks am Mittwoch, den 29. Februar 2012 von 5:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufzurufen und/oder Streiks in diesem Bereich durchzuführen“. Am 29. Februar 2012 erließ es auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. eine einstweilige Verfügung, mit der es der Beklagten untersagte, „in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und/oder Verkehrszentrale in dem Zeitraum bis Donnerstag, den 01. März 2012, 5.00 Uhr Streiks durchzuführen“. In der mündlichen Verhandlung erklärte der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten zu Protokoll:

        

„Die streitgegenständliche Streikmaßnahme soll nicht mehr zum Ziel haben, auch die in den §§ 18 Abs. 8 sowie 49 des Schlichtungsvorschlags vom 02.02.2012 geregelten Tarifvereinbarung durchzusetzen.“

14

Aufgrund der gerichtlichen Entscheidungen fand der Unterstützungsstreik nicht statt; der am 26. Februar 2012 begonnene Streik wurde am 29. Februar 2012 abgebrochen.

15

Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen aus delikts- und vertragsrechtlichen Gründen Schadensersatz verlangt; bei den Klägerinnen zu 1. und 2. im Wesentlichen wegen ausgefallener Flüge und stornierter oder unterlassener Flugbuchungen; bei der Klägerin zu 3. aufgrund entgangener Flughafengebühren. Die Klägerin zu 2. hat sich dabei auch auf abgetretene Ersatzansprüche ihrer Tochtergesellschaft N GmbH wegen dort entstandener Schäden berufen. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Streik sei ebenso wie der angekündigte Unterstützungsstreik rechtswidrig gewesen. Dies folge vor allem aus einer Verletzung der Friedenspflicht aufgrund des TV Apron Control.

16

Soweit für die Revision zuletzt noch von Bedeutung, haben

die Klägerin zu 1. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.885.890,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 2. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 131.144,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 3. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.170.800,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und 2. fehle es bereits an einem Eingriff in deren Gewerbebetriebe. Die Klägerin zu 3. könne als ein von der öffentlichen Hand beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen in privater Rechtsform keine Verletzung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen. Im Übrigen seien der Haupt- und der angekündigte Unterstützungsstreik rechtmäßig gewesen. Die Friedenspflicht sei schon deswegen nicht verletzt, weil diese nach der Schlichtungsvereinbarung mit Ablauf des 6. Februar 2012 geendet habe. Ginge man von einer Verletzung der Friedenspflicht aus, wären die geltend gemachten Schäden auch bei einer ihr ohne weiteres möglichen rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden.

18

Das Arbeitsgericht hat die - ursprünglich noch auf weitere Feststellungen gerichteten - Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Diese verfolgen mit ihren zuletzt auf die Abweisung der Zahlungsanträge beschränkten Revisionen ihre Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Das führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. haben dagegen keinen Erfolg.

20

A. Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Die Beklagte ist dieser vertraglich und deliktsrechtlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch den vom 16. Februar 2012, 15.00 Uhr bis 23. Februar 2012, 21.00 Uhr und vom 26. Februar 2012, 21.00 Uhr bis 29. Februar 2012 geführten Streik in der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale entstanden ist.

21

I. Die Beklagte ist nach § 823 Abs. 1, § 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. zuletzt BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 49 ff., BAGE 142, 98). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

22

1. Mit den - nach den Ankündigungen der Beklagten vom 15. und vom 25. Februar 2012 von zwei Aufrufen getragenen - Streikmaßnahmen hat die Beklagte in das Recht der Klägerin zu 3. an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.

23

a) Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale.

24

b) Die Klägerin zu 3. ist zwar ein öffentlich beherrschtes Unternehmen der Privatwirtschaft und damit bei eigenem Handeln unmittelbar grundrechtsgebunden (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 49, BVerfGE 128, 226). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich dennoch auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.

25

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Art. 12 GG und Art. 14 GG entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. bereits RG 27. Februar 1904 - I 418/03 - RGZ 58, 24; ausf. BGH 9. Dezember 1958 - VI ZR 199/57 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 29, 65; vgl. auch BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 21 mwN, BAGE 132, 140; BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 93, BGHZ 166, 84). Zwar unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen, denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind. Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 56, BVerfGE 128, 226). Vollzieht sich diese Teilnahme im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten, nicht weniger schutzwürdig als Private.

26

2. Die Streikmaßnahmen waren rechtswidrig. Die Beklagte hat mit ihnen die nach dem TV Apron Control gesondert vereinbarte Friedenspflicht verletzt.

27

a) Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - zu D I der Gründe, BAGE 105, 5). Diese relative Friedenspflicht ist - auch ohne besondere Vereinbarung - dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Mit Ablauf der vereinbarten Dauer oder der Kündigungsfrist für eine tarifliche Bestimmung endet die mit ihr verbundene relative Friedenspflicht für die beteiligten Tarifvertragsparteien (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 64, BAGE 122, 134). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. Pfohl Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien Diss. 2010 S. 32 f.).

28

b) Mit den Streikmaßnahmen hat die Beklagte gegen die vertraglich ausdrücklich vereinbarte Friedenspflicht verstoßen.

29

aa) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Friedenspflicht im Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahmen wegen insgesamt noch ungekündigter Regelungen des TV Apron Control galt. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 29. Juni 2011 wirksam eine Teilkündigung dieses Tarifvertrags zum 31. Dezember 2011 erklärt.

30

(1) Die Teilkündigung war an sich zulässig.

31

(a) Ein Tarifvertrag ist regelmäßig nur als Ganzes kündbar. Zulässig ist seine Teilkündigung nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung. Geht aus der vereinbarten Zulassung mit der gebotenen Klarheit hervor, auf welche konkreten Bestimmungen oder Teile des jeweiligen Tarifvertrags sich die Möglichkeit der Teilkündigung beziehen soll, begegnen ihr keine rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 20, BAGE 118, 159).

32

(b) Das ist vorliegend der Fall. § 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV Apron Control legt eine Kündbarkeit seiner Regelungen mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende - in §§ 5 bis 8 erstmalig zum 31. Dezember 2017 und im Übrigen erstmalig zum 31. Dezember 2011 - fest. In den unterschiedlichen Kündigungsterminen drückt sich aus, dass die Tarifvertragsparteien die Zulässigkeit einer nur auf Teile des TV Apron Control bezogenen Kündigung verabredet haben. Nach dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang der Vereinbarung ist auch hinreichend klar, auf welche Bestimmungen sich die unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten beziehen: Einerseits auf §§ 5 bis 8 TV Apron Control und andererseits auf den TV Apron Control „im Übrigen“. Im buchstäblichen Sinn beinhaltet der Ausdruck „im Übrigen“ einen Bezug auf all jenes, was nicht besonders ausgewiesen ist. Dies ist der mit „Regelungen in § 5 bis § 8“ beschriebene Teil des Tarifwerks, zu denen - dies gebieten Gesichtspunkte der Systematik und Praktikabilität - jene tariflichen Bestimmungen gehören, die auf diesen Regelungskomplex Bezug nehmen oder mit ihm in untrennbarem Zusammenhang stehen. Dazu gehören jedenfalls die Geltungsbereichsfestlegung in § 1 Abs. 1 TV Apron Control, die für §§ 5 bis 8 TV Apron Control festgelegte(längere) Kündigungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 TV Apron Control und die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control ausgedrückte Einigung auf „abschließende Regelungen“ sowie die Reichweite der Friedenspflicht. Mit der Verständigung darüber, der Regelungsbereich nach §§ 5 bis 8 TV Apron Control solle einer anderen Kündigungsmodalität unterliegen als der Tarifvertrag im Übrigen, haben die Tarifvertragsparteien dies klar vorgegeben. Entgegen der Ansicht der Revision entbehren die Regelungen über die Teilkündigung nicht bereits schon deshalb der notwendigen Klarheit, weil sich die arbeits- und die landesarbeitsgerichtlichen Wertungen hinsichtlich gekündigter und ungekündigter Tarifbestimmungen nicht vollständig decken.

33

(2) Die Friedenspflicht galt auch nicht deshalb noch uneingeschränkt, weil im Zeitpunkt der Streikmaßnahmen die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TV Apron Control festgelegte Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Die Klägerin zu 3. hat eine textlich-verkörperte Kündigung der Beklagten am 29. Juni 2011 erhalten. Damit lief die Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 ab. Die Kündigung eines Tarifvertrags muss nicht in Schriftform gemäß § 126 BGB erklärt werden. Auf den Zugang des dem Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB entsprechenden Kündigungsschreibens am 1. Juli 2011 - mit der Folge, dass die Kündigungsfrist erst am 31. März 2012 abgelaufen wäre - kommt es nicht an.

34

(a) Zwar bedürfen Tarifverträge nach § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Vorschrift(BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 33, BAGE 139, 197; 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14).

35

(b) Für die Kündigung eines Tarifvertrags gelten aber kraft Gesetzes keine Formvorschriften. Vorbehaltlich anderer Abreden im Tarifvertrag selbst - die im TV Apron Control nicht getroffen sind - begegnet jedenfalls eine der Textform des § 126b BGB entsprechende Kündigungserklärung keinen rechtlichen Bedenken. Das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB ist für die Kündigung nicht entsprechend heranzuziehen(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 32; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 13 II 1 a; Kempen/Zachert/Stein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 189; Oetker in Jacobs/Krause/Oetker/Schubert Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 8 Rn. 10; Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 319; für einen den Tarifvertrag aufhebenden Vertrag vgl. BAG 8. September 1976 - 4 AZR 359/75 - zu III 2 der Gründe; aA Bepler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 3 Rn. 213; Däubler TVG/Deinert 4. Aufl. § 4 Rn. 122; Däubler TVG/Nebe 4. Aufl. § 1 Rn. 172 f.; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1443). Hierfür fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke. Das zeigt bereits § 7 Abs. 1 Satz 1 TVG. Danach sind die Tarifvertragsparteien verpflichtet, „die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift“ eines jeden Tarifvertrags und seiner Änderungen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu übersenden. Das Außerkrafttreten ist lediglich „mitzuteilen“, ohne dass es bei der Kündigung des Tarifvertrags einer Übersendung des Kündigungsschreibens bedürfte. Vor allem aber mangelt es - ausgehend vom Zweck des § 1 Abs. 2 TVG - an einer vergleichbaren Interessenlage. § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und dem Gebot der Normenklarheit(vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 22 mwN). Dieser Zweck erfordert keine Erstreckung auf die Tarifvertragskündigung. Die dem Tarifvertrag Normunterworfenen wären bei einer dem Schriftformerfordernis unterliegenden, allein gegenüber dem Tarifvertragspartner zu erklärenden und nicht publikationsbedürftigen Kündigung nicht anders gestellt.

36

bb) Die Beklagte hat aber mit den von ihr getragenen Streikmaßnahmen vom 16. bis 23. und vom 26. bis 29. Februar 2012 die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control besonders vereinbarte Friedenspflicht verletzt, weil ihr Streikziel Forderungen umfasste, die dieser Pflicht unterlagen.

37

(1) Mit § 12 Abs. 2 TV Apron Control haben die Tarifvertragsparteien die Reichweite der Friedenspflicht ausgestaltet. In dessen Satz 1 haben sie für die beiden aufgeführten tariflichen Regelungskomplexe durch die unterschiedlichen Kündigungsfristen deutlich gemacht, diese jeweils für genannte Zeiträume als abschließend anzusehen. Satz 2 der Tarifvorschrift modifiziert die jedem Tarifvertrag immanente relative Friedenspflicht, indem diese „Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte … erfasst“. Damit haben die Tarifvertragsparteien mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart, während der Geltungsdauer der §§ 5 bis 8 TV Apron Control einerseits und des TV Apron Control im Übrigen andererseits auf die jeweiligen Materien bezogene weitere oder auch nur ergänzende Regelungsziele nicht mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen(„erweiterte Friedenspflicht“). Auf einen engeren Zusammenhang zwischen geregelter und erstrebter Sachmaterie haben sie dabei nicht abgehoben. Es ging ihnen um den Ausschluss jeglicher kampfweisen Durchsetzung von Ergänzungen der tariflich geregelten Bestimmungen, sofern diese einen Bezug zu den beiden Regelungskomplexen haben.

38

(2) Das von der Beklagten aufgestellte Streikziel enthielt Forderungen, die von der so erweiterten Friedenspflicht erfasst waren.

39

(a) Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 109, BAGE 122, 134). Nach den gesamten Umständen - Anderes ist nicht festgestellt - ist davon auszugehen, dass der Streikbeschluss des hierzu berechtigten Bundesvorstands der Beklagten inhaltlich dem Streikziel entsprach, das der Klägerin zu 3. in den Streikankündigungsschreiben vom 15. Februar 2012 - ergänzt um ein weiteres Schreiben selben Datums - und vom 25. Februar 2012 übermittelt wurde. In dem ersten Schreiben bezog sich die Beklagte klar auf die Durchsetzung der Schlichterempfehlung mit näher bezeichneten Anpassungen und hielt in dem weiteren daran fest.

40

(b) Das Streikziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung (SE) bezog sich auf die in §§ 5 bis 8 TV Apron Control geregelte Sachmaterie, für die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control eine erweiterte Friedenspflicht (fort-)galt.

41

(aa) Dies betrifft allerdings nicht § 35 Abs. 6a SE. Damit sollte lediglich die Regelungstechnik modifiziert werden, indem die bisherige Protokollnotiz zu § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control nunmehr als eigener Absatz den Regelungen zum Zeitwertkonto beigefügt wird. Damit erfolgt keine inhaltliche Änderung der tariflichen Regelungen. Der Protokollnotiz zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben kommt ein normativer Regelungsgehalt zu.

42

(bb) Hingegen enthalten § 18 Abs. 8 und § 49 SE eigenständige, neue Forderungen, die dem Regelungskomplex der §§ 5 bis 8 TV Apron Control zuzuordnen sind. § 18 Abs. 8 SE sieht für Mitarbeiter, die infolge eines Arbeitsunfalls nicht mehr vollleistungsfähig sind und deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden, eine Ausgleichszulagenzahlung und die Möglichkeit einer Darlehensgewährung vor. In § 8 TV Apron Control sind unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigungssichernde Maßnahmen und eine Entgeltsicherung geregelt. Ergänzungen hierzu sollen nach der Friedenspflichtvereinbarung des § 12 Abs. 2 TV Apron Control für die Dauer der Geltung des § 8 TV Apron Control nicht kampfweise durchsetzbar sein. Gleiches gilt für die Forderung nach § 49 SE, die ebenso wie die bestehende Tarifregelung des § 7 TV Apron Control dem Belastungsausgleich von Beschäftigten dient und daher einen Bezug zu dem vor dem 31. Dezember 2017 nicht kündbaren tariflichen Regelungskomplex aufweist. Im Hinblick auf die Reichweite der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Friedenspflicht kommt es auch lediglich auf eine Zuordnung der erstrebten Forderung zu dem noch geltenden tarifierten Bereich an und nicht - wie die Beklagte meint - auf einen sachlichen inneren Zusammenhang, auf den allerdings auch die Vorinstanzen in Verkennung der besonders vereinbarten Friedenspflicht abgehoben haben.

43

cc) § 3 der Schlichtungsvereinbarung (SV) steht der Annahme einer Friedenspflichtverletzung nicht entgegen. Hiermit ist die erweiterte Friedenspflicht des § 12 Abs. 2 TV Apron Control, welche für §§ 5 bis 8 TV Apron Control noch galt, weder aufgehoben noch beschränkt worden.

44

(1) Bei dem Verweis der Beklagten in der Revisionserwiderung auf die SV handelt es sich - anders als die Klägerin zu 3. meint - nicht um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das aus in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen ersichtliche Parteivorbringen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO BAG 28. Oktober 1999 - 6 AZR 243/98 - zu II 2 a der Gründe). Die Beklagte hatte die SV erstinstanzlich zur Akte gereicht. Sie ist von der zulässigen ergänzenden Bezugnahme des Berufungsurteils auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils erfasst, welcher seinerseits in nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässiger Weise auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze verweist.

45

(2) Mit § 3 SV haben sich die verhandelnden Tarifvertragsparteien auf eine umfassende Friedenspflicht begrenzt auf die Dauer des Schlichtungsverfahrens geeinigt. Die Vorschrift bestimmt eine eigenständige, allein auf das konkrete Schlichtungsverfahren bezogene Friedenspflicht. Nach ihrem Sinn und Zweck sichert sie die Funktionsbedingungen der Schlichtung, welche nicht mit Arbeitskampfmaßnahmen belastet sein soll. Weder Wortlaut noch Systematik lassen Anhaltspunkte für einen Regelungswillen erkennen, anderweitig vereinbarte und bestehende Friedenspflichten aufzuheben, zu beenden oder gegenständlich zu beschränken.

46

dd) Die Klägerin zu 3. kann auch eine Verletzung der Friedenspflicht geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts lässt zwar eine entsprechende tatrichterliche Wertung vermissen. Anhand der getroffenen Feststellungen vermag der Senat aber eine entsprechende Wertung selbst vorzunehmen.

47

(1) Eine unzulässige Rechtsausübung setzt nicht zwingend voraus, dass schon die betreffende Rechtsposition unredlich, mit Schädigungsvorsatz oder sonst schuldhaft erworben ist. Es kommt lediglich darauf an, ob bei objektiver Betrachtung ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt (vgl. BGH 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 202, 102).

48

(2) Von einem solchen Verstoß ist im Streitfall nicht auszugehen. Er folgt vor allem nicht aus dem „Sich-Einlassen“ der Klägerin zu 3. auf der Friedenspflicht unterliegende Verhandlungsgegenstände in den Tarifvertrags- und Schlichtungsverhandlungen. Die - hier in § 12 Abs. 2 TV Apron Control eigenständig vereinbarte, erweiterte relative - Friedenspflicht verbietet es den Tarifvertragsparteien nur, einen Tarifvertrag bis zum Ablauf seiner vereinbarten Dauer oder der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass Änderungen der tariflich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreicht werden sollen. Sie schließt es nach ihrem Sinn und Zweck aber nicht aus, über diese Gegenstände zu verhandeln und sie in ein Schlichtungsverfahren einzubeziehen. Ebenso wie bloße Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Tarifforderung keine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht zu begründen vermögen (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 66, BAGE 122, 134), kann aus Verhandlungen über der Friedenspflicht unterliegende Forderungen oder deren Einbeziehung in das Schlichtungsverfahren nicht der Schluss gezogen werden, die Gegenseite werde sich im Falle eines Arbeitskampfes nicht auf eine Friedenspflichtverletzung berufen. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil Tarifvertragsverhandlungen typischerweise von Kompromissversuchen geprägt und geleitet sind. Im Interesse der Erzielung einer Gesamtlösung kann es daher sinnvoll sein, friedenspflichtige Gegenstände in die Verhandlung und Schlichtung einzubeziehen, um eine Einigung ohne Arbeitskampf zu erreichen.

49

ee) Im Hinblick auf das übermittelte Streikziel, welches auch der Friedenspflicht unterliegende Forderungen enthielt, ist der vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführte Streik rechtswidrig.

50

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, die Rechtswidrigkeit schon einer Forderung zu dessen Rechtswidrigkeit führt (BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 - BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder tarifwidrigen Forderung um eine zentrale Forderung handelt, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 104, 155). Im Schrifttum wird vertreten, ein Streik sei rechtswidrig, wenn er sich auch auf die Durchsetzung einzelner unerlaubter Forderungen richte (vgl. Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 53; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 451; Rieble BB 2014, 949, 950; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 5 Rn. 25; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1401; wohl auch Kissel Arbeitskampfrecht § 24 Rn. 11). Zum Teil wird unter Heranziehung schadenszurechnungsrelevanter Kriterien die Rechtswidrigkeit eines Streiks danach beurteilt, ob er auch ohne die unzulässige Forderung geführt worden wäre (Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 159; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 22 I 2 a (3)). Nach wiederum anderer Auffassung kommt es ausgehend von einem verobjektivierten Maßstab darauf an, welche der dem Arbeitgeber übermittelten Forderungen dem Arbeitskampf im Rahmen einer Gesamtschau das Gepräge geben (Reinfelder in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 15 Rn. 25); bei Kampfzielen, die eine Einheit bildeten, sei das unrechtmäßige Ziel entscheidend (Reuss AuR 1966, 33, 34).

51

(2) Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, ist insgesamt rechtswidrig.

52

(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 ff. der Gründe, BAGE 104, 155). Das gibt die Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie vor. Diese ist darauf gerichtet, das Arbeitsleben in dem von staatlicher Rechtsordnung freigelassenen Raum durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. Dieses Ziel kann ua. nur erreicht werden, wenn ein Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer durch einen Arbeitskampf nicht in Frage gestellt wird und die durch ihn vermittelte Planungssicherheit wahrt. Diese Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist gefährdet, wenn ein Arbeitskampf auch darauf gerichtet ist, eine kollektive Regelung vor deren Ende zu beseitigen oder zu ändern (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Das hat zur Folge, dass eine Forderung, die kampfweise durchgesetzt werden soll, sowohl tariflich regelbare Gegenstände betreffen als auch die Friedenspflicht beachten muss. Forderungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt und beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen des Kampfgegners. Dieser hat zwar davon auszugehen, dass eine Gewerkschaft auf eine uneingeschränkte Umsetzung der verlautbarten Streikziele typischerweise nicht besteht, sondern mit Widerstand rechnet. Daher gehen deren Tarifforderungen aus unterschiedlichen Motiven regelmäßig über dasjenige Maß hinaus, bei dessen Erreichen die Gewerkschaft zum Tarifabschluss bereit ist (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 100, BAGE 122, 134). Jede Tarifforderung hat aber auch arbeitskampftaktische und verbandspolitische Gründe sowie die Funktion, die jeweiligen Mitglieder zu motivieren und Tarifverhandlungen zunächst einmal in Gang zu bringen. Zwangsläufig hat jede verlautbarte Tarifforderung Einfluss auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite. Sie muss sich auf die ihr gegenüber erhobenen Forderungen einstellen und sowohl ihr Verhandlungsangebot als auch ihre Kampfstrategie darauf einrichten. Hierin wird sie unzulässig beeinträchtigt, wenn sie ihre Verhandlungsmacht dafür einsetzen muss, eine durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckte Forderung abzuwehren.

53

(b) Die graduelle Bewertung einer Tarifforderung im Verhältnis zu anderen und eine daran knüpfende gewichtende Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines um deren Durchsetzung geführten Arbeitskampfes sind einer Rechtskontrolle nicht zugänglich.

54

(aa) Welche Bedeutung eine einzelne Tarifforderung unter mehreren aus Sicht der Gewerkschaft für den von ihr für annehmbar gehaltenen Tarifabschluss oder ihre Durchsetzungsfähigkeit im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen und ggf. eines Arbeitskampfes hat, obliegt deren Einschätzung. Ob eine konkrete Tarifforderung für den angestrebten Tarifabschluss haupt- oder nebensächlich, bedeutend oder unbedeutend ist oder die Gesamtheit der aufgestellten Forderungen wirtschaftlich oder organisationspolitisch prägt, ist für die Arbeitgeberseite in der konkreten Arbeitskampfsituation nicht erkennbar und entzieht sich wegen der nicht objektivierbaren Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht und Kampfkraft der Gewerkschaft und den mit jeder Forderung geschaffenen Verhandlungsspielraum auch einer gerichtlichen Bewertung und Feststellung.

55

(bb) Der Verzicht auf eine solche Kontrolle beeinträchtigt nicht die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Sie allein entscheidet über die Festlegung der Tarifforderungen, die durch den Aufruf zu einem Streik und dessen Befolgung erkämpft werden sollen. Hierbei hat sie zu prüfen, ob die erhobenen Forderungen durch Art. 9 Abs. 3 GG legitimiert sind. Zu einer solchen Prüfung ist eine Gewerkschaft auch ohne weiteres in der Lage. Deren Tariffähigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, sondern auch das Vorhalten einer leistungsfähigen Organisation, die sie befähigt, die ihr von Art. 9 Abs. 3 GG zugedachten Aufgaben zu erfüllen(BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Dazu gehört unabdingbar eine entsprechende Anzahl an Mitarbeitern, die Verhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen vorbereiten (vgl. zur organisatorischen Leistungsfähigkeit BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 53, BAGE 117, 308). Hierzu zählt auch die Überprüfung der Legitimität einer Tarifforderung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des um ihre Durchsetzung geführten Arbeitskampfes (BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52, BAGE 142, 98). Unzumutbare, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Haftungsrisiken sind damit nicht verbunden. Diese betreffen nicht die Bewertung der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, sondern relativieren die verschuldensabhängige Einstandspflicht für arbeitskampfbedingte Schäden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

56

(3) Dem Umstand, dass der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main (- 9 Ga 24/12 -) am 29. Februar 2012 sinngemäß zu Protokoll erklärt hat, die friedenspflichtverletzenden Forderungen würden fallengelassen, kommt keine streitentscheidende Bedeutung zu. Es kann offenbleiben, ob das Aufgeben unzulässiger Einzelforderungen während eines Streiks dessen Rechtswidrigkeit vergangenheitsbezogen zu beseitigen vermag. Der Streik wurde am 29. Februar 2012 allein aufgrund der Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgebrochen.

57

3. Die Beklagte - handelnd durch ihre Organe - trifft ein Verschulden iSv. § 823 Abs. 1, § 31 BGB.

58

a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre kampfweise durchzusetzenden Tarifforderungen sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über dessen Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52 mwN, BAGE 142, 98).

59

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Diese hatte das Streikziel auf den Abschluss eines Tarifvertrags entsprechend der Schlichterempfehlung - mit näheren geforderten Anpassungen - bezogen. Ihr Kampfziel, der über die verlautbarten Forderungen abzuschließende Tarifvertrag, umfasste Regelungsgegenstände, hinsichtlich derer die nach dem TV Apron Control besonders ausgestaltete Friedenspflicht noch galt. Die Beklagte hätte wegen der Teilkündigung des TV Apron Control die Zulässigkeit der Forderungen, die in ihrer Gesamtheit das erklärte Streikziel bildeten, im Einzelnen gewissenhaft prüfen müssen. Sie musste erkennen, dass die Friedenspflicht aus dem ungekündigten Teil des TV Apron Control die Grenze der Rechtmäßigkeit bildete. Dass ihr diese Problematik bewusst war, zeigt ihr der Streikankündigung vom 15. Februar 2012 nachgeschobenes Schreiben vom gleichen Tag an die Klägerin zu 3., das klarstellen sollte, dass die erhobene Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses nicht den ungekündigten Teil des TV Apron Control betreffen sollte.

60

c) Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Streiks wegen der friedenspflichtverletzenden Forderungen befand sich die Beklagte nicht in einem ihr Verschulden ausschließenden unvermeidbaren Rechtsirrtum.

61

aa) An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31 mwN, BAGE 152, 213).

62

bb) Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Rechtslage zur Reichweite der sich aus dem TV Apron Control ergebenden Friedenspflicht kann schon deshalb nicht als objektiv unklar angesehen werden, weil sie von den Tarifvertragsparteien selbst näher ausgestaltet worden ist. Die Beklagte hätte wegen der unterschiedlichen Kündigungsmodalitäten, an die sie sich mit der Teilkündigung auch gehalten hat, die Zulässigkeit ihres auf den Gesamtabschluss eines neuen Tarifvertrags gerichteten Streikziels umso sorgfältiger prüfen müssen. Der Sachverhalt hierzu war nicht - wie etwa bei einer Vielzahl von einzelnen, teils gekündigten, teils ungekündigten Tarifverträgen - unübersichtlich. Die friedenspflichtverletzenden Gegenstände betrafen vielmehr einen überschaubaren und klar abgrenzbaren Bereich des teilgekündigten TV Apron Control.

63

4. Der danach bestehenden Ersatzpflicht der Beklagten für die durch den Streik der Klägerin zu 3. entstandenen Schäden steht § 254 BGB nicht entgegen.

64

a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes insbesondere davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Schädiger oder dem Geschädigten verursacht worden ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Geschädigten die Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers entfällt (BAG 19. Februar 1998 - 8 AZR 645/96 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 88, 101). In diesem Sinn ist die Haftung der Beklagten nicht wegen einer der Klägerin zu 3. zuzurechnenden vorsätzlichen „Selbstschädigung“ ausgeschlossen. Eine solche kann insbesondere - unabhängig vom Verschuldensgrad und anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin zu 3. die Verletzungshandlung nicht abgewehrt hat. Diese beginnt bei einem Streik schon mit seinem Aufruf. Der zu bestreikende Arbeitgeber vermag aber einen gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zu verhindern; er kann sich allenfalls - vor allem mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes - gegen die Arbeitsniederlegungen wehren, welche die Verletzungshandlung fortsetzen.

65

b) Soweit das Landesarbeitsgericht Schadensersatzansprüche für die Zeit bis einschließlich 27. Februar 2012 deshalb als „nicht in Betracht kommend“ angesehen hat, weil die Klägerin zu 3. keinen Rechtsbehelf gegen den von ihr als rechtswidrig erkannten Streik ergriffen und damit schuldhaft eine Schadensabwendung iSv. § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB unterlassen habe, tragen seine eigenen Feststellungen diese Würdigung nicht. Das Berufungsgericht müsste - nach seiner Auffassung konsequent - davon ausgehen, dass eine (rechtskräftige) gerichtliche Untersagung des mit Schreiben vom 15. Februar 2012 angekündigten Streiks noch vor Beginn der Streikmaßnahmen am 16. Februar 2012, 15.00 Uhr hätte erstritten werden können. Hierzu verhält sich die angegriffene Entscheidung nicht. Ungeachtet dessen war die Klägerin zu 3. nicht gehalten, zur Abwendung oder Minderung der durch den Streik entstandenen Schäden rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen ist der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens bei einem zulässigen Antrag auf Untersagung oder Abbruch eines Streiks im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher prognostizierbar. Ein Geschädigter muss sich prinzipiell nicht zur Schadensabwendung auf Rechtsstreitigkeiten einlassen, deren Erfolgsaussichten ungewiss sind (vgl. BGH 6. Dezember 1984 - III ZR 141/83 - zu I 4 b der Gründe; vgl. auch Erman/Ebert BGB 14. Aufl. § 254 Rn. 70). Zum anderen - und vor allem - trifft einen bestreikten Arbeitgeber grundsätzlich keine Obliegenheit, einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren. Selbst einem als rechtwidrig erkannten Streik kann der Bestreikte begegnen, indem er ihn aushält. Auch darin liegt - schon wegen des Wesens des Arbeitskampfes - jedenfalls typischerweise Druckausübung zur Verbesserung der Verhandlungsposition.

66

c) Anders als die Beklagte meint, wirkt sich auch der Umstand nicht aus, dass die Klägerin zu 3. sie erst im einstweiligen Verfügungsverfahren auf die Rechtswidrigkeit des Streiks hingewiesen hat. Eine solche Annahme setzt eine entsprechende Hinweispflicht oder -obliegenheit voraus, die sich aus arbeitskampfrechtlichen Gründen verbietet. Sie würde das „Aushalten“ eines Streiks als legitimes Kampfmittel zur Ausübung von (Gegen-)Druck auf die streikführende Gewerkschaft konterkarieren.

67

5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu versagen.

68

a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, dh. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder Vertragspflicht (vgl. BGH 14. Juli 2016 - III ZR 446/15 - Rn. 29; 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17; 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 120, 281; 24. Oktober 1985 - IX ZR 91/84 - zu II 5 b der Gründe, BGHZ 96, 157). Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass derselbe Schadenserfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (BGH 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17). Darlegungs- und beweispflichtig ist der Schädiger.

69

b) Hiervon ausgehend tragen bereits die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Umstände nicht seine Würdigung, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sieht seine Annahme, der Streik hätte auch ohne die inkriminierten Tarifforderungen zur selben Zeit, am selben Ort und auf dieselbe Art und Weise stattgefunden, dadurch belegt, dass sich der Streit der Tarifvertragsparteien am Ende der Schlichtung auf andere Regelungsgegenstände bezogen habe und hinsichtlich der friedenspflichtverletzenden Forderungen bereits eine Einigung erzielt worden sei. Mit dieser Begründung nimmt das Landesarbeitsgericht die arbeitskampfrechtlich spezifische Situation nicht ausreichend in den Blick. Verständigen sich Tarifvertragsparteien in Tarifvertragsverhandlungen auf bestimmte Punkte oder stehen diese Punkte am Ende eines (freiwilligen) Schlichtungsverfahrens nicht (mehr) im Streit, haben sie sich letztlich auch bezüglich dieser Regelungsgegenstände nicht geeinigt, wenn das „Gesamtpaket“ nicht zustande kommt. Auch vorliegend war am Ende des Schlichtungsverfahrens der Abschluss des gesamten Tarifvertrags mit dem vom Schlichter empfohlenen Inhalt „an sich“ streitig. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, bestimmte Tarifforderungen hätten den Streik nicht beeinflusst. Ebenso verkennt das Berufungsgericht die arbeitskampfrechtlichen Besonderheiten, wenn es seine Schlussfolgerung, die friedenspflichtverletzenden Forderungen seien nicht streikbestimmend gewesen, darauf stützt, dass nach deren Fallenlassen nicht sogleich weitere Verhandlungen aufgenommen worden seien.

70

c) Ungeachtet dessen ist bei einem aufgrund einer Friedenspflichtverletzung rechtswidrigen Streik für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Raum (so auch Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1261; Jauernig/Teichmann BGB 16. Aufl. Vor §§ 249-253 Rn. 48; Rieble BB 2014, 949, 951; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1402; vgl. auch Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 971).

71

aa) Dies folgt allerdings nicht aus einer der Friedenspflicht beizumessenden Funktion, dass mit ihr die typischerweise schwerwiegenden Folgen kollektiver Kampfmaßnahmen für die Gesamtheit und die beteiligten Kreise des Arbeitslebens im Rahmen des Möglichen vermieden werden sollen (so noch BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - zu V 3 der Gründe, BAGE 6, 321; vgl. bereits zuvor BAG 8. Februar 1957 - 1 AZR 169/55 - BAGE 3, 280; kritisch hierzu zB Nitsche in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 22 Rn. 125; Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 54 ff.; MüKoBGB/Oetker 7. Aufl. § 249 Rn. 223; Staudinger/Schiemann (2005) § 249 Rn. 105; sh. auch Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 26 II 5 a (2)). Eine solche die Allgemeinheit oder Dritte schützende Wirkung kommt der schuldrechtlich determinierten Friedenspflicht nicht - jedenfalls nicht typischerweise - zu. Ebenso trägt der Gedanke nicht, dass im Arbeitskampfrecht die Verletzung der Friedenspflicht praktisch weitgehend sanktionslos bliebe, wenn man die Möglichkeit eines zulässigen Streiks als rechtmäßige Alternative in Betracht ziehen würde (so aber BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - aaO). Eine sanktionierende Wirkung ist dem Schadensersatzrecht im Allgemeinen fremd; auch die Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Streik hat Ausgleichs- und keine Sanktionsfunktion.

72

bb) Nach ihrem Sinn und Zweck soll die sich aus einem bestehenden Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht verhindern, dass Änderungen oder Verbesserungen der tariflich geregelten Gegenstände gegenüber dem Tarifvertragspartner mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht wird. Sie ist darauf gerichtet, für die Dauer ihres Bestehens die Schädigung des Arbeitgebers durch einen Streik „als solchen“ auszuschließen. Hiervon ausgehend kann die Beklagte nicht entlasten, dass ein von ihr getragener Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen bei der Klägerin zu 3. die (genau) gleichen Folgen gehabt hätte. Es hätte sich wegen des dann anderen Streikziels um einen anderen Arbeitskampf gehandelt. Ein solcher vermag keine Alternativhandlung abzugeben. Anderenfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt. Eine solche Fallgestaltung erfasst der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens regelmäßig nicht (vgl. [bei behördlichem Handeln und hypothetischem Verwaltungsakt] BGH 3. Februar 2000 - III ZR 296/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 143, 362).

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6. Entgegen der Auffassung der Beklagten verbietet sich die Annahme ihrer Ersatzpflicht für die durch den Streik entstandenen Schäden bei der Klägerin zu 3. nicht aus konventionsrechtlichen Gründen.

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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Anwendung und Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 128, BVerfGE 137, 273). Auf der Ebene des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, die Gewährleistungen der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen (BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 27). In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des EGMR für die Auslegung der EMRK auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 28; BAG 20. Oktober 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 13; 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 69 mwN, BAGE 144, 1).

75

b) Vorliegend ist die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht(vgl. dazu zB EGMR 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) zu berücksichtigen. Insoweit hat der EGMR mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind(vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 130, BAGE 143, 354). Mit der Annahme der Schadensersatzpflicht der Beklagten, die mit dem von ihr getragenen Streik gegen die Friedenspflicht nach einem von ihr vereinbarten Tarifvertrag verstößt, wird aber deren Streikrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt. Gegenteiliges lässt sich auch der Entscheidung des EGMR in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ (EGMR [I. Sektion] 27. November 2014 -  36701/09 - AuR 2015, 146 ) nicht entnehmen. Diese Entscheidung betrifft ein Streikverbot aufgrund eines innerstaatlichen Gerichtsurteils. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der Gerichtshof festgestellt, dass das innerstaatliche Gericht die Zulässigkeit des Streiks nicht umfassend geprüft habe und auf einen „dritten Streikgrund“ - den die Gewerkschaft hilfsweise zur Organisation des Streiks angegeben hatte - nicht eingegangen sei (Rn. 58 iVm. Rn. 14). Ergebnis dieses Ansatzes sei gewesen, dass die beschwerdeführende Gewerkschaft trotz eines tariflosen Zustandes für die Dauer von drei Jahren und acht Monaten nicht berechtigt gewesen sei, einen Streik durchzuführen, was nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne (Rn. 59). Dies ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Die Beklagte hat mit dem von ihr geführten Arbeitskampf gegen eine von ihr selbst vereinbarte Friedenspflicht verstoßen, indem sie ihr - einheitlich zu bewertendes - Streikziel auf die Durchsetzung bereits geregelter Gegenstände bezog. Abgesehen davon, dass es mithin nicht wie in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ um einen verlautbarten - von den kroatischen Gerichten aber nicht geprüften - „hilfsweisen Streikgrund“ geht, geben die vom EGMR in Bezug auf Art. 11 EMRK aufgestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht vor, die Illegitimität kampfweise durchzusetzender Forderungen bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes zu ignorieren(aA wohl Lörcher AuR 2015, 126, 129 ; vgl. auch Jacobs/Schmidt EuZA 2016, 82, 94 f.).

76

II. Der Klägerin zu 3. steht daneben ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 31 BGB zu. Die Beklagte hat - handelnd durch ihre Organe - mit dem vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführten Streik die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control verabredete Friedenspflicht hinsichtlich der §§ 5 bis 8 TV Apron Control schuldhaft verletzt. Weder nach § 254 BGB noch unter dem Gesichtspunkt eines rechtmäßigen Alternativverhaltens noch nach konventionsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Ersatzpflicht der Beklagten ausgeschlossen.

77

III. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

78

1. Die Beklagte hat die von der Klägerin zu 3. geltend gemachten Schadenspositionen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen.

79

2. Dabei gilt allerdings für das von der Klägerin zu 3. (auch) herangezogene schadensstiftende Ereignis der Ankündigung des Unterstützungsstreiks gegenüber der DFS mit Schreiben vom 28. Februar 2012, dass das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht davon ausgegangen ist, ein hierauf bezogener Schadensersatzanspruch scheide aus, weil nach deren Vortrag nicht festgestellt werden könne, welche konkreten Beeinträchtigungen oder Schäden hierauf zurückzuführen seien. Ausgehend vom Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann daher offenbleiben, ob die der DFS angekündigte Absicht der Beklagten, ihre Mitglieder im Geschäftsbereich Tower zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen, einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.

80

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch - soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht - für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist(BGH 12. Juli 2016 - KZR 25/14 - Rn. 42 mwN). Im Anwendungsbereich der Vorschrift ist der Tatrichter besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH 5. März 2013 - VI ZR 245/11 - Rn. 14 mwN).

81

b) Derartige Rechtsfehler werden von der Revision der Klägerin zu 3. nicht aufgezeigt.

82

aa) Es ist nicht - anders als die Revision meint - davon auszugehen, das Landesarbeitsgericht habe die deliktsrechtlichen Grundsätze zur Haftung mehrerer Schädiger nach § 830 BGB verkannt, die „erst recht“ anzuwenden seien, wenn nur ein Schädiger mehrere Schadensursachen verantworte. Die Haftungsverbandsregel des § 830 BGB durchbricht das dem BGB innewohnende Prinzip, wonach Schadensersatz nur von demjenigen verlangt werden kann, der den Schaden verursacht hat. Die Fallgruppen der Vorschrift sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur eine einzige Person als Schädiger in Betracht kommt, sondern an der Entstehung des Schadens mehrere Personen mitgewirkt haben (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2012) § 830 Rn. 2). So ist etwa bei § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass bei jedem Beteiligten - vom Nachweis der Ursächlichkeit abgesehen - ein den klägerischen Anspruch begründendes Verhalten gegeben war, eine der unter dem Begriff „Beteiligung“ zusammengefassten Personen den Schaden verursacht haben muss und nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden - ganz(Urheberzweifel) oder teilweise (Anteilszweifel) - verursacht hat (BGH 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04 - Rn. 9). Nur wegen der Mehrheit der Schädiger dürfen sich die Kausalitätsprobleme stellen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

83

bb) Auch die von der Revision herangezogenen Grundsätze der kumulativen Gesamtkausalität und der Doppelkausalität sind nicht einschlägig.

84

(1) Die kumulative Gesamtkausalität betrifft die Frage des Zurechnungszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden, wenn ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen beruht, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind (vgl. etwa BGH 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - Rn. 19 f.). Um eine solche Konstellation handelt es sich vorliegend nicht.

85

(2) Eine Doppelkausalität wird angenommen, wenn zwei Umstände einen Schaden verursachen und jeder für sich allein ausgereicht hätte, den ganzen Schaden zu verursachen. Dann sind beide Umstände als ursächlich zu behandeln. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung durch zwei verschiedene Personen erfolgt. Es genügt, wenn eine Person zwei Ursachen setzt, welche jede für sich den vollen Schaden herbeigeführt hätte (BGH 4. April 2014 - V ZR 275/12 - Rn. 16, BGHZ 200, 350). Davon, dass der Haupt- und der Unterstützungsstreik jeweils für sich gesehen den geltend gemachten Umfang der Ersatzpflicht auslösten, ist aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu 3. nicht auszugehen.

86

B. Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen gegen die ihre Zahlungsanträge abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der jeweils geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aus deliktsrechtlichen Gründen unbegründet. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützter Schadensersatzanspruch besteht nicht.

87

I. Die von den Klägerinnen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten. Es fehlt bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut der beiden Klägerinnen.

88

1. Eine zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Eigentums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ihren Flugzeugen - und bei der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die abgetretenen Forderungen an denen der N GmbH - durch die durchgeführten Streikmaßnahmen und den angekündigten Unterstützungsstreik machen die Klägerinnen zu 1. und 2. nicht geltend.

89

2. Ein Anspruch der Klägerinnen zu 1. und 2. - bei letzterer zT aus abgetretenem Recht - folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es fehlt an einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff.

90

a) Streikmaßnahmen sind mit der nach § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen spezifischen Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb des Kampfgegners verbunden. Dessen unmittelbare Kampfbetroffenheit folgt aus dem gewerkschaftlichen Streikaufruf. In diesem drückt sich die objektive Stoßrichtung der Kampfmaßnahme aus. Demgegenüber stellt der Streik oder der Aufruf hierzu regelmäßig keinen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines drittbetroffenen, kampfunbeteiligten Unternehmens dar (vgl. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 38, BAGE 152, 240 und - 1 AZR 875/13 - Rn. 26, BAGE 152, 260). Beachtlich ist allein der Streikbeschluss der kampfführenden Gewerkschaft. Auf dessen Bewertung durch Externe oder Drittbetroffene kommt es dabei nicht an. Anderes kann allenfalls gelten, wenn das dem Kampfgegner übermittelte Kampfziel nur in dem Sinn vorgeschoben ist, dass tatsächlich ein mit diesem verbundener Dritter in Anspruch genommen werden soll. Zu einer solchen Annahme gereicht nicht die Betroffenheit des Dritten vom Streik (Bayreuther RdA 2016, 181, 182).

91

b) Danach haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt, dass von einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. - oder das der N GmbH - am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ausgegangen werden kann.

92

aa) Dies gilt zunächst für den durchgeführten (Haupt-)Streik.

93

(1) Nach den der Klägerin zu 3. mit Schreiben der Beklagten vom 15. Februar 2012 und vom 25. Februar 2012 mitgeteilten Ankündigungen der Streikmaßnahmen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Aufruf der Beklagten hierzu einen anderen Kampfgegner als die Klägerin zu 3. anbelangte. Die Arbeitsniederlegungen betrafen deren unternehmerischen Bereiche der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale am Flughafen Frankfurt am Main. Die objektive Stoßrichtung der Streikaktionen zielte auf eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin zu 3.

94

(2) Eine gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtete Zielrichtung drückt sich nicht in der Äußerung des Vorstands der Beklagten Tarif/Recht in dem angeführten Interview aus. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, hierin liege nicht mehr als eine Beschreibung der Streikfolgen für (dritt-)betroffene Fluggesellschaften, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der dagegen angebrachte Revisionsangriff der Klägerinnen zu 1. und 2. setzt insoweit nur deren Verständnis des Erklärungswerts der Aussage an die Stelle desjenigen des Berufungsgerichts. Ungeachtet dessen müsste - folgte man der Argumentation der Klägerinnen zu 1. und 2. - der Streikaufruf, der sich unmissverständlich allein auf den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. bezog, als vorgeschoben zu bewerten sein (dazu Bayreuther RdA 2016, 181, 182). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, zumal eine nachträglich - und sei es von einem Vorstandsmitglied der streikführenden Gewerkschaft - abgegebene Erklärung die in dem Streikaufruf verlautbarte objektive Zielrichtung des Streiks grundsätzlich nicht zu relativieren vermag.

95

(3) Die Stoßrichtung des Streiks muss auch nicht deshalb als gegen die eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtet bewertet werden, weil deren unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die Klägerin zu 3. erbrachten Dienste der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale abhängt. Diese Leistungen - im Wesentlichen als Teil des Flugverkehrskontrolldienstes - gehören zu den flugsicherungsbetrieblichen Diensten für den Flugbetrieb auf Flugplätzen. Deren „Ausfall“ bedingt kraft luftverkehrsrechtlicher Vorgaben Störungen bei der Durchführung von Flügen. Diese funktionale Verflechtung modifiziert aber nicht den deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach kein Ersatz für mittelbare Vermögensschäden geschuldet wird, die Dritte bei Verletzung ihrer Rechtsgüter durch eine Reflexwirkung erleiden. Aus der Unausweichlichkeit von Beeinträchtigungen der Gewerbebetriebe der klagenden Luftfahrtunternehmen bei streikbedingten Störungen oder Beeinträchtigungen der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale an einem von ihnen genutzten Flughafen folgt nicht - gewissermaßen zwangsläufig - eine gegen diese Unternehmen gerichtete Zielrichtung des Streiks.

96

bb) Auch im Hinblick auf die Ankündigung der Beklagten gegenüber der DFS, ihre Mitglieder am Tower Frankfurt am Main am 29. Februar 2012 zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Hauptstreiks aufzurufen, fehlt es an einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher schon deshalb ausscheidet, weil sich die Ankündigung allein an die DFS richtete. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen zu 1. und 2. die Verletzungshandlung in dem öffentlichen Bekanntwerden der an die DFS gerichteten Ankündigung sähe, ließe sich hieraus nicht ohne weiteres auf eine direkt gegen deren Gewerbebetriebe sowie den der N GmbH zielende Maßnahme schließen. Zwar verweisen die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. zutreffend darauf, dass nach der Ankündigung der Beklagten - anders als in dem vom Senat am 25. August 2015 entschiedenen Rechtsstreit (- 1 AZR 875/13 - BAGE 152, 260) zu einem Tarifkonflikt zwischen der DFS und der Beklagten mit Arbeitskampfandrohungen im August 2011 - nicht alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS zum (Unterstützungs-)Streik aufgerufen werden sollten, sondern (allein) die Gewerkschaftsmitglieder am Tower Frankfurt am Main. Damit zielte die beabsichtigte Maßnahme darauf, nicht den gesamten Betrieb der DFS zu beeinträchtigen, sondern den einer ihrer Flugsicherungsdienste erbringenden Einrichtung. Aus dem Umstand einer (beabsichtigten) Störung der Flugsicherungsdienste lässt sich aber nicht „per se“ ein unmittelbarer Eingriff in die Gewerbebetriebe der von der Erbringung dieser Leistung abhängigen Fluggesellschaften herleiten (ausf. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 41 bis 45, BAGE 152, 240). Auch im vorliegenden Fall kann nichts anderes festgestellt werden, als dass mittels der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der im Tower tätigen Mitarbeiter (Fluglotsen) auf die DFS eingewirkt werden sollte, um den Druck auf die Klägerin zu 3. zu verstärken und den gegen deren Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen. Inwieweit sich eine objektiv gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. (bzw. der N GmbH) gerichtete Stoßrichtung aus der bereits behandelten Äußerung des Vorstands Tarif/Recht im Interview mit „Spiegel-Online“ ergeben soll, erschließt sich mit Blick auf die angekündigte (Unterstützungs-)Streikmaßnahme bereits deshalb nicht, weil die Aussage nach der nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellung des Landesarbeitsgerichts „während der Durchführung“ des Hauptstreiks gemacht worden ist und es insoweit von vornherein an einem zeitlichen, auf die Unterstützungskampfmaßnahme bezogenen Kontext fehlt.

97

cc) Soweit die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. August 2015 (- 1 AZR 754/13 - Rn. 46 bis 51, BAGE 152, 240) meinen, ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB könne wegen der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1977 zu der streikähnlichen Aktion von Flugleitern im Jahre 1973 (- III ZR 179/75 - BGHZ 69, 128; vgl. in der Folge auch BGH 31. Januar 1978 - VI ZR 32/77 - BGHZ 70, 277; 22. März 1979 - III ZR 24/78 -; 28. Februar 1980 - III ZR 131/77 - BGHZ 76, 387) nicht abgelehnt werden, trifft diese Bewertung nicht zu. Die einzelfallbezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu einer kollektiven Amtspflichtverletzung sind auf gewerkschaftlich getragene Streiks von vornherein nicht übertragbar.

98

dd) Schließlich verfängt die unter Verweis auf frühere Senatsentscheidungen (BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 653/86 - BAGE 59, 48; 8. November 1988 - 1 AZR 417/86 - BAGE 60, 101) vertiefte Argumentation der Revisionsklägerinnen zu 1. und 2. nicht, die durchgeführten und die angekündigte Streikaktionen stellten eine Betriebsblockade dar und seien deshalb als unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der betroffenen Fluggesellschaften zu werten. Ungeachtet dessen, dass die durchgeführten - und schon gar nicht die beabsichtigte - Kampfmaßnahmen keine über die (beabsichtigte) kollektive Arbeitsniederlegung hinausgehende und eine Betriebsblockade typischerweise charakterisierende äußerliche physische Absperrung eines Betriebs betrafen, waren sie nicht auf die Verhinderung eines von mehreren Unternehmen arbeitsteilig verfassten Produkts gerichtet. Die Klägerinnen zu 1. und 2. sowie die Klägerin zu 3. und die DFS erbringen kein „Produkt“ der Passagierbeförderung auf dem Luftweg in bewusst betriebsgemeinsam-arbeitsteilig verfasster Weise, auf deren Verhinderung die Aktionen der Beklagten zielten. Die in den zitierten Entscheidungen zur Wertung herangezogene „arbeitsteilige Produkterbringung“ liegt auch nicht - wie die Klägerinnen zu 1. und 2. offensichtlich meinen - in jeder „Produkterbringung in Abhängigkeit von der Leistung anderer“. Aus den (Mitteilungen zu) Streikankündigungen der Beklagten folgt nur eine objektiv-planvolle Verhinderung der allein von der Klägerin zu 3. erbrachten Dienstleistung „Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale“ und der allein von der DFS zu erbringenden Flugsicherungsdienstleistung. Die hierdurch bedingten Betriebsablaufstörungen bei den klagenden Fluggesellschaften waren schlichte Folge des (absehbaren) Leistungsausfalls.

99

II. Etwaige Ansprüche der Klägerinnen zu 1. und 2. aus § 826 BGB sind nicht Gegenstand der Revisionsverfahren. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsanträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auch insoweit als nicht begründet angesehen. Dagegen wenden sich die Revisionen nicht.

100

III. Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben keinen (abgetretenen) vertraglichen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem zwischen der Beklagten und ua. der Klägerin zu 3. geschlossenen TV Apron Control. Sie wie auch die N GmbH sind nicht in den Schutzbereich dieses Tarifwerks einbezogen.

101

1. Auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können grundsätzlich in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; BGH 9. April 2015 - VII ZR 36/14 - Rn. 25 mwN). Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 42 mwN, BAGE 152, 260).

102

2. In schuldrechtliche Verpflichtungen von Tarifvertragsparteien sind andere Dritte regelmäßig nicht einbezogen. Dies gilt nicht nur für die einem Tarifvertrag ohne besondere Vereinbarung regelmäßig immanente relative Friedenspflicht (vgl. hierzu BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 43, BAGE 152, 260), sondern auch für eine ausdrücklich vereinbarte - hier nach dem TV Apron Control erweiterte relative - Friedenspflicht. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarungen müssen besondere Anhaltspunkte bestehen.

103

3. Gemessen hieran scheidet eine vertragliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. und der N GmbH aus.

104

a) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Luftfahrtunternehmen in die Friedenspflicht nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control einbezogen sind. Auf eine solche Einbeziehung Dritter kann insbesondere nicht, anders als die Klägerinnen zu 1. und 2. meinen, aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ihrer Leistungen mit denen der Klägerin zu 3. sowie der funktionalen Abhängigkeit der Fluggesellschaften vom Flughafenbetreiber geschlossen werden. Bereits wegen der erforderlichen Abgrenzung zum deliktischen Haftungsbereich darf die für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Leistungsnähe nicht nur faktisch gegeben sein (ausf. Staudinger/Klumpp (2015) § 328 Rn. 112 mwN aus der Rspr.). Entsprechend lehnt auch der Bundesgerichtshof selbst Hinweise auf konzernmäßige enge Verflechtungen zur Begründung der Leistungsnähe als „von vornherein nicht geeignet“ ab (zu einem Darlehensvertrag BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 56, BGHZ 166, 84; vgl. auch Kort NJW 2006, 1098 f.).

105

b) Ein Drittschutz ist in der Friedenspflicht nach dem TV Apron Control weiterhin nicht deshalb angelegt, weil sie objektiv auch den Interessen der Nutzer des von der Klägerin zu 3. betriebenen Flughafens, darunter jenen der Fluggesellschaften, dient. Es kommt vielmehr darauf an, ob es - hier nicht ersichtliche - konkrete Anhaltspunkte für einen subjektiven Willen dafür gibt, dass die Tarifvertragsparteien die schuldrechtliche Verpflichtung nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control(auch) mit Blick auf Dritte vereinbart haben. Insofern überzeugt das Argument der Revisionsführer nicht, die Friedenspflicht aus Tarifverträgen für Mitarbeiter der Bereiche Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale eines Flughafens wäre ohne Einbeziehung der Fluggesellschaften „weitgehend bedeutungslos, da dem Flughafenbetreiber infolge eines Streiks dieser Mitarbeiter erst dann ein Schaden entsteht, wenn die Fluggesellschaften ihre Leistungen nicht erbringen können“. Dies ist letztlich immer der Fall, wenn es um Tarifverträge in einem Bereich geht, in dem der Gegenstand unternehmerischer Betätigung „abnehmerbezogen“ ist.

106

C. Über die Kosten des Rechtsstreits kann der Senat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht abschließend befinden. Die Entscheidung hängt davon ab, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin zu 3. nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht in der Sache obsiegen wird. Das Landesarbeitsgericht wird daher über die Kosten des Rechtsstreits - auch im Hinblick auf die zurückgewiesenen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. - zu entscheiden haben. Es kann als Rechtsmittelgericht unter Gewährung rechtlichen Gehörs eine die im Rechtsmittelverfahren dann nicht mehr beteiligten Klägerinnen zu 1. und 2. betreffende Kostenentscheidung treffen (vgl. BGH 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79 - zu III der Gründe).

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Klebe    

        

    Benrath    

                 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2010 - 8 Sa 446/10 - aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Warnstreiks.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Verpackungen und Packungsbeilagen für Pharma-Produkte herstellt. Sie beschäftigt rund 160 Arbeitnehmer, von denen etwa 120 in der Produktion tätig sind. Bis zum 29. März 2009 war sie Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen e. V. (VDMH). In dessen Satzung ist Folgendes bestimmt:

        

„…    

        

§ 2 Zweck und Tätigkeit

        

(1)     

Der Verein bezweckt als Berufsverband die Wahrnehmung der gemeinsamen fachlichen Belange der Druckindustrie und Medienbranche im Land Hessen. Dies umfasst alle wirtschaftspolitischen, bildungspolitischen, gesellschaftspolitischen, sozialpolitischen und für die Druckindustrie tariflichen Angelegenheiten, insbesondere gegenüber den Gewerkschaften, den fachlichen und überfachlichen Unternehmerorganisationen, den Behörden, der Regierung und den politischen Parteien sowie der Öffentlichkeit. Dazu gehören, neben der Förderung von Technik und Forschung sowie von Aus- und Weiterbildung, die arbeits- und sozialrechtliche Vertretung der Mitglieder, die auch aus Art. 9 Abs. 3 GG resultiert. Zum Ausgleich wirtschaftlicher Schäden bei Arbeitskämpfen nach Maßgabe von Richtlinien, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden, ist eine Gefahrengemeinschaft der Mitglieder gebildet. …

                 
        

§ 3 Erwerb der Mitgliedschaft

        

(1)     

Bei der Mitgliedschaft ist zu unterscheiden zwischen der ordentlichen Mitgliedschaft als

                 

-       

Mitglied mit Tarifbindung oder

                 

-       

als Mitglied ohne Tarifbindung nach Maßgabe von Ziff. (2) u. (3)

                 

sowie der Probemitgliedschaft und der Gastmitgliedschaft.

        

(2)     

Ordentliche Mitglieder des VDMH mit Tarifbindung sowie ordentliche Mitglieder ohne Tarifbindung können nur natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen werden, die Inhaber eines Betriebes der Druckindustrie und Medienbranche mit Sitz und Zweigbetrieb in Hessen sind. Der Verbandsbeitritt als ordentliches Mitglied erfolgt grundsätzlich als Mitgliedschaft mit Tarifbindung. Ist die Tarifbindung auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Verbandsinteresses an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche für das Mitglied unzumutbar, kann auch ein Beitritt als ordentliches Mitglied ohne Tarifbindung erfolgen. Hierüber entscheidet der geschäftsführende Vorstand im Einzelfall.

        

(3)     

Der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist jederzeit mit sofortiger Wirkung auf schriftlichen Antrag durch Beschluss des geschäftsführenden Vorstandes möglich, wenn die Tarifbindung auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Verbandsinteresses an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche für das Mitglied unzumutbar ist.

        

…       

        
                          
        

§ 5 Rechte und Pflichten der Mitglieder

        

(1)     

Alle ordentlichen Mitglieder haben gleiche Rechte und Pflichten, soweit sich aus der Satzung nichts anderes ergibt.

                          
        

(2)     

Alle ordentlichen Mitglieder haben

        

(a)     

das Recht, Dienstleistungen im Rahmen der Zweckbestimmung des VDMH in Anspruch zu nehmen;

        

(b)     

das Recht, die Veranstaltungen des VDMH zu besuchen;

        

(c)     

das Recht, die Einrichtungen des VDMH zu nutzen;

        

(d)     

das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

        

…       

        
        

(5)     

Die Richtlinien für die Unterstützung der Mitglieder im Falle von Arbeitskämpfen sind für alle ordentlichen Mitglieder verbindlich.

        

(6)     

Für Mitglieder mit Tarifbindung gilt:

                 

Mitglieder mit Tarifbindung sind in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten verpflichtet, die Beschlüsse und Vereinbarungen des Verbandes sowie des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. zu beachten und durchzuführen. Insbesondere sind die Mitglieder mit Tarifbindung verpflichtet, Weisungen des Vorstandes des Verbandes sowie Beschlüsse des Hauptverbandes und des sozialpolitischen Ausschusses des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. zu befolgen, die zur Wahrung der gemeinsamen Interessen bei Arbeitskämpfen erlassen werden.

        

(7)     

Für Mitglieder ohne Tarifbindung gilt:

                 

Mitglieder ohne Tarifbindung verpflichten sich, bei Verhandlungen zu Haus- bzw. Firmentarifverträgen den Verband zu informieren und hinzuzuziehen.

                 

Der Verband kann Mitglieder ohne Tarifbindung in Tarifangelegenheiten, insbesondere beim Abschluss von Firmentarifverträgen beraten, unterstützen und vertreten. Hierüber entscheidet der Vorstand durch Beschluss unter Berücksichtigung der tarifpolitischen Interessenlage des Verbandes.

                 

Ein satzungsgemäßer Auftrag zum Abschluss von Verbandstarifverträgen für Mitglieder auch ohne Tarifbindung besteht nicht. Die Verbandsmitgliedschaft bewirkt keine Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz.

                          
                 

Das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben, ist für Mitglieder ohne Tarifbindung ausgeschlossen, soweit es im Zusammenhang mit Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten ausgeübt werden soll.

                 

Mitglieder ohne Tarifbindung können keine Funktion im Verband übernehmen, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen.

                 
        

§ 8 Organe

                 

Organe des VDMH sind

        

(a)     

die Mitgliederversammlung;

        

(b)     

der Gesamtvorstand;

        

(c)     

der Geschäftsführende Vorstand;

        

(d)     

der Geschäftsführer.

        

…       

        
                 
        

§ 11 Beschlüsse der Mitgliederversammlung

        

…       

        
        

(2)     

Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst, soweit nicht durch Satzung oder zwingendes Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Stimmenthaltungen bleiben unberücksichtigt. In Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten steht das Stimmrecht nur den Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Mitglieder ohne Tarifbindung können insoweit nur beratend mitwirken.

        

(3)     

Die Mitgliederversammlung darf nur über solche Anträge beschließen, die auf die Tagesordnung gesetzt sind oder mit einem Gegenstand der Tagesordnung in Zusammenhang stehen. Von Mitgliedern gestellte Anträge werden auf die Tagesordnung gesetzt, wenn sie schriftlich an den Geschäftsführenden Vorstand gerichtet sind und mindestens drei Wochen vor der Mitgliederversammlung bei der Geschäftsstelle eingegangen sind. In Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten sind nur Mitglieder mit Tarifbindung antragsberechtigt.

        

…       

        
        

§ 14 Zusammensetzung des Gesamtvorstandes

        

(1)     

Dem Gesamtvorstand gehören an:

        

...     

        
        

(d)     

bis zu fünf Beiräte für besondere Sachgebiete; Beiräte für Sozial- und Tarifpolitik müssen einem Unternehmen angehören, das Mitglied mit Tarifbindung ist.

        

...     

        
                          
        

§ 15 Aufgaben des Gesamtvorstandes

        

(1)     

Der Gesamtvorstand unterstützt den Geschäftsführenden Vorstand bei der Führung des VDMH.

        

…       

        
        

(3)     

Der Gesamtvorstand benennt die erforderlichen Delegierten des VDMH im Hauptvorstand des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. Diese müssen aus dem Kreis der Mitgliedsunternehmen kommen, die Mitglieder mit Tarifbindung sind.

        

…       

        
                          
        

§ 16 Zusammensetzung des Geschäftsführenden Vorstandes

        

(1)     

Dem Geschäftsführenden Vorstand gehören an:

        

(a)     

Der Vorsitzende (Landesvorsitzende);

        

(b)     

sein Stellvertreter;

        

(c)     

der Schatzmeister;

        

(d)     

der Geschäftsführer kraft Amtes (ohne Stimmrecht).

        

(2)     

Mindestens die Hälfte der unter Ziffer (1) (a) bis (c) Genannten, darunter der Vorsitzende, müssen einem Unternehmen angehören, das Mitglied mit Tarifbindung ist.

                 
        

§ 17 Aufgaben des Geschäftsführenden Vorstandes

        

(1)     

Der Geschäftsführende Vorstand leitet den VDMH. Er ist zuständig für alle Aufgaben, die ihm durch Satzung, zwingendes Gesetz oder durch Beschluss der Mitgliederversammlung zugewiesen sind.

                          
        

(2)     

Der Geschäftsführende Vorstand ist Vorstand im Sinne des § 26 BGB. …

        

...     

        
                 
        

§ 20 Arbeitsausschüsse

        

(1)     

Zur Behandlung bestimmter Aufgaben können Arbeitsausschüsse gebildet werden. Wird ein Ausschuss für Angelegenheiten der Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes gebildet, können diesem als Mitglieder nur Personen aus Unternehmen mit Tarifbindung angehören.

        

…“    

        
3

Die Klägerin wechselte mit Wirkung vom 30. März 2009 innerhalb des VDMH in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft), nachdem der Geschäftsführende Vorstand ihrem Antrag im Umlaufverfahren zugestimmt hatte. Zum 1. Mai 2009 wurde sie zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e.V. (VPU). Dies wurde ihr mit Schreiben des VPU vom 20. Mai 2009 bestätigt. Die Beklagte ist Tarifpartner beider Verbände.

4

Mit Schreiben vom 19. Mai 2009 unterrichtete der VPU die Beklagte darüber, dass auf Antrag der Klägerin deren Mitgliedschaft im VDMH in eine solche ohne Tarifbindung umgewandelt worden und sie seit dem 1. Mai 2009 zudem tarifgebundenes Mitglied des VPU sei. Am 22. Mai 2009 fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Geschäftsführer des VPU sowie Vertretern der Beklagten statt. In dessen Verlauf wurde die Beklagte vom Geschäftsführer der Klägerin über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft informiert. Der VDMH unterrichtete die Beklagte erst mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 über den zum 30. März 2009 vollzogenen Statuswechsel.

5

Die Beklagte kündigte am 19. Februar 2009 zum 31. März 2009 den mit dem VDMH geschlossenen Entgelttarifvertrag. Im Anschluss daran kam es am 2. April 2009 zu ersten gemeinsamen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien. Nachdem diese bis zum 30. April 2009 nicht zu einem Tarifabschluss geführt hatten, rief die Beklagte Ende Mai 2009 ihre Mitglieder in verschiedenen Betrieben zu Arbeitskampfmaßnahmen auf.

6

Mit Schreiben vom 27. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe davon Kenntnis erlangt, dass die Klägerin seit dem 1. April 2009 OT-Mitglied im VDMH sowie seit dem 1. Mai 2009 ordentliches Mitglied im VPU sei. Eine Bestätigung durch den für sie zuständigen Tarifvertragspartner liege jedoch noch nicht vor. Die Klägerin sei daher an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden.

7

Am 29. Mai 2009 wurden die Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu einem Warnstreik aufgerufen. In dem Streikaufruf heißt es unter der Überschrift „Lohn- und Gehaltsrunde 2009 Druckindustrie und Zeitungsverlage“:

        

„Aufruf zum Warnstreik

        

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

        

Zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung von 5 Prozent für die Beschäftigten in der Druckindustrie ruft der ver.di-Bundesvorstand, Fachbereich Medien, Kunst und Industrie die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie die Angestellten der Druckindustrie zum Warnstreik auf.

        

…       

        

ver.di-Bundesvorstand

        

Fachbereich Medien, Kunst und Industrie

        

Arbeitskampfabteilung

        

…“    

8

Diesem Streikaufruf sind alle in der Produktion an diesem Tag tätigen Arbeitnehmer der Klägerin gefolgt. Am 2. Juni 2009 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf einen Tarifabschluss.

9

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz wegen des streikbedingten Produktionsausfalls und der damit verbundenen Kosten für die Fremdvergabe von Aufträgen. Sie hat geltend gemacht, der Warnstreik sei rechtswidrig gewesen. Wie der Beklagten bekannt gewesen sei, habe sie dem VDMH nur noch als nicht tarifgebundenes Mitglied angehört. Vielmehr sei sie in den VPU eingetreten und habe dort eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung begründet, weil dieser Verband sachnäher sei und ihre Wettbewerber dort gleichfalls organisiert seien. Der durch den rechtswidrigen Streik bedingte Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei schuldhaft erfolgt, weil der Beklagten die maßgeblichen Umstände, die zu dessen Rechtswidrigkeit führten, bekannt gewesen seien. Infolge des Streiks sei ihr ein Schaden in Höhe von 34.510,88 Euro entstanden.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.510,88 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Information über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft sei unzureichend gewesen. Belastbare schriftliche Nachweise seien ihr nicht vorgelegt worden. Überdies verletze das von der Klägerin betriebene „Verbandshopping“ den Grundsatz der Kampfparität. Unabhängig davon sei der Streik als sog. Partizipationsstreik zulässig. Aufgrund der von der Klägerin verwendeten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln seien auch nach dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft und dem Beitritt zum VPU für einen erheblichen Teil der Belegschaft die Tarifverträge für die Druckindustrie anwendbar geblieben. Der Warnstreik sei jedenfalls als Unterstützungsstreik zulässig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch den Warnstreik vom 29. Mai 2009 entstanden ist. Diese Arbeitskampfmaßnahme war rechtswidrig. Die Klägerin war bei Streikbeginn nicht mehr Mitglied mit Tarifbindung im VDMH. Hierüber war die Beklagte zuvor von der Klägerin hinreichend unterrichtet worden. Bei der als Warnstreik angekündigten und durchgeführten Arbeitskampfmaßnahme handelt es sich weder um einen Partizipationsstreik gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber noch um einen Unterstützungsstreik.

14

I. Die Klägerin ist mit Wirkung vom 30. März 2009 innerhalb des VDMH rechtswirksam von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt.

15

1. Die Begründung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbandes ist grundsätzlich möglich.

16

a) Die Tarifgebundenheit ist auf Arbeitgeberseite die Eigenschaft eines Unternehmens und nicht etwa eine Frage der Tarifzuständigkeit des Verbands selbst. Nicht jedes vereinsrechtliche Mitglied einer tarifvertragschließenden Koalition ist notwendig tarifgebunden iSd. § 3 Abs. 1 TVG(BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 27 mwN, BAGE 130, 264). Die Satzung des Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft iSd. § 3 Abs. 1 TVG begründet und beendet werden kann. Wegen der an die Tarifgebundenheit anknüpfenden Rechtswirkungen gegenüber Dritten ist es jedoch erforderlich, dass die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1 TVG von einer solchen ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen und deren normative Wirkung für hiervon betroffene Dritte grundsätzlich den Gleichlauf von Verantwortung und Betroffenheit bzgl. der tariflichen Vereinbarungen. Dies legitimiert die Unterwerfung der Mitglieder der Tarifvertragsparteien unter die Normen des Tarifvertrags und ist Grundlage der Angemessenheitsvermutung der in Tarifverträgen ausgehandelten Mindestarbeitsbedingungen (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 28, aaO; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, BAGE 127, 27).

17

b) Notwendige Voraussetzung einer wirksamen OT-Mitgliedschaft ist, dass die Verbandssatzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Sie muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist unzulässig. Diese dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. OT-Mitgliedern stehen allerdings die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines „gewöhnlichen“ Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbands haben. Die Beteiligung an der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich. Dem Verband ist es nicht verwehrt, sich durch Dritte, die an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebunden sind, beraten zu lassen (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 29, BAGE 130, 264; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 127, 27).

18

2. Die Satzung des VDMH entspricht diesen Anforderungen.

19

a) In § 3 Abs. 1 der Satzung wird zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung unterschieden. Nach § 5 Abs. 7 Unterabs. 4 der Satzung ist das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben, für Mitglieder ohne Tarifbindung ausgeschlossen, soweit es im Zusammenhang mit sozialpolitischen Angelegenheiten sowie Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten wahrgenommen werden soll. Zudem können Mitglieder ohne Tarifbindung keine Funktionen im Verband übernehmen, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Nach § 11 Abs. 2 der Satzung steht in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Mitglieder ohne Tarifbindung können nur beratend mitwirken. Auch sind in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten nur Mitglieder mit Tarifbindung antragsberechtigt. Die nach § 15 Abs. 3 der Satzung vom Gesamtvorstand zu benennenden Delegierten des Verbandes im Hauptvorstand des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. müssen Mitglieder mit Tarifbindung sein. Gem. § 16 Abs. 2 der Satzung müssen mindestens die Hälfte der drei stimmberechtigten Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands, darunter der Vorsitzende, einem Unternehmen angehören, das tarifgebundenes Mitglied ist. Wird in dem Verband ein Ausschuss für Angelegenheiten der Tarifpolitik und des Arbeitskampfes gebildet, können diesem gem. § 20 Abs. 1 der Satzung als Mitglieder nur Personen aus Unternehmen mit Tarifbindung angehören.

20

b) Durch diese Regelungen ist ausreichend sichergestellt, dass lediglich die tarifgebundenen Mitglieder des Verbands Einfluss auf die Tarifpolitik nehmen können. Dem steht nicht entgegen, dass die Satzung des VDMH nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft den Verlust von Funktionen vorsieht, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Darauf kommt es nicht an, weil die Satzung in diesem Sinne auszulegen ist. Den aufgeführten Regelungen ist zu entnehmen, dass die tarifpolitische Willensbildung nur den Mitgliedern mit Tarifbindung vorbehalten ist. Das hat zur Folge, dass mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust eines vorher wahrgenommenen Amts verbunden ist, in dem Angelegenheiten der Tarif- oder Arbeitskampfpolitik wahrgenommen worden sind (so auch für die vergleichbare Satzung des VDMB BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 43 mwN, BAGE 127, 27).

21

c) Soweit nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung zum Ausgleich wirtschaftlicher Schäden bei Arbeitskämpfen nach Maßgabe von Richtlinien, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden, eine Gefahrengemeinschaft der Mitglieder gebildet wird, steht dies der Annahme einer wirksamen OT-Mitgliedschaft nicht entgegen.

22

aa) Allerdings muss eine Verbandssatzung, die eine OT-Mitgliedschaft vorsieht, ausschließen, dass Mitglieder ohne Tarifbindung in Aufsichtsorganen mitwirken, die einen Streikfonds verwalten und damit über Geldmittel verfügen, die im Arbeitskampf um einen Tarifvertrag eingesetzt werden können und sollen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Unterstützung des Arbeitskampfes durch Beiträge oder sonstige Mittel, die auch von OT-Mitgliedern aufgebracht werden. Das ist tarifrechtlich unbedenklich, soweit die finanzielle Förderung nicht mit einer Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel für konkrete Arbeitskampfmaßnahmen einhergeht (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 130, 264; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden, vgl. BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 2593/09 - AP GG Art. 9 Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Nr. 102).

23

bb) Nach der Satzung des VDMH haben dessen OT-Mitglieder keinen Einfluss auf die Verwendung der Mittel der Gefahrengemeinschaft des VDMH. Hierfür sind nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung von der Mitgliederversammlung Richtlinien zu beschließen. Da ein solcher Beschluss eine Tarif- und Arbeitskampfangelegenheit betrifft, steht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung hierbei das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Eine rechtliche Einflussnahme ist damit ausgeschlossen. Dass die tarifgebundenen Mitglieder durch die Beiträge der OT-Mitglieder mittelbar im Arbeitskampf unterstützt werden können, ist unerheblich (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 35, BAGE 127, 27).

24

cc) Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der von der Mitgliederversammlung beschlossenen Arbeitskampfrichtlinien nicht aufgeklärt, so dass unklar sei, ob diese zwischen Mitgliedern mit Tarifbindung und OT-Mitgliedern trennen, ist schon unzulässig.

25

(1) Zwar konnte die Beklagte als Revisionsbeklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Verfahrensrügen („Gegenrügen“) erheben. Diese dienen dazu, ungünstige Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die nach dessen Rechtsauffassung für den Revisionsbeklagten keine Bedeutung hatten, ihm aber unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zum Nachteil gereichen können, zu beseitigen (vgl. BAG 28. September 2005 - 10 AZR 587/04 - zu III 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 278 = EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 123). Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) gerügt, reicht es allerdings nicht aus, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinzuweisen. Es muss vielmehr im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren erheblichen Tatsachen die rügeführende Partei dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 55, DB 2012, 1690; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

26

(2) Diesen Anforderungen wird die Gegenrüge der Beklagten nicht gerecht. Sie hat schon die mögliche Entscheidungserheblichkeit der bei dem VDMH bestehenden Arbeitskampfrichtlinien nicht dargetan. Dazu hätte die Beklagte zumindest Anhaltspunkte dafür benennen müssen, dass sich aus diesem Regelwerk eine unzulässige Einflussnahme der OT-Mitglieder auf die Arbeitskampfmaßnahmen des Verbands ergibt.

27

3. Der Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft ist fristgerecht erfolgt. Aufgrund ihrer Satzungsautonomie steht den Verbänden das Recht zu, die Fristen für den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine ohne Tarifbindung frei zu bestimmen. Dazu gehört auch die Freiheit, die Fristen für einen Austritt aus dem Verband und die für einen Statuswechsel innerhalb des Verbands unterschiedlich zu bemessen (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 46, BAGE 127, 27). Nach § 3 Abs. 3 der Satzung ist der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung jederzeit mit sofortiger Wirkung möglich. Demzufolge ist der zum 30. März 2009 vollzogene Statuswechsel in eine OT-Mitgliedschaft termingerecht vollzogen worden.

28

4. Über den Statuswechsel innerhalb des VDMH hat das zuständige Organ entschieden. Die Entscheidung hierüber hatte nach § 3 Abs. 3 der Satzung der Geschäftsführende Vorstand zu treffen. Dieser ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 der Satzung Vorstand iSd. § 26 BGB. Nach § 28 iVm. § 32 Abs. 2 BGB kann der Vorstand ohne Versammlung der Mitglieder wirksam Beschlüsse mit schriftlicher Zustimmung aller Mitglieder fassen(Schöpflin in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 28 Rn. 5; MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 28 Rn. 3). Gegen die im Umlaufverfahren beschlossene Statusänderung bestehen deshalb keine satzungsrechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat dies auch nicht gerügt oder geltend gemacht, der Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands sei nicht einstimmig erfolgt.

29

5. Ihren Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH hat die Klägerin vor dem Kampfaufruf der Beklagten hinreichend offengelegt.

30

a) Ein kurzzeitiger Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen beeinträchtigt ungeachtet der vereinsrechtlichen Zulässigkeit die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie. So kann eine Gewerkschaft bei Aufnahme der Tarifverhandlungen darauf vertrauen, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbands sind, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, BAGE 127, 27). Hieran orientieren sich ua. gewerkschaftliche Tarifforderungen und etwaige Arbeitskampfvorbereitungen. Der Gewerkschaft muss deshalb bei einem Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen die Möglichkeit eröffnet werden, zu überprüfen, ob sich hierdurch die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifabschluss wesentlich geändert haben. Andernfalls ist der erfolgte Statuswechsel tarifrechtlich wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB unwirksam(BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge hat der Arbeitgeberverband oder der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft rechtzeitig über die erfolgte Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Kenntnis zu setzen (BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 29 - 31, aaO; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 64 ff., aaO). Zwar mag eine Gewerkschaft - insbesondere wenn es während laufender Tarifverhandlungen zu einer Häufung von sog. Blitzwechseln kommt - gezwungen sein, ihre Kampftaktik zu ändern. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird sie hierdurch jedoch nicht dauerhaft kampfunfähig, sondern kann von den wechselnden Arbeitgebern den Abschluss von Firmentarifverträgen verlangen. Soweit sie hieran gehindert ist, weil der Arbeitgeber nicht nur in eine OT-Mitgliedschaft in seinem bisherigen Verband gewechselt ist, sondern zusätzlich einem anderen tarifzuständigen Verband beigetreten ist, mit dem die kampfführende Gewerkschaft durch Tarifverträge verbunden ist, ist diese Beschränkung Folge der aus diesem Tarifvertragsabschluss resultierenden Friedenspflicht, die mit dem Statuswechsel innerhalb eines anderen Verbands in keinem Zusammenhang steht.

31

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte durch den Wechsel der Klägerin von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH nicht in ihrer Tarifautonomie beeinträchtigt worden.

32

aa) Hierbei kann offenbleiben, ob der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft - wie die Klägerin meint - bereits vor Aufnahme oder erst während laufender Tarifverhandlungen erfolgt ist. Zwar ist die Klägerin seit dem 30. März 2009 Mitglied ohne Tarifbindung im VDMH und die ersten gemeinsamen Tarifverhandlungen haben nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erst danach, nämlich am 2. April 2009 begonnen. Ob sich der Beginn von Tarifverhandlungen nach der Aufnahme gemeinsamer Gespräche oder eher funktional bereits nach dem Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung von Tarifforderungen bestimmt, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte war durch das Schreiben des VPU - einem anderen Tarifpartner der Beklagten - vom 19. Mai 2009 und durch die Klägerin selbst in dem am 22. Mai 2009 stattgefundenen Gespräch zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Geschäftsführer des VPU einerseits und dem Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst, Industrie und dem Bezirkssekretär der Beklagten andererseits über den erfolgten Statuswechsel zu einem Zeitpunkt informiert worden, in dem die Tarifvertragsverhandlungen noch andauerten.

33

bb) Diese Unterrichtung war vor dem Kampfaufruf am 29. Mai 2009 erfolgt. Sie war entgegen der Auffassung der Beklagten ausreichend und hinreichend konkret.

34

(1) Deren Einwand aus der Revisionsbeantwortung, es sei offengeblieben, wer die Beklagte auf den Statuswechsel hingewiesen habe, ist unzutreffend. Die Klägerin hat im zweiten Rechtszug von der Beklagten nicht bestritten und damit mit der Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO dargelegt, dass die Unterrichtung durch den Geschäftsführer der Klägerin erfolgt sei. Die Information ist keineswegs „vage“ gehalten, wie die Beklagte meint, sondern hinreichend klar durch das vertretungsberechtigte Organ der Klägerin erfolgt.

35

(2) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten war die Klägerin nicht verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis über den Statuswechsel durch VDMH zu führen. Ein solcher Beleg gehört nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum sog. Blitzwechsel in eine OT-Mitgliedschaft nicht zu dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen und ist auch nicht aus arbeitskampfrechtlichen Gründen geboten. Die Unterrichtung über den Statuswechsel unterliegt keinen besonderen formalen Anforderungen. Entscheidend ist, dass der maßgebliche Sachverhalt der Gewerkschaft hinreichend klar mitgeteilt wird. Dem Transparenzerfordernis ist jedenfalls genügt, wenn der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft mündlich unterrichtet und begründete Zweifel an der Richtigkeit der Information nicht bestehen. Solche hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

36

II. Aufgrund des wirksamen Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH vor dem Warnstreik vom 29. Mai 2009 war dieser rechtswidrig.

37

1. Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft nach einem ihr rechtzeitig mitgeteilten Statuswechsel grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ihrer verbandsbezogenen Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen. Da dieses nicht an den angestrebten Tarifabschluss gebunden ist, ist ein solcher Streik rechtswidrig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerkschaft der Statuswechsel des Verbandsmitglieds nicht bekannt war. In diesem Fall ist der satzungsrechtlich zwar zulässige Wechsel wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB tarifrechtlich unwirksam und arbeitskampfrechtlich unbeachtlich(BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Wegen der fortbestehenden Tarifbindung kann die Gewerkschaft im Zusammenhang mit den laufenden Tarifverhandlungen gegen dieses Mitglied zur Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen rechtmäßig Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen.

38

2. Die Beklagte hat am 29. Mai 2009 bei der Klägerin zu einem Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung von fünf Prozent für die Beschäftigten der Druckindustrie aufgerufen. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Arbeitskampfmaßnahme gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH gerichtet hat, um der geforderten Tariferhöhung auf Verbandsebene Nachdruck zu verleihen.

39

a) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Arbeitskampfparteien vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekanntzugeben (BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - BAGE 81, 213; 23. Oktober 1996 - 1 AZR 269/96 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 126). Die von einer Arbeitskampfmaßnahme des Gegenspielers betroffene Seite muss wissen, woran sie ist (Däubler/Wolter Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 16 Rn. 9) und was von ihr verlangt wird, damit sie ihr eigenes Verhalten darauf einrichten und von ihren arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann (BAG 23. Oktober 1996 - 1 AZR 269/96 - zu II 1 der Gründe, aaO). An Form und Inhalt der Unterrichtung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen (ErfK/Dieterich 12. Aufl. Art. 9 GG Rn. 139). Für einen wirksamen Streikaufruf, dem ein entsprechender Streikbeschluss der zuständigen Gewerkschaft zugrunde liegt, genügt deshalb ein von der Gewerkschaft im zu bestreikenden Betrieb verteiltes Flugblatt, aus dem sich die Arbeitskampfmaßnahme und der Zeitraum des Streiks ergeben (BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - zu I 2 c der Gründe, aaO).

40

b) Hiernach hat die Beklagte die Beschäftigten der Klägerin für den 29. Mai 2009 zu einem verbandsbezogenen Warnstreik aufgerufen. Sie hat in diesem Aufruf durch ihren Bundesvorstand die Kampfmaßnahme gegenständlich (Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung in der Druckindustrie) und zeitlich (29. Mai 2009 von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) bestimmt und die Klägerin als Gegnerin dieses Warnstreiks bezeichnet. Dem Streikaufruf ist damit hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Warnstreik im Rahmen der Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag erfolgt und sich gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH richtet. Ein anderes Kampfziel und Kampfmittel kann dem Aufruf nicht entnommen werden. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten.

41

c) Dieses Verständnis des Streikaufrufs entsprach auch dem der Beklagten. Dies machen ihre außerprozessualen und schriftsätzlichen Äußerungen im vorliegenden Verfahren deutlich. Die Beklagte hat vor dem Streikaufruf in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 27. Mai 2009 erklärt, dass ihrer Auffassung nach die Klägerin auch nach dem Statuswechsel an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden sei. Des Weiteren hat sie noch in der Klageerwiderung ausgeführt, auch nach dem vorgenommenen Statuswechsel habe für die Klägerin noch Tarifbindung an die Tarifverträge der Druckindustrie mit der Folge bestanden, dass auch noch rechtmäßig zu Streiks habe aufgerufen werden können. In der Berufungsbeantwortung hat die Beklagte dies bekräftigt und dargelegt, das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass der Streikaufruf der Beklagten der Durchsetzung des Verbandstarifvertrags für die Druckindustrie gegolten habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt mangels ausreichender Transparenz des erfolgten Wechsels weiterhin von einer „Tarifmitgliedschaft“ der Klägerin im Arbeitgeberverband Druckindustrie ausgehen können.

42

3. Entgegen der Annahme der Beklagten war der Warnstreik auch kein rechtmäßiger Partizipationsstreik.

43

a) Der Partizipationsstreik richtet sich gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber, der zwar keinem Arbeitgeberverband angehört, gleichwohl aber kein an der Verbandsauseinandersetzung unbeteiligter Dritter ist. Merkmal und Wirksamkeitsvoraussetzung eines Partizipationsstreiks ist, dass der Außenseiter nicht lediglich faktisch am Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfes mehr oder weniger wahrscheinlich teilhat, sondern die Übernahme des umkämpften Verbandstarifvertrags rechtlich gesichert ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn ein mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag auf näher bezeichnete Verbandstarifverträge dynamisch verweist. Entscheidend für die Einbeziehung des Außenseiters in den Verbandsarbeitskampf ist, dass ein solcher Arbeitgeber durch die Vereinbarung der dynamischen Übernahme des Verbandstarifvertrags auf ein eigenständiges Aushandeln der Arbeitsbedingungen verzichtet hat und stattdessen an der Tarifgestaltung durch den Arbeitgeberverband partizipieren will. Seine Einbeziehung in einen Verbandsarbeitskampf geht schon deswegen nicht mit einer Beeinträchtigung seiner negativen wie positiven Koalitionsfreiheit einher, da dem Außenseiter die Möglichkeit verbleibt, sich durch Kündigung des Firmentarifvertrags und Aushandeln eigenständiger Arbeitsbedingungen mit der Gewerkschaft aus der Bindung an das verbandstarifliche Geschehen zu lösen (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136).

44

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können Außenseiter und Verband auch dann ein Kampfbündnis bilden, wenn der Außenseiter die Geltung der Verbandstarifverträge generell in den Arbeitsverträgen vereinbart hat (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 84, 212) oder die Übernahme der Verhandlungsergebnisse des Verbands einer Tarifpraxis des Außenseiters entspricht (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 b der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Auch in diesen Fällen ist der Außenseiter nicht unbeteiligter Dritter eines Verbandsarbeitskampfes, sondern partizipiert - wie bei einer dynamischen Bezugnahme in einem Firmentarifvertrag - am Ergebnis der Tarifverhandlungen umfassend und unmittelbar. Daher kann eine Gewerkschaft davon ausgehen, dass die Einbeziehung des Außenseiters nicht von vornherein ungeeignet ist, Druck auf die Arbeitgeberseite zur Durchsetzung des Verbandstarifvertrags zu erzeugen (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - aaO).

45

c) Anders als in dem vom Senat am 18. Februar 2003 (- 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5) entschiedenen Fall war vorliegend die generelle Übernahme des umkämpften Entgelttarifvertrags der Druckindustrie durch die Klägerin nicht gesichert. Dieser Tarifvertrag galt bei der Klägerin bis Ende März 2009 kraft tarifgebundener Mitgliedschaft in VDMH und nicht aufgrund eines Firmentarifvertrags mit dynamischer Bezugnahme auf die Verbandstarifverträge der Druckindustrie. Nach ihrem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft und der Begründung einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU gab es keine objektiven Anhaltspunkte mehr für eine rechtlich gesicherte Übernahme der Entgelttarifverträge der Druckindustrie durch die Klägerin. Die Beklagte musste vielmehr davon ausgehen, dass nunmehr bei dieser die mit dem VPU abgeschlossenen Tarifverträge maßgeblich sein würden.

46

d) Nichts anderes folgt aus der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie bei nur einem Teil der Arbeitnehmer. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin enthalten die Arbeitsverträge von nur 48 ihrer insgesamt 160 (gewerblich) Beschäftigen eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie. Unabhängig davon, ob der Beklagten dieser Umstand im Zeitpunkt des Streikaufrufs überhaupt bekannt war, folgt hieraus keine generelle Geltung des umkämpften Tarifvertrags im Unternehmen der Klägerin, zumal jene seit Oktober 2008 ohnehin anderslautende Bezugnahmeklauseln vereinbart hat.

47

4. Der Streikaufruf der Beklagten kann auch nicht als Aufruf zum Abschluss eines Firmentarifvertrags behandelt werden. Dem steht bereits entgegen, dass dies nach dem eindeutigen Streikaufruf nicht das Ziel des Warnstreiks war. Dieser diente vielmehr der Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen der Beklagten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Beklagte vor dem Warnstreik über den erfolgten Statuswechsel beim VDMH und die neu begründete Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU unterrichtet hatte und in Bezug auf den dort geltenden und mit der Beklagten vereinbarten Entgelttarifvertrag eine relative Friedenspflicht galt. Ein auf den Abschluss eines neuen Entgeltfirmentarifvertrags gerichteter Streik hätte hiergegen verstoßen und wäre deshalb rechtswidrig gewesen (dazu BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 a und 4 der Gründe, BAGE 104, 155).

48

5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht den Warnstreik vom 29. Mai 2009 als Unterstützungsstreik angesehen und einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Diese Annahme wird schon durch den Streikaufruf nicht gedeckt. Der Warnstreik sollte ersichtlich nicht zur Unterstützung des Hauptstreiks in der Druckindustrie geführt werden, sondern war nach dem Streikaufruf ein Teil dessen.

49

III. Die Beklagte hat durch den rechtswidrigen Streik bei der Klägerin eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 BGB begangen.

50

1. Der Warnstreik vom 29. Mai 2009 stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B der Gründe, BAGE 104, 155). Den darauf gerichteten Streikaufruf hat der Bundesvorstand der Beklagten verantwortet. Dessen Handeln ist ihr nach § 31 BGB zuzurechnen.

51

2. Die Beklagte hat den bei der Klägerin eingetretenen Schaden schuldhaft herbeigeführt.

52

a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre Streikziele sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über deren Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

53

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist jedenfalls von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Zum Zeitpunkt des Streikaufrufs war der Beklagten die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur OT-Mitgliedschaft bekannt. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat insbesondere im Urteil vom 4. Juni 2008 (- 4 AZR 419/07 - BAGE 127, 27) ausgeführt, dass dem Transparenzerfordernis bei einem Statuswechsel während laufender Tarifverhandlungen genügt ist, wenn der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband die Gewerkschaft hierüber unterrichtet. Es bestand damit zum Zeitpunkt des Streikaufrufs eine hinreichend gesicherte Rechtslage zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Blitzwechsels in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen. Die Beklagte konnte auch erkennen, dass die Erfüllung des darauf bezogenen Transparenzgebots keinen besonderen Formvorschriften unterliegt. Ihr Verhalten erklärt sich vielmehr aus einer grundsätzlichen Ablehnung der Zulässigkeit eines solchen Statuswechsels. Diese Rechtsposition konnte sie nach den gegenteiligen Grundsatzurteilen des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr ernsthaft vertreten. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es ihr nach der Information über den Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft aus Zeitgründen unmöglich war, von der Durchführung der beabsichtigen Kampfmaßnahme abzusehen. Es fehlt daher an tragfähigen Gründen, die es ihr erlaubt hätten, die Arbeitnehmer der Klägerin zum Warnstreik aufzurufen.

54

3. Die Sache ist allerdings nicht zur Entscheidung reif. Die Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen in der Klageerwiderung im Einzelnen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist deshalb insoweit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Benrath    

                 

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 84/02 Verkündet am:
17. Oktober 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Zahlungsantrag des Klägers in Höhe von 5.121.379,88 DM (= 2.618.519,95 nsen und der Feststellungsantrag abgewiesen worden sind, soweit es um die Blöcke 1, 5 und 6b geht.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte, deren Anteile von der Stadt Köln und dem Land Nordrhein -Westfalen gehalten werden, ist mit der Verwirklichung des Stadtentwicklungsprojekts "M. P. " auf einem etwa 20 ha großen, ehemals als Güterbahnhof genutzten Gelände in Köln befaßt. Ihr oblag die Projektsteuerung. Ziel war es, das Gesamtprojekt bis Anfang 1993 fertigzustellen. Zu diesem Zweck
wurde den Investoren zusammen mit dem Grundstückserwerb Bauverpflichtun- gen mit engen zeitlichen Vorgaben, gesichert durch Vertragsstrafen, auferlegt.
Der Kläger erwarb 1990 ein Grundstück aus dem Gesamtareal und errichtete dort den Block 4, den er zu großen Teilen an die A. -G. AG vermietet hat. Wegen Schlechterfüllung bei der Realisierung und Koordinierung des Gesamtprojekts und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, nämlich wegen Täuschung über die Defizite hinsichtlich des Entwicklungsstands des Gesamtprojekts , hat der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangt, und zwar durch Zahlungsklage in Höhe von 13.378.232,06 DM nebst Zinsen sowie im Wege der Feststellungsklage hinsichtlich weiterer noch nicht bezifferbarer Schäden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 13 Mio. DM dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß stattgegeben. Den Feststellungsantrag hat es als nicht gestellt betrachtet. Der Senat hat die Revisionen beider Parteien gegen dieses Urteil nicht angenommen und klargestellt, daß die angefochtene Entscheidung so zu verstehen sei, daß über den auf positive Forderungsverletzung gestützten Feststellungsantrag noch nicht entschieden sei.
Der Kläger hat im Betragsverfahren seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 19.518.084 DM weiter verfolgt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichtfertigstellung bzw. der nicht vertragsgemäßen Nutzung der Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 bzw. aus der nicht- oder nicht ordnungsgemäßen
Erfüllung der sonstigen von der Beklagten eingegangenen Vertragspflichten entsteht.
Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 14.396.704,12 DM stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den bezifferten Klageantrag im Umfang der Abweisung weiter. Den weiteren Antrag hat er eingeschränkt und auf die Feststellung präzisiert, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren mit der Entscheidung über den Zahlungsantrag nicht verbrauchten Schaden zu ersetzen, der entstehe, solange die Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 nicht fertiggestellt seien oder nach Errichtung nicht gemäß den vertraglichen Vereinbarungen , insbesondere nicht nach der vertraglich vorgesehenen Nutzungsbindung, genutzt würden.
Der Senat hat die Revision des Klägers hinsichtlich des Zahlungsantrags und hinsichtlich des Feststellungsantrags angenommen, soweit es um eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b geht. Im übrigen hat er die Revision des Klägers wie auch die Revision der Beklagten, die die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


A. Zahlungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger entsprechend dem rechtskräftigen Grundurteil Schadensersatz wegen unzutreffender vorvertraglicher Erklärungen der Beklagten bezüglich Block 2 und Block 5 in Höhe des Wertes zu, um den der Kläger das von ihm mit Block 4 bebaute Grundstück infolge seiner Fehlvorstellungen zu teuer erworben hat. Es schätzt diese Wertdifferenz , sachverständig beraten, auf 10,7 Mio. DM und zieht davon im Wege des Vorteilsausgleichs einen sogenannten Overrent-Ertrag von (rund) 1,7 Mio. DM ab. Denn der Kläger habe von der A. -G. AG einen um 2 DM/qm höheren Mietzins erhalten, als es dem von dem Sachverständigen als lageangemessen veranschlagten Mietzins entspreche.
2. Als Schaden spricht das Berufungsgericht dem Kläger hilfsweise geltend gemachte kapitalisierte Verzugszinsen in Höhe von 5.396.704,12 DM zu, versagt ihm aber den in erster Linie verfolgten Anspruch auf Ersatz des Zinsaufwandes , der dem Kläger zur Finanzierung des von ihm bei vertragsgerechtem Verhalten nicht geschuldeten Kaufpreisanteils erwachsen ist und den er mit 8.818.084 DM beziffert hat. Es meint, es fehle an einer hinreichenden Darlegung dieses Anspruchs, da der Kläger nichts zu anrechenbaren Steuervorteilen vorgetragen habe, die er infolge der Kreditbelastung gehabt habe.
3. Hinsichtlich des weiterhin hilfsweise geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " (Ansiedlung von Künstlern und Kulturschaffenden in Block 4) verneint das Berufungsgericht einen Schaden mit der Begründung, der Kläger habe nicht dargelegt, daß er überhaupt einen Mietausfall erlitten habe.

II.


Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.
1. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten nicht angenommen hat, ist davon auszugehen, daß der Kläger das Grundstück infolge der unzutreffenden , von der Beklagten zu vertretenden Angaben zum Entwicklungsstand des Gesamtprojekts bezüglich Block 2 und Block 5 um 10,7 Mio. DM zu teuer erworben hat. Daß dieser Betrag, der den nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß zu ersetzenden Schaden beziffert, nach den Regeln der Vorteilsausgleichung gemindert sein kann, steht außer Zweifel. Die für die Schadensberechnung maßgebliche Differenzhypothese (BGHZ 98, 212, 217) bedingt die den Schaden mindernde Berücksichtigung von Vorteilen, die dem Geschädigten infolge des Schadensereignisses zugeflossen sind. Dabei besteht heute Einigkeit, daß nicht generell jeder Vorteil den Schaden mindert, sondern daß eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entsprechen muß, mithin den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen darf. Der einzelne Vorteil muß, soll er zur Anrechnung führen, mit dem einzelnen Nachteil kongruent sein, d.h. ihm seiner Art nach entsprechen (Senat, Urt. v. 6. Juni 1997, V ZR 115/96, NJW 1997, 2378 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen gegen die von dem Berufungsgericht vorgenommene Vorteilsausgleichung an sich keine Bedenken. Da der den Schaden bestimmende Minderwert auf der von dem noch nicht intakten Umfeld geprägten Ertragseinbuße beruht, ist es grundsätzlich gerechtfertigt,
Mehrerträge im Einzelfall schadensmindernd zu berücksichtigen. Zwar hätte dies, worauf die Revision zu Recht hinweist, bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu unterbleiben, wenn der Mehrertrag auf eine besondere Geschäftstüchtigkeit des Klägers zurückzuführen wäre, die dem Schädiger nicht zugute kommen dürfte (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Band 2a, § 249 Rdn. 263). Die Revision verweist aber nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , wonach die über dem lageangemessenen Durchschnitt liegende Miete der Geschäftstüchtigkeit des Klägers zuzuschreiben ist. Möglich, wenn nicht sogar näher liegend ist, daß die Miete im Hinblick auf die Vorstellung von Mieter und Vermieter vereinbart wurde, daß das Stadtentwicklungsprojekt in dem vorgesehenen zeitlichen Rahmen verwirklicht werden würde. Dann aber gäbe es keinen Grund, den Vorteil dem Kläger zu belassen.
Etwas anderes gilt aber, wenn der Vortrag des Klägers zutrifft, er habe den höheren Mietzins von der A. -G. AG nur deswegen bekommen, weil er im Hinblick auf sonst gerechtfertigte Mietminderungen finanzielle Zugeständnisse bei einem früheren Mietverhältnis in Düsseldorf gemacht habe. Diese Zugeständnisse überstiegen den in Köln erwirtschafteten "Overrent". Trifft dies zu, so hat sich der Kläger den ursprünglichen Vorteil nur durch anderweitige wirtschaftliche Zugeständnisse erhalten können. Im Saldo bliebe kein anrechenbarer Vorteil.
Dem kann man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen halten, eine Mietminderung sei gar nicht gerechtfertigt gewesen. Wenn der Sachverständige wegen der Situation im Umfeld einen geringeren Mietertrag zugrunde legt, so deswegen, weil die noch fehlende Fertigstellung des Gesamtprojekts Einfluß auf den angemessenen Mietzins hat. Das beruht
nicht lediglich auf der rein subjektiven Einschätzung potentieller Mieter, sondern auf Umständen, die die Nutzung objektiv erschweren und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Gründe dafür sind beschwerlichere Zugänge, fehlende Einbindung in eine funktionierende Infrastruktur und ein insgesamt weniger attraktives Erscheinungsbild. Solche Nachteile können die Abläufe in einem Gewerbebetrieb erschweren, seine Außendarstellung beeinträchtigen und sein Ansehen mindern. Der Mieter, der Büro- oder Gewerberäume unter der vertragsgemäßen Voraussetzung eines intakten Umfelds mietet, kann daher die Miete mindern, wenn solche Umstände die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinflußen (§ 536 Abs. 1 BGB a.F.). Daß dies hier der Fall war, liegt angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten allgemeinen Ertragseinbußen nicht fern. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht einen solchen Nachteil für den Kläger deswegen nicht verneinen, weil er und die Mieterin dem von dieser geltend gemachten Minderungsrecht wirtschaftliche Bedeutung beigemessen und dies - nach dem Klägervortrag - zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht haben. Danach verzichtete der Kläger auf Forderungen aus dem früheren Mietverhältnis mit der A. -G. AG, und diese verzichtete auf Minderungsansprüche. Dies dokumentiert den wirtschaftlichen Wert dieser Ansprüche. Mit Blick darauf kann auch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht in analoger Anwendung des § 539 Satz 1 BGB a.F. von einem Verlust des Minderungsrechts wegen fehlender Geltendmachung ausgegangen werden. Die Mietvertragsparteien sind, wie der Vergleich zeigt, nicht von einem Verlust des Minderungsrechts ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr seinem Vortrag zufolge mit Rücksicht auf die angedrohte Minderung auf Mietzinsforderungen in erheblichem Umfang verzichtet. Dies läßt, wenn es zutrifft, den von dem Sachverständigen ermittelten "Over-
rent-Ertrag" wieder entfallen und steht einer Berücksichtigung im Wege des Vorteilsausgleichs entgegen.
2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Zinsaufwand, der auf den Kaufpreisanteil entfällt, der bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wäre, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Soweit es indes eine nicht hinreichende Darlegung des Klägers zu anrechenbaren Steuervorteilen bemängelt, verkennt es - wie die Revision zu Recht rügt - die Darlegungs- und Beweislast.
Für Vorteile, die den Schaden mindern, ist grundsätzlich der Schädiger, hier also die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig (Senat, Urt. v. 3. Mai 2002, V ZR 115/01, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Zwar gibt es Beweiserleichterungen , die bis zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gehen können, wenn es sich um Geschehnisse aus dem Vermögensbereich der anderen Partei handelt. Das ist insbesondere bei der Berücksichtigung von Steuervorteilen angenommen worden (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814, 1815; Senat, Urt. v. 15. April 1983, V ZR 152/82, NJW 1983, 2137, 2139). Doch muß zunächst der Schädiger überhaupt geltend machen, daß ein Vorteil anzurechnen ist. Diese Darlegung ist ihm nicht erlassen (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86 aaO). Daran fehlt es. Die Revisionserwiderung verweist zwar auf Tatsachenvortrag, in dem darauf hingewiesen wird, daß nach einer Entscheidung des Senats vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, WM 1997, 2309) bei der Ermittlung des Schadens eine Gesamtbetrachtung stattzufinden habe. Darin liegt jedoch auf den konkreten Fall bezogen keine Geltendmachung von Steuervorteilen, die dem Kläger infolge seines durch den Zinsaufwand entstandenen Schadens zugeflossen sein sollten. Eine nähere
Darlegung hätte dazu schon deswegen erfolgen müssen, weil ein etwaiger Steuervorteil des Klägers dadurch wieder ausgeglichen sein kann, daß der zugesprochene Schadensersatzbetrag seinerseits zu versteuern ist (vgl. BGHZ 74, 103, 114; BGH, Urt. v. 25. Februar 1988, VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788; Urt. v. 9. Dezember 1987, IVa ZR 204/86, NJW-RR 1988, 856).
3. Sollte es nach den nachzuholenden Feststellungen des Berufungsgerichts gleichwohl bei einer Nichtberücksichtigung des von dem Kläger auf 8.818.084 DM bezifferten Schadensbetrages bleiben, gilt für die hilfsweise geltend gemachten Forderungen folgendes:
Die kapitalisierten Verzugszinsen, die das Berufungsgericht in Höhe von 5.396.704,12 DM berücksichtigt hat, würden sich erhöhen, wenn der Grundschadensbetrag nicht 9 Mio. DM - wie vom Berufungsgericht angenommen -, sondern 10,7 Mio. DM betragen sollte. Der Kläger beziffert sie auf 6.321.244,44 DM.
Hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " bleiben die Angriffe der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts ohne Erfolg. Zwar ist es richtig, daß § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten die Darlegungslast erleichtert. Die Revision verweist aber nicht auf Tatsachenvortrag, dem zu entnehmen wäre, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, daß der Markt eine Vermietung zu einem Quadratmeterpreis von 29 DM, den der Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, überhaupt hergegeben hätte. Wie der Sachverständige festgestellt hat, war ein Quadratmeterpreis von 29 DM angesichts der besonderen Situati-
on mehr, als man an sich hätte erzielen können. Nur die A. -G. AG war bereit, diesen Mietzins zu zahlen. Daß der Kläger wegen der unzureichenden Projektbegleitung der Beklagten nicht mehr an Miete erzielen konnte (vom "Overrent-Ertrag" abgesehen), mag richtig sein. Diesen Schaden deckt aber der Anspruch aus culpa in contrahendo ab; denn der Kläger erhält die auf dem geringeren Ertragswert beruhende Werteinbuße erstattet.
B. Feststellungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse, soweit der Feststellungsantrag noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, sich also auf die nicht bzw. nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b bezieht. Der Kläger habe den Schaden beziffern und daher zur Leistungsklage übergehen können.
2. Im übrigen hält es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aber auch für nicht begründet.

a) Hinsichtlich Block 1 fehle es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Fehlverhalten der Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten des Investors hätten auch vertraglich geschuldete frühere Bemühungen der Beklagten, die Bauverpflichtung durchzusetzen, keinen Erfolg gehabt.

b) Hinsichtlich Block 5 und 6b verneint das Berufungsgericht ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten.

II.


1. Der Umstand, daß der Schaden während des Prozesses bezifferbar geworden sein mag, führt nicht dazu, daß der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses nicht mehr zulässig wäre. Ist eine Feststellungsklage - wie hier - in zulässiger Weise erhoben worden, so ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (BGH, Urt. v. 31. Januar 1952, III ZR 131/51, LM ZPO § 256 Nr. 5; Urt. v. 15. November 1977, VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, bei BGHZ 70, 39 nicht abgedruckt).
2. a) Bei der Frage, ob die nicht rechtzeitige Fertigstellung von Block 1 auf eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, verkennt das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast, wenn es annimmt, daß nichts dafür spreche, daß die Beklagte eine Fertigstellung bis zum 31. Dezember 1994 durchgesetzt hätte, wenn sie frühzeitig, und nicht erst im September 1995 eine Vertragsstrafe verhängt hätte. Denn es ist nicht Sache des Klägers darzulegen, daß der Schaden bei vertragsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre. Vielmehr muß die Beklagte darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, daß der Investor auch dann, wenn sie sich rechtzeitig um eine zügige Bebauung gekümmert hätte, wegen seiner Liquiditätsschwierigkeiten außerstande gewesen wäre, den Block vertragsgemäß zu erstellen (vgl. BGHZ 143, 362, 365 f.; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2001, III ZR 288/00, NJW 2002, 888, 890; MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rdn. 218 m.w.N.). Daran fehlt es, und davon geht auch das Berufungsgericht nicht aus. Es erwägt selbst, daß die Beklagte auch von ihrem Rücktrittsrecht hätte Gebrauch machen und den Block - wie später auch geschehen - anderweit vergeben kön-
nen. Mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose läßt sich aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall die Kausalität des Fehlverhaltens der Beklagten verneinen. Hierzu bedarf es konkreter Feststellungen.

b) Hinsichtlich Block 5 macht die Revision zu Recht geltend, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten Sachvorbringen des Klägers übergangen.
Das gilt allerdings nicht für den unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellten Vortrag, die Entscheidung, den Block in Teilen zu vermarkten, sei falsch gewesen. Dem brauchte das Berufungsgericht , weil dieses Vorbringen zu wenig auf die konkrete Situation eingeht, nicht nachzugehen. Die Beklagte hatte - wie sie im einzelnen unter Beweisantritt dargelegt hat - zunächst versucht, den Block als solchen zu vermarkten, was aber wegen des großen Volumens nicht gelang. Die Revision verweist nicht auf Vortrag des Klägers, der hierauf eingegangen wäre. Die Frage, ob eine Vermarktung durch Aufteilung sachgerecht ist, kann aber nicht generell, etwa durch Sachverständigengutachten, geklärt werden, sondern muß vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse beurteilt werden.
Berechtigt ist die Rüge aber hinsichtlich des Vortrags, wonach die Beklagte eine sichere Möglichkeit der Vermarktung habe scheitern lassen, um eine vage Hoffnung auf ein anderes Geschäft (mit R. ) aufrechterhalten zu können. Wenn das Berufungsgericht meint, daß es der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wenn sie an R. festgehalten habe, da dies dem Gesamtkonzept des "M. -P. " entsprochen habe, so ist dies zwar eine mögliche Erwägung, die aber nicht ohne vorherige Aufklärung der Tatsa-
chen angestellt werden durfte. Der Kläger behauptet hierzu nämlich unter Beweisantritt , daß das Geschäft mit einem Investor deswegen gescheitert sei, weil die Beklagte ihn abgelehnt habe, obwohl dieser auch an R. habe vermieten wollen. Trifft dies zu, kommt eine schuldhafte Pflichtverletzung in Betracht, durch die eine erhebliche Verzögerung eingetreten wäre. Die Ablehnung soll nämlich im Mai 1992 erklärt worden sein; die jetzige Realisierung des Projekts hat das Berufungsgericht für 2003 angenommen.
Bei der Schadensberechnung wird, soweit das Berufungsgericht dem Grunde nach zu einem Anspruch kommen wollte, zu berücksichtigen sein, daß nur der Schaden erfaßt wird, der nicht schon Gegenstand der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist. Ein solcher weiterer Schaden, der durch eine verzögerte Fertigstellung des Blocks 5 verursacht wurde, ist nicht von vornherein notwendigerweise mit dem von der culpa in contrahendo verursachten Vertrauensschaden deckungsgleich.
Hinsichtlich von Block 6b läßt das Berufungsgericht vom rechtlichen Ansatz her die Haftung der Beklagten zwar daran scheitern, daß es an einer schuldhaften Pflichtverletzung fehle. Es heißt nämlich, es könne nicht von Versäumnissen der Beklagten ausgegangen werden. Die weiteren Ausführungen zeigen aber, daß es - wie bei Block 1 - um Fragen der Kausalität geht. Insoweit leidet das Urteil an demselben Rechtsfehler, wie er zu Block 1 unterlaufen ist.

III.


Soweit Ansprüche wegen positiver Forderungsverletzung von dem Kläger "äußerst hilfsweise" auch zur Auffüllung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht und vom Berufungsgericht abgewiesen worden sind, geht die Revision hierauf nicht gesondert ein, da es aus ihrer Sicht darauf nicht ankommt. Der Senat brauchte daher nicht im einzelnen zu prüfen, ob solche Ansprüche bestehen und insbesondere der Höhe nach schlüssig dargelegt sind. Soweit es um den Haftungsgrund geht, kommen Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b in Betracht. Das hierzu bei der Behandlung des Feststellungsantrags Ausgeführte gilt in gleicher Weise auch für daraus abgeleitete Zahlungansprüche.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 187/10
Verkündet am:
18. Januar 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
gewinn.de

a) Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber kein absolutes
Recht an dem Domainnamen und damit kein sonstiges Recht im Sinne

b) Derjenige, der bei einer sogenannten WHOIS-Abfrage bei der DENIC als
Inhaber eines Domainnamens eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC
materiell berechtigt zu sein, kann diese Stellung im Sinne von § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 2 BGB auf Kosten des Berechtigten erlangt haben.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. September 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung, dass er an deren Stelle in die von der DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e.G. in Frankfurt am Main (im Weiteren: DENIC) geführten "WHOIS-Datenbank" als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" eingetragen wird.
2
Das Unternehmen "NetzWerkStadt" ließ im Jahre 1996 den Domainnamen "gewinn.de" bei der DENIC, der zentralen Vergabestelle für Internetdomainnamen unter der Top-Level-Domain ".de", für sich registrieren. Bei einer auf der Internetseite der DENIC möglichen "WHOIS-Abfrage", mit der unter anderem der Inhaber und der administrative Ansprechpartner eines Internetdomainnamens unter der Top-Level-Domain ".de" erfragt werden können, wurde bis zum 2. Juni 2005 "NetzWerkStadt" als Inhaber des Domainnamens mit dem Namen "gewinn.de" genannt. Nach diesem Zeitpunkt wechselten die Angaben über den Domaininhaber; "NetzWerkStadt" wurde dabei nicht mehr als Inhaber genannt. Am 3. Februar 2006 schloss die Beklagte auf der DomainHandelsplattform Sedo mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Domainnamen "gewinn.de".
3
Der Kläger hat behauptet, "NetzWerkStadt" sei zur Zeit der Registrierung des Domainnamens "gewinn.de" im Jahre 1996 die Bezeichnung für sein Unternehmen gewesen. Der zwischen ihm und der DENIC geschlossene Registrierungsvertrag bestehe nach wie vor fort, so dass er weiterhin Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" sei. Bei einer "WHOIS-Abfrage" werde jedoch seit dem 15. Februar 2006 die Beklagte als Inhaberin dieses Domainnamens genannt.

4
In einem weiteren, noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren verfolgt der Kläger unmittelbar gegen die DENIC seine Eintragung als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de".
5
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in die Änderung der WHOIS-Datenbank der DENIC e.G., Kaiserstraße 75 bis 77, 60329 Frankfurt, dahingehend einzuwilligen, dass als Inhaber und administrativer Ansprechpartner (admin-c) der Domain "gewinn.de" der Kläger eingetragen wird; hilfsweise festzustellen, dass der Kläger als Vertragspartner der DENIC e.G. Inhaber der Domain "gewinn.de" ist; äußerst hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht Inhaberin der Domain "gewinn.de" ist.
6
Die Beklagte hat demgegenüber insbesondere geltend gemacht, nicht sie, sondern ihr Geschäftsführer sei als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" registriert. Zudem habe sie den Domainnamen "gewinn.de" ordnungsgemäß erworben.
7
Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz mit dem Hauptantrag erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Brandenburg, GRUR-RR 2010, 485). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten die Zustimmung dazu verlangen , dass er an deren Stelle als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC eingetragen werde. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Der Kläger könne sein Hauptbegehren nicht mit Erfolg auf einen dinglichen Beseitigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog stützen. Der Inhaber einer Internetadresse erwerbe an dem dazu gehörenden Domainnamen kein absolutes Recht, sondern lediglich ein - relativ wirkendes - vertragliches Nutzungsrecht von regelmäßig unbestimmter Dauer. Die Möglichkeit, den registrierten Domainnamen ausschließlich nutzen zu können, sei allein technisch bedingt. Eine derartige Ausschließlichkeit begründe noch kein absolutes Recht. Ein Bedürfnis, den Anwendungsbereich des quasinegatorischen Rechtsschutzes auf rechtliche Positionen zu erstrecken, die weder absolute Rechte noch sonstige deliktisch geschützte Rechtsgüter beträfen , bestehe nicht.
10
Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren sei auch nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB begründet. Die Beklagte habe nichts rechtsgrundlos auf Kosten des Klägers erlangt.
11
Die vom Kläger gestellten Hilfsanträge seien mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Bei einem Streit mehrerer Forderungsgläubiger um ihre Berechtigung sei eine Feststellungsklage zwar im Allgemeinen zulässig. Im Streitfall gehe es jedoch nicht um einen bloßen Gläubigerstreit im Sinne von § 75 ZPO, sondern vielmehr um die Klärung der Frage, welche der beiden Prozessparteien Vertragspartner eines laufenden Dauerschuldverhältnisses sei. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits die DENIC gerichtlich in Anspruch genommen habe. Unter diesen Umständen verbessere die hilfsweise erhobene Feststellungsklage den Rechtsschutz für den Kläger nicht, sondern führe zu einem erheblichen prozessualen Mehraufwand und könne divergierende Entscheidungen zur Folge haben.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist uneingeschränkt zulässig. Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei mangels hinreichender Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Bereicherungsanspruchs des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB wende. Die Revision hat das Berufungsurteil auch in dieser Hinsicht mit der Sachrüge gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO angegriffen.
13
Die genannte Vorschrift verlangt vom Revisionskläger die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers. Sie weist zwar nur knapp darauf hin, dass dem Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zustehe, weil sie eine "Buchposition" in der "WHOIS-Datenbank" ohne rechtlichen Grund erlangt habe, die aufgrund der tatsächlichen Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts des Domaininhabers dem Kläger zugewiesen sei. Die Rügen der Revision richten sich hauptsächlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, bei einem Domainnamen handele es sich nicht um ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Der Kläger verfolgt im Streitfall jedoch nur einen prozessualen Anspruch, der lediglich auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird. In einem solchen Fall ist die rechtliche Nach- prüfung in vollem Umfang eröffnet, wenn eine Sachrüge in zulässiger Weise in das Revisionsverfahren eingeführt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 1990 - IX ZB 89/89, NJW 1990, 1184; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 551 Rn. 13; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 551 Rn. 13). Für die uneingeschränkte Zulässigkeit der Revision genügt es daher, dass der Kläger sich in seiner Revisionsbegründung nur mit dem vom Berufungsgericht verneinten Anspruch aus § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog näher auseinandergesetzt hat.
14
III. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Hauptbegehren des Klägers sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Hauptklageantrag , mit dem der Kläger seine Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC erstrebt, nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
16
Der Kläger wendet sich dagegen, dass bei einer "WHOIS-Abfrage" nicht er, sondern die Beklagte als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" genannt wird. Er macht geltend, dadurch über den Domainnamen faktisch nicht mehr verfügen zu können. Die Revisionserwiderung weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" der DENIC keine konstitutive Wirkung dahingehend entfaltet, wer Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung eines bestimmten Domainnamens geworden ist (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767; Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Gleichwohl verfolgt der Kläger mit der Änderung des Eintrags in der "WHOISDatenbank" der DENIC ein berechtigtes Interesse, das er durch die Inanspruchnahme der Beklagten auch erreichen kann. Sein gegen die Beklagte ge- richtetes Hauptbegehren erweist sich für ihn weder als objektiv sinnlos noch kann er sein Klageziel auf einfachere Weise erreichen.
17
a) Nach § 8 Satz 1 der auf der Internetseite der DENIC bereitgestellten DENIC-Domainbedingungen veröffentlicht die DENIC unter anderem den Namen und die Anschrift des Inhabers des Domainnamens ("Domaininhaber"). Gemäß Nr. VII Satz 1 der DENIC-Domainrichtlinien ist der "Domaininhaber" der Vertragspartner der DENIC und damit der an der Domain materiell Berechtigte. Danach kann der Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" nicht jede Bedeutung und Wirkung abgesprochen werden. Die Eintragung hat zumindest eine deklaratorische Wirkung für die Frage, wer nach außen als Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung eines bestimmten Domainnamens - und damit als Inhaber des Domainnamens - angesehen wird (vgl. Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Ein am Erwerb eines Domainnamens Interessierter wird einem Erwerbsgeschäft mit demjenigen, der nicht als Domaininhaber bei einer "WHOIS-Abfrage" genannt wird, skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüberstehen. Ungeachtet der materiellen Berechtigung ist es daher wahrscheinlich, dass die Namensangabe bei der "WHOIS-Abfrage" maßgebliche Bedeutung für die Verwertbarkeit eines Domainnamens hat. Unter diesen Umständen besteht ein berechtigtes Interesse des materiell Berechtigten an der Berichtigung der Eintragung, wenn die Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" mit der tatsächlichen Rechtslage nicht übereinstimmt.
18
b) Die gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten ist dazu geeignet, das vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgte Klageziel zu erreichen.
19
Dem Inhaber eines Domainnamens steht aus dem von ihm mit der DENIC geschlossenen Registrierungsvertrag ein vertraglicher Berichtigungsan- spruch zu, wenn ein Dritter in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC zu Unrecht als Inhaber des Domainnamens geführt wird (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob seine Ansprüche werkvertraglicher (vgl. Kleespies, GRUR 2002, 764, 767) oder dienstvertraglicher (vgl. Koch in Kilian /Heussen, Computerrechtshandbuch, Stand 2011, Teil 2, Domains Rn. 68) Natur sind. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die DENIC eine Änderung der Eintragung betreffend den Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" zugunsten des Klägers bislang abgelehnt und davon abhängig gemacht, dass die Beklagte hierzu ihre Zustimmung erteilt. Gegenteilige Feststellungen hat auch das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
Der Kläger hat zwar in zweiter Instanz erfolgreich gegen die DENIC seine Eintragung als Domainnamensinhaber erstritten. Da dieses Urteil bislang nicht rechtskräftig ist, kann er sein Klageziel aber nicht auf einfachere Weise, etwa im Wege der Vollstreckung dieses Titels, erreichen.
21
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Inhaber eines Domainnamens verfüge nicht über ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB und könne daher nicht gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC zu Unrecht geführten (formell) Berechtigten die Zustimmung zur Berichtigung der Eintragung verlangen.
22
a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist allerdings umstritten, ob die Registrierung eines Domainnamens dem Inhaber ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB verschafft. Diese Frage ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und dem überwiegenden Teil des Schrifttums zu verneinen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. November 2004 - 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 = NJW 2005, 589 - ad-acta.de, mwN; Bornkamm in Festschrift für Schilling, 2007, S. 31, 38 f.; Brockmann in Büscher /Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., Kap. 14 Rn. 417; aA OLG Köln, GRUR-RR 2006, 267, 268 - investment.de; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., Einl. G Rn. 15).
23
Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber der Internetadresse weder Eigentum am Domainnamen selbst noch ein sonstiges absolutes Recht, das ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008 - I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 Rn. 21 = WRP 2008, 1520 - afilias.de; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 = WRP 2009, 1533 - airdsl). Der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle begründet allerdings ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht zu Gunsten des Domainnamensinhabers, das ihm ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie das Eigentum an einer Sache (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de; BGH, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 - airdsl). Eine Einordnung als deliktsrechtlich geschütztes Recht erfordert dagegen eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition (vgl. Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39). Bei einem Domainnamen handelt es sich aber nur um eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung , die darauf beruht, dass ein Domainname von der DENIC nur einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 5/05, GRUR 2005, 969, 970 = NJW 2005, 3353; BFH, Urteil vom 19. Oktober 2006 - III R 6/05, BFHE 215, 222, 225 = BB 2007, 769, 770; Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39).

24
b) An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass ein Domainname als immaterieller Vermögensgegenstand im Sinne von § 266 Abs. 2 Buchst. A Ziffer I 1 HGB wegen inhaltlicher Vergleichbarkeit mit einem gewerblichen Schutzrecht dem zu bilanzierenden Anlagevermögen zuzurechnen ist (vgl. BFHE 215, 222, 225). Diese Einordnung ist allein durch die faktische Ausschließlichkeitsstellung begründet, die für die Einstufung als immaterielles Wirtschaftsgut und damit als immaterieller Vermögensgegenstand im Sinne von § 266 Abs. 2 Buchst. A Ziffer I 1 HGB ausreicht (vgl. BFHE 215, 222, 225). Die Vergleichbarkeit beruht dagegen nicht auf einer von der Rechtsordnung eingeräumten Rechtsposition, die Voraussetzung für den Schutz als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist.
25
Entgegen der Ansicht der Revision ist das Nutzungsrecht des Inhabers eines Domainnamens daher auch nicht mit dem berechtigten Besitz als sonstigem Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vergleichbar. Die Ausschließlichkeitsrechte des berechtigten Besitzers werden - anders als diejenigen des Inhabers eines Domainnamens - gerade nicht vertraglich begründet, sondern beruhen auf dem gesetzlich geregelten und gegenüber jedem Dritten wirkenden Besitzschutz gemäß den §§ 858 ff. BGB.
26
c) Der Revision ist auch nicht darin beizutreten, dass verfassungsrechtliche Vorgaben sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Einordnung des ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Domainnamen eine Einordnung als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB gebieten.

27
aa) Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 24. November 2004 (GRUR 2005, 261 - ad-acta.de) dem aus dem Vertrag mit der DENIC folgenden Nutzungsrecht an einem Internetdomainnamen eine eigentumsfähige Position im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuerkannt hat, hat dies nicht zwangsläufig eine Einordnung dieses Nutzungsrechts als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB zur Folge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählen zu dem gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentum auch die auf dem Abschluss von Verträgen beruhenden obligatorischen Rechte, die als relative Rechte gerade nicht den für absolute Rechte bestimmten Schutz des § 823 Abs. 1 BGB genießen (vgl. MünchKomm.BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 160; Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39). Dementsprechend unterscheidet auch das Bundesverfassungsgericht deutlich zwischen der Qualifizierung als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auf der einen und der Einordnung als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf der anderen Seite. In dem Beschluss vom 24. November 2004 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Inhaber eines Domainnamens weder das Eigentum an der Internetadresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an dem Domainnamen erwirbt, das ähnlich einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre; dem Inhaber des Domainnamens stehe vielmehr nur ein vertragliches, relativ wirkendes Nutzungsrecht zu (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 - ad-acta.de).
28
bb) Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Revision angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. September 2007 (MMR 2008, 29). Der Gerichtshof hat dort dargelegt, dass das durch den Vertrag mit der DENIC begründete Nutzungsrecht eine geschützte Eigentumsposition im Sinne von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK darstellt. Einer notwendigen Einbeziehung in den Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht bedarf es nicht, da der Schutz dieser Rechtsposition - wie auch der sonstiger vertraglicher Rechte - bereits durch das Vertragsregime und die dadurch begründeten primären Erfüllungs- und Sekundäransprüche im Falle einer Leistungsstörung hinreichend gesichert ist. Entgegen der Ansicht der Revision ist dieser Schutz nicht dadurch beeinträchtigt, dass die DENIC aufgrund ihrer Position als einzige Vergabestelle für Domainnamen unter der Top-LevelDomain ".de" möglicherweise Einschränkungen bei der Frage der Kontrahierungsfreiheit unterliegt.
29
d) Soweit die Revision darauf verweist, dass das dem Inhaber des Domainnamens zustehende Nutzungsrecht ein wirtschaftlich verwertbares Gut darstellt, das nicht nur veräußert oder übertragen werden kann, sondern auch der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO unterliegt, verhilft ihr das ebenfalls nicht zum Erfolg. Gegenstand der Pfändung gemäß § 857 Abs. 1 ZPO ist nicht der Domainname als solcher im Sinne eines absoluten Rechts, sondern vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber des Domainnamens gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen (vgl. BGH, GRUR 2005, 969, 970).
30
3. Der vom Kläger mit dem Hauptantrag gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
31
a) Eine solche Haftung setzt voraus, dass der Eingriff gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 75 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN). Ein derartiger "betriebsbezogener" Eingriff fehlt bei einer Beeinträchtigung von Rechten oder Rechtsgütern, die mit der Wesenseigentümlichkeit des Betriebs nicht in Beziehung stehen und daher - auch wenn sie für den Betrieb wichtig sind - den Betrieb weder zum Erliegen bringen noch in seiner Substanz ernstlich beeinträchtigen, wenn sie dem Betriebsinhaber nicht mehr ungestört zur Verfügung stehen. Die Berücksichtigung einer solchen Störung würde das Gewerbevermögen ohne sachlichen Grund privilegieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80, NJW 1983, 812, 813).
32
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Substanz des Betriebs des Klägers durch die Störung seiner behaupteten Stellung als Inhaber des streitgegenständlichen Domainnamens tatsächlich beeinträchtigt wird. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag des Klägers auf, den das Berufungsgericht in dieser Hinsicht rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen hätte.
33
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Verneinung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs des Klägers. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die begehrte Zustimmung von der Beklagten nach den Grundsätzen der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB verlangen kann.
34
a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB mit der Begründung verneint, die Beklagte habe nichts auf Kosten des Klägers erlangt. Die Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" genieße weder öffentlichen Glauben noch ermögliche sie einen gutgläubigen Erwerb von Rechten an einem Domainnamen. Ebenso wenig komme der Eintra- gung konstitutive Wirkungen zu. Es handele sich um ein rein privates Verzeichnis der Vertragspartner der DENIC, das die Erreichbarkeit des Inhabers eines Domainnamens bei technischen Schwierigkeiten gewährleisten solle. Darüber hinaus könne bei einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung mit Hilfe des Verzeichnisses festgestellt werden, wer möglicherweise in Anspruch zu nehmen sei. Die rechtliche Position des Klägers werde durch die Eintragung der Beklagten als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" nicht gefährdet.
35
b) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten.
36
aa) Als erlangtes Etwas im Sinne der allgemeinen Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB kommt jeder vermögensrechtlich nutzbare Vorteil in Betracht, der von der Rechtsordnung einer bestimmten Person zugewiesen sein kann. Hierzu zählen nicht nur alle absoluten Rechte, der Besitz sowie Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten, sondern ebenso vorteilhafte Rechtsstellungen sonstiger Art, wie beispielsweise unrichtige Eintragungen im Grundbuch , ein Erbschein, ein Testamentsvollstreckerzeugnis und Urkunden, denen gewisse Rechtswirkungen zukommen oder aber unter ungünstigen Umständen zukommen können, aber auch die Stellung eines Forderungsprätendenten bezüglich eines hinterlegten Geldbetrages (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1989 - VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240, 244; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 97/93, NJW-RR 1994, 847; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812 Rn. 40; BeckOK-BGB/Wendehorst, Stand: 1. März 2011, § 812 Rn. 132). Die auf Kosten des wirklichen Rechtsinhabers erlangte Stellung als Hinterlegungsbeteiligter verleiht dem anderen Forderungsprätendenten die Macht, die Auszahlung des hinterlegten Betrags an den materiell Berechtigten zu verhindern. Diese Rechtsstellung muss der an dem hinterlegten Gegenstand nicht Berech- tigte auf der Grundlage der Eingriffskondiktion durch Erklärung gegenüber dem Berechtigten oder dem Schuldner nicht nur im Falle einer förmlichen Hinterlegung aufgeben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1961 - VII ZR 181/59, BGHZ 35, 165, 170; BGH NJW-RR 1994, 847), sondern auch dann, wenn der Schuldner die Leistung an den materiell Berechtigten von der Zustimmung des weiteren Forderungsprätendenten abhängig macht, der wahre Berechtigte mithin nicht ohne die Zustimmung des anderen über sein Recht verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 - VIII ZR 10/68, NJW 1970, 643).
37
bb) Eine dem Forderungsprätendenten vergleichbare Stellung nimmt auch derjenige ein, der als Inhaber eines Domainnamens in der "WHOISDatenbank" der DENIC eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC tatsächlich materiell berechtigt zu sein.
38
Die Eintragung in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC hat nicht nur Bedeutung für die Verwaltung des Domainnamens und die Feststellung des möglichen Anspruchsgegners im Falle einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung, sie ist - wie bereits dargelegt (s. oben Rn. 17) - vielmehr auch bedeutsam für die wirtschaftliche Verwertung eines Domainnamens. Die mit der materiellen Rechtslage übereinstimmende Eintragung des Berechtigten in die "WHOIS-Datenbank" verleiht diesem nach außen hin die Stellung eines Vertragspartners der DENIC und gibt ihm den vermögensrechtlich wirksamen Vorteil, über den Domainnamen nicht nur rechtswirksam, sondern auch tatsächlich verfügen zu können. Die Eintragung eines Nichtberechtigten bewirkt dagegen eine tatsächliche Sperrfunktion, die den berechtigten Inhaber des Domainnamens bei einer Verwertung über sein Recht zumindest behindert.

39
cc) Ein Bereicherungsausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB setzt allerdings voraus, dass sich der Schuldner eine vermögenswerte Rechtsposition "auf Kosten" des Gläubigers zu eigen macht, deren Nutzen ihm ohne die Gestattung des Rechtsinhabers in rechtmäßiger Weise nicht zukommt. Diese Voraussetzung ist bei der unrichtigen Eintragung der Person erfüllt, die als Inhaber des Domainnamens in der "WHOIS-Datenbank" der DENIC eingetragen ist.
40
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB ist die Verletzung einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Der erlangte Vermögensvorteil muss dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition widersprechen. Der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition entspricht einem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers, in dessen Macht es steht, die Nutzung des Rechtsguts einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung zu überlassen. Der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB unterliegt danach jeder vermögensrechtliche Vorteil, den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1989 - I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 121 - Forschungskosten, mwN).
41
Domainnamen kann ebenso wenig wie anderen schuldrechtlichen Rechtspositionen die Zuordnungsfunktion zu ihrem Inhaber abgesprochen werden (vgl. Bornkamm aaO S. 38 f.). Dem steht nicht entgegen, dass schuldrechtliche Ansprüche die beanspruchten Rechtsgüter vor ihrer Erfüllung dem Gläubiger noch nicht zuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 - V ZR 140/85, NJW 1987, 771; Urteil vom 23. März 1993 - XI ZR 167/92, NJW 1993, 1919; Palandt/Sprau aaO § 812 Rn. 40; Erman/Buck-Heeb, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 72). Der Gegenstand des einen Bereicherungsanspruch auslösenden Eingriffs ist im Falle der Forderungsanmaßung nicht der zur Erfüllung beanspruchte Gegenstand. Der bereicherungsrechtlich relevante Eingriff erfolgt vielmehr in die Stellung des Forderungsinhabers als solche. Aufgrund der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen zwischen der bereicherungsrechtlichen Eingriffshaftung auf der einen und dem Deliktsschutz auf der anderen Seite führt die Einbeziehung schuldrechtlicher Positionen auch nicht zu einer dem Deliktsschutz vergleichbaren Haftung für die Verletzung solcher Rechtsgüter, die gerade nicht dem Deliktsschutz unterliegen.
42
c) Für einen Eingriff in die vom Kläger beanspruchte Stellung als Inhaber des Domainnamens gibt es im Verhältnis unmittelbar zwischen den Parteien auch keinen rechtlichen Grund.
43
IV. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil hierfür noch weitere Feststellungen erforderlich sind (§ 563 Abs. 1 ZPO).
44
1. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage getroffen, ob der Kläger hinsichtlich der Registrierung des Domainnamens "gewinn.de" weiterhin Vertragspartner der DENIC ist, was von der Beklagten, die einen eigenen rechtmäßigen Erwerb dieses Domainnamens für sich in Anspruch nimmt, in Abrede gestellt wird. Darüber hinaus fehlen Feststellungen dazu, ob bei einer "WHOIS-Abfrage" die Beklagte oder deren Geschäftsführer persönlich als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" genannt wird.
45
2. Des Weiteren hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen , wie es zu einer Umschreibung in der "WHOIS-Datenbank" gekommen ist. Daher ist unklar, ob eine mögliche Eintragung der Beklagten - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - mittels einer an sie gerichteten vertraglichen Leistung erfolgt ist.
46
Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger nicht geleistet worden ist (Grundsatz des Vorrangs der Leistungs- gegenüber der Eingriffskondiktion, vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04, NJW 2005, 60 mwN). Ein Eingriff in die Rechtsposition des Klägers, der zu einer Bereicherung der Beklagten geführt hat, ist als von der Rechtsordnung im Sinne einer endgültigen Güterzuordnung gebilligt anzusehen, wenn und soweit sich die Eintragung der Beklagten im bereicherungsrechtlichen Sinne als eine Leistung an die Beklagte dargestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1999 - III ZR 56/98, NJW 1999, 1393, 1394). Die dahingehende Bewertung entzieht sich indes jeder schematischen Betrachtung , sondern ist in erster Linie nach den Besonderheiten des Falles für eine sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung zwischen den Beteiligten der Vermögensverschiebung zu beurteilen (vgl. BGH, NJW 1999, 1393, 1394; Palandt /Sprau aaO § 812 Rn. 53).
47
V. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:
48
1. Sollte das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren des Klägers keinen Erfolg haben, kann der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag nicht schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen werden.
49
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Streit zwischen zwei Parteien, die miteinander kollidierende Rechte gegen einen Dritten für sich in Anspruch nehmen, zwischen diesen beiden Forderungsprätendenten ein Rechtsverhältnis schafft, das grundsätzlich einer Feststellung im Wege der Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 198/86, NJW-RR 1987, 1439, 1440; Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 21/91, NJW-RR 1992, 252, 253). Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, sind diese Grundsätze aber nicht nur dann anzuwenden , wenn ein Gläubigerstreit im Sinne von § 75 ZPO in Rede steht. Sie gelten vielmehr auch für den umgekehrten Fall, dass zwischen zwei möglichen Schuldnern durch eine Feststellungsklage des einen gegen den anderen geklärt werden soll, wer von beiden für die betreffende Verbindlichkeit haftet (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, BGHZ 123, 44, 47). Selbst wenn im Regelfall das Interesse des einen Schuldners auf Feststellung der Verpflichtung des anderen Schuldners gerichtet sein dürfte, sind auch Fälle denkbar, in denen der klagende Schuldner die Feststellung seiner eigenen Verbindlichkeit begehrt, wenn es ihm beispielsweise darum geht, seine Stellung als Vertragspartner gegenüber dem Gläubiger zu sichern. Dementsprechend schafft bereits der Streit um die generelle Stellung als Vertragspartner zwischen zwei Prätendenten ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein kann.
50
Nach dem Vortrag des Klägers tritt die Beklagte als Inhaberin des Domainnamens "gewinn.de" auf und beansprucht damit - ebenso wie der Kläger - die Stellung als Vertragspartner der DENIC hinsichtlich der Registrierung dieses Domainnamens.
51
b) Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass er Inhaber des streitgegenständlichen Domainnamens ist.
52
Das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche schutzwürdige Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt, wenn dem Kläger anstelle der Feststellungsklage eine bessere und einfachere Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung steht. Sofern eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist, kommt dem abstrakten Feststellungsinteresse im Allgemeinen kein hinreichender Schutz zu (vgl. Zöller/Greger aaO § 256 Rn. 7a). Der Umstand, dass der Kläger im Streitfall die begehrte Eintragung als Inhaber des Domainnamens "gewinn.de" möglicherweise auch im Wege einer Leistungsklage gegen die DENIC erreichen könnte, steht dem Feststellungsinteresse hier gleichwohl nicht entgegen.
53
Die Klage, die auf Feststellung der eigenen Berechtigung und der fehlenden Berechtigung des anderen, sich derselben Vertragsstellung berühmenden Prätendenten gerichtet ist, kann die Ungewissheit über die streitige Rechtsstellung ausräumen. Dass das Urteil wegen seiner Inter-partes-Wirkung nur den Verlierer des Prätendentenstreits, nicht aber den anderen Vertragspartner bindet, steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die DENIC erklärt, dass sie den Stand der "WHOISDatenbank" nach Klärung des vorliegenden Prätendentenstreits anpassen werde , so dass es dann einer unmittelbaren Inanspruchnahme der DENIC nicht mehr bedarf. Aber auch ohne eine solche ausdrückliche Erklärung ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Vertragspartner in den Grenzen seiner Leistungspflicht leisten wird, sobald der Streit zwischen den Prätendenten entschieden ist (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1439, 1440).
54
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht dem Feststellungsinteresse des Klägers auch nicht der Umstand entgegen, dass er bereits eine Leistungsklage gegen die DENIC erhoben hat, mit der er im Ergebnis dasselbe Rechtsschutzziel wie mit seiner Feststellungsklage verfolgt (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1439, 1440). Solange der Kläger - wie vorliegend - noch kein rechtskräftiges Leistungsurteil erstritten hat, stellt die gegen die DENIC erhobene Leistungsklage keine bessere, sondern allenfalls eine gegenüber der hier erhobenen Feststellungsklage gleichwertige Möglichkeit der Rechtsverfolgung dar.
55
Nach dem Vorbringen des Klägers würde sich die DENIC ungeachtet des Ausgangs der Leistungsklage an das Ergebnis der Feststellungsklage halten und damit selbst bei einer Erfolglosigkeit ihrer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Kläger dessen Eintragung in die "WHOIS-Datenbank" auf freiwilliger Grundlage bewirken. Die vom Berufungsgericht angenommene Gefahr sich inhaltlich widersprechender Entscheidungen ist nicht größer als dann, wenn der Kläger sein Begehren zunächst im Wege der Feststellungsklage und im Falle eines für ihn ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits sodann mit einer gegen die DENIC gerichteten Leistungsklage verfolgen würde. Dieser Weg wäre ihm nicht versperrt. Einer späteren Leistungsklage steht mangels Identität der Streitparteien weder die Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) der Feststellungsklage entgegen, noch wäre eine derartige Klage mangels Bindung des Gerichts der Leistungsklage an die Entscheidung im Feststellungsverfahren objektiv sinnwidrig und daher ohne jedes schützenswerte Interesse. Unter diesen Umständen besteht kein sachlicher Grund, der gegen ein gleichzeitiges Betreiben der Feststellungs - und der Leistungsklage spricht.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 07.12.2009 - 8 O 458/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 15.09.2010 - 3 U 164/09 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin zu 3. wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2013 - 9 Sa 592/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zu 3. gegen das ihren Zahlungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2013 - 9 Ca 5558/12 - zurückgewiesen hat.

2. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und zu 2. gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht - auch über die Kosten des Rechtsstreits - zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen durchgeführter und angekündigter Arbeitskampfmaßnahmen.

2

Die Klägerinnen zu 1. und 2. sind Luftfahrtunternehmen. Sie nutzen ua. den Flughafen Frankfurt am Main, der von der als Aktiengesellschaft verfassten, mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Klägerin zu 3. betrieben wird. Diese beschäftigt ca. 12.000 Mitarbeiter, davon (vormals) 86 im Bereich Vorfeldkontrolle, 90 im Bereich Vorfeldaufsicht und 29 im Bereich Verkehrszentrale. Die Vorfeldkontrolle (apron control) ist die für die Verkehrslenkung von Luftfahrzeugen auf den Vorfeldflächen verantwortliche Einrichtung. Die Vorfeldaufsicht leitet die Luftfahrzeuge am Boden zu den Parkstationen. Die Verkehrszentrale bearbeitet ua. die operativen Flugplandaten.

3

Der beklagte eingetragene Verein ist die am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Sie schloss am 20. September 2007 mit der Klägerin zu 3. und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e.V. (KAV Hessen) den „Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007 - Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG“ (TV Apron Control), der nach Satz 1 seiner Präambel Regelungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit enthält, sowie dem Schutz vor physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch die Tätigkeit in der Vorfeldkontrolle dient. Nach § 2 des Tarifvertrags in seiner zuletzt durch Landesbezirkstarifvertrag Nr. 19/2010 vom 4. Juni 2010 geänderten Fassung gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, soweit keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Der TV Apron Control regelt in § 3 unter der Überschrift „Entgelt“ Zulagen und Einmalzahlungen, in § 4 eine „Pause bei Wechselschicht, Wochenarbeitszeit und Regenerationspausen“ sowie in § 9 die Ein- und Höhergruppierung von Beschäftigten in einer bestimmten Funktion. § 10 TV Apron Control bestimmt die Folgen einer ggf. eintretenden „Funktionstrennung“ zwischen Verkehrszentrale und Vorfeldkontrolle. Im Übrigen lautet der TV Apron Control:

        

㤠1

        

Geltungsbereich, Zuständigkeit

        

(1)     

Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich ‚Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale‘ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden.

        

(2)     

Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die GdF keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der Fraport AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an.

                 

…       

                 

§ 5

                 

Zeitwertkonto

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 wird für die Beschäftigten ein Zeitwertkonto eingeführt.

        

…       

        
        

(6)     

…       

                 

Protokollnotiz:

                 

Die Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim arbeitgeberfinanzierten Wertguthaben ist auf den Betrag beschränkt, der …

        

(7)     

…       

                 

§ 6

                 

Unterstützung bei vorgezogenem Renteneintritt

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 erhalten Beschäftigte, die mindestens fünfzehn Jahre in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt waren, zur Unterstützung eines vorgezogenen Eintritts in Altersrente einen Ausgleich für damit verbundene Rentenabschläge …

        

…       

        
                 

§ 7

                 

Belastungsausgleich

        

(1)     

Die Beschäftigten nehmen ab 1. Januar 2008 einmal jährlich auf Kosten des Arbeitgebers an einem Gesundheits-Check bei der arbeitsmedizinischen Abteilung des Unternehmens teil.

        

(2)     

Beschäftigte, die in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden, sind grundsätzlich verpflichtet, in einem fünfjährigen Turnus an einer Regenerationskur von 30 Kalendertagen teilzunehmen. …

        

…       

        
        

(4)     

…       

        

§ 8

        

Beschäftigungssicherung

        

Beschäftigten, die nach Feststellung der Arbeitsmedizin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden können, soll ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz innerhalb des Bereiches Aviation angeboten werden. Sollte ein derartiger Arbeitsplatz nicht vorhanden sein, kommt auch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz im Unternehmen in Frage. Die Differenz zwischen den bisherigen und künftigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen (Stammbezüge) wird (soweit erforderlich) gestaffelt nach Tätigkeitsjahren in der Funktion ‚Apron Control‘ wie folgt abgesichert:

        

-       

ab 28 Jahren zu 100 % unbegrenzt

        

-       

ab 23 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 90 % innerhalb von 8 Jahren

        

-       

ab 18 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 80 % innerhalb von 5 Jahren.

        

…       

        

§ 12

        

Inkrafttreten, Laufzeit, Kündigung

        

(1)     

Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. August 2007 in Kraft.

                 

Die Regelungen in § 5 bis § 8 sind mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2017, kündbar. Im Übrigen ist diese Vereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2011, kündbar.

        

(2)     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die in dieser Vereinbarung aufgeführten Regelungen für die genannten Zeiträume abschließend sind. Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte werden von der Friedenspflicht der Vereinbarung erfasst.“

4

Die Beklagte erklärte mit einem an die Klägerin zu 3. gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2011 die Teilkündigung des TV Apron Control. Wörtlich heißt es in dem über der Zeile „S Vorstand Tarif/Recht“ handschriftlich unterzeichneten Schreiben:

        

„…    

        

auf Basis des von der zuständigen Tarifkommission der GdF gefassten Beschlusses

        

kündigen

        

wir hiermit den landesbezirklichen Tarifvertrag Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG (Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007) vom 20. September 2007 in der Fassung der Änderung ...

        

Die Kündigung wird, mit Ausnahme der Regelungen in § 5 bis § 8, fristgemäß zum 31. Dezember 2011 ausgesprochen.

        

…“    

5

Die Klägerin zu 3. erhielt dieses Schreiben am gleichen Tag sowohl per Fax als auch per PDF-Dokument und im Original am 1. Juli 2011. Ein im Wesentlichen gleichlautendes Kündigungsschreiben ging dem KAV Hessen am 29. Juni 2011 zu.

6

Ab dem 19. Oktober 2011 verhandelten die Beklagte und die Klägerin zu 3. unter Einbeziehung des KAV Hessen sowie der Fra-Verkehrszentrale GmbH, der Fra-Vorfeldkontrolle GmbH und der Fra-Vorfeldaufsicht GmbH über neue tarifliche Regelungen. Ein vom 13. Januar bis 1. Februar 2012 durchgeführtes Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters, welche auszugsweise lautet:

        

„Im Laufe der Verhandlungen konnte über diverse Punkte Einigung erzielt werden.

        

Diese Punkte sind zusammengefasst in der den Parteien vorliegenden ‚Synopse der Verhandlungen Donnerstag, 26. Januar 2012‘, welche mit einer grünen Markierung versehen sind. Der Schlichter macht sich diese Einigung zu Eigen und empfiehlt einen Vertragsabschluss in diesen Punkten auf dieser Grundlage.

        

Gleiches gilt für Einigungen, die sich thematisch aus der am 31. Januar 2012 übergebenen Synopse über die zum Zeitpunkt der Erstellung noch strittigen Punkte ergeben, nämlich

                 

●       

der Bereich ‚Zulagen‘,

                 

●       

der Bereich ‚Aktienprogramm‘,

                 

●       

der Bereich ‚Zeitzuschläge‘, mit Ausnahme der Überstundenregelung und

                 

●       

dem Bereich ‚Urlaubs- / Weihnachtsgeld‘, wobei hier ein einheitliches Urlaubs- / Weihnachtsgeld von 100 Prozent der Bezüge vereinbart wurde.

        

Diese Synopse liegt den Parteien ebenfalls vor.

        

Bis zum Ende strittig waren somit die Punkte:

                 

●       

Geltungsbereich

                 

●       

Laufzeit,

                 

●       

Entgelte,

                 

●       

Berechnung des Nachtzeitraums,

                 

●       

Vergütung der Überstunden,

                 

●       

Regelung der Rufbereitschaft und

                 

●       

die Überleitungsvorschriften.

        

Zu diesen Punkten erfolgt die Schlichterempfehlung.“

7

In der der Schlichtungsempfehlung beigefügten Synopse heißt es ua.:

        

㤠18 - Sozialleistungen

        

…       

        

(8)     

Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Folge eines Arbeitsunfalls, den sie in Folge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr vollleistungsfähig und werden sie deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt, so erhalten sie eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung. Zur Überbrückung besonderer wirtschaftlicher Notlagen kann der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter auf Antrag ein zinsbegünstigtes Darlehen gewährt werden.

        

…       

        

§ 49 - Entlastung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

        

Apron-Controller, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst gearbeitet haben, haben einen Anspruch auf einen Wechsel aus dem Wechselschichtdienst in den Schichtdienst.

        

Unabhängig davon kann im Einzelfall ein Wechsel in den Schichtdienst aus persönlichen Gründen jederzeit vereinbart werden.

        

Der Antrag muss mindestens 6 Monate vor dem beabsichtigten Zeitpunkt der Reduzierung gestellt werden. Über diesen Antrag ist innerhalb von 8 Wochen zu entscheiden.“

8

Außerdem weist die Synopse unter „§ 35 - Zeitwertkonto“ in den Absätzen 1 bis 6 dem § 5 Abs. 1 bis Abs. 6 TV Apron Control wortlautgleiche Regelungen aus sowie einen auf Initiative der Klägerin zu 3. eingefügten Abs. 6a zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben, welcher der mit § 1 Nr. 2 des Landesbezirkstarifvertrags Nr. 19/2010 nach § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control eingefügten Protokollnotiz entspricht.

9

Am 15. Februar 2012 beschloss der Bundesvorstand der Beklagten die Durchführung von Streikmaßnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte er gegenüber der Klägerin zu 3. an, „dass die GdF ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Donnerstag, den 16.02.2012 für die Zeit von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr lokaler Zeit zu einem befristeten Streik aufruft“. Weiter lautet das Schreiben:

        

„…    

        

Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der von Herrn … den Tarifparteien vorgelegten Schlichterempfehlung mit folgenden Anpassungen:

                 

●       

Geltungsbereich eines Tarifvertrages ausschließlich für die Fraport AG;

                 

●       

Verkürzung der Laufzeit auf 24 Monate;

                 

●       

Umsetzung der Entgelttabellen zu 100 % ab Beginn der Laufzeit sowie

                 

●       

Beginn der Nachtarbeit um 20.00 Uhr ab Beginn der Laufzeit

        

…“    

                 
10

In einem weiteren Schreiben an die Klägerin zu 3. - gleichfalls vom 15. Februar 2012 - führte die Beklagte aus:

        

„…    

        

wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom heutigen Tage betreffend die Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen. Darin haben wir Ihnen auch die mit dem Arbeitskampf verfolgten Tarifziele im Einzelnen dargestellt.

        

Zur Vermeidung von Missverständnissen weisen wir darauf hin, dass sich unsere Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses selbstverständlich nicht auf diejenigen Regelungen bezieht, die im Schlichterspruch aus rein technischen Gründen aus den weiterhin ungekündigten Tarifverträgen zwischen den Parteien übernommen wurden. Im Hinblick auf diese Regelungen bleibt es bei derjenigen Laufzeit, die sich aus den ungekündigten Tarifverträgen ergibt.

        

…“    

11

Der Streik wurde am Donnerstag, 16. Februar 2012, 15.00 Uhr begonnen und mit einer Unterbrechung am Wochenende mehrfach verlängert. Im Flugverkehr kam es zu Ausfällen und Verzögerungen, wobei die Klägerin zu 3. einen Großteil der durch die Arbeitsniederlegung in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht ausgefallenen Arbeitskräfte kompensieren konnte. In einem während der Streikmaßnahmen von „Spiegel-Online“ geführten Interview erklärte der Vorstand Tarif/Recht der Beklagten - auf den sinngemäßen Vorhalt, dass das gewerkschaftliche Drohpotential schrumpfe - wörtlich:

        

„Naja, es läuft mehr Verkehr, als wir erwartet haben. Aber der Streik ist trotzdem ein Erfolg. Es geht doch um mehr als annullierte Flüge. Dazu kommen die Verspätungen und noch wichtiger: Die Buchungszahlen bei den Airlines sind eingebrochen.“

12

Der zuletzt bis 24. Februar 2012, 23.00 Uhr geplante Streik wurde am 23. Februar 2012, 21.00 Uhr wegen eines Angebots der Klägerin zu 3. auf Wiederaufnahme der Verhandlungen abgebrochen. Nachdem diese ohne Ergebnis blieben, kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 3. mit Schreiben vom 25. Februar 2012 unter Beibehaltung ihrer Streikziele an, „ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Sonntag, den 26.02.2012 von 21.00 Uhr für die Zeit bis zum Donnerstag, den 01.03.2012, 05.00 Uhr“ zu einem Streik aufzurufen. Der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehenen Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) teilte sie mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereich Tower am Tower Frankfurt“ am 29. Februar 2012 für die Zeit von 05.00 Uhr bis 11.00 Uhr zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen.

13

Auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. und der DFS erließ das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 28. Februar 2012 eine einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereichstower am Tower Frankfurt zu Streiks am Mittwoch, den 29. Februar 2012 von 5:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufzurufen und/oder Streiks in diesem Bereich durchzuführen“. Am 29. Februar 2012 erließ es auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. eine einstweilige Verfügung, mit der es der Beklagten untersagte, „in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und/oder Verkehrszentrale in dem Zeitraum bis Donnerstag, den 01. März 2012, 5.00 Uhr Streiks durchzuführen“. In der mündlichen Verhandlung erklärte der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten zu Protokoll:

        

„Die streitgegenständliche Streikmaßnahme soll nicht mehr zum Ziel haben, auch die in den §§ 18 Abs. 8 sowie 49 des Schlichtungsvorschlags vom 02.02.2012 geregelten Tarifvereinbarung durchzusetzen.“

14

Aufgrund der gerichtlichen Entscheidungen fand der Unterstützungsstreik nicht statt; der am 26. Februar 2012 begonnene Streik wurde am 29. Februar 2012 abgebrochen.

15

Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen aus delikts- und vertragsrechtlichen Gründen Schadensersatz verlangt; bei den Klägerinnen zu 1. und 2. im Wesentlichen wegen ausgefallener Flüge und stornierter oder unterlassener Flugbuchungen; bei der Klägerin zu 3. aufgrund entgangener Flughafengebühren. Die Klägerin zu 2. hat sich dabei auch auf abgetretene Ersatzansprüche ihrer Tochtergesellschaft N GmbH wegen dort entstandener Schäden berufen. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Streik sei ebenso wie der angekündigte Unterstützungsstreik rechtswidrig gewesen. Dies folge vor allem aus einer Verletzung der Friedenspflicht aufgrund des TV Apron Control.

16

Soweit für die Revision zuletzt noch von Bedeutung, haben

die Klägerin zu 1. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.885.890,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 2. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 131.144,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 3. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.170.800,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und 2. fehle es bereits an einem Eingriff in deren Gewerbebetriebe. Die Klägerin zu 3. könne als ein von der öffentlichen Hand beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen in privater Rechtsform keine Verletzung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen. Im Übrigen seien der Haupt- und der angekündigte Unterstützungsstreik rechtmäßig gewesen. Die Friedenspflicht sei schon deswegen nicht verletzt, weil diese nach der Schlichtungsvereinbarung mit Ablauf des 6. Februar 2012 geendet habe. Ginge man von einer Verletzung der Friedenspflicht aus, wären die geltend gemachten Schäden auch bei einer ihr ohne weiteres möglichen rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden.

18

Das Arbeitsgericht hat die - ursprünglich noch auf weitere Feststellungen gerichteten - Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Diese verfolgen mit ihren zuletzt auf die Abweisung der Zahlungsanträge beschränkten Revisionen ihre Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Das führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. haben dagegen keinen Erfolg.

20

A. Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Die Beklagte ist dieser vertraglich und deliktsrechtlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch den vom 16. Februar 2012, 15.00 Uhr bis 23. Februar 2012, 21.00 Uhr und vom 26. Februar 2012, 21.00 Uhr bis 29. Februar 2012 geführten Streik in der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale entstanden ist.

21

I. Die Beklagte ist nach § 823 Abs. 1, § 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. zuletzt BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 49 ff., BAGE 142, 98). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

22

1. Mit den - nach den Ankündigungen der Beklagten vom 15. und vom 25. Februar 2012 von zwei Aufrufen getragenen - Streikmaßnahmen hat die Beklagte in das Recht der Klägerin zu 3. an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.

23

a) Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale.

24

b) Die Klägerin zu 3. ist zwar ein öffentlich beherrschtes Unternehmen der Privatwirtschaft und damit bei eigenem Handeln unmittelbar grundrechtsgebunden (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 49, BVerfGE 128, 226). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich dennoch auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.

25

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Art. 12 GG und Art. 14 GG entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. bereits RG 27. Februar 1904 - I 418/03 - RGZ 58, 24; ausf. BGH 9. Dezember 1958 - VI ZR 199/57 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 29, 65; vgl. auch BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 21 mwN, BAGE 132, 140; BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 93, BGHZ 166, 84). Zwar unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen, denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind. Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 56, BVerfGE 128, 226). Vollzieht sich diese Teilnahme im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten, nicht weniger schutzwürdig als Private.

26

2. Die Streikmaßnahmen waren rechtswidrig. Die Beklagte hat mit ihnen die nach dem TV Apron Control gesondert vereinbarte Friedenspflicht verletzt.

27

a) Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - zu D I der Gründe, BAGE 105, 5). Diese relative Friedenspflicht ist - auch ohne besondere Vereinbarung - dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Mit Ablauf der vereinbarten Dauer oder der Kündigungsfrist für eine tarifliche Bestimmung endet die mit ihr verbundene relative Friedenspflicht für die beteiligten Tarifvertragsparteien (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 64, BAGE 122, 134). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. Pfohl Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien Diss. 2010 S. 32 f.).

28

b) Mit den Streikmaßnahmen hat die Beklagte gegen die vertraglich ausdrücklich vereinbarte Friedenspflicht verstoßen.

29

aa) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Friedenspflicht im Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahmen wegen insgesamt noch ungekündigter Regelungen des TV Apron Control galt. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 29. Juni 2011 wirksam eine Teilkündigung dieses Tarifvertrags zum 31. Dezember 2011 erklärt.

30

(1) Die Teilkündigung war an sich zulässig.

31

(a) Ein Tarifvertrag ist regelmäßig nur als Ganzes kündbar. Zulässig ist seine Teilkündigung nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung. Geht aus der vereinbarten Zulassung mit der gebotenen Klarheit hervor, auf welche konkreten Bestimmungen oder Teile des jeweiligen Tarifvertrags sich die Möglichkeit der Teilkündigung beziehen soll, begegnen ihr keine rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 20, BAGE 118, 159).

32

(b) Das ist vorliegend der Fall. § 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV Apron Control legt eine Kündbarkeit seiner Regelungen mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende - in §§ 5 bis 8 erstmalig zum 31. Dezember 2017 und im Übrigen erstmalig zum 31. Dezember 2011 - fest. In den unterschiedlichen Kündigungsterminen drückt sich aus, dass die Tarifvertragsparteien die Zulässigkeit einer nur auf Teile des TV Apron Control bezogenen Kündigung verabredet haben. Nach dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang der Vereinbarung ist auch hinreichend klar, auf welche Bestimmungen sich die unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten beziehen: Einerseits auf §§ 5 bis 8 TV Apron Control und andererseits auf den TV Apron Control „im Übrigen“. Im buchstäblichen Sinn beinhaltet der Ausdruck „im Übrigen“ einen Bezug auf all jenes, was nicht besonders ausgewiesen ist. Dies ist der mit „Regelungen in § 5 bis § 8“ beschriebene Teil des Tarifwerks, zu denen - dies gebieten Gesichtspunkte der Systematik und Praktikabilität - jene tariflichen Bestimmungen gehören, die auf diesen Regelungskomplex Bezug nehmen oder mit ihm in untrennbarem Zusammenhang stehen. Dazu gehören jedenfalls die Geltungsbereichsfestlegung in § 1 Abs. 1 TV Apron Control, die für §§ 5 bis 8 TV Apron Control festgelegte(längere) Kündigungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 TV Apron Control und die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control ausgedrückte Einigung auf „abschließende Regelungen“ sowie die Reichweite der Friedenspflicht. Mit der Verständigung darüber, der Regelungsbereich nach §§ 5 bis 8 TV Apron Control solle einer anderen Kündigungsmodalität unterliegen als der Tarifvertrag im Übrigen, haben die Tarifvertragsparteien dies klar vorgegeben. Entgegen der Ansicht der Revision entbehren die Regelungen über die Teilkündigung nicht bereits schon deshalb der notwendigen Klarheit, weil sich die arbeits- und die landesarbeitsgerichtlichen Wertungen hinsichtlich gekündigter und ungekündigter Tarifbestimmungen nicht vollständig decken.

33

(2) Die Friedenspflicht galt auch nicht deshalb noch uneingeschränkt, weil im Zeitpunkt der Streikmaßnahmen die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TV Apron Control festgelegte Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Die Klägerin zu 3. hat eine textlich-verkörperte Kündigung der Beklagten am 29. Juni 2011 erhalten. Damit lief die Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 ab. Die Kündigung eines Tarifvertrags muss nicht in Schriftform gemäß § 126 BGB erklärt werden. Auf den Zugang des dem Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB entsprechenden Kündigungsschreibens am 1. Juli 2011 - mit der Folge, dass die Kündigungsfrist erst am 31. März 2012 abgelaufen wäre - kommt es nicht an.

34

(a) Zwar bedürfen Tarifverträge nach § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Vorschrift(BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 33, BAGE 139, 197; 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14).

35

(b) Für die Kündigung eines Tarifvertrags gelten aber kraft Gesetzes keine Formvorschriften. Vorbehaltlich anderer Abreden im Tarifvertrag selbst - die im TV Apron Control nicht getroffen sind - begegnet jedenfalls eine der Textform des § 126b BGB entsprechende Kündigungserklärung keinen rechtlichen Bedenken. Das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB ist für die Kündigung nicht entsprechend heranzuziehen(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 32; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 13 II 1 a; Kempen/Zachert/Stein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 189; Oetker in Jacobs/Krause/Oetker/Schubert Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 8 Rn. 10; Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 319; für einen den Tarifvertrag aufhebenden Vertrag vgl. BAG 8. September 1976 - 4 AZR 359/75 - zu III 2 der Gründe; aA Bepler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 3 Rn. 213; Däubler TVG/Deinert 4. Aufl. § 4 Rn. 122; Däubler TVG/Nebe 4. Aufl. § 1 Rn. 172 f.; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1443). Hierfür fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke. Das zeigt bereits § 7 Abs. 1 Satz 1 TVG. Danach sind die Tarifvertragsparteien verpflichtet, „die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift“ eines jeden Tarifvertrags und seiner Änderungen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu übersenden. Das Außerkrafttreten ist lediglich „mitzuteilen“, ohne dass es bei der Kündigung des Tarifvertrags einer Übersendung des Kündigungsschreibens bedürfte. Vor allem aber mangelt es - ausgehend vom Zweck des § 1 Abs. 2 TVG - an einer vergleichbaren Interessenlage. § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und dem Gebot der Normenklarheit(vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 22 mwN). Dieser Zweck erfordert keine Erstreckung auf die Tarifvertragskündigung. Die dem Tarifvertrag Normunterworfenen wären bei einer dem Schriftformerfordernis unterliegenden, allein gegenüber dem Tarifvertragspartner zu erklärenden und nicht publikationsbedürftigen Kündigung nicht anders gestellt.

36

bb) Die Beklagte hat aber mit den von ihr getragenen Streikmaßnahmen vom 16. bis 23. und vom 26. bis 29. Februar 2012 die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control besonders vereinbarte Friedenspflicht verletzt, weil ihr Streikziel Forderungen umfasste, die dieser Pflicht unterlagen.

37

(1) Mit § 12 Abs. 2 TV Apron Control haben die Tarifvertragsparteien die Reichweite der Friedenspflicht ausgestaltet. In dessen Satz 1 haben sie für die beiden aufgeführten tariflichen Regelungskomplexe durch die unterschiedlichen Kündigungsfristen deutlich gemacht, diese jeweils für genannte Zeiträume als abschließend anzusehen. Satz 2 der Tarifvorschrift modifiziert die jedem Tarifvertrag immanente relative Friedenspflicht, indem diese „Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte … erfasst“. Damit haben die Tarifvertragsparteien mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart, während der Geltungsdauer der §§ 5 bis 8 TV Apron Control einerseits und des TV Apron Control im Übrigen andererseits auf die jeweiligen Materien bezogene weitere oder auch nur ergänzende Regelungsziele nicht mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen(„erweiterte Friedenspflicht“). Auf einen engeren Zusammenhang zwischen geregelter und erstrebter Sachmaterie haben sie dabei nicht abgehoben. Es ging ihnen um den Ausschluss jeglicher kampfweisen Durchsetzung von Ergänzungen der tariflich geregelten Bestimmungen, sofern diese einen Bezug zu den beiden Regelungskomplexen haben.

38

(2) Das von der Beklagten aufgestellte Streikziel enthielt Forderungen, die von der so erweiterten Friedenspflicht erfasst waren.

39

(a) Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 109, BAGE 122, 134). Nach den gesamten Umständen - Anderes ist nicht festgestellt - ist davon auszugehen, dass der Streikbeschluss des hierzu berechtigten Bundesvorstands der Beklagten inhaltlich dem Streikziel entsprach, das der Klägerin zu 3. in den Streikankündigungsschreiben vom 15. Februar 2012 - ergänzt um ein weiteres Schreiben selben Datums - und vom 25. Februar 2012 übermittelt wurde. In dem ersten Schreiben bezog sich die Beklagte klar auf die Durchsetzung der Schlichterempfehlung mit näher bezeichneten Anpassungen und hielt in dem weiteren daran fest.

40

(b) Das Streikziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung (SE) bezog sich auf die in §§ 5 bis 8 TV Apron Control geregelte Sachmaterie, für die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control eine erweiterte Friedenspflicht (fort-)galt.

41

(aa) Dies betrifft allerdings nicht § 35 Abs. 6a SE. Damit sollte lediglich die Regelungstechnik modifiziert werden, indem die bisherige Protokollnotiz zu § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control nunmehr als eigener Absatz den Regelungen zum Zeitwertkonto beigefügt wird. Damit erfolgt keine inhaltliche Änderung der tariflichen Regelungen. Der Protokollnotiz zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben kommt ein normativer Regelungsgehalt zu.

42

(bb) Hingegen enthalten § 18 Abs. 8 und § 49 SE eigenständige, neue Forderungen, die dem Regelungskomplex der §§ 5 bis 8 TV Apron Control zuzuordnen sind. § 18 Abs. 8 SE sieht für Mitarbeiter, die infolge eines Arbeitsunfalls nicht mehr vollleistungsfähig sind und deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden, eine Ausgleichszulagenzahlung und die Möglichkeit einer Darlehensgewährung vor. In § 8 TV Apron Control sind unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigungssichernde Maßnahmen und eine Entgeltsicherung geregelt. Ergänzungen hierzu sollen nach der Friedenspflichtvereinbarung des § 12 Abs. 2 TV Apron Control für die Dauer der Geltung des § 8 TV Apron Control nicht kampfweise durchsetzbar sein. Gleiches gilt für die Forderung nach § 49 SE, die ebenso wie die bestehende Tarifregelung des § 7 TV Apron Control dem Belastungsausgleich von Beschäftigten dient und daher einen Bezug zu dem vor dem 31. Dezember 2017 nicht kündbaren tariflichen Regelungskomplex aufweist. Im Hinblick auf die Reichweite der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Friedenspflicht kommt es auch lediglich auf eine Zuordnung der erstrebten Forderung zu dem noch geltenden tarifierten Bereich an und nicht - wie die Beklagte meint - auf einen sachlichen inneren Zusammenhang, auf den allerdings auch die Vorinstanzen in Verkennung der besonders vereinbarten Friedenspflicht abgehoben haben.

43

cc) § 3 der Schlichtungsvereinbarung (SV) steht der Annahme einer Friedenspflichtverletzung nicht entgegen. Hiermit ist die erweiterte Friedenspflicht des § 12 Abs. 2 TV Apron Control, welche für §§ 5 bis 8 TV Apron Control noch galt, weder aufgehoben noch beschränkt worden.

44

(1) Bei dem Verweis der Beklagten in der Revisionserwiderung auf die SV handelt es sich - anders als die Klägerin zu 3. meint - nicht um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das aus in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen ersichtliche Parteivorbringen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO BAG 28. Oktober 1999 - 6 AZR 243/98 - zu II 2 a der Gründe). Die Beklagte hatte die SV erstinstanzlich zur Akte gereicht. Sie ist von der zulässigen ergänzenden Bezugnahme des Berufungsurteils auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils erfasst, welcher seinerseits in nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässiger Weise auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze verweist.

45

(2) Mit § 3 SV haben sich die verhandelnden Tarifvertragsparteien auf eine umfassende Friedenspflicht begrenzt auf die Dauer des Schlichtungsverfahrens geeinigt. Die Vorschrift bestimmt eine eigenständige, allein auf das konkrete Schlichtungsverfahren bezogene Friedenspflicht. Nach ihrem Sinn und Zweck sichert sie die Funktionsbedingungen der Schlichtung, welche nicht mit Arbeitskampfmaßnahmen belastet sein soll. Weder Wortlaut noch Systematik lassen Anhaltspunkte für einen Regelungswillen erkennen, anderweitig vereinbarte und bestehende Friedenspflichten aufzuheben, zu beenden oder gegenständlich zu beschränken.

46

dd) Die Klägerin zu 3. kann auch eine Verletzung der Friedenspflicht geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts lässt zwar eine entsprechende tatrichterliche Wertung vermissen. Anhand der getroffenen Feststellungen vermag der Senat aber eine entsprechende Wertung selbst vorzunehmen.

47

(1) Eine unzulässige Rechtsausübung setzt nicht zwingend voraus, dass schon die betreffende Rechtsposition unredlich, mit Schädigungsvorsatz oder sonst schuldhaft erworben ist. Es kommt lediglich darauf an, ob bei objektiver Betrachtung ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt (vgl. BGH 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 202, 102).

48

(2) Von einem solchen Verstoß ist im Streitfall nicht auszugehen. Er folgt vor allem nicht aus dem „Sich-Einlassen“ der Klägerin zu 3. auf der Friedenspflicht unterliegende Verhandlungsgegenstände in den Tarifvertrags- und Schlichtungsverhandlungen. Die - hier in § 12 Abs. 2 TV Apron Control eigenständig vereinbarte, erweiterte relative - Friedenspflicht verbietet es den Tarifvertragsparteien nur, einen Tarifvertrag bis zum Ablauf seiner vereinbarten Dauer oder der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass Änderungen der tariflich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreicht werden sollen. Sie schließt es nach ihrem Sinn und Zweck aber nicht aus, über diese Gegenstände zu verhandeln und sie in ein Schlichtungsverfahren einzubeziehen. Ebenso wie bloße Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Tarifforderung keine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht zu begründen vermögen (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 66, BAGE 122, 134), kann aus Verhandlungen über der Friedenspflicht unterliegende Forderungen oder deren Einbeziehung in das Schlichtungsverfahren nicht der Schluss gezogen werden, die Gegenseite werde sich im Falle eines Arbeitskampfes nicht auf eine Friedenspflichtverletzung berufen. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil Tarifvertragsverhandlungen typischerweise von Kompromissversuchen geprägt und geleitet sind. Im Interesse der Erzielung einer Gesamtlösung kann es daher sinnvoll sein, friedenspflichtige Gegenstände in die Verhandlung und Schlichtung einzubeziehen, um eine Einigung ohne Arbeitskampf zu erreichen.

49

ee) Im Hinblick auf das übermittelte Streikziel, welches auch der Friedenspflicht unterliegende Forderungen enthielt, ist der vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführte Streik rechtswidrig.

50

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, die Rechtswidrigkeit schon einer Forderung zu dessen Rechtswidrigkeit führt (BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 - BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder tarifwidrigen Forderung um eine zentrale Forderung handelt, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 104, 155). Im Schrifttum wird vertreten, ein Streik sei rechtswidrig, wenn er sich auch auf die Durchsetzung einzelner unerlaubter Forderungen richte (vgl. Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 53; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 451; Rieble BB 2014, 949, 950; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 5 Rn. 25; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1401; wohl auch Kissel Arbeitskampfrecht § 24 Rn. 11). Zum Teil wird unter Heranziehung schadenszurechnungsrelevanter Kriterien die Rechtswidrigkeit eines Streiks danach beurteilt, ob er auch ohne die unzulässige Forderung geführt worden wäre (Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 159; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 22 I 2 a (3)). Nach wiederum anderer Auffassung kommt es ausgehend von einem verobjektivierten Maßstab darauf an, welche der dem Arbeitgeber übermittelten Forderungen dem Arbeitskampf im Rahmen einer Gesamtschau das Gepräge geben (Reinfelder in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 15 Rn. 25); bei Kampfzielen, die eine Einheit bildeten, sei das unrechtmäßige Ziel entscheidend (Reuss AuR 1966, 33, 34).

51

(2) Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, ist insgesamt rechtswidrig.

52

(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 ff. der Gründe, BAGE 104, 155). Das gibt die Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie vor. Diese ist darauf gerichtet, das Arbeitsleben in dem von staatlicher Rechtsordnung freigelassenen Raum durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. Dieses Ziel kann ua. nur erreicht werden, wenn ein Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer durch einen Arbeitskampf nicht in Frage gestellt wird und die durch ihn vermittelte Planungssicherheit wahrt. Diese Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist gefährdet, wenn ein Arbeitskampf auch darauf gerichtet ist, eine kollektive Regelung vor deren Ende zu beseitigen oder zu ändern (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Das hat zur Folge, dass eine Forderung, die kampfweise durchgesetzt werden soll, sowohl tariflich regelbare Gegenstände betreffen als auch die Friedenspflicht beachten muss. Forderungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt und beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen des Kampfgegners. Dieser hat zwar davon auszugehen, dass eine Gewerkschaft auf eine uneingeschränkte Umsetzung der verlautbarten Streikziele typischerweise nicht besteht, sondern mit Widerstand rechnet. Daher gehen deren Tarifforderungen aus unterschiedlichen Motiven regelmäßig über dasjenige Maß hinaus, bei dessen Erreichen die Gewerkschaft zum Tarifabschluss bereit ist (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 100, BAGE 122, 134). Jede Tarifforderung hat aber auch arbeitskampftaktische und verbandspolitische Gründe sowie die Funktion, die jeweiligen Mitglieder zu motivieren und Tarifverhandlungen zunächst einmal in Gang zu bringen. Zwangsläufig hat jede verlautbarte Tarifforderung Einfluss auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite. Sie muss sich auf die ihr gegenüber erhobenen Forderungen einstellen und sowohl ihr Verhandlungsangebot als auch ihre Kampfstrategie darauf einrichten. Hierin wird sie unzulässig beeinträchtigt, wenn sie ihre Verhandlungsmacht dafür einsetzen muss, eine durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckte Forderung abzuwehren.

53

(b) Die graduelle Bewertung einer Tarifforderung im Verhältnis zu anderen und eine daran knüpfende gewichtende Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines um deren Durchsetzung geführten Arbeitskampfes sind einer Rechtskontrolle nicht zugänglich.

54

(aa) Welche Bedeutung eine einzelne Tarifforderung unter mehreren aus Sicht der Gewerkschaft für den von ihr für annehmbar gehaltenen Tarifabschluss oder ihre Durchsetzungsfähigkeit im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen und ggf. eines Arbeitskampfes hat, obliegt deren Einschätzung. Ob eine konkrete Tarifforderung für den angestrebten Tarifabschluss haupt- oder nebensächlich, bedeutend oder unbedeutend ist oder die Gesamtheit der aufgestellten Forderungen wirtschaftlich oder organisationspolitisch prägt, ist für die Arbeitgeberseite in der konkreten Arbeitskampfsituation nicht erkennbar und entzieht sich wegen der nicht objektivierbaren Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht und Kampfkraft der Gewerkschaft und den mit jeder Forderung geschaffenen Verhandlungsspielraum auch einer gerichtlichen Bewertung und Feststellung.

55

(bb) Der Verzicht auf eine solche Kontrolle beeinträchtigt nicht die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Sie allein entscheidet über die Festlegung der Tarifforderungen, die durch den Aufruf zu einem Streik und dessen Befolgung erkämpft werden sollen. Hierbei hat sie zu prüfen, ob die erhobenen Forderungen durch Art. 9 Abs. 3 GG legitimiert sind. Zu einer solchen Prüfung ist eine Gewerkschaft auch ohne weiteres in der Lage. Deren Tariffähigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, sondern auch das Vorhalten einer leistungsfähigen Organisation, die sie befähigt, die ihr von Art. 9 Abs. 3 GG zugedachten Aufgaben zu erfüllen(BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Dazu gehört unabdingbar eine entsprechende Anzahl an Mitarbeitern, die Verhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen vorbereiten (vgl. zur organisatorischen Leistungsfähigkeit BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 53, BAGE 117, 308). Hierzu zählt auch die Überprüfung der Legitimität einer Tarifforderung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des um ihre Durchsetzung geführten Arbeitskampfes (BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52, BAGE 142, 98). Unzumutbare, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Haftungsrisiken sind damit nicht verbunden. Diese betreffen nicht die Bewertung der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, sondern relativieren die verschuldensabhängige Einstandspflicht für arbeitskampfbedingte Schäden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

56

(3) Dem Umstand, dass der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main (- 9 Ga 24/12 -) am 29. Februar 2012 sinngemäß zu Protokoll erklärt hat, die friedenspflichtverletzenden Forderungen würden fallengelassen, kommt keine streitentscheidende Bedeutung zu. Es kann offenbleiben, ob das Aufgeben unzulässiger Einzelforderungen während eines Streiks dessen Rechtswidrigkeit vergangenheitsbezogen zu beseitigen vermag. Der Streik wurde am 29. Februar 2012 allein aufgrund der Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgebrochen.

57

3. Die Beklagte - handelnd durch ihre Organe - trifft ein Verschulden iSv. § 823 Abs. 1, § 31 BGB.

58

a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre kampfweise durchzusetzenden Tarifforderungen sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über dessen Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52 mwN, BAGE 142, 98).

59

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Diese hatte das Streikziel auf den Abschluss eines Tarifvertrags entsprechend der Schlichterempfehlung - mit näheren geforderten Anpassungen - bezogen. Ihr Kampfziel, der über die verlautbarten Forderungen abzuschließende Tarifvertrag, umfasste Regelungsgegenstände, hinsichtlich derer die nach dem TV Apron Control besonders ausgestaltete Friedenspflicht noch galt. Die Beklagte hätte wegen der Teilkündigung des TV Apron Control die Zulässigkeit der Forderungen, die in ihrer Gesamtheit das erklärte Streikziel bildeten, im Einzelnen gewissenhaft prüfen müssen. Sie musste erkennen, dass die Friedenspflicht aus dem ungekündigten Teil des TV Apron Control die Grenze der Rechtmäßigkeit bildete. Dass ihr diese Problematik bewusst war, zeigt ihr der Streikankündigung vom 15. Februar 2012 nachgeschobenes Schreiben vom gleichen Tag an die Klägerin zu 3., das klarstellen sollte, dass die erhobene Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses nicht den ungekündigten Teil des TV Apron Control betreffen sollte.

60

c) Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Streiks wegen der friedenspflichtverletzenden Forderungen befand sich die Beklagte nicht in einem ihr Verschulden ausschließenden unvermeidbaren Rechtsirrtum.

61

aa) An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31 mwN, BAGE 152, 213).

62

bb) Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Rechtslage zur Reichweite der sich aus dem TV Apron Control ergebenden Friedenspflicht kann schon deshalb nicht als objektiv unklar angesehen werden, weil sie von den Tarifvertragsparteien selbst näher ausgestaltet worden ist. Die Beklagte hätte wegen der unterschiedlichen Kündigungsmodalitäten, an die sie sich mit der Teilkündigung auch gehalten hat, die Zulässigkeit ihres auf den Gesamtabschluss eines neuen Tarifvertrags gerichteten Streikziels umso sorgfältiger prüfen müssen. Der Sachverhalt hierzu war nicht - wie etwa bei einer Vielzahl von einzelnen, teils gekündigten, teils ungekündigten Tarifverträgen - unübersichtlich. Die friedenspflichtverletzenden Gegenstände betrafen vielmehr einen überschaubaren und klar abgrenzbaren Bereich des teilgekündigten TV Apron Control.

63

4. Der danach bestehenden Ersatzpflicht der Beklagten für die durch den Streik der Klägerin zu 3. entstandenen Schäden steht § 254 BGB nicht entgegen.

64

a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes insbesondere davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Schädiger oder dem Geschädigten verursacht worden ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Geschädigten die Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers entfällt (BAG 19. Februar 1998 - 8 AZR 645/96 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 88, 101). In diesem Sinn ist die Haftung der Beklagten nicht wegen einer der Klägerin zu 3. zuzurechnenden vorsätzlichen „Selbstschädigung“ ausgeschlossen. Eine solche kann insbesondere - unabhängig vom Verschuldensgrad und anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin zu 3. die Verletzungshandlung nicht abgewehrt hat. Diese beginnt bei einem Streik schon mit seinem Aufruf. Der zu bestreikende Arbeitgeber vermag aber einen gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zu verhindern; er kann sich allenfalls - vor allem mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes - gegen die Arbeitsniederlegungen wehren, welche die Verletzungshandlung fortsetzen.

65

b) Soweit das Landesarbeitsgericht Schadensersatzansprüche für die Zeit bis einschließlich 27. Februar 2012 deshalb als „nicht in Betracht kommend“ angesehen hat, weil die Klägerin zu 3. keinen Rechtsbehelf gegen den von ihr als rechtswidrig erkannten Streik ergriffen und damit schuldhaft eine Schadensabwendung iSv. § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB unterlassen habe, tragen seine eigenen Feststellungen diese Würdigung nicht. Das Berufungsgericht müsste - nach seiner Auffassung konsequent - davon ausgehen, dass eine (rechtskräftige) gerichtliche Untersagung des mit Schreiben vom 15. Februar 2012 angekündigten Streiks noch vor Beginn der Streikmaßnahmen am 16. Februar 2012, 15.00 Uhr hätte erstritten werden können. Hierzu verhält sich die angegriffene Entscheidung nicht. Ungeachtet dessen war die Klägerin zu 3. nicht gehalten, zur Abwendung oder Minderung der durch den Streik entstandenen Schäden rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen ist der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens bei einem zulässigen Antrag auf Untersagung oder Abbruch eines Streiks im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher prognostizierbar. Ein Geschädigter muss sich prinzipiell nicht zur Schadensabwendung auf Rechtsstreitigkeiten einlassen, deren Erfolgsaussichten ungewiss sind (vgl. BGH 6. Dezember 1984 - III ZR 141/83 - zu I 4 b der Gründe; vgl. auch Erman/Ebert BGB 14. Aufl. § 254 Rn. 70). Zum anderen - und vor allem - trifft einen bestreikten Arbeitgeber grundsätzlich keine Obliegenheit, einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren. Selbst einem als rechtwidrig erkannten Streik kann der Bestreikte begegnen, indem er ihn aushält. Auch darin liegt - schon wegen des Wesens des Arbeitskampfes - jedenfalls typischerweise Druckausübung zur Verbesserung der Verhandlungsposition.

66

c) Anders als die Beklagte meint, wirkt sich auch der Umstand nicht aus, dass die Klägerin zu 3. sie erst im einstweiligen Verfügungsverfahren auf die Rechtswidrigkeit des Streiks hingewiesen hat. Eine solche Annahme setzt eine entsprechende Hinweispflicht oder -obliegenheit voraus, die sich aus arbeitskampfrechtlichen Gründen verbietet. Sie würde das „Aushalten“ eines Streiks als legitimes Kampfmittel zur Ausübung von (Gegen-)Druck auf die streikführende Gewerkschaft konterkarieren.

67

5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu versagen.

68

a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, dh. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder Vertragspflicht (vgl. BGH 14. Juli 2016 - III ZR 446/15 - Rn. 29; 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17; 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 120, 281; 24. Oktober 1985 - IX ZR 91/84 - zu II 5 b der Gründe, BGHZ 96, 157). Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass derselbe Schadenserfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (BGH 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17). Darlegungs- und beweispflichtig ist der Schädiger.

69

b) Hiervon ausgehend tragen bereits die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Umstände nicht seine Würdigung, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sieht seine Annahme, der Streik hätte auch ohne die inkriminierten Tarifforderungen zur selben Zeit, am selben Ort und auf dieselbe Art und Weise stattgefunden, dadurch belegt, dass sich der Streit der Tarifvertragsparteien am Ende der Schlichtung auf andere Regelungsgegenstände bezogen habe und hinsichtlich der friedenspflichtverletzenden Forderungen bereits eine Einigung erzielt worden sei. Mit dieser Begründung nimmt das Landesarbeitsgericht die arbeitskampfrechtlich spezifische Situation nicht ausreichend in den Blick. Verständigen sich Tarifvertragsparteien in Tarifvertragsverhandlungen auf bestimmte Punkte oder stehen diese Punkte am Ende eines (freiwilligen) Schlichtungsverfahrens nicht (mehr) im Streit, haben sie sich letztlich auch bezüglich dieser Regelungsgegenstände nicht geeinigt, wenn das „Gesamtpaket“ nicht zustande kommt. Auch vorliegend war am Ende des Schlichtungsverfahrens der Abschluss des gesamten Tarifvertrags mit dem vom Schlichter empfohlenen Inhalt „an sich“ streitig. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, bestimmte Tarifforderungen hätten den Streik nicht beeinflusst. Ebenso verkennt das Berufungsgericht die arbeitskampfrechtlichen Besonderheiten, wenn es seine Schlussfolgerung, die friedenspflichtverletzenden Forderungen seien nicht streikbestimmend gewesen, darauf stützt, dass nach deren Fallenlassen nicht sogleich weitere Verhandlungen aufgenommen worden seien.

70

c) Ungeachtet dessen ist bei einem aufgrund einer Friedenspflichtverletzung rechtswidrigen Streik für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Raum (so auch Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1261; Jauernig/Teichmann BGB 16. Aufl. Vor §§ 249-253 Rn. 48; Rieble BB 2014, 949, 951; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1402; vgl. auch Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 971).

71

aa) Dies folgt allerdings nicht aus einer der Friedenspflicht beizumessenden Funktion, dass mit ihr die typischerweise schwerwiegenden Folgen kollektiver Kampfmaßnahmen für die Gesamtheit und die beteiligten Kreise des Arbeitslebens im Rahmen des Möglichen vermieden werden sollen (so noch BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - zu V 3 der Gründe, BAGE 6, 321; vgl. bereits zuvor BAG 8. Februar 1957 - 1 AZR 169/55 - BAGE 3, 280; kritisch hierzu zB Nitsche in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 22 Rn. 125; Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 54 ff.; MüKoBGB/Oetker 7. Aufl. § 249 Rn. 223; Staudinger/Schiemann (2005) § 249 Rn. 105; sh. auch Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 26 II 5 a (2)). Eine solche die Allgemeinheit oder Dritte schützende Wirkung kommt der schuldrechtlich determinierten Friedenspflicht nicht - jedenfalls nicht typischerweise - zu. Ebenso trägt der Gedanke nicht, dass im Arbeitskampfrecht die Verletzung der Friedenspflicht praktisch weitgehend sanktionslos bliebe, wenn man die Möglichkeit eines zulässigen Streiks als rechtmäßige Alternative in Betracht ziehen würde (so aber BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - aaO). Eine sanktionierende Wirkung ist dem Schadensersatzrecht im Allgemeinen fremd; auch die Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Streik hat Ausgleichs- und keine Sanktionsfunktion.

72

bb) Nach ihrem Sinn und Zweck soll die sich aus einem bestehenden Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht verhindern, dass Änderungen oder Verbesserungen der tariflich geregelten Gegenstände gegenüber dem Tarifvertragspartner mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht wird. Sie ist darauf gerichtet, für die Dauer ihres Bestehens die Schädigung des Arbeitgebers durch einen Streik „als solchen“ auszuschließen. Hiervon ausgehend kann die Beklagte nicht entlasten, dass ein von ihr getragener Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen bei der Klägerin zu 3. die (genau) gleichen Folgen gehabt hätte. Es hätte sich wegen des dann anderen Streikziels um einen anderen Arbeitskampf gehandelt. Ein solcher vermag keine Alternativhandlung abzugeben. Anderenfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt. Eine solche Fallgestaltung erfasst der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens regelmäßig nicht (vgl. [bei behördlichem Handeln und hypothetischem Verwaltungsakt] BGH 3. Februar 2000 - III ZR 296/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 143, 362).

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6. Entgegen der Auffassung der Beklagten verbietet sich die Annahme ihrer Ersatzpflicht für die durch den Streik entstandenen Schäden bei der Klägerin zu 3. nicht aus konventionsrechtlichen Gründen.

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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Anwendung und Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 128, BVerfGE 137, 273). Auf der Ebene des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, die Gewährleistungen der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen (BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 27). In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des EGMR für die Auslegung der EMRK auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 28; BAG 20. Oktober 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 13; 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 69 mwN, BAGE 144, 1).

75

b) Vorliegend ist die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht(vgl. dazu zB EGMR 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) zu berücksichtigen. Insoweit hat der EGMR mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind(vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 130, BAGE 143, 354). Mit der Annahme der Schadensersatzpflicht der Beklagten, die mit dem von ihr getragenen Streik gegen die Friedenspflicht nach einem von ihr vereinbarten Tarifvertrag verstößt, wird aber deren Streikrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt. Gegenteiliges lässt sich auch der Entscheidung des EGMR in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ (EGMR [I. Sektion] 27. November 2014 -  36701/09 - AuR 2015, 146 ) nicht entnehmen. Diese Entscheidung betrifft ein Streikverbot aufgrund eines innerstaatlichen Gerichtsurteils. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der Gerichtshof festgestellt, dass das innerstaatliche Gericht die Zulässigkeit des Streiks nicht umfassend geprüft habe und auf einen „dritten Streikgrund“ - den die Gewerkschaft hilfsweise zur Organisation des Streiks angegeben hatte - nicht eingegangen sei (Rn. 58 iVm. Rn. 14). Ergebnis dieses Ansatzes sei gewesen, dass die beschwerdeführende Gewerkschaft trotz eines tariflosen Zustandes für die Dauer von drei Jahren und acht Monaten nicht berechtigt gewesen sei, einen Streik durchzuführen, was nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne (Rn. 59). Dies ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Die Beklagte hat mit dem von ihr geführten Arbeitskampf gegen eine von ihr selbst vereinbarte Friedenspflicht verstoßen, indem sie ihr - einheitlich zu bewertendes - Streikziel auf die Durchsetzung bereits geregelter Gegenstände bezog. Abgesehen davon, dass es mithin nicht wie in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ um einen verlautbarten - von den kroatischen Gerichten aber nicht geprüften - „hilfsweisen Streikgrund“ geht, geben die vom EGMR in Bezug auf Art. 11 EMRK aufgestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht vor, die Illegitimität kampfweise durchzusetzender Forderungen bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes zu ignorieren(aA wohl Lörcher AuR 2015, 126, 129 ; vgl. auch Jacobs/Schmidt EuZA 2016, 82, 94 f.).

76

II. Der Klägerin zu 3. steht daneben ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 31 BGB zu. Die Beklagte hat - handelnd durch ihre Organe - mit dem vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführten Streik die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control verabredete Friedenspflicht hinsichtlich der §§ 5 bis 8 TV Apron Control schuldhaft verletzt. Weder nach § 254 BGB noch unter dem Gesichtspunkt eines rechtmäßigen Alternativverhaltens noch nach konventionsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Ersatzpflicht der Beklagten ausgeschlossen.

77

III. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

78

1. Die Beklagte hat die von der Klägerin zu 3. geltend gemachten Schadenspositionen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen.

79

2. Dabei gilt allerdings für das von der Klägerin zu 3. (auch) herangezogene schadensstiftende Ereignis der Ankündigung des Unterstützungsstreiks gegenüber der DFS mit Schreiben vom 28. Februar 2012, dass das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht davon ausgegangen ist, ein hierauf bezogener Schadensersatzanspruch scheide aus, weil nach deren Vortrag nicht festgestellt werden könne, welche konkreten Beeinträchtigungen oder Schäden hierauf zurückzuführen seien. Ausgehend vom Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann daher offenbleiben, ob die der DFS angekündigte Absicht der Beklagten, ihre Mitglieder im Geschäftsbereich Tower zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen, einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.

80

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch - soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht - für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist(BGH 12. Juli 2016 - KZR 25/14 - Rn. 42 mwN). Im Anwendungsbereich der Vorschrift ist der Tatrichter besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH 5. März 2013 - VI ZR 245/11 - Rn. 14 mwN).

81

b) Derartige Rechtsfehler werden von der Revision der Klägerin zu 3. nicht aufgezeigt.

82

aa) Es ist nicht - anders als die Revision meint - davon auszugehen, das Landesarbeitsgericht habe die deliktsrechtlichen Grundsätze zur Haftung mehrerer Schädiger nach § 830 BGB verkannt, die „erst recht“ anzuwenden seien, wenn nur ein Schädiger mehrere Schadensursachen verantworte. Die Haftungsverbandsregel des § 830 BGB durchbricht das dem BGB innewohnende Prinzip, wonach Schadensersatz nur von demjenigen verlangt werden kann, der den Schaden verursacht hat. Die Fallgruppen der Vorschrift sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur eine einzige Person als Schädiger in Betracht kommt, sondern an der Entstehung des Schadens mehrere Personen mitgewirkt haben (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2012) § 830 Rn. 2). So ist etwa bei § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass bei jedem Beteiligten - vom Nachweis der Ursächlichkeit abgesehen - ein den klägerischen Anspruch begründendes Verhalten gegeben war, eine der unter dem Begriff „Beteiligung“ zusammengefassten Personen den Schaden verursacht haben muss und nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden - ganz(Urheberzweifel) oder teilweise (Anteilszweifel) - verursacht hat (BGH 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04 - Rn. 9). Nur wegen der Mehrheit der Schädiger dürfen sich die Kausalitätsprobleme stellen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

83

bb) Auch die von der Revision herangezogenen Grundsätze der kumulativen Gesamtkausalität und der Doppelkausalität sind nicht einschlägig.

84

(1) Die kumulative Gesamtkausalität betrifft die Frage des Zurechnungszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden, wenn ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen beruht, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind (vgl. etwa BGH 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - Rn. 19 f.). Um eine solche Konstellation handelt es sich vorliegend nicht.

85

(2) Eine Doppelkausalität wird angenommen, wenn zwei Umstände einen Schaden verursachen und jeder für sich allein ausgereicht hätte, den ganzen Schaden zu verursachen. Dann sind beide Umstände als ursächlich zu behandeln. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung durch zwei verschiedene Personen erfolgt. Es genügt, wenn eine Person zwei Ursachen setzt, welche jede für sich den vollen Schaden herbeigeführt hätte (BGH 4. April 2014 - V ZR 275/12 - Rn. 16, BGHZ 200, 350). Davon, dass der Haupt- und der Unterstützungsstreik jeweils für sich gesehen den geltend gemachten Umfang der Ersatzpflicht auslösten, ist aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu 3. nicht auszugehen.

86

B. Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen gegen die ihre Zahlungsanträge abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der jeweils geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aus deliktsrechtlichen Gründen unbegründet. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützter Schadensersatzanspruch besteht nicht.

87

I. Die von den Klägerinnen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten. Es fehlt bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut der beiden Klägerinnen.

88

1. Eine zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Eigentums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ihren Flugzeugen - und bei der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die abgetretenen Forderungen an denen der N GmbH - durch die durchgeführten Streikmaßnahmen und den angekündigten Unterstützungsstreik machen die Klägerinnen zu 1. und 2. nicht geltend.

89

2. Ein Anspruch der Klägerinnen zu 1. und 2. - bei letzterer zT aus abgetretenem Recht - folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es fehlt an einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff.

90

a) Streikmaßnahmen sind mit der nach § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen spezifischen Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb des Kampfgegners verbunden. Dessen unmittelbare Kampfbetroffenheit folgt aus dem gewerkschaftlichen Streikaufruf. In diesem drückt sich die objektive Stoßrichtung der Kampfmaßnahme aus. Demgegenüber stellt der Streik oder der Aufruf hierzu regelmäßig keinen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines drittbetroffenen, kampfunbeteiligten Unternehmens dar (vgl. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 38, BAGE 152, 240 und - 1 AZR 875/13 - Rn. 26, BAGE 152, 260). Beachtlich ist allein der Streikbeschluss der kampfführenden Gewerkschaft. Auf dessen Bewertung durch Externe oder Drittbetroffene kommt es dabei nicht an. Anderes kann allenfalls gelten, wenn das dem Kampfgegner übermittelte Kampfziel nur in dem Sinn vorgeschoben ist, dass tatsächlich ein mit diesem verbundener Dritter in Anspruch genommen werden soll. Zu einer solchen Annahme gereicht nicht die Betroffenheit des Dritten vom Streik (Bayreuther RdA 2016, 181, 182).

91

b) Danach haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt, dass von einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. - oder das der N GmbH - am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ausgegangen werden kann.

92

aa) Dies gilt zunächst für den durchgeführten (Haupt-)Streik.

93

(1) Nach den der Klägerin zu 3. mit Schreiben der Beklagten vom 15. Februar 2012 und vom 25. Februar 2012 mitgeteilten Ankündigungen der Streikmaßnahmen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Aufruf der Beklagten hierzu einen anderen Kampfgegner als die Klägerin zu 3. anbelangte. Die Arbeitsniederlegungen betrafen deren unternehmerischen Bereiche der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale am Flughafen Frankfurt am Main. Die objektive Stoßrichtung der Streikaktionen zielte auf eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin zu 3.

94

(2) Eine gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtete Zielrichtung drückt sich nicht in der Äußerung des Vorstands der Beklagten Tarif/Recht in dem angeführten Interview aus. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, hierin liege nicht mehr als eine Beschreibung der Streikfolgen für (dritt-)betroffene Fluggesellschaften, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der dagegen angebrachte Revisionsangriff der Klägerinnen zu 1. und 2. setzt insoweit nur deren Verständnis des Erklärungswerts der Aussage an die Stelle desjenigen des Berufungsgerichts. Ungeachtet dessen müsste - folgte man der Argumentation der Klägerinnen zu 1. und 2. - der Streikaufruf, der sich unmissverständlich allein auf den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. bezog, als vorgeschoben zu bewerten sein (dazu Bayreuther RdA 2016, 181, 182). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, zumal eine nachträglich - und sei es von einem Vorstandsmitglied der streikführenden Gewerkschaft - abgegebene Erklärung die in dem Streikaufruf verlautbarte objektive Zielrichtung des Streiks grundsätzlich nicht zu relativieren vermag.

95

(3) Die Stoßrichtung des Streiks muss auch nicht deshalb als gegen die eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtet bewertet werden, weil deren unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die Klägerin zu 3. erbrachten Dienste der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale abhängt. Diese Leistungen - im Wesentlichen als Teil des Flugverkehrskontrolldienstes - gehören zu den flugsicherungsbetrieblichen Diensten für den Flugbetrieb auf Flugplätzen. Deren „Ausfall“ bedingt kraft luftverkehrsrechtlicher Vorgaben Störungen bei der Durchführung von Flügen. Diese funktionale Verflechtung modifiziert aber nicht den deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach kein Ersatz für mittelbare Vermögensschäden geschuldet wird, die Dritte bei Verletzung ihrer Rechtsgüter durch eine Reflexwirkung erleiden. Aus der Unausweichlichkeit von Beeinträchtigungen der Gewerbebetriebe der klagenden Luftfahrtunternehmen bei streikbedingten Störungen oder Beeinträchtigungen der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale an einem von ihnen genutzten Flughafen folgt nicht - gewissermaßen zwangsläufig - eine gegen diese Unternehmen gerichtete Zielrichtung des Streiks.

96

bb) Auch im Hinblick auf die Ankündigung der Beklagten gegenüber der DFS, ihre Mitglieder am Tower Frankfurt am Main am 29. Februar 2012 zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Hauptstreiks aufzurufen, fehlt es an einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher schon deshalb ausscheidet, weil sich die Ankündigung allein an die DFS richtete. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen zu 1. und 2. die Verletzungshandlung in dem öffentlichen Bekanntwerden der an die DFS gerichteten Ankündigung sähe, ließe sich hieraus nicht ohne weiteres auf eine direkt gegen deren Gewerbebetriebe sowie den der N GmbH zielende Maßnahme schließen. Zwar verweisen die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. zutreffend darauf, dass nach der Ankündigung der Beklagten - anders als in dem vom Senat am 25. August 2015 entschiedenen Rechtsstreit (- 1 AZR 875/13 - BAGE 152, 260) zu einem Tarifkonflikt zwischen der DFS und der Beklagten mit Arbeitskampfandrohungen im August 2011 - nicht alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS zum (Unterstützungs-)Streik aufgerufen werden sollten, sondern (allein) die Gewerkschaftsmitglieder am Tower Frankfurt am Main. Damit zielte die beabsichtigte Maßnahme darauf, nicht den gesamten Betrieb der DFS zu beeinträchtigen, sondern den einer ihrer Flugsicherungsdienste erbringenden Einrichtung. Aus dem Umstand einer (beabsichtigten) Störung der Flugsicherungsdienste lässt sich aber nicht „per se“ ein unmittelbarer Eingriff in die Gewerbebetriebe der von der Erbringung dieser Leistung abhängigen Fluggesellschaften herleiten (ausf. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 41 bis 45, BAGE 152, 240). Auch im vorliegenden Fall kann nichts anderes festgestellt werden, als dass mittels der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der im Tower tätigen Mitarbeiter (Fluglotsen) auf die DFS eingewirkt werden sollte, um den Druck auf die Klägerin zu 3. zu verstärken und den gegen deren Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen. Inwieweit sich eine objektiv gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. (bzw. der N GmbH) gerichtete Stoßrichtung aus der bereits behandelten Äußerung des Vorstands Tarif/Recht im Interview mit „Spiegel-Online“ ergeben soll, erschließt sich mit Blick auf die angekündigte (Unterstützungs-)Streikmaßnahme bereits deshalb nicht, weil die Aussage nach der nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellung des Landesarbeitsgerichts „während der Durchführung“ des Hauptstreiks gemacht worden ist und es insoweit von vornherein an einem zeitlichen, auf die Unterstützungskampfmaßnahme bezogenen Kontext fehlt.

97

cc) Soweit die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. August 2015 (- 1 AZR 754/13 - Rn. 46 bis 51, BAGE 152, 240) meinen, ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB könne wegen der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1977 zu der streikähnlichen Aktion von Flugleitern im Jahre 1973 (- III ZR 179/75 - BGHZ 69, 128; vgl. in der Folge auch BGH 31. Januar 1978 - VI ZR 32/77 - BGHZ 70, 277; 22. März 1979 - III ZR 24/78 -; 28. Februar 1980 - III ZR 131/77 - BGHZ 76, 387) nicht abgelehnt werden, trifft diese Bewertung nicht zu. Die einzelfallbezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu einer kollektiven Amtspflichtverletzung sind auf gewerkschaftlich getragene Streiks von vornherein nicht übertragbar.

98

dd) Schließlich verfängt die unter Verweis auf frühere Senatsentscheidungen (BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 653/86 - BAGE 59, 48; 8. November 1988 - 1 AZR 417/86 - BAGE 60, 101) vertiefte Argumentation der Revisionsklägerinnen zu 1. und 2. nicht, die durchgeführten und die angekündigte Streikaktionen stellten eine Betriebsblockade dar und seien deshalb als unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der betroffenen Fluggesellschaften zu werten. Ungeachtet dessen, dass die durchgeführten - und schon gar nicht die beabsichtigte - Kampfmaßnahmen keine über die (beabsichtigte) kollektive Arbeitsniederlegung hinausgehende und eine Betriebsblockade typischerweise charakterisierende äußerliche physische Absperrung eines Betriebs betrafen, waren sie nicht auf die Verhinderung eines von mehreren Unternehmen arbeitsteilig verfassten Produkts gerichtet. Die Klägerinnen zu 1. und 2. sowie die Klägerin zu 3. und die DFS erbringen kein „Produkt“ der Passagierbeförderung auf dem Luftweg in bewusst betriebsgemeinsam-arbeitsteilig verfasster Weise, auf deren Verhinderung die Aktionen der Beklagten zielten. Die in den zitierten Entscheidungen zur Wertung herangezogene „arbeitsteilige Produkterbringung“ liegt auch nicht - wie die Klägerinnen zu 1. und 2. offensichtlich meinen - in jeder „Produkterbringung in Abhängigkeit von der Leistung anderer“. Aus den (Mitteilungen zu) Streikankündigungen der Beklagten folgt nur eine objektiv-planvolle Verhinderung der allein von der Klägerin zu 3. erbrachten Dienstleistung „Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale“ und der allein von der DFS zu erbringenden Flugsicherungsdienstleistung. Die hierdurch bedingten Betriebsablaufstörungen bei den klagenden Fluggesellschaften waren schlichte Folge des (absehbaren) Leistungsausfalls.

99

II. Etwaige Ansprüche der Klägerinnen zu 1. und 2. aus § 826 BGB sind nicht Gegenstand der Revisionsverfahren. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsanträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auch insoweit als nicht begründet angesehen. Dagegen wenden sich die Revisionen nicht.

100

III. Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben keinen (abgetretenen) vertraglichen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem zwischen der Beklagten und ua. der Klägerin zu 3. geschlossenen TV Apron Control. Sie wie auch die N GmbH sind nicht in den Schutzbereich dieses Tarifwerks einbezogen.

101

1. Auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können grundsätzlich in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; BGH 9. April 2015 - VII ZR 36/14 - Rn. 25 mwN). Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 42 mwN, BAGE 152, 260).

102

2. In schuldrechtliche Verpflichtungen von Tarifvertragsparteien sind andere Dritte regelmäßig nicht einbezogen. Dies gilt nicht nur für die einem Tarifvertrag ohne besondere Vereinbarung regelmäßig immanente relative Friedenspflicht (vgl. hierzu BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 43, BAGE 152, 260), sondern auch für eine ausdrücklich vereinbarte - hier nach dem TV Apron Control erweiterte relative - Friedenspflicht. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarungen müssen besondere Anhaltspunkte bestehen.

103

3. Gemessen hieran scheidet eine vertragliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. und der N GmbH aus.

104

a) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Luftfahrtunternehmen in die Friedenspflicht nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control einbezogen sind. Auf eine solche Einbeziehung Dritter kann insbesondere nicht, anders als die Klägerinnen zu 1. und 2. meinen, aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ihrer Leistungen mit denen der Klägerin zu 3. sowie der funktionalen Abhängigkeit der Fluggesellschaften vom Flughafenbetreiber geschlossen werden. Bereits wegen der erforderlichen Abgrenzung zum deliktischen Haftungsbereich darf die für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Leistungsnähe nicht nur faktisch gegeben sein (ausf. Staudinger/Klumpp (2015) § 328 Rn. 112 mwN aus der Rspr.). Entsprechend lehnt auch der Bundesgerichtshof selbst Hinweise auf konzernmäßige enge Verflechtungen zur Begründung der Leistungsnähe als „von vornherein nicht geeignet“ ab (zu einem Darlehensvertrag BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 56, BGHZ 166, 84; vgl. auch Kort NJW 2006, 1098 f.).

105

b) Ein Drittschutz ist in der Friedenspflicht nach dem TV Apron Control weiterhin nicht deshalb angelegt, weil sie objektiv auch den Interessen der Nutzer des von der Klägerin zu 3. betriebenen Flughafens, darunter jenen der Fluggesellschaften, dient. Es kommt vielmehr darauf an, ob es - hier nicht ersichtliche - konkrete Anhaltspunkte für einen subjektiven Willen dafür gibt, dass die Tarifvertragsparteien die schuldrechtliche Verpflichtung nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control(auch) mit Blick auf Dritte vereinbart haben. Insofern überzeugt das Argument der Revisionsführer nicht, die Friedenspflicht aus Tarifverträgen für Mitarbeiter der Bereiche Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale eines Flughafens wäre ohne Einbeziehung der Fluggesellschaften „weitgehend bedeutungslos, da dem Flughafenbetreiber infolge eines Streiks dieser Mitarbeiter erst dann ein Schaden entsteht, wenn die Fluggesellschaften ihre Leistungen nicht erbringen können“. Dies ist letztlich immer der Fall, wenn es um Tarifverträge in einem Bereich geht, in dem der Gegenstand unternehmerischer Betätigung „abnehmerbezogen“ ist.

106

C. Über die Kosten des Rechtsstreits kann der Senat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht abschließend befinden. Die Entscheidung hängt davon ab, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin zu 3. nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht in der Sache obsiegen wird. Das Landesarbeitsgericht wird daher über die Kosten des Rechtsstreits - auch im Hinblick auf die zurückgewiesenen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. - zu entscheiden haben. Es kann als Rechtsmittelgericht unter Gewährung rechtlichen Gehörs eine die im Rechtsmittelverfahren dann nicht mehr beteiligten Klägerinnen zu 1. und 2. betreffende Kostenentscheidung treffen (vgl. BGH 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79 - zu III der Gründe).

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Klebe    

        

    Benrath    

                 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2010 - 8 Sa 446/10 - aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Warnstreiks.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Verpackungen und Packungsbeilagen für Pharma-Produkte herstellt. Sie beschäftigt rund 160 Arbeitnehmer, von denen etwa 120 in der Produktion tätig sind. Bis zum 29. März 2009 war sie Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen e. V. (VDMH). In dessen Satzung ist Folgendes bestimmt:

        

„…    

        

§ 2 Zweck und Tätigkeit

        

(1)     

Der Verein bezweckt als Berufsverband die Wahrnehmung der gemeinsamen fachlichen Belange der Druckindustrie und Medienbranche im Land Hessen. Dies umfasst alle wirtschaftspolitischen, bildungspolitischen, gesellschaftspolitischen, sozialpolitischen und für die Druckindustrie tariflichen Angelegenheiten, insbesondere gegenüber den Gewerkschaften, den fachlichen und überfachlichen Unternehmerorganisationen, den Behörden, der Regierung und den politischen Parteien sowie der Öffentlichkeit. Dazu gehören, neben der Förderung von Technik und Forschung sowie von Aus- und Weiterbildung, die arbeits- und sozialrechtliche Vertretung der Mitglieder, die auch aus Art. 9 Abs. 3 GG resultiert. Zum Ausgleich wirtschaftlicher Schäden bei Arbeitskämpfen nach Maßgabe von Richtlinien, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden, ist eine Gefahrengemeinschaft der Mitglieder gebildet. …

                 
        

§ 3 Erwerb der Mitgliedschaft

        

(1)     

Bei der Mitgliedschaft ist zu unterscheiden zwischen der ordentlichen Mitgliedschaft als

                 

-       

Mitglied mit Tarifbindung oder

                 

-       

als Mitglied ohne Tarifbindung nach Maßgabe von Ziff. (2) u. (3)

                 

sowie der Probemitgliedschaft und der Gastmitgliedschaft.

        

(2)     

Ordentliche Mitglieder des VDMH mit Tarifbindung sowie ordentliche Mitglieder ohne Tarifbindung können nur natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen werden, die Inhaber eines Betriebes der Druckindustrie und Medienbranche mit Sitz und Zweigbetrieb in Hessen sind. Der Verbandsbeitritt als ordentliches Mitglied erfolgt grundsätzlich als Mitgliedschaft mit Tarifbindung. Ist die Tarifbindung auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Verbandsinteresses an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche für das Mitglied unzumutbar, kann auch ein Beitritt als ordentliches Mitglied ohne Tarifbindung erfolgen. Hierüber entscheidet der geschäftsführende Vorstand im Einzelfall.

        

(3)     

Der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist jederzeit mit sofortiger Wirkung auf schriftlichen Antrag durch Beschluss des geschäftsführenden Vorstandes möglich, wenn die Tarifbindung auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Verbandsinteresses an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche für das Mitglied unzumutbar ist.

        

…       

        
                          
        

§ 5 Rechte und Pflichten der Mitglieder

        

(1)     

Alle ordentlichen Mitglieder haben gleiche Rechte und Pflichten, soweit sich aus der Satzung nichts anderes ergibt.

                          
        

(2)     

Alle ordentlichen Mitglieder haben

        

(a)     

das Recht, Dienstleistungen im Rahmen der Zweckbestimmung des VDMH in Anspruch zu nehmen;

        

(b)     

das Recht, die Veranstaltungen des VDMH zu besuchen;

        

(c)     

das Recht, die Einrichtungen des VDMH zu nutzen;

        

(d)     

das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

        

…       

        
        

(5)     

Die Richtlinien für die Unterstützung der Mitglieder im Falle von Arbeitskämpfen sind für alle ordentlichen Mitglieder verbindlich.

        

(6)     

Für Mitglieder mit Tarifbindung gilt:

                 

Mitglieder mit Tarifbindung sind in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten verpflichtet, die Beschlüsse und Vereinbarungen des Verbandes sowie des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. zu beachten und durchzuführen. Insbesondere sind die Mitglieder mit Tarifbindung verpflichtet, Weisungen des Vorstandes des Verbandes sowie Beschlüsse des Hauptverbandes und des sozialpolitischen Ausschusses des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. zu befolgen, die zur Wahrung der gemeinsamen Interessen bei Arbeitskämpfen erlassen werden.

        

(7)     

Für Mitglieder ohne Tarifbindung gilt:

                 

Mitglieder ohne Tarifbindung verpflichten sich, bei Verhandlungen zu Haus- bzw. Firmentarifverträgen den Verband zu informieren und hinzuzuziehen.

                 

Der Verband kann Mitglieder ohne Tarifbindung in Tarifangelegenheiten, insbesondere beim Abschluss von Firmentarifverträgen beraten, unterstützen und vertreten. Hierüber entscheidet der Vorstand durch Beschluss unter Berücksichtigung der tarifpolitischen Interessenlage des Verbandes.

                 

Ein satzungsgemäßer Auftrag zum Abschluss von Verbandstarifverträgen für Mitglieder auch ohne Tarifbindung besteht nicht. Die Verbandsmitgliedschaft bewirkt keine Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz.

                          
                 

Das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben, ist für Mitglieder ohne Tarifbindung ausgeschlossen, soweit es im Zusammenhang mit Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten ausgeübt werden soll.

                 

Mitglieder ohne Tarifbindung können keine Funktion im Verband übernehmen, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen.

                 
        

§ 8 Organe

                 

Organe des VDMH sind

        

(a)     

die Mitgliederversammlung;

        

(b)     

der Gesamtvorstand;

        

(c)     

der Geschäftsführende Vorstand;

        

(d)     

der Geschäftsführer.

        

…       

        
                 
        

§ 11 Beschlüsse der Mitgliederversammlung

        

…       

        
        

(2)     

Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst, soweit nicht durch Satzung oder zwingendes Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Stimmenthaltungen bleiben unberücksichtigt. In Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten steht das Stimmrecht nur den Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Mitglieder ohne Tarifbindung können insoweit nur beratend mitwirken.

        

(3)     

Die Mitgliederversammlung darf nur über solche Anträge beschließen, die auf die Tagesordnung gesetzt sind oder mit einem Gegenstand der Tagesordnung in Zusammenhang stehen. Von Mitgliedern gestellte Anträge werden auf die Tagesordnung gesetzt, wenn sie schriftlich an den Geschäftsführenden Vorstand gerichtet sind und mindestens drei Wochen vor der Mitgliederversammlung bei der Geschäftsstelle eingegangen sind. In Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten sind nur Mitglieder mit Tarifbindung antragsberechtigt.

        

…       

        
        

§ 14 Zusammensetzung des Gesamtvorstandes

        

(1)     

Dem Gesamtvorstand gehören an:

        

...     

        
        

(d)     

bis zu fünf Beiräte für besondere Sachgebiete; Beiräte für Sozial- und Tarifpolitik müssen einem Unternehmen angehören, das Mitglied mit Tarifbindung ist.

        

...     

        
                          
        

§ 15 Aufgaben des Gesamtvorstandes

        

(1)     

Der Gesamtvorstand unterstützt den Geschäftsführenden Vorstand bei der Führung des VDMH.

        

…       

        
        

(3)     

Der Gesamtvorstand benennt die erforderlichen Delegierten des VDMH im Hauptvorstand des Bundesverbandes Druck und Medien e. V. Diese müssen aus dem Kreis der Mitgliedsunternehmen kommen, die Mitglieder mit Tarifbindung sind.

        

…       

        
                          
        

§ 16 Zusammensetzung des Geschäftsführenden Vorstandes

        

(1)     

Dem Geschäftsführenden Vorstand gehören an:

        

(a)     

Der Vorsitzende (Landesvorsitzende);

        

(b)     

sein Stellvertreter;

        

(c)     

der Schatzmeister;

        

(d)     

der Geschäftsführer kraft Amtes (ohne Stimmrecht).

        

(2)     

Mindestens die Hälfte der unter Ziffer (1) (a) bis (c) Genannten, darunter der Vorsitzende, müssen einem Unternehmen angehören, das Mitglied mit Tarifbindung ist.

                 
        

§ 17 Aufgaben des Geschäftsführenden Vorstandes

        

(1)     

Der Geschäftsführende Vorstand leitet den VDMH. Er ist zuständig für alle Aufgaben, die ihm durch Satzung, zwingendes Gesetz oder durch Beschluss der Mitgliederversammlung zugewiesen sind.

                          
        

(2)     

Der Geschäftsführende Vorstand ist Vorstand im Sinne des § 26 BGB. …

        

...     

        
                 
        

§ 20 Arbeitsausschüsse

        

(1)     

Zur Behandlung bestimmter Aufgaben können Arbeitsausschüsse gebildet werden. Wird ein Ausschuss für Angelegenheiten der Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes gebildet, können diesem als Mitglieder nur Personen aus Unternehmen mit Tarifbindung angehören.

        

…“    

        
3

Die Klägerin wechselte mit Wirkung vom 30. März 2009 innerhalb des VDMH in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft), nachdem der Geschäftsführende Vorstand ihrem Antrag im Umlaufverfahren zugestimmt hatte. Zum 1. Mai 2009 wurde sie zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e.V. (VPU). Dies wurde ihr mit Schreiben des VPU vom 20. Mai 2009 bestätigt. Die Beklagte ist Tarifpartner beider Verbände.

4

Mit Schreiben vom 19. Mai 2009 unterrichtete der VPU die Beklagte darüber, dass auf Antrag der Klägerin deren Mitgliedschaft im VDMH in eine solche ohne Tarifbindung umgewandelt worden und sie seit dem 1. Mai 2009 zudem tarifgebundenes Mitglied des VPU sei. Am 22. Mai 2009 fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Geschäftsführer des VPU sowie Vertretern der Beklagten statt. In dessen Verlauf wurde die Beklagte vom Geschäftsführer der Klägerin über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft informiert. Der VDMH unterrichtete die Beklagte erst mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 über den zum 30. März 2009 vollzogenen Statuswechsel.

5

Die Beklagte kündigte am 19. Februar 2009 zum 31. März 2009 den mit dem VDMH geschlossenen Entgelttarifvertrag. Im Anschluss daran kam es am 2. April 2009 zu ersten gemeinsamen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien. Nachdem diese bis zum 30. April 2009 nicht zu einem Tarifabschluss geführt hatten, rief die Beklagte Ende Mai 2009 ihre Mitglieder in verschiedenen Betrieben zu Arbeitskampfmaßnahmen auf.

6

Mit Schreiben vom 27. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe davon Kenntnis erlangt, dass die Klägerin seit dem 1. April 2009 OT-Mitglied im VDMH sowie seit dem 1. Mai 2009 ordentliches Mitglied im VPU sei. Eine Bestätigung durch den für sie zuständigen Tarifvertragspartner liege jedoch noch nicht vor. Die Klägerin sei daher an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden.

7

Am 29. Mai 2009 wurden die Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu einem Warnstreik aufgerufen. In dem Streikaufruf heißt es unter der Überschrift „Lohn- und Gehaltsrunde 2009 Druckindustrie und Zeitungsverlage“:

        

„Aufruf zum Warnstreik

        

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

        

Zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung von 5 Prozent für die Beschäftigten in der Druckindustrie ruft der ver.di-Bundesvorstand, Fachbereich Medien, Kunst und Industrie die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie die Angestellten der Druckindustrie zum Warnstreik auf.

        

…       

        

ver.di-Bundesvorstand

        

Fachbereich Medien, Kunst und Industrie

        

Arbeitskampfabteilung

        

…“    

8

Diesem Streikaufruf sind alle in der Produktion an diesem Tag tätigen Arbeitnehmer der Klägerin gefolgt. Am 2. Juni 2009 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf einen Tarifabschluss.

9

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz wegen des streikbedingten Produktionsausfalls und der damit verbundenen Kosten für die Fremdvergabe von Aufträgen. Sie hat geltend gemacht, der Warnstreik sei rechtswidrig gewesen. Wie der Beklagten bekannt gewesen sei, habe sie dem VDMH nur noch als nicht tarifgebundenes Mitglied angehört. Vielmehr sei sie in den VPU eingetreten und habe dort eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung begründet, weil dieser Verband sachnäher sei und ihre Wettbewerber dort gleichfalls organisiert seien. Der durch den rechtswidrigen Streik bedingte Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei schuldhaft erfolgt, weil der Beklagten die maßgeblichen Umstände, die zu dessen Rechtswidrigkeit führten, bekannt gewesen seien. Infolge des Streiks sei ihr ein Schaden in Höhe von 34.510,88 Euro entstanden.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.510,88 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Information über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft sei unzureichend gewesen. Belastbare schriftliche Nachweise seien ihr nicht vorgelegt worden. Überdies verletze das von der Klägerin betriebene „Verbandshopping“ den Grundsatz der Kampfparität. Unabhängig davon sei der Streik als sog. Partizipationsstreik zulässig. Aufgrund der von der Klägerin verwendeten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln seien auch nach dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft und dem Beitritt zum VPU für einen erheblichen Teil der Belegschaft die Tarifverträge für die Druckindustrie anwendbar geblieben. Der Warnstreik sei jedenfalls als Unterstützungsstreik zulässig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch den Warnstreik vom 29. Mai 2009 entstanden ist. Diese Arbeitskampfmaßnahme war rechtswidrig. Die Klägerin war bei Streikbeginn nicht mehr Mitglied mit Tarifbindung im VDMH. Hierüber war die Beklagte zuvor von der Klägerin hinreichend unterrichtet worden. Bei der als Warnstreik angekündigten und durchgeführten Arbeitskampfmaßnahme handelt es sich weder um einen Partizipationsstreik gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber noch um einen Unterstützungsstreik.

14

I. Die Klägerin ist mit Wirkung vom 30. März 2009 innerhalb des VDMH rechtswirksam von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt.

15

1. Die Begründung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbandes ist grundsätzlich möglich.

16

a) Die Tarifgebundenheit ist auf Arbeitgeberseite die Eigenschaft eines Unternehmens und nicht etwa eine Frage der Tarifzuständigkeit des Verbands selbst. Nicht jedes vereinsrechtliche Mitglied einer tarifvertragschließenden Koalition ist notwendig tarifgebunden iSd. § 3 Abs. 1 TVG(BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 27 mwN, BAGE 130, 264). Die Satzung des Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft iSd. § 3 Abs. 1 TVG begründet und beendet werden kann. Wegen der an die Tarifgebundenheit anknüpfenden Rechtswirkungen gegenüber Dritten ist es jedoch erforderlich, dass die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1 TVG von einer solchen ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen und deren normative Wirkung für hiervon betroffene Dritte grundsätzlich den Gleichlauf von Verantwortung und Betroffenheit bzgl. der tariflichen Vereinbarungen. Dies legitimiert die Unterwerfung der Mitglieder der Tarifvertragsparteien unter die Normen des Tarifvertrags und ist Grundlage der Angemessenheitsvermutung der in Tarifverträgen ausgehandelten Mindestarbeitsbedingungen (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 28, aaO; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, BAGE 127, 27).

17

b) Notwendige Voraussetzung einer wirksamen OT-Mitgliedschaft ist, dass die Verbandssatzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Sie muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist unzulässig. Diese dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. OT-Mitgliedern stehen allerdings die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines „gewöhnlichen“ Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbands haben. Die Beteiligung an der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich. Dem Verband ist es nicht verwehrt, sich durch Dritte, die an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebunden sind, beraten zu lassen (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 29, BAGE 130, 264; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 127, 27).

18

2. Die Satzung des VDMH entspricht diesen Anforderungen.

19

a) In § 3 Abs. 1 der Satzung wird zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung unterschieden. Nach § 5 Abs. 7 Unterabs. 4 der Satzung ist das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben, für Mitglieder ohne Tarifbindung ausgeschlossen, soweit es im Zusammenhang mit sozialpolitischen Angelegenheiten sowie Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten wahrgenommen werden soll. Zudem können Mitglieder ohne Tarifbindung keine Funktionen im Verband übernehmen, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Nach § 11 Abs. 2 der Satzung steht in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Mitglieder ohne Tarifbindung können nur beratend mitwirken. Auch sind in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten nur Mitglieder mit Tarifbindung antragsberechtigt. Die nach § 15 Abs. 3 der Satzung vom Gesamtvorstand zu benennenden Delegierten des Verbandes im Hauptvorstand des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. müssen Mitglieder mit Tarifbindung sein. Gem. § 16 Abs. 2 der Satzung müssen mindestens die Hälfte der drei stimmberechtigten Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands, darunter der Vorsitzende, einem Unternehmen angehören, das tarifgebundenes Mitglied ist. Wird in dem Verband ein Ausschuss für Angelegenheiten der Tarifpolitik und des Arbeitskampfes gebildet, können diesem gem. § 20 Abs. 1 der Satzung als Mitglieder nur Personen aus Unternehmen mit Tarifbindung angehören.

20

b) Durch diese Regelungen ist ausreichend sichergestellt, dass lediglich die tarifgebundenen Mitglieder des Verbands Einfluss auf die Tarifpolitik nehmen können. Dem steht nicht entgegen, dass die Satzung des VDMH nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft den Verlust von Funktionen vorsieht, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Darauf kommt es nicht an, weil die Satzung in diesem Sinne auszulegen ist. Den aufgeführten Regelungen ist zu entnehmen, dass die tarifpolitische Willensbildung nur den Mitgliedern mit Tarifbindung vorbehalten ist. Das hat zur Folge, dass mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust eines vorher wahrgenommenen Amts verbunden ist, in dem Angelegenheiten der Tarif- oder Arbeitskampfpolitik wahrgenommen worden sind (so auch für die vergleichbare Satzung des VDMB BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 43 mwN, BAGE 127, 27).

21

c) Soweit nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung zum Ausgleich wirtschaftlicher Schäden bei Arbeitskämpfen nach Maßgabe von Richtlinien, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden, eine Gefahrengemeinschaft der Mitglieder gebildet wird, steht dies der Annahme einer wirksamen OT-Mitgliedschaft nicht entgegen.

22

aa) Allerdings muss eine Verbandssatzung, die eine OT-Mitgliedschaft vorsieht, ausschließen, dass Mitglieder ohne Tarifbindung in Aufsichtsorganen mitwirken, die einen Streikfonds verwalten und damit über Geldmittel verfügen, die im Arbeitskampf um einen Tarifvertrag eingesetzt werden können und sollen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Unterstützung des Arbeitskampfes durch Beiträge oder sonstige Mittel, die auch von OT-Mitgliedern aufgebracht werden. Das ist tarifrechtlich unbedenklich, soweit die finanzielle Förderung nicht mit einer Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel für konkrete Arbeitskampfmaßnahmen einhergeht (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 130, 264; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden, vgl. BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 2593/09 - AP GG Art. 9 Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Nr. 102).

23

bb) Nach der Satzung des VDMH haben dessen OT-Mitglieder keinen Einfluss auf die Verwendung der Mittel der Gefahrengemeinschaft des VDMH. Hierfür sind nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung von der Mitgliederversammlung Richtlinien zu beschließen. Da ein solcher Beschluss eine Tarif- und Arbeitskampfangelegenheit betrifft, steht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung hierbei das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Eine rechtliche Einflussnahme ist damit ausgeschlossen. Dass die tarifgebundenen Mitglieder durch die Beiträge der OT-Mitglieder mittelbar im Arbeitskampf unterstützt werden können, ist unerheblich (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 35, BAGE 127, 27).

24

cc) Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der von der Mitgliederversammlung beschlossenen Arbeitskampfrichtlinien nicht aufgeklärt, so dass unklar sei, ob diese zwischen Mitgliedern mit Tarifbindung und OT-Mitgliedern trennen, ist schon unzulässig.

25

(1) Zwar konnte die Beklagte als Revisionsbeklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Verfahrensrügen („Gegenrügen“) erheben. Diese dienen dazu, ungünstige Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die nach dessen Rechtsauffassung für den Revisionsbeklagten keine Bedeutung hatten, ihm aber unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zum Nachteil gereichen können, zu beseitigen (vgl. BAG 28. September 2005 - 10 AZR 587/04 - zu III 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 278 = EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 123). Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) gerügt, reicht es allerdings nicht aus, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinzuweisen. Es muss vielmehr im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren erheblichen Tatsachen die rügeführende Partei dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 55, DB 2012, 1690; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

26

(2) Diesen Anforderungen wird die Gegenrüge der Beklagten nicht gerecht. Sie hat schon die mögliche Entscheidungserheblichkeit der bei dem VDMH bestehenden Arbeitskampfrichtlinien nicht dargetan. Dazu hätte die Beklagte zumindest Anhaltspunkte dafür benennen müssen, dass sich aus diesem Regelwerk eine unzulässige Einflussnahme der OT-Mitglieder auf die Arbeitskampfmaßnahmen des Verbands ergibt.

27

3. Der Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft ist fristgerecht erfolgt. Aufgrund ihrer Satzungsautonomie steht den Verbänden das Recht zu, die Fristen für den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine ohne Tarifbindung frei zu bestimmen. Dazu gehört auch die Freiheit, die Fristen für einen Austritt aus dem Verband und die für einen Statuswechsel innerhalb des Verbands unterschiedlich zu bemessen (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 46, BAGE 127, 27). Nach § 3 Abs. 3 der Satzung ist der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung jederzeit mit sofortiger Wirkung möglich. Demzufolge ist der zum 30. März 2009 vollzogene Statuswechsel in eine OT-Mitgliedschaft termingerecht vollzogen worden.

28

4. Über den Statuswechsel innerhalb des VDMH hat das zuständige Organ entschieden. Die Entscheidung hierüber hatte nach § 3 Abs. 3 der Satzung der Geschäftsführende Vorstand zu treffen. Dieser ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 der Satzung Vorstand iSd. § 26 BGB. Nach § 28 iVm. § 32 Abs. 2 BGB kann der Vorstand ohne Versammlung der Mitglieder wirksam Beschlüsse mit schriftlicher Zustimmung aller Mitglieder fassen(Schöpflin in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 28 Rn. 5; MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 28 Rn. 3). Gegen die im Umlaufverfahren beschlossene Statusänderung bestehen deshalb keine satzungsrechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat dies auch nicht gerügt oder geltend gemacht, der Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands sei nicht einstimmig erfolgt.

29

5. Ihren Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH hat die Klägerin vor dem Kampfaufruf der Beklagten hinreichend offengelegt.

30

a) Ein kurzzeitiger Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen beeinträchtigt ungeachtet der vereinsrechtlichen Zulässigkeit die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie. So kann eine Gewerkschaft bei Aufnahme der Tarifverhandlungen darauf vertrauen, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbands sind, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden (BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, BAGE 127, 27). Hieran orientieren sich ua. gewerkschaftliche Tarifforderungen und etwaige Arbeitskampfvorbereitungen. Der Gewerkschaft muss deshalb bei einem Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen die Möglichkeit eröffnet werden, zu überprüfen, ob sich hierdurch die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifabschluss wesentlich geändert haben. Andernfalls ist der erfolgte Statuswechsel tarifrechtlich wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB unwirksam(BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge hat der Arbeitgeberverband oder der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft rechtzeitig über die erfolgte Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Kenntnis zu setzen (BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 29 - 31, aaO; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 64 ff., aaO). Zwar mag eine Gewerkschaft - insbesondere wenn es während laufender Tarifverhandlungen zu einer Häufung von sog. Blitzwechseln kommt - gezwungen sein, ihre Kampftaktik zu ändern. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird sie hierdurch jedoch nicht dauerhaft kampfunfähig, sondern kann von den wechselnden Arbeitgebern den Abschluss von Firmentarifverträgen verlangen. Soweit sie hieran gehindert ist, weil der Arbeitgeber nicht nur in eine OT-Mitgliedschaft in seinem bisherigen Verband gewechselt ist, sondern zusätzlich einem anderen tarifzuständigen Verband beigetreten ist, mit dem die kampfführende Gewerkschaft durch Tarifverträge verbunden ist, ist diese Beschränkung Folge der aus diesem Tarifvertragsabschluss resultierenden Friedenspflicht, die mit dem Statuswechsel innerhalb eines anderen Verbands in keinem Zusammenhang steht.

31

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte durch den Wechsel der Klägerin von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH nicht in ihrer Tarifautonomie beeinträchtigt worden.

32

aa) Hierbei kann offenbleiben, ob der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft - wie die Klägerin meint - bereits vor Aufnahme oder erst während laufender Tarifverhandlungen erfolgt ist. Zwar ist die Klägerin seit dem 30. März 2009 Mitglied ohne Tarifbindung im VDMH und die ersten gemeinsamen Tarifverhandlungen haben nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erst danach, nämlich am 2. April 2009 begonnen. Ob sich der Beginn von Tarifverhandlungen nach der Aufnahme gemeinsamer Gespräche oder eher funktional bereits nach dem Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung von Tarifforderungen bestimmt, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte war durch das Schreiben des VPU - einem anderen Tarifpartner der Beklagten - vom 19. Mai 2009 und durch die Klägerin selbst in dem am 22. Mai 2009 stattgefundenen Gespräch zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Geschäftsführer des VPU einerseits und dem Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst, Industrie und dem Bezirkssekretär der Beklagten andererseits über den erfolgten Statuswechsel zu einem Zeitpunkt informiert worden, in dem die Tarifvertragsverhandlungen noch andauerten.

33

bb) Diese Unterrichtung war vor dem Kampfaufruf am 29. Mai 2009 erfolgt. Sie war entgegen der Auffassung der Beklagten ausreichend und hinreichend konkret.

34

(1) Deren Einwand aus der Revisionsbeantwortung, es sei offengeblieben, wer die Beklagte auf den Statuswechsel hingewiesen habe, ist unzutreffend. Die Klägerin hat im zweiten Rechtszug von der Beklagten nicht bestritten und damit mit der Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO dargelegt, dass die Unterrichtung durch den Geschäftsführer der Klägerin erfolgt sei. Die Information ist keineswegs „vage“ gehalten, wie die Beklagte meint, sondern hinreichend klar durch das vertretungsberechtigte Organ der Klägerin erfolgt.

35

(2) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten war die Klägerin nicht verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis über den Statuswechsel durch VDMH zu führen. Ein solcher Beleg gehört nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum sog. Blitzwechsel in eine OT-Mitgliedschaft nicht zu dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen und ist auch nicht aus arbeitskampfrechtlichen Gründen geboten. Die Unterrichtung über den Statuswechsel unterliegt keinen besonderen formalen Anforderungen. Entscheidend ist, dass der maßgebliche Sachverhalt der Gewerkschaft hinreichend klar mitgeteilt wird. Dem Transparenzerfordernis ist jedenfalls genügt, wenn der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft mündlich unterrichtet und begründete Zweifel an der Richtigkeit der Information nicht bestehen. Solche hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

36

II. Aufgrund des wirksamen Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH vor dem Warnstreik vom 29. Mai 2009 war dieser rechtswidrig.

37

1. Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft nach einem ihr rechtzeitig mitgeteilten Statuswechsel grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ihrer verbandsbezogenen Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen. Da dieses nicht an den angestrebten Tarifabschluss gebunden ist, ist ein solcher Streik rechtswidrig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerkschaft der Statuswechsel des Verbandsmitglieds nicht bekannt war. In diesem Fall ist der satzungsrechtlich zwar zulässige Wechsel wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB tarifrechtlich unwirksam und arbeitskampfrechtlich unbeachtlich(BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Wegen der fortbestehenden Tarifbindung kann die Gewerkschaft im Zusammenhang mit den laufenden Tarifverhandlungen gegen dieses Mitglied zur Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen rechtmäßig Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen.

38

2. Die Beklagte hat am 29. Mai 2009 bei der Klägerin zu einem Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung von fünf Prozent für die Beschäftigten der Druckindustrie aufgerufen. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Arbeitskampfmaßnahme gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH gerichtet hat, um der geforderten Tariferhöhung auf Verbandsebene Nachdruck zu verleihen.

39

a) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Arbeitskampfparteien vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekanntzugeben (BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - BAGE 81, 213; 23. Oktober 1996 - 1 AZR 269/96 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 126). Die von einer Arbeitskampfmaßnahme des Gegenspielers betroffene Seite muss wissen, woran sie ist (Däubler/Wolter Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 16 Rn. 9) und was von ihr verlangt wird, damit sie ihr eigenes Verhalten darauf einrichten und von ihren arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann (BAG 23. Oktober 1996 - 1 AZR 269/96 - zu II 1 der Gründe, aaO). An Form und Inhalt der Unterrichtung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen (ErfK/Dieterich 12. Aufl. Art. 9 GG Rn. 139). Für einen wirksamen Streikaufruf, dem ein entsprechender Streikbeschluss der zuständigen Gewerkschaft zugrunde liegt, genügt deshalb ein von der Gewerkschaft im zu bestreikenden Betrieb verteiltes Flugblatt, aus dem sich die Arbeitskampfmaßnahme und der Zeitraum des Streiks ergeben (BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - zu I 2 c der Gründe, aaO).

40

b) Hiernach hat die Beklagte die Beschäftigten der Klägerin für den 29. Mai 2009 zu einem verbandsbezogenen Warnstreik aufgerufen. Sie hat in diesem Aufruf durch ihren Bundesvorstand die Kampfmaßnahme gegenständlich (Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung in der Druckindustrie) und zeitlich (29. Mai 2009 von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) bestimmt und die Klägerin als Gegnerin dieses Warnstreiks bezeichnet. Dem Streikaufruf ist damit hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Warnstreik im Rahmen der Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag erfolgt und sich gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH richtet. Ein anderes Kampfziel und Kampfmittel kann dem Aufruf nicht entnommen werden. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten.

41

c) Dieses Verständnis des Streikaufrufs entsprach auch dem der Beklagten. Dies machen ihre außerprozessualen und schriftsätzlichen Äußerungen im vorliegenden Verfahren deutlich. Die Beklagte hat vor dem Streikaufruf in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 27. Mai 2009 erklärt, dass ihrer Auffassung nach die Klägerin auch nach dem Statuswechsel an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden sei. Des Weiteren hat sie noch in der Klageerwiderung ausgeführt, auch nach dem vorgenommenen Statuswechsel habe für die Klägerin noch Tarifbindung an die Tarifverträge der Druckindustrie mit der Folge bestanden, dass auch noch rechtmäßig zu Streiks habe aufgerufen werden können. In der Berufungsbeantwortung hat die Beklagte dies bekräftigt und dargelegt, das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass der Streikaufruf der Beklagten der Durchsetzung des Verbandstarifvertrags für die Druckindustrie gegolten habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt mangels ausreichender Transparenz des erfolgten Wechsels weiterhin von einer „Tarifmitgliedschaft“ der Klägerin im Arbeitgeberverband Druckindustrie ausgehen können.

42

3. Entgegen der Annahme der Beklagten war der Warnstreik auch kein rechtmäßiger Partizipationsstreik.

43

a) Der Partizipationsstreik richtet sich gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber, der zwar keinem Arbeitgeberverband angehört, gleichwohl aber kein an der Verbandsauseinandersetzung unbeteiligter Dritter ist. Merkmal und Wirksamkeitsvoraussetzung eines Partizipationsstreiks ist, dass der Außenseiter nicht lediglich faktisch am Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfes mehr oder weniger wahrscheinlich teilhat, sondern die Übernahme des umkämpften Verbandstarifvertrags rechtlich gesichert ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn ein mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag auf näher bezeichnete Verbandstarifverträge dynamisch verweist. Entscheidend für die Einbeziehung des Außenseiters in den Verbandsarbeitskampf ist, dass ein solcher Arbeitgeber durch die Vereinbarung der dynamischen Übernahme des Verbandstarifvertrags auf ein eigenständiges Aushandeln der Arbeitsbedingungen verzichtet hat und stattdessen an der Tarifgestaltung durch den Arbeitgeberverband partizipieren will. Seine Einbeziehung in einen Verbandsarbeitskampf geht schon deswegen nicht mit einer Beeinträchtigung seiner negativen wie positiven Koalitionsfreiheit einher, da dem Außenseiter die Möglichkeit verbleibt, sich durch Kündigung des Firmentarifvertrags und Aushandeln eigenständiger Arbeitsbedingungen mit der Gewerkschaft aus der Bindung an das verbandstarifliche Geschehen zu lösen (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136).

44

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können Außenseiter und Verband auch dann ein Kampfbündnis bilden, wenn der Außenseiter die Geltung der Verbandstarifverträge generell in den Arbeitsverträgen vereinbart hat (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 84, 212) oder die Übernahme der Verhandlungsergebnisse des Verbands einer Tarifpraxis des Außenseiters entspricht (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 b der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Auch in diesen Fällen ist der Außenseiter nicht unbeteiligter Dritter eines Verbandsarbeitskampfes, sondern partizipiert - wie bei einer dynamischen Bezugnahme in einem Firmentarifvertrag - am Ergebnis der Tarifverhandlungen umfassend und unmittelbar. Daher kann eine Gewerkschaft davon ausgehen, dass die Einbeziehung des Außenseiters nicht von vornherein ungeeignet ist, Druck auf die Arbeitgeberseite zur Durchsetzung des Verbandstarifvertrags zu erzeugen (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - aaO).

45

c) Anders als in dem vom Senat am 18. Februar 2003 (- 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5) entschiedenen Fall war vorliegend die generelle Übernahme des umkämpften Entgelttarifvertrags der Druckindustrie durch die Klägerin nicht gesichert. Dieser Tarifvertrag galt bei der Klägerin bis Ende März 2009 kraft tarifgebundener Mitgliedschaft in VDMH und nicht aufgrund eines Firmentarifvertrags mit dynamischer Bezugnahme auf die Verbandstarifverträge der Druckindustrie. Nach ihrem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft und der Begründung einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU gab es keine objektiven Anhaltspunkte mehr für eine rechtlich gesicherte Übernahme der Entgelttarifverträge der Druckindustrie durch die Klägerin. Die Beklagte musste vielmehr davon ausgehen, dass nunmehr bei dieser die mit dem VPU abgeschlossenen Tarifverträge maßgeblich sein würden.

46

d) Nichts anderes folgt aus der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie bei nur einem Teil der Arbeitnehmer. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin enthalten die Arbeitsverträge von nur 48 ihrer insgesamt 160 (gewerblich) Beschäftigen eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie. Unabhängig davon, ob der Beklagten dieser Umstand im Zeitpunkt des Streikaufrufs überhaupt bekannt war, folgt hieraus keine generelle Geltung des umkämpften Tarifvertrags im Unternehmen der Klägerin, zumal jene seit Oktober 2008 ohnehin anderslautende Bezugnahmeklauseln vereinbart hat.

47

4. Der Streikaufruf der Beklagten kann auch nicht als Aufruf zum Abschluss eines Firmentarifvertrags behandelt werden. Dem steht bereits entgegen, dass dies nach dem eindeutigen Streikaufruf nicht das Ziel des Warnstreiks war. Dieser diente vielmehr der Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen der Beklagten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Beklagte vor dem Warnstreik über den erfolgten Statuswechsel beim VDMH und die neu begründete Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU unterrichtet hatte und in Bezug auf den dort geltenden und mit der Beklagten vereinbarten Entgelttarifvertrag eine relative Friedenspflicht galt. Ein auf den Abschluss eines neuen Entgeltfirmentarifvertrags gerichteter Streik hätte hiergegen verstoßen und wäre deshalb rechtswidrig gewesen (dazu BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 a und 4 der Gründe, BAGE 104, 155).

48

5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht den Warnstreik vom 29. Mai 2009 als Unterstützungsstreik angesehen und einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Diese Annahme wird schon durch den Streikaufruf nicht gedeckt. Der Warnstreik sollte ersichtlich nicht zur Unterstützung des Hauptstreiks in der Druckindustrie geführt werden, sondern war nach dem Streikaufruf ein Teil dessen.

49

III. Die Beklagte hat durch den rechtswidrigen Streik bei der Klägerin eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 BGB begangen.

50

1. Der Warnstreik vom 29. Mai 2009 stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B der Gründe, BAGE 104, 155). Den darauf gerichteten Streikaufruf hat der Bundesvorstand der Beklagten verantwortet. Dessen Handeln ist ihr nach § 31 BGB zuzurechnen.

51

2. Die Beklagte hat den bei der Klägerin eingetretenen Schaden schuldhaft herbeigeführt.

52

a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre Streikziele sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über deren Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

53

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist jedenfalls von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Zum Zeitpunkt des Streikaufrufs war der Beklagten die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur OT-Mitgliedschaft bekannt. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat insbesondere im Urteil vom 4. Juni 2008 (- 4 AZR 419/07 - BAGE 127, 27) ausgeführt, dass dem Transparenzerfordernis bei einem Statuswechsel während laufender Tarifverhandlungen genügt ist, wenn der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband die Gewerkschaft hierüber unterrichtet. Es bestand damit zum Zeitpunkt des Streikaufrufs eine hinreichend gesicherte Rechtslage zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Blitzwechsels in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen. Die Beklagte konnte auch erkennen, dass die Erfüllung des darauf bezogenen Transparenzgebots keinen besonderen Formvorschriften unterliegt. Ihr Verhalten erklärt sich vielmehr aus einer grundsätzlichen Ablehnung der Zulässigkeit eines solchen Statuswechsels. Diese Rechtsposition konnte sie nach den gegenteiligen Grundsatzurteilen des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr ernsthaft vertreten. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es ihr nach der Information über den Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft aus Zeitgründen unmöglich war, von der Durchführung der beabsichtigen Kampfmaßnahme abzusehen. Es fehlt daher an tragfähigen Gründen, die es ihr erlaubt hätten, die Arbeitnehmer der Klägerin zum Warnstreik aufzurufen.

54

3. Die Sache ist allerdings nicht zur Entscheidung reif. Die Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen in der Klageerwiderung im Einzelnen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist deshalb insoweit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Benrath    

                 

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.