Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14

ECLI:ECLI:DE:BAG:2016:260716.U.1AZR160.14.0
bei uns veröffentlicht am26.07.2016

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin zu 3. wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2013 - 9 Sa 592/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zu 3. gegen das ihren Zahlungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2013 - 9 Ca 5558/12 - zurückgewiesen hat.

2. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und zu 2. gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht - auch über die Kosten des Rechtsstreits - zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen durchgeführter und angekündigter Arbeitskampfmaßnahmen.

2

Die Klägerinnen zu 1. und 2. sind Luftfahrtunternehmen. Sie nutzen ua. den Flughafen Frankfurt am Main, der von der als Aktiengesellschaft verfassten, mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Klägerin zu 3. betrieben wird. Diese beschäftigt ca. 12.000 Mitarbeiter, davon (vormals) 86 im Bereich Vorfeldkontrolle, 90 im Bereich Vorfeldaufsicht und 29 im Bereich Verkehrszentrale. Die Vorfeldkontrolle (apron control) ist die für die Verkehrslenkung von Luftfahrzeugen auf den Vorfeldflächen verantwortliche Einrichtung. Die Vorfeldaufsicht leitet die Luftfahrzeuge am Boden zu den Parkstationen. Die Verkehrszentrale bearbeitet ua. die operativen Flugplandaten.

3

Der beklagte eingetragene Verein ist die am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Sie schloss am 20. September 2007 mit der Klägerin zu 3. und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e.V. (KAV Hessen) den „Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007 - Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG“ (TV Apron Control), der nach Satz 1 seiner Präambel Regelungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit enthält, sowie dem Schutz vor physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch die Tätigkeit in der Vorfeldkontrolle dient. Nach § 2 des Tarifvertrags in seiner zuletzt durch Landesbezirkstarifvertrag Nr. 19/2010 vom 4. Juni 2010 geänderten Fassung gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, soweit keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Der TV Apron Control regelt in § 3 unter der Überschrift „Entgelt“ Zulagen und Einmalzahlungen, in § 4 eine „Pause bei Wechselschicht, Wochenarbeitszeit und Regenerationspausen“ sowie in § 9 die Ein- und Höhergruppierung von Beschäftigten in einer bestimmten Funktion. § 10 TV Apron Control bestimmt die Folgen einer ggf. eintretenden „Funktionstrennung“ zwischen Verkehrszentrale und Vorfeldkontrolle. Im Übrigen lautet der TV Apron Control:

        

㤠1

        

Geltungsbereich, Zuständigkeit

        

(1)     

Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich ‚Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale‘ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden.

        

(2)     

Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die GdF keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der Fraport AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an.

                 

…       

                 

§ 5

                 

Zeitwertkonto

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 wird für die Beschäftigten ein Zeitwertkonto eingeführt.

        

…       

        
        

(6)     

…       

                 

Protokollnotiz:

                 

Die Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim arbeitgeberfinanzierten Wertguthaben ist auf den Betrag beschränkt, der …

        

(7)     

…       

                 

§ 6

                 

Unterstützung bei vorgezogenem Renteneintritt

        

(1)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 erhalten Beschäftigte, die mindestens fünfzehn Jahre in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt waren, zur Unterstützung eines vorgezogenen Eintritts in Altersrente einen Ausgleich für damit verbundene Rentenabschläge …

        

…       

        
                 

§ 7

                 

Belastungsausgleich

        

(1)     

Die Beschäftigten nehmen ab 1. Januar 2008 einmal jährlich auf Kosten des Arbeitgebers an einem Gesundheits-Check bei der arbeitsmedizinischen Abteilung des Unternehmens teil.

        

(2)     

Beschäftigte, die in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden, sind grundsätzlich verpflichtet, in einem fünfjährigen Turnus an einer Regenerationskur von 30 Kalendertagen teilzunehmen. …

        

…       

        
        

(4)     

…       

        

§ 8

        

Beschäftigungssicherung

        

Beschäftigten, die nach Feststellung der Arbeitsmedizin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Funktion ‚Apron Control‘ eingesetzt werden können, soll ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz innerhalb des Bereiches Aviation angeboten werden. Sollte ein derartiger Arbeitsplatz nicht vorhanden sein, kommt auch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz im Unternehmen in Frage. Die Differenz zwischen den bisherigen und künftigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen (Stammbezüge) wird (soweit erforderlich) gestaffelt nach Tätigkeitsjahren in der Funktion ‚Apron Control‘ wie folgt abgesichert:

        

-       

ab 28 Jahren zu 100 % unbegrenzt

        

-       

ab 23 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 90 % innerhalb von 8 Jahren

        

-       

ab 18 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 80 % innerhalb von 5 Jahren.

        

…       

        

§ 12

        

Inkrafttreten, Laufzeit, Kündigung

        

(1)     

Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. August 2007 in Kraft.

                 

Die Regelungen in § 5 bis § 8 sind mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2017, kündbar. Im Übrigen ist diese Vereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2011, kündbar.

        

(2)     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die in dieser Vereinbarung aufgeführten Regelungen für die genannten Zeiträume abschließend sind. Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte werden von der Friedenspflicht der Vereinbarung erfasst.“

4

Die Beklagte erklärte mit einem an die Klägerin zu 3. gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2011 die Teilkündigung des TV Apron Control. Wörtlich heißt es in dem über der Zeile „S Vorstand Tarif/Recht“ handschriftlich unterzeichneten Schreiben:

        

„…    

        

auf Basis des von der zuständigen Tarifkommission der GdF gefassten Beschlusses

        

kündigen

        

wir hiermit den landesbezirklichen Tarifvertrag Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG (Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007) vom 20. September 2007 in der Fassung der Änderung ...

        

Die Kündigung wird, mit Ausnahme der Regelungen in § 5 bis § 8, fristgemäß zum 31. Dezember 2011 ausgesprochen.

        

…“    

5

Die Klägerin zu 3. erhielt dieses Schreiben am gleichen Tag sowohl per Fax als auch per PDF-Dokument und im Original am 1. Juli 2011. Ein im Wesentlichen gleichlautendes Kündigungsschreiben ging dem KAV Hessen am 29. Juni 2011 zu.

6

Ab dem 19. Oktober 2011 verhandelten die Beklagte und die Klägerin zu 3. unter Einbeziehung des KAV Hessen sowie der Fra-Verkehrszentrale GmbH, der Fra-Vorfeldkontrolle GmbH und der Fra-Vorfeldaufsicht GmbH über neue tarifliche Regelungen. Ein vom 13. Januar bis 1. Februar 2012 durchgeführtes Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters, welche auszugsweise lautet:

        

„Im Laufe der Verhandlungen konnte über diverse Punkte Einigung erzielt werden.

        

Diese Punkte sind zusammengefasst in der den Parteien vorliegenden ‚Synopse der Verhandlungen Donnerstag, 26. Januar 2012‘, welche mit einer grünen Markierung versehen sind. Der Schlichter macht sich diese Einigung zu Eigen und empfiehlt einen Vertragsabschluss in diesen Punkten auf dieser Grundlage.

        

Gleiches gilt für Einigungen, die sich thematisch aus der am 31. Januar 2012 übergebenen Synopse über die zum Zeitpunkt der Erstellung noch strittigen Punkte ergeben, nämlich

                 

●       

der Bereich ‚Zulagen‘,

                 

●       

der Bereich ‚Aktienprogramm‘,

                 

●       

der Bereich ‚Zeitzuschläge‘, mit Ausnahme der Überstundenregelung und

                 

●       

dem Bereich ‚Urlaubs- / Weihnachtsgeld‘, wobei hier ein einheitliches Urlaubs- / Weihnachtsgeld von 100 Prozent der Bezüge vereinbart wurde.

        

Diese Synopse liegt den Parteien ebenfalls vor.

        

Bis zum Ende strittig waren somit die Punkte:

                 

●       

Geltungsbereich

                 

●       

Laufzeit,

                 

●       

Entgelte,

                 

●       

Berechnung des Nachtzeitraums,

                 

●       

Vergütung der Überstunden,

                 

●       

Regelung der Rufbereitschaft und

                 

●       

die Überleitungsvorschriften.

        

Zu diesen Punkten erfolgt die Schlichterempfehlung.“

7

In der der Schlichtungsempfehlung beigefügten Synopse heißt es ua.:

        

㤠18 - Sozialleistungen

        

…       

        

(8)     

Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Folge eines Arbeitsunfalls, den sie in Folge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr vollleistungsfähig und werden sie deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt, so erhalten sie eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung. Zur Überbrückung besonderer wirtschaftlicher Notlagen kann der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter auf Antrag ein zinsbegünstigtes Darlehen gewährt werden.

        

…       

        

§ 49 - Entlastung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

        

Apron-Controller, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst gearbeitet haben, haben einen Anspruch auf einen Wechsel aus dem Wechselschichtdienst in den Schichtdienst.

        

Unabhängig davon kann im Einzelfall ein Wechsel in den Schichtdienst aus persönlichen Gründen jederzeit vereinbart werden.

        

Der Antrag muss mindestens 6 Monate vor dem beabsichtigten Zeitpunkt der Reduzierung gestellt werden. Über diesen Antrag ist innerhalb von 8 Wochen zu entscheiden.“

8

Außerdem weist die Synopse unter „§ 35 - Zeitwertkonto“ in den Absätzen 1 bis 6 dem § 5 Abs. 1 bis Abs. 6 TV Apron Control wortlautgleiche Regelungen aus sowie einen auf Initiative der Klägerin zu 3. eingefügten Abs. 6a zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben, welcher der mit § 1 Nr. 2 des Landesbezirkstarifvertrags Nr. 19/2010 nach § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control eingefügten Protokollnotiz entspricht.

9

Am 15. Februar 2012 beschloss der Bundesvorstand der Beklagten die Durchführung von Streikmaßnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte er gegenüber der Klägerin zu 3. an, „dass die GdF ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Donnerstag, den 16.02.2012 für die Zeit von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr lokaler Zeit zu einem befristeten Streik aufruft“. Weiter lautet das Schreiben:

        

„…    

        

Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der von Herrn … den Tarifparteien vorgelegten Schlichterempfehlung mit folgenden Anpassungen:

                 

●       

Geltungsbereich eines Tarifvertrages ausschließlich für die Fraport AG;

                 

●       

Verkürzung der Laufzeit auf 24 Monate;

                 

●       

Umsetzung der Entgelttabellen zu 100 % ab Beginn der Laufzeit sowie

                 

●       

Beginn der Nachtarbeit um 20.00 Uhr ab Beginn der Laufzeit

        

…“    

                 
10

In einem weiteren Schreiben an die Klägerin zu 3. - gleichfalls vom 15. Februar 2012 - führte die Beklagte aus:

        

„…    

        

wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom heutigen Tage betreffend die Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen. Darin haben wir Ihnen auch die mit dem Arbeitskampf verfolgten Tarifziele im Einzelnen dargestellt.

        

Zur Vermeidung von Missverständnissen weisen wir darauf hin, dass sich unsere Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses selbstverständlich nicht auf diejenigen Regelungen bezieht, die im Schlichterspruch aus rein technischen Gründen aus den weiterhin ungekündigten Tarifverträgen zwischen den Parteien übernommen wurden. Im Hinblick auf diese Regelungen bleibt es bei derjenigen Laufzeit, die sich aus den ungekündigten Tarifverträgen ergibt.

        

…“    

11

Der Streik wurde am Donnerstag, 16. Februar 2012, 15.00 Uhr begonnen und mit einer Unterbrechung am Wochenende mehrfach verlängert. Im Flugverkehr kam es zu Ausfällen und Verzögerungen, wobei die Klägerin zu 3. einen Großteil der durch die Arbeitsniederlegung in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht ausgefallenen Arbeitskräfte kompensieren konnte. In einem während der Streikmaßnahmen von „Spiegel-Online“ geführten Interview erklärte der Vorstand Tarif/Recht der Beklagten - auf den sinngemäßen Vorhalt, dass das gewerkschaftliche Drohpotential schrumpfe - wörtlich:

        

„Naja, es läuft mehr Verkehr, als wir erwartet haben. Aber der Streik ist trotzdem ein Erfolg. Es geht doch um mehr als annullierte Flüge. Dazu kommen die Verspätungen und noch wichtiger: Die Buchungszahlen bei den Airlines sind eingebrochen.“

12

Der zuletzt bis 24. Februar 2012, 23.00 Uhr geplante Streik wurde am 23. Februar 2012, 21.00 Uhr wegen eines Angebots der Klägerin zu 3. auf Wiederaufnahme der Verhandlungen abgebrochen. Nachdem diese ohne Ergebnis blieben, kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 3. mit Schreiben vom 25. Februar 2012 unter Beibehaltung ihrer Streikziele an, „ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Sonntag, den 26.02.2012 von 21.00 Uhr für die Zeit bis zum Donnerstag, den 01.03.2012, 05.00 Uhr“ zu einem Streik aufzurufen. Der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehenen Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) teilte sie mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereich Tower am Tower Frankfurt“ am 29. Februar 2012 für die Zeit von 05.00 Uhr bis 11.00 Uhr zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen.

13

Auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. und der DFS erließ das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 28. Februar 2012 eine einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereichstower am Tower Frankfurt zu Streiks am Mittwoch, den 29. Februar 2012 von 5:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufzurufen und/oder Streiks in diesem Bereich durchzuführen“. Am 29. Februar 2012 erließ es auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. eine einstweilige Verfügung, mit der es der Beklagten untersagte, „in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und/oder Verkehrszentrale in dem Zeitraum bis Donnerstag, den 01. März 2012, 5.00 Uhr Streiks durchzuführen“. In der mündlichen Verhandlung erklärte der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten zu Protokoll:

        

„Die streitgegenständliche Streikmaßnahme soll nicht mehr zum Ziel haben, auch die in den §§ 18 Abs. 8 sowie 49 des Schlichtungsvorschlags vom 02.02.2012 geregelten Tarifvereinbarung durchzusetzen.“

14

Aufgrund der gerichtlichen Entscheidungen fand der Unterstützungsstreik nicht statt; der am 26. Februar 2012 begonnene Streik wurde am 29. Februar 2012 abgebrochen.

15

Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen aus delikts- und vertragsrechtlichen Gründen Schadensersatz verlangt; bei den Klägerinnen zu 1. und 2. im Wesentlichen wegen ausgefallener Flüge und stornierter oder unterlassener Flugbuchungen; bei der Klägerin zu 3. aufgrund entgangener Flughafengebühren. Die Klägerin zu 2. hat sich dabei auch auf abgetretene Ersatzansprüche ihrer Tochtergesellschaft N GmbH wegen dort entstandener Schäden berufen. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Streik sei ebenso wie der angekündigte Unterstützungsstreik rechtswidrig gewesen. Dies folge vor allem aus einer Verletzung der Friedenspflicht aufgrund des TV Apron Control.

16

Soweit für die Revision zuletzt noch von Bedeutung, haben

die Klägerin zu 1. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.885.890,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 2. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 131.144,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;

die Klägerin zu 3. beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.170.800,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und 2. fehle es bereits an einem Eingriff in deren Gewerbebetriebe. Die Klägerin zu 3. könne als ein von der öffentlichen Hand beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen in privater Rechtsform keine Verletzung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen. Im Übrigen seien der Haupt- und der angekündigte Unterstützungsstreik rechtmäßig gewesen. Die Friedenspflicht sei schon deswegen nicht verletzt, weil diese nach der Schlichtungsvereinbarung mit Ablauf des 6. Februar 2012 geendet habe. Ginge man von einer Verletzung der Friedenspflicht aus, wären die geltend gemachten Schäden auch bei einer ihr ohne weiteres möglichen rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden.

18

Das Arbeitsgericht hat die - ursprünglich noch auf weitere Feststellungen gerichteten - Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Diese verfolgen mit ihren zuletzt auf die Abweisung der Zahlungsanträge beschränkten Revisionen ihre Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Das führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. haben dagegen keinen Erfolg.

20

A. Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Die Beklagte ist dieser vertraglich und deliktsrechtlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch den vom 16. Februar 2012, 15.00 Uhr bis 23. Februar 2012, 21.00 Uhr und vom 26. Februar 2012, 21.00 Uhr bis 29. Februar 2012 geführten Streik in der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale entstanden ist.

21

I. Die Beklagte ist nach § 823 Abs. 1, § 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. zuletzt BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 49 ff., BAGE 142, 98). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

22

1. Mit den - nach den Ankündigungen der Beklagten vom 15. und vom 25. Februar 2012 von zwei Aufrufen getragenen - Streikmaßnahmen hat die Beklagte in das Recht der Klägerin zu 3. an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.

23

a) Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale.

24

b) Die Klägerin zu 3. ist zwar ein öffentlich beherrschtes Unternehmen der Privatwirtschaft und damit bei eigenem Handeln unmittelbar grundrechtsgebunden (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 49, BVerfGE 128, 226). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich dennoch auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.

25

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Art. 12 GG und Art. 14 GG entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. bereits RG 27. Februar 1904 - I 418/03 - RGZ 58, 24; ausf. BGH 9. Dezember 1958 - VI ZR 199/57 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 29, 65; vgl. auch BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 21 mwN, BAGE 132, 140; BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 93, BGHZ 166, 84). Zwar unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen, denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind. Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (BVerfG 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fraport-Urteil] Rn. 56, BVerfGE 128, 226). Vollzieht sich diese Teilnahme im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten, nicht weniger schutzwürdig als Private.

26

2. Die Streikmaßnahmen waren rechtswidrig. Die Beklagte hat mit ihnen die nach dem TV Apron Control gesondert vereinbarte Friedenspflicht verletzt.

27

a) Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - zu D I der Gründe, BAGE 105, 5). Diese relative Friedenspflicht ist - auch ohne besondere Vereinbarung - dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Mit Ablauf der vereinbarten Dauer oder der Kündigungsfrist für eine tarifliche Bestimmung endet die mit ihr verbundene relative Friedenspflicht für die beteiligten Tarifvertragsparteien (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 64, BAGE 122, 134). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. Pfohl Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien Diss. 2010 S. 32 f.).

28

b) Mit den Streikmaßnahmen hat die Beklagte gegen die vertraglich ausdrücklich vereinbarte Friedenspflicht verstoßen.

29

aa) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Friedenspflicht im Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahmen wegen insgesamt noch ungekündigter Regelungen des TV Apron Control galt. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 29. Juni 2011 wirksam eine Teilkündigung dieses Tarifvertrags zum 31. Dezember 2011 erklärt.

30

(1) Die Teilkündigung war an sich zulässig.

31

(a) Ein Tarifvertrag ist regelmäßig nur als Ganzes kündbar. Zulässig ist seine Teilkündigung nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung. Geht aus der vereinbarten Zulassung mit der gebotenen Klarheit hervor, auf welche konkreten Bestimmungen oder Teile des jeweiligen Tarifvertrags sich die Möglichkeit der Teilkündigung beziehen soll, begegnen ihr keine rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 20, BAGE 118, 159).

32

(b) Das ist vorliegend der Fall. § 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV Apron Control legt eine Kündbarkeit seiner Regelungen mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende - in §§ 5 bis 8 erstmalig zum 31. Dezember 2017 und im Übrigen erstmalig zum 31. Dezember 2011 - fest. In den unterschiedlichen Kündigungsterminen drückt sich aus, dass die Tarifvertragsparteien die Zulässigkeit einer nur auf Teile des TV Apron Control bezogenen Kündigung verabredet haben. Nach dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang der Vereinbarung ist auch hinreichend klar, auf welche Bestimmungen sich die unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten beziehen: Einerseits auf §§ 5 bis 8 TV Apron Control und andererseits auf den TV Apron Control „im Übrigen“. Im buchstäblichen Sinn beinhaltet der Ausdruck „im Übrigen“ einen Bezug auf all jenes, was nicht besonders ausgewiesen ist. Dies ist der mit „Regelungen in § 5 bis § 8“ beschriebene Teil des Tarifwerks, zu denen - dies gebieten Gesichtspunkte der Systematik und Praktikabilität - jene tariflichen Bestimmungen gehören, die auf diesen Regelungskomplex Bezug nehmen oder mit ihm in untrennbarem Zusammenhang stehen. Dazu gehören jedenfalls die Geltungsbereichsfestlegung in § 1 Abs. 1 TV Apron Control, die für §§ 5 bis 8 TV Apron Control festgelegte(längere) Kündigungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 TV Apron Control und die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control ausgedrückte Einigung auf „abschließende Regelungen“ sowie die Reichweite der Friedenspflicht. Mit der Verständigung darüber, der Regelungsbereich nach §§ 5 bis 8 TV Apron Control solle einer anderen Kündigungsmodalität unterliegen als der Tarifvertrag im Übrigen, haben die Tarifvertragsparteien dies klar vorgegeben. Entgegen der Ansicht der Revision entbehren die Regelungen über die Teilkündigung nicht bereits schon deshalb der notwendigen Klarheit, weil sich die arbeits- und die landesarbeitsgerichtlichen Wertungen hinsichtlich gekündigter und ungekündigter Tarifbestimmungen nicht vollständig decken.

33

(2) Die Friedenspflicht galt auch nicht deshalb noch uneingeschränkt, weil im Zeitpunkt der Streikmaßnahmen die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TV Apron Control festgelegte Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Die Klägerin zu 3. hat eine textlich-verkörperte Kündigung der Beklagten am 29. Juni 2011 erhalten. Damit lief die Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 ab. Die Kündigung eines Tarifvertrags muss nicht in Schriftform gemäß § 126 BGB erklärt werden. Auf den Zugang des dem Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB entsprechenden Kündigungsschreibens am 1. Juli 2011 - mit der Folge, dass die Kündigungsfrist erst am 31. März 2012 abgelaufen wäre - kommt es nicht an.

34

(a) Zwar bedürfen Tarifverträge nach § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Vorschrift(BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 33, BAGE 139, 197; 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14).

35

(b) Für die Kündigung eines Tarifvertrags gelten aber kraft Gesetzes keine Formvorschriften. Vorbehaltlich anderer Abreden im Tarifvertrag selbst - die im TV Apron Control nicht getroffen sind - begegnet jedenfalls eine der Textform des § 126b BGB entsprechende Kündigungserklärung keinen rechtlichen Bedenken. Das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB ist für die Kündigung nicht entsprechend heranzuziehen(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 32; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 13 II 1 a; Kempen/Zachert/Stein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 189; Oetker in Jacobs/Krause/Oetker/Schubert Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 8 Rn. 10; Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 319; für einen den Tarifvertrag aufhebenden Vertrag vgl. BAG 8. September 1976 - 4 AZR 359/75 - zu III 2 der Gründe; aA Bepler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 3 Rn. 213; Däubler TVG/Deinert 4. Aufl. § 4 Rn. 122; Däubler TVG/Nebe 4. Aufl. § 1 Rn. 172 f.; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1443). Hierfür fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke. Das zeigt bereits § 7 Abs. 1 Satz 1 TVG. Danach sind die Tarifvertragsparteien verpflichtet, „die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift“ eines jeden Tarifvertrags und seiner Änderungen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu übersenden. Das Außerkrafttreten ist lediglich „mitzuteilen“, ohne dass es bei der Kündigung des Tarifvertrags einer Übersendung des Kündigungsschreibens bedürfte. Vor allem aber mangelt es - ausgehend vom Zweck des § 1 Abs. 2 TVG - an einer vergleichbaren Interessenlage. § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und dem Gebot der Normenklarheit(vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 22 mwN). Dieser Zweck erfordert keine Erstreckung auf die Tarifvertragskündigung. Die dem Tarifvertrag Normunterworfenen wären bei einer dem Schriftformerfordernis unterliegenden, allein gegenüber dem Tarifvertragspartner zu erklärenden und nicht publikationsbedürftigen Kündigung nicht anders gestellt.

36

bb) Die Beklagte hat aber mit den von ihr getragenen Streikmaßnahmen vom 16. bis 23. und vom 26. bis 29. Februar 2012 die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control besonders vereinbarte Friedenspflicht verletzt, weil ihr Streikziel Forderungen umfasste, die dieser Pflicht unterlagen.

37

(1) Mit § 12 Abs. 2 TV Apron Control haben die Tarifvertragsparteien die Reichweite der Friedenspflicht ausgestaltet. In dessen Satz 1 haben sie für die beiden aufgeführten tariflichen Regelungskomplexe durch die unterschiedlichen Kündigungsfristen deutlich gemacht, diese jeweils für genannte Zeiträume als abschließend anzusehen. Satz 2 der Tarifvorschrift modifiziert die jedem Tarifvertrag immanente relative Friedenspflicht, indem diese „Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte … erfasst“. Damit haben die Tarifvertragsparteien mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart, während der Geltungsdauer der §§ 5 bis 8 TV Apron Control einerseits und des TV Apron Control im Übrigen andererseits auf die jeweiligen Materien bezogene weitere oder auch nur ergänzende Regelungsziele nicht mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen(„erweiterte Friedenspflicht“). Auf einen engeren Zusammenhang zwischen geregelter und erstrebter Sachmaterie haben sie dabei nicht abgehoben. Es ging ihnen um den Ausschluss jeglicher kampfweisen Durchsetzung von Ergänzungen der tariflich geregelten Bestimmungen, sofern diese einen Bezug zu den beiden Regelungskomplexen haben.

38

(2) Das von der Beklagten aufgestellte Streikziel enthielt Forderungen, die von der so erweiterten Friedenspflicht erfasst waren.

39

(a) Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 109, BAGE 122, 134). Nach den gesamten Umständen - Anderes ist nicht festgestellt - ist davon auszugehen, dass der Streikbeschluss des hierzu berechtigten Bundesvorstands der Beklagten inhaltlich dem Streikziel entsprach, das der Klägerin zu 3. in den Streikankündigungsschreiben vom 15. Februar 2012 - ergänzt um ein weiteres Schreiben selben Datums - und vom 25. Februar 2012 übermittelt wurde. In dem ersten Schreiben bezog sich die Beklagte klar auf die Durchsetzung der Schlichterempfehlung mit näher bezeichneten Anpassungen und hielt in dem weiteren daran fest.

40

(b) Das Streikziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung (SE) bezog sich auf die in §§ 5 bis 8 TV Apron Control geregelte Sachmaterie, für die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control eine erweiterte Friedenspflicht (fort-)galt.

41

(aa) Dies betrifft allerdings nicht § 35 Abs. 6a SE. Damit sollte lediglich die Regelungstechnik modifiziert werden, indem die bisherige Protokollnotiz zu § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control nunmehr als eigener Absatz den Regelungen zum Zeitwertkonto beigefügt wird. Damit erfolgt keine inhaltliche Änderung der tariflichen Regelungen. Der Protokollnotiz zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben kommt ein normativer Regelungsgehalt zu.

42

(bb) Hingegen enthalten § 18 Abs. 8 und § 49 SE eigenständige, neue Forderungen, die dem Regelungskomplex der §§ 5 bis 8 TV Apron Control zuzuordnen sind. § 18 Abs. 8 SE sieht für Mitarbeiter, die infolge eines Arbeitsunfalls nicht mehr vollleistungsfähig sind und deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden, eine Ausgleichszulagenzahlung und die Möglichkeit einer Darlehensgewährung vor. In § 8 TV Apron Control sind unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigungssichernde Maßnahmen und eine Entgeltsicherung geregelt. Ergänzungen hierzu sollen nach der Friedenspflichtvereinbarung des § 12 Abs. 2 TV Apron Control für die Dauer der Geltung des § 8 TV Apron Control nicht kampfweise durchsetzbar sein. Gleiches gilt für die Forderung nach § 49 SE, die ebenso wie die bestehende Tarifregelung des § 7 TV Apron Control dem Belastungsausgleich von Beschäftigten dient und daher einen Bezug zu dem vor dem 31. Dezember 2017 nicht kündbaren tariflichen Regelungskomplex aufweist. Im Hinblick auf die Reichweite der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Friedenspflicht kommt es auch lediglich auf eine Zuordnung der erstrebten Forderung zu dem noch geltenden tarifierten Bereich an und nicht - wie die Beklagte meint - auf einen sachlichen inneren Zusammenhang, auf den allerdings auch die Vorinstanzen in Verkennung der besonders vereinbarten Friedenspflicht abgehoben haben.

43

cc) § 3 der Schlichtungsvereinbarung (SV) steht der Annahme einer Friedenspflichtverletzung nicht entgegen. Hiermit ist die erweiterte Friedenspflicht des § 12 Abs. 2 TV Apron Control, welche für §§ 5 bis 8 TV Apron Control noch galt, weder aufgehoben noch beschränkt worden.

44

(1) Bei dem Verweis der Beklagten in der Revisionserwiderung auf die SV handelt es sich - anders als die Klägerin zu 3. meint - nicht um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das aus in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen ersichtliche Parteivorbringen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO BAG 28. Oktober 1999 - 6 AZR 243/98 - zu II 2 a der Gründe). Die Beklagte hatte die SV erstinstanzlich zur Akte gereicht. Sie ist von der zulässigen ergänzenden Bezugnahme des Berufungsurteils auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils erfasst, welcher seinerseits in nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässiger Weise auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze verweist.

45

(2) Mit § 3 SV haben sich die verhandelnden Tarifvertragsparteien auf eine umfassende Friedenspflicht begrenzt auf die Dauer des Schlichtungsverfahrens geeinigt. Die Vorschrift bestimmt eine eigenständige, allein auf das konkrete Schlichtungsverfahren bezogene Friedenspflicht. Nach ihrem Sinn und Zweck sichert sie die Funktionsbedingungen der Schlichtung, welche nicht mit Arbeitskampfmaßnahmen belastet sein soll. Weder Wortlaut noch Systematik lassen Anhaltspunkte für einen Regelungswillen erkennen, anderweitig vereinbarte und bestehende Friedenspflichten aufzuheben, zu beenden oder gegenständlich zu beschränken.

46

dd) Die Klägerin zu 3. kann auch eine Verletzung der Friedenspflicht geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts lässt zwar eine entsprechende tatrichterliche Wertung vermissen. Anhand der getroffenen Feststellungen vermag der Senat aber eine entsprechende Wertung selbst vorzunehmen.

47

(1) Eine unzulässige Rechtsausübung setzt nicht zwingend voraus, dass schon die betreffende Rechtsposition unredlich, mit Schädigungsvorsatz oder sonst schuldhaft erworben ist. Es kommt lediglich darauf an, ob bei objektiver Betrachtung ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt (vgl. BGH 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 202, 102).

48

(2) Von einem solchen Verstoß ist im Streitfall nicht auszugehen. Er folgt vor allem nicht aus dem „Sich-Einlassen“ der Klägerin zu 3. auf der Friedenspflicht unterliegende Verhandlungsgegenstände in den Tarifvertrags- und Schlichtungsverhandlungen. Die - hier in § 12 Abs. 2 TV Apron Control eigenständig vereinbarte, erweiterte relative - Friedenspflicht verbietet es den Tarifvertragsparteien nur, einen Tarifvertrag bis zum Ablauf seiner vereinbarten Dauer oder der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass Änderungen der tariflich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreicht werden sollen. Sie schließt es nach ihrem Sinn und Zweck aber nicht aus, über diese Gegenstände zu verhandeln und sie in ein Schlichtungsverfahren einzubeziehen. Ebenso wie bloße Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Tarifforderung keine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht zu begründen vermögen (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 66, BAGE 122, 134), kann aus Verhandlungen über der Friedenspflicht unterliegende Forderungen oder deren Einbeziehung in das Schlichtungsverfahren nicht der Schluss gezogen werden, die Gegenseite werde sich im Falle eines Arbeitskampfes nicht auf eine Friedenspflichtverletzung berufen. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil Tarifvertragsverhandlungen typischerweise von Kompromissversuchen geprägt und geleitet sind. Im Interesse der Erzielung einer Gesamtlösung kann es daher sinnvoll sein, friedenspflichtige Gegenstände in die Verhandlung und Schlichtung einzubeziehen, um eine Einigung ohne Arbeitskampf zu erreichen.

49

ee) Im Hinblick auf das übermittelte Streikziel, welches auch der Friedenspflicht unterliegende Forderungen enthielt, ist der vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführte Streik rechtswidrig.

50

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, die Rechtswidrigkeit schon einer Forderung zu dessen Rechtswidrigkeit führt (BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 - BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder tarifwidrigen Forderung um eine zentrale Forderung handelt, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 104, 155). Im Schrifttum wird vertreten, ein Streik sei rechtswidrig, wenn er sich auch auf die Durchsetzung einzelner unerlaubter Forderungen richte (vgl. Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 53; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 451; Rieble BB 2014, 949, 950; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 5 Rn. 25; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1401; wohl auch Kissel Arbeitskampfrecht § 24 Rn. 11). Zum Teil wird unter Heranziehung schadenszurechnungsrelevanter Kriterien die Rechtswidrigkeit eines Streiks danach beurteilt, ob er auch ohne die unzulässige Forderung geführt worden wäre (Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 159; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 22 I 2 a (3)). Nach wiederum anderer Auffassung kommt es ausgehend von einem verobjektivierten Maßstab darauf an, welche der dem Arbeitgeber übermittelten Forderungen dem Arbeitskampf im Rahmen einer Gesamtschau das Gepräge geben (Reinfelder in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 15 Rn. 25); bei Kampfzielen, die eine Einheit bildeten, sei das unrechtmäßige Ziel entscheidend (Reuss AuR 1966, 33, 34).

51

(2) Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, ist insgesamt rechtswidrig.

52

(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 ff. der Gründe, BAGE 104, 155). Das gibt die Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie vor. Diese ist darauf gerichtet, das Arbeitsleben in dem von staatlicher Rechtsordnung freigelassenen Raum durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. Dieses Ziel kann ua. nur erreicht werden, wenn ein Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer durch einen Arbeitskampf nicht in Frage gestellt wird und die durch ihn vermittelte Planungssicherheit wahrt. Diese Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist gefährdet, wenn ein Arbeitskampf auch darauf gerichtet ist, eine kollektive Regelung vor deren Ende zu beseitigen oder zu ändern (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BAGE 123, 134). Das hat zur Folge, dass eine Forderung, die kampfweise durchgesetzt werden soll, sowohl tariflich regelbare Gegenstände betreffen als auch die Friedenspflicht beachten muss. Forderungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt und beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen des Kampfgegners. Dieser hat zwar davon auszugehen, dass eine Gewerkschaft auf eine uneingeschränkte Umsetzung der verlautbarten Streikziele typischerweise nicht besteht, sondern mit Widerstand rechnet. Daher gehen deren Tarifforderungen aus unterschiedlichen Motiven regelmäßig über dasjenige Maß hinaus, bei dessen Erreichen die Gewerkschaft zum Tarifabschluss bereit ist (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 100, BAGE 122, 134). Jede Tarifforderung hat aber auch arbeitskampftaktische und verbandspolitische Gründe sowie die Funktion, die jeweiligen Mitglieder zu motivieren und Tarifverhandlungen zunächst einmal in Gang zu bringen. Zwangsläufig hat jede verlautbarte Tarifforderung Einfluss auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite. Sie muss sich auf die ihr gegenüber erhobenen Forderungen einstellen und sowohl ihr Verhandlungsangebot als auch ihre Kampfstrategie darauf einrichten. Hierin wird sie unzulässig beeinträchtigt, wenn sie ihre Verhandlungsmacht dafür einsetzen muss, eine durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckte Forderung abzuwehren.

53

(b) Die graduelle Bewertung einer Tarifforderung im Verhältnis zu anderen und eine daran knüpfende gewichtende Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines um deren Durchsetzung geführten Arbeitskampfes sind einer Rechtskontrolle nicht zugänglich.

54

(aa) Welche Bedeutung eine einzelne Tarifforderung unter mehreren aus Sicht der Gewerkschaft für den von ihr für annehmbar gehaltenen Tarifabschluss oder ihre Durchsetzungsfähigkeit im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen und ggf. eines Arbeitskampfes hat, obliegt deren Einschätzung. Ob eine konkrete Tarifforderung für den angestrebten Tarifabschluss haupt- oder nebensächlich, bedeutend oder unbedeutend ist oder die Gesamtheit der aufgestellten Forderungen wirtschaftlich oder organisationspolitisch prägt, ist für die Arbeitgeberseite in der konkreten Arbeitskampfsituation nicht erkennbar und entzieht sich wegen der nicht objektivierbaren Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht und Kampfkraft der Gewerkschaft und den mit jeder Forderung geschaffenen Verhandlungsspielraum auch einer gerichtlichen Bewertung und Feststellung.

55

(bb) Der Verzicht auf eine solche Kontrolle beeinträchtigt nicht die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Sie allein entscheidet über die Festlegung der Tarifforderungen, die durch den Aufruf zu einem Streik und dessen Befolgung erkämpft werden sollen. Hierbei hat sie zu prüfen, ob die erhobenen Forderungen durch Art. 9 Abs. 3 GG legitimiert sind. Zu einer solchen Prüfung ist eine Gewerkschaft auch ohne weiteres in der Lage. Deren Tariffähigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, sondern auch das Vorhalten einer leistungsfähigen Organisation, die sie befähigt, die ihr von Art. 9 Abs. 3 GG zugedachten Aufgaben zu erfüllen(BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Dazu gehört unabdingbar eine entsprechende Anzahl an Mitarbeitern, die Verhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen vorbereiten (vgl. zur organisatorischen Leistungsfähigkeit BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 53, BAGE 117, 308). Hierzu zählt auch die Überprüfung der Legitimität einer Tarifforderung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des um ihre Durchsetzung geführten Arbeitskampfes (BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52, BAGE 142, 98). Unzumutbare, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Haftungsrisiken sind damit nicht verbunden. Diese betreffen nicht die Bewertung der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, sondern relativieren die verschuldensabhängige Einstandspflicht für arbeitskampfbedingte Schäden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

56

(3) Dem Umstand, dass der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main (- 9 Ga 24/12 -) am 29. Februar 2012 sinngemäß zu Protokoll erklärt hat, die friedenspflichtverletzenden Forderungen würden fallengelassen, kommt keine streitentscheidende Bedeutung zu. Es kann offenbleiben, ob das Aufgeben unzulässiger Einzelforderungen während eines Streiks dessen Rechtswidrigkeit vergangenheitsbezogen zu beseitigen vermag. Der Streik wurde am 29. Februar 2012 allein aufgrund der Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgebrochen.

57

3. Die Beklagte - handelnd durch ihre Organe - trifft ein Verschulden iSv. § 823 Abs. 1, § 31 BGB.

58

a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre kampfweise durchzusetzenden Tarifforderungen sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über dessen Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52 mwN, BAGE 142, 98).

59

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Diese hatte das Streikziel auf den Abschluss eines Tarifvertrags entsprechend der Schlichterempfehlung - mit näheren geforderten Anpassungen - bezogen. Ihr Kampfziel, der über die verlautbarten Forderungen abzuschließende Tarifvertrag, umfasste Regelungsgegenstände, hinsichtlich derer die nach dem TV Apron Control besonders ausgestaltete Friedenspflicht noch galt. Die Beklagte hätte wegen der Teilkündigung des TV Apron Control die Zulässigkeit der Forderungen, die in ihrer Gesamtheit das erklärte Streikziel bildeten, im Einzelnen gewissenhaft prüfen müssen. Sie musste erkennen, dass die Friedenspflicht aus dem ungekündigten Teil des TV Apron Control die Grenze der Rechtmäßigkeit bildete. Dass ihr diese Problematik bewusst war, zeigt ihr der Streikankündigung vom 15. Februar 2012 nachgeschobenes Schreiben vom gleichen Tag an die Klägerin zu 3., das klarstellen sollte, dass die erhobene Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses nicht den ungekündigten Teil des TV Apron Control betreffen sollte.

60

c) Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Streiks wegen der friedenspflichtverletzenden Forderungen befand sich die Beklagte nicht in einem ihr Verschulden ausschließenden unvermeidbaren Rechtsirrtum.

61

aa) An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31 mwN, BAGE 152, 213).

62

bb) Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Rechtslage zur Reichweite der sich aus dem TV Apron Control ergebenden Friedenspflicht kann schon deshalb nicht als objektiv unklar angesehen werden, weil sie von den Tarifvertragsparteien selbst näher ausgestaltet worden ist. Die Beklagte hätte wegen der unterschiedlichen Kündigungsmodalitäten, an die sie sich mit der Teilkündigung auch gehalten hat, die Zulässigkeit ihres auf den Gesamtabschluss eines neuen Tarifvertrags gerichteten Streikziels umso sorgfältiger prüfen müssen. Der Sachverhalt hierzu war nicht - wie etwa bei einer Vielzahl von einzelnen, teils gekündigten, teils ungekündigten Tarifverträgen - unübersichtlich. Die friedenspflichtverletzenden Gegenstände betrafen vielmehr einen überschaubaren und klar abgrenzbaren Bereich des teilgekündigten TV Apron Control.

63

4. Der danach bestehenden Ersatzpflicht der Beklagten für die durch den Streik der Klägerin zu 3. entstandenen Schäden steht § 254 BGB nicht entgegen.

64

a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes insbesondere davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Schädiger oder dem Geschädigten verursacht worden ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Geschädigten die Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers entfällt (BAG 19. Februar 1998 - 8 AZR 645/96 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 88, 101). In diesem Sinn ist die Haftung der Beklagten nicht wegen einer der Klägerin zu 3. zuzurechnenden vorsätzlichen „Selbstschädigung“ ausgeschlossen. Eine solche kann insbesondere - unabhängig vom Verschuldensgrad und anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin zu 3. die Verletzungshandlung nicht abgewehrt hat. Diese beginnt bei einem Streik schon mit seinem Aufruf. Der zu bestreikende Arbeitgeber vermag aber einen gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zu verhindern; er kann sich allenfalls - vor allem mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes - gegen die Arbeitsniederlegungen wehren, welche die Verletzungshandlung fortsetzen.

65

b) Soweit das Landesarbeitsgericht Schadensersatzansprüche für die Zeit bis einschließlich 27. Februar 2012 deshalb als „nicht in Betracht kommend“ angesehen hat, weil die Klägerin zu 3. keinen Rechtsbehelf gegen den von ihr als rechtswidrig erkannten Streik ergriffen und damit schuldhaft eine Schadensabwendung iSv. § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB unterlassen habe, tragen seine eigenen Feststellungen diese Würdigung nicht. Das Berufungsgericht müsste - nach seiner Auffassung konsequent - davon ausgehen, dass eine (rechtskräftige) gerichtliche Untersagung des mit Schreiben vom 15. Februar 2012 angekündigten Streiks noch vor Beginn der Streikmaßnahmen am 16. Februar 2012, 15.00 Uhr hätte erstritten werden können. Hierzu verhält sich die angegriffene Entscheidung nicht. Ungeachtet dessen war die Klägerin zu 3. nicht gehalten, zur Abwendung oder Minderung der durch den Streik entstandenen Schäden rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen ist der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens bei einem zulässigen Antrag auf Untersagung oder Abbruch eines Streiks im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher prognostizierbar. Ein Geschädigter muss sich prinzipiell nicht zur Schadensabwendung auf Rechtsstreitigkeiten einlassen, deren Erfolgsaussichten ungewiss sind (vgl. BGH 6. Dezember 1984 - III ZR 141/83 - zu I 4 b der Gründe; vgl. auch Erman/Ebert BGB 14. Aufl. § 254 Rn. 70). Zum anderen - und vor allem - trifft einen bestreikten Arbeitgeber grundsätzlich keine Obliegenheit, einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren. Selbst einem als rechtwidrig erkannten Streik kann der Bestreikte begegnen, indem er ihn aushält. Auch darin liegt - schon wegen des Wesens des Arbeitskampfes - jedenfalls typischerweise Druckausübung zur Verbesserung der Verhandlungsposition.

66

c) Anders als die Beklagte meint, wirkt sich auch der Umstand nicht aus, dass die Klägerin zu 3. sie erst im einstweiligen Verfügungsverfahren auf die Rechtswidrigkeit des Streiks hingewiesen hat. Eine solche Annahme setzt eine entsprechende Hinweispflicht oder -obliegenheit voraus, die sich aus arbeitskampfrechtlichen Gründen verbietet. Sie würde das „Aushalten“ eines Streiks als legitimes Kampfmittel zur Ausübung von (Gegen-)Druck auf die streikführende Gewerkschaft konterkarieren.

67

5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu versagen.

68

a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, dh. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder Vertragspflicht (vgl. BGH 14. Juli 2016 - III ZR 446/15 - Rn. 29; 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17; 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 120, 281; 24. Oktober 1985 - IX ZR 91/84 - zu II 5 b der Gründe, BGHZ 96, 157). Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass derselbe Schadenserfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (BGH 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17). Darlegungs- und beweispflichtig ist der Schädiger.

69

b) Hiervon ausgehend tragen bereits die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Umstände nicht seine Würdigung, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sieht seine Annahme, der Streik hätte auch ohne die inkriminierten Tarifforderungen zur selben Zeit, am selben Ort und auf dieselbe Art und Weise stattgefunden, dadurch belegt, dass sich der Streit der Tarifvertragsparteien am Ende der Schlichtung auf andere Regelungsgegenstände bezogen habe und hinsichtlich der friedenspflichtverletzenden Forderungen bereits eine Einigung erzielt worden sei. Mit dieser Begründung nimmt das Landesarbeitsgericht die arbeitskampfrechtlich spezifische Situation nicht ausreichend in den Blick. Verständigen sich Tarifvertragsparteien in Tarifvertragsverhandlungen auf bestimmte Punkte oder stehen diese Punkte am Ende eines (freiwilligen) Schlichtungsverfahrens nicht (mehr) im Streit, haben sie sich letztlich auch bezüglich dieser Regelungsgegenstände nicht geeinigt, wenn das „Gesamtpaket“ nicht zustande kommt. Auch vorliegend war am Ende des Schlichtungsverfahrens der Abschluss des gesamten Tarifvertrags mit dem vom Schlichter empfohlenen Inhalt „an sich“ streitig. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, bestimmte Tarifforderungen hätten den Streik nicht beeinflusst. Ebenso verkennt das Berufungsgericht die arbeitskampfrechtlichen Besonderheiten, wenn es seine Schlussfolgerung, die friedenspflichtverletzenden Forderungen seien nicht streikbestimmend gewesen, darauf stützt, dass nach deren Fallenlassen nicht sogleich weitere Verhandlungen aufgenommen worden seien.

70

c) Ungeachtet dessen ist bei einem aufgrund einer Friedenspflichtverletzung rechtswidrigen Streik für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Raum (so auch Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1261; Jauernig/Teichmann BGB 16. Aufl. Vor §§ 249-253 Rn. 48; Rieble BB 2014, 949, 951; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1402; vgl. auch Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 971).

71

aa) Dies folgt allerdings nicht aus einer der Friedenspflicht beizumessenden Funktion, dass mit ihr die typischerweise schwerwiegenden Folgen kollektiver Kampfmaßnahmen für die Gesamtheit und die beteiligten Kreise des Arbeitslebens im Rahmen des Möglichen vermieden werden sollen (so noch BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - zu V 3 der Gründe, BAGE 6, 321; vgl. bereits zuvor BAG 8. Februar 1957 - 1 AZR 169/55 - BAGE 3, 280; kritisch hierzu zB Nitsche in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 22 Rn. 125; Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 54 ff.; MüKoBGB/Oetker 7. Aufl. § 249 Rn. 223; Staudinger/Schiemann (2005) § 249 Rn. 105; sh. auch Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 26 II 5 a (2)). Eine solche die Allgemeinheit oder Dritte schützende Wirkung kommt der schuldrechtlich determinierten Friedenspflicht nicht - jedenfalls nicht typischerweise - zu. Ebenso trägt der Gedanke nicht, dass im Arbeitskampfrecht die Verletzung der Friedenspflicht praktisch weitgehend sanktionslos bliebe, wenn man die Möglichkeit eines zulässigen Streiks als rechtmäßige Alternative in Betracht ziehen würde (so aber BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - aaO). Eine sanktionierende Wirkung ist dem Schadensersatzrecht im Allgemeinen fremd; auch die Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Streik hat Ausgleichs- und keine Sanktionsfunktion.

72

bb) Nach ihrem Sinn und Zweck soll die sich aus einem bestehenden Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht verhindern, dass Änderungen oder Verbesserungen der tariflich geregelten Gegenstände gegenüber dem Tarifvertragspartner mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht wird. Sie ist darauf gerichtet, für die Dauer ihres Bestehens die Schädigung des Arbeitgebers durch einen Streik „als solchen“ auszuschließen. Hiervon ausgehend kann die Beklagte nicht entlasten, dass ein von ihr getragener Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen bei der Klägerin zu 3. die (genau) gleichen Folgen gehabt hätte. Es hätte sich wegen des dann anderen Streikziels um einen anderen Arbeitskampf gehandelt. Ein solcher vermag keine Alternativhandlung abzugeben. Anderenfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt. Eine solche Fallgestaltung erfasst der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens regelmäßig nicht (vgl. [bei behördlichem Handeln und hypothetischem Verwaltungsakt] BGH 3. Februar 2000 - III ZR 296/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 143, 362).

73

6. Entgegen der Auffassung der Beklagten verbietet sich die Annahme ihrer Ersatzpflicht für die durch den Streik entstandenen Schäden bei der Klägerin zu 3. nicht aus konventionsrechtlichen Gründen.

74

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Anwendung und Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 128, BVerfGE 137, 273). Auf der Ebene des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, die Gewährleistungen der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen (BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 27). In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des EGMR für die Auslegung der EMRK auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. BVerfG 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 28; BAG 20. Oktober 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 13; 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 69 mwN, BAGE 144, 1).

75

b) Vorliegend ist die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht(vgl. dazu zB EGMR 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) zu berücksichtigen. Insoweit hat der EGMR mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind(vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 130, BAGE 143, 354). Mit der Annahme der Schadensersatzpflicht der Beklagten, die mit dem von ihr getragenen Streik gegen die Friedenspflicht nach einem von ihr vereinbarten Tarifvertrag verstößt, wird aber deren Streikrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt. Gegenteiliges lässt sich auch der Entscheidung des EGMR in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ (EGMR [I. Sektion] 27. November 2014 -  36701/09 - AuR 2015, 146 ) nicht entnehmen. Diese Entscheidung betrifft ein Streikverbot aufgrund eines innerstaatlichen Gerichtsurteils. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der Gerichtshof festgestellt, dass das innerstaatliche Gericht die Zulässigkeit des Streiks nicht umfassend geprüft habe und auf einen „dritten Streikgrund“ - den die Gewerkschaft hilfsweise zur Organisation des Streiks angegeben hatte - nicht eingegangen sei (Rn. 58 iVm. Rn. 14). Ergebnis dieses Ansatzes sei gewesen, dass die beschwerdeführende Gewerkschaft trotz eines tariflosen Zustandes für die Dauer von drei Jahren und acht Monaten nicht berechtigt gewesen sei, einen Streik durchzuführen, was nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne (Rn. 59). Dies ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Die Beklagte hat mit dem von ihr geführten Arbeitskampf gegen eine von ihr selbst vereinbarte Friedenspflicht verstoßen, indem sie ihr - einheitlich zu bewertendes - Streikziel auf die Durchsetzung bereits geregelter Gegenstände bezog. Abgesehen davon, dass es mithin nicht wie in der Sache „Hrvatski Liječnički Sindikat (HLS) / Kroatien“ um einen verlautbarten - von den kroatischen Gerichten aber nicht geprüften - „hilfsweisen Streikgrund“ geht, geben die vom EGMR in Bezug auf Art. 11 EMRK aufgestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht vor, die Illegitimität kampfweise durchzusetzender Forderungen bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes zu ignorieren(aA wohl Lörcher AuR 2015, 126, 129 ; vgl. auch Jacobs/Schmidt EuZA 2016, 82, 94 f.).

76

II. Der Klägerin zu 3. steht daneben ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 31 BGB zu. Die Beklagte hat - handelnd durch ihre Organe - mit dem vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführten Streik die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control verabredete Friedenspflicht hinsichtlich der §§ 5 bis 8 TV Apron Control schuldhaft verletzt. Weder nach § 254 BGB noch unter dem Gesichtspunkt eines rechtmäßigen Alternativverhaltens noch nach konventionsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Ersatzpflicht der Beklagten ausgeschlossen.

77

III. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

78

1. Die Beklagte hat die von der Klägerin zu 3. geltend gemachten Schadenspositionen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen.

79

2. Dabei gilt allerdings für das von der Klägerin zu 3. (auch) herangezogene schadensstiftende Ereignis der Ankündigung des Unterstützungsstreiks gegenüber der DFS mit Schreiben vom 28. Februar 2012, dass das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht davon ausgegangen ist, ein hierauf bezogener Schadensersatzanspruch scheide aus, weil nach deren Vortrag nicht festgestellt werden könne, welche konkreten Beeinträchtigungen oder Schäden hierauf zurückzuführen seien. Ausgehend vom Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann daher offenbleiben, ob die der DFS angekündigte Absicht der Beklagten, ihre Mitglieder im Geschäftsbereich Tower zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen, einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.

80

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch - soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht - für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist(BGH 12. Juli 2016 - KZR 25/14 - Rn. 42 mwN). Im Anwendungsbereich der Vorschrift ist der Tatrichter besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH 5. März 2013 - VI ZR 245/11 - Rn. 14 mwN).

81

b) Derartige Rechtsfehler werden von der Revision der Klägerin zu 3. nicht aufgezeigt.

82

aa) Es ist nicht - anders als die Revision meint - davon auszugehen, das Landesarbeitsgericht habe die deliktsrechtlichen Grundsätze zur Haftung mehrerer Schädiger nach § 830 BGB verkannt, die „erst recht“ anzuwenden seien, wenn nur ein Schädiger mehrere Schadensursachen verantworte. Die Haftungsverbandsregel des § 830 BGB durchbricht das dem BGB innewohnende Prinzip, wonach Schadensersatz nur von demjenigen verlangt werden kann, der den Schaden verursacht hat. Die Fallgruppen der Vorschrift sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur eine einzige Person als Schädiger in Betracht kommt, sondern an der Entstehung des Schadens mehrere Personen mitgewirkt haben (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2012) § 830 Rn. 2). So ist etwa bei § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass bei jedem Beteiligten - vom Nachweis der Ursächlichkeit abgesehen - ein den klägerischen Anspruch begründendes Verhalten gegeben war, eine der unter dem Begriff „Beteiligung“ zusammengefassten Personen den Schaden verursacht haben muss und nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden - ganz(Urheberzweifel) oder teilweise (Anteilszweifel) - verursacht hat (BGH 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04 - Rn. 9). Nur wegen der Mehrheit der Schädiger dürfen sich die Kausalitätsprobleme stellen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

83

bb) Auch die von der Revision herangezogenen Grundsätze der kumulativen Gesamtkausalität und der Doppelkausalität sind nicht einschlägig.

84

(1) Die kumulative Gesamtkausalität betrifft die Frage des Zurechnungszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden, wenn ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen beruht, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind (vgl. etwa BGH 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - Rn. 19 f.). Um eine solche Konstellation handelt es sich vorliegend nicht.

85

(2) Eine Doppelkausalität wird angenommen, wenn zwei Umstände einen Schaden verursachen und jeder für sich allein ausgereicht hätte, den ganzen Schaden zu verursachen. Dann sind beide Umstände als ursächlich zu behandeln. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung durch zwei verschiedene Personen erfolgt. Es genügt, wenn eine Person zwei Ursachen setzt, welche jede für sich den vollen Schaden herbeigeführt hätte (BGH 4. April 2014 - V ZR 275/12 - Rn. 16, BGHZ 200, 350). Davon, dass der Haupt- und der Unterstützungsstreik jeweils für sich gesehen den geltend gemachten Umfang der Ersatzpflicht auslösten, ist aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu 3. nicht auszugehen.

86

B. Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen gegen die ihre Zahlungsanträge abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der jeweils geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aus deliktsrechtlichen Gründen unbegründet. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützter Schadensersatzanspruch besteht nicht.

87

I. Die von den Klägerinnen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten. Es fehlt bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut der beiden Klägerinnen.

88

1. Eine zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Eigentums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ihren Flugzeugen - und bei der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die abgetretenen Forderungen an denen der N GmbH - durch die durchgeführten Streikmaßnahmen und den angekündigten Unterstützungsstreik machen die Klägerinnen zu 1. und 2. nicht geltend.

89

2. Ein Anspruch der Klägerinnen zu 1. und 2. - bei letzterer zT aus abgetretenem Recht - folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es fehlt an einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff.

90

a) Streikmaßnahmen sind mit der nach § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen spezifischen Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb des Kampfgegners verbunden. Dessen unmittelbare Kampfbetroffenheit folgt aus dem gewerkschaftlichen Streikaufruf. In diesem drückt sich die objektive Stoßrichtung der Kampfmaßnahme aus. Demgegenüber stellt der Streik oder der Aufruf hierzu regelmäßig keinen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines drittbetroffenen, kampfunbeteiligten Unternehmens dar (vgl. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 38, BAGE 152, 240 und - 1 AZR 875/13 - Rn. 26, BAGE 152, 260). Beachtlich ist allein der Streikbeschluss der kampfführenden Gewerkschaft. Auf dessen Bewertung durch Externe oder Drittbetroffene kommt es dabei nicht an. Anderes kann allenfalls gelten, wenn das dem Kampfgegner übermittelte Kampfziel nur in dem Sinn vorgeschoben ist, dass tatsächlich ein mit diesem verbundener Dritter in Anspruch genommen werden soll. Zu einer solchen Annahme gereicht nicht die Betroffenheit des Dritten vom Streik (Bayreuther RdA 2016, 181, 182).

91

b) Danach haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt, dass von einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. - oder das der N GmbH - am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ausgegangen werden kann.

92

aa) Dies gilt zunächst für den durchgeführten (Haupt-)Streik.

93

(1) Nach den der Klägerin zu 3. mit Schreiben der Beklagten vom 15. Februar 2012 und vom 25. Februar 2012 mitgeteilten Ankündigungen der Streikmaßnahmen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Aufruf der Beklagten hierzu einen anderen Kampfgegner als die Klägerin zu 3. anbelangte. Die Arbeitsniederlegungen betrafen deren unternehmerischen Bereiche der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale am Flughafen Frankfurt am Main. Die objektive Stoßrichtung der Streikaktionen zielte auf eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin zu 3.

94

(2) Eine gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtete Zielrichtung drückt sich nicht in der Äußerung des Vorstands der Beklagten Tarif/Recht in dem angeführten Interview aus. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, hierin liege nicht mehr als eine Beschreibung der Streikfolgen für (dritt-)betroffene Fluggesellschaften, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der dagegen angebrachte Revisionsangriff der Klägerinnen zu 1. und 2. setzt insoweit nur deren Verständnis des Erklärungswerts der Aussage an die Stelle desjenigen des Berufungsgerichts. Ungeachtet dessen müsste - folgte man der Argumentation der Klägerinnen zu 1. und 2. - der Streikaufruf, der sich unmissverständlich allein auf den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. bezog, als vorgeschoben zu bewerten sein (dazu Bayreuther RdA 2016, 181, 182). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, zumal eine nachträglich - und sei es von einem Vorstandsmitglied der streikführenden Gewerkschaft - abgegebene Erklärung die in dem Streikaufruf verlautbarte objektive Zielrichtung des Streiks grundsätzlich nicht zu relativieren vermag.

95

(3) Die Stoßrichtung des Streiks muss auch nicht deshalb als gegen die eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtet bewertet werden, weil deren unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die Klägerin zu 3. erbrachten Dienste der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale abhängt. Diese Leistungen - im Wesentlichen als Teil des Flugverkehrskontrolldienstes - gehören zu den flugsicherungsbetrieblichen Diensten für den Flugbetrieb auf Flugplätzen. Deren „Ausfall“ bedingt kraft luftverkehrsrechtlicher Vorgaben Störungen bei der Durchführung von Flügen. Diese funktionale Verflechtung modifiziert aber nicht den deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach kein Ersatz für mittelbare Vermögensschäden geschuldet wird, die Dritte bei Verletzung ihrer Rechtsgüter durch eine Reflexwirkung erleiden. Aus der Unausweichlichkeit von Beeinträchtigungen der Gewerbebetriebe der klagenden Luftfahrtunternehmen bei streikbedingten Störungen oder Beeinträchtigungen der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale an einem von ihnen genutzten Flughafen folgt nicht - gewissermaßen zwangsläufig - eine gegen diese Unternehmen gerichtete Zielrichtung des Streiks.

96

bb) Auch im Hinblick auf die Ankündigung der Beklagten gegenüber der DFS, ihre Mitglieder am Tower Frankfurt am Main am 29. Februar 2012 zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Hauptstreiks aufzurufen, fehlt es an einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher schon deshalb ausscheidet, weil sich die Ankündigung allein an die DFS richtete. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen zu 1. und 2. die Verletzungshandlung in dem öffentlichen Bekanntwerden der an die DFS gerichteten Ankündigung sähe, ließe sich hieraus nicht ohne weiteres auf eine direkt gegen deren Gewerbebetriebe sowie den der N GmbH zielende Maßnahme schließen. Zwar verweisen die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. zutreffend darauf, dass nach der Ankündigung der Beklagten - anders als in dem vom Senat am 25. August 2015 entschiedenen Rechtsstreit (- 1 AZR 875/13 - BAGE 152, 260) zu einem Tarifkonflikt zwischen der DFS und der Beklagten mit Arbeitskampfandrohungen im August 2011 - nicht alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS zum (Unterstützungs-)Streik aufgerufen werden sollten, sondern (allein) die Gewerkschaftsmitglieder am Tower Frankfurt am Main. Damit zielte die beabsichtigte Maßnahme darauf, nicht den gesamten Betrieb der DFS zu beeinträchtigen, sondern den einer ihrer Flugsicherungsdienste erbringenden Einrichtung. Aus dem Umstand einer (beabsichtigten) Störung der Flugsicherungsdienste lässt sich aber nicht „per se“ ein unmittelbarer Eingriff in die Gewerbebetriebe der von der Erbringung dieser Leistung abhängigen Fluggesellschaften herleiten (ausf. BAG 25. August 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 41 bis 45, BAGE 152, 240). Auch im vorliegenden Fall kann nichts anderes festgestellt werden, als dass mittels der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der im Tower tätigen Mitarbeiter (Fluglotsen) auf die DFS eingewirkt werden sollte, um den Druck auf die Klägerin zu 3. zu verstärken und den gegen deren Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen. Inwieweit sich eine objektiv gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. (bzw. der N GmbH) gerichtete Stoßrichtung aus der bereits behandelten Äußerung des Vorstands Tarif/Recht im Interview mit „Spiegel-Online“ ergeben soll, erschließt sich mit Blick auf die angekündigte (Unterstützungs-)Streikmaßnahme bereits deshalb nicht, weil die Aussage nach der nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellung des Landesarbeitsgerichts „während der Durchführung“ des Hauptstreiks gemacht worden ist und es insoweit von vornherein an einem zeitlichen, auf die Unterstützungskampfmaßnahme bezogenen Kontext fehlt.

97

cc) Soweit die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. August 2015 (- 1 AZR 754/13 - Rn. 46 bis 51, BAGE 152, 240) meinen, ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB könne wegen der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1977 zu der streikähnlichen Aktion von Flugleitern im Jahre 1973 (- III ZR 179/75 - BGHZ 69, 128; vgl. in der Folge auch BGH 31. Januar 1978 - VI ZR 32/77 - BGHZ 70, 277; 22. März 1979 - III ZR 24/78 -; 28. Februar 1980 - III ZR 131/77 - BGHZ 76, 387) nicht abgelehnt werden, trifft diese Bewertung nicht zu. Die einzelfallbezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu einer kollektiven Amtspflichtverletzung sind auf gewerkschaftlich getragene Streiks von vornherein nicht übertragbar.

98

dd) Schließlich verfängt die unter Verweis auf frühere Senatsentscheidungen (BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 653/86 - BAGE 59, 48; 8. November 1988 - 1 AZR 417/86 - BAGE 60, 101) vertiefte Argumentation der Revisionsklägerinnen zu 1. und 2. nicht, die durchgeführten und die angekündigte Streikaktionen stellten eine Betriebsblockade dar und seien deshalb als unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der betroffenen Fluggesellschaften zu werten. Ungeachtet dessen, dass die durchgeführten - und schon gar nicht die beabsichtigte - Kampfmaßnahmen keine über die (beabsichtigte) kollektive Arbeitsniederlegung hinausgehende und eine Betriebsblockade typischerweise charakterisierende äußerliche physische Absperrung eines Betriebs betrafen, waren sie nicht auf die Verhinderung eines von mehreren Unternehmen arbeitsteilig verfassten Produkts gerichtet. Die Klägerinnen zu 1. und 2. sowie die Klägerin zu 3. und die DFS erbringen kein „Produkt“ der Passagierbeförderung auf dem Luftweg in bewusst betriebsgemeinsam-arbeitsteilig verfasster Weise, auf deren Verhinderung die Aktionen der Beklagten zielten. Die in den zitierten Entscheidungen zur Wertung herangezogene „arbeitsteilige Produkterbringung“ liegt auch nicht - wie die Klägerinnen zu 1. und 2. offensichtlich meinen - in jeder „Produkterbringung in Abhängigkeit von der Leistung anderer“. Aus den (Mitteilungen zu) Streikankündigungen der Beklagten folgt nur eine objektiv-planvolle Verhinderung der allein von der Klägerin zu 3. erbrachten Dienstleistung „Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale“ und der allein von der DFS zu erbringenden Flugsicherungsdienstleistung. Die hierdurch bedingten Betriebsablaufstörungen bei den klagenden Fluggesellschaften waren schlichte Folge des (absehbaren) Leistungsausfalls.

99

II. Etwaige Ansprüche der Klägerinnen zu 1. und 2. aus § 826 BGB sind nicht Gegenstand der Revisionsverfahren. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsanträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auch insoweit als nicht begründet angesehen. Dagegen wenden sich die Revisionen nicht.

100

III. Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben keinen (abgetretenen) vertraglichen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem zwischen der Beklagten und ua. der Klägerin zu 3. geschlossenen TV Apron Control. Sie wie auch die N GmbH sind nicht in den Schutzbereich dieses Tarifwerks einbezogen.

101

1. Auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können grundsätzlich in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; BGH 9. April 2015 - VII ZR 36/14 - Rn. 25 mwN). Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 42 mwN, BAGE 152, 260).

102

2. In schuldrechtliche Verpflichtungen von Tarifvertragsparteien sind andere Dritte regelmäßig nicht einbezogen. Dies gilt nicht nur für die einem Tarifvertrag ohne besondere Vereinbarung regelmäßig immanente relative Friedenspflicht (vgl. hierzu BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 43, BAGE 152, 260), sondern auch für eine ausdrücklich vereinbarte - hier nach dem TV Apron Control erweiterte relative - Friedenspflicht. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarungen müssen besondere Anhaltspunkte bestehen.

103

3. Gemessen hieran scheidet eine vertragliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. und der N GmbH aus.

104

a) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Luftfahrtunternehmen in die Friedenspflicht nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control einbezogen sind. Auf eine solche Einbeziehung Dritter kann insbesondere nicht, anders als die Klägerinnen zu 1. und 2. meinen, aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ihrer Leistungen mit denen der Klägerin zu 3. sowie der funktionalen Abhängigkeit der Fluggesellschaften vom Flughafenbetreiber geschlossen werden. Bereits wegen der erforderlichen Abgrenzung zum deliktischen Haftungsbereich darf die für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Leistungsnähe nicht nur faktisch gegeben sein (ausf. Staudinger/Klumpp (2015) § 328 Rn. 112 mwN aus der Rspr.). Entsprechend lehnt auch der Bundesgerichtshof selbst Hinweise auf konzernmäßige enge Verflechtungen zur Begründung der Leistungsnähe als „von vornherein nicht geeignet“ ab (zu einem Darlehensvertrag BGH 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 56, BGHZ 166, 84; vgl. auch Kort NJW 2006, 1098 f.).

105

b) Ein Drittschutz ist in der Friedenspflicht nach dem TV Apron Control weiterhin nicht deshalb angelegt, weil sie objektiv auch den Interessen der Nutzer des von der Klägerin zu 3. betriebenen Flughafens, darunter jenen der Fluggesellschaften, dient. Es kommt vielmehr darauf an, ob es - hier nicht ersichtliche - konkrete Anhaltspunkte für einen subjektiven Willen dafür gibt, dass die Tarifvertragsparteien die schuldrechtliche Verpflichtung nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control(auch) mit Blick auf Dritte vereinbart haben. Insofern überzeugt das Argument der Revisionsführer nicht, die Friedenspflicht aus Tarifverträgen für Mitarbeiter der Bereiche Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale eines Flughafens wäre ohne Einbeziehung der Fluggesellschaften „weitgehend bedeutungslos, da dem Flughafenbetreiber infolge eines Streiks dieser Mitarbeiter erst dann ein Schaden entsteht, wenn die Fluggesellschaften ihre Leistungen nicht erbringen können“. Dies ist letztlich immer der Fall, wenn es um Tarifverträge in einem Bereich geht, in dem der Gegenstand unternehmerischer Betätigung „abnehmerbezogen“ ist.

106

C. Über die Kosten des Rechtsstreits kann der Senat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht abschließend befinden. Die Entscheidung hängt davon ab, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin zu 3. nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht in der Sache obsiegen wird. Das Landesarbeitsgericht wird daher über die Kosten des Rechtsstreits - auch im Hinblick auf die zurückgewiesenen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. - zu entscheiden haben. Es kann als Rechtsmittelgericht unter Gewährung rechtlichen Gehörs eine die im Rechtsmittelverfahren dann nicht mehr beteiligten Klägerinnen zu 1. und 2. betreffende Kostenentscheidung treffen (vgl. BGH 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79 - zu III der Gründe).

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Klebe    

        

    Benrath    

                 

Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 zitiert 23 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrags


(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126 Schriftform


(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313 Form und Inhalt des Urteils


(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 830 Mittäter und Beteiligte


(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126b Textform


Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das1.es dem Empfänger ermöglich

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 7 Übersendungs- und Mitteilungspflicht


(1) Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales innerhalb eines Monats nach Abschluß kostenfrei die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift sowie zwei weitere Abschriften eines jeden Tarifvertrags und

Referenzen - Urteile

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2016 - KZR 25/14

bei uns veröffentlicht am 12.07.2016

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. April 2014 aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14.

Arbeitsgericht Pforzheim Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 Ca 208/17

bei uns veröffentlicht am 05.04.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen.2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.3. Der Streitwert wird auf EUR 1.803352,33 festgesetzt.4. Die Berufung wird ausdrücklich zugelassen. Tatbestand   1 Die Parteien streiten über Schadensers

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1.
es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2.
geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales innerhalb eines Monats nach Abschluß kostenfrei die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift sowie zwei weitere Abschriften eines jeden Tarifvertrags und seiner Änderungen zu übersenden; sie haben ihm das Außerkrafttreten eines jeden Tarifvertrags innerhalb eines Monats mitzuteilen. Sie sind ferner verpflichtet, den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, innerhalb eines Monats nach Abschluß kostenfrei je drei Abschriften des Tarifvertrags und seiner Änderungen zu übersenden und auch das Außerkrafttreten des Tarifvertrags innerhalb eines Monats mitzuteilen. Erfüllt eine Tarifvertragspartei die Verpflichtungen, so werden die übrigen Tarifvertragsparteien davon befreit.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Absatz 1 einer Übersendungs- oder Mitteilungspflicht nicht, unrichtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig genügt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.

(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Behörde, der gegenüber die Pflicht nach Absatz 1 zu erfüllen ist.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. April 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die bis 22. Mai 2012 als J.  GmbH und danach bis 14. Mai 2014 als F.  GmbH firmierte, ist eine bundesweit tätige gewerbliche Spielvermittlerin. Gegenstand ihrer Vermittlung waren insbesondere die von den Lottogesellschaften der Bundesländer veranstalteten Lotterien. Die Beklagte ist die Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

2

Ab April 2005 versuchte die Klägerin, eine terrestrische Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften, etwa Supermärkten oder Tankstellen, eingerichtet werden. Einnahmen wollte die Klägerin aus Handlingentgelten der Spielteilnehmer sowie Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin sah die Wahrung des sogenannten "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vor: Die Klägerin beabsichtigte, Spielaufträge immer nur an die Lottogesellschaft zu vermitteln, in deren Bundesland der Spielteilnehmer jeweils wohnte.

3

Unter Beteiligung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten fasste der Rechtsausschuss des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) am 25./26. April 2005 folgenden Beschluss:

"Der Rechtsausschuss fordert die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf, Umsätze, die auf diese - nach seiner Auffassung rechtswidrige - Art und Weise durch terrestrischen Vertrieb Gewerblicher erzielt worden sind, nicht anzunehmen ..."

Dieser Beschluss war Gegenstand eines vom Bundeskartellamt eingeleiteten Missbrauchsverfahrens. Mit sofort vollziehbarer Abstellungsverfügung vom 23. August 2006 traf das Bundeskartellamt, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, folgende Feststellungen und Anordnungen (WuW/E DE-V 1251):

A. Die am 25./26. April 2005 beschlossene Aufforderung des Rechtsausschusses des Deutschen Lotto- und Totoblocks an alle Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen, hat gegen Art. 81 EG und § 1 GWB sowie gegen § 21 Abs. 1 GWB und Art. 82 EG verstoßen.

1. Den Betroffenen zu 1 bis zu 18 (DLTB und Lottogesellschaften) wird daher nach § 32 GWB untersagt, die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks aufzufordern, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen.

2. Den Betroffenen zu 2 bis zu 18 wird nach § 32 GWB untersagt, den unter 1 bezeichneten Beschluss... weiter umzusetzen und sich bei ihrer Geschäftstätigkeit daran zu halten.

....

E. Jede fahrlässige oder vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die vollziehbaren Anordnungen zu A.1 bis A.4 ... stellt eine mit Bußgeld bedrohte Ordnungswidrigkeit dar (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a GWB), die nach § 81 Abs. 4 GWB mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro, bei Unternehmen darüber hinaus bis zu 10% des jeweils im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes geahndet werden kann.

4

Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juni 2007, WuW/E DE-R 2003) und dem Bundesgerichtshof (Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 - Lottoblock) in der Sache ohne Erfolg.

5

Die Klägerin nahm im Jahr 2005 mit verschiedenen Kooperationspartnern die terrestrische Vermittlung von Lotterien auf. Allerdings waren die Lottogesellschaften nicht bereit, hierfür Provisionen zu zahlen. Nachdem im Laufe der Zeit die ursprünglich beabsichtigte Kooperation mit allen Lottogesellschaften unter Wahrung des Regionalitätsprinzips ausgeschlossen erschien, änderte die Klägerin ihr Konzept für den terrestrischen Vertrieb. Spieleinsätze sollten bei den stationären Partnern der Klägerin weiterhin bundesweit akquiriert, jedoch nur noch an einzelne Lottogesellschaften vermittelt werden. Bis Ende 2008 hatte die Klägerin die Möglichkeit, solche bundesweit akquirierten Spieleinsätze über eine Schnittstelle bei Lotto B.     einzuspielen. Allerdings gewährte Lotto B.     die Schnittstelle nicht freiwillig, sondern allein in Befolgung mehrerer von der Klägerin erstrittener gerichtlicher Anordnungen. Danach stellte die Klägerin die terrestrische Vermittlung ein; die insoweit nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 ab 1. Januar 2009 erforderliche Erlaubnis hatte sie lediglich für Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erhalten.

6

Die Klägerin fordert unter dem Aspekt entgangenen Gewinns für die Jahre 2006 bis 2008 Schadensersatz in vom Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmender Höhe, mindestens jedoch 8,25 Millionen €, zuzüglich Zinsen, weil die Lottogesellschaften sich aufgrund kartellrechtswidrigen, abgestimmten Verhaltens geweigert hätten, mit ihr bei der terrestrischen Spielvermittlung unter Zahlung von Vermittlungsprovisionen zu kooperieren. Zur Schadenshöhe hat sie sich insbesondere auf einen Geschäftsplan, Marktanalysen und ein Privatgutachten gestützt.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.538.020,51 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage lediglich wegen eines Teils der geltend gemachten Zinsen abgewiesen (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4394). Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für schadensersatzpflichtig erachtet und dazu ausgeführt:

9

Aufgrund der Senatsentscheidung "Lottoblock" (BGH, WuW/E DE-R 2408) stehe gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung fest, dass die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften von der Beschlussfassung im DLTB am 25./26. April 2005 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 ihr Verhalten abgestimmt und sich hierdurch kartellrechtswidrig verhalten hätten. Auch in der Folgezeit (31. Mai 2007 bis Ende 2008) streite eine Vermutung für eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften, die von der Beklagten nicht widerlegt worden sei. Der Kartellrechtsverstoß der Beklagten sei schuldhaft erfolgt und zumindest mitursächlich für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin, woraus dieser ein Schaden in Höhe des zuerkannten Betrags entstanden sei.

10

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin zwar aufgrund Beteiligung an einer kartellrechtswidrigen Abstimmung mit den anderen Lottogesellschaften dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlauben indes keine abschließende Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch die verbotene Verhaltensabstimmung in den Jahren 2006 bis 2008 tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, aufgrund des im Kartellverwaltungsverfahren "Lottoblock" ergangenen Senatsbeschlusses (WuW/E DE-R 2408) stehe mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass sich die Beklagte im Zeitraum vom 25./26. April 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren aufgrund einer mit den anderen Lottogesellschaften der Länder abgestimmten Verhaltensweise unter Verstoß gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) und § 1 GWB geweigert habe, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze gewerblicher Spielvermittler anzunehmen.

12

1. Bei Schadensersatzklagen wegen Verstößen gegen das deutsche oder Unionskartellrecht ist das Gericht gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB an die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen gebunden, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen des Bundeskartellamts ergangen sind. Die Bindungswirkung erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung und erstreckt sich auf die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. etwa Dreher, ZWeR 2008, 325, 328 f.; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, 2010, S. 426 f.; Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadensersatzklagen, 2010, S. 174, 179; Bornkamm in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., § 33 Rn. 169; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Aufl., § 33 Rn. 42; aA Meyer, GRUR 2006, 27, 29 f.).

13

Zwar verwendet die Begründung des Regierungsentwurfs zur 7. GWB-Novelle zur Bezeichnung der mit § 33 Abs. 4 GWB gewollten Wirkung den Begriff "Tatbestandswirkung" (Begründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Damit ist jedoch keine Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn gemeint, die allein an den Tenor einer Entscheidung anknüpft. Ein solches enges Verständnis des § 33 Abs. 4 GWB wäre unvereinbar mit dem Zweck der Bestimmung, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 15/3640, S. 35). Auch aus dem Zusammenhang der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Einführung von § 33 Abs. 4 GWB keine enge Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn beabsichtigt hat. Danach bezieht sich die Tatbestandswirkung auf die Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes, während alle weiteren Fragen, insbesondere zur Schadenskausalität und zur Schadensbezifferung, der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegen (BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Feststellungen zur Kausalität und zur Schadenshöhe sind indes nie im Tenor einer kartellbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung enthalten, sondern stets nur in den Entscheidungsgründen. Die Differenzierung zwischen der Feststellung des Verstoßes und allen weiteren Fragen in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 33 Abs. 4 GWB kann sich daher nur auf die Entscheidungsgründe beziehen (Dreher, ZWeR 2008, 325, 329).

14

Zudem wäre der Regelungsinhalt bei einem engen Verständnis der Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB rein deklaratorisch, weil die Bindung an den Entscheidungstenor einer bestandskräftigen behördlichen oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ohnehin besteht, ohne dass es einer besonderen gesetzlichen Regelung bedarf. Die Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 GWB erfasst daher alle im vorangegangenen Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den Lebenssachverhalt bilden, bezüglich dessen ein Kartellrechtsverstoß festgestellt wurde, und die seine rechtliche Einordnung als Verstoß tragen (vgl. Nothdurft, Festschrift für Tolksdorf, 2014, S. 533, 541).

15

Soweit eine die kartellbehördliche Verfügung bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof überprüft worden ist, ist allerdings zu beachten, dass der Bundesgerichtshof keine eigenen Feststellungen trifft (§ 76 Abs. 4 GWB). Vielmehr hat er seiner Entscheidung die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts zugrunde zu legen. Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 S. 2 GWB besteht in diesem Fall für diejenigen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Zurückweisung der Beschwerde tragen. Soweit das Beschwerdegericht weitere Feststellungen getroffen haben sollte, sind sie für die rechtskräftige Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren ohne Bedeutung und werden nicht von der Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 S. 2 GWB erfasst.

16

2. Das Berufungsgericht hat danach zutreffend angenommen, nach seiner Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren und dem die Rechtsbeschwerde, soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse, zurückweisenden Senatsbeschluss "Lottoblock" stehe für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass es die Beklagte und die anderen Landeslottogesellschaften unter Verstoß gegen Art. 81 EG und § 1 GWB in Umsetzung des Beschlusses des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 abgelehnt haben, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze der gewerblichen Spielvermittler anzunehmen. Richtig ist ebenso die Annahme, diese Beurteilung beruhe auf der im Kartellverwaltungsverfahren nicht ausgeräumten Vermutung, der Beschluss des Rechtsausschusses sei von den Lottogesellschaften bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigt worden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock, mit Hinweis auf EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni).

17

3. Das Berufungsgericht hat jedoch fehlerhaft angenommen, aufgrund dieser Vermutung sei die andauernde Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens aller Lottogesellschaften bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung für den Schadensersatzprozess festgestellt.

18

a) Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB kommt es auf die im Vorverfahren oder -prozess getroffenen tatsächlichen Feststellungen an. Handelt es sich um eine Bußgeldentscheidung, so wird sie regelmäßig Feststellungen zur Dauer des Verstoßes enthalten, weil es sich dabei um ein wesentliches Zumessungskriterium im Rahmen von § 17 OWiG handelt (zu einem derartigen Fall vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 U 51/12 (Kart), juris Rn. 46, insoweit nicht in NZKart 2014, 366). Bei Entscheidungen im Kartellverwaltungsverfahren ist dagegen der Zeitraum des Verstoßes nicht notwendig zu bestimmen. Für die Rechtmäßigkeit einer Abstellungsverfügung gemäß § 32 GWB kommt es darauf an, ob eine Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV begangen worden ist oder jedenfalls droht. Die Abstellungsverfügung setzt mithin lediglich eine Begehungsgefahr voraus, die sich regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, aus einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung ergibt (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 52 - Lottoblock; Bornkamm in Langen/Bunte aaO, § 32 GWB Rn. 15). Mit der Feststellung einer Wiederholungsgefahr wird jedoch nicht die andauernde weitere Begehung der Zuwiderhandlung festgestellt. Die Feststellung der Gefahr eines (weiteren) Verstoßes ist nicht mit der Feststellung eines tatsächlich eingetretenen Verstoßes gleichzusetzen.

19

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für den Umfang der Bindungswirkung unerheblich, welcher Tatsachenvortrag bis zur letzten Tatsachenverhandlung im Kartellverwaltungsverfahren gehalten werden konnte. Maßgeblich ist vielmehr allein, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren festgestellt worden ist. Selbst wenn festgestellt worden wäre, dass die Zuwiderhandlung eingestellt worden sei, hätte dies die Wiederholungsgefahr nach allgemeinen Grundsätzen nicht beseitigt und wäre daher für die Entscheidung unerheblich gewesen.

20

b) Danach steht für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Verstoß der Lottogesellschaften gegen Art. 81 EG und § 1 GWB für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2006 nicht fest.

21

Im Beschluss "Lottoblock" hat der Senat die Annahme eines Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften im Anschluss an die Entschließung des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 durch das Beschwerdegericht gebilligt, weil die für die Befolgung dieses Beschlusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens streitende Vermutung nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht widerlegt worden war. Er hat dabei auf Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Verhalten verschiedener Lottogesellschaften bis Ende 2005 Bezug genommen, aus dem sich ergibt, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des Rechtsausschusses vielmehr befolgt haben (BGH, WuW/E DE-R 2406 Rn. 41-44 - Lottoblock). Diese Erwägung gehört zu den tragenden Gründen der Senatsentscheidung "Lottoblock", weil bei einer Widerlegung der für ein abgestimmtes Verhalten der Lottogesellschaften sprechenden Vermutung die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts insoweit hätte aufgehoben werden müssen. Da es sich bei einem kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhalten um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, haften alle daran teilnehmenden Unternehmen und damit auch die Beklagte nach §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 80 - ORWI, zur Verabredung und Durchführung eines Kartells). Dazu, ob und gegebenenfalls wie lange der Kartellrechtsverstoß der Lottogesellschaften ab dem 1. Januar 2006 noch andauerte, verhält sich die Senatsentscheidung "Lottoblock" dagegen nicht, und Ausführungen hierzu würden die Entscheidung und diejenige des Beschwerdegerichts auch nicht tragen.

22

Soweit sich der Senat in Randnummer 46 des Beschlusses mit der Frage befasst hat, ob einzelne Lottogesellschaften ihre Verträge über terrestrische Spielvermittlung aus anderen - kartellrechtlich unbedenklichen - Gründen im Juni 2006 wirksam gekündigt haben, steht dies nicht im Zusammenhang mit Feststellungen über die Fortsetzung des abgestimmten Verhaltens bis zu diesem Zeitpunkt. Vielmehr geht es dort allein um die Frage, ob der ursprünglichen Beteiligung auch der dort genannten Lottogesellschaften an dem abgestimmten Verhalten entgegenstehen könnte, dass sie später - unter Umständen berechtigt - die Zusammenarbeit mit den gewerblichen Spielvermittlern gekündigt haben.

23

II. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Lottogesellschaften und damit auch die Beklagte den Beschluss des Rechtsausschusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens auch über den 31. Dezember 2005 hinaus berücksichtigt haben. Hierfür streitet eine tatsächliche Vermutung (vgl. EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass diese Vermutung weder durch das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) noch durch den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsauschusses des DLTB vom Juli 2006, die Zustellung der Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts oder andere tatsächliche Umstände ausgeräumt worden ist.

24

1. Unternehmen, die ihr Verhalten koordiniert haben, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile durch die Beseitigung oder Verringerung des zwischen ihnen bestehenden Wettbewerbs versprechen, haben danach regelmäßig weder Anlass, die Verhaltenskoordinierung zu bekräftigen, noch von ihr abzuweichen. Dies gilt jedenfalls, solange die für die Abstimmung wesentlichen ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortdauern und kein Beteiligter erkennbar aus ihr ausbricht. Das rechtfertigt die Vermutung, dass sich die Beteiligten bei ihrem weiteren Marktauftritt so verhalten, wie sie es untereinander abgestimmt haben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das Eingreifen der Vermutung einer andauernden Zuwiderhandlung demgemäß lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass eine Abstimmung vorliegt und dass die Unternehmen weiterhin auf dem Markt tätig sind (vgl. EuGH, Slg. 2009, I-4529 Rn. 58 - T-Mobile Netherlands BV). Die nationalen Gerichte haben diese Vermutung als integralen Bestandteil des Unionsrechts anzuwenden (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 33 - Eturas). Aufgrund dieser Vermutung konnte und musste das Berufungsgericht eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften über den 31. Dezember 2005 hinaus annehmen.

25

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Vermutung nicht schon durch den Hinweis der Beklagten auf das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) als ausgeräumt angesehen.

26

a) Zwar scheidet eine Berücksichtigung dieses Urteils entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, wie ausgeführt, nicht schon aus zeitlichen Gründen wegen der Bindungswirkung der Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB aus.

27

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten stand jedoch mit der "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts nicht fest, dass die Lottogesellschaften sich auf keine Vertriebskooperation mit der Klägerin einlassen durften. Ein Verbot gewerblicher Glücksspielvermittlung wird in der Entscheidung nicht ausgesprochen. Um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, haben die Bundesländer den Glücksspielstaatsvertrag abgeschlossen, der am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Der Glücksspielstaatsvertrag schloss eine länderübergreifende gewerbliche Spielvermittlung nicht aus, sondern stellte sie nur unter Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 19 i.V.m. §§ 4 bis 7 GlüStV; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 54, 66 - Lottoblock). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung gebilligt und eine gewerbliche Spielvermittlung damit weiterhin für grundsätzlich zulässig gehalten (BVerfG [Kammer], NVwZ 2008, 1338 Rn. 32, 45, 52).

28

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht den Staat während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens verpflichtet, Wetten nicht expansiv zu vermarkten (BVerfGE 115, 276, 319). Der Senat hat dazu ausgeführt, es liege nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lottogesellschaften anzusehen (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock). Diese Erwägung kann aber nicht ohne weiteres auf eine neue Form des schon bestehenden stationären Vertriebs für die hier in Rede stehenden Lotterien "6 aus 49", "Spiel 77" und "Super 6" übertragen werden, denen unter den Aspekten des Spieler- und Jugendschutzes ein geringeres Gefährdungspotential beigemessen wird als etwa Sportwetten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung des "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vorsah, wonach die terrestrische Vermittlung jeweils an die Lottogesellschaft erfolgen sollte, in deren Gebiet der Spieler seinen Wohnsitz hatte. Eine Ausdehnung des räumlichen Tätigkeitsgebiets der einzelnen Lottogesellschaften wäre also mit der Vermittlungstätigkeit der Klägerin nicht verbunden gewesen.

29

Unter diesen Umständen räumt die "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts die Vermutung der Fortsetzung des Kartellrechtsverstoßes nicht aus. Für eine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten hätte die Beklagte vielmehr zumindest autonom - in Auseinandersetzung mit den Gründen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung - die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Klägerin und den möglichen Inhalt entsprechender Vereinbarungen prüfen müssen. Entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie geltend macht, die vom Berufungsgericht erwogenen verfassungsgemäßen Vereinbarungen mit Spielvermittlern hätten nicht kurzfristig abgeschlossen und umgesetzt werden können, belegt dies nicht, dass die weitere Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr auf einem abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften, sondern auf einer autonomen Entscheidung der Beklagten beruhte.

30

3. Die Vermutung einer Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung ist auch nicht im Hinblick auf den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsausschusses des DLTB vom Juli 2006 und die jeweils gleichlautenden Erklärungen der Lottogesellschaften widerlegt, eine solche oder ähnliche Beschlussfassung künftig nicht zu beabsichtigen. Der Senat hat im Beschluss "Lottoblock" (WuW/E DE-R 2408 Rn. 53) die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts gebilligt, dem "Aufhebungsbeschluss" und den Erklärungen der Lottogesellschaften könne keine ernsthafte und endgültige Aufgabe der beanstandeten Verhaltensweise entnommen werden. Die Aufhebung der Beschlussfassung erfolgte danach nur vorsorglich und ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Ebenso wenig wie die Erklärung der Lottogesellschaften, den festgestellten Kartellverstoß nicht mehr wiederholen zu wollen, vor diesem Hintergrund eine hinreichende Gewähr für die Annahme bot, die in Rede stehende Verhaltensweise sei endgültig und ernsthaft aufgegeben worden, war sie geeignet, die Vermutung einer weiteren Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung entfallen zu lassen, für die es gerade nicht auf eine Wiederholung der Beschlussfassung ankam.

31

4. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, sie habe eine Zusammenarbeit mit der Klägerin zum Schutz ihrer eigenen Vertriebsorganisation ablehnen dürfen, wäre eine entsprechende, autonom getroffene Entscheidung kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Klägerin tatsächlich auf einer solchen autonomen Entscheidung beruhte.

32

5. Schließlich ist auch die Zustellung der Abstellungsverfügung am 23. August 2006, mit der den Kartellteilnehmern die Fortsetzung der Zuwiderhandlung bußgeldbewehrt und sofort vollziehbar untersagt wurde, für sich allein nicht geeignet, die Vermutung entfallen zu lassen, die Lottogesellschaften hätten ihr Verhalten gegenüber der Klägerin auch in der Folgezeit an der getroffenen Abstimmung ausgerichtet.

33

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vermutung für eine andauernde Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht der Union bislang ausschließlich für Zeiträume vor dem Erlass einer Bußgeld- oder Untersagungsentscheidung der Kommission oder der Kartellbehörde eines Mitgliedstaats anerkannt.

34

Das Urteil "Anic Partecipazioni" des Gerichtshofs von 1999 (Slg. 1999, I-4125) betrifft eine von Mitte 1977 bis November 1983 andauernde Zuwiderhandlung, die im Oktober 1983 zu Nachprüfungen und am 23. April 1986 zu einer Bußgeldentscheidung der Kommission geführt hatte (ABl. 1986, L 230/1 - Polypropylen). In der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) wurde im Anschluss an ein Abstimmungsgespräch von Wettbewerbern am 13. Juni 2001 ein unter ihnen abgestimmtes Verhalten angenommen, das am 1. November 2001 endete, wobei bis zum 1. Juli 2002 Umsätze aufgrund des Kartellrechtsverstoßes erzielt worden sind. Die niederländische Wettbewerbsbehörde (Nederlandse Mededingingsautoriteit) erließ unter dem 30. Dezember 2002 den ersten Bußgeldbescheid in dieser Sache (vgl. Beschluss der Nederlandse Mededingingsautoriteit vom 26. Oktober 2011, 2658/883 - Mobiele operators, abrufbar unter www.acm.nl/nl/publicatis/publicatie/4591/besluit-op-bezwaar-kpn-t-mobile-en-vodafone-boete-kartelafspraken-m-mitspraak-CBb/). Damit stand auch bei der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) keine Anwendung der Vermutung einer Fortsetzung der Zuwiderhandlung in Rede, die über die Zustellung einer kartellbehördlichen Verfügung hinausging.

35

b) Ein Kartellrechtsverstoß kann enden, wenn im Geschehen eine Zäsur eintritt (Bornkamm in Langen/Bunte aaO § 32 GWB Rn. 16). Eine die Vermutung andauernden kartellrechtswidrigen Verhaltens beendende Zäsurwirkung kann unter Umständen auch einer Abstellungsverfügung zukommen, die im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren ergangen ist. Es liegt nicht fern zu erwarten, dass sich ein grundsätzlich rechtstreuer Adressat an eine sofort vollziehbare behördliche Untersagungsverfügung hält.

36

c) Jedenfalls bei einem punktuellen Kartellrechtsverstoß wie einer einmaligen Verhaltensabstimmung, deren Auswirkungen potentiell zeitlich unbeschränkt sind, kann die Zustellung der Verfügung für sich allein indes die Vermutung einer andauernden Bestimmung oder Beeinflussung des Marktgeschehens durch die Verhaltenskoordination regelmäßig nicht entfallen lassen. Andernfalls würde vernachlässigt, dass die Beteiligten in einem solchen Fall, ohne erneut aktiv kartellrechtswidrig handeln zu müssen, sich schlicht weiter an die einmal getroffene Abstimmung halten können. Es liegt deshalb nahe, dass die Teilnehmer einer solchen, durch eine punktuelle Handlung ins Werk gesetzten Abstimmung auch nach Zustellung der Untersagungsverfügung unverändert an ihrem abgestimmten Verhalten festhalten. Für die Widerlegung der Vermutung einer Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens ist es in einem solchen Fall auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung weiterhin erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert, so dass den anderen Teilnehmern bewusst wird, dass es sich nicht mehr daran hält (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-123 Rn. 81 bis 84 = WuW/E EU-R 899 - Aalborg Portland u.a.; EuG, NZKart 2015, 396 Rn. 194 - Westfälische Drahtindustrie, mwN). Dafür kommt bei Boykottsachverhalten der hier in Rede stehenden Art in erster Linie eine erkennbare erneute, autonome Entscheidung über die aufgrund der Abstimmung abgelehnte Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen in Betracht.

37

Dieses Verständnis der unionsrechtlichen Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten trägt dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung, wonach Verfahrensregeln der Mitgliedstaaten die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte, zu denen das Recht der durch einen Verstoß gegen Unionskartellrecht Geschädigten auf Schadensersatz gehört, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 32 f., 35 - Eturas). In diesem Zusammenhang stellt sich keine Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordert. Im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz unterliegt keinem vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.), dass das Unionsrecht ein nationales Gericht jedenfalls nicht daran hindert, die Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten unter den im Streitfall bestehenden Umständen auch noch nach Zustellung einer kartellbehördlichen Abstellungsverfügung anzuwenden.

38

d) Das Berufungsgericht hat nichts dafür festgestellt, dass die Lottogesellschaften die Zustellung der Verfügung zum Anlass genommen hätten, ihre Haltung gegenüber dem von der Klägerin an sie herangetragenen Geschäftsmodell zu ändern oder auch nur in eine autonome Prüfung dieses Modells einzutreten. Dagegen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten übergangen, sie habe in ihrem an das Bundeskartellamt adressierten Schreiben vom 23. Juli 2007 erläutert, aus welchen unternehmerischen Gründen sie sich einstweilen auf den terrestrischen Vertrieb durch ihre Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen beschränken wolle, und habe diese Stellungnahme zugleich an ihre Verfahrensbevollmächtigten weitergeleitet, die im Kartellverwaltungsverfahren sämtliche Lottogesellschaften vertreten hätten, weswegen diesen die Kenntnis der gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen sei, kann sie damit nicht durchdringen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem keine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten durch eine erkennbare autonome Entscheidung über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Klägerin entnommen hat. Die Stellungnahme stellte keine unternehmerische Entscheidung dar, sondern diente der Rechtsverteidigung gegenüber der Kartellbehörde. Sie enthielt schon deshalb auch kein Signal an die anderen Lottogesellschaften, sich von der Verhaltensabstimmung abkehren zu wollen. Wäre sie, wie die Revision meint, durch die Übersendung an die gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten den anderen Lottogesellschaften zugänglich gemacht worden, musste sie diese eher in der Erwartung bestärken, die Beklagte werde auch künftig von der abgestimmten Verhaltensweise nicht abweichen. Unter diesen Umständen lässt es keinen Rechtsfehler erkennen, wenn das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung auf der kartellrechtswidrigen Abstimmung des Verhaltens der Lottogesellschaften beruhte.

39

III. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die Umsetzung des kartellrechtswidrigen Beschlusses des DLTB-Rechtsausschusses durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften einschließlich der Beklagten sei schuldhaft erfolgt. So wurde in einer Vorlage für die Sitzung des DLTB-Rechtsausschusses vom 25./26. April 2015 ausdrücklich ausgeführt, die Lottogesellschaften müssten "ungeachtet eventueller kartellrechtlicher Bedenken" "als Block geschlossen" eine terrestrische Spielvermittlung verhindern. Damit haben die Lottogesellschaften jedenfalls fahrlässig gegen Kartellrecht verstoßen. Entgegen der Ansicht der Revision steht einem Verschulden der Beklagten auch nicht entgegen, dass ihr nach § 5 Abs. 3 Satz 2 LoStV verboten war, Glücksspiele außerhalb Nordrhein-Westfalens zu vertreiben oder vertreiben zu lassen. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sah jedenfalls das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung dieses "Regionalitätsprinzips" vor, so dass es auf dessen kartellrechtliche Beurteilung nicht mehr ankommt.

40

IV. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften sei für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin kausal geworden und ihr sei hierdurch ein Schaden in Höhe von 11.538.020,51 € entstanden, hält rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand.

41

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass schon für die Frage, ob der Klägerin durch den Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist, das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO gilt. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 - IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522).

42

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Die Vorschrift ist aber nur anwendbar, soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht. Für Umstände, die zur haftungsbegründenden Kausalität gehören, ist § 286 ZPO maßgeblich (BGH, Urteil vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12, NJW 2014, 688 Rn. 13; Urteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, NJW 2008, 1381 Rn. 9). Bei deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen, gehört die primäre Rechtsgutverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität (BGH, NJW 2008, 1381 Rn. 9; BGH, Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 10; Urteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, NJW 1987, 705, 706). Entsteht ein Schadensersatzanspruch dagegen unabhängig von der Verletzung eines Rechtsguts, ist bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3075 f.; zur Abgrenzung zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität vgl. BeckOK.ZPO/Bacher, 20. Aufl., Stand 1. März 2016, § 287 Rn. 3 bis 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 15).

43

b) Begehrt ein Kläger wegen eines Verstoßes gegen Kartellrecht Schadensersatz, macht er einen Schaden geltend, ohne dass die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts erforderlich ist. Für die Frage, ob infolge des Kartellrechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist, gilt deshalb die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2014 - VI-U (Kart) 7/13, juris Rn. 76 bis 82, insoweit nicht vollständig in WuW/E DE-R 4477, 4480).

44

Entgegen der Ansicht der Revision hat der Wortlaut von § 33 Abs. 3 Satz 3 GWB in diesem Zusammenhang keine Aussagekraft. Danach kann bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 ZPO insbesondere der anteilige Gewinn berücksichtigt werden, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat. Eine Beschränkung des Beweismaßes von § 287 ZPO allein auf die Frage des Umfangs des Schadens kann dieser Regelung nicht entnommen werden.

45

c) Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (nachfolgend: Schadensersatzrichtlinie, ABl. 2014, L 349 S. 1), die bis zum 27. Dezember 2016 in das deutsche Recht umzusetzen ist. Nach Art. 4 und Erwägungsgrund 11 der Schadensersatzrichtlinie müssen die nationalen Bestimmungen zur Kausalität zwischen Kartellrechtsverstoß und Schaden dem Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz entsprechen. Sie dürfen daher die Geltendmachung des Rechts auf Schadensersatz weder übermäßig erschweren noch praktisch unmöglich machen. Würde bei der Frage, ob durch einen Kartellrechtsverstoß ein Schaden entstanden ist, statt § 287 Abs. 1 ZPO die Vorschrift des § 286 ZPO angewendet, so bestünde die Gefahr, dass die effektive Durchsetzung des Kartellrechts der Union verhindert würde, weil im Hinblick auf die Vielzahl auf dem Markt wirksamer Einflüsse häufig nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen wird, dass ein durch einen Kartellrechtsverstoß betroffener Marktteilnehmer auch tatsächlich einen Schaden erlitten hat.

46

d) Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass § 252 Satz 2 BGB dem Verletzten für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung gewährt (BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13).

47

e) Allerdings ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist. Insoweit steht im Streitfall jedoch aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren fest, dass diejenigen gewerblichen Spielvermittler, die den Gesellschaften des DLTB die terrestrische Vermittlung von Spielumsätzen angeboten haben, von dem unzulässigen abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften betroffen waren.

48

2. Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt. Es hat zudem die Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB nicht zutreffend angewandt.

49

a) Im Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter allerdings besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 14 mwN). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil indes nicht stand. Das Berufungsgericht hat es versäumt, unter umfassender Würdigung aller erheblichen Umstände des Falles abzuschätzen, ob ohne die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung eine Zusammenarbeit der Klägerin mit den Lottogesellschaften zustande gekommen wäre und ob die Klägerin dabei den als entgangen geltend gemachten Gewinn erzielt hätte.

50

b) Der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der Klägerin stand allerdings nicht entgegen, dass die Lottogesellschaften keine rechtliche Verpflichtung hatten, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Vielmehr kommt es in erster Linie darauf an, ob eine Zusammenarbeit mit der Klägerin kaufmännisch vernünftigem Verhalten entsprochen hätte. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine für die Lottogesellschaften erzielbare Kostenersparnis in Höhe von insgesamt vier Prozent durch Einsparungen bei der Bereitstellung von Marketingmaterial und technischer Unterstützung für die Annahmestellen sowie Wegfall der Bezirksleiterprovision als erheblich angesehen hat. Das Berufungsgericht konnte auch die Gewinnung neuer Spielteilnehmer für die Lottogesellschaften unter den Kunden von Kooperationspartnern der Klägerin, die bislang nicht oder nur selten Lotto gespielt hatten, für wahrscheinlich halten. Rechtlich nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass das Berufungsgericht einen Kunden-Wechsel-Effekt zugunsten der Klägerin für plausibel erachtet hat, weil es einem nicht unbedeutenden Teil der Kunden bequemer hätte erscheinen können, bei ohnehin erforderlichen Besuchen von Einkaufszentren und Tankstellen Lotto zu spielen anstatt dafür weiterhin gesondert eine klassische Annahmestelle etwa in einem Tabakladen aufzusuchen. Nicht erfahrungswidrig ist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, die Erhebung einer Handlinggebühr in Höhe von zehn Prozent des Spieleinsatzes sei kein Hindernis für den Geschäftserfolg der Klägerin gewesen, weil es sich um nominal geringe Beträge handele, die der durchschnittliche Kunde unter Bequemlichkeitsgesichtspunkten in Kauf zu nehmen bereit sei.

51

c) Für die Begründung haftungsausfüllender Kausalität kommt es allerdings darauf an, ob aufgrund der Marktgegebenheiten hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften tatsächlich mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, reicht dafür nicht allein die Plausibilität der aus dem Geschäftskonzept der Klägerin abgeleiteten Umsatz- und Gewinnerwartungen, aus denen sich für die Lottogesellschaften ökonomische Anreize zu einer Zusammenarbeit mit der Klägerin ergaben. Bei einer autonomen Entscheidung über eine Kooperation mit der Klägerin hatte die Beklagte vielmehr insbesondere auch die Auswirkungen auf ihr bestehendes Vertriebssystem sowie die Unsicherheiten zu berücksichtigen, die hinsichtlich des künftigen regulatorischen Konzepts für das Glücksspielrecht bestanden.

52

aa) Die vom Berufungsgericht zu Recht für plausibel gehaltenen Kunden-Wechsel-Effekte bedeuteten aus der Sicht der Lottogesellschaften, dass die erwarteten Umsätze der Klägerin zu einem erheblichen Teil zulasten ihrer bisherigen Vertriebspartner gehen würden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften im Vorfeld der Kartellabsprache zum Ausdruck gebracht, die Aktivitäten der Klägerin als Angriff auf ihr eigenes Vertriebssystem anzusehen.

53

bb) Spätestens im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Gambelli" (EuGH, Slg. 2003, I-13031 Rn. 66 ff.) war die Vereinbarkeit des staatlichen Monopols für Lotterien und Sportwetten in Deutschland mit der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 und Art. 56 AEUV) im Hinblick auf die Werbepraxis der staatlichen Lottogesellschaften zweifelhaft geworden (vgl. etwa LG Baden-Baden, SpuRt 2005, 80; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 284 Rn. 7). In einem Beschluss vom 27. April 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Glücksspielmonopole und des strafrechtlichen Verbots der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (§ 284 StGB) mit Unionsrecht geäußert (BVerfG, NVwZ 2005, 1303). In dem auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005 am 28. März 2006 verkündeten "ODDSET-Urteil" (BVerfGE 115, 276) erklärte das Bundesverfassungsgericht es für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach dem bayerischen Staatslotteriegesetz Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden durften, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten; es verpflichtete den bayerischen Gesetzgeber, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Gründen ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Schon während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens durften dem staatlichen Monopol unterliegende Wetten nicht expansiv vermarktet werden (BVerfGE 115, 276, 319). Es lag nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote anzusehen (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock).

54

Angesichts des auf dem Glücksspielstaatsvertrag 2004 beruhenden bundesweit einheitlichen Rechtsrahmens lag unter diesen Umständen auf der Hand, dass sämtliche Bundesländer über den Bereich der Sportwetten hinaus zu einer umfassenden Neuregelung des Glücksspielrechts gezwungen waren. Wollten sie das Monopol nicht aufgeben, bestand dabei die Notwendigkeit, das staatliche Glücksspielangebot - wie vom Bundesverfassungsgericht für geboten erachtet - konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten. Wie diese konsequente Ausrichtung aussehen würde und ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen sie auf die grundsätzliche Möglichkeit und zulässigen Formen der Zusammenarbeit der Lottogesellschaften mit gewerblichen Spielevermittlern wie der Klägerin haben würde, war dabei eine offene Frage. Durch die von der Klägerin gewünschte Zusammenarbeit liefen die Lottogesellschaften mithin Gefahr, ihre bisherige Vertriebsstruktur deutlich zu schwächen, obwohl nicht auszuschließen war, dass die Kooperation mit der Klägerin schon in naher Zukunft rechtlich nicht mehr oder nur noch in erheblich modifizierter Form zulässig sein würde.

55

cc) Unter diesen Umständen erscheint es ohne weitere Feststellungen nicht unwahrscheinlich, dass die Beklagte und die übrigen Lottogesellschaften trotz der bestehenden ökonomischen Anreize auch bei autonomer unternehmerischer Entscheidung nicht oder jedenfalls nur zögernd und in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten.

56

d) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte, falls sich die Lottogesellschaften zur Kooperation bereit gezeigt hätten, in vollem Umfang den von ihr prognostizierten Gewinn erzielt, beruht auch in weiterer Hinsicht auf einer unvollständigen Würdigung der insoweit relevanten Umstände.

57

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Umsätze der staatlichen Lotterien in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2008 um etwa 1 Milliarde Euro, also um etwa 20%, zurückgegangen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 Satz 2 BGB) war deshalb ein entsprechender Rückgang der Provisionseinnahmen zu erwarten. Das Berufungsgericht hatte nach § 287 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen, ob und inwieweit dieser Umstand wahrscheinlich Auswirkungen auf die Schadensersatzforderung der Klägerin hatte. Es durfte nicht stattdessen der Beklagten die Beweislast für derartige Auswirkungen auferlegen. Etwa bestehenden Unsicherheiten hätte es durch einen Abschlag von der Schadensersatzforderung Rechnung tragen müssen.

58

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aus dem parallel zum Umsatzrückgang der staatlichen Lottogesellschaften zwischen 2005 und 2008 festgestellten Anstieg der gewerblichen Bruttospielerträge um ca. 50% nicht geschlossen werden, der Umsatzrückgang hätte die Klägerin nicht berührt. Denn der Anstieg der gewerblichen Erträge bezieht sich auf alle Glücksspielsegmente, insbesondere den zu jener Zeit stark wachsenden Sektor der Online-Wetten. Ob und in welchem Umfang Vertriebspartner der Lottogesellschaften in dem schrumpfenden Markt dennoch steigende Einnahmen hätten erzielen können, ergibt sich daraus nicht.

59

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Schadensberechnung auch der Einwand der Beklagten erheblich, dass nach den zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gewerblichen Spielvermittlern keine Provisionen mehr gezahlt werden durften (vgl. § 13 Abs. 3 Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007, GVBl Berlin 2007, 33/604; § 6 Abs. 3 Glücksspielgesetz des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007, GVBl Brandenburg 2007, 17/218; § 9 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags vom 14. Dezember 2007, GVOBl. Mecklenburg-Vorpommern 2007, S. 386; § 13 Abs. 3 Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag, GVBl Sachsen 2007, 15/542; § 13 Abs. 9 Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, GVBl LSA 2007, 412). Indem das Berufungsgericht die Auswirkungen der Provisionsverbote in fünf Bundesländern auf die Gewinnerwartungen der Klägerin nicht berücksichtigt hat, hat es einen wesentlichen Bemessungsfaktor für die Bestimmung des dieser entstandenen Schadens außer Betracht gelassen.

60

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, diese Provisionsverbote stellten einen Verstoß gegen Art. 10 EG in Verbindung mit Art. 81 EG dar, weil sie bezweckten und bewirkten, einen Wettbewerb der Lottogesellschaften untereinander zu verhindern. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das Provisionsverbot unter Suchtpräventionsgesichtspunkten für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (BVerfG (Kammer), NVwZ 2008, 1338 Rn. 60). Es handelte sich dabei um eine Maßnahme, mit der die Länder versuchten, der Anforderung des "ODDSET-Urteils" des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, die Spieltätigkeit nicht auszudehnen. Verfolgten die Bundesländer mit der Einführung der Provisionsverbote ein derartiges, vom Unionsrecht anerkanntes, legitimes öffentliches Interesse, so fehlt es insoweit an einem unternehmerischen Handeln. Die damit notwendig verbundene wettbewerbsbeschränkende Wirkung verstößt nicht gegen Unionskartellrecht.

61

Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Lottogesellschaften an die Klägerin in denjenigen Bundesländern, die gesetzliche Provisionsverbote eingeführt hatten, auch noch im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Provisionen gezahlt hätten. Die Lottogesellschaften mussten das jeweils für sie geltende Recht beachten.

62

(2) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin im Fall eines Provisionsverbots in bestimmten Bundesländern die dort terrestrisch akquirierten Spielaufträge an Lottogesellschaften in anderen Bundesländern vermittelt hätte, in denen kein Provisionsverbot galt. Eine derartige Umgehung der landesrechtlichen Provisionsverbote wäre rechtswidrig gewesen. Die Provisionsverbote knüpfen an den Tatbestand einer gewerblichen Spielvermittlung, also der Akquisition eines Spielauftrags, in dem jeweiligen Bundesland an. Sie bezwecken im Interesse der Suchtprävention eine Beschränkung der gewerblichen Vermittlungstätigkeit. Die Provisionsverbote waren deshalb unabhängig davon anwendbar, ob die Spielvermittlung an eine Lottogesellschaft innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Bundeslands erfolgte und ob der auswärtigen Lottogesellschaft eine Tätigkeit in dem Bundesland, in dem das Provisionsverbot galt, erlaubt war. Um eine extraterritoriale Anwendung von Landesrecht handelt es sich dabei nicht, weil Anknüpfungspunkt des Landesgesetzes die gewerbliche Spielvermittlung in dem jeweiligen Bundesland ist.

63

V. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

64

Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil der wahrscheinliche Kausalverlauf insgesamt neu bewertet werden muss und weitere Feststellungen des Berufungsgerichts, die Auswirkungen auf die Frage haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht ausgeschlossen sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

65

VI. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren gibt der Senat folgende Hinweise:

66

1. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die bei der Darstellung der hypothetischen Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells bestehen, dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673). Für den Fall, dass sich der Umfang der Bereitschaft der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften zur Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht hinreichend wahrscheinlich feststellen lassen sollte, wird das Berufungsgericht die Schätzung eines Mindestschadens in Betracht zu ziehen haben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 - XII ZR 206/95, WM 1998, 1787).

67

Dem steht nicht die von der Revision angeführte Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, nach der in Diskriminierungsfällen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einem Antrag auf Ersatz des Erfüllungsinteresses nur stattzugeben ist, wenn feststeht, dass die für die Schadensberechnung unterstellte Zusammenarbeit bei regelgerechtem Vorgehen des anderen Teils zustande gekommen wäre (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 61, 64). Die Klägerin macht keinen derartigen Diskriminierungsschaden geltend. Vielmehr geht es um die Verweigerung eines Vertragsschlusses aufgrund kartellrechtswidrig abgestimmten Verhaltens. Dabei ist der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 BGB bereits aufgrund der konkret nachteiligen Betroffenheit der Klägerin eröffnet. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht fehlerfrei § 252 BGB zur Bestimmung des der Klägerin entgangenen Gewinns herangezogen. Entscheidend ist danach, ob aufgrund der Marktgegebenheiten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte.

68

2. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls zu klären haben, ob der Klägerin von Lotto B.     jedenfalls zeitweise Provisionen für terrestrisch vermittelte Spielumsätze, die von der Beklagten aufgrund verschiedener gerichtlicher Anordnungen über die Schnittstelle bei Lotto B.     eingespielt wurden, gezahlt worden und ob solche Zahlungen als Umsatzerlöse der Klägerin berücksichtigt worden sind. Der Notwendigkeit einer Berücksichtigung stünde nicht entgegen, dass die Verfügbarkeit der Schnittstelle bei Lotto B.     für die Klägerin nicht dauerhaft gesichert war. Im Umfang der trotz des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften tatsächlich erzielten Einnahmen kann der Klägerin kein Schaden entstanden sein.

69

3. Hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die reibungslose Umsetzung des Geschäftskonzepts der Klägerin besteht in dem wiedereröffneten Verfahren für die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag. An das Bestreiten dieser Voraussetzungen durch die Beklagte sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte insoweit über nähere Kenntnisse verfügen sollte. Das Berufungsgericht durfte deshalb die Behauptungen der Beklagten nicht als unsubstantiiert unberücksichtigt lassen, der "Rollout" der Terminals habe sich im Jahr 2006 verzögert, weil "bis Mitte 2006 noch an technischen Feinheiten gearbeitet" worden sei und "die technischen Spezifikationen bei dem angekündigten großflächigen Rollout sicher (hätten) funktionieren" müssen. Gegebenenfalls ist auch insoweit eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung und ein entsprechender Abschlag von der Schadensersatzforderung geboten.

Limperg                           Meier-Beck                           Kirchhoff

                   Bacher                                Deichfuß

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.