Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2018 - L 3 U 477/15

bei uns veröffentlicht am11.09.2018

Tenor

I. Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Augsburg vom 11. November 2015 werden zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens streitig, ob die Klägerin und Berufungsklägerin gegen die Beklagte und Berufungsbeklagte Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen hat. Der mittlerweile verstorbene Ehemann der Klägerin (nachfolgend: Versicherter) war an einer sog. Multisystematrophie erkrankt. Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei dieser Erkrankung um eine Berufskrankheit gehandelt habe, insbesondere eine sog. Listen-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) i.V.m. Nr. 1302 oder Nr. 1307 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) oder alternativ eine sog. Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

Der 1948 geborene Versicherte war von Juli 1973 bis Februar 1998 bei der Firma E., in E-Stadt als Molkereimeister in der Produktentwicklung beschäftigt. Ab April 1997 war er arbeitsunfähig erkrankt. Er litt an einer sog. Multisystematrophie. Nachdem der Versicherte Anfang Dezember 2005 zu Hause gestürzt war, verstarb er am 15. Januar 2006 im G.-Krankenhaus in L-Stadt.

Am 16. Januar 2006 teilte Dr. D. (Krankenhaus in L-Stadt) gegenüber der Beklagten telefonisch mit, dass der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit zur Insekten- und Rattenbekämpfung eingesetzt gewesen sei und das Einatmen der entsprechenden Giftstoffe nach Ansicht der Klägerin zu dessen Tode geführt habe. Im März 2006 zeigte außerdem der behandelnde Praktische Arzt Dr. K. bei der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit an.

Die Beklagte leitete daraufhin Ermittlungen ein. Dabei gelangte im März 2006 ein Schreiben vom 7. Januar 2004 zu ihren Unterlagen, in dem der Versicherte seine berufliche Tätigkeit gegenüber Dr. K. geschildert hatte. Der Versicherte hatte damals darauf hingewiesen, ab 1982 für die Ungezieferbekämpfung zuständig gewesen zu sein. Er sei etwa alle acht Wochen mit dem Kammerjäger Sch. (zunächst senior, dann junior) durch die entsprechenden Räume gegangen. Die Tätigkeit habe drei bis vier Stunden gedauert. Dabei seien gegen Mäuse und Ratten Köder ausgelegt worden; er habe in der Regel den Eimer mit der Mischung getragen. Gegen Kakerlaken sei ein Mittel gespritzt worden, welches man deutlich hätte riechen können. Auf Nachfrage der Beklagten beim Arbeitgeber bestätigte der Abteilungsleiter des Versicherten (K. H.) dessen Angaben und übersandte die Datenblätter der verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel.

Im Auftrag der Klägerin erstellte Dr. M. (Dermatologie, Venerologie, Umweltmedizin, President of the European Academy for Environmental Medicine, Vorstand des Deutschen Berufsverband der Umweltmediziner) am 25. Februar 2006 eine gutachterliche Bewertung der Erkrankungs- und Todesursache. Darin ging Dr. M. davon aus, dass der Todesfall durch eine chronische berufliche Belastung mit Schädlingsbekämpfungsmitteln bedingt sei. Der Versicherte sei über Jahre und ohne besonderen Schutz einer Kombination unterschiedlicher Schädlingsbekämpfungsmittel ausgesetzt gewesen, deren Toxizität für den Menschen nicht adäquat untersucht sei. Experimentelle Untersuchungen hätten jedoch ergeben, dass die Kombination solcher Substanzen deren Toxizität verstärke. Beim Versicherten habe außerdem eine genetische Variante vorgelegen, die sein Erkrankungsrisiko wesentlich erhöht habe. Alle von ihm untersuchten Patienten mit einer Multisystematrophie seien gegenüber vergleichbaren Stoffen exponiert gewesen.

Eine pathologische Untersuchung (Dr. N., W-Stadt) einschließlich einer neuropathologischen Begutachtung des Gehirns im Universitätsklinikum T. (Institut für Hirnforschung) ergab, dass aufgrund der Befundlage ein toxikologischer Zusammenhang eher unwahrscheinlich erscheine.

Um zu ermitteln, welchen ggf. belastenden Stoffen der Versicherte bei seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt gewesen ist, beauftragte die Beklagte ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD). Dessen Stellungnahme vom 23. Oktober 2006 basiert u.a. auf Rücksprachen mit dem Bereichsleiter H. sowie dem Schädlingsbekämpfer Sch. junior (Sch. senior war damals bereits verstorben) und geht davon aus, dass der Versicherte in einem etwa achtwöchigen Rhythmus für die Dauer von jeweils drei bis vier Stunden Mithilfe bei der Schädlingsbekämpfung geleistet habe. Aus den Jahren 1990, 1991, 1993 und 1996 waren noch Aufzeichnungen über die eingesetzten Mittel einschließlich der Sicherheitsdatenblätter vorhanden. Zusammenfassend ergebe sich, dass Insektizide mit den Wirkstoffen Chlorpyryfos, Deltamethrin, Cyfluthrin sowie Starycide gezielt aus kurzer Entfernung im Spritzverfahren ausgebracht worden seien. Dadurch sei das Entstehen und Abdriften feiner Nebeltröpfchen in den Raum vermieden worden. Alle Arbeiten seien mit wasserlöslichen, nicht kennzeichnungspflichtigen Wirkstoffen ausgeführt worden. In den Produktionsräumen seien zu keiner Zeit Raumvernebelungen oder Begasungen durchgeführt worden. Lediglich Schaltschränke und Rückstellmusterlager seien mit Naturpyrethrum vernebelt worden. Der Versicherte sei anwesend gewesen, um den ungehinderten Zugang zu den Betriebsräumen zu gewährleisten. Nach dem Aufschließen habe er dort meist betriebsinterne Arbeiten außerhalb des Arbeitsbereiches des Schädlingsbekämpfers verrichtet. Anzumerken sei, dass der Versicherte auch im Privatbereich Pflanzenschutzsowie Bekämpfungsmittel gegen Insekten eingesetzt habe.

Anschließend holte die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Neurologie sowie Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. G. vom 30. Januar 2007 ein. Prof. Dr. G. führte darin aus, dass die Diagnose einer Multisystematrophie vom nigro-striatalen Typ gesichert sei. Unbeschadet der Frage der beruflichen Belastung des Versicherten könne diese Erkrankung jedoch nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Folge einer beruflichen Belastung mit organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische eingeordnet werden.

Nachdem sich der Gewerbearzt Dr. K. dieser Bewertung angeschlossen hatte, lehnte die Beklagte mit „Bescheid … über die Ablehnung einer Berufskrankheit … sowie Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen …“ vom 15. Mai 2007 einen Anspruch auf Leistungen ab. Zwar sei die in der ärztlichen Verdachtsanzeige des Dr. K. festgestellte Erkrankung in der Liste der Berufskrankheiten bezeichnet (siehe Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV). Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand könne die Multisystematrophie jedoch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit als Folge einer beruflichen Belastung mit organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische angesehen werden. Eine BK liege daher nicht vor, weshalb kein Anspruch auf Leistungen im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge sowie auf eventuelle Hinterbliebenenleistungen bestehe.

Hiergegen erhob die Klägerin persönlich Widerspruch. Soweit sie wisse, habe ihr Ehemann den Schädlingsbekämpfer immer begleitet und ihm beim Tragen der Arbeitsutensilien geholfen. Dies müsse dokumentiert sein. Die von Dr. M. veranlasste Blutuntersuchung belege, dass im Blut ihres Ehemannes noch nach vielen Jahren hochkonzentrierte Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu finden gewesen seien. Zwar gehe von diesen Mitteln im Allgemeinen keine Gesundheitsgefährdung aus. Ihrem Ehemann hätten jedoch aufgrund eines Gendefektes die erforderlichen Enzyme gefehlt, die Schadstoffe abzubauen. Von einer Einzelmeinung des Dr. M. könne keine Rede sein, zumal es gelte, diese spezielle Einzelsituation zu überprüfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Beim Versicherten lasse sich weder ein ausreichender beruflicher Kontakt zu entsprechenden Schadstoffen nachweisen noch lägen wissenschaftliche Erkenntnisse über einen entsprechenden Ursachenzusammenhang vor. Der angefochtene Bescheid sei jedoch insoweit zu korrigieren, als eine Sonderrechtsnachfolge nicht vorliege. Denn das Feststellungsverfahren sei erst nach dem Tod des Versicherten anhängig gemacht worden. Es gehe daher nur um Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage (S 5 U 223/07) zum Sozialgericht Augsburg (SG) und machte, unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages, Ansprüche der Klägerin auf Leistungen als Sonderrechtsnachfolgerin sowie auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Vorliegens einer BK 1302, BK 1303, BK 1307 bzw. BK 1317 geltend. Die Beklagte verneine insbesondere zu Unrecht eine hinreichende Exposition. Eine private Belastung des Versicherten könne ausgeschlossen werden. Das Gutachten des Prof. Dr. G. setze sich nur oberflächlich mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand auseinander. Demgegenüber verfüge Dr. M. über eine besondere fachliche Kompetenz auf dem Gebiet der Umweltmedizin einschließlich der Immunologie sowie aufgrund eigener langjähriger praktischer Tätigkeit und Forschungstätigkeit. Tatsächlich würden durch Pyrethroide, Organophosphate und Lösemittel labormedizinisch nachweisbare Entzündungsreaktionen im Gehirn auftreten. Diese Entzündungsreaktion habe Dr. M. bei dem Versicherten nachgewiesen. Bezüglich des Ursachenzusammenhanges greife die gesetzliche Vermutung des § 9 Abs. 3 SGB VII.

Auf eine mit einem Hinweis auf § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versehene Anregung des SG lehnte es die Beklagte mit vier gesonderten Bescheiden vom 14. Mai 2008 ab, die Multisystematrophie des Versicherten als BK 1302, BK 1303, BK 1307 bzw. wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Dabei stellte sie jeweils außerdem fest, dass Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin nicht zu gewähren seien.

Gegen diese vier Bescheide erhob der Bevollmächtigte der Klägerin jeweils Widerspruch und legte insbesondere ein persönliches Schreiben der Klägerin vor, in dem diese einzelnen Angaben des Schädlingsbekämpfers Sch. widersprach. Diese Verfahren wurden zunächst nicht weiter betrieben; die Beklagte ging davon aus, dass ihre Bescheide nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 5 U 223/07 geworden seien.

Im Klageverfahren S 5 U 223/07 erhob das SG Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. G. (Facharzt für Arbeitsmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der LMU G-Stadt) vom 25. März 2010, welches der Sachverständige gemeinsam mit der Fachärztin für Neurologie Dr. L. erstellte. Der Sachverständige führte zusammenfassend aus, dass die Diagnose einer Multisystematrophie vom striato-nigralen Typ (Parkinson-Typ) gesichert sei und der Versicherte an den Folgen dieser Erkrankung verstorben sei. Bei der Multisystematrophie handele es sich um eine degenerative Erkrankung des zentralen und autonomen Nervensystems. Die Ursache der Erkrankung sei noch ungeklärt. Auch unter Berücksichtigung neuerer Fall-Kontroll-Studien werde gegenwärtig kein Ansatzpunkt gesehen, diese neurodegenerative Erkrankung in einen kausalen Zusammenhang mit der beruflichen Exposition gegenüber unterschiedlichen Stoffklassen von Insektiziden zu bringen. Dies gelte auch, falls es sich entgegen den Ergebnissen der technischen Ermittlungen nicht nur um eine geringfügige Belastung gehandelt haben sollte oder die individuelle Suszeptibilität des Versicherten insbesondere bezüglich Organophosphaten erhöht gewesen sein sollte.

Auf Antrag des Bevollmächtigten der Klägerin nach § 109 SGG holte das SG das weitere Gutachten der PD Dr. med. habil. R. (Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler am Universitätsklinikum S. in K-Stadt) vom 5. September 2011 ein. Die Sachverständige legte dar, dass der Versicherte an einer Multisystematrophie vom striato-nigralen Typ gelitten habe. Insgesamt bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass infolge jahrelanger Mischexposition gegenüber neurotoxischen Pestiziden bei besonderer Empfindlichkeit das Risiko, an einer Multisystematrophie zu erkranken, beim Versicherten erhöht gewesen sei. Insbesondere Expositionen im Sinne der BK 1302 und BK 1307 seien in Betracht zu ziehen. Eine Assoziation zwischen einer früheren Pestizidexposition und einer Parkinson-Erkrankung könne mittlerweile (trotz teilweise kontroverser Diskussion in der Literatur) als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Bei der Multisystematrophie seien ähnliche pathogenetische Mechanismen zu vermuten, da es sich bei beiden Erkrankungen um Synucleinopathien handele.

Bei der Übersendung des Gutachtens wies der zuständige Richter am SG darauf hin, dass das Gutachten den Klageanspruch nicht trage, weil Gegenstand des streitbefangenen Bescheides vom 15. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 lediglich die BK 1317 gewesen sei. Daraufhin nahm der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 30. September 2011 die Klage zurück.

Aufgrund des Gutachtens der PD Dr. R. nahm jedoch die Beklagte bezogen auf das etwaige Vorliegen einer BK 1302 oder BK 1307 eine Überprüfung ihrer Entscheidung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) vor. Diese Überprüfung erfolgte mittels Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Umweltmedizin Dr. Sch. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 18. Februar 2013 zu der Einschätzung, dass der Versicherte an einer Multisystematrophie gelitten habe, an der er auch verstorben sei. Eine mögliche ursächliche Verknüpfung mit der langjährigen Mischexposition gegenüber Organophosphaten/Carbamaten und Pyrethroiden sei anzunehmen. Die Schwierigkeit - hier sei er mit Dr. M. und Dr. R. einer Meinung - bestehe darin, bei vorhandener möglicher schädigender beruflicher Belastung eine ursächliche Verknüpfung zur Auslösung der neurodegenerativen Erkrankung herzustellen, da es bei den geringen Fallzahlen schwierig sei, statistisch signifikante Bezüge zu Pestizidbelastungen zu demonstrieren. Die von Dr. R. vertretene Hypothese, die Multisystematrophie unter Synucleinopathien zu subsumieren, mache nach seiner Einschätzung Sinn. Unter Einbeziehung der Parkinson-Erkrankung würden epidemiologische Studien darauf hinweisen, dass die neurotoxischen Pestizide ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für neurodegenerative Erkrankungen bewirken.

Dieser Bewertung schloss sich der Gewerbearzt und Arbeitsmediziner Dr. K. nicht an. In seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2013 stellte er fest, dass der Zusammenhang zwischen Erkrankung und beruflicher Belastung nicht mit der vom Gesetzgeber geforderten Wahrscheinlichkeit erkennbar sei.

Auf dieser Grundlage lehnte es die Beklagte mit zwei gesonderten Bescheiden vom 16. Januar 2014 ab, ihren jeweiligen Bescheid vom 14. Mai 2008 nach § 44 SGB X aufzuheben. Einerseits sei eine relevante Exposition des Versicherten gegenüber entsprechenden Schadstoffen nach den Ausführungen des TAD nicht gesichert und andererseits könne auch Dr. Sch. nicht auf neue wissenschaftliche Studien oder Erkenntnisse verweisen, die einen Ursachenzusammenhang zwischen Pestizidbelastung und Multisystematrophie begründen könnten. Eine BK 1302 bzw. eine BK 1307 läge daher im Ergebnis nicht vor; Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen würden nicht bestehen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin erneut Widerspruch und nahm insbesondere Bezug auf Entscheidungen anderer Unfallversicherungsträger, mit denen Parkinson-Erkrankungen insbesondere in der Landwirtschaft als Berufskrankheit anerkannt worden seien (z.B. Vergleich im Verfahren L 2 U 260/00 vor dem LSG Rheinland-Pfalz). Hilfsweise sei die Erkrankung des Versicherten wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 24. April 2014 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin die beiden Klagen S 18 U 147/14 (BK 1302) und S 18 U 148/14 (BK 1307). Zur Begründung wurde insbesondere Bezug genommen auf das Gutachten der PD Dr. R. und nochmals zur Exposition des Versicherten vorgetragen. Zum Krankheitsbild des Versicherten wurden Atteste der behandelnden Ärzte Dr. J. und Dr. K. vorgelegt sowie bezüglich der BK 1307 ausdrücklich auf das Merkblatt verwiesen.

Das SG veranlasste keine Ermittlungen von Amts wegen. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG holte es jedoch das Gutachten des Dr. H. vom 27. Oktober 2014 mit ergänzender Stellungnahme vom 24. November 2014 ein. Darin legte Dr. H. dar, dass die Diagnose einer Multisystematrophie (hier MSA-P-Typ bzw. Multisystematrophie vom striatonigralen Typ) gesichert sei. Die Erkrankung sei jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit Halogenkohlenwasserstoffen bzw. mit organischen Phosphorverbindungen verursacht worden. Eine BK 1302 oder BK 1307 könne daher nicht festgestellt werden. Zunächst sei den Ergebnissen des TAD keine intensive Exposition des Versicherten gegenüber Schädlingsbekämpfungsmitteln zu entnehmen. Unabhängig davon sei die Ätiologie der Multisystematrophie nach wie vor ungeklärt. Vorrangig würden genetische Faktoren diskutiert; daneben lägen Veröffentlichungen zu verschiedenen toxischen Umwelteinflüssen vor, die kontrovers diskutiert würden. Ein allgemeiner Konsens bestehe nicht. Hypothesen seien jedoch nicht ausreichend, um eine Kausalität wenigstens wahrscheinlich zu machen. Soweit Dr. M. beim Versicherten eine reduzierte Enzymaktivität angenommen und eine erhöhte Toxizität bzw. verminderte Detoxifikation postuliert habe, sei heute wenig darüber bekannt, welche Bedeutung entsprechende Polymorphismen bei niedrigen, nicht akut toxischen Konzentrationen oder bei Mischexpositionen tatsächlich haben.

Als Erwiderung auf das Gutachten des Dr. H. legte der Bevollmächtigte der Klägerin ärztliche Stellungnahmen des Dr. M. vom 8. Februar 2015 und des Dr. K. vor. Außerdem wies er auf ein Systemversagen hin. Es sei dafür zu sorgen, dass entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt würden, weil ansonsten die Anerkennung beruflich bedingter Erkrankungen verhindert werde. Schließlich nahm er Bezug auf den von ihm verfassten Aufsatz „Das heutige Berufskrankheitenrecht - ein sozialer Missstand für die Gesamtbevölkerung“ (veröffentlicht in der Zeitschrift Umwelt-Medizin-Gesellschaft, Heft 3/2015, S. 221 ff.).

Mit zwei Urteilen ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG vom 11. November 2015 wies das SG jeweils die Klage gegen den Bescheid vom 14. Mai 2008 in Gestalt des Bescheides vom 16. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2014 ab. Jedenfalls könne derzeit ausgehend von der wissenschaftlichen medizinischen Lehrmeinung eine Kausalität des Krankheitsbildes der Multisystematrophie mit bestimmten toxischen Einwirkungen nicht als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden. Dabei stützte sich das SG im Wesentlichen auf die Gutachten des Prof. Dr. G. und des Dr. H..

Gegen die ihm jeweils am 30. November 2014 zugestellten Urteile hat der Bevollmächtigte der Klägerin jeweils am 17. Dezember 2015 eine gesonderte Berufung eingelegt und sich zur Begründung erneut umfassend mit der Frage der Exposition des Versicherten gegenüber Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie den Ausführungen des SG dazu auseinandergesetzt. Die Ausführungen im Gutachten der PD Dr. R. seien vom SG sinnentstellend wiedergegeben worden und nicht bzw. unzutreffend berücksichtigt worden. Darüber hinaus verneine das SG zu Unrecht das Vorliegen eines medizinischen Krankheitsbildes im Sinne der BK 1302 bzw. BK 1307. Toxische Umwelteinflüsse würden als Ursache der Multisystematrophie diskutiert und diverse wissenschaftliche Veröffentlichungen würden einen entsprechenden Schädigungszusammenhang belegen. Eine abschließende wissenschaftliche Klärung sei rechtlich nicht erforderlich. Insgesamt habe das SG Vortrag der Klägerseite nicht berücksichtigt, die Beweise einseitig bzw. fehlerhaft gewürdigt und nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand berücksichtigt.

Mit Beschluss vom 3. August 2016 hat der Senat die beiden Berufungen L 3 U 477/15 und L 3 U 478/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 3 U 477/15 fortgeführt.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin auf die Ähnlichkeit der Krankheitsbilder der Multisystematrophie sowie des Parkinson verwiesen und ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 24. Oktober 2016, gerichtet an das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, vorgelegt. In diesem Schreiben hatte das BMAS darauf hingewiesen, dass der Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ im September 2014 beschlossen habe, die wissenschaftliche Erkenntnislage zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Parkinson und der Exposition gegenüber Pestiziden erneut zu prüfen. Diese Prüfung gestalte sich jedoch außerordentlich aufwändig, so dass von einem mehrjährigen Prüfzeitraum auszugehen sei.

Mit Schreiben vom 3. April 2017 hat die Berichterstatterin u.a. darauf hingewiesen, dass zulässiger Streitgegenstand vorliegend wohl ausschließlich die Frage eines Anspruches der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen sein könne. Grund hierfür sei insbesondere, dass zu Lebzeiten des Versicherten noch kein Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit anhängig gewesen sei (vgl. § 59 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I). Ermittlungen zur beruflichen Exposition des Versicherten seien nicht beabsichtigt, da es hierauf nicht entscheidungserheblich ankomme.

Auf den Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin, dass ein Verwaltungsverfahren bereits 2004 über den Betriebsarzt bzw. den Arbeitgeber eingeleitet worden sein müsste, hat das Gericht weitere Ermittlungen durchgeführt. Die Beklagte hat ausdrücklich bestätigt, dass lediglich die bereits übersandten Unterlagen existieren würden und vor dem 16. Januar 2006 kein Verfahren bezüglich einer Berufskrankheit durchgeführt worden sei. Der ehemalige Arbeitgeber hat mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen über die Anzeige einer Berufskrankheit vorliegen würden. Der Betriebsarzt hat angegeben, eine Berufskrankheit nicht angezeigt zu haben.

Im Anschluss daran hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Prof. Dr. G. vom 1. Februar 2018. Der Sachverständige hat darin erneut bestätigt, dass die Diagnose einer Multisystematrophie beim Versicherten gesichert sei. Zudem sei es hinreichend wahrscheinlich, dass dessen Tod zumindest mittelbar auf dieses Leiden zurückzuführen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem beruflich bedingten Kontakt mit Schädlingsbekämpfungsmitteln sei jedoch weiterhin nicht hinreichend wahrscheinlich, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne einer Verschlimmerung. Zwar würden sich Veröffentlichungen mehren, nach denen Pestizidbelastungen bzw. Tätigkeiten in der Landwirtschaft generell mit einem erhöhten Parkinson-Risiko verbunden seien. Bei der Multisystematrophie handele es sich jedoch um eine neurodegenerative Erkrankung des Zentralnervensystems, die sich klinisch und epidemiologisch von anderen Erkrankungen dieser Gruppe (z.B. Morbus Parkinson) unterscheiden lasse und deren Ätiologie bisher unbekannt sei. Die aktualisierten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu möglichen beruflichen Ursachen der Multisystematrophie würden lediglich einzelne Hinweise ergeben, aber keine konsistenten Belege, nach denen dieses Leiden z.B. hinreichend gesichert überhäufig bei in der Landwirtschaft beschäftigten Personen auftrete. Es könne somit weder eine Listen-Berufskrankheit noch eine sog. Wie-Berufskrankheit angenommen werden. Dieses gelte auch für die Annahme einer besonderen, in der Person des Versicherten liegenden Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln. Für die diesbezüglichen Aussagen des Dr. M. würden sich aus der Literatur keine ausreichenden Hinweise ergeben.

Auf den Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin, Prof. Dr. G. habe die individuelle Suszeptibilität und Vulnerabilität des Versicherten nicht berücksichtigt, hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 30. April 2018 eingeholt. Dabei hat sich keine Änderung ergeben. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Pressemitteilung vom 17. Juli 2017 über die Anerkennung einer Berufskrankheit durch eine Berufsgenossenschaft betreffe eine mit dem Fall des Versicherten medizinisch nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellation. Der außerdem angestellte Vergleich mit einem Allergiker sei ebenfalls nicht zielführend. Entscheidend sei letztlich, dass sich aus der wissenschaftlichen Literatur nicht hinreichend belegen lasse, dass eine entsprechende Suszeptibilität bzw. Vulnerabilität nachweislich überhäufig im Zusammenhang mit einer beruflichen Pestizidbelastung zu dem Erkrankungsbild einer Multisystematrophie führe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Augsburg vom 11. November 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. Januar 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Zurücknahme ihrer Bescheide vom 14. Mai 2008 und ihres Bescheides vom 15. Mai 2007 aufgrund des Todes des Versicherten am 15. Januar 2006 Hinterbliebenenleistungen in Form von Sterbegeld und Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge, die Akte des Klageverfahren S 5 U 223/07 sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere wurden sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und bedürfen gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

B.

Die Berufungen der Klägerin sind jedoch unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

I. In der mündlichen Verhandlung am 11. September 2018 hat der Bevollmächtigte der Klägerin zutreffend einen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag dahingehend gestellt, der Klägerin nach dem Tod des Versicherten Leistungen an Hinterbliebene nach §§ 63 ff. SGB VII zu gewähren. Bei verständiger Auslegung des bisherigen Vortrages insbesondere auch im Klageverfahren entspricht die Antragstellung dem Begehren der Klägerin. Dass sich der bisherige Vortrag auf die Frage konzentriert hat, ob beim Versicherten eine Berufskrankheit vorgelegen hat oder nicht, ist dem Umstand geschuldet, dass etwaige Ansprüche der Klägerin maßgeblich an diesem Tatbestandsmerkmal gescheitert sind. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger bzw. der Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Unfallversicherungsträgers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles (hier einer Berufskrankheit) beim Versicherten gibt es nicht. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 und juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 26/10 R -, juris Rn. 19).

Schließlich kann der Senat nicht feststellen, dass bereits zu Lebzeiten des Versicherten ein Verwaltungsverfahren auf Feststellung einer Berufskrankheit und ggf. auf Gewährung von Leistungen zugunsten des Versicherten anhängig gewesen wäre, welches die Klägerin ggf. als (Sonder-)Rechtsnachfolgerin des Versicherten hätte fortführen können und aus dem sie noch Ansprüche geltend machen könnte (vgl. § 59 SGB I; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 21/08 R -, SozR 4-2700 § 63 Nr. 6 und juris Rn. 12). Die Klägerin hat insbesondere keine Nachweise dafür vorlegen können, dass der Verdacht auf eine Berufskrankheit bereits vor dem Tod des Versicherten angezeigt worden wäre. Der Beklagten liegen hierzu keine Unterlagen vor und sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsarzt haben auf ausdrückliche Nachfrage entsprechende Anzeigen nicht bestätigen können. Auch der behandelnde Arzt Dr. K. hat einen Verdacht auf eine Berufskrankheit erst im März 2006 angezeigt. Eine erste telefonische Meldung erfolgte durch Dr. D. am Tag nach dem Tod des Versicherten.

II. Die so verstandenen Klagen sind als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zulässig. Insbesondere liegt eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten ausdrücklich auch über die Ablehnung von Ansprüchen auf Leistungen an Hinterbliebene vor.

III. Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen an Hinterbliebene mit verschiedenen Bescheiden vom 15. Mai 2007 und vom 14. Mai 2008 zu Recht abgelehnt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit vorgelegen hat. Nicht zu beanstanden ist daher auch, wenn es die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2014 abgelehnt hat, ihre Bescheide vom 14. Mai 2008 nach § 44 SGB X zurückzunehmen.

Streitgegenständlich ist vorliegend ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Denn ungeachtet der verschiedenen Entscheidungen der Beklagten, die sich jeweils gesondert mit einer bestimmten Berufskrankheit befasst haben, ist von der Rechtsprechung des BSG auszugehen. Danach unterscheidet sich die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Unfallversicherungsträger geltend machen, von derjenigen des Versicherten, der die Feststellung eines Versicherungsfalles geltend macht. Nach § 63 Abs. 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts, dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist hingegen kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, z.B. eine bestimmte Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 und juris Rn. 25 f.; BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 26/10 R -, juris Rn. 18). Vorliegend hatte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin erstmals mit Bescheid vom 15. Mai 2007 abgelehnt. Dieser Bescheid ist durch Rücknahme der Klage S 5 U 223/07 bestandskräftig geworden. Darauf, ob die Beklagte bzw. das SG tatsächlich alle in Betracht kommenden Versicherungsfälle zutreffend geprüft haben oder nicht, kommt es nicht an.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die Beklagte hat in ihren Bescheiden vom 15. Mai 2007 und vom 14. Mai 2008 einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen an Hinterbliebene zu Recht abgelehnt. Soweit § 48 SGB X theoretisch eine weitere Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Verwaltungsakten darstellt, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift dem Begehren der Klägerin ebenfalls im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen könnte. Denn wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen des Senats ergibt, ist seit Erlass des Bescheides vom 15. Mai 2007 weder eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Der maßgebliche medizinische Erkenntnisstand hat seit 2007 keine entscheidungserhebliche Änderung erfahren.

Nach § 63 Abs. 1 SGB VII setzt der Anspruch auf Leistungen an Hinterbliebene grundsätzlich voraus, dass der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Das Vorliegen eines Versicherungsfalles stellt danach eine zentrale Anspruchsvoraussetzung dar, die inzident zu prüfen ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Beim Versicherten hat ein maßgeblicher Arbeitsunfall nicht stattgefunden (hierzu ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich), so dass ausschließlich das Vorliegen einer Berufskrankheit zu prüfen ist. Zur Überzeugung des Senats hat jedoch beim Versicherten keine Berufskrankheit vorgelegen. Ein Anspruch auf eine Hinterbliebenenleistung (hier Sterbegeld und Witwenrente) scheitert daher bereits an dieser Anspruchsvoraussetzung.

Auf den vorliegenden Sachverhalt finden die Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen SGB VII Anwendung. Der Tod des Versicherten ist am 15. Januar 2006 eingetreten. Dass die geltend gemachte Berufskrankheit ggf. bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten sein könnte, weil die Multisystematrophie beim Versicherten bereits im Jahr 1996 diagnostiziert worden ist, führt im vorliegenden Verfahren nicht dazu, dass die Vorschriften der Rechtsversicherungsordnung (RVO) Anwendung finden. Zudem hat das BSG festgestellt, dass für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Versicherte verstorben ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 und juris Rn. 27 ff.). Letztlich ist diese Frage aber ohnehin nicht entscheidungserheblich, da die maßgeblichen Regelungen mit Inkrafttreten des SGB VII keine entscheidungserheblichen Änderungen erfahren haben.

Für den Senat ist zwar im Vollbeweis erwiesen, dass der Versicherte an einer Multisystematrophie gelitten hat. Der Senat kann sich jedoch nicht davon überzeugen, dass es sich bei der Multisystematrophie um eine Berufskrankheit handelt. Weder kann eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage 1 zur BKV (sog. Listen-Berufskrankheit) noch nach § 9 Abs. 2 SGB VII (sog. Wie-Berufskrankheit) festgestellt werden.

1. Eine sog. Listen-Berufskrankheit lag nicht vor.

a) Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-Berufskrankheit) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R -, BSGE 114, 90 und juris Rn. 12 m.w.N.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, BSGE 118, 267 und juris Rn. 10 und 23 m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, sind bezüglich der Listen-Berufskrankheiten hier solche aus der Gruppe 13 der Anlage 1 zur BKV zu prüfen. Hierunter fallen Erkrankungen durch Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) und sonstige chemische Stoffe. Andere Berufskrankheiten aus der Anlage 1 zur BKV kommen nicht in Betracht und wurden von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Allen diesen Erkrankungen der Gruppe 13 ist jedoch gemeinsam, dass sie auf den Kontakt mit ganz bestimmten, in der jeweiligen Nummer genannten chemischen Stoffen zurückgeführt werden können. Für die Multisystematrophie lässt sich jedoch ein entsprechender Ursachenzusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herstellen. Dies gilt sowohl für die namentlich geprüften Berufskrankheiten Nrn. 1302, 1303, 1307 und 1317 als auch für die übrigen, in der Anlage 1 zur BKV genannten Berufskrankheiten.

Zwar war der Versicherte gegenüber Schädlingsbekämpfungsmitteln exponiert. Auch kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es sich zumindest um Stoffe im Sinne der BK 1302 (Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. der BK 1307 (organische Phosphorverbindungen) gehandelt hat.

Im Ergebnis kommt es jedoch hier auf Details zu Art und Umfang der Exposition des Versicherten zu Schädlingsbekämpfungsmitteln bzw. zu ganz bestimmten Substanzen nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ursache der Multisystematrophie noch vollständig ungeklärt ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und etwaigen, ganz bestimmten schädigenden Einwirkungen kann ausgehend von dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand derzeit nicht hergestellt werden. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, um welche konkreten Einwirkungen es sich handelt. Denn zusammenfassend erlauben es die derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht, eindeutige Kausalbeziehungen zu bestimmten Pestizidklassen, Kombinationen von Pestiziden und anderen toxischen Einflüssen herzustellen. Zudem können etwaige Faktoren des Lebensstils und der genetischen Disposition nicht abgegrenzt werden.

Der Senat schließt sich insoweit insbesondere der Einschätzung des Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 1. Februar 2018 mit ergänzender Stellungnahme vom 30. April 2018 an und berücksichtigt dabei auch die Ausführungen des Sachverständigen in dessen Gutachten vom 25. März 2010. Der Senat hat keine Bedenken, sich der Bewertung des fachkompetenten Sachverständigen, der Mitglied im Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ des BMAS ist und der die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse umfangreich dargestellt hat, anzuschließen. In seinem ersten Gutachten vom 25. März 2010, auf dem die weiteren Ausführungen basieren, hatte Prof. Dr. G. bereits die vorliegenden Unterlagen und Informationen über die verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel ausgewertet und sich mit den in Betracht zu ziehenden Substanzen und ihren möglichen schädigenden Auswirkungen eingehend befasst. Seine Bewertung deckt sich mit den Einschätzungen des Prof. Dr. G. im Gutachten vom 30. Januar 2007 und des Dr. H. im Gutachten vom 27. Oktober 2014 (eingeholt auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG) ebenso wie mit der Bewertung durch den Gewerbearzt Dr. K.

Nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Prof Dr. G. handelt es sich bei der Multisystematrophie um eine neurodegenerative Erkrankung des Zentralnervensystems, die sich - trotz gewisser Gemeinsamkeiten - klinisch und epidemiologisch von anderen Erkrankungen dieser Gruppe (z.B. Morbus Parkinson) unterscheiden lässt.

Pestizide bzw. Schädlingsbekämpfungsmittel sind dabei durchaus in der Lage, gesundheitliche Störungen im Bereich des Nervensystems zu verursachen. Ein ursächlicher Zusammenhang in Bezug auf die Multisystematrophie lässt sich nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand jedoch nicht herstellen.

Die größte Gruppe der beruflich Pestizid-Exponierten stellen weltweit Personen dar, die in der Landwirtschaft tätig sind. Zu diesen gibt es mittlerweile recht umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Dabei mehren sich Veröffentlichungen, nach denen Pestizidbelastungen (von Landwirten) generell mit einem erhöhten Parkinson-Risiko verbunden sind (insbesondere Herbizid- und Insektizid-, nicht jedoch Fungizidexposition). Kennzeichnend für diese Studien ist jedoch der fehlende Nachweis einer stoffbezogenen Exposition. Dies hängt zusammen mit der wechselnden Zusammensetzung der in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide. Nach den Ergebnissen einer systematischen Literaturübersicht mit Metanalyse ist zudem eine inverse Verknüpfung zwischen Rauchen und Parkinson-Erkrankung zu sichern. Insgesamt lässt sich anhand dieser Daten aber aus gutachterlicher Sicht selbst für die Parkinson-Erkrankung noch kein endgültiges Urteil fällen.

Für die Multisystematrophie, an der der Versicherte nachweislich gelitten hat, ergeben sich demgegenüber weniger konsistente wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Erkenntnisse zur Parkinson-Erkrankung können nicht ohne weiteres übertragen werden.

Bei der Multisystematrophie handelt es sich um eine atypische Form des Parkinsonismus mit bisher unbekannter Ätiologie. Grundsätzlich bestehen zwar Assoziationen zu verschiedenen beruflichen Belastungen. Insoweit stellen Pestizide jedoch nur eine mögliche Stoffgruppe dar. Eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 ist davon ausgegangen, dass landwirtschaftliche Tätigkeit zwar einen Risikofaktor für die Multisystematrophie darzustellen scheine, Pestizidbelastungen jedoch gerade nicht mit der Multisystematrophie assoziiert seien. Auch eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 sowie Studien aus den Jahren 2008 und 2010 konnten keinen statistisch signifikanten Einfluss von Pestiziden, Lösungsmitteln oder anderen toxischen Substanzen belegen. Sichern ließen sich dagegen nichtberufliche Einflüsse (z.B. die Einnahme pflanzlicher Medikamente). Eine Studie aus dem Jahr 2015 geht davon aus, dass genetische Faktoren bei der Pathogenese eine Rolle spielen. Demgegenüber ermittelte eine chinesische Studie aus dem Jahr 2016 wiederum ein hohes Risiko für Tätigkeiten in der Landwirtschaft („farming“).

Die aktualisierten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu möglichen beruflichen Ursachen der Multisystematrophie ergeben damit zwar einzelne Hinweise, aber nach wie vor keine über die Mehrzahl der Studien konsistenten Belege, nach denen dieses Leiden hinreichend gesichert überhäufig bei in der Landwirtschaft Beschäftigten oder konkret bei Personen auftritt, die gegenüber bestimmten Pestiziden exponiert sind.

Ergeben sich demnach nicht einmal für in der Landwirtschaft tätige Personen ausreichende Belege für einen Ursachenzusammenhang, so kann für Personen, die wie der Kläger in einem Lebensmittelbetrieb tätig sind und dort sicherlich nicht in einem größeren Umfang als in der Landwirtschaft pestizidexponiert sind (die Sachverständigen gehen weitgehend übereinstimmend von einer deutlich geringeren Exposition aus), nichts anderes gelten.

Bei dem Versicherten hat danach namentlich keine BK 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe), BK 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol), BK 1307 (Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) oder BK 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) vorgelegen, aber auch keine andere Listen-Berufskrankheit. Dies gilt auch unter der Annahme einer besonderen, in der Person des Versicherten liegenden Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln. Bezogen auf die Aussagen des Dr. M., wonach ein genetisch bedingter Enzymmangel und eine dadurch gestörte Entgiftungsfunktion überhäufig zu einer Multisystematrophie führe, ergeben sich aus der Literatur keine ausreichenden Hinweise.

Bezogen auf die BK 1302, die BK 1303 und die BK 1307 fehlt es beim Versicherten an einem Erkrankungsbild, welches häufiger nach einer Exposition gegenüber den entsprechenden Stoffen beschrieben wurde. So stehen z.B. bei der BK 1307 periphere Nervenfunktionsstörungen im Vordergrund. Akute Befindlichkeitsstörungen bzw. Vergiftungserscheinungen während der Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen sind beim Versicherten nie dokumentiert oder behauptet worden. Darüber hinaus fällt die Multisystematrophie nicht unter die nach der BK 1317 zu entschädigenden Erkrankungen (Polyneuropathien oder Enzephalopathien). Das Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbildes hat keiner der Sachverständigen bejaht; auch von PD Dr. R. wurde es ausdrücklich nicht angenommen.

Schließlich hat auch die neuropathologische Begutachtung des Gehirns nach dem Tod des Versicherten im Universitätsklinikum T. ergeben, dass ein toxikologischer Zusammenhang eher unwahrscheinlich ist.

c) Vorliegend verhilft auch die Regelung des § 9 Abs. 3 SGB VII dem Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift, wonach der Betroffene infolge der besonderen Bedingungen seiner versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt war, können vorliegend gerade nicht festgestellt werden.

Nach der Gesetzesbegründung sollen bei Kausalitätsfragen zwischen arbeitsplatzbezogenen Einwirkungen und einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit (sog. Listen-Berufskrankheit) die Grundsätze über den Anscheinsbeweis Beachtung finden. Ein Anscheinsbeweis ermöglicht es, bei typischen Geschehensabläufen von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Mit einem Anscheinsbeweis ist jedoch keine Reduzierung von Beweisanforderungen verbunden. Vielmehr handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die sich auf anerkannte Erfahrungssätze stützt, also um eine besondere Form der Beweiswürdigung. Voraussetzung ist, dass bestimmte Anknüpfungstatsachen feststehen, die nach konkreten und gesicherten Erfahrungssätzen mit Wahrscheinlichkeit auf eine ursächliche Verknüpfung schließen lassen. Aus der Vielzahl von Differenzierungskriterien hinsichtlich Art, Intensität und Dauer der Einwirkungen sowie der Krankheitsbilder und -verläufe ergibt sich aber, dass diese Voraussetzungen bei Berufskrankheiten nur im Falle von eng definierten Kombinationen von Einwirkungen und Krankheitsbildern erfüllt sein können. Sonstige Erfahrungssätze über Ursache-Wirkungs-Beziehungen, welche die entscheidungserheblichen Kriterien nicht vollständig abbilden, rechtfertigen keinen Anscheinsbeweis (vgl. Brandenburg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 9 SGB VII Rn. 100 f.). § 9 Abs. 3 SGB VII stellt die allgemeinen Grundsätze des Unfallversicherungsrechts nicht infrage. Die Vorschrift enthält keine Umkehr der Beweislast und auch keine Ursachenfiktion. Es handelt sich vielmehr um einen gesetzlich normierten Anscheinsbeweis (Römer, in: Hauck/Noftz, SGB, Kommentar, Stand: 07/2015, § 9 SGB VII Rn. 31; a. A. Wietfeld, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck Online-Kommentar, Sozialrecht, Stand: 1. Juni 2018, § 9 SGB VII Rn. 72). Der Anscheinsbeweis setzt jedoch voraus, dass ein Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten typischen Verlauf hinweist, aus dem dann in der Beweiswürdigung auf einen bestimmten Erfolg (Erkrankung) geschlossen werden kann. Dies ist immer dann möglich, wenn es quasi auf der Hand liegt, dass der Versicherte ein deutlich höheres Risiko als andere Versicherte trägt. Dabei muss die Gefahrenerhöhung derart sein, dass - bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine private Verursachung - weitere Prüfungen zur Kausalität nicht mehr notwendig erscheinen. Dies wird nur bei wenigen Berufskrankheiten bereits bei Vorliegen der „normalen“ Tatbestandsmerkmale der Fall sein. Es werden sich eher monokausale Berufskrankheiten für die Anwendung des § 9 Abs. 3 eignen (Römer, a.a.O., § 9 SGB VII Rn. 32b; im Ergebnis ähnlich Wietfeld, a.a.O., § 9 Rn. 73). Ähnlich geht auch Brandenburg, der die Regelung des § 9 Abs. 3 SGB VII rechtstechnisch als eine Kausalitätsvermutung ansieht, davon aus, dass die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über die generellen Zusammenhänge zwischen definierten arbeitsplatzbezogenen Einwirkungen und bestimmten Erkrankungen maßgebliche Voraussetzungen für diese Kausalitätsvermutung sind. Dabei sind insbesondere wissenschaftliche Erkenntnisse über das Schädigungspotential von nach Art, Intensität und Dauer genau definierten Einwirkungen erforderlich (Brandenburg, in: Becker/ Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, Kommentar, 5. Auflage 2018, § 9 Rn. 55 f.).

Aus den obigen Ausführungen (B. III. 1. b)) ergibt sich, dass im Falle des Versicherten gerade keine typische Ursache-Wirkungs-Beziehung im Sinne eines typischen Geschehensablaufes festgestellt werden kann.

2. Beim Versicherten hat auch nicht der Versicherungsfall einer sog. Wie-Berufskrankheit vorgelegen. Hierfür gelten letztlich dieselben Erwägungen wie bei den Listen-Berufskrankheiten.

a) Für die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit ergeben sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die folgenden Tatbestandsmerkmale: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-Berufskrankheit im Einzelfall bei dem Versicherten. Die Vorschrift enthält keine Härteklausel, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, juris Rn. 17). Die Voraussetzungen (2.) und (3.) sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, juris Rn. 15 m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zur Verneinung einer Listen-Berufskrankheit bei dem Versicherten mit der Multisystematrophie auch keine Erkrankung vorgelegen, die nachweislich gehäuft nach beruflicher Exposition gegenüber Pestiziden bzw. Schädlingsbekämpfungsmitteln auftritt. Aus der Literatur ergeben sich nach wie vor keine ausreichenden Hinweise auf spezifische Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der Multisystematrophie um eine seltene Erkrankung handelt und daher umfassende Fall-Kontroll-Studien ggf. nicht erforderlich sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22 und juris Rn. 17, 20). Vorliegend werden in der medizinischen Wissenschaft Ursachenzusammenhänge mit ganz verschiedenen Stoffen, aber auch genetische Ursachen äußerst kontrovers diskutiert. Danach liegen gerade keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kausalität vor.

Soweit der Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim BMAS im September 2014 beschlossen hat, die wissenschaftliche Erkenntnislage zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Parkinson und der Exposition gegenüber Pestiziden erneut zu prüfen, weist das BMAS auf seiner Internetseite weiterhin (eingesehen am 10. September 2018) darauf hin, dass sich die Fragestellung „Parkinson durch bestimmte Pestizid-Inhaltsstoffe“ im Stadium der Vorprüfung befindet (https://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Gesetzliche-Unfallversicherung/der-aerztliche-sachverstaendigenbeirat-berufskrankheiten.html). Neue Erkenntnisse zugunsten der Klägerin ergeben sich daraus nicht.

3. Im Übrigen ergibt sich weder aus den Ausführungen des Dr. M., der PD Dr. R. oder des Dr. Sch. noch aus dem weiteren Vortrag der Klägerin bzw. ihres Bevollmächtigten eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage. Dies gilt sowohl für die Frage, ob beim Versicherten eine Listen-Berufskrankheit vorgelegen hat, noch für die Frage, ob eine Wie-Berufskrankheit vorgelegen hat.

a) Die Ausführungen des Dr. M. vermögen den Senat nicht von einer anderen Bewertung zu überzeugen.

Wie insbesondere Prof. Dr. G. ausgeführt hat und wie sich im Übrigen auch aus der Stellungnahme des Dr. M. selbst ergibt, zeigt Dr. M. allenfalls die Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges auf. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Toxizität der Schädlingsbekämpfungsmittel, denen der Versicherte ausgesetzt gewesen sei, bislang nicht adäquat untersucht sei. Lediglich pauschal weist er darauf hin, dass die Kombination solcher Substanzen deren Toxizität verstärke. Diese Ausführungen sind insgesamt sehr allgemeiner Natur. Sie gehen weder auf die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden, ggf. schädigenden Substanzen oder Art und Umfang einer notwendigen Exposition ein noch wird dargelegt, durch welche der verwendeten Substanzen der Versicherte tatsächlich geschädigt worden sein soll. Das Berufskrankheitenrecht setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen einer ganz bestimmten Erkrankung (hier der Multisystematrophie) und ganz spezifischen (hier chemischen) Einwirkungen hergestellt werden kann. Ein pauschaler Hinweis auf „vergleichbare“ Stoffe genügt nicht. Im Übrigen hat das BSG bereits festgestellt, dass die verschiedenen Arbeitsstoffe mehrerer Listen-Berufskrankheiten grundsätzlich nicht im Sinne einer etwaigen „Gesamt-Berufskrankheit“ gemeinsam betrachtet werden können (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 und juris).

Ebenso hatte Prof. Dr. G. darauf hingewiesen, dass die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Exposition mit Organophosphaten und Pyrethroiden und einer Multisystematrophie als Einzelmeinung des Hautarztes Dr. M. im fachfremden Gebiet zu werten ist. Die wissenschaftliche neurologische Literatur diskutiert toxische Belastungen als Ursache einer Multisystematrophie unter einer Vielzahl anderer Ursachen, als grundsätzlich mögliche oder nicht ausschließbare Ursache, keineswegs aber als wahrscheinliche Ursache. Eine schlüssige epidemiologische Evidenz für eine Assoziation zwischen bestimmten Umweltschadstoffen und neurodegenerativen Erkrankungen ist gerade nicht gegeben und wird auch in den Ausführungen des Dr. M. nicht aufgezeigt. Es besteht weiterer Forschungsbedarf. Dieser Auffassung des Prof. Dr. G. schließt sich der Senat an. An dieser Situation hat sich - wie die weiteren Ermittlungen ergeben haben - auch aktuell keine entscheidungserhebliche Änderung ergeben.

Soweit Dr. M. außerdem davon ausgeht, dass beim Versicherten eine genetische Variante vorgelegen habe, die sein Erkrankungsrisiko wesentlich erhöht habe, hat er ebenfalls nicht dargelegt, dass eine solche Risikoerhöhung generell und für den hiesigen Sachverhalt in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur eine Grundlage findet. Prof. Dr. G. hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass über einen etwaigen Zusammenhang zwischen der entsprechenden Genvariante und einem erhöhten Risiko, an einer Multisystematrophie zu erkranken, weiterhin viel zu wenig bekannt ist. Bereits aus seinem Gutachten vom 25. März 2010 ergibt sich, dass die Bedeutung von Enzympolymorphismen (bzw. der beim Versicherten festgestellten heterozygoten Genvariante) im Hinblick auf neurodegenerative Erkrankungen wie das Parkinson-Syndrom und die Multisystematrophie noch nicht ausreichend geklärt ist. Ähnliche Erwägungen hat Dr. H. angestellt. Daran hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Außerdem hat Prof. Dr. G. für den Senat nachvollziehbar sein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, dass Dr. M. als Nicht-Neurologe offenbar häufiger Patienten mit einer Multisystematrophie untersucht hat und angeblich über eine ungenannte Behandlungsmethode verfügt, mit der diese als unaufhaltsam progredient geltende Erkrankung zum Stillstand gebracht werden könne.

b) Die Darlegungen der PD Dr. R. führen aus Sicht des Senats ebenfalls nicht zu der Annahme, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit vorgelegen hat. Dabei sind die Ausführungen der Sachverständigen zur Exposition des Versicherten hier letztlich nicht entscheidungserheblich. Denn auch ihre Ausführungen zur Frage eines medizinischen Zusammenhanges bleiben letztlich spekulativ. Soweit sie - sich letztlich sehr vorsichtig ausdrückend - eine Assoziation zwischen einer früheren Pestizidexposition und einer Parkinson-Erkrankung annimmt, verweist sie selbst auf die kontroverse Diskussion in der Literatur. Sie geht auch nicht näher darauf ein, für welche konkreten Substanzen diese Assoziation hergestellt werden kann und ob und in welchem Umfang der Versicherte Kontakt zu genau diesen Substanzen gehabt hat. Wenn dann schließlich diese ersten Hinweise zur Parkinson-Erkrankung auf die Multisystematrophie übertragen werden, so bleibt PD Dr. R. hier eine nähere Auseinandersetzung mit den Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschieden zwischen diesen beiden Erkrankungen schuldig. Sie „vermutet“ insoweit „ähnliche pathogenetische Mechanismen“ und verweist zur Begründung pauschal darauf, dass es sich bei beiden Erkrankungen um Synucleinopathien handele. Soweit sie Studien anführt, die einen etwaigen Zusammenhang zwischen Pestizidexpositionen und der Multisystematrophie untersucht haben, zeigt sich hier gerade weder ein einheitliches Bild noch eine überwiegende Tendenz. Konkrete Substanzen werden erneut nicht genannt; stattdessen ist pauschal von Pestiziden bzw. einer - hier nicht gegebenen - Tätigkeit in der Landwirtschaft die Rede. PD Dr. R. hat selbst auf die unterschiedlichen Studienergebnisse verwiesen.

Aus Sicht des Senats ist jedoch erstens bereits die Datenlage zur Verursachung einer Parkinson-Erkrankungen durch Pestizide - auch ausgehend von den Darlegungen der PD Dr. R. - derzeit nicht ausreichend, um eine Berufskrankheit anzuerkennen. Zweitens ist der Vergleich der Multisystematrophie mit der Parkinson-Erkrankung in diesem Zusammenhang dem Bereich der Spekulation zuzuordnen. Soweit PD Dr. R. ebenso wie Dr. M. annimmt, dass die fremdstoffmetabolisierenden Enzyme, die beim Versicherten untersucht worden seien, ein eher ungünstiges Polymorphismenmuster darstellen würden, das auf eine bestehende erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Organophosphaten (wie z.B. Chlorpyrifos) hinweise, gilt dasselbe, was der Senat bereits zu den entsprechenden Annahmen des Dr. M. gesagt hat. Überdies hat PD Dr. R. selbst darauf hingewiesen, dass bisher wenig darüber bekannt ist, welche Bedeutung vorliegende Polymorphismen bei niedrigeren, nicht akut toxischen Konzentrationen haben und welche Bedeutung insgesamt Mischexpositionen haben.

c) Das sehr knappe Gutachten des Dr. Sch. liefert gegenüber den Ausführungen des Dr. M. und der PD Dr. R. keine weitergehenden Erkenntnisse. Der Senat vermag ihm daher im Ergebnis ebenfalls nicht zu folgen. Zusätzlich fällt auf, dass Dr. Sch. die klinische Relevanz der beim Kläger wohl von Dr. M. sowie PD Dr. R. angenommenen schlechteren Metabolisierung von aktiviertem Chlorpyrifos ausdrücklich offen gelassen hat, da es auch Paraoxonaseunabhängige Abbauwege gebe. Insgesamt sei wenig bekannt, welche Bedeutung die vorliegenden Polymorphismen bei niedrigen, nicht akut toxischen Belastungen und welche Bedeutung insgesamt Mischexpositionen haben. Somit stützen diese Bedenken des Dr. Sch. sogar eher das Ergebnis der Beweiswürdigung durch den Senat.

d) Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin auf andere Fälle Bezug genommen hat, in denen (insbesondere im Bereich der Landwirtschaft) Parkinson-Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt worden sind, lassen sich hieraus keine Argumente zugunsten der Klägerin gewinnen. Erstens handelt es sich in jedem Fall der Prüfung des Vorliegens einer Berufskrankheit um eine Einzelfallentscheidung. Zweitens ist nichts darüber bekannt, ob und ggf. inwieweit die anerkannten Fälle mit der Situation des Klägers vergleichbar sind. Gegen eine Vergleichbarkeit spricht vielmehr, dass der Versicherte nicht in der Landwirtschaft tätig gewesen ist und auch nicht an einer Parkinson-Erkrankung gelitten hat. Drittens ist insbesondere nicht bekannt, welchen konkreten Stoffen die Versicherten in den anerkannten Fällen ausgesetzt gewesen sind. Viertens geht aus den vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Unterlagen teilweise nicht hervor, welche Berufskrankheit anerkannt worden ist. Soweit gerichtliche Entscheidungen von Landessozialgerichten zur Frage einer Parkinson-Erkrankung als Berufskrankheit veröffentlicht sind, wurde eine Berufskrankheit nicht anerkannt (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 3 U 32/13 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2014 - L 6 U 4215/11 -, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. Dezember 2011 - L 6 U 122/08 -, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. April 2000 - L 3 U 241/99 -, juris; LSG Niedersachsen, Urteil vom 22. Juni 1999 - L 3 U 25/94 -, juris). Entscheidungen zur Multisystematrophie sind bislang überhaupt nicht veröffentlicht worden.

e) Soweit die Klägerin selbst vorgetragen hatte, Dr. M. habe im Blut des Versicherten noch nach vielen Jahren hochkonzentrierte Rückstände der Schädlingsbekämpfungsmittel gefunden, missversteht sie die Analysen des Dr. M.. Dieser hat nicht die Konzentration von Schadstoffen gemessen, sondern die Fähigkeit des Versicherten, diese abzubauen. Im Übrigen wäre aber auch der Nachweis von Schadstoffen im Blut noch kein Beleg dafür, dass diese für eine spezielle Erkrankung (hier die Multisystematrophie) ursächlich sind.

f) Schließlich ergeben sich aus dem Aufsatz des Bevollmächtigten der Klägerin (Das heutige Berufskrankheitenrecht - ein sozialer Missstand für die Gesamtbevölkerung) keine hier entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Insbesondere kann ein Systemversagen bzw. ein rechtlicher Missstand nicht festgestellt werden. Die vorliegenden Gutachten belegen, dass tatsächlich Studien zu möglichen Ursachen der Multisystematrophie durchgeführt werden. Die medizinische Klärung von Ursachenzusammenhängen kann jedoch nicht erzwungen werden.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

D.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 123


Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 7 Begriff


(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 63 Leistungen bei Tod


(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf 1. Sterbegeld,2. Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,3. Hinterbliebenenrenten,4. Beihilfe.Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Ve

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 59 Ausschluß der Rechtsnachfolge


Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.

Referenzen - Urteile

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2018 - L 3 U 477/15 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2018 - L 3 U 477/15 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Feb. 2013 - B 2 U 33/11 R

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Nov. 2011 - B 2 U 26/10 R

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialger

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Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversic

Bundessozialgericht Urteil, 12. Jan. 2010 - B 2 U 21/08 R

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Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Feststellung eines Tonsillenkarzinoms als Berufskrankheit (BK) de

Referenzen

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres im Dezember 1999 an den Folgen eines Bronchialkarzinoms verstorbenen Ehemanns (des Versicherten).

2

Der im Jahre 1939 geborene Versicherte war von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. beschäftigt, die Schlosser- und Schmiedearbeiten für das Baunebengewerbe und kleine Stahlkonstruktionen fertigte. In etwa 30 % seiner Arbeitszeit verrichtete der Versicherte Schweißarbeiten. Bis Ende der 70er Jahre wurden meist unlegierte Baustähle überwiegend im Lichtbogenhandverfahren (LBH) mit Elektrode geschweißt, seit Anfang der 80er Jahre überwiegend im Schutzgasschweißverfahren (Metallaktivgasverfahren - MAG), wobei thoriumhaltige Schweißelektroden beim WIG (Wolfram-Inertgas-Verfahren) verwandt wurden. Ab Anfang der 80er Jahre wurde gelegentlich Edelstahl verschweißt. Dabei kamen basische Elektroden zum Einsatz. Beim Anschleifen der Elektroden fand eine Thorium-Belastung statt. In geringerem Umfang wurde öliges Material verschweißt. Der Versicherte führte auch Schweißarbeiten an verzinkten Teilen aus, wobei er Zinkrauchen ausgesetzt war. Für die Dauer von vier Wochen hatte der Versicherte Umgang mit Asbestzementplatten. Asbestkontakt bestand auch bei der Montage zugeschnittener Eternitplatten und bei einer dreimonatigen Tätigkeit im Klinikum M. Während seines gesamten Berufslebens rauchte der Versicherte zumindest 15 Zigaretten täglich. Die Gesamtnikotinbelastung belief sich von 1960 bis 1999 auf 29,25 Packungsjahre.

3

Der Versicherte verstarb am 18.12.1999 an den Folgen eines im April 1999 erstmals diagnostizierten Bronchialkarzinoms. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 5.12.2000 sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung des Bronchialkarzinoms als Berufskrankheit (BK) ihres verstorbenen Ehemanns, sowie Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Todes. Die Beklagte führte Ermittlungen durch, ua durch Befragung des Arbeitgebers, die Beiziehung von Krankenakten, Ermittlungen des TAD und die Einholung ärztlicher Gutachten (Prof. Dr. R.). Im Bescheid vom 20.11.2001 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung des metastasierenden Bronchialkarzinoms des Versicherten als BK und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.6.2002). Es liege weder eine BK nach Nr 1103, noch nach 4104 oder 4109, noch eine Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII vor.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 3.7.2002 Klage zum SG Marburg erhoben, das ein internistisch-pneumologisches Gutachten des Prof. G. eingeholt und die Klage durch Urteil vom 31.5.2005 abgewiesen hat. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das LSG hat gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Internisten Prof. W. und ergänzende Stellungnahmen des Prof. G. und wiederum von Prof. W. eingeholt.

5

Das LSG hat sodann durch Urteil vom 31.8.2010 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherte sei 1999 an einem Bronchialkarzinom des linken Lungenunterlappens verstorben. Seiner Überzeugung nach sei der Versicherte von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. infolge seiner versicherten Tätigkeit der lungenschädigenden Einwirkung Chrom VI- und nickeloxidhaltiger Schweißrauche, zinkchromathaltiger Tröpfchenaerosole, von Asbestfaserstaub, ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten sowie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit der Leitsubstanz Benzo(a)pyren (BaP) ausgesetzt gewesen, so dass insoweit die Einwirkungskausalität zu bejahen sei. Ohne die Einwirkung dieser Berufsschadstoffe wäre es nicht zum Auftreten der Bronchialkrebserkrankung des Schweregrads und im Alter von 60 Jahren gekommen. Als weitere Ursache trete aus dem privaten Bereich der Nikotinkonsum des Versicherten hinzu. Alle diese Lungenschadstoffe beruflicher wie privater Herkunft stünden nach Überzeugung des Senats als naturwissenschaftliche Ursachen im Sinne der conditio sine qua non Formel fest.

6

BK Nr 4104 scheide aus, weil der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Faserjahren nicht erfüllt, BK Nr 4113, weil die dort geforderte Einwirkung von mindestens 100 BaP-Jahren nicht feststellbar sei. Ein Versicherungsfall der BK Nr 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen …) liege schon deshalb nicht vor, weil nach § 6 Abs 1 BKV hiervon nur Versicherungsfälle ab 1.10.2002 erfasst würden.

7

Keine der übrigen Berufsnoxen habe nach der Theorie der wesentlichen Bedingung allein das Lungenkrebsleiden des Versicherten bewirkt, so dass für die weiteren BK-Ziffern 2402, 4109 und 1103 nicht von einer monokausalen, durch den jeweiligen Schadstoff hervorgerufenen Entstehungsursache auszugehen sei. Die Thorium-Belastung beim WIG-Schweißen habe zu keiner im Rahmen der BK-Ziffer 2402 wesentlichen, lungenschädigenden ionisierenden Strahlenbelastung geführt. Die haftungsbegründende Kausalität sei im Allgemeinen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit monokausal zu begründen, wenn Intensität und Dauer der Einwirkung des jeweiligen Listenstoffes zu einer Risikoverdoppelung geführt hätten. Die Verdoppelungsdosis liege für Lungentumore bei Erwachsenen bei 2 Millionen Mikro-Sievert. Dieser Wert werde nicht erreicht. Dasselbe gelte für die BK Nr 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Nickel). Der Senat gehe von 288 bzw 540 µg Nickel/m³ x Jahre aus. Damit werde der Wert von 5000 µg Nickel/m³ x Jahre (Verdoppelungsdosis) nicht erreicht. Dasselbe gelte für die Belastung des Versicherten mit Chrom und seinen Verbindungen im Rahmen der BK Nr 1103. Auch hier werde die Verdoppelungsdosis von 2000 µg/m³ x Jahre nicht erreicht.

8

Der Versicherungsfall einer BK Nr 1103 sei auch nicht im Wege einer synkanzerogenen Kombinationswirkung von zumindest fünf lungenschädlichen Berufsschadstoffen zugunsten des Versicherten festzustellen. Denn auch unter Berücksichtigung der allein quantifizierbaren Lungenschadstoffe Chrom VI, Nickel und Asbest sei eine Risikoverdoppelung bzw ein relatives Risiko (RR) von zwei entsprechend einer Verursachungswahrscheinlichkeit (VW) von 0,5 nicht zu begründen, so dass berufliche Kausalfaktoren als wesentliche (Mit-)Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen seien. Grundsätzlich sei von einer synkanzerogenen Wirkung der Stoffe auszugehen, wobei die Bewertung nach der führenden Schweißrauchkomponente, der Chrom VI-Belastung erfolge. Beim Versicherten sei jedoch keine BK Nr 1103 durch Chrom VI-haltige Schweißrauchbestandteile bei synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe festzustellen. Die Gerichte müssten hier die streitigen Kausalzusammenhänge auf der Grundlage freier Beweiswürdigung mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Auszugehen sei von der sog Wichmann'schen Formel, nach der das RR und die resultierende VW ermittelt werden könnten. Beim Zusammenwirken mehrerer Noxen errechne sich bei Erreichen eines RR von mehr als zwei eine VW von mehr als 50 % entsprechend einer Risikoverdoppelung. Die den Versicherten treffenden Schadstoffe wirkten hier auf dasselbe Organ (Lunge) im Rahmen einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung nach einem additiven Modell ein, so dass die für jeden Stoff ermittelten Bruchteile der Verdoppelungsdosis zu addieren seien. Die Sachverständigen kämen jedoch zu RR-Werten von unter zwei und damit von VW-Werten von unter 0,50, so dass die für eine wesentliche berufliche Mitverursachung zu fordernde Risikoverdopplung hinsichtlich der quantifizierbaren Stoffe Chrom, Nickel und Asbest deutlich verfehlt werde. Eine Anknüpfung an niedrigere Werte, wie etwa das sog Krasney'sche Drittel werde in der herrschenden Literatur und Rechtsprechung zu Recht abgelehnt.

9

Der Versicherte sei darüber hinaus nicht quantifizierbaren Noxen ausgesetzt gewesen, die es allerdings nicht erlaubten, die fehlende Lücke zur Risikoverdopplung zu schließen. Um zur Risikoverdopplung zu gelangen, hätten die nicht quantifizierbaren Belastungen beim Schweißen von Baustahl, durch Zinkchromat, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Thorium sowie für die Bystander-Belastung zusätzlich ein RR von 1,57 ergeben müssen, was nicht begründbar sei.

10

Beweiserleichterungen bzw eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Zwar seien dem Arbeitgeber schwere Versäumnisse anzulasten und die Arbeitsbedingungen nur noch schwer zu rekonstruieren. Eine Abkehr von dem in der UV generell zu fordernden Beweisgrad oder gar eine Umkehr der Beweislast lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Dem Berufungsbegehren hätte nur dann entsprochen werden können, wenn der Senat infolge einer Beweiserleichterung die anspruchsbegründende (Mit-)Ursächlichkeit lungenbelastender Berufsschadstoffe für das Auftreten des todesursächlichen Bronchialkarzinoms als erwiesen hätte ansehen können, wovon er sich aus mehreren Gründen nicht habe überzeugen können. Zu den fünf bis sechs synkanzerogenen Lungenschadstoffen seien keine belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen veröffentlicht. Falls ein Gericht hier dennoch das Erreichen der Verdoppelungsdosis unterstellen würde, so käme dies einer Umkehr der Beweislast gleich. Aber auch diese würde nicht zum Erfolg führen, weil der private Zigarettenkonsum des Versicherten zu berücksichtigen sei. Es wäre dann immer noch die Frage zu entscheiden, welche Bedeutung der beruflichen Verdoppelung des Risikos im Verhältnis zum durch den privaten Zigarettenkonsum vielfach erhöhten Erkrankungsrisikos zukomme. Der Senat halte für die Zeit vom 21. Lebensjahr (1960) bis zum Todesjahr (1999) des Versicherten den Konsum von mindestens 15 Zigaretten täglich für erwiesen. Aufgrund dieser 29,25 Packungsjahre ergebe sich ein 11-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

11

Die Bronchialkrebserkrankung habe schließlich auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII anerkannt werden können.

12

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII. Das LSG habe bei den BKen Nr 1103, 2402 und 4109 eine monokausale Verursachung des Bronchialkarzinoms abgelehnt. Es sei jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch bei fehlender Monokausalität eine oder mehrere dieser Listen-BKen vorliegen könnte (Hinweis auf BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17), wenn der Schadstoff eine wesentliche Teilursache gewesen sei. Es stelle sich die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Kombinationswirkung von lungenkrebsauslösenden Noxen zu stellen seien. Es seien hier keinesfalls nur quantifizierbare Lungenschadstoffe (wie Chrom VI, Nickel und Asbest) zu berücksichtigen. Zudem könne aus § 9 Abs 1 SGB VII das vom LSG geforderte Kriterium eines Verdoppelungsrisikos nicht abgeleitet werden. Für das Erfordernis eines solchen Verdoppelungsrisikos gebe der Gesetzeswortlaut keinerlei Anhalt. Im Übrigen hätten die Gutachter auch die nicht quantifizierbaren Risiken abgeschätzt. Das LSG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, indem es nur quantifizierbare Einwirkungen berücksichtigt habe. Es hätte zudem aufgeklärt werden müssen, ob der Synergismus auch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen immer noch als additives Modell zu beschreiben sei. Mit Krasney sei davon auszugehen, dass eine berufliche Teilursache bei einer VW von 0,33 bestehe. Das LSG habe nicht alle zu berücksichtigenden Tatsachen für die Beweisermittlung berücksichtigt. Der vorliegende Fall werde durch eine Kumulation von Besonderheiten (Verschulden des Arbeitgebers; Versäumnisse der beklagten BG) geprägt. Es hätten hier Anknüpfungstatsachen für einen Beweisnotstand ermittelt werden müssen, was ein Vergleich zur zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zeige.

13

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 31.08.2010 und des Sozialgerichts Marburg vom 31.05.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid vom 20.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2002 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus Anlass des Todes des Versicherten K. zu gewähren.

14

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

15

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Das LSG habe allerdings, nachdem es die monokausale Verursachung aller BKen abgelehnt habe, die BK Nr 1103 zusätzlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob Chrom im Zusammenwirken mit anderen Schadstoffen eine wesentliche Teilursache der Lungenerkrankung des Versicherten darstellen könne. Das LSG habe dabei fälschlicherweise die sog Wichmann'sche Formel benutzt. Das Wichmann'sche Berechnungsmodell dürfe nur auf eine konkrete Stoffkombination angewandt werden, wenn sowohl für die gesundheitsschädigende kanzerogene Wirkung der einzelnen Stoffe als auch für das synergetische Zusammenwirken ausreichende und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen. Das BSG habe aber am 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO) bereits klargestellt, dass es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die synkanzerogene Wirkung von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierenden Strahlen gebe.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

17

Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob bei dem Verstorbenen die BKen Nr 1103, 4109 oder 2402 der Anlage 1 zur BKV vorlagen und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat (im Einzelnen unter 4.). Das LSG ist bei der Prüfung, ob einer der in diesen BKen genannten Arbeitsstoffe wesentliche (Teil-)Ursache der Lungenkrebserkrankung des Versicherten war, von einem Erfahrungssatz (der sog Wichmann'schen Formel) ausgegangen, der für die Frage der (teil-)wesentlichen Verursachung der Erkrankung durch eine der Noxen (isoliert) schon wissenschaftlich/ denklogisch von seinem Ansatz her nicht einschlägig ist. Das LSG hat allerdings zu Recht das Vorliegen einer BK nach Nr 4104, 4113 und 4114 der Anlage 1 zur BKV abschließend verneint (vgl unter 2.). Ebenso hat es das Vorliegen einer sog Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII mit zutreffenden Erwägungen verneint (hierzu unter 3.).

18

1. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 26 ff) umfasst der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht.

19

Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Hinblick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

20

2. Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen des Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK Nr 4104, 4113 oder 4114, weil die in den Tatbeständen dieser Normen der Anlage 1 zur BKV explizit benannten Voraussetzungen der jeweiligen BK nicht vorgelegen haben. Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben(haftungsbegründende Kausalität; vgl zuletzt BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R und B 2 U 25/10 R; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 14; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14).

21

Die BK Nr 4104 lautet: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder - in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren". Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (vgl auch BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 1).

22

Die BK Nr 4113: "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre]" scheidet ebenfalls aus, weil der in der Norm selbst genannte Einwirkungswert von 100 BaP-Jahren nicht erreicht ist.

23

Schließlich scheidet auch BK Nr 4114 "Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen" schon deshalb aus, weil der Versicherungsfall nicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 BKV nach dem 30.9.2002 eingetreten ist.

24

3. Der Versicherte ist am 18.12.1999 auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII verstorben.

25

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27). Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

26

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 23). Im vorliegenden Fall kam es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 18.12.1999 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chrom VI- und nickeloxidhaltigen Schweißrauchen, zinkchromathaltigen Tröpfchenaerosolen, Asbest und ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten gemeinsam verursacht worden ist, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die BKV erfüllte. Dies hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12.1.2010 (aaO, RdNr 32 mwN aus der wissenschaftlichen Literatur) für den dort maßgebenden Zeitpunkt des 8.8.2000 verneint. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die hier angefochtene Entscheidung des LSG für den Todeszeitpunkt 18.12.1999 unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.

27

4. Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage 1 zur BKV eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

28

Diesen BK-Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie selbst keine numerische Einwirkungsgröße der jeweiligen Noxe vorsehen. Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffes bereits nicht die in einem BK-Tatbestand selbst genannten Einwirkungsvoraussetzungen, wie hier bei den BKen Nr 4104 und 4113 (soeben unter 2.), so können sie zwar eine Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der jeweiligen BK scheidet aber von vornherein aus, weil schon die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestands nach dessen expliziter Ausformulierung nicht gegeben sind (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO , RdNr 37).

29

BK Nr 1103 lautet: "Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen". BK Nr 2402: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen" und BK Nr 4109: "Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel". Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte während seines Arbeitslebens berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch Chrom VI- und nickeloxidhaltige Schweißrauche sowie ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den drei genannten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe isoliert betrachtet die haftungsbegründende Kausalität verneint, weil die Einwirkungen nicht die Schwelle des sog Verdoppelungsrisikos überschritten. Hierzu hat die Revision zunächst zu Recht gerügt, dass das LSG mit dem Verdoppelungsrisiko ein nicht unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitetes Kriterium zugrunde gelegt hat, ohne im Einzelnen die wissenschaftliche Basis dieses Kriteriums in den Prozess einzuführen (vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 31). Das LSG wird daher nach einer Zurückverweisung zunächst klarzustellen haben, auf welchem medizinischen Erfahrungssatz die Annahme der jeweiligen Verdoppelungsgrenzwerte für die hier betroffenen BKen beruht (kritisch zur Zugrundelegung des Verdoppelungsrisikos als notwendiges Kriterium für die Einführung einer BK, BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 37 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 42). Nur dann kann auch revisionsrechtlich die Aussage des LSG nachvollzogen werden, dass keiner der Stoffe allein die (ggf in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete) Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe.

30

Der Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34) zu erkennen gegeben, dass für die BK Nr 1103 eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein könnte, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei weitem nicht erreicht wurde. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK Nr 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen die VW in Prozent ermittelt, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei 1 vH lag. Bei der BK Nr 4109 könnte eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein (vgl BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34, wo allerdings die entsprechenden Feststellungen des LSG von der Revision nicht gerügt worden waren).

31

Der Senat hat zudem mehrfach klargestellt, dass eine der Listen-BKen (Nr 1103, 2402 und 4109) nicht nur dann vorliegen kann, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon bei isolierter Betrachtungsweise nur je eines Stoffes die im Einzelnen zu definierenden Voraussetzungen erfüllen (grundlegend BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 35). Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung - und ggf nicht zu beanstandender Zugrundelegung des sog Verdoppelungsrisikos oder eines anderen aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze begründbaren Kriteriums - die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise nicht erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 28 ff; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 ff).

32

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zur konkreten Krankheitsentstehung zum Eintritt des Erfolgs wesentlich mitgewirkt haben. Bei der rein rechtlichen Zurechnungsprüfung der "Wesentlichkeit" einer Bedingung für die Entstehung (oder wesentliche Verschlimmerung) der Krankheit sind also nicht alle Bedingungen zu berücksichtigen, sondern nur jene, die nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen für den Eintritt einer Krankheit dieser Art sind. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs wertend entschieden werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 12).

33

Auch für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen Nr 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist daher zuerst festzustellen, ob die durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursachte konkret festgestellte Einwirkung des Stoffes auf den Versicherten nach den derzeit in der Wissenschaft anerkannten Erfahrungssätzen ihrer Art nach eine notwendige (oder hinreichende) Bedingung (unter Umständen neben anderen notwendigen oder hinreichenden Bedingungen) für die Entstehung einer Krankheit der beim Versicherten festgestellten Art ist. Nur dann ist im konkreten Einzelfall die Krankheit des Versicherten tatsächlich Folge (ggf auch) der durch die versicherte Tätigkeit verursachten Einwirkung. Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele.

34

Ist ein Listenstoff in diesem Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 38, 21; Becker in MedSach 2005).

35

Falls die Krankheit des Versicherten nach wissenschaftlichen Erfahrungssätzen allein deshalb entstanden ist (Tatsachenfrage), weil mehrere in verschiedenen Tatbeständen der BKV genannte Stoffe nebeneinander als notwendige (oder hinreichende) Bedingungen infolge der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit eingewirkt haben, kommt es für jeden einschlägigen BK-Tatbestand darauf an, ob die in ihm genannte und konkret festgestellte (Tatsachenfrage) Stoffeinwirkung im Einzelfall im oben genannten Sinn rechtlich "wesentlich" war.

36

Das LSG hat diesen Zusammenhang erkannt und unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12.1.2010 (aaO) geprüft, ob bei dem Versicherten die BK Nr 1103 (Chrom) vorliegt. Im Ansatz richtig ist es davon ausgegangen, dass aufgrund des Zusammenwirkens von Stoffen keine außergesetzliche, neue Gesamt-BK gebildet werden kann. Vielmehr ist jeweils stoffbezogen zu prüfen, ob nicht die Einwirkungen nach jeder der in Betracht kommenden BKen eine rechtlich wesentliche Teilursache für die Lungenerkrankung bilden.

37

Das LSG hat auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung eine naturwissenschaftlich-philosophisch vorliegende Verursachungsbeziehung (ua) zwischen dem Lungenkrebs des Versicherten und den Noxen Chrom, Nickel und Thorium bejaht, ohne geklärt zu haben, welche Stoffeinwirkungen nach den wissenschaftlich anerkannten Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen der Krankheit des Versicherten waren. Es wendet sich sodann ausschließlich der Prüfung der BK Nr 1103 zu, weil Chrom die "führende Schweißrauchkomponente" gewesen sei. Sodann wird geprüft, ob eine BK Nr 1103 bei "synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe" festzustellen sei (Urteil S 27). In der Folge wird unter Anwendung der sog Wichmann'schen Formel versucht, den relativen Beitrag der einzelnen Noxen additiv zu ermitteln, um bei Vorliegen einer VW von 0,50 (aller Noxen zusammengenommen) dann ein Vorliegen der BK Nr 1103 (Chrom) in Erwägung zu ziehen.

38

Das LSG hat dabei verkannt, dass das von ihm mehrfach zustimmend zitierte Urteil des LSG Schleswig-Holstein (13.9.2007 - L 1 U 44/03 - Breithaupt 2008, 308) Gegenstand des Revisionsverfahrens B 2 U 5/08 R (Urteil vom 12.1.2010 - aaO) gewesen und von seinem rechtlichen Ansatz her vom BSG für nicht vertretbar erachtet worden ist. Das LSG Schleswig-Holstein hatte die sog Wichmann'sche Formel dazu benutzt, eine (neue) Gesamt-BK bestehend aus den Nr 1103, 4109 und 2402 der BKV zu bilden, die es deshalb für begründbar gehalten hat, weil alle Noxen additiv zusammengenommen die VW von 50 vH überschritten hätten (LSG Schleswig-Holstein, aaO, RdNr 50 ff).

39

Das LSG übernimmt nun für den vorliegenden Fall diesen Berechnungsansatz, um eine "führende" Einzel-BK (hier Nr 1103) für den Fall bejahen zu können, dass zu diesem "führenden" Schadstoff additiv weitere Stoffe hinzukämen, mit denen die VW insgesamt (durch alle einwirkenden Stoffe in additiver Gesamtschau) überschritten werde. Mit einem solchen Vorgehen wird aber in keiner Weise plausibel (aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze), wieso zunächst gerade Chrom eine notwendige oder hier sogar hinreichende wesentliche (Teil-)Ursache für den Lungenkrebs des Versicherten gesetzt haben soll und folglich ausschließlich die BK Nr 1103 in Betracht käme. Das LSG hat - ohne nachvollziehbare Begründung - Chrom als "Leitstoff" (wieso nicht Thorium oder Nickel?) gesetzt und ist sodann davon ausgegangen, die BK Nr 1103 bejahen zu können, wenn Chrom in Kombination mit allen anderen Stoffen insgesamt nach der Wichmann'schen Formel zu einer VW von über 50 vH führt. Nach dem Inhalt dieser Formel wäre aber allenfalls belegbar, dass die Summe der in die Formel eingestellten Noxen zu einer Erkrankung geführt haben könnte. Insbesondere hat das LSG nicht mitgeteilt, welcher in der Wissenschaft anerkannte Erfahrungssatz durch die Wichmann'sche Formel ausgedrückt wird. Ohne diese Feststellung der in seiner Folgerung zugrunde gelegten generellen Tatsache kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der "wesentlichen Teilverursachung" zutreffend ausgelegt hat. Die Frage, welche(r) der drei in BK Nr 1103, 2402 und 4109 genannte(n) Schadstoff(e) (teil-)wesentlich die Erkrankung verursacht haben könnte(n), lässt sich aber mit der Wichmann'schen Formel gerade nicht beantworten.

40

Falls die weiteren Ermittlungen des LSG ergeben, dass alle in Betracht kommenden Noxen naturwissenschaftlich-philosophisch kausal für die Erkrankung waren, so wird es folglich weiter zu prüfen haben, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen im Sinne der Wichmann'schen Formel als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK Nr 1103 oder BK Nr 2402 oder BK Nr 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 39). Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist.

41

Das LSG wird sodann bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Maßstäbe auch den Verursachungsbeitrag des Rauchens des Versicherten zu bestimmen haben. Mit dem vom LSG bindend festgestellten Rauchen des Versicherten über einen Zeitraum von 29,25 Packungsjahren ist zunächst mehr als ein Anhaltspunkt für eine andere Verursachung für die Lungenkrebserkrankung des Versicherten gegeben (BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 26). Allerdings ist noch zu beurteilen, ob das Rauchen des Versicherten in wertender Betrachtung die rechtlich "allein wesentliche" Ursache der Erkrankung war. Dies wird insbesondere anzunehmen sein, wenn der Verursachungsbeitrag der Einwirkung Rauchen gegenüber den Verursachungsbeiträgen der anderen Noxen deutlich überwiegt. Bergen aber nach den festzustellenden wissenschaftlichen Erkenntnissen die beruflichen Einwirkungen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende VW stützen lässt, so kann es auf das Vorhandensein weiterer belastender Einwirkungen nicht ankommen (BSG aaO, RdNr 27).

42

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Feststellung eines Tonsillenkarzinoms als Berufskrankheit (BK) des Versicherten sowie die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV).

2

Die Klägerin ist die Witwe des 1941 geborenen und am 11.3.1997 verstorbenen Versicherten. Am 12.8.1992 war bei diesem eine Krebserkrankung festgestellt worden. Er litt unter einem Tumor des Schlundes (Hypopharynx), der bis in die seitliche äußere Wand des Kehlkopfes vorgedrungen war. Die Deutsche Angestellten Krankenversicherung (DAK) als Krankenversicherungsträger des Versicherten zeigte im Oktober 1992 der Berufsgenossenschaft (BG) für Nahrungsmittel und Gaststätten den Verdacht einer BK an. Im Rahmen der Ermittlungen vertrat der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der BG zunächst die Auffassung, beim Versicherten habe eine ausreichende Exposition gegenüber Asbest nicht vorgelegen. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden die Akten zuständigkeitshalber an die BG der Chemischen Industrie weitergeleitet. Diese lehnte die Feststellung einer BK ab (Bescheid vom 27.6.1995, Widerspruchsbescheid vom 6.2.1996).

3

Der Versicherte hat deswegen beim Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben (S 18 U 439/96). Zu dem Verfahren ist die jetzige beklagte BG der Bauwirtschaft (BG Bau) notwendig beigeladen worden. Durch den Tod des Versicherten am 11.3.1997 ist das Verfahren unterbrochen worden.

4

Inzwischen führte die BG Bau weitere Ermittlungen durch. Sie nahm an, beim Versicherten habe eine Exposition gegenüber Asbeststaub im Umfang von 33 Faserjahren vorgelegen. Deshalb nahm sie den Bescheid der BG Chemie vom 27.6.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.1996 zurück und stellte beim Versicherten eine Wie-BK nach § 551 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) mit der Gesundheitsfolge "Zustand nach Kehlkopfentfernung" fest; die Feststellung einer "Krebserkrankung der Mandeln (Tonsillen)" als Folge der Wie-BK lehnte sie ab (Bescheid vom 3.7.1998). Die beklagte BG zahlte der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten für die Zeit vom 22.11.1993 bis 31.3.1997 Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 67.331,85 DM. Einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte sie durch weiteren Bescheid vom 3.7.1998 ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 12.5.1999 ohne Erfolg.

5

Die Klägerin hat wegen der Feststellung des Tonsillenkarzinoms als BK-Folge das Verfahren S 18 U 439/96 beim SG wieder aufgenommen. Sie hat zudem beim SG Klage wegen Zahlung von Hinterbliebenenrente (S 18 U 1013/99) erhoben. Das SG hat mit getrennten Urteilen vom 22.1.2001 die Klagen abgewiesen. Das Tonsillenkarzinom sei keine Folge einer BK; der Versicherte sei auch nicht an den Folgen einer BK verstorben.

6

Die Klägerin hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen unter dem Aktenzeichen L 1 U 309/01 verbunden. Es hat die BG Chemie aus dem Berufungsverfahren entlassen und an ihrer Stelle die BG Bau als Beklagte geführt. Das LSG hat die Berufungen zurückgewiesen. Die dem Versicherten gegenüber ausgesprochene Anerkennung einer Wie-BK Kehlkopfkrebs entfalte für die Entscheidung über Leistungen an Hinterbliebene keine Bindungswirkung. Eine Wie-BK sei wegen der Lokalisation des Tumors nicht gegeben, da beim Versicherten keine Krebserkrankung im Bereich des inneren Kehlkopfs vorgelegen habe. Der Versicherte sei an den Folgen des Tonsillenkarzinoms verstorben, das weder Folge einer BK 4101 noch einer BK 4104 gewesen sei. Da die finale Erkrankung weder eine BK noch deren Folge sei, bestehe kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente.

7

Die Klägerin hat die von Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 63 Abs 1 und 2 SGB VII und § 551 RVO. Das LSG habe den Anspruch der Klägerin an der Regelung des § 551 RVO messen müssen, da die Erkrankung schon 1992 aufgetreten sei. Bei dem Versicherten sei ein Versicherungsfall bindend festgestellt worden. Auch wenn es sich um eine Wie-BK gehandelt habe, habe das LSG verkannt, dass für die Klägerin die Beweiserleichterung nach § 63 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB VII gelte. Unrichtig sei auch, dass die Kehlkopfkrebserkrankung nicht als Listen-BK anerkannt worden sei. Zwar sei der Tumor nicht in den inneren Kehlkopf durchgebrochen gewesen, doch liege auch bei einer Erkrankung im Bereich des äußeren Kehlkopfs "Kehlkopfkrebs" iS der BK 4104 vor.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Juli 2007 sowie die Urteile des Sozialgerichts Gotha vom 22. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1998 über die Anerkennung einer Berufskrankheit und den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 1999 über die Ablehnung der Hinterbliebenen-Rente aufzuheben und festzustellen, dass das Mandelkarzinom des Versicherten eine Folge seiner Berufskrankheit ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenen-Rente zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

11

Die Klägerin macht im Wege der objektiven Klagehäufung mehrere Ansprüche geltend, die zu unterscheiden sind. Die Klägerin hat kein schutzwürdiges Interesse, beim Versicherten (weitere) Folgen einer Berufskrankheit feststellen zu lassen (1.). Sie hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenrente, da der Tod des Versicherten nicht infolge eines Versicherungsfalls einer BK oder Wie-BK (§ 9 Abs 1 und 2 SGB VII) eingetreten ist (2.).

12

1. Für die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, mit der die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Feststellung einer Mandelkrebserkrankung als Folge einer BK begehrt (§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG), fehlt das Feststellungsinteresse (a.). Dieses kann nicht daraus hergeleitet werden, dass die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten weitere Geldleistungen beanspruchen könnte (b.). Ein solches Interesse ergibt sich auch nicht daraus, dass sie als mögliche Erbin in die Rechtsnachfolge des Versicherten (§ 1922 BGB) eingetreten ist und wegen des rechtlichen Vorteils aus § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII ein Interesse an der Feststellung einer weiteren BK-Folge hat (c.).

13

a) Die Klägerin klagt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Sie begehrt die Feststellung, bei diesem habe als Folge einer BK neben der bereits anerkannten BK-Folge auch ein Tonsillenkarzinom vorgelegen. Anders als vom LSG angenommen richtet sich die Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt im Bescheid der Beklagten vom 3.7.1998, mit dem die Feststellung des Tonsillenkarzinoms als BK-Folge abgelehnt worden ist. Die früher von der BG Chemie erlassenen Bescheide (vom 17.6.1995 und 6.2.1996) sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, da sie durch die Beklagte zurückgenommen worden sind (§ 44 Abs 3 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X) .

14

Zwar eröffnet § 55 Abs 1 Nr 3 SGG dem Versicherten und ggf seinen Rechtsnachfolgern die Möglichkeit, Elemente eines Rechtsverhältnisses, hier bestimmte Folgen eines Versicherungsfalls, feststellen zu lassen. Allerdings ist eine solche gesetzlich zugelassene Elementenfeststellungsklage nur zulässig, wenn ein Beteiligter für die begehrte Feststellung ein Feststellungsinteresse hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG 9. Auflage 2008, § 55 RdNr 13b; Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage 2009, § 55 RdNr 62) .

15

b) An dem Feststellungsinteresse fehlt es, soweit die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 SGB I) des Versicherten die Feststellung weiterer BK-Folgen begehrt. Gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB I gehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten ua auf den Ehegatten über, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist.Gemäß § 59 SGB I erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten; Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nach Satz 2 der Vorschrift nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch über sie ein Verwaltungsverfahren anhängig ist.

16

Als Sonderrechtsnachfolgerin hat die Klägerin ein Feststellungsinteresse nur, wenn als Folge der Feststellung - hier weiterer BK-Folgen - ein Anspruch auf (weitere) Geldleistungen bestehen kann, die durch Sonderrechtsnachfolge auf sie übergegangen sein können. Ansprüche des Versicherten auf weitere Geldleistungen kommen vorliegend aber nicht in Betracht. Die Beklagte hat der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten bereits Verletztenvollrente (§ 56 Abs 3 SGB VII) gezahlt. Durch die Feststellung weiterer BK-Folgen kann sich weder ein (nach MdE oder JAV) höherer Anspruch noch eine längere Anspruchsdauer der Verletztenrente ergeben. Andere Geldleistungsansprüche der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

17

c) Das Feststellungsinteresse lässt sich nicht daraus herleiten, dass die begehrte Feststellung ihr bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nach Maßgabe des § 63 Abs 2 SGB VII einen rechtlichen Vorteil verschaffen könnte.

18

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein eigener Rechtsanspruch ist, der sich zwar vom Recht des Versicherten ableitet, aber hinsichtlich aller Voraussetzungen gesondert zu prüfen ist (BSG vom 7.2.2006 - B 2 U 31/04 R - SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 18, 19; vgl auch BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1). Diese Trennung hat zur Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 63 SGB VII ohne Bindung an bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen gegenüber dem Verstorbenen neu zu prüfen sind (vgl BSG aaO; Sacher in Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, 4. Aufl., Stand Mai 2005 § 63 RdNr 10; Klieve in jurisPK-SGB VII § 63 RdNr 17) . Die bestandskräftige Feststellung einer BK-Folge gegenüber dem Versicherten kann diesem nur nach Maßgabe des § 45 SGB X entzogen werden, sie hat aber keine begünstigende Wirkung hinsichtlich des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente. Deshalb ist weder die positive Feststellung von BK-Folgen noch die Ablehnung der Feststellung von BK-Folgen gegenüber dem Versicherten für die Entscheidung über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente vorgreiflich. Verwaltungen und Gerichte haben vielmehr nach dem Tod eines Versicherten neu zu prüfen, ob bei diesem ein Versicherungsfall vorgelegen hat und er infolgedessen verstorben ist.

19

Dieser für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltende Grundsatz findet auch auf die Vermutung nach § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII Anwendung. Zwar hat das BSG entschieden, beim Tod des Versicherten müsse eine der in der Vorschrift genannten BKen und eine entsprechende MdE nicht vorgelegen haben. Eine erst nach dem Tod der Versicherten erfolgte Anerkennung als BK und Feststellung der MdE von mindestens 50 vH reiche aus (BSG vom 7.2.2006 - B 2 U 31/04 R - SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 18, 19; vgl auch BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 ). Allerdings genügt auch insoweit, dass in einem Verwaltungsverfahren wegen Hinterbliebenenrente die Feststellung getroffen wird, dass die Voraussetzungen des § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII vorgelegen haben (vgl Holtstraeter in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 70 SGB VII § 63 RdNr 17) .

20

Da eine Feststellung weiterer BK-Folgen gegenüber dem Versicherten der Klägerin in Bezug auf die Vermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII keinen Vorteil verschaffen würde, hat sie kein schutzwürdiges Interesse daran, für diesen posthum Folgen einer BK feststellen zu lassen. Vielmehr haben auf einen Antrag, Hinterbliebenenrente zu zahlen, die Verwaltungen und ggf die Gerichte die Voraussetzungen des Anspruch ohne Bindung an eine gegenüber dem Versicherten getroffene Entscheidung neu zu prüfen.

21

2. Soweit die Klägerin mit der Revision den Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenrente weiterverfolgt, ist die Revision unbegründet, da ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht.

22

Maßgeblich für die Beurteilung des geltend gemachten Rechts sind - entgegen der Rüge der Klägerin - die Bestimmungen des SGB VII. Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs 3 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen im SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII (1.1.1997, Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996 ) eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Diese Regelung findet auch auf Hinterbliebenenrenten-Ansprüche Anwendung (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R BSGE 88, 226, 227 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1) . Der geltend gemachte Anspruch ist nach Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzustellen gewesen, denn er entsteht - falls die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - mit dem Tod des Versicherten, hier am 11.3.1997.

23

Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrenten. Nach § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII besteht der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr 1 bis 3 nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Was unter dem Begriff des Versicherungsfalls iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zu verstehen ist, wird in § 7 Abs 1 SGB VII definiert. Danach sind Versicherungsfälle "Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten". § 9 SGB VII wiederum unterscheidet bei den Berufskrankheiten zwei Arten des Versicherungsfalls "Berufskrankheit". Zum einen den Versicherungsfall der sog Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII. Zum anderen haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit (sog Wie-BK oder Quasi-BK) als Versicherungsfall festzustellen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs 1 Satz 2 erfüllt sind. Wenn eine der beiden Versicherungsfälle, also eine Listen- BK oder eine Wie-BK, den Tod des Versicherten herbeigeführt hat, ist ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente entstanden (zur Unterscheidung der Versicherungsfälle: BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226, 228 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) .

24

Der Versicherte ist aber nicht infolge einer Listen-BK verstorben (a.), er ist auch nicht an den Folgen einer Wie-BK "Kehlkopfkrebs" verstorben (b.).

25

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 63 Abs 1 SGB VII, da der Versicherte nicht infolge einer Listen-BK verstorben ist. Der Versicherungsfall einer BK 4104 ist nicht eingetreten (aa), die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Vermutung des § 63 Abs 2 SGB VII berufen (bb).

26

aa) Zwar ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch Asbest ausgesetzt gewesen und die Klägerin ist als seine Witwe eine Hinterbliebene iS des § 65 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Eine Listen-BK, von denen aufgrund der Einwirkung von Asbest und der Art der Erkrankung nur die BK 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung oder in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren) in Betracht kommt, liegt aber nicht vor.

27

Der Versicherungsfall einer BK 4104 scheitert daran, dass die Erkrankung "Kehlkopfkrebs" erst durch die BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623) zum 1.12.1997 in den Tatbestand der BK 4104 aufgenommen worden ist. Die Feststellung des Versicherungsfalls BK 4104 (Kehlkopfkrebs) wird durch die Regelung des § 6 Abs 3 Satz 1 BKV begrenzt. Danach ist eine Krankheit nach Nummer 4104 (Kehlkopfkrebs) der Anlage zur BKV, an der ein Versicherter am 1.12.1997 leidet, auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist. Beim Kläger hat die Krebserkrankung aber bereits am 12.8.1992 vorgelegen und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des erweiterten BK-Tatbestands war er bereits verstorben.

28

bb) Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente lässt sich nicht über die Rechtsvermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII begründen.

29

Nach dieser Vorschrift steht dem Tod infolge eines Versicherungsfalls der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer BK nach Nr 4101 bis 4104 der Anlage 1 zur BKV in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO - 2. BKVOÄndV - vom 18.12.1992 (BGBl I 2343) um 50 vH oder mehr gemindert war.

30

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind ebenfalls nicht erfüllt, denn die Vermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII erstreckt nicht auf die Erkrankung des Versicherten. In der maßgeblichen Fassung der BKVO ist in dem BK-Tatbestand der Nr 4104 nur die Erkrankung "Lungenkrebs", nicht aber die Erkrankung "Kehlkopfkrebs" als BK bezeichnet gewesen. Letztere ist erst durch die BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623) zum 1.12.1997 in den BK-Tatbestand aufgenommen worden. Beim Versicherten hat weder eine Quarz-Staublungenerkrankung (BK 4101) noch eine Siliko-Tuberkulose (BK 4102) noch eine Erkrankung der Pleura (4103) noch Lungenkrebs (BK 4101 aF) vorgelegen. Falls beim Versicherten die Erkrankung Kehlkopfkrebs vorgelegen hätte, handelt es sich jedenfalls nicht um eine der in § 63 Abs 2 Satz 1 SGB VII abschließend (vgl Sacher in Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, 4. Aufl., Stand Mai 2005 § 63 RdNr 10; Klieve in jurisPK-SGB VII § 63 RdNr 21) aufgeführten Erkrankungen.

31

b) Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht auch nicht, da der Versicherte nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK "Kehlkopfkrebs" verstorben ist.

32

Der Versicherte ist nach den Feststellungen des LSG nicht an Kehlkopfkrebs, sondern an dem bei ihm ebenfalls bestehenden Karzinom der Mandeln (Tonsillen) verstorben. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkrankung eine Folge des beim Versicherten bestehenden Tumors des Schlundes (Hypopharynx) ist, der bis in die seitliche äußere Wand des Kehlkopfes vorgedrungen war. Denn diese Erkrankung ist weder "Kehlkopfkrebs" iS der heutigen BK 4104 noch iS einer Wie-BK. Für die Feststellung der aufgrund des Todeszeitpunkts des Versicherten allein in Betracht kommenden Wie-BK Kehlkopfkrebs liegen keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, als diejenigen, die später zur Aufnahme der Erkrankung in den BK-Tatbestand der Nr 4104 geführt haben.

33

Kehlkopfkrebs iS der BK 4104 kann durch das Einatmen des Stoffes Asbest entstehen, denn Asbestfasern sind krebserregend. Die Fasern werden bei der Atmung ( Römer in Hauck/Noftz, SGB VII Kommentar, K Anhang zu § 9, Anl z BKV BK-Nrn 4103-4105; RdNr 7 ) mit dem Luftstrom durch die sog Atemstraße über den inneren Kehlkopf in die Lunge transportiert. Die Ablagerung von Asbestfasern im Kehlkopfbereich durch Verwirbelung des Luftstroms und durch Rücktransport von im tieferen Atemtrakt abgelagerten Fasern gilt als erwiesen (BR-Drucks 642/97 S 18) . Asbest wird demnach mit der Atemluft aufgenommen und kann sich in Lunge und Kehlkopf ablagern und dort eine Krebserkrankung verursachen. Bei der so beschriebenen Art der Aufnahme des Stoffs und seiner Einwirkung liegt eine Wie-BK jedenfalls dann nicht vor, wenn die Erkrankung - wie beim Versicherten - außerhalb des Kehlkopfes entsteht und sich von dort bis in den äußeren Bereich des Kehlkopfes ausbreitet. Nach ihrer Lokalisation (ähnlich allerdings bei Prüfung des Kausalzusammenhangs: BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 27) ist die Erkrankung des Versicherten nicht aufgrund des mit der Atemluft aufgenommenen und im inneren Bereich des Kehlkopf abgelagerten Asbests entstanden. Da keine Krebserkrankung in dem Bereich des Kehlkopfs vorgelegen hat, der mit dem krebserregenden Stoff in Berührung gekommen ist, liegt keine Wie-BK Kehlkopfkrebs vor. Das für den Tod des Versicherten ursächliche Tonsillenkarzinom kann deshalb auch keine Folge einer Wie-BK sein.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres im Dezember 1999 an den Folgen eines Bronchialkarzinoms verstorbenen Ehemanns (des Versicherten).

2

Der im Jahre 1939 geborene Versicherte war von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. beschäftigt, die Schlosser- und Schmiedearbeiten für das Baunebengewerbe und kleine Stahlkonstruktionen fertigte. In etwa 30 % seiner Arbeitszeit verrichtete der Versicherte Schweißarbeiten. Bis Ende der 70er Jahre wurden meist unlegierte Baustähle überwiegend im Lichtbogenhandverfahren (LBH) mit Elektrode geschweißt, seit Anfang der 80er Jahre überwiegend im Schutzgasschweißverfahren (Metallaktivgasverfahren - MAG), wobei thoriumhaltige Schweißelektroden beim WIG (Wolfram-Inertgas-Verfahren) verwandt wurden. Ab Anfang der 80er Jahre wurde gelegentlich Edelstahl verschweißt. Dabei kamen basische Elektroden zum Einsatz. Beim Anschleifen der Elektroden fand eine Thorium-Belastung statt. In geringerem Umfang wurde öliges Material verschweißt. Der Versicherte führte auch Schweißarbeiten an verzinkten Teilen aus, wobei er Zinkrauchen ausgesetzt war. Für die Dauer von vier Wochen hatte der Versicherte Umgang mit Asbestzementplatten. Asbestkontakt bestand auch bei der Montage zugeschnittener Eternitplatten und bei einer dreimonatigen Tätigkeit im Klinikum M. Während seines gesamten Berufslebens rauchte der Versicherte zumindest 15 Zigaretten täglich. Die Gesamtnikotinbelastung belief sich von 1960 bis 1999 auf 29,25 Packungsjahre.

3

Der Versicherte verstarb am 18.12.1999 an den Folgen eines im April 1999 erstmals diagnostizierten Bronchialkarzinoms. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 5.12.2000 sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung des Bronchialkarzinoms als Berufskrankheit (BK) ihres verstorbenen Ehemanns, sowie Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Todes. Die Beklagte führte Ermittlungen durch, ua durch Befragung des Arbeitgebers, die Beiziehung von Krankenakten, Ermittlungen des TAD und die Einholung ärztlicher Gutachten (Prof. Dr. R.). Im Bescheid vom 20.11.2001 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung des metastasierenden Bronchialkarzinoms des Versicherten als BK und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.6.2002). Es liege weder eine BK nach Nr 1103, noch nach 4104 oder 4109, noch eine Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII vor.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 3.7.2002 Klage zum SG Marburg erhoben, das ein internistisch-pneumologisches Gutachten des Prof. G. eingeholt und die Klage durch Urteil vom 31.5.2005 abgewiesen hat. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das LSG hat gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Internisten Prof. W. und ergänzende Stellungnahmen des Prof. G. und wiederum von Prof. W. eingeholt.

5

Das LSG hat sodann durch Urteil vom 31.8.2010 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherte sei 1999 an einem Bronchialkarzinom des linken Lungenunterlappens verstorben. Seiner Überzeugung nach sei der Versicherte von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. infolge seiner versicherten Tätigkeit der lungenschädigenden Einwirkung Chrom VI- und nickeloxidhaltiger Schweißrauche, zinkchromathaltiger Tröpfchenaerosole, von Asbestfaserstaub, ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten sowie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit der Leitsubstanz Benzo(a)pyren (BaP) ausgesetzt gewesen, so dass insoweit die Einwirkungskausalität zu bejahen sei. Ohne die Einwirkung dieser Berufsschadstoffe wäre es nicht zum Auftreten der Bronchialkrebserkrankung des Schweregrads und im Alter von 60 Jahren gekommen. Als weitere Ursache trete aus dem privaten Bereich der Nikotinkonsum des Versicherten hinzu. Alle diese Lungenschadstoffe beruflicher wie privater Herkunft stünden nach Überzeugung des Senats als naturwissenschaftliche Ursachen im Sinne der conditio sine qua non Formel fest.

6

BK Nr 4104 scheide aus, weil der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Faserjahren nicht erfüllt, BK Nr 4113, weil die dort geforderte Einwirkung von mindestens 100 BaP-Jahren nicht feststellbar sei. Ein Versicherungsfall der BK Nr 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen …) liege schon deshalb nicht vor, weil nach § 6 Abs 1 BKV hiervon nur Versicherungsfälle ab 1.10.2002 erfasst würden.

7

Keine der übrigen Berufsnoxen habe nach der Theorie der wesentlichen Bedingung allein das Lungenkrebsleiden des Versicherten bewirkt, so dass für die weiteren BK-Ziffern 2402, 4109 und 1103 nicht von einer monokausalen, durch den jeweiligen Schadstoff hervorgerufenen Entstehungsursache auszugehen sei. Die Thorium-Belastung beim WIG-Schweißen habe zu keiner im Rahmen der BK-Ziffer 2402 wesentlichen, lungenschädigenden ionisierenden Strahlenbelastung geführt. Die haftungsbegründende Kausalität sei im Allgemeinen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit monokausal zu begründen, wenn Intensität und Dauer der Einwirkung des jeweiligen Listenstoffes zu einer Risikoverdoppelung geführt hätten. Die Verdoppelungsdosis liege für Lungentumore bei Erwachsenen bei 2 Millionen Mikro-Sievert. Dieser Wert werde nicht erreicht. Dasselbe gelte für die BK Nr 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Nickel). Der Senat gehe von 288 bzw 540 µg Nickel/m³ x Jahre aus. Damit werde der Wert von 5000 µg Nickel/m³ x Jahre (Verdoppelungsdosis) nicht erreicht. Dasselbe gelte für die Belastung des Versicherten mit Chrom und seinen Verbindungen im Rahmen der BK Nr 1103. Auch hier werde die Verdoppelungsdosis von 2000 µg/m³ x Jahre nicht erreicht.

8

Der Versicherungsfall einer BK Nr 1103 sei auch nicht im Wege einer synkanzerogenen Kombinationswirkung von zumindest fünf lungenschädlichen Berufsschadstoffen zugunsten des Versicherten festzustellen. Denn auch unter Berücksichtigung der allein quantifizierbaren Lungenschadstoffe Chrom VI, Nickel und Asbest sei eine Risikoverdoppelung bzw ein relatives Risiko (RR) von zwei entsprechend einer Verursachungswahrscheinlichkeit (VW) von 0,5 nicht zu begründen, so dass berufliche Kausalfaktoren als wesentliche (Mit-)Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen seien. Grundsätzlich sei von einer synkanzerogenen Wirkung der Stoffe auszugehen, wobei die Bewertung nach der führenden Schweißrauchkomponente, der Chrom VI-Belastung erfolge. Beim Versicherten sei jedoch keine BK Nr 1103 durch Chrom VI-haltige Schweißrauchbestandteile bei synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe festzustellen. Die Gerichte müssten hier die streitigen Kausalzusammenhänge auf der Grundlage freier Beweiswürdigung mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Auszugehen sei von der sog Wichmann'schen Formel, nach der das RR und die resultierende VW ermittelt werden könnten. Beim Zusammenwirken mehrerer Noxen errechne sich bei Erreichen eines RR von mehr als zwei eine VW von mehr als 50 % entsprechend einer Risikoverdoppelung. Die den Versicherten treffenden Schadstoffe wirkten hier auf dasselbe Organ (Lunge) im Rahmen einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung nach einem additiven Modell ein, so dass die für jeden Stoff ermittelten Bruchteile der Verdoppelungsdosis zu addieren seien. Die Sachverständigen kämen jedoch zu RR-Werten von unter zwei und damit von VW-Werten von unter 0,50, so dass die für eine wesentliche berufliche Mitverursachung zu fordernde Risikoverdopplung hinsichtlich der quantifizierbaren Stoffe Chrom, Nickel und Asbest deutlich verfehlt werde. Eine Anknüpfung an niedrigere Werte, wie etwa das sog Krasney'sche Drittel werde in der herrschenden Literatur und Rechtsprechung zu Recht abgelehnt.

9

Der Versicherte sei darüber hinaus nicht quantifizierbaren Noxen ausgesetzt gewesen, die es allerdings nicht erlaubten, die fehlende Lücke zur Risikoverdopplung zu schließen. Um zur Risikoverdopplung zu gelangen, hätten die nicht quantifizierbaren Belastungen beim Schweißen von Baustahl, durch Zinkchromat, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Thorium sowie für die Bystander-Belastung zusätzlich ein RR von 1,57 ergeben müssen, was nicht begründbar sei.

10

Beweiserleichterungen bzw eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Zwar seien dem Arbeitgeber schwere Versäumnisse anzulasten und die Arbeitsbedingungen nur noch schwer zu rekonstruieren. Eine Abkehr von dem in der UV generell zu fordernden Beweisgrad oder gar eine Umkehr der Beweislast lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Dem Berufungsbegehren hätte nur dann entsprochen werden können, wenn der Senat infolge einer Beweiserleichterung die anspruchsbegründende (Mit-)Ursächlichkeit lungenbelastender Berufsschadstoffe für das Auftreten des todesursächlichen Bronchialkarzinoms als erwiesen hätte ansehen können, wovon er sich aus mehreren Gründen nicht habe überzeugen können. Zu den fünf bis sechs synkanzerogenen Lungenschadstoffen seien keine belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen veröffentlicht. Falls ein Gericht hier dennoch das Erreichen der Verdoppelungsdosis unterstellen würde, so käme dies einer Umkehr der Beweislast gleich. Aber auch diese würde nicht zum Erfolg führen, weil der private Zigarettenkonsum des Versicherten zu berücksichtigen sei. Es wäre dann immer noch die Frage zu entscheiden, welche Bedeutung der beruflichen Verdoppelung des Risikos im Verhältnis zum durch den privaten Zigarettenkonsum vielfach erhöhten Erkrankungsrisikos zukomme. Der Senat halte für die Zeit vom 21. Lebensjahr (1960) bis zum Todesjahr (1999) des Versicherten den Konsum von mindestens 15 Zigaretten täglich für erwiesen. Aufgrund dieser 29,25 Packungsjahre ergebe sich ein 11-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

11

Die Bronchialkrebserkrankung habe schließlich auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII anerkannt werden können.

12

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII. Das LSG habe bei den BKen Nr 1103, 2402 und 4109 eine monokausale Verursachung des Bronchialkarzinoms abgelehnt. Es sei jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch bei fehlender Monokausalität eine oder mehrere dieser Listen-BKen vorliegen könnte (Hinweis auf BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17), wenn der Schadstoff eine wesentliche Teilursache gewesen sei. Es stelle sich die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Kombinationswirkung von lungenkrebsauslösenden Noxen zu stellen seien. Es seien hier keinesfalls nur quantifizierbare Lungenschadstoffe (wie Chrom VI, Nickel und Asbest) zu berücksichtigen. Zudem könne aus § 9 Abs 1 SGB VII das vom LSG geforderte Kriterium eines Verdoppelungsrisikos nicht abgeleitet werden. Für das Erfordernis eines solchen Verdoppelungsrisikos gebe der Gesetzeswortlaut keinerlei Anhalt. Im Übrigen hätten die Gutachter auch die nicht quantifizierbaren Risiken abgeschätzt. Das LSG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, indem es nur quantifizierbare Einwirkungen berücksichtigt habe. Es hätte zudem aufgeklärt werden müssen, ob der Synergismus auch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen immer noch als additives Modell zu beschreiben sei. Mit Krasney sei davon auszugehen, dass eine berufliche Teilursache bei einer VW von 0,33 bestehe. Das LSG habe nicht alle zu berücksichtigenden Tatsachen für die Beweisermittlung berücksichtigt. Der vorliegende Fall werde durch eine Kumulation von Besonderheiten (Verschulden des Arbeitgebers; Versäumnisse der beklagten BG) geprägt. Es hätten hier Anknüpfungstatsachen für einen Beweisnotstand ermittelt werden müssen, was ein Vergleich zur zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zeige.

13

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 31.08.2010 und des Sozialgerichts Marburg vom 31.05.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid vom 20.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2002 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus Anlass des Todes des Versicherten K. zu gewähren.

14

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

15

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Das LSG habe allerdings, nachdem es die monokausale Verursachung aller BKen abgelehnt habe, die BK Nr 1103 zusätzlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob Chrom im Zusammenwirken mit anderen Schadstoffen eine wesentliche Teilursache der Lungenerkrankung des Versicherten darstellen könne. Das LSG habe dabei fälschlicherweise die sog Wichmann'sche Formel benutzt. Das Wichmann'sche Berechnungsmodell dürfe nur auf eine konkrete Stoffkombination angewandt werden, wenn sowohl für die gesundheitsschädigende kanzerogene Wirkung der einzelnen Stoffe als auch für das synergetische Zusammenwirken ausreichende und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen. Das BSG habe aber am 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO) bereits klargestellt, dass es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die synkanzerogene Wirkung von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierenden Strahlen gebe.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

17

Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob bei dem Verstorbenen die BKen Nr 1103, 4109 oder 2402 der Anlage 1 zur BKV vorlagen und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat (im Einzelnen unter 4.). Das LSG ist bei der Prüfung, ob einer der in diesen BKen genannten Arbeitsstoffe wesentliche (Teil-)Ursache der Lungenkrebserkrankung des Versicherten war, von einem Erfahrungssatz (der sog Wichmann'schen Formel) ausgegangen, der für die Frage der (teil-)wesentlichen Verursachung der Erkrankung durch eine der Noxen (isoliert) schon wissenschaftlich/ denklogisch von seinem Ansatz her nicht einschlägig ist. Das LSG hat allerdings zu Recht das Vorliegen einer BK nach Nr 4104, 4113 und 4114 der Anlage 1 zur BKV abschließend verneint (vgl unter 2.). Ebenso hat es das Vorliegen einer sog Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII mit zutreffenden Erwägungen verneint (hierzu unter 3.).

18

1. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 26 ff) umfasst der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht.

19

Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Hinblick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

20

2. Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen des Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK Nr 4104, 4113 oder 4114, weil die in den Tatbeständen dieser Normen der Anlage 1 zur BKV explizit benannten Voraussetzungen der jeweiligen BK nicht vorgelegen haben. Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben(haftungsbegründende Kausalität; vgl zuletzt BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R und B 2 U 25/10 R; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 14; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14).

21

Die BK Nr 4104 lautet: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder - in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren". Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (vgl auch BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 1).

22

Die BK Nr 4113: "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre]" scheidet ebenfalls aus, weil der in der Norm selbst genannte Einwirkungswert von 100 BaP-Jahren nicht erreicht ist.

23

Schließlich scheidet auch BK Nr 4114 "Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen" schon deshalb aus, weil der Versicherungsfall nicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 BKV nach dem 30.9.2002 eingetreten ist.

24

3. Der Versicherte ist am 18.12.1999 auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII verstorben.

25

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27). Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

26

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 23). Im vorliegenden Fall kam es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 18.12.1999 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chrom VI- und nickeloxidhaltigen Schweißrauchen, zinkchromathaltigen Tröpfchenaerosolen, Asbest und ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten gemeinsam verursacht worden ist, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die BKV erfüllte. Dies hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12.1.2010 (aaO, RdNr 32 mwN aus der wissenschaftlichen Literatur) für den dort maßgebenden Zeitpunkt des 8.8.2000 verneint. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die hier angefochtene Entscheidung des LSG für den Todeszeitpunkt 18.12.1999 unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.

27

4. Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage 1 zur BKV eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

28

Diesen BK-Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie selbst keine numerische Einwirkungsgröße der jeweiligen Noxe vorsehen. Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffes bereits nicht die in einem BK-Tatbestand selbst genannten Einwirkungsvoraussetzungen, wie hier bei den BKen Nr 4104 und 4113 (soeben unter 2.), so können sie zwar eine Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der jeweiligen BK scheidet aber von vornherein aus, weil schon die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestands nach dessen expliziter Ausformulierung nicht gegeben sind (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO , RdNr 37).

29

BK Nr 1103 lautet: "Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen". BK Nr 2402: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen" und BK Nr 4109: "Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel". Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte während seines Arbeitslebens berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch Chrom VI- und nickeloxidhaltige Schweißrauche sowie ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den drei genannten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe isoliert betrachtet die haftungsbegründende Kausalität verneint, weil die Einwirkungen nicht die Schwelle des sog Verdoppelungsrisikos überschritten. Hierzu hat die Revision zunächst zu Recht gerügt, dass das LSG mit dem Verdoppelungsrisiko ein nicht unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitetes Kriterium zugrunde gelegt hat, ohne im Einzelnen die wissenschaftliche Basis dieses Kriteriums in den Prozess einzuführen (vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 31). Das LSG wird daher nach einer Zurückverweisung zunächst klarzustellen haben, auf welchem medizinischen Erfahrungssatz die Annahme der jeweiligen Verdoppelungsgrenzwerte für die hier betroffenen BKen beruht (kritisch zur Zugrundelegung des Verdoppelungsrisikos als notwendiges Kriterium für die Einführung einer BK, BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 37 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 42). Nur dann kann auch revisionsrechtlich die Aussage des LSG nachvollzogen werden, dass keiner der Stoffe allein die (ggf in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete) Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe.

30

Der Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34) zu erkennen gegeben, dass für die BK Nr 1103 eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein könnte, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei weitem nicht erreicht wurde. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK Nr 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen die VW in Prozent ermittelt, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei 1 vH lag. Bei der BK Nr 4109 könnte eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein (vgl BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34, wo allerdings die entsprechenden Feststellungen des LSG von der Revision nicht gerügt worden waren).

31

Der Senat hat zudem mehrfach klargestellt, dass eine der Listen-BKen (Nr 1103, 2402 und 4109) nicht nur dann vorliegen kann, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon bei isolierter Betrachtungsweise nur je eines Stoffes die im Einzelnen zu definierenden Voraussetzungen erfüllen (grundlegend BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 35). Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung - und ggf nicht zu beanstandender Zugrundelegung des sog Verdoppelungsrisikos oder eines anderen aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze begründbaren Kriteriums - die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise nicht erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 28 ff; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 ff).

32

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zur konkreten Krankheitsentstehung zum Eintritt des Erfolgs wesentlich mitgewirkt haben. Bei der rein rechtlichen Zurechnungsprüfung der "Wesentlichkeit" einer Bedingung für die Entstehung (oder wesentliche Verschlimmerung) der Krankheit sind also nicht alle Bedingungen zu berücksichtigen, sondern nur jene, die nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen für den Eintritt einer Krankheit dieser Art sind. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs wertend entschieden werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 12).

33

Auch für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen Nr 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist daher zuerst festzustellen, ob die durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursachte konkret festgestellte Einwirkung des Stoffes auf den Versicherten nach den derzeit in der Wissenschaft anerkannten Erfahrungssätzen ihrer Art nach eine notwendige (oder hinreichende) Bedingung (unter Umständen neben anderen notwendigen oder hinreichenden Bedingungen) für die Entstehung einer Krankheit der beim Versicherten festgestellten Art ist. Nur dann ist im konkreten Einzelfall die Krankheit des Versicherten tatsächlich Folge (ggf auch) der durch die versicherte Tätigkeit verursachten Einwirkung. Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele.

34

Ist ein Listenstoff in diesem Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 38, 21; Becker in MedSach 2005).

35

Falls die Krankheit des Versicherten nach wissenschaftlichen Erfahrungssätzen allein deshalb entstanden ist (Tatsachenfrage), weil mehrere in verschiedenen Tatbeständen der BKV genannte Stoffe nebeneinander als notwendige (oder hinreichende) Bedingungen infolge der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit eingewirkt haben, kommt es für jeden einschlägigen BK-Tatbestand darauf an, ob die in ihm genannte und konkret festgestellte (Tatsachenfrage) Stoffeinwirkung im Einzelfall im oben genannten Sinn rechtlich "wesentlich" war.

36

Das LSG hat diesen Zusammenhang erkannt und unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12.1.2010 (aaO) geprüft, ob bei dem Versicherten die BK Nr 1103 (Chrom) vorliegt. Im Ansatz richtig ist es davon ausgegangen, dass aufgrund des Zusammenwirkens von Stoffen keine außergesetzliche, neue Gesamt-BK gebildet werden kann. Vielmehr ist jeweils stoffbezogen zu prüfen, ob nicht die Einwirkungen nach jeder der in Betracht kommenden BKen eine rechtlich wesentliche Teilursache für die Lungenerkrankung bilden.

37

Das LSG hat auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung eine naturwissenschaftlich-philosophisch vorliegende Verursachungsbeziehung (ua) zwischen dem Lungenkrebs des Versicherten und den Noxen Chrom, Nickel und Thorium bejaht, ohne geklärt zu haben, welche Stoffeinwirkungen nach den wissenschaftlich anerkannten Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen der Krankheit des Versicherten waren. Es wendet sich sodann ausschließlich der Prüfung der BK Nr 1103 zu, weil Chrom die "führende Schweißrauchkomponente" gewesen sei. Sodann wird geprüft, ob eine BK Nr 1103 bei "synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe" festzustellen sei (Urteil S 27). In der Folge wird unter Anwendung der sog Wichmann'schen Formel versucht, den relativen Beitrag der einzelnen Noxen additiv zu ermitteln, um bei Vorliegen einer VW von 0,50 (aller Noxen zusammengenommen) dann ein Vorliegen der BK Nr 1103 (Chrom) in Erwägung zu ziehen.

38

Das LSG hat dabei verkannt, dass das von ihm mehrfach zustimmend zitierte Urteil des LSG Schleswig-Holstein (13.9.2007 - L 1 U 44/03 - Breithaupt 2008, 308) Gegenstand des Revisionsverfahrens B 2 U 5/08 R (Urteil vom 12.1.2010 - aaO) gewesen und von seinem rechtlichen Ansatz her vom BSG für nicht vertretbar erachtet worden ist. Das LSG Schleswig-Holstein hatte die sog Wichmann'sche Formel dazu benutzt, eine (neue) Gesamt-BK bestehend aus den Nr 1103, 4109 und 2402 der BKV zu bilden, die es deshalb für begründbar gehalten hat, weil alle Noxen additiv zusammengenommen die VW von 50 vH überschritten hätten (LSG Schleswig-Holstein, aaO, RdNr 50 ff).

39

Das LSG übernimmt nun für den vorliegenden Fall diesen Berechnungsansatz, um eine "führende" Einzel-BK (hier Nr 1103) für den Fall bejahen zu können, dass zu diesem "führenden" Schadstoff additiv weitere Stoffe hinzukämen, mit denen die VW insgesamt (durch alle einwirkenden Stoffe in additiver Gesamtschau) überschritten werde. Mit einem solchen Vorgehen wird aber in keiner Weise plausibel (aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze), wieso zunächst gerade Chrom eine notwendige oder hier sogar hinreichende wesentliche (Teil-)Ursache für den Lungenkrebs des Versicherten gesetzt haben soll und folglich ausschließlich die BK Nr 1103 in Betracht käme. Das LSG hat - ohne nachvollziehbare Begründung - Chrom als "Leitstoff" (wieso nicht Thorium oder Nickel?) gesetzt und ist sodann davon ausgegangen, die BK Nr 1103 bejahen zu können, wenn Chrom in Kombination mit allen anderen Stoffen insgesamt nach der Wichmann'schen Formel zu einer VW von über 50 vH führt. Nach dem Inhalt dieser Formel wäre aber allenfalls belegbar, dass die Summe der in die Formel eingestellten Noxen zu einer Erkrankung geführt haben könnte. Insbesondere hat das LSG nicht mitgeteilt, welcher in der Wissenschaft anerkannte Erfahrungssatz durch die Wichmann'sche Formel ausgedrückt wird. Ohne diese Feststellung der in seiner Folgerung zugrunde gelegten generellen Tatsache kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der "wesentlichen Teilverursachung" zutreffend ausgelegt hat. Die Frage, welche(r) der drei in BK Nr 1103, 2402 und 4109 genannte(n) Schadstoff(e) (teil-)wesentlich die Erkrankung verursacht haben könnte(n), lässt sich aber mit der Wichmann'schen Formel gerade nicht beantworten.

40

Falls die weiteren Ermittlungen des LSG ergeben, dass alle in Betracht kommenden Noxen naturwissenschaftlich-philosophisch kausal für die Erkrankung waren, so wird es folglich weiter zu prüfen haben, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen im Sinne der Wichmann'schen Formel als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK Nr 1103 oder BK Nr 2402 oder BK Nr 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 39). Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist.

41

Das LSG wird sodann bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Maßstäbe auch den Verursachungsbeitrag des Rauchens des Versicherten zu bestimmen haben. Mit dem vom LSG bindend festgestellten Rauchen des Versicherten über einen Zeitraum von 29,25 Packungsjahren ist zunächst mehr als ein Anhaltspunkt für eine andere Verursachung für die Lungenkrebserkrankung des Versicherten gegeben (BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 26). Allerdings ist noch zu beurteilen, ob das Rauchen des Versicherten in wertender Betrachtung die rechtlich "allein wesentliche" Ursache der Erkrankung war. Dies wird insbesondere anzunehmen sein, wenn der Verursachungsbeitrag der Einwirkung Rauchen gegenüber den Verursachungsbeiträgen der anderen Noxen deutlich überwiegt. Bergen aber nach den festzustellenden wissenschaftlichen Erkenntnissen die beruflichen Einwirkungen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende VW stützen lässt, so kann es auf das Vorhandensein weiterer belastender Einwirkungen nicht ankommen (BSG aaO, RdNr 27).

42

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2109 der Anlage (seit 1.7.2009 Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Der Kläger arbeitete von März 1960 bis Oktober 2003 als Zimmerer bei der Firma S. Holzbau GmbH in G. Seit 1998 befand er sich wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule in ambulanter orthopädischer Behandlung. Der Rentenversicherungsträger bescheinigte ihm im April 2003 eine chronisch-degenerative Hals- und Lendenwirbelsäulenerkrankung.

3

Im Mai 2004 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er seit Jahren unter erheblichen Einschränkungen des Bewegungsapparates leide, und beantragte, seine Erkrankung als BK anzuerkennen. Mit Bescheid vom 2.2.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aufgrund einer BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV (BK 2108) sowie nach Nr 2109 der Anlage zur BKV (BK 2109) ab, weil die Voraussetzungen dieser BKen nicht gegeben seien. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.4.2005).

4

Mit der zum SG Gießen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das SG hat den Rechtsstreit wegen Feststellung einer BK 2109 von dem Verfahren wegen Feststellung einer BK 2108 abgetrennt und das Verfahren betreffend die BK 2108 zum Ruhen gebracht. Nach arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen hat das SG mit Urteil vom 6.7.2007 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger eine BK 2109 anzuerkennen und ihm wegen der Folgen der BK Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH zu zahlen. Der Kläger sei im Rahmen der versicherten Beschäftigung als Zimmerer schädigenden Einwirkungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) ausgesetzt gewesen. Die Betätigung als Zimmerer habe in besonderer Weise auf die HWS eingewirkt. Der Kläger leide unter Bandscheibenschäden im Bereich der HWS. Diese seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter in einer Vielzahl von Arbeitsschichten verursacht worden. Die dadurch verursachte MdE betrage 20 vH. Die Beklagte habe dem Kläger eine entsprechende Rente zu zahlen.

5

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung zum Hessischen LSG eingelegt. Das LSG hat nach Durchführung weiterer Ermittlungen das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2109 seien nicht erfüllt. Zur Begründung seines Urteils vom 20.9.2011 hat es ausgeführt, während seiner Tätigkeit als Zimmerer sei der Kläger nicht den erforderlichen beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die zur Anerkennung einer BK 2109 führen könnten. Der BK-Tatbestand erfordere anhand der Materialien und des vom BMAS herausgegebenen Merkblatts zur ärztlichen Begutachtung der BK eine berufliche Exposition im Rahmen einer mindestens zehnjährigen Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter. Die Lasten müssten in einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, wenn pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen worden seien. Das Tragen der Lasten müsse zugleich mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung des Kopfes einhergehen. Diese Voraussetzungen beruhten auf den bei Aufnahme der BK 2109 in die BKV vorliegenden epidemiologischen Studien, nach denen neben der Schwere der Last auch eine nach vorne und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung erforderlich sei. Da eine Zwangshaltung im Rahmen der Tätigkeit des Klägers nur für wenige Bewegungsabläufe beim Aufnehmen, Ablegen und Weiterreichen von Lasten auf der Schulter und mit einem ganz untergeordneten Anteil der Arbeitszeit bestanden habe, liege eine BK 2109 nicht vor.

6

Der Kläger hat die vom BSG zugelassene Revision eingelegt und vorgetragen, das Urteil des LSG beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2109 der Anlage 1 zur BKV. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 verneint. Insoweit habe es angenommen, für das Tragen von Lasten auf der Schulter sei eine gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfhaltung (Zwangshaltung) erforderlich. Diese Anforderung lasse sich dem Wortlaut des BK-Tatbestands nicht entnehmen. Auch soweit das LSG annehme, dass ein HWS-belastend tätiger Versicherter mindestens eine Stunde (netto) pro Arbeitsschicht Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen haben müsse, lasse sich diese Anforderung weder dem Wortlaut des BK-Tatbestands noch dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2109 entnehmen.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Juli 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Feststellung einer BK 2109, weil er nicht, wie dort vorausgesetzt, regelmäßig schwere Lasten unter Zwangshaltung des Kopfes getragen hat (1.). Deshalb steht ihm auch kein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente nach § 56 SGB VII zu (2.). Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (3.).

11

1. Ein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr 2109 der Anlage 1 zur BKV besteht nicht.

12

a) Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3).

13

In der Anlage 1 zur BKV ist durch die 2. ÄndVO vom 18.12.1992 (BGBl I 2343) unter Nr 2109 folgende BK eingefügt worden und dort aktuell noch wie folgt bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."

14

Wie das LSG zutreffend aufgezeigt hat, definiert der Tatbestand der BK 2109 die Tatbestandsmerkmale der erforderlichen beruflichen Einwirkungen nicht anhand exakter numerischer Einwirkungsgrößen. Er verwendet stattdessen unbestimmte Rechtsbegriffe wie "langjährig" oder "schwer" (vgl zu dem insoweit vergleichbaren Problem bei BK 2108 schon: BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Der Senat hat allerdings klargestellt, dass der Umstand, dass Rechtsbegriffe in einer BK-Definition auslegungsbedürftig und -fähig sind, nicht das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verletzt (so schon zur BK 2108: BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Vielmehr ist es Aufgabe der Versicherungsträger und Gerichte unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl zu den Motiven bei der Aufnahme der BK 2109 in die BKV die amtliche Begründung: BR-Drucks 773/92, S 9) sowie anhand der Vorgaben des vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur BK 2109 (BArbBl 3/1993, S 53 - im Folgenden: Merkblatt BK 2109), die für diese BK vorausgesetzten beruflichen Einwirkungen näher zu konkretisieren. Solchen Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5), sie sind allerdings als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149, 154 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1 mwN).

15

b) Die unbestimmten Rechtsbegriffe des BK-Tatbestands der BK 2109 sind so zu verstehen, dass eine versicherte Person zur Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestands der BK 2109 den nachfolgend aufgezeigten beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sein muss (vgl zu dem insoweit vergleichbaren Problem bei BK 2108 auch BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Tatbestand der BK 2109 nicht erfüllt (zur Bestimmung des Ausmaßes der beruflichen Einwirkungen bei der BK 2108 vgl auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 16 f):

        

1.    

Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter setzt Lastgewichte von 50 kg und mehr voraus (Merkblatt BK 2109, Abschnitt IV Abs 2; Bayerisches LSG vom 13.11.2007 - L 3 U 287/06; Sächsisches LSG vom 30.9.2009 - L 6 U 32/09; LSG Berlin-Brandenburg vom 18.4.2013 - L 3 U 209/10; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b> mwN; aA "40 kg genügen" Becker in Becker et. al., Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 9 - 288 zu BK Nr 2109 Anm 1).

        

2.    

Die Lasten müssen langjährig getragen worden sein. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern ist (so wörtlich das Merkblatt 2109, Abschnitt IV Abs 3). Danach muss die belastende Tätigkeit über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ausgeübt worden sein (zum Merkmal langjährig auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; aA "mindestens 10 Jahre" Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 10/2011, § 9 SGB VII RdNr 42). Insoweit umschreibt das Merkmal "langjährig" in der Norm nur eine aus Erfahrungswissen gewonnene Dauer der Belastung, die mit "etwa zehn Jahren" angenommen wird (Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2 iVm M 2108 Anm 2.2.2; "in der Regel 10 Jahre" LSG Bremen vom 13.2.1997 - L 2 U 67/96 - HVBG-Info 1997, 1683). Es handelt sich nicht um eine starre Untergrenze. Geringe Unterschreitungen dieses Wertes schließen die Anwendung des BK-Tatbestands daher nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit noch höherem Gewicht bewegt haben (ähnlich zur BK 2108 schon BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23, 27 f = SozR 4-2700 § 9 Nr 1; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - Juris RdNr 25; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 Anh IV, 2108 erg Erl Anm 6.a> mwN). Wird allerdings eine Belastungsdauer von acht Jahren nicht erreicht, ist die BK 2109 ausgeschlossen (keine konkrete Untergrenze nannte der Senat bisher zur BK 2108, ließ aber sieben Jahre und neun Monate als möglicherweise ausreichende Belastung genügen: BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - Juris RdNr 25; Becker, SGb 2001, 488, 492, der sieben Jahre als Untergrenze vorschlägt). Bei Belastungen mit einer Dauer von weniger als zehn Jahren ist aber die haftungsbegründende Kausalität sorgfältig zu prüfen.

        

3.    

Erforderlich ist eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter, wobei das Tragen schwerer Lasten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten ausreicht, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann (vgl unter 1.d>). Wie bei der Belastungsdauer (Kriterium 2.) können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Insoweit lässt sich dem BK-Tatbestand, der Begründung des Verordnungsgebers und dem Merkblatt nur das Erfordernis eines regelmäßigen Tragens nicht aber eines arbeitstäglichen Tragens von schweren Lasten auf der Schulter entnehmen (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK 2108 auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 11a).

        

4.    

Das Tragen schwerer Lasten muss mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung einhergehen (vgl dazu unten 1.c>).

        

5.    

Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein, wie sich dem BK-Tatbestand unmittelbar entnehmen lässt.

16

c) Die soeben unter 1.b) als Nummer 4. bezeichnete Anforderung ergibt sich aus dem Willen des Verordnungsgebers, nur solche Gruppen von Versicherten in den BK-Tatbestand einbeziehen zu wollen, bei denen die außergewöhnliche Belastung der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von Lasten mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Kopfbeugehaltung und gleichzeitiger maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der HWS führte (vgl BR-Drucks 773/92, S 8 f). Dies wurde bei Schaffung des BK-Tatbestands zB für die Berufsgruppe der Fleischträger sowie für Träger von Säcken mit entsprechendem Gewicht angenommen. Diese Voraussetzung einer Zwangshaltung erschließt sich auch aus dem Merkblatt BK 2109 (BArbBl 3/1993, S 53), das in Abschnitt I als berufliche Gefahrenquelle "fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der cervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der HWS" bezeichnet. An anderer Stelle (Abschnitt IV) ist ausgeführt, für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der BK sei neben dem Ausschluss anderer Krankheitsursachen der Nachweis einer langjährigen, außergewöhnlich intensiven mechanischen Belastung der HWS erforderlich.

17

Es entspricht auch der herrschenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung, dass die BK 2109 wegen der Einwirkung des Gewichts in Achsrichtung auf die Wirbelsäule einerseits höhere Lastgewichte erfordert als die BK 2108, andererseits das bloße Tragen schwerer Lasten noch nicht zu den hier zu erfassenden Veränderungen der HWS führt. Vielmehr muss das Tragen schwerer Lasten mit einer Zwangshaltung der HWS einhergehen (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 19.1.2012 - L 2 U 134/11; Sächsisches LSG 30.9.2009 - L 6 U 32/09 - Juris RdNr 22; Hessisches LSG vom 12.2.2008 - L 3 U 20/05; LSG Baden-Württemberg vom 22.5.2003 - L 10 U 4524/01; LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.1.1997 - L 2 U 231/95 - NZS 1997, 578; aus der Literatur: Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete, 17, 1971, 841; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 13; Schönberger et. al., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, 495; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b>; Becker in Becker et. al., Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 9 - 288 zu BK Nr 2109 Anm 1; HVBG , BK-Report 2/03, Wirbelsäulenerkrankungen, 32 f).

18

d) Der vom LSG entwickelten Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Tatbestands der BK 2109 ist nur insoweit nicht zu folgen, als das Merkmal einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Tragens (Kriterium 3 oben unter 1.b > ) schwerer Lasten nur erfüllt werden könne, wenn der Versicherte täglich pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang schwere Lasten im Sinne der BK 2109 in Zwangshaltung auf der Schulter getragen habe. Eine solche Mindestbelastungszeit pro Arbeitsschicht lässt sich weder den Materialien noch dem Merkblatt zur BK 2109 noch sonstigen Hinweisen zur Auslegung des Tatbestands der BK 2109 entnehmen.

19

Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Literatur abweichend von der hier vertretenen Auffassung ein einschlägig belastender Anteil des Tragens schwerer Lasten von bis zu 30 vH der Arbeitszeit einer Schicht gefordert wird (vgl Grosser/Seide, Berufsbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule in Trauma und Berufskrankheit, 2001, 143; Sächsisches LSG vom 30.9.2009 - L 6 U 32/09 - Juris RdNr 23). Andere Autoren wollen eine geringere Tragezeit pro Arbeitsschicht genügen lassen (Schäfer et. al., Zbl Arbeitsmed 2008, 82; auf die Anzahl von Hüben je Arbeitsschicht stellt ab: Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2). Da aber in den Materialien und dem Merkblatt für die Bestimmung einer konkreten Einwirkungszeit pro Arbeitsschicht keinerlei Anhaltspunkte enthalten sind, ist die Anforderung einer täglichen Mindestarbeitszeit mit dem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter nicht begründbar (so auch Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b>).

20

Erforderlich ist aber eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter mit Zwangshaltung, wobei die Einwirkung in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten stattfinden muss, auch wenn eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht nicht hergeleitet werden kann.

21

e) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass beim Kläger die Anforderungen an die berufliche Exposition iS der BK 2109 nicht erfüllt sind, weil es an der Voraussetzung des regelmäßigen Tragens schwerer Lasten in Zwangshaltung fehlt (Kriterien Nr 3 und 4 oben unter 1.b>).

22

Der Kläger hat zwar nach den verstreuten, aber noch hinreichend klaren und nachvollziehbaren Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in einer den Voraussetzungen der BK 2109 entsprechenden Dauer und Häufigkeit schwere Lasten (über 50 kg) auf der Schulter bewegt (vgl insoweit die Kriterien Nr 1 - 3 oben unter 1.b>).

23

Das Tragen der Lasten ging aber nicht regelmäßig, sondern nur in ganz geringem zeitlichen Umfang mit einer außergewöhnlichen Belastung der HWS im Sinne einer Zwangshaltung des Kopfes einher. Das LSG hat insoweit, da Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben worden sind, für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger nur mit einem sehr untergeordneten Anteil der Arbeitszeit als Zimmerer beim Tragen der schweren Lasten eine Zwangshaltung der HWS einnehmen musste. Dies war aber nicht regelmäßig, sondern allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit Lasten (insbesondere Balken) aufnehmen, ablegen oder weiterreichen musste. An anderer Stelle des Urteils ist festgestellt, dass die Zwangshaltung des Kopfes beim Kläger in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit des Zimmerers "äußerst kurzzeitig" war und keineswegs das Tätigkeitsbild prägte. Ausgehend von diesen Feststellungen (§ 163 SGG) war der Kläger den nach BK 2109 erforderlichen beruflichen Einwirkungen im Sinne eines regelmäßigen Tragens schwerer Lasten bei bestehender Zwangshaltung der HWS nicht in hinreichendem Maße ausgesetzt.

24

Das LSG hat es deshalb im Ergebnis zu Recht abgelehnt, beim Kläger das Vorliegen einer BK 2109 anzuerkennen.

25

2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2109 hat, kann die Beklagte auch nicht verurteilt werden, ihm wegen des Versicherungsfalls "BK 2109" Verletztenrente (§ 56 SGB VII) zu zahlen. Aufgrund der Trennung der Rechtsstreite hat der Senat im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nur zu entscheiden, ob infolge des Versicherungsfalls der BK 2109 ein Anspruch auf Rente besteht.

26

3. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Der Senat hat oben (unter 1.d>) im Einzelnen begründet, dass dem Tatbestand der BK 2109 nicht entnommen werden kann, dass der Versicherte täglich pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang schwere Lasten getragen haben muss. Da die vom LSG angesetzte Stundengrenze pro Arbeitsschicht mithin nicht maßgeblich ist, kommt es auf die gegen die Feststellungen des LSG zu diesem Punkt erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an.

27

Soweit der Kläger daneben eine Sachaufklärungsrüge wegen der Verneinung der medizinischen Voraussetzungen der BK 2109 erhoben hat, ist auch diese Rüge unbeachtlich, weil seine Ansprüche nicht erst an den medizinischen Voraussetzungen scheitern. Lediglich beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens ist (vgl hierzu zuletzt auch BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 - RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Die medizinische Aussage des LSG, dass für eine Anerkennung der BK 2109 oberhalb der Wirbelsegmente C 5/C 6 bis zu C 2/C 3 degenerative Veränderungen zu fordern sind, könnte sich allerdings auf Abschnitt II des Merkblatts BK 2109 stützen. Dort wird ausgeführt, die vor der Aufnahme der BK 2109 in die BKV erstellten epidemiologischen Studien hätten gezeigt, dass bei bestimmten Personengruppen wie zB Fleischträgern insbesondere oberhalb von C 5/C 6 bis zu C 2/C 3 degenerative Veränderungen beobachtet wurden, die bei der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen waren (vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.4.2006 - L 2 KN 32/03 U). Hierzu wurde weder geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass dieses dem Merkblatt zugrunde liegende Erfahrungswissen inzwischen überholt sein könnte.

28

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

2

Der im Jahre 1953 geborene Kläger absolvierte bis Juli 1972 eine Lehre zum Kfz-Mechaniker und arbeitete in diesem Beruf anschließend bis Januar 1979. Danach war er bis zum 15.9.2008 als Schlosser mit der Instandsetzung eines Maschinenparks und der Wartung von Maschinen befasst. Seit 1.10.2008 erhält der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung des Beginns einer Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgien am 15.9.2008als Leistungsfall. Im Februar 2009 beantragte der Kläger die Anerkennung einer BK 2108. Die Beklagte lehnte das Vorliegen einer BK 2108 und eines Anspruchs auf Leistungen ab, der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 7.12.2009; Widerspruchsbescheid vom 15.3.2010). Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 3.1.2011 abgewiesen.

3

Das LSG hat auf die Berufung des Klägers nach Durchführung medizinischer Ermittlungen den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Vorliegen einer BK 2108 anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei während seiner versicherten Tätigkeit Belastungen durch Heben von Lasten iHv insgesamt 9,71 Meganewtonstunden (MNh) ausgesetzt gewesen. Darüber hinaus seien Belastungen in extremer Rumpfbeugehaltung im Umfang von zumindest 8,83 MNh zu berücksichtigen. Eine relevante Belastung im Sinne der BK 2108 sei auch bei einem Beugewinkel von 90 Grad oder etwas weniger gegeben, zumal das Referenzdosismodell der Deutschen Wirbelsäulenstudie (DWS) II bereits Rumpfbeugehaltungen ab 45 Grad einbeziehe. Es ergebe sich weder aus dem Wortlaut der BK 2108 noch aus dem Merkblatt, dass Beugewinkel von ca 90 Grad allenfalls im Bergbau zu finden sowie belastende Tätigkeiten nur zu berücksichtigen seien, sofern sie unter Zwang vorgenommen würden. Der Kläger habe jeweils 3 bis 4 Minuten in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet, womit er insgesamt 30 bis 45 Minuten in einzelnen Arbeitsschichten Belastungen durch extreme Rumpfbeugehaltungen unterlegen, sowie die Mindestschichtanzahl iHv 60 Schichten mit relevanter Wirbelsäulenbelastung pro Jahr erfüllt sei. Mit der Gesamtbelastungsdosis von zumindest 18,54 MNh liege er nicht nur weit über dem in der DWS II offenbar angenommenen Schwellenwert von 7 MNh für Männer, sondern auch über dem vom BSG in seinem Urteil vom 30.10.2007 (B 2 U 4/06 R) vorgeschlagenen Orientierungswert von 12,5 MNh. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung in Form eines chronischen degenerativen Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Lumboischialgie, die unter Berücksichtigung des späten Manifestationszeitpunktes der Erkrankung, des altersvorauseilenden Verschleißes an der Lendenwirbelsäule (LWS), des Verteilungsmusters der Veränderungen unter Mitbeteiligung der Segmente L3/L4 und L1/L2 bei gleichzeitiger Schwerpunktbildung im beruflich meist belasteten Wirbelsäulenabschnitt sowie mit der eindeutigen Akzentuierung der Umformung im Lendenkreuzbeinübergang im Vergleich zur nicht belasteten Wirbelsäule jedenfalls mitursächlich auf die berufliche Exposition bei der versicherten Tätigkeit kausal zurückzuführen sei. Es liege eine altersüberschreitende Chondrose Grad II im "Segment L 5/5" sowie vom Grad III im Segment L5/S1 vor. Das Schadensbild sei mit schwächer ausgeprägten Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule (HWS) der Konstellation B4 der Konsensempfehlungen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma Berufskrankheit 2005/3, S 211, 214 ff) zuzuordnen, bei der ein Zusammenhang mit den beruflichen Einwirkungen im Sinne der BK 2108 wahrscheinlich sei. Der Aufgabezwang für die exponierende Tätigkeit sei ab dem 15.9.2008 gesichert.

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 9 SGB VII iVm der BK 2108. Zur Begründung führt sie aus, eine Lebensbelastungsdosis des Klägers in Höhe von 18,5 MNh liege nicht vor. Das LSG setze die sog arbeitstechnischen Voraussetzungen in dem Tatbestandsmerkmal "Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung" zu niedrig an. Zum einen müssten hierfür Arbeiten mit einer Rumpfbeuge von mindestens 90 Grad in einer Zwangshaltung erfolgen, zum anderen genüge ein zeitlicher Umfang von wöchentlich 30 bis 45 Minuten keinesfalls den Anforderungen der Regelmäßigkeit, die ca 60 Arbeitsschichten voraussetze. Die vom BSG abgesenkte Gesamtbelastungsdosis von 12,5 MNh für Männer stelle keinen Orientierungswert, sondern ein Ausschlusskriterium dar. Wenn dieser Wert überschritten werde, habe dies keine positive Indizwirkung. Es hätte eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden müssen, während das LSG sich mit dem Überschreiten von 12,5 MNh und der Einordnung des Krankheitsbildes in die Kategorie B4 der Konsensempfehlungen zufrieden gegeben habe. Die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 seien zudem durch die BSG-Entscheidung vom 30.10.2007 überholt und nicht mehr durch die daran beteiligten Wissenschaftler und Ärzte autorisiert. Es sei ungewiss, ob die Autoren ihre Konsensempfehlung überhaupt abgegeben hätten, wenn von deutlich niedrigeren beruflichen Belastungen als 25 MNh auszugehen sei.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG auf die Berufung den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und das Vorliegen einer BK 2108 festgestellt.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Feststellungsklage zulässig (BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151 ff RdNr 10).

10

Der erhobene Anspruch beurteilt sich gemäß § 212 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII, weil nicht ersichtlich ist, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996, BGBl I 1254) eingetreten sein könnte. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623), die lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang; dazu unter A.) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität, dazu unter B.) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter C.) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität, dazu unter D.). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt (dazu unter E.). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 17). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14).

11

A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG absolvierte der Kläger von August 1968 bis Juni 1972 eine Lehre als Kfz-Mechaniker und arbeitete anschließend in diesem Beruf bis Januar 1979. Seitdem war er als Bau- und Instandhaltungsschlosser bis zum Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit am 15.9.2008 tätig. Den Feststellungen lässt sich gerade noch hinreichend entnehmen, dass diese Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsvertrags erfolgten und der Kläger damit als Beschäftigter iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert war.

12

B. Der Kläger unterlag im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit auch den nach dem Tatbestand der BK 2108 vorausgesetzten Einwirkungen. Danach muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit entweder langjährig schwer gehoben und getragen oder in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben, ansonsten ist der Tatbestand der BK 2108 nicht erfüllt (zur Bestimmung des Ausmaßes der beruflichen Einwirkungen bei der BK 2108 vgl auch BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - juris RdNr 23; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 16 f). Dies zu überprüfen war der Senat trotz des Inhalts der angefochtenen Bescheide nicht gehindert (dazu unter 1.). Die danach tatbestandlich alternativ vorausgesetzten Einwirkungen in Form des schweren Hebens und Tragens (dazu unter 2.) bzw von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (dazu unter 3.) liegen beim Kläger beide vor. Sie erfolgten zudem langjährig (dazu unter 4.).

13

1. Der Senat ist zunächst nicht gehindert, sowohl die Subsumtion der seitens des LSG festgestellten Einwirkungen unter den Tatbestand der BK 2108, als auch deren Geeignetheit zur Erzeugung eines Bandscheibenschadens zu überprüfen (vgl zur BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15 ff), obwohl die Beklagte im Rahmen der Begründung des Verwaltungsakts vom 7.12.2009 das Vorliegen der "arbeitstechnischen Voraussetzungen" bejaht hat. Diese Aussage der Beklagten nimmt nicht an der Bindungswirkung des Verwaltungsakts (§ 77 SGG) teil, weil in dem Bescheid durch bindenden Verfügungssatz (Regelung) alleine das Nichtbestehen der BK 2108 sowie von Ansprüchen auf Leistungen geregelt wurde (vgl BSG vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 265; vgl BSG vom 6.2.1958 - 8 RV 449/56 - BSGE 6, 288, 291; BSG vom 21.1.1959 - 11/8 RV 181/57 - BSGE 9, 80, 84; BSG vom 24.2.1960 - 9 RV 286/56 - BSGE 12, 25, 26). Zwar kann auch einem Satz aus der Begründung eines Verwaltungsakts die Bedeutung einer bindenden Feststellung zukommen (BSG vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6, RdNr 16; BSG vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 265; BSGE 66, 168, 173 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; s zum Verbot der Schlechterstellung - reformatio in peius - BSG vom 20.2.1956 - 10 RV 75/55 - BSGE 2, 225, 228 f; BSG vom 20.4.1961 - 4 RJ 217/59 - BSGE 14, 154, 158; BSG vom 23.4.1964 - 9/11 RV 318/62 - SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Bei den sog "arbeitstechnischen Voraussetzungen" handelt es sich aber nur um ein Element der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die potentielle Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193; s auch BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Somit kommt der Feststellung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Rahmen der Bescheidbegründung, die nicht als selbständiger Verfügungssatz formuliert ist, nicht die Eigenschaft einer bindenden Regelung zu, sondern nur die eines seitens des Gerichts vollständig überprüfbaren Elements der Anspruchsprüfung (s zur Überprüfbarkeit von Berechnungselementen beim Höhenstreit betr das Arbeitslosengeld: BSG vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 13).

14

2. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unterlag der Kläger im Zeitraum seiner versicherten Tätigkeit Belastungen durch Heben und Tragen von Lasten in Höhe von insgesamt 9,71 MNh (BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 9, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 4, RdNr 10).

15

3. Darüber hinaus hat das LSG ebenfalls bindend festgestellt, dass der Kläger ca einmal in der Woche Tätigkeiten in Form des Wechsels von Schaufeln und Blechen in einem zeitlichen Umfang von etwa 30 bis 45 Minuten verrichtet hat. Diese Arbeiten erfolgten mit einer Rumpfbeuge von ca 90 Grad. Da es sich hierbei um Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung gehandelt habe, sei der Kläger dadurch einer weiteren Belastung iHv 8,83 MNh ausgesetzt gewesen. Die Subsumtion dieser weiteren Belastung unter den Tatbestand der BK 2108 seitens des LSG ist nicht zu beanstanden. Auch das Tatbestandsmerkmal der BK 2108 "Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" wird nicht anhand exakter numerischer Einwirkungsgrößen definiert (vgl zu dem insoweit vergleichbaren Problem bei BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 14 sowie zur BK 2108 BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 23 ff), so dass es grundsätzlich Aufgabe der Versicherungsträger und Gerichte ist, unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl zu den Motiven bei der Aufnahme der BK 2108 in die BKV die amtliche Begründung: BR-Drucks 773/92, S 7) sowie anhand der Vorgaben des vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur BK 2108 (BArbBl 10/2006, S 30 ff), die für diese BK vorausgesetzten beruflichen Einwirkungen näher zu konkretisieren, wenn es auch Aufgabe des Verordnungsgebers ist, eine dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende und für den Rechtsanwender handhabbare gesetzliche Grundlage zu schaffen, die dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt (vgl hierzu insb das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 28). Den Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15), sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1 RdNr 17 mwN).

16

Hinsichtlich der Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nennt das Merkblatt (BArbBl 10/2006, S 30 ff) Arbeiten in Bodenhöhe oder unter der Standfläche, bei denen es zu einer Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Körperhaltung um ca 90 Grad oder mehr kommt. Ferner zählen danach Arbeiten in Arbeitsräumen dazu, die niedriger als ca 100 cm sind und somit andauernde Zwangshaltungen mit Arbeiten im Knien, Hocken, im Fersensitz oder gebeugter bzw verdrehter Körperhaltung bedingen. Beispielhaft werden unter Nennung weiterer wissenschaftlicher Quellen Berufsgruppen, bei denen solche Tätigkeiten vorkommen, aufgeführt. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Sinne der BK 2108 erfordern - unter Zugrundelegung des Merkblatts als maßgebliche Erkenntnisquelle bzw Interpretationshilfe - weder eine Zwangshaltung (dazu unter a) noch eine Rumpfbeuge von mindestens 90 Grad oder mehr (dazu unter b).

17

a) Sofern die Revision nur solche Tätigkeiten für berücksichtigungsfähig hält, die in einer "Zwangshaltung", also ohne Möglichkeit des Aufrichtens, ausgeübt werden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Erfordernis einer solchen Zwangshaltung lässt sich weder den Materialien noch dem Merkblatt zur BK 2108, weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen noch sonstigen Hinweisen zur Auslegung des Tatbestands der BK 2108 entnehmen (BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 19). Lediglich beispielhaft werden im Merkblatt Tätigkeiten im Bergbau genannt, ohne dass diese Aufzählung erkennbar abschließend ist und eine Zwangshaltung zwingend vorausgesetzt wird.

18

b) Ebenso wenig ist der Revision darin zu folgen, dass sich nur Tätigkeiten mit einer Rumpfbeuge von mindestens 90 Grad in die Berechnung einbeziehen ließen. Auch Tätigkeiten mit einer etwas weniger als 90 Grad ausgeprägten Rumpfbeuge sind zum einen mit dem Wortlaut des Verordnungstextes, der eine "extreme" und somit eine das Maß der im Alltag gewöhnlich vorkommenden überschreitende Rumpfbeugehaltung verlangt, vereinbar. Sofern das BSG in einer älteren Entscheidung ausgeführt hat, dass unter einer extremen Rumpfbeugehaltung iS der BK Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV eine Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Haltung um mehr als 90 Grad zu verstehen sei (BSG vom 1.7.1997 - 2 BU 106/97 - juris RdNr 7) und sich dieser Auffassung das BVerwG angeschlossen hat (BVerwG vom 16.4.2013 - 2 B 150/11 - juris RdNr 7), liegt diesen Entscheidungen offensichtlich das mittlerweile veraltete Merkblatt zur BK 2108 aus dem Jahre 1993 (BArbBl 3/1993, S 50) zugrunde. Der Senat hat bereits an anderer Stelle klargestellt, dass Grundlage der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung einer BK stets der im Entscheidungszeitpunkt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu sein hat (BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 14; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2103 Nr 1, RdNr 15; BSG vom 27.6 2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, SozR 4-2700 § 9 Nr 6, RdNr 17; s zum Arbeitsunfall: BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, RdNr 61).

19

Dies gilt insbesondere bei der Auslegung unbestimmter, die erforderliche Einwirkung bezeichnender Rechtsbegriffe, sofern im Rahmen der möglichen Wortbedeutung die Geeignetheit zur Verursachung des Gesundheitsschadens zu bestimmen ist. Das aktuelle Merkblatt zur BK 2108 (BArbBl 10/2006, S 30 ff) verlangt aber lediglich eine Rumpfbeuge von "ca 90 Grad". Hierbei handelt es sich um einen mittleren Schätzwert, bei dem Abweichungen nach oben und unten gleich verteilt sind (vgl zur Dosis "in der Regel 100 Feinstaubjahre" der BK 4111: BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3, SozR 4-2700 § 9 Nr 20, RdNr 19). Im vorliegenden Fall kommt es mithin nicht darauf an, ob eine Rumpfbeuge von 45 Grad - wie sie in der DWS-Folgestudie bereits als wirbelsäulenschädigend dargestellt wird - mit der möglichen Wortbedeutung des Attributs "extrem" vereinbar wäre (vgl zum Problem der Mindestbelastung bei Heben und Tragen durch Frauen das Senatsurteil vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

20

4. Die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten erfolgten darüber hinaus - wie tatbestandlich vorausgesetzt - langjährig. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108 BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt IV; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15; s zur BK 2108 bereits BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - juris RdNr 25; vgl auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 8/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; "mindestens 10 Jahre" fordern Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 7/2014, § 9 SGB VII RdNr 42; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand 12/2013, M 2108 Anm 2.2.2.). Auch dieses Merkmal erfüllt der Kläger bei ca 30 Jahren festgestellter wirbelsäulenbelasteter Tätigkeit.

21

Das LSG hat davon ausgehend zu Recht angenommen, dass beim Kläger die Anforderungen an die tatbestandlich vorausgesetzte berufliche Exposition iS der BK 2108 erfüllt sind (BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 21).

22

C. Beim Kläger besteht nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in Form eines chronischen degenerativen Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Lumboischialgie an vier Lendenbandscheiben mit einer altersüberschreitenden Chondrose Grad III im Segment L5/S1 unter Mitbeteiligung der Segmente L3/L4 und L1/L2 mit Akzentuierung der Umformung im Lendenkreuzbeinübergang. Damit liegt ein dreisegmentaler Schaden der LWS vor. Die zusätzliche Feststellung einer Chondrose Grad II in einem ersichtlich nicht existierenden "Segment L5/5" ist für die Bejahung des erforderlichen Gesundheitsschadens unerheblich. Darüber hinaus existieren demgegenüber schwächer ausgeprägte Bandscheibenschäden an der HWS.

23

D. Die Beurteilung des LSG, dass die festgestellten LWS-Schäden rechtlich wesentlich durch die versicherten Einwirkungen verursacht wurden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen einerseits und der Erkrankung andererseits erforderlich. Für die umstrittene BK 2108 bedeutet dies, dass die LWS-Erkrankung des Klägers durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff). Vorliegend hat das LSG zu Recht sowohl die (sonstigen) arbeitstechnischen (dazu unter 1.) als auch arbeitsmedizinischen Voraussetzungen (dazu unter 2.) bejaht.

24

1. Unter Zugrundelegung der bindend festgestellten Einwirkungs-Werte iHv 9,71 MNh durch Heben und Tragen von Lasten sowie 8,83 MNh durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist das LSG in durch das Revisionsgericht nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch im Hinblick auf die generelle Eignung der festgestellten Einwirkung zur Krankheitsverursachung im Sinne einer BK 2108 im Falle des Klägers gegeben sind. Die Belastungen der unterschiedlichen Einwirkungsformen "schweres Heben und Tragen" einerseits sowie "Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" hat das LSG zu Recht addiert (dazu unter a). Zutreffend hat das LSG für die Berechnung der in der Höhe und Intensität zur Erzeugung des Bandscheibenschadens genügenden Einwirkungsbelastung das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zugrunde gelegt (dazu unter b). Darüber hinaus erfolgten diese Belastungen auch regelmäßig (dazu unter c). Einer Mindest-Tagesdosis bedurfte es hingegen nicht (dazu unter d).

25

a) Zutreffend hat das LSG eine kumulative Einwirkungs-Belastung iHv 18,54 MNh zugrunde gelegt. Die vom LSG vorgenommene Addition der Belastungen durch Heben und Tragen einerseits sowie Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung andererseits in zeitlicher wie in physischer Hinsicht ist nicht zu beanstanden (s Merkblatt vom 21.9.2006 - BArbBl 2006, Heft 10, S 30, 33 aE). Angesichts der auf dasselbe Zielorgan wirkenden Belastungen, für die der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand feststehende Dosis-Wirkungsbeziehungen annimmt, geht der Senat davon aus, dass diese zusammenzurechnen sind (s zur Addition von Hebe- und Tragebelastung einerseits und Schwingungsbelastung andererseits BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8 RdNr 21).

26

b) Mit der Heranziehung des MDD zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis folgt das LSG der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der seit 2003 (BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23, 27 f = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10; BSG vom 19.8.2003 - B 2 U 1/02 R - USK 2003-219 RdNr 15; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 18 und zuletzt BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 25) dieses Modell als eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der Nr 2108 Anl BKV mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau umschriebenen Einwirkungen angesehen hat. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD sind indes nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 31; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; sowie die Urteile vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R und B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 19).

27

Der Senat hat deshalb in der soeben genannten Entscheidung seine frühere Rechtsprechung auf der Grundlage der Erkenntnisse der "Deutschen Wirbelsäulenstudie" (www.dguv.de/inhalt/leistungen/versschutz/bk/wirbelsaeule/index.html) weiterentwickelt und entschieden, dass das MDD in seiner Funktion als Konkretisierung des Ausmaßes der für die BK 2108 erforderlichen beruflichen Einwirkung derzeit nicht durch ein anderes gleichermaßen geeignetes Modell ersetzt werden kann. Der Senat hat indes im Lichte der Erkenntnisse der Ergebnisse der DWS I das MDD in mehreren Punkten modifiziert und insbesondere als unteren Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis bei Männern von 25 MNh, also 12,5 MNh, angenommen (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25).

28

Das LSG hat insoweit zur Berechnung der erforderlichen Mindestbelastungsdosis das MDD zutreffend unter Berücksichtigung der Modifikationen, die dieses durch die Rechtsprechung des Senats erfahren hat, angewandt (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 22; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 29 ff). Mit einer festgestellten Gesamtbelastungsdosis iHv 18,5 MNh wurde vorliegend der genannte untere Grenzwert erheblich überschritten. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine weitere Absenkung im Lichte der Ergebnisse der DWS-Richtwertestudie (DWS II) (korrekte Bezeichnung des Forschungsvorhabens: "Erweiterte Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie mit dem Ziel der Ableitung geeigneter Richtwerte", Kurztitel: "DWS-Richtwerteableitung", veröffentlicht unter http://www.dguv.de/ifa/Forschung/Projektverzeichnis/FF-FB_0155A.jsp) angezeigt ist oder mit den Voraussetzungen des § 9 Abs 1 SGB VII unvereinbar wäre(vgl zur Mindestbelastungsdosis bei Frauen Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

29

c) Auch die erforderliche Regelmäßigkeit der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten, die sich als Element der arbeitstechnischen Voraussetzungen dem Merkblatt 2006 (BArbBl 2006, S 30 ff Abschnitt IV) entnehmen lässt, ist gegeben. Hierbei reicht es entgegen der Auffassung der Revision aus, dass diese in der ganz überwiegenden Anzahl - mindestens 60 - der Arbeitsschichten erfolgten, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann (s Merkblatt BArbBl 10/2006, S 30 ff Abschnitt IV aE; vgl BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15 zur BK 2109). Hintergrund ist, dass bei nicht regelmäßiger Belastung den Bandscheiben genügend Zeit zur Regeneration bleibt und deshalb keine Ursächlichkeit zwischen Druckbelastung und Schädigung besteht (vgl hierzu das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Den Feststellungen des LSG lässt sich gerade noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger in mindestens 60 Schichten im Jahr einer relevanten Wirbelsäulenbelastung ausgesetzt war. Auch insoweit ist die vom LSG vorgenommene Addition der Belastungen durch das Heben und Tragen schwerer Lasten und der Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung in zeitlicher wie in physischer Hinsicht - wie bereits dargelegt - nicht zu beanstanden.

30

d) Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, lässt sich das Erfordernis des Erreichens einer Mindesttagesdosis anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands nicht begründen. Wie bei der Belastungsdauer können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Daher ist es nach wie vor nicht zu beanstanden, alle Hebe- und Tragebelastungen, die die Mindestbelastung von 2700 N bei Männern erreichen, entsprechend dem quadratischen Ansatz zu berechnen und aufzuaddieren (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 24; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 8/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 11a, sowie zur BK 2109: BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15). Dementsprechend steht es der Verursachung der Erkrankung durch die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit auch nicht entgegen, dass sich die Gesamtbelastungsdosis über 40 Jahre akkumuliert hat.

31

2. Schließlich hat das LSG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung des Klägers bejaht. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit, zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193, 199). Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 26; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23; vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 7/05 R - juris RdNr 16 zur BK nach Nr 4302 der Anlage zur BKV; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22).

32

Das Berufungsgericht hat zutreffend den wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung des Klägers unter Anwendung der arbeitsmedizinischen Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 214 ff, 228 ff) bejaht. Die Konsensempfehlungen sind nach wie vor eine geeignete Grundlage, um den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bezüglich bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu bestimmen (dazu unter a). Sie können auch dann angewandt werden, wenn der MDD-Orientierungswert für die Gesamtbelastungsdosis nicht erreicht wurde (dazu unter b). Das LSG hat schließlich in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise das von ihm bindend festgestellte Schadensbild unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands als belastungskonform angesehen (dazu unter c).

33

a) Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 zugrunde gelegt hat. Diese bilden zur Überzeugung des Senats weiterhin den aktuellen Erkenntnisstand ab. Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 9), jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BK-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (grundlegend: BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 sowie BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23; s auch BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23; s zur älteren Senatsrechtsprechung, wonach diesbezügliche Feststellungen dem Anwendungsbereich des § 163 SGG zugerechnet wurden: BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 83 = SozR 3-2700 § 9 Nr 4 = SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 4 RdNr 28; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 22, jeweils mwN). Dies muss zunächst jedenfalls immer dann gelten, wenn diese - wie hier - zulässig gerügt werden (vgl BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 14; s zur Problematik der Überprüfung von allgemeinen Tatsachen auf ihre offensichtliche Unrichtigkeit auch das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Inwieweit in der Rechtsprechung anderer Senate des BSG (zur Überprüfung sog "genereller Tatsachen" in der sonstigen Rechtsprechung des BSG vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 7 sowie speziell im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 94 = SozR 3-1500 § 163 Nr 7, RdNr 17 sowie BSG vom 12.8.2009 - B 3 KR 10/07 R - BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 135 Nr 4, RdNr 27 und zuletzt BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15, 37 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1 RdNr 55; s zu "Rechtstatsachen" BSG vom 25.10.1994 - 3/1 RK 57/93 - SozR 3-1500 § 163 Nr 5, juris RdNr 27, zu "allgemeinkundigen Tatsachen historischer Natur" BSG vom 7.2.1985 - 9a RV 5/83 - BSGE 58, 38, 42 = SozR 3100 § 5 Nr 7, RdNr 17 sowie zu "gerichtskundigen Tatsachen" BSG vom 27.1.1977 - 7 RAr 16/75 - BSGE 43, 124, 127 = SozR 4100 § 41 Nr 28 RdNr 30) eine solche Überprüfung genereller Tatsachen erfolgt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls im Bereich des Rechts der BKen hat das BSG aufgrund der in den Normtexten der jeweiligen BKen in der Anlage zur BKV regelmäßig vertypisierten wissenschaftlichen Aussagen die Existenz der einschlägigen Erfahrungssätze selbst festzustellen. Das über das Vorliegen von BKen befindende Gericht muss sich folglich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Die heranzuziehenden Quellen - Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc - hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 68 f; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

34

Hierbei ist zunächst die Zugrundelegung der Konsensempfehlungen durch das LSG als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden des Klägers nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 sind nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands, wie der Senat zuletzt 2009 klargestellt hat (BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15). Seitdem wurden zwar in Folge der Veröffentlichung der DWS II Fachaufsätze publiziert, die Zweifel an den Aussagen auch der Konsensempfehlungen äußern. Weder der DWS II noch den sonstigen Veröffentlichungen ist jedoch zu entnehmen, dass die Erkenntnisse der Konsensarbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 gerade hinsichtlich der hier zugrunde gelegten Befundkonstellation inzwischen veraltet sein könnten. Sofern vertreten wird, dass inzwischen die Ergebnisse der DWS II die wesentlichen Grundannahmen aus den Konsenskriterien widerlegten, etwa weil die bisher angenommenen Einwirkungsgrößen zu hoch seien, die Lokalisation und Häufigkeit der Verteilung von Bandscheibenschäden zu 96% mit denen der Normalbevölkerung identisch sei, die Auswertungen der DWS II keine deutliche Abhängigkeit der Begleitspondylose von der MDD-Gesamtbelastungsdosis gezeigt habe oder Schäden an der HWS keine Aussagekraft zur Verursachung von LWS-Schäden hätten (M. Kentner und K. Frank, Kommentar zur DWS-Richtwertestudie und Implikationen hinsichtlich BK 2108 - Biomechanik vs. Pathophysiologie, Manuskript, erscheint in ASUMed 8/2015; Linhardt/Grifka, Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf die Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule , MedSach 111 <2015>, 20, 21; Bergmann, Bolm-Audorff, Ditchen, Ellegast, Haerting, Kersten, Jäger, Skölziger, Kuß, Morfeld, Schäfer, Seidler, Luttmann, Lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulärsyndrom und fortgeschrittene Osteochondrose, ZblArbeitsmed 2014, 233 - 238) handelt es sich erkennbar um wissenschaftliche Einzelmeinungen.

35

Die zitierten Publikationen setzen sich zum einen jeweils inhaltlich nicht mit der grundsätzlichen Kritik an der angewandten Methodik der Nachuntersuchung auseinander (s nur Grosser, Ergebnisse der Konsensusarbeitsgruppe zur Begutachtung der BK 2108 - Status quo und Konsequenzen aus der DWS, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann, Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 84 - 104; Zagrodnik, Fragliche Belastungsdosis, DGUV Forum 2014, Nr 7/8 S 10 - 13), zum anderen schöpfen sie ihre Kritik an den Aussagen der Konsensempfehlungen alleine aus den Ergebnissen der DWS II, und wenden sich im Wesentlichen gegen die Bestimmung und Höhe der Einwirkungsgrößen, nicht aber gegen die Grundaussage der Konsensempfehlungen, dass Bandscheibenschäden aufgrund beruflich erworbener Druckbelastungs-Dosen entstehen können. Der Senat verkennt nicht, dass ein wissenschaftlicher Erkenntnisstand auch dadurch erschüttert werden kann, dass grundlegende und fundierte Zweifel seitens der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler diesem den Boden entziehen, ohne dass sich diese in ihrer Mehrheit auf einen neuen Konsens geeinigt hätten. Einzelne Gegenstimmen sind demgegenüber nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit der mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftler diesem Konsens entgegentritt.

36

Dem Senat liegen im Rahmen seiner eigenen Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Konstellation B4 der Konsensempfehlungen nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Zwar wird hierzu kritisch geäußert, aus Schäden an der HWS könnten keine Aussagen über die Verursachung von Schäden an der LWS durch Druck abgeleitet werden (M. Kentner und K. Frank, Kommentar zur DWS-Richtwertestudie und Implikationen hinsichtlich BK 2108 - Biomechanik vs. Pathophysiologie, Manuskript, erscheint in ASUMed 8/2015). Dies vermag jedoch den Aussagewert der Befundkonstellation B4 nach Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern, weil die Konsensempfehlungen gerade davon ausgehen, dass kein belastungstypisches, sondern nur ein belastungskonformes Schadensbild existiert. Damit können bestimmte Befundkonstellationen, in denen andere anatomisch nicht in gleichem Maße druckbelastete Segmente wie die der LWS genauso oder stärker geschädigt sind, den Verursachungszusammenhang nicht ausschließen, sie können allenfalls den Verdacht erzeugen, dass die Schäden der LWS wesentlich auf anlagebedingten Faktoren beruhen.

37

b) Entgegen der Revision ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das LSG auf die Aussagen der Konsensempfehlungen stützt, obwohl nach seinen eigenen Feststellungen die nach dem MDD für Männer geforderte Gesamtbelastungsdosis iHv 25 MNh durch den Kläger mit 18,54 MNh nicht erreicht wurde. So wie der erkennende Senat im Recht der BKen nicht gehindert ist, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Verursachungszusammenhängen festzustellen, ist er ebenso wenig gehindert, die korrekte Zuordnung des Sachverhalts seitens des Berufungsgerichts unter diesen einschlägigen Erkenntnisstand zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, wenn dieser in Konsensempfehlungen verdichtet ist. Bei diesen handelt es sich freilich nicht um einen normativen Text oder ein antizipiertes Sachverständigengutachten, weil die Konsensempfehlungen weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen, noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden (P. Becker, ASUMed 2009, 592, 595). Daher sind sie für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter auch nicht unmittelbar verbindlich (Siefert, ASR 2011, 45, 48) und es verbietet sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre (vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht aaO, S 199). Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuell wissenschaftlichen Erkenntnisstands einordnen zu können (Duell, Kranig, Palfner, BK-Begutachtungsempfehlungen - Wissen von Experten für Experten, DGUV Forum 2012, Nr 4 S 14, 16). Andererseits muss bei diesem Erkenntnisvorgang überprüfbar bleiben, ob das LSG nach allgemeinem Verständnis den von ihm festgestellten Sachverhalt (noch) vertretbar den in den Konsensempfehlungen aufgeführten Kategorien zugeordnet hat.

38

Nicht zu beanstanden ist im Rahmen des soeben aufgezeigten Prüfumfangs jedenfalls die Aussage des LSG, dass die Konsensempfehlungen bereits bei einem Gesamtbelastungswert von 18,54 MNh Anwendung finden können. Den Konsensempfehlungen selbst lässt sich das Erreichen der MDD-Gesamtbelastungsdosiswerte von 25 MNh jedenfalls nicht als Anwendungsvoraussetzung entnehmen. So nehmen die Konsensempfehlungen nur an wenigen Stellen Bezug auf das MDD. Auf dessen Orientierungswert wird sogar nur an einer Stelle verwiesen, nämlich als Alternative 3 der Konstellation B2, die vorliegend allerdings unerheblich ist, weil sich das LSG zur Anerkennung auf die Alternative 1 in Verbindung mit der Konstellation B4 bezogen hat. Soweit die Konsensempfehlungen unter 1.4 "Zusammenhangsbeurteilung" eine "ausreichende berufliche Belastung" fordern, lässt sich dieser Formulierung nicht entnehmen, dass damit das Erreichen des MDD-Orientierungswertes zur Gesamtbelastungsdosis vorausgesetzt wird. So führen die Autoren der Konsensempfehlungen im Vorspann aus, dass zum Zeitpunkt der Initiierung ihres Projekts die zentrale Frage der Expositionsbeurteilung ebenso wenig gelöst war, wie die der Begutachtung. Erklärtes Ziel ihrer Tätigkeit war die Formulierung konkretisierter Begutachtungskriterien, obwohl konkrete Forschungsergebnisse aus dem Parallelprojekt der DWS, mit dem die Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen beruflichen Belastungen und der Entstehung von bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankungen in einer Fallkontrollstudie einer besseren epidemiologischen Klärung zugeführt werden sollten, erst zu einem späteren Zeitpunkt erwartet wurden. Bereits dies spricht dagegen, dass die Konsensempfehlungen die Werte des MDD als Anwendungsbedingung voraussetzen.Vielmehr überlassen sie erkennbar die Beurteilung der ausreichenden Belastungen dem jeweiligen Gutachter, an den diese "Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung" adressiert sind. Jedenfalls folgt hieraus, dass die vom LSG vorgenommene "Interpretation" des Einstiegswerts der Konsensempfehlungen nicht offensichtlich falsch ist (zum Prüfansatz vgl insoweit das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R).

39

c) Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass das LSG das Vorliegen der Konstellation B4 der Konsensempfehlungen bejaht hat. Für sämtliche B-Konstellationen wird vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall hat. Sofern zusätzlich eine Begleitspondylose besteht (Befundkonstellation B1) gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt hingegen keine Begleitspondylose vor, so wird nach der ersten Alternative der Befundkonstellation B2 der Zusammenhang dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht.

40

Nach den bindenden Feststellungen des LSG bestehen beim Kläger Erkrankungen in Form einer altersüberschreitenden Chondrose Grad III im Segment L5/S1 unter Mitbeteiligung der Segmente L3/L4 und L1/L2 mit Akzentuierung der Umformung im Lendenkreuzbeinübergang. Damit liegt nach den nicht mit beachtlichen Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG ein jedenfalls drei- und damit mehrsegmentaler Schaden der LWS und damit die Voraussetzungen der B2-Konstellation in der 1. Alternative des ersten Spiegelstrichs vor. Es kommt mithin nicht darauf an, ob auch eine weitere Alternative der B2-Konstellation gegeben ist. Auch die in der auf der B2-Konstellation aufbauenden B4-Konstellation vorausgesetzten schwächer ausgeprägten Bandscheibenschäden an der HWS sind nach den Feststellungen des LSG gegeben. Bei der B4-Konstellation ist nach den Konsensempfehlungen der Zusammenhang wahrscheinlich, weshalb die darauf gestützte Feststellung des Vorliegens einer BK 2108 revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, weil gerade insoweit (betreffend die Konstellation B4) wie ausgeführt - keine wissenschaftlich beachtliche Kritik geübt wird, die die Anwendbarkeit dieser Konstellation insgesamt in Zweifel ziehen könnte (vgl zu den Grenzen der revisionsgerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten bei der Zugrundelegung der Konsensempfehlungen Senatsurteile vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R sowie B 2 U 10/14 R -, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

41

E. Schließlich hat der Kläger nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch sämtliche wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten unterlassen, weshalb die Revision der Beklagten insgesamt zurückzuweisen war.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen einer gemäß § 551 Abs 2 RVO von der Beklagten anerkannten Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) bereits für die Zeit vom 1.1.1992 bis zum 13.9.1993 zusteht.

2

Die Klägerin ist Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des im Jahre 1921 geborenen und am 21.1.2004 verstorbenen Versicherten. Dieser war von 1944 bis 1949 im französischen Steinkohlebergbau und von 1950 bis 1967 bei verschiedenen deutschen Bergbaugesellschaften ua als Hauer unter Tage tätig. Die Bergbau-Berufsgenossenschaft, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, leitete im Januar 1996 ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) gemäß § 551 Abs 2 RVO alter Fassung (chronische Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau) ein. Mit interner "Anerkennungsverfügung" erkannte sie eine "entschädigungspflichtige Erkrankung nach § 551 Abs 2 RVO (CB-E)" an und ging von einer MdE von 40 vH sowie einem Rentenbeginn am 1.9.1994 aus. Sie informierte den Versicherten über die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 1000 DM (Schreiben vom 4.12.1996) und zahlte weitere Rentenvorschüsse.

3

Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte die Bergbau-Berufsgenossenschaft sodann jedoch einen Anspruch auf Entschädigung nach § 551 Abs 2 RVO mit der Begründung ab, nunmehr liege der Entwurf des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheitenverordnung (BKV) vor. Danach solle künftig die chronisch obstruktive Bronchitis oder das Emphysem als BK in die Anlage zur BKV aufgenommen werden. Bei der Entscheidung nach § 551 Abs 2 RVO sei der Entwurf einer neuen Änderungsverordnung zur BKV mit Aufnahme einer BK 4111 in die BK-Liste im Vorgriff zu berücksichtigen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.12.1997 zurück.

4

Die dagegen vom Versicherten am 12.12.1997 erhobene Klage ist von der Klägerin nach zweimaligem Ruhen des Verfahrens, der Entscheidung des BVerfG vom 23.6.2005 (1 BvR 235/00) und dem Tod des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin fortgeführt worden. Mit Bescheid vom 28.10.2005 hat die Bergbau-Berufsgenossenschaft der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin eine Teilrente nach einer MdE von 40 vH ab dem 1.9.1994 bewilligt und den Bescheid vom 28.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.1997 gemäß § 44 Abs 1 SGB X teilweise zurückgenommen. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gelte der 23.1.1986. Die Rente beginne am 1.9.1994, weil zu diesem Zeitpunkt die neuen Erkenntnisse hinsichtlich der beruflichen Ursache dieser Krankheit vorgelegen hätten. Nach Beiziehung weiterer Arztbefunde hat die Beklagte der Klägerin mit weiterem Bescheid vom 31.3.2006 Rente nach einer MdE von 50 vH für die Zeit vom 24.4.1998 bis 21.1.2004 bewilligt.

5

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr sei aus der Versicherung ihres am 21.1.2004 verstorbenen Ehegatten wegen der anerkannten Wie-BK eine Rente nach einer MdE von 40 vH bereits ab dem 1.1.1992 zu zahlen. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2008).

6

Mit der Berufung hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, es sei nicht entscheidungserheblich, zu welchem Zeitpunkt in der medizinischen Wissenschaft die neuen Erkenntnisse vorgelegen hätten, die zur Aufnahme der BK 4111 geführt hätten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspreche es der Funktion des § 551 Abs 2 RVO als einer "Öffnungsklausel", auf den Erkenntnisstand bei Beginn der Erkrankung abzustellen. Dies hätte in vielen Fällen zur Folge, dass eine Entschädigung gerade der Erkrankungen, die Anlass zur Erweiterung der BK-Liste gegeben hätten, nicht möglich wäre.

7

Im Verhandlungstermin am 30.9.2011 haben die Beteiligten vor dem LSG sodann einen Teilvergleich geschlossen, wonach die Beklagte der Klägerin Rente nach einer MdE von 40 vH wegen der anerkannten Wie-BK für den Zeitraum auch vom 14.9.1993 bis 31.8.1994 gewährt.

8

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, mit der diese noch beantragt hatte, die Beklagte unter "teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 28.10.2005 und 31.3.2006 zu verurteilen, ihr (…) Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert vom 1.1.1992 bis zum 13.09.1993 (…) zu gewähren" (Urteil vom 30.9.2011). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherungsfall der Wie-BK trete zu dem Zeitpunkt ein, zu dem alle Voraussetzungen des hier anzuwendenden § 551 Abs 2 RVO objektiv gegeben seien. Demnach liege dieser erst dann vor, wenn neben den - hier unstreitigen - Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BK'en nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt seien. Die Feststellung des Versicherungsfalls der Wie-BK komme erst mit dem Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in Betracht. Insbesondere lasse sich auch unter Berücksichtigung des § 6 Abs 6 Satz 2 BKV aus der Neuregelung des § 6 Abs 3 Satz 2 BKV kein durchgreifendes Argument für einen früheren Beginn der Rente herleiten. Leistungen würden demnach auch bei einer anerkannten BK 4111 rückwirkend grundsätzlich längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren erbracht.

9

Die erforderlichen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse gemäß § 551 Abs 2 RVO hätten erst für die Zeit ab dem 14.9.1993 vorgelegen. Denn zu diesem Zeitpunkt habe der Entwurf der wissenschaftlichen Begründung der Sektion "Berufskrankheiten" für die Aufnahme der BK 4111 in die Anlage zur BKV vorgelegen und sei (am 14.9.1993) erstmals in diesem Gremium dezidiert beraten worden. Zuvor habe es lediglich - zum Teil aus dem Ausland stammende - Veröffentlichungen in der Literatur mit Hinweisen auf einen Kausalzusammenhang zwischen dem Entstehen einer chronischen obstruktiven Bronchitis bzw eines Emphysems und der Einwirkung von Feinstaub bei versicherter Tätigkeit von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau gegeben. Dies allein vermöge das Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse iS des § 551 Abs 2 RVO nicht zu begründen. Der Beschluss über die Aufnahme von Beratungen sei nach einer Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 10.4.2006 zwar bereits im Januar 1993 gefasst worden. Die Bestätigung der so genannten "generellen Geeignetheit", dh der grundsätzlichen Eignung von Feinstaub im Steinkohlebergbau, eine chronische Bronchitis bzw ein Emphysem zu verursachen, sei demnach erst im September 1993 erfolgt. Mit der auf den Auswertungen der von Prof. Dr. P. und Prof. Dr. B. geleiteten Arbeitsgruppen beruhenden Feststellung dieser "generellen Geeignetheit" in der Sitzung der Sektion "Berufskrankheiten" am 14.9.1993 hätten die erforderlichen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse iS des § 551 Abs 2 RVO vorgelegen. Sie hätten sich zu diesem Zeitpunkt zur BK-Reife verdichtet. Wenn die Klägerin darauf verweise, maßgebliche Daten hätten in Großbritannien bereits im Jahre 1988 vorgelegen, so seien diese britischen Daten gemeinsam mit anderen, erst noch aus der Literatur zusammenzustellenden Befunden zum Zwecke einer abschließenden Bewertung durch das hierfür vorgesehene Gremium zunächst zu kompilieren und so einer umfassenden Überprüfung gerade mit Blick auf die bergbaulichen Verhältnisse in Deutschland erst zugänglich zu machen gewesen.

10

Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft lägen (erstmals) in dem Zeitpunkt vor, in dem sie in einer zur Beratung und wissenschaftlichen Gesamtbewertung durch das maßgebende Gremium geeigneten Form diesem Gremium erstmals vorgelegen hätten und lediglich noch Details einer einzuführenden BK zu klären gewesen seien. Dieser Zeitpunkt sei bei der BK 4111 der 14.9.1993 gewesen. Ab diesem Zeitpunkt seien lediglich noch Beratungen über die Möglichkeit und den Inhalt einer kumulativen Staubdosis erforderlich gewesen, nach deren Abschluss sei dann im April 1995 der Beschluss der wissenschaftlichen Empfehlung erfolgt. Das lediglich noch zur Beratung und späteren normativen Festlegung verbliebene notwendige Ausmaß der schädigenden Einwirkung nach zeitlichem Umfang und Staubkonzentration sei hingegen ohne wesentliche Bedeutung für die Frage des Zeitpunkts des Vorliegens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse iS des § 551 Abs 2 RVO.

11

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 551 Abs 2 RVO. Der Versicherungsfall einer "Wie-BK" trete gemäß § 551 Abs 3 Satz 2 RVO mit dem Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder des Beginns der MdE ein(Hinweis auf BSG vom 24.2.2000 - B 2 U 43/98 R). Dies sei hier nach den Feststellungen des LSG am 23.1.1986 der Fall gewesen. Jedenfalls ab dem 1.1.1992 habe eine MdE von 40 vH vorgelegen. Für die Anerkennung einer Wie-BK iS des § 551 Abs 2 RVO müssten sich die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse noch nicht im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten zur BK-Reife verdichtet haben. Es genüge, dass die BK-Reife im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch auf eine Leistung eingetreten sei. Die erstmalige verbindliche Entscheidung der Beklagten über den Anspruch sei am 28.10.1997 erfolgt. Nach dem LSG hätten die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bereits ab dem 14.9.1993 vorgelegen, sodass die Entscheidung der Beklagten mithin vier Jahre nach dem Vorliegen dieser Erkenntnisse erfolgt sei. Die Beklagte habe daher die Entscheidung über die Zahlung der Verletztenrente in rechtswidriger Weise verzögert. Das LSG habe insoweit die Rechtsprechung des BVerfG nicht angewandt (Hinweis auf BVerfG vom 23.6.2005 - 1 BvR 235/00). Schließlich bestimme § 6 Abs 2 Satz 2 BKV, dass der Anspruch für vier Jahre rückwirkend begründet sei. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 19/10 R) sei diese Vorschrift auch auf den Fall anzuwenden, dass einem Unfallversicherungsträger die vor dem 1.1.1993 eingetretene Erkrankung auch ohne Antrag bekannt werde.

12

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30.9.2011 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.9.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Regelung über den Rentenbeginn in den Bescheiden vom 28.10.2005 und 31.3.2006 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 13.9.1993 eine Verletztenrente als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes nach einer MdE von 40 vH zu gewähren.

13

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

14

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Der Versicherungsfall einer Wie-BK liege erst dann vor, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BK'en nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt seien. Dies sei hier frühestens am 14.9.1993 der Fall gewesen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass für den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 13.9.1993 ein Rechtsanspruch des Versicherten auf Anerkennung einer Wie-BK nicht bestand, den die Klägerin als Rechtsnachfolgerin geltend machen könnte. Insofern hat die Beklagte zu Recht ihre Aufhebung der ursprünglichen Bescheide aus dem Jahre 1997 gemäß § 44 SGB X auf den Zeitraum ab dem 14.9.1993 beschränkt. Diese Bescheide enthalten zugleich eine negative Regelung über einen früheren Rentenbeginn und sind gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits des Versicherten gegen die Beklagte geworden.

16

Der Versicherungsfall der Wie-BK tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem tatsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die arbeitsbedingte Verursachung einer bestimmten Erkrankung sich zur sog BK-Reife verdichtet haben (sogleich unter 1.). Es ist weder aus tatsächlichen Gründen (hierzu unter 2.) geboten, hinsichtlich der BK 4111 der Anlage 1 zur BKV von einem früheren Zeitpunkt des Versicherungsfalls als dem vom LSG festgelegten 14.9.1993 auszugehen, noch ist es aus Rechtsgründen geboten, den Zeitpunkt des Versicherungsfalls weiter vorzuverlegen (hierzu unter 3.).

17

1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für das Handeln der Beklagten ist hier noch § 551 Abs 2 RVO, der nach der Übergangsregelung des § 212 SGB VII weiterhin einschlägig ist, weil der Versicherungsfall in jedem Falle vor Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten ist. Nach § 551 Abs 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung (gemeint ist die BKV) bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO vorliegen. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl zuletzt BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 13/09 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 18 RdNr 9 zu § 9 Abs 2 SGB VII), ergeben sich für die Feststellung des Vorliegens einer Wie-BK die folgenden Tatbestandsmerkmale: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 551 Abs 1 Satz 2 RVO bzw § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen Erkenntnissen (§ 551 Abs 2 RVO) bzw nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats enthält diese Vorschrift keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als "Wie-BK" anzuerkennen wäre (vgl nur BSG vom 23.6.1977 - 2 RU 53/76 - BSGE 44, 90 = SozR 2200 § 551 Nr 9; BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9).

18

Da nach den insoweit bindenden Feststellungen des LSG die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 2 RVO(jetzt: § 9 Abs 2 SGB VII) vorliegen, war hier nur noch streitig, zu welchem Zeitpunkt die "neuen Erkenntnisse" im Sinne dieser Norm gegeben waren. Denn erst in diesem Zeitpunkt bestand ein Anspruch des Versicherten auf Anerkennung einer Wie-BK. Nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls kann dieser auch vorliegen (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 16). Der Versicherungsfall der Wie-BK setzt aber voraus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt neue Erkenntnisse der Wissenschaft über Kausalzusammenhänge vorliegen. Erst in diesem Zeitpunkt entstehen auch mögliche Leistungsansprüche aus dem Versicherungsfall der Wie-BK (vgl P. Becker in Becker ua, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) - Kommentar, § 9 RdNr 325b; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 9 RdNr 42). Allerdings müssen diese Kenntnisse nicht bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Erkrankung vorgelegen haben, der hier, wovon auch die Beteiligten ausgehen, am 23.1.1986 lag. Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssten sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 22; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris RdNr 17). Hieraus folgt aber noch nicht - was die Klägerin offenbar meint -, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls der Wie-BK (hier der Zeitpunkt des Vorliegens neuer Erkenntnisse) gleichsam rückwirkend für den Zeitpunkt des Eintritts der Krankheit fingiert werden könnten. Auch aus der Regelung des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO(jetzt: § 9 Abs 5 SGB VII) folgt nichts anderes (s im Einzelnen noch unter 3 b).

19

2. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass jedenfalls vor dem 14.9.1993 die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Wie-BK nicht vorgelegen haben. Nach den von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lagen jedenfalls an diesem Tag dem Sachverständigenbeirat beim BMA die beiden Literaturstudien von B. et al bzw P. et al vor und hat der Sachverständigenbeirat grundsätzlich die Anerkennung einer neuen Listen-BK 4111 gefordert. Zu diskutieren sei bis zur endgültigen Empfehlung vom 4.4.1995 lediglich das geforderte Ausmaß der schädigenden Einwirkung gewesen. Es kann dahinstehen, ob dem beizutreten ist oder ob nicht der 4.4.1995 als maßgeblicher Zeitpunkt der BK-Reife zu gelten hat, was der Senat bereits entschieden hat. In seinem Urteil vom 2.12.2008 (B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 15) hat er klargestellt, dass angesichts der Tatsache, dass die obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem im Jahr 1995 noch nicht in der BKV bezeichnet worden waren (vgl die damals geltende 7. Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.6.1968, BGBl I 721 idF der 2. Änderungsverordnung vom 18.12.1992, BGBl I 2343), die generellen Voraussetzungen für die Bezeichnung dieser Erkrankungen als Listen-BK erst mit der Anerkennungsempfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten vom 4.4.1995 vorlagen (vgl Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 1.8.1995, BArbBl 1995 Heft 10, S 39 ff).

20

Es kann dahinstehen, ob hieran angesichts der umfangreichen Ermittlungen des LSG zum Ablauf der Beratungen im Sachverständigenbeirat festzuhalten und ob der vom LSG festgesetzte Zeitpunkt der BK-Reife (14.9.1993) bei der chronischen obstruktiven Bronchitis und dem Emphysem von Bergleuten vorzugswürdig wäre. Denn die Beklagte hat diesen Zeitpunkt in dem vor dem LSG geschlossenen Vergleich selbst zugrunde gelegt und lediglich die Klägerin führt das Rechtsmittel der Revision. Allerdings wird beiläufig darauf hingewiesen, dass der jeweilige Zeitpunkt der förmlichen Empfehlung des Sachverständigenbeirats (hier der 4.4.1995) zweifelsohne den Vorteil einer rechtssicheren Handhabung in sich trägt. Das Vorgehen des LSG hat im Einzelfall den Nachteil, dass ohne eine dokumentierte förmliche Beschlussfassung in dem Gremium jeweils im Einzelfall (ggf unter Heranziehung der beteiligten Sachverständigen als Zeugen) zu ermitteln ist, wann ein (an welchen Kriterien auch immer festzumachender) Konsens in dem Sachverständigenbeirat festgestellt werden kann.

21

3. Es ist kein weiterer Rechtsgrund ersichtlich, den Eintritt des Versicherungsfalls auf einen früheren Zeitpunkt festzulegen.

22
        

a) Offenbar leitet die Klägerin aus der bereits erwähnten Rechtsprechung des Senats, dass die neuen (wissenschaftlichen) Erkenntnisse jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen (aaO; vgl auch BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 22), ab, dass dieser Erkenntnisstand sodann auf den Beginn des Verwaltungsverfahrens bzw den Eintritt der Erkrankung zurückwirke (insofern nicht nachvollziehbar ist allerdings der Hinweis auf BSG vom 24.2.2000 - B 2 U 43/98 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 14). Das BSG hat hingegen mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung lediglich sicherstellen wollen, dass insofern nicht zu Lasten der Versicherten auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Erkrankung abzustellen ist, sodass nachträgliche Erkenntnisse (nach Beginn des Verwaltungsverfahrens) noch zu Gunsten der jeweiligen Kläger wirken können. Dies ändert freilich nichts daran, dass (erst) nachträglich ein bestimmter Zeitpunkt feststellbar sein muss, an dem sich die Erkenntnisse der Wissenschaft zur BK-Reife verdichtet haben. So hat der Senat in seinem Urteil vom 14.11.1996 (2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 22) ausgeführt:

"Das in § 551 Abs 2 RVO versicherte Risiko realisiert sich erst zu dem Zeitpunkt, in dem entsprechende 'neue Erkenntnisse' gesichert vorliegen. Würde man, wie die Revision meint, auf den Erkenntnisstand der Erkrankung - im Fall des Klägers damit auf das Jahr 1986 - abstellen, so bedeutete dies in vielen Fällen, dass eine Entschädigung gerade der Erkrankungen, die Anlass zur Entwicklung des neuen Erkenntnisstands gegeben haben, nicht möglich wäre. Dies hätte ein der Funktion des § 551 Abs 2 RVO als 'Öffnungsklausel' widersprechendes Ergebnis zur Folge (Koch in Schulin aaO § 37 RdNr 24 unter Hinweis auf § 9 Abs 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts in der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch - s inzwischen Gesetz vom 7. August 1996 - Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - BGBl I 1254). Der Rechtsprechung des BSG zum Umfang der Rückwirkungsvorschriften in Art 2 Abs 2 der 2. ÄndVO zur BKVO vom 18. Dezember 1992 in Bezug auf § 551 Abs 2 RVO hätte es - wie auch das LSG zutreffend ausgeführt hat - nicht bedurft, wenn darin die Rechtsauffassung vertreten worden wäre, die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse hätten zumindest im Zeitpunkt der Erkrankung vorliegen müssen. Diese Rechtsstreitigkeiten waren in tatsächlicher Hinsicht sämtlich dadurch gekennzeichnet, dass die neuen medizinischen Erkenntnisse zu den BKen Nrn 2108 und 2109 (BSG Urteile vom 25. August 1994 - 2 RU 42/93 - BSGE 75, 51 ff sowie Urteil vom 19. Januar 1995 - 2 RU 14/94 - HV-Info 1995, 1331) und zur BK Nr 4104 (BSG Urteile vom 19. Januar 1995 - 2 RU 13/94 - HV-INFO 1995, 972 sowie 2 RU 20/94 - HV-Info 1995, 1141) erst nach Inkrafttreten der 1. ÄndVO vom 22. März 1988 (BGBl I 400) zum 1. April 1988 gesichert vorlagen, während die Versicherten bereits vorher erkrankt und - soweit die Entschädigung von Wirbelsäulenerkrankungen umstritten waren - aus dem Berufsleben ausgeschieden waren."

23

b) Auch die Regelung des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO ist entgegen der Rechtsansicht der Revision für die Bestimmung des Zeitpunkts des Versicherungsfalls nicht einschlägig. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, enthält diese Norm lediglich eine Regelung über und für den Leistungsfall (grundlegend BSG vom 27.7.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr 35; bestätigt ua BSG vom 10.8.1999 - B 2 U 20/98 R - SozR 3-2200 § 571 Nr 4 S 15). § 551 Abs 3 Satz 2 RVO(jetzt: § 9 Abs 5 SGB VII)und enthält eine Regelung über den Versicherungsfall lediglich, soweit dieser für Regelungen des Leistungsrechts, wie etwa die Bestimmung des Jahresarbeitsverdienstes etc, von Bedeutung ist (so explizit der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom UVEG vom 24.8.1995, BT-Drucks 13/2204, S 78 zu § 9 Abs 5 SGB VII; vgl auch Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 9 RdNr 34). § 551 Abs 3 Satz 2 RVO enthält nach dieser Rechtsprechung(aaO) eine eigenständige Bestimmung für den Leistungsfall, für den ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen ist. Die Beklagte hat gerade einen solchen in dem Bescheid vom 31.3.2006 auch vorgenommen, indem sie ausführte, dass für die Leistungen auf den 23.1.1986 abgestellt werde (instruktiv zu diesem Günstigkeitsvergleich Brandenburg in jurisPK-SGB VII, § 9 RdNr 130 f). Allein für den Leistungsfall und nicht auch für den Versicherungsfall ist der Beginn der Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts maßgebend (vgl BSG vom 27.7.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr 35 S 70).

24

c) Auch aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Senats zur Rückwirkungsklausel des § 6 Abs 6 Satz 2 BKV vom 17.5.2011 (B 2 U 19/10 R - SozR 4-5671 § 6 Nr 5) kann nichts dafür abgeleitet werden, dass der Versicherungsfall hier vor dem 14.9.1993 eingetreten sein könnte. Der Senat hat in dieser Entscheidung lediglich Ausführungen dazu gemacht, wann der Versicherungsfall einer Listen-BK eintritt, und klargestellt, dass dies nicht vor dem Zeitpunkt sein kann, zu dem ihre Aufnahme in die Anlage zur BKV in Kraft getreten ist. Weiterhin hat der Senat dort nur klargestellt, dass § 6 Abs 3 Satz 2 BKV(idF vom 11.6.2009, BGBl I 1273 mWv 1.7.2009) lediglich darauf abzielt, entgegen dem früheren Recht ab dem 1.7.2009 die Anerkennung einer vor dem 1.1.1993 aufgetretenen Erkrankung als Versicherungsfall der BK 4111 zu eröffnen, ohne den Zeitpunkt der Einführung der BK 4111 zum 1.12.1997 oder der Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs zum 1.7.2009 in Frage zu stellen. Nicht die rückwirkende Anerkennung der BK 4111, sondern lediglich die Anerkennung der zurück-, vor dem 1.1.1993 liegenden Erkrankungen als BK 4111 sollte eingeräumt werden, ansonsten hätte es einer rückwirkenden Inkraftsetzung des § 6 Abs 3 Satz 2 BKV hinsichtlich der Rechtsfolge des Eintritts des Versicherungsfalls bedurft.

25

Mithin hätte die Revision hier nur Erfolg haben können, wenn sie dargelegt hätte, dass bereits vor dem 14.9.1993 neue, gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft zur chronischen obstruktiven Bronchitis bzw zum Emphysem von Bergleuten vorgelegen haben, die die Entscheidung des LSG, den Zeitpunkt des Versicherungsfalls gemäß § 551 Abs 2 RVO auf den 14.9.1993 festzulegen, in Frage hätten stellen können. Solches trägt die Revision aber gerade nicht vor.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Halswirbelsäulenerkrankung als Wie-Berufskrankheit (BK) streitig.

2

Die 1947 geborene Klägerin leidet an Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule. Sie war im Anschluss an ihr abgeschlossenes Musikstudium von August 1970 bis Juli 1972 als Geigenlehrerin sowie von August 1972 bis Juli 1992, von September 1992 bis Dezember 1993 und von Mai 1994 bis Mai 1998 im Beitrittsgebiet als Geigerin in verschiedenen Orchestern tätig.

3

Auf ärztliche Anzeige vom 23.3.2001 wegen des Verdachts einer BK holte die Beklagte ärztliche Gutachten ein. Dr. L., Leiter des Europäischen Instituts für Bewegungsphysiologie, M. , führte in seinem Gutachten vom 28.9.2002 aus, die Halswirbelsäulenerkrankung sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das jahrelange Instrumentalspiel entstanden oder wesentlich mitverursacht worden. Prof. Dr. D., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität M., gelangte in seinem Gutachten vom 8.1.2003 zu dem Ergebnis, das Geigenspiel gehe zwar mit einer außergewöhnlichen Zwangshaltung in Form einer "Schulter-Kopf-Zwinge" einher. Allerdings könne die sog "Gruppentypik" anhand neuer statistisch gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht festgestellt werden.

4

Die Beklagte lehnte es ab, eine Wie-BK festzustellen (Bescheid vom 25.3.2003; Widerspruchsbescheid vom 30.11.2005). Hiergegen hat die Klägerin Klage zum SG Neuruppin erhoben, das weitere Begutachtungen veranlasst hat. Dr. B., Institut für sozialmedizinische Begutachtung GbR im Krankenhaus W., hat in seinem Gutachten vom 6.6.2007 dargelegt, die Wirbelsäulenbeschwerden seien nicht auf die berufliche Tätigkeit als Orchestermusikerin zurückzuführen. Prof. Dr. A., Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin, H., hat in seinem Gutachten vom 3.5.2010 darauf hingewiesen, für eine berufsbedingte Wirbelsäulenerkrankung spreche die kumulative Lebensarbeitszeit an der Geige in Zwangshaltung aufgrund der "Schulter-Kinn-Zange" und die mit dem Schrifttum übereinstimmende Häufigkeit der Beschwerden bei Geigern. Dabei handele es sich um Plausibilitätsargumente, da bislang keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse existierten.

5

Das SG Neuruppin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.9.2010). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 23.2.2012 hat es ausgeführt, auf das Recht der ehemaligen DDR komme es nicht an, weil die Erkrankung der Klägerin erst nach dem 31.12.1993 der Beklagten bekannt geworden sei. Die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO und des § 9 Abs 2 SGB VII für die Feststellung einer Wie-BK seien nicht erfüllt. Zwar seien Streicher wegen der nur in dieser Berufsgruppe auftretenden "Schulter-Kinn-Zange" besonderen Einwirkungen in höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt. Es fehle aber an der generellen Geeignetheit dieser Einwirkung für die Verursachung von Halswirbelsäulenbeschwerden. Die erforderliche sog "Gruppentypik" setze in der Regel anhand statistisch relevanter Zahlen den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine lange zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder voraus, um mit Sicherheit eine andere Krankheitsursache ausschließen zu können. Entsprechende epidemiologische Erkenntnisse seien aufgrund der geringen Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Streicher aber nicht vorhanden. Auch sonstige, die generelle Geeignetheit belegende Erkenntnisse seien nicht ersichtlich. Die von Prof. Dr. A. hervorgehobene Plausibilität genüge ebenso wenig wie der von mit Musikererkrankungen vertrauten Ärzten publizierte Ursachenzusammenhang. Gerade vor dem Hintergrund, dass in der Bundesrepublik Deutschland nur etwa 4100 Streicher betroffen seien und es sich bei der Halswirbelsäulenerkrankung um eine sog Volkskrankheit handele, könne der Nachweis des gruppenspezifischen Risikos nicht schon mit der Einschätzung einzelner mit Musikererkrankungen befasster Fachärzte geführt werden. Die besonderen Beweisprobleme im Falle kleinerer Berufsgruppen seien der Entscheidung des Gesetzgebers für das verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Listensystem geschuldet. Dieser sei dem im Zusammenhang mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) unterbreiteten Vorschlag, die Feststellung einer Wie-BK unter erleichterten Voraussetzungen zu ermöglichen, gerade nicht gefolgt.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 9 Abs 2 SGB VII sowie die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Das Fehlen neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse stehe der Anerkennung der Wie-BK nicht entgegen, weil sich der Verordnungsgeber mit den besonderen Einwirkungen von hohen Streichern noch gar nicht befasst habe und eine Auseinandersetzung damit auch nicht geplant sei. Abgesehen davon könne nach der Rechtsprechung des BSG zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse ausnahmsweise bei fehlender epidemiologischer Evidenz einerseits und gegebener biologischer Evidenz andererseits auf eine statistisch nachgewiesene Gruppentypik verzichtet werden. Das LSG habe zu hohe Anforderungen an die Beweisführung gestellt und zahlreiche, das Begehren stützende Umstände nicht berücksichtigt. Sowohl Prof. Dr. A. als auch Dr. L. gingen von einer berufsbedingten Erkrankung aus. Ein medizinischer Erfahrungssatz, dass eine durch das Violinspiel hervorgerufene Halswirbelsäulenerkrankung im Falle weiterer Verschleißerscheinungen der gesamten Wirbelsäule ausscheide, existiere nicht. Selbst der Bundesverband der Unfallkassen gehe bei Streichern in seiner Broschüre "Musikermedizin, Musikerarbeitsplätze" von berufsrelevanten Erkrankungen der Hals- und Brustwirbelsäule aus. Dass sich gleichwohl der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS mit der streitgegenständlichen Thematik weder bislang beschäftigt habe noch in Zukunft auseinandersetzen werde, dürfe nicht zu Lasten der Streicher gehen. Ansonsten wäre ein bestimmter Berufsstand trotz besonderer Einwirkungen von der Anerkennung einer BK auf Dauer ausgeschlossen. Schließlich sei bei hohen Streichern in der ehemaligen DDR, in Frankreich und in Tschechien eine BK anerkannt worden.

7

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2012 und des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. September 2010 sowie die Ablehnung einer Wie-Berufskrankheit im Bescheid der Beklagten vom 25. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erkrankung der Halswirbelsäule als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Revision sei bereits unzulässig, da die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG genüge. Inwieweit das LSG die Vorschrift des § 9 Abs 2 SGB VII fehlerhaft ausgelegt habe, sei nicht schlüssig dargetan. Soweit die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG beanstande, sei eine Verfahrensrüge nicht erhoben worden. Die Revision sei aber auch unbegründet. Es fehle an epidemiologischen Erkenntnissen, dass die "Schulter-Kinn-Zange" generell geeignet wäre, eine Halswirbelsäulenerkrankung hervorzurufen. Die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen spiegelten nicht den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand, sondern nur Einzelmeinungen wider.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

11

Die Klägerin hat in zulässiger Weise Revision eingelegt. Bei ihrem Prozessbevollmächtigten handelt es sich um eine selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, die nach § 73 Abs 4 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 2 Nr 5 SGG zur Vertretung vor dem BSG zugelassen ist.

12

Die Revision genügt entgegen der Ansicht der Beklagten den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG. Danach muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Insoweit ist mit rechtlichen Erwägungen aufzuzeigen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird. Es bedarf einer Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und der Darlegung, inwieweit die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Bundesrechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (zuletzt BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 sowie BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 10 mwN). Dem trägt die Revisionsbegründung Rechnung. Aus ihr geht hervor, weshalb die Klägerin die angefochtene Entscheidung für unzutreffend hält. Sie hat eine Verletzung des § 9 Abs 2 SGB VII gerügt und ua ausgeführt, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Feststellung einer Wie-BK scheitere am Fehlen epidemiologischer Studien.

13

Die Revision der Klägerin ist allerdings unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das die zulässig kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, RdNr 11 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 mwN) abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK im Bescheid der Beklagten vom 25.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

14

Es kann offenbleiben, seit wann die Halswirbelsäulenerkrankung der Klägerin besteht und ob sich der geltend gemachte Anspruch noch nach den Vorschriften der RVO oder den am 1.1.1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des SGB VII richtet (Art 36 UVEG, § 212 SGB VII). Denn die Regelungen über die Anerkennung einer Wie-BK sind im SGB VII gegenüber der RVO im Wesentlichen inhaltlich unverändert geblieben.

15

Nach § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 RVO) haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII(§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO) erfüllt sind (sog Öffnungsklausel für Wie-BKen). Die Feststellung einer Wie-BK nach dieser Vorschrift ist ua vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig (zuletzt BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 33/11 R - mwN, auch zu den weiteren Voraussetzungen einer Wie-BK - SozR 4-2700 § 9 Nr 21 RdNr 17). Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII(§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Die insoweit in früheren Entscheidungen des Senats verwendeten Begriffe der Gruppentypik, generellen Geeignetheit und gruppentypischen oder -spezifischen Risikoerhöhung dienten allein der Erläuterung oder Umschreibung der aufgezeigten Voraussetzungen, ohne dass damit andere Anforderungen an die Anerkennung einer Wie-BK gestellt werden sollten (BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 13/09 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 18 RdNr 15 mwN).

16

Die Klägerin war aufgrund ihrer versicherten Tätigkeit als Beschäftigte nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII(§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) und ihrer Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Streicher besonderen Einwirkungen durch die "Schulter-Kinn-Zange" in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt. Als Einwirkung kommt jedes auf den Menschen einwirkende Geschehen in Betracht (BSG aaO RdNr 19). Die Klägerin leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule, die als BK iS des § 9 Abs 1 SGB VII(§ 551 Abs 1 RVO) zugrunde gelegt werden könnte. Allerdings fehlt es am generellen Ursachenzusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der besonderen Einwirkung.

17

Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" iS des § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 iVm § 551 Abs 1 Satz 2 RVO) nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - Juris RdNr 22; bereits BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 35 mwN = SozR 3-2200 § 551 Nr 12).

18

Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII(§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO) sind BKen grundsätzlich nur solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII(§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO)begründenden Tätigkeit erleiden. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das "Listensystem" als Grundprinzip des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung festgelegt. Mit der Einführung der Wie-BK in § 551 Abs 2 RVO durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30.4.1963 (BGBl I 241) wurde eine Ausnahme vom Listenprinzip nur für den Fall zugelassen, dass der Verordnungsgeber wegen der regelmäßig notwendigen mehrjährigen Intervalle zwischen den Anpassungen der BKV an die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht rechtzeitig tätig wird (BSG vom 25.8.1994 - 2 RU 42/93 - BSGE 75, 51, 54 = SozR 3-2200 § 551 Nr 6 S 14). Sinn des § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 RVO) ist es, ausnahmsweise vom Listensystem abweichen zu können, um solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht vorhanden waren oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt wurden (vgl BSG vom 4.8.1981 - 5a/5 RKnU 1/80 - SozR 2200 § 551 Nr 18 S 27). Die Anerkennung einer Wie-BK knüpft damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber auch nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII(§ 551 Abs 1 Satz 3 RVO) für die Aufnahme einer Erkrankung in die Liste zu beachten hat.

19

Die damit zur Anerkennung einer Wie-BK notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft liegen nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die er zur Klärung der generellen Tatsache (vgl hierzu BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 15)des Zusammenhangs zwischen "Schulter-Kinn-Zange" und bandscheibenbedingter Halswirbelsäulenerkrankung heranziehen und auswerten durfte, nicht vor. Hinsichtlich eines solchen Zusammenhangs fehlt es an epidemiologischen Studien und statistisch relevanten Zahlen, die wegen der geringen Anzahl von Berufsgeigern auch nicht zu erwarten sind. Auch wenn eine besondere Gefährdung der Streicher durch die mit der "Schulter-Kinn-Zange" einhergehende Fehlhaltung zu beobachten ist, lässt sich ein Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und morphologischer Veränderung der Wirbelsäule mangels statistisch gesicherter Erkenntnisse nicht herstellen. Zwar führt Dr. L. in seinem Gutachten vom 28.9.2002 die Halswirbelsäulenerkrankung der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das jahrelange Instrumentalspiel zurück. Zudem bestätigt Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 8.1.2003 eine durch das Geigenspiel bedingte außergewöhnliche Zwangshaltung. Er führt aber ferner aus, dass die sog Gruppentypik anhand neuer gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht festgestellt werden könne. Auch Prof. Dr. A. hält in seinem Gutachten vom 3.5.2010 zwar eine berufsbedingte Wirbelsäulenerkrankung für gegeben, weist aber ebenfalls darauf hin, dass die hierfür sprechende Lebensarbeitszeit an der Geige einerseits sowie die Häufigkeit des Auftretens der Wirbelsäulenbeschwerden bei Geigern andererseits den generellen Ursachenzusammenhang lediglich plausibel erscheinen ließen und es an die Kausalität belegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen fehle. Schließlich ist das im Jahr 2001 durchgeführte 3. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin zu dem Ergebnis gelangt, dass die publizierten Daten zur Epidemiologie funktioneller und struktureller Erkrankungen der Wirbelsäule bei Musikern in sowohl quantitativer als auch qualitativer Hinsicht sehr dürftig seien (Seidel/Lange, Institut für Musikpädagogik und Musiktheorie, Die Wirbelsäule des Musikers, 2001). Eine Vielzahl fachkundiger Mediziner, die eine Verursachung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Halswirbelsäulen durch die "Schulter-Kinn-Zange" für hinreichend wahrscheinlich halten, existiert damit nicht. Für die Annahme gesicherter Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft iS des § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 iVm § 551 Abs 1 Satz 2 RVO) genügt es nicht, dass einzelne Mediziner die Verursachung von Halswirbelsäulenbeschwerden durch eine Fehlbelastung infolge der "Schulter-Kinn-Zange" für plausibel oder wahrscheinlich halten. Es reicht nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, vielmehr muss sich eine sog herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris RdNr 19).

20

Allerdings hat der Senat zu sog Seltenheitsfällen entschieden, dass die den generellen Ursachenzusammenhang zwischen besonderer Einwirkung und Erkrankung belegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließlich anhand von Methoden der Epidemiologie und statistischer Belege nachgewiesen werden müssen. Fehlt es an einer im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung von Krankheitsbildern, da aufgrund der Seltenheit einer Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kommt nach dieser Rechtsprechung ausnahmsweise auch ein Rückgriff auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten und auf frühere Anerkennungen entsprechender Erkrankungen, auch in der ehemaligen DDR, in Betracht (BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - Juris RdNr 22 mwN; BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 252 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 S 21). Es kann offenbleiben, ob eine solche Vorgehensweise unter Zugrundelegung eines geringeren wissenschaftlichen Standards überhaupt mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII(iVm § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) für die Anerkennung einer Wie-BK vereinbar ist. Ihre Zulässigkeit unterstellt, kann ferner dahingestellt bleiben, ob sie auch dann in Betracht kommt, wenn - wie hier - gar kein Seltenheitsfall gegeben, sondern stattdessen eine Berufsgruppe betroffen ist, bei der wegen ihrer geringen Größe epidemiologische Studien nicht zu erwarten bzw unmöglich sind. Denn selbst bei Zugrundlegung eines geringeren wissenschaftlichen Standards reichen die über die bereits beschriebenen Unterlagen hinausgehenden aktenkundigen Erkenntnisse nicht aus, einen Zusammenhang zwischen der "Schulter-Kinn-Zange" von Berufsgeigern und bandscheibenbedingten Halswirbelsäulenerkrankungen als hinreichend wissenschaftlich belegt zu betrachten.

21

Dr. D. nimmt in seinem Aufsatz "Abnutzungsschäden durch Geigen- und Bratschenspiel" (Das Orchester 6/96, 13) auf eine eigene Studie über 17 professionelle Streicher Bezug und weist darauf hin, dass zur Klärung der Frage der Anerkennung von Wirbelsäulenschäden als BK noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden sollten. Die sog Weimarer Studie zu klinisch relevanten Belastungsfaktoren und Belastungskomplexen bei Musikstudenten und Berufsmusikern (Seidel/Höpfner/Lange, Musikphysiologie und Musikermedizin 1999, 6. Jg, Nr 4, 115) beruht lediglich auf der Auswertung eines von 100 Musikstudenten und 88 Orchestermusikern jeweils ausgefüllten standardisierten und validierten Fragebogens. Im Forschungsantrag "CMD/CCD bei Streichern" der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Musikermedizin des Klinikums der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des Klinikums Weimar und der Hochschule für Musik Weimar vom 20.5.2001 wird ausgeführt, dass es an Datenmaterial zur Bewertung funktioneller Störungen des Bewegungssystems bei Streichern als BK fehle. Aus diesen Publikationen lässt sich folglich auch ein ggf geringeren Anforderungen an wissenschaftliche Erkenntnisse genügender genereller Zusammenhang zwischen der "Schulter-Kinn-Zange" und einer bandscheibenbedingten Halswirbelsäulenerkrankung nicht ableiten. Soweit die Revision zudem auf Anerkennungen einer BK in Frankreich, Tschechien und der ehemaligen DDR hinweist, ist nicht ersichtlich, dass diese auf hinreichenden medizinischen Erkenntnissen beruhten und nicht nur das Ergebnis von Einzelfallprüfungen sind, ohne wissenschaftlich fundierte Aussagen über die generelle Geeignetheit der hier zu beurteilenden Einwirkung zu berücksichtigen. Zudem existiert in Frankreich entgegen der Revision keine spezifisch auf Musiker, sondern eine generell auf Zwangshaltungen bezogene BK. Ob weiterhin auch die jeweilige Ausgestaltung des Berufskrankheitenrechts in Frankreich, Tschechien und der ehemaligen DDR einer Berücksichtigung der behaupteten Anerkennungen entgegensteht, kann daher offenbleiben (vgl zur Ausgestaltung des BK-Rechts in anderen Ländern Kranig, DGUV-Forum 2012, 30; ders, Berufskrankheiten im internationalen Vergleich, 2002, 337).

22

Auch Billigkeitserwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats enthält § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 RVO) keine allgemeine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre (vgl zuletzt BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 33/11 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 21 RdNr 17).

23

Dass die Anerkennung einer Wie-BK an das Vorliegen wissenschaftlich gesicherter Kausalbeziehungen anknüpft, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

24

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Dieses Grundrecht ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (stRspr; vgl BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvR 1926/96, 1 BvR 485/97 - BVerfGE 100, 104 = SozR 3-2600 § 307b Nr 6). § 9 Abs 2 SGB VII(§ 551 Abs 2 RVO) ist zwar dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr vereinbar, wenn einer Personengruppe der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung allein deshalb versagt wird, weil der Verordnungsgeber vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht geprüft und gewürdigt hat (BVerfG vom 22.10.1981 - 1 BvR 1369/79 - BVerfGE 58, 369, 375 f = SozR 2200 § 551 Nr 19 S 32 f). Denn die Vorschrift schließt solche Lücken, die sich daraus ergeben, dass neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von beruflicher Exposition und Erkrankung vorliegen, bevor die BKV eine entsprechende Anpassung erfährt (BVerfG vom 9.10.2000 - 1 BvR 791/95 - SozR 3-2200 § 551 Nr 15 S 76). An medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen zu evtl gesundheitsschädigenden Folgen einer "Schulter-Kinn-Zange" fehlt es vorliegend aber gerade. Dass sich der Verordnungsgeber mit den besonderen Einwirkungen von hohen Streichern noch gar nicht befasst hat und eine Auseinandersetzung damit ggf auch nicht geplant ist, befreit daher aus Gründen der Gleichbehandlung nicht vom Erfordernis der die generelle Geeignetheit einer besonderen Einwirkung für die Verursachung einer bestimmten Erkrankung belegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse.

25

Eine verfassungswidrige Benachteiligung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Berufsgruppe der Streicher sehr klein ist und sich möglicherweise eine wissenschaftlich gesicherte Kausalbeziehung zwischen beruflicher Einwirkung und Erkrankung anhand epidemiologischer Studien schon rein tatsächlich nicht feststellen lässt, weil die für epidemiologische Studien erforderlichen Fallzahlen nicht erreicht werden können. § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII(§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO) beschränkt BKen begrifflich auf Krankheiten, die in der Berufskrankheitenliste als Anlage zur BKV aufgeführt sind. Die Ermächtigung der Bundesregierung zur Aufnahme von BKen in diese Anlage macht § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII(§ 551 Abs 1 Satz 3 RVO) davon abhängig, dass die Krankheiten nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit ausgesetzt sind. In diesen Regelungen kommt das die gesetzliche Unfallversicherung prägende Listenprinzip zum Ausdruck, das nach § 9 Abs 2 SGB VII nur unter der Voraussetzung durchbrochen wird, dass neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen. Diese vom Gesetzgeber gewollte Systementscheidung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG vom 8.6.2012 - 1 BvR 2853/10 - NZS 2012, 901; BVerfG vom 14.7.1993 - 1 BvR 1127/90 - SozR 3-2200 § 551 Nr 5 S 10). Mit ihr im Einzelfall verbundene Härten sind hinzunehmen. Sie halten sich im Rahmen einer zulässigen Typisierung, weil nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen ist und dadurch bedingte Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - BVerfGE 100, 59, 90 = SozR 3-8570 § 6 Nr 3 S 28 mwN).

26

In seiner Stellungnahme zum Entwurf des UVEG hat der Bundesrat 1995 zwar vorgeschlagen, eine neue Regelung in § 9 Abs 2a SGB VII einzufügen, die die Anerkennung einer Wie-BK zur Vermeidung von Härtefällen auch für den Fall vorsah, dass 1. vergleichbare Arbeitsplätze mit entsprechenden Arbeitsbedingungen nicht oder nur in einer geringen Zahl vorhanden sind und deshalb Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber nicht vorliegen können, dass bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind und 2. nach medizinischen Erkenntnissen mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die Krankheit durch die besonderen Bedingungen des Arbeitsplatzes verursacht ist (BT-Drucks 13/2333 S 5 zu Nr 9). Dem ist der Gesetzgeber des UVEG aber mit der Begründung nicht gefolgt, bei einer solchen Regelung bestehe ua die Gefahr, dass die vorgeschlagene Bestimmung, bei der epidemiologische Erkenntnisse wegen der Singularität der Arbeitsbedingungen nicht gewonnen werden könnten, eine Antragsflut auslöse, die von den Unfallversicherungsträgern nicht bewältigt werden könnte (BT-Drucks 13/2333 S 19 zu Nr 9). Diese Erwägungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie sich im Rahmen seines legislatorischen Gestaltungsspielraums bewegen. Der Gesetzgeber darf sich bei der Einführung typisierender Regelungen an den ansonsten mit Einzelfallregelungen verbundenen Erfordernissen der Verwaltung orientieren. Die Entlastung der Unfallversicherungsträger und folglich auch der Sozialgerichtsbarkeit von umfangreichen und zeitaufwendigen Einzelfallprüfungen ist ein sachlicher, zur Typisierung berechtigender Grund (vgl BVerfG vom 8.2.1983 - 1 BvL 28/79 - BVerfGE 63, 119, 128 = SozR 2200 § 1255 Nr 17 S 37 und vom 16.12.1958 - 1 BvL 3/57, 1 BvL 4/57 und 1 BvL 8/58 - BVerfGE 9, 20, 31 ff = SozR Nr 42 zu Art 3 GG). Damit sind zugleich einer richterlichen Rechtsfortbildung verfassungsrechtliche Grenzen aufgezeigt, weil diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers nicht durch richterliche Wertungen ersetzt werden darf.

27

Die das hier gefundene Ergebnis tragenden und den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) sind nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden.

28

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

29

Die Rüge der Klägerin, die Entscheidung des LSG beruhe auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Sie hätte darlegen müssen, dass das Berufungsgericht die Grenzen seiner ihm durch § 128 Abs 1 Satz 1 SGG eingeräumten Befugnis verletzt hat, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Es hätte insoweit aufgezeigt werden müssen, dass es gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt hat (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

30

Mit dem Vorbringen, ein medizinischer Erfahrungssatz, dass die durch ein Violinspiel hervorgerufene Halswirbelsäulenerkrankung im Falle weiterer Verschleißerscheinungen der gesamten Wirbelsäule ausscheide, existiere nicht, ist nicht deutlich geworden, dass das LSG einen Erfahrungssatz fehlerhaft angewandt hat (vgl hierzu BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr 8 S 37 mwN). Die Revision zeigt nicht auf, an welcher Stelle seines Urteils sich das LSG tragend auf einen solchen Erfahrungssatz gestützt hätte. Auf Seite 13 der angegriffenen Entscheidung wird vielmehr lediglich ausgeführt, dass es sich bei dem Halswirbelsäulenleiden um eine "Volkskrankheit" handele, die eine Beweiserleichterung bei der Feststellung der generellen Geeignetheit verbiete.

31

Auch ein sog Denkgesetz, gegen das das LSG verstoßen haben könnte, hat die Klägerin nicht dargetan. Dass es zu einer bestimmten, aus seiner Sicht erheblichen Frage aus den gesamten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13 mwN), legt die Revision nicht dar.

32

Aus dem Vortrag der Klägerin geht auch nicht hervor, dass das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Soweit sie geltend macht, in der ehemaligen DDR, in Frankreich sowie in Tschechien ausgesprochene Anerkennungen von BKen seien bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt worden, wird übersehen, dass sich das LSG auf Seite 15 seiner Entscheidung damit auseinandergesetzt hat, dass die Problematik der Geiger in der ehemaligen DDR "einer anderen Lösung zugeführt worden sei". Im Übrigen hat die Revision nicht aufgezeigt, ob und wenn ja inwieweit den behaupteten Anerkennungen generelle medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde liegen. Die Klägerin setzt im Kern nur ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG. Allein damit ist aber eine Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung nicht formgerecht gerügt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31).

33

Schließlich scheidet ein Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten Wie-BK nach übergangsrechtlichen Regelungen aus. Für die Übernahme einer vor dem 1.1.1992 im Beitrittsgebiet eingetretenen Erkrankung als BK nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist nach §§ 212 und 215 Abs 1 Satz 1 SGB VII die Vorschrift des § 1150 Abs 2 RVO in der am 31.12.1996 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, 1688) weiter anzuwenden. Gemäß § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO gelten solche Krankheiten, die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht BKen der Sozialversicherung waren, als BKen iS des Dritten Buches der RVO. Das gilt nach § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO allerdings nicht für Krankheiten, die einem ab 1.1.1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung - wie hier - erst nach dem 31.12.1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Dies bedeutet, dass Krankheiten, von denen ein ab 1.1.1991 für das Beitrittsgebiet zuständiger Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31.12.1993 Kenntnis erlangt, nur dann BKen darstellen, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 548 ff RVO erfüllt sind(BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 16). Das ist aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit (Wie-Berufskrankheit) festzustellen.
Der am … 1947 geborene Kläger war, nachdem er zunächst als Bauschlosser, Betriebsschlosser und Heizungsmonteur berufstätig gewesen war, vom 01.09.1976 bis zum 14.03.1981 bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH, vom 14.09.1981 bis zum 30.04.1987 bei der Firma H. GmbH und Co. KG und vom 01.05.1987 bis zum 01.11.1992 selbständig als Schädlingsbekämpfer und Desinfektor tätig (Angaben des Klägers vom 12.05.1995). Bereits ab Oktober 1991 wurde dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt.
Zu seinen Tätigkeiten als Schädlingsbekämpfer gehörten Desinfektion von z.B. Krankenhäusern, Altenheimen, Asylantenheimen und Lebensmittelbetrieben sowie Holzschutz wie z.B. Behandlung von Dachstühlen. Sein Einsatzgebiet erstreckte sich über ganz Baden-Württemberg. Die Einsatzzeiten vor Ort schätzte der Kläger in Bezug auf die Desinfektion auf circa 3 Stunden bis maximal 2 Tage je Krankenhaus, circa 3 bis 8 Stunden je Altenheim beziehungsweise Asylantenheim und in Bezug auf den Holzschutz auf circa 4 bis 8 Stunden je Haus.
Beim Kläger traten bereits im Juni 1991 pektanginöse Beschwerden auf. Eine daraufhin durchgeführte Herzkatheter-Untersuchung ergab im Oktober 1991 eine koronare Ein-Gefäß-Erkrankung. Im Anschluss an die im April 1992 erfolgte Bypass-Operation kam es zu einem Durchgangssyndrom mit zunehmender pulmonaler und kardiovaskulärer Insuffizienz. Wegen des Verdachts auf einen Perikarderguss erfolgte im Mai 1992 eine weitere Operation. Es folgte eine Anschluss-Heilbehandlung im Sommer 1992 (Befundberichte des Klinikums S. in Tübingen vom 29.08.1995 und 01.09.1995).
Der Kläger beantragte am 18.04.1995 die Feststellung einer Berufskrankheit. Er führte zur Begründung aus, er habe während der Zeit seiner beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer so viele Giftstoffe aufgenommen, so dass es zur koronaren Herzkrankheit gekommen sei.
Die Beklagte befragte die ehemaligen Arbeitgeber des Klägers und holte die Berichte ihres Technischen Aufsichtsdienstes sowie desjenigen der Berufsgenossenschaft für die chemische Industrie ein. Die Ermittlungen ergaben, dass der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH im Außendienst tätig und etwa die Hälfte der Arbeitszeit mit dem Auto unterwegs gewesen sei. Die übrige Arbeitszeit habe sich gleichmäßig auf Spritz- und Nagerbekämpfungsarbeiten aufgeteilt. Für Spritzarbeiten seien hauptsächlich mit Wasser verdünnte Mittel wie Phosphorsäureester zur Anwendung gekommen. Zum Teil sei auch Xylol als Lösemittel enthalten gewesen. Aufgrund einer im Jahr 1990 durchgeführten Arbeitsplatzmessung sei davon auszugehen, dass der Grenzwert der Konzentration von Xylol deutlich unterschritten gewesen sei. Bei vom Kläger verrichteten sogenannten Nebelarbeiten habe die Konzentration von Schadstoffen naturgemäß über den MAK-Werten der einzelnen Inhaltsstoffe gelegen. Bei diesen Arbeiten seien immer ein Overall mit festem Schuhwerk, eine entsprechende Vollmaske mit Filter, Handschuhe, ein Schutzhelm sowie eine Atemschutzmaske getragen worden. Bei ordnungsgemäßem Tragen der Schutzkleidung, wie vom Kläger angegeben, sei ein gewisses nicht kontrollierbares Risiko lediglich daran zu sehen, dass ein Teil der Produkte, unter anderem das Lösemittel Dichlormethan, über die Haut aufgenommen werden könne, wenn nicht eine vollständige körperbedeckte Schutzkleidung getragen worden sei (Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 27.11.1995). In Bezug auf die berufliche Tätigkeit bei der Firm H. GmbH und Co. KG wurde ausgeführt, dem Kläger habe auch bei dieser Tätigkeit zum Vernebeln der verwandten Wirkstoffe eine persönlichen Schutzausrüstung zur Verfügung gestanden. Nachdem dieser selbst angegeben habe, er habe diese getragen, sei von schädigenden Einwirkungen nicht auszugehen (Berichte des Technischen Aufsichtsdienstes vom 14.11.1995 und 16.04.1996). Ferner zog die Beklagte über die BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vom 04.11.1977 und 24.10.1978 bei.
Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität H., vom 22.04.1997 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe eine Multimorbidität. Im Vordergrund stehe eine schwere Herzinsuffizienz infolge einer koronaren Herzkrankheit und eines Myokardinfarktes. Im Rahmen der koronaren Herzkrankheit beziehungsweise wegen postoperativer Komplikationen sei es zu einem organischen Psychosyndrom, einer schmerzhaften Schultersteife rechts, einem Postthorakotomie-Syndrom sowie Herzrhythmusstörungen gekommen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit und diesen Erkrankungen sei nicht wahrscheinlich zu machen. Es liege keine Berufskrankheit vor. Zwar habe der Kläger Kontakt mit Listenstoffen der Berufskrankheiten nach Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gehabt. Symptome einer akuten Lindan-Vergiftung am Arbeitsplatz habe der Kläger auf Befragen allerdings nicht angegeben. Von den angeschuldigten Schädlingsbekämpfungsmitteln sei wissenschaftlich nicht bekannt, dass sie bei Menschen eine koronare Herzkrankheit verursachen würden. Außerdem hätten beim Kläger diesbezüglich mehrere außerberufliche Risikofaktoren wie langjähriges Zigarettenrauchen, Hypercholesterinämie und starkes Übergewicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 17.09.1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur BKV ab. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger überhaupt an einer beruflich bedingten Erkrankung leide. Es sei wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Lindan und organische Phosphorverbindungen bei Menschen koronare Herzkrankheiten verursachen könnten. Darüber hinaus habe der Kläger in der Zeit, in der er Umgang mit Lindan gehabt habe, keine typischen Beschwerden wie beispielsweise Verwirrtheit, Muskelzucken, Angst oder Halluzinationen, die Symptome einer akuten Lindan-Vergiftung wären, gehabt. Weiterhin habe der Kläger während seiner gesamten beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer keine typischen Beschwerden wie beispielsweise Schweißausbrüche, Krämpfe, innere Unruhe und Muskelzuckungen, die symptomatisch für eine Vergiftung gewesen wären, aufgewiesen. Darüber hinaus würden solche Stoffe durch die Haut aufgenommen. Dies sei beim Kläger aber eher unwahrscheinlich gewesen, da er selbst bei der Untersuchung angegeben habe, beim Verspritzen die notwendigen Körperschutz- beziehungsweise Hautschutzmittel getragen zu haben. Daher sei es nicht ausreichend wahrscheinlich, dass die Herzerkrankung auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Ursache hierfür sei vermutlich der jahrelange Nikotinkonsum, die Hypercholesterinämie sowie das starke Übergewicht.
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Es seien keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorhanden, wonach die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer beziehungsweise die Einwirkung von Arbeitsstoffen in Form von synthetischen Pyrethroiden geeignet sei, eine koronare Herzerkrankung mit nachfolgendem Organversagen zu verursachen. Dieses Erkrankungsbild sei nicht auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen, sondern habe seine Ursache vermutlich in dem jahrelangen Nikotinkonsum, in der Hypercholesterinämie sowie dem starken Übergewicht.
10 
Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit ihren Widerspruchsbescheiden vom 12.03.1998 zurück.
11 
Die hiergegen erhobenen Klagen (S 2 U 790/98 und S 2 U 791/98), mit denen der Kläger erstmals geltend machte, seit Sommer 1997 an einem Morbus Parkinson erkrankt zu sein, verband das Sozialgericht Reutlingen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (Beschluss vom 05.07.1999).
12 
Das Sozialgericht holte zunächst auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. J. vom 25.05.2001 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger während der langjährigen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer zu einer Aufnahme von verschiedensten Pestiziden über die Atemwege und Luft, die Haut sowie die Schleimhäute des Verdauungstraktes gekommen sei. Durch die Vielfachbelastung über viele Jahre sei es zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung und Schädigung des Immunsystems und Nervensystems gekommen. Hinzugekommen sei eine insbesondere durch die beruflichen Pestizid-Belastungen in Gang gesetzte und geförderte Störung des Fettstoffwechsels. Dies habe zusammen mit anderen immunologischen und toxischen Effekten am Immunsystem und der Innenauskleidung der Gefäße wesentlich zum Entstehen einer Arteriosklerose und Gefäßerkrankung beigetragen und die Übergewichtigkeit gefördert. Hinzugekommen sei, dass der Kläger Zigaretten geraucht habe. Diese zusätzlichen Belastungen mit inhalativen Fremdstoffen habe diese Prozesse begünstigt. Es sei zu einer nahezu logischen Weiterentwicklung gekommen, so dass sich auffallend frühzeitig eine neurodegenerative Erkrankung des Gehirns in Form eines Morbus Parkinson eingestellt habe. Deshalb stünden die Erkrankungen langjährige Pestizidbelastung, Autoimmunität, Typ-IV-Allergien gegen Benzol, Toluol, Xylol, Kohlenwasserstoffe, Lindan, PCB, Permethrin, zentral-vestibuläre Störung, zentrale Schwerhörigkeit rechts mehr als links, bronchiale Hyperreagibilität, axonale Polyneuropathie, Morbus Parkinson, Enzephalopathie, Arteriosklerose sowie Unterfunktion P450-System in einem kausalen inneren Zusammenhang.
13 
Die Beklagte hat hierzu ein weiteres Gutachten des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. vom 06.10.2000 nach Aktenlage vorgelegt. Der Sachverständige wies darauf hin, dass die Befunderhebung des Dr. J. nicht den Mindestanforderungen genüge. Ferner habe dieser eine Reihe von Untersuchungen veranlasst, deren Bedeutung für die Kausalbeurteilung der hier zur Diskussion stehenden Berufskrankheiten ohne Bedeutung seien. Zu Unrecht habe dieser ausgeführt, der Vollbeweis der Einwirkung einer schädigenden Noxe sei erbracht. Vielmehr sei aus arbeitsmedizinischer Sicht wichtig, dass der Kläger bei den gefährdeten Tätigkeiten die erforderlichen Körperschutzmittel verwendet habe. Er wies desweiteren darauf hin, die im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen am 04.11.1977 und 24.10.1978 bestimmten Leberparameter Gamma-GT, GPT und GOT hätten einen normalen Befund ergeben. Diese objektiven Untersuchungsergebnisse sprächen dafür, dass im interessierenden Expositionszeitraum und zwar vor 1981 eine Lindan-Intoxikation unwahrscheinlich sei. Auch habe der Umgang des Klägers mit Phosphorsäure-Verbindungen bei ihm keine Krankheit verursacht, wofür spreche, dass der Kläger keine Symptome einer derartigen Intoxikation angegeben habe. Dr. J. habe auch nicht beachtet, dass die Polyneuropathie erst nach 1997 manifest geworden sei, es aber als wissenschaftlich gesichert gelte, dass sich eine toxische Polyneuropathie in der Regel unter der Exposition manifestiere. Ferner sei bei einer toxischen Polyneuropathie mit einer Remission nach zwei bis drei Jahren zu rechnen. Die Behauptung des Dr. J., dass eine Intoxikation mit Phosphorsäure-Verbindungen ein Parkinson-Syndrom verursache, sei wissenschaftlich nicht belegt. Das gelte auch für die behauptete Begünstigung der Entstehung der Erkrankungen durch die wahrscheinlich anlagebedingte Unterfunktion der körpereigenen Entgiftung (P-450-System), die mit den tatsächlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar sei. Im Übrigen seien die von Dr. J. genannten Quellen keine Belege für dessen Einschätzung. Dieser habe auch die aktuellen und wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse in der Medizin über die Pathogenese der koronaren Herzkrankheit nicht berücksichtigt. Ein weiterer Mangel des Gutachtens des Dr. J. bestehe darin, dass dieser auf die individuelle Risikokonstellation des Klägers in Form des langjährigen Zigarettenrauchens, der Hypercholesterinämie und dem starken Übergewicht an keiner Stelle seines Gutachtens hingewiesen habe. Nach alledem sei die Behauptung des Dr. J., beim Kläger liege eine Berufskrankheit vor, unzutreffend.
14 
Dr. J. blieb in seiner Stellungnahme vom 11.03.2002 bei seiner Einschätzung, da die Sachverständigenanhörung zum Biozidgesetzentwurf das Auftreten von Gefäß- und Nervenkrankheiten durch Pestizide bestätigt habe.
15 
Mit Urteil vom 29.05.2002 (S 2 U 790/98) wies das Sozialgericht die Klage (gemeint: Klagen) gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. ab.
16 
Hiergegen erhob der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg.
17 
Das Gericht holte von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg, vom 16.09.2003 ein. Dieser gelangte unter Berücksichtigung des Zusatz-Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G. vom 07.08.2003 zu der Ansicht, es sei nicht wahrscheinlich, dass zwischen den Erkrankungen des Klägers, insbesondere den Schmerzen über der Brust, der Atemnot bei koronarer Herzerkrankung, den neurologischen Ausfällen bei Morbus Parkinson, den Gedächtnisstörungen, den Schmerzen bei degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen und den Hauterscheinungen, einerseits und den nachgewiesenen beruflichen Einwirkungen andererseits ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang bestehe. Berufsbedingten Faktoren komme im Vergleich zu berufsunabhängigen Umständen keine zumindest annähernd gleichwertige ursächliche Bedeutung zu. Zwar fänden sich in der Literatur vereinzelt Hinweise darauf, dass Schädlingsbekämpfer ein erhöhtes Risiko haben könnten, an einem Morbus Parkinson oder an einer Fettstoffwechselstörung zu erkranken. Es handele sich hierbei um Hinweise aus einzelnen epidemiologischen Studien, ohne dass bisher der Nachweis erbracht worden sei, dass die Ursache für die Krankheit im schädigenden Arbeitsleben liege. Prof. Dr. G. bestätigte ein klinisch eindeutiges Parkinson-Syndrom, bei dessen Entstehung auch die vorübergehende nicht unerhebliche Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns nach Herzstillstand mit Multiorganversagen ebenso wie die Gefäßerkrankung berücksichtigt werden müsse.
18 
Mit Beschluss vom 22.07.2004 (L 10 U 2944/02) wies das Landessozialgericht die Berufung zurück. Es fehle schon am Nachweis hinreichender beruflicher Belastungen, die geeignet gewesen wären, die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu verursachen. Es sei unbewiesen, dass der Kläger über die zulässigen Grenzwerte hinaus schädigenden Einwirkungen der in Frage kommenden Listenstoffe ausgesetzt gewesen sei. Nach dem Ergebnis der vom Kläger im Wesentlichen zunächst nicht bestrittenen Ergebnisse der Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste der Beklagten und der Berufsgenossenschaft für die chemische Industrie sei der Kläger über dem Grenzwert liegenden schädigenden Stoffen nicht ausgesetzt gewesen. Insbesondere habe er zunächst auch angegeben, er habe Schutzkleidung getragen. Auffällig sei, dass er erst später, als offenbar bei ihm der Eindruck verstärkt worden sei, es komme auf weitergehende Einwirkungen durch Schadstoffe an, vorgetragen habe, er habe häufig keine Schutzkleidung getragen und Transportbehältnisse seien schadhaft gewesen. Soweit er darüber hinaus gerügt habe, die Schadstoffmessungen seien in der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH erfolgt und er habe nicht dort, sondern im Außendienst gearbeitet, möge dies zutreffen, doch seien Messungen an den Stellen, an denen er gearbeitet habe, auch unter Berücksichtigung seines eigenes Vorbringens, nicht mehr möglich. Demzufolge seien die Schadstoffmessungen in der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH durchaus eine Möglichkeit, Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, wie stark die Belastungen gewesen seien. Diese hätten nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes ergeben, dass die Belastungen unterhalb des Grenzwertes gelegen hätten. Zwar sei davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit bei der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH auch Kontakt zu Lindan gehabt habe. Doch seien insofern im Nachhinein weder die Konzentration noch die Dauer der Exposition feststellbar. Auch in Bezug auf die genannten Arbeitskollegen sei weder dargetan noch ersichtlich, dass diese konkrete Angaben darüber machen könnten, in welcher Konzentration und für welche Zeiträume Schadstoffbelastungen vorgelegen hätten. Im Übrigen seien auch die vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen. Dass die koronare Herzkrankheit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Umgang des Klägers mit Pestiziden und weiteren Stoffen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zurückzuführen sei, folge schlüssig aus dem Gutachten des Prof. Dr. D., der zutreffend auf berufsunabhängige Risikofaktoren hingewiesen habe. Angesichts der Risikofaktoren wie Nikotinkonsum, Adipositas, Hypertriglyceridämie, Hypercholesterinämie und Hyperurikämie spreche nicht mehr dafür als dagegen, dass die Herzerkrankung berufsbedingt sei, zumal sich auch keine hinreichenden Hinweise in der Literatur und in wissenschaftlichen Studien fänden, die eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis begründeten, dass Pestizide zu einer koronaren Herzkrankheit führten. Auch der Morbus Parkinson sei nicht rechtlich wesentlich auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen. Wie Prof. Dr. G. ausgeführt habe, kämen für die Entstehung eines Morbus Parkinson vielfache Ursachen in Betracht. Dieser habe auf eine Studie verwiesen, wonach die Prävalenz des idiopathischen Parkinson-Syndroms in westlich industrialisierten Ländern bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liege und damit das statistische Risiko, an einem Morbus Parkinson zu erkranken, nicht niedrig sei. Soweit der Kläger hier auf andere Zahlen weltweit verweise, stehe dies nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, mit dessen Hinweis auf die Studie. Im konkreten Fall kämen mithin neben einer idiopathischen Entstehung und einer möglichen Entstehung durch Pestizide auch der Herzstillstand mit Multiorganversagen bei einer vorübergehenden nicht unerheblichen Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns in Betracht. Letzteres stehe, bedingt durch die koronare Herzkrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen. Somit bleibe es dabei, dass die Einwirkung durch beruflich bedingte Schadstoffe allenfalls eine entfernte Möglichkeit der Verursachung der Parkinsonschen Erkrankung sei. Eine solche Möglichkeit genüge indes nicht.
19 
Die hiergegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 24.11.2004 (B 2 U 270/04 B) als unzulässig.
20 
Am 29.03.2005 beantragte der Kläger die Anerkennung des Morbus Parkinson als Berufskrankheit. Beigefügt war eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Allgemeinmediziners Dr. G. vom 11.03.2005 (Parkinson-Syndrom, Verursachung durch Lindan).
21 
Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte die Beklagte eine Rücknahme ihres die Feststellung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als Berufskrankheit nach den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur BKV ablehnenden Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 sowie eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Berufskrankheit ab. Der Kläger habe keine neuen Sachverhalte beziehungsweise Tatsachen vorgetragen, die nicht schon bei Erlass ihrer Bescheide und in den Urteilen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts berücksichtigt worden seien. Sie berufe sich daher auf die Bindungswirkung ihrer rechtskräftigen Bescheide.
22 
Hiergegen legte der Kläger am 13.06.2005 Widerspruch ein. Er habe nie eine Zurücknahme des Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 beantragt. Die Feststellung des Parkinson-Syndroms als Berufskrankheit habe er bislang nicht beantragt.
23 
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Erlass ihrer Verwaltungsakte sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit seien nicht gegeben. Zwar stimme es, dass bei der Bescheiderteilung nicht über die Parkinson-Erkrankung des Klägers entschieden worden sei. Denn der Kläger sei erst 1997 an einem Morbus Parkinson erkrankt, wobei diese Erkrankung erst im laufenden Klageverfahren bekannt geworden sei. Die Gerichte hätten dann jedoch auch diese Krankheit in die Ermittlungen mit einbezogen. Dem Urteil des Sozialgerichts und dem Beschluss des Landessozialgerichts sei zu entnehmen, dass der Kläger seine jeweiligen Klageanträge um das Parkinson-Syndrom erweitert habe. Die Gerichte hätten in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Parkinson-Erkrankung berufsbedingt sei. Weitere Sachverhalte beziehungsweise Tatsachen, die nicht schon vor der Beschlussfassung berücksichtigt worden seien, seien vom Kläger nun nicht vorgetragen worden. Die Gerichte hätten sich im Übrigen auch mit dem vom Kläger behaupteten Ermittlungsmängeln befasst. Da die Erkrankung des Klägers keine Berufskrankheit sei, bestehe auch keine Leistungsverpflichtung ihm gegenüber.
24 
Hiergegen hat der Kläger am 11.10.2005 Klage beim Sozialgericht erhoben. Die Verpflichtung zur erneuten Amtsermittlung beruhe insbesondere auf der Existenz neuerer Studien. Inzwischen sei anerkannt, dass Polyneuropathien und Enzephalopathien durch Pestizide hervorgerufen werden könnten. Auch sei vom Landessozialgericht Rheinland Pfalz (L 2 U 260/00) ein Kausalzusammenhang zwischen Pestiziden und einem Morbus Parkinson festgestellt worden. Es sei in früheren Verfahren keine entsprechende Begutachtung zum Kausalzusammenhang zwischen Pestiziden und einem Morbus Parkinson durchgeführt worden. Weiterhin leide er an obstruktiven Atemwegserkrankungen, die ursächlich auf den früher benutzten Pestiziden beruhten. Mehrere seiner früheren Arbeitskollegen seien vor Vollendung des 60. Lebensjahres an Herzinfarkten verstorben.
25 
Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H. vom 16.08.2007 eingeholt. Dieser ist unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens des Prof. Dr. U., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums H., vom 18.04.2007, in dem ausgeführt wird, beim Kläger liege eine organisch bedingte Minderung der Hirnleistungsfähigkeit in Form einer Störung der Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses, der verbalen Mnestik und des Affekts vor, zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe eine chronische Langzeitexposition mit Schädlingsbekämpfungsmitteln von über 15 Jahren bei mehreren Stunden Arbeit täglich. Die Parkinson-Symptomatik habe während der Tätigkeit als Desinfektor begonnen und persistiere auch nach Beendigung der Tätigkeit. Die Symptomatik nach Beendigung der Tätigkeit sei progredient. Es bestünden rezidivierende Schleimhautreizungen mit deutlich erhöhter Infektneigung und Geruchsstörungen während der Tätigkeit als Desinfektor. Es sei während der beruflichen Tätigkeit zumindest einmalig eine pränarkotische Symptomatik aufgetreten. Es sei festzustellen, dass es sich überwiegend um gesetzlich nicht geschützte Schädlingsbekämpfungsmittel handele, mit denen der Kläger gearbeitet habe. Es liege die Vermutung nahe, dass es sich um besonders toxische Produkte handele. Der Transport mit den Schädlingsbekämpfungsmitteln sei ungesichert erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger etwa die Hälfte der Arbeitszeit im Auto mit den schädlichen Mitteln unterwegs gewesen sei. Der Verlauf sei mit einer beruflichen Mitverursachung vereinbar. Begünstigt worden sei der degenerative Prozess durch den Zigarettenkonsum. Aus seiner ärztlichen Sicht überwögen bei dem Morbus Parkinson die berufsbedingten Faktoren die berufsunabhängigen Faktoren.
26 
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, es fehle an gesicherten medizinischen Erkenntnissen für die Anerkennung einer Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit.
27 
Mit Urteil vom 31.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der eine Berufskrankheit ablehnenden Bescheide, die durch Urteil des Sozialgerichts und Beschluss des Landessozialgerichts rechtskräftig bestätigt worden seien. Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. Dr. H. lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Morbus Parkinson als Folge einer Berufskrankheit nicht vor. Der Anspruch des Klägers scheitere bereits daran, dass die schädigenden Einwirkungen während seiner Berufstätigkeit hinsichtlich Art und Ausmaß nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Wie zuletzt das Landessozialgericht ausgeführt habe, sprächen die Ergebnisse der Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste gegen eine die zulässigen Grenzwerte überschreitende Schadstoffbelastung des Klägers während seiner beruflichen Tätigkeit. Objektive Ermittlungsmöglichkeiten stünden nicht mehr zur Verfügung. Allein aufgrund der Angaben des Klägers, er habe entgegen der Annahme der Technischen Aufsichtsdienste bei der Arbeit häufiger keine Schutzkleidung getragen und sei während des Transports der Schadstoffe im Auto durch möglicherweise schadhafte Behälter einer relevanten Schadstoffexposition ausgesetzt gewesen, könne der Vollbeweis der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nicht geführt werden, worauf das Landessozialgericht ebenfalls bereits hingewiesen habe. Auch die Ausführungen des Prof. Dr. H. seien nicht geeignet, eine erhebliche Schadstoffbelastung des Klägers während seiner beruflichen Tätigkeit nachzuweisen. Abgesehen davon, dass die Vermutungen des Sachverständigen, der Kläger habe mit besonders toxischen Produkten gearbeitet, nicht geeignet seien, ein Urteil darauf zu stützen, handele es sich hier nicht um neue Erkenntnisse. Es sei nie bezweifelt worden, dass die Produkte, mit denen der Kläger während seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer Umgang gehabt habe, giftig gewesen seien. Aus diesem Grund sei das Tragen einer den ganzen Körper bedeckenden Schutzkleidung erforderlich gewesen. Nicht nachgewiesen sei lediglich, ob der Kläger trotz der Schutzmaßnahmen einer die Grenzwerte überschreitenden Schadstoffexposition ausgesetzt gewesen sei. Dies sei, wovon bereits Prof. Dr. D. in seinem Gutachten ausgegangen sei, möglich, jedoch nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln.
28 
Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausginge, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer schädlichen Einwirkungen von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht vor. Die Verursachung des Morbus Parkinson durch Einwirkungen von Halogenkohlenwasserstoffen oder organischen Phosphorverbindungen sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend, dass gerade diese Stoffe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Parkinson-Erkrankung verursacht hätten, lägen auch nach Meinung des Prof. Dr. H. offenbar nicht vor. Prof. Dr. H. sei auch nicht zu folgen, wenn er die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit vorschlage und zur Begründung auf epidemiologische Studien über einen statistischen Zusammenhang zwischen der Einwirkung von Pestiziden und dem Auftreten der Parkinson-Erkrankung hinweise. Auch Prof. Dr. D. habe die bis dahin vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Zusammenfassungen epidemiologischer Studien berücksichtigt. Er habe ausgeführt, diese Untersuchungen zeigten einen zwar statistisch signifikanten, aber insgesamt nur kleinen Einfluss der Pestizide bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung, der noch als Beleg für eine Verursachung angesehen werden könne. Er habe darauf hingewiesen, dass nach epidemiologischen Untersuchungen eine Vielzahl weiterer Faktoren die Entwicklung eines Morbus Parkinson ebenfalls fördere. Prof. Dr. G. zähle hierzu explizit unter anderem Medikamenteneinwirkungen, Hypoxie, Infektionen sowie metabolische und traumatische Einflüsse. Unabhängig von solchen Einflüssen habe er ausgeführt, dass das Risiko, an einem idiopathischen Parkinson-Syndrom zu erkranken, in westlich industrialisierten Ländern bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liege und damit nicht niedrig sei. Eine Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit sei jedoch nur geboten, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, wonach die Arbeit die Erkrankungsgefahr gegenüber der normalen Gefahr in erheblichem Grade steigere. Hiervon sei nach den Ausführungen des Prof. Dr. D. nicht auszugehen. Auch in der Rechtsprechung sei ein für die Anerkennung einer Berufskrankheit relevanter Zusammenhang zwischen toxischen Einwirkungen und dem Morbus Parkinson, soweit ersichtlich, bisher trotz der vorhandenen epidemiologischen Studien durchgehend verneint worden. Die Ausführungen des Prof. Dr. D. und des Prof. Dr. G. seien nach wie vor zutreffend. Aus dem Gutachten des Prof. Dr. H. ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass seit der Erstattung dieser Gutachten neue medizinische Erkenntnisse veröffentlicht worden seien, die dazu nötigten, die generelle Geeignetheit der Pestizidbelastung für die Verursachung des Morbus Parkinson, insbesondere für die Gruppe der Schädlingsbekämpfer, zu bejahen und eine Berufskrankheit anzunehmen. Prof. Dr. H. berufe sich zum Teil auf die gleichen Studien, die bereits Prof. Dr. D. in seinem Gutachten angeführt habe. Die von ihm zitierten neueren Studien bestätigten den bereits beschriebenen statistischen Zusammenhang, offenbar ohne in Bezug auf die Verursachung neuere Erkenntnisse zu ergeben. B. und andere hielten daher in einer von Prof. Dr. H. zitierten im Jahr 2005 veröffentlichten Arbeit einen ursächlichen Zusammenhang lediglich für möglich, weitere Untersuchungen aber für erforderlich. Im Falle des Klägers komme hinzu, dass nach der Operation im Jahr 1992 Komplikationen aufgetreten seien, die zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn geführt hätten. Da eine Hypoxität ebenfalls als möglicher Faktor bei der Entstehung eines Parkinson-Syndroms angesehen werde, sei der Nachweis, dass die Parkinson-Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Pestizideinwirkung zurückzuführen sei, im Falle des Klägers zusätzlich erschwert.
29 
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 11.03.2008 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 13.03.2008 Berufung erhoben. Er stützt sich auf das Gutachten des Prof. Dr. H.. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts habe er keine Schutzbekleidung getragen. Dies sei zwar vorgeschrieben gewesen, aber von den beauftragenden Firmen immer wieder untersagt worden, da dies einen schlechten Eindruck gemacht hätte. Die Verursachung des Morbus Parkinson sei durch Einwirkungen von Halogenkohlenwasserstoffen und organischen Phosphor-Verbindungen entstanden. Es lägen auch wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass gerade diese Stoffe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Parkinson-Erkrankung verursacht hätten. Es bestünden Zweifel an den Gutachten des Prof. Dr. T. und des Prof. Dr. D., die bekanntermaßen ständig ablehnende Gutachten in diesen Bereichen verfassten. Auch die früheren Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste seien unzureichend. Es sei gar nicht konkret gemessen worden, ob die Schadstoffbelastung einen zulässigen Grenzwert überschritten habe. Ferner habe bei der angesprochenen Operation ein Sauerstoffmangel im Gehirn nicht stattgefunden. Daher könne auch die Hypoxität nicht für die Begründung eines Parkinson-Syndroms herangezogen werden.
30 
Im Hinblick auf vom Kläger in Aussicht gestellte neue Forschungsergebnisse hat der Senat auf Antrag der Beteiligten das Verfahren mit Beschluss vom 03.11.2008 (L 6 U 1371/08) zum Ruhen gebracht.
31 
Im September 2011 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen und zur Begründung ausgeführt, inzwischen sei auch in der Wissenschaft bestätigt worden, dass Hirnschäden und eine Parkinson-Erkrankung sehr wohl auf den dauerhaften Gebrauch von Pestiziden zurückzuführen seien. Er hat mehrere Fälle aus den Jahren 2001 bis 2010 vorgelegt, in denen Parkinson-Erkrankungen als Wie-Berufskrankheit anerkannt worden sind, und auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 27.11.2007 (B 5a/5 R 406/06 B) hingewiesen, wonach neurootologische Untersuchungen erforderlich seien, um die behaupteten Gesundheitsstörungen zu objektivieren. Es seien auch weitere Gutachten einzuholen, die den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigten.
32 
Der Kläger beantragt,
33 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.
34 
Die Beklagte beantragt,
35 
die Berufung zurückzuweisen.
36 
Zwar könne eine Parkinsonerkrankung auch eine Berufskrankheit sein, beim Kläger könne aber nicht der Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen geführt werden.
37 
Unbestritten sei zwar, dass er während seiner jahrelangen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer Umgang mit zahlreichen giftigen, chemischen Stoffen gehabt habe. Nach den Ermittlungsberichten der Technischen Aufsichtsdienste habe jedoch die Schadstoffbelastung des Klägers während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit deutlicher unterhalb der zulässigen Grenzwerte gelegen. Zudem habe er 1995 angegeben, immer die vorgeschriebene Schutzausrüstung bei der Arbeit getragen zu haben. Es stehe somit fest, dass der Kläger als Schädlingsbekämpfer keinen Einwirkungen von Schadstoffen in gesundheitsgefährdender Konzentration ausgesetzt gewesen sei. Die arbeitstechnischen Bedingungen, also eine schädigende Exposition, sei somit nach Art und Ausmaß nicht mit der erforderlichen mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Da dieses Kriterium bereits nicht erfüllt sei, erübrigten sich weitere Ermittlungen zum medizinischen Zusammenhang.
38 
Der Kläger hat vorgetragen, in Frankreich sei inzwischen anerkannt, dass auch durch die Exposition gegenüber Pestiziden ein Morbus Parkinson entstehen könne und daher eine Berufskrankheit anzuerkennen sei. Auch in Deutschland gebe es immer wieder Fälle, in denen dies so bestätigt werde. Im Übrigen sei die Auffassung der Technischen Aufsichtsdienste hinsichtlich des Tragens der Schutzkleidung nicht richtig. Er habe lediglich gelegentlich einen Stoffoverall, einen Schutzhelm und eine Vollschutzatemmaske zur Verfügung gehabt. Dies stelle aber keinen ausreichenden Schutz dar. In der Arbeitspraxis sei es häufig zu direktem Kontakt mit Pestiziden gekommen, ohne dass die Schutzkleidung irgendwelche Wirkung gezeigt habe. Zudem sei er bei der Nutzung des Autos immer wieder mit den Giftstoffen in Berührung gekommen. Die Kanister seien nicht völlig dicht gewesen. Es hätten Ausdünstungen stattgefunden.
39 
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2014 ihren Bescheid vom 23.05.2005 insoweit aufgehoben, als eine Rücknahme des Bescheides vom 17.09.1997 und des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 abgelehnt worden ist, und ausgeführt, der Tenor des Bescheides vom 23.05.2005 laute damit nur noch, dass der Antrag auf Anerkennung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit abgelehnt worden sei.
40 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie des vorangegangenen Verfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
41 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.
42 
Da die Beklagte den angegriffenen Bescheid vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 insoweit aufgehoben hat, als sie gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Rücknahme des die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur BKV ablehnenden Bescheides vom 17.09.1997 abgelehnt hat, und der Kläger nur noch die Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit beantragt hat, hatte der Senat nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 zu Recht eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Wie-Berufskrankheit abgelehnt hat. Nach Ansicht des Senats ist diese Entscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
43 
Die nur noch hierauf gerichtete Berufung des Klägers ist unbegründet.
44 
Zwar hat sich die Beklagte dabei zur Begründung nicht auf die Bestandskraft des Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 stützen dürfen, da Gegenstand dieser Entscheidung die Ablehnung der Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als eine Berufskrankheit und nicht eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gewesen ist. In sachgerechter Auslegung des angegriffenen Bescheides vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 hat die Beklagte aber nicht nur über eine Rücknahme des Bescheides vom 17.09.1997 entschieden, sondern auch die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Wie-Berufskrankheit abgelehnt und damit zu erkennen gegeben, dass aus ihrer Sicht diese Krankheit aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt wie eine Berufskrankheit festzustellen ist.
45 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson wie eine Berufskrankheit. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 ist rechtmäßig.
46 
Rechtsgrundlage hierfür sind, da der Morbus Parkinson erst im Jahr 1997 aufgetreten ist, nicht die Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO), sondern des am 01.01.1997 in Kraft getretenen SGB VII.
47 
Für die Feststellung eines Morbus Parkinson wie eine Berufskrankheit gilt § 9 Abs. 2 SGB VII. Danach haben die Unfallversicherungsträger über § 9 Abs. 1 SGB VII hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
48 
Diese Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII sind vorliegend nicht gegeben.
49 
Denn Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit ist, dass die beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern, die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende berufliche Einwirkungen wesentlich verursacht beziehungsweise verschlimmert worden ist und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris).
50 
Zudem ist für die Feststellung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit unter anderem erforderlich, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R - juris).
51 
Dass für den Morbus Parkinson gesicherte "Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vorliegen, haben die Sachverständigen Prof. Dr. G. und Prof. Dr. D. auch für den Senat überzeugend herausgearbeitet.
52 
So hat Prof. Dr. G. überzeugend dargelegt, dass die Prävalenz des idiopathischen Morbus Parkinson bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liegt, das statistische Risiko, an einem Morbus Parkinson zu erkranken, damit nicht niedrig ist (Vieregge 1997), es sich dabei also um eine häufig auf dem neurologischen Fachgebiet auftretende Erkrankung handelt. Er hat ferner aufschlussreich dargelegt, dass ein Morbus Parkinson neben dem idiopathischen Morbus Parkinson medikamenteninduziert, durch einen Hydrozephalus oder eine Hypoxie, postinfektiös, metabolisch, traumatisch, durch Intoxikation durch Kohlenmonoxid, Blei, Mangan, Zyanide, Methanol oder MPTP, durch einen Tumor oder vaskulär beziehungsweise als Multisystem-Neurodegeneration oder heredodegenerative Erkrankung auftreten kann (Poewe et al 1999, Bower et al 2003, Powers et al 2003). Der Sachverständige hat zwar dargelegt, dass in den letzten Jahren die Möglichkeit der Entwicklung eines Morbus Parkinson nach Pestiziden diskutiert und in verschiedenen Untersuchungen für die Exposition von Pestiziden ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Morbus Parkinson aufgezeigt worden ist (Seidler et al 1996, Vieregge 1997, Tüchsen et al 2000, Priyadarshi et al 2000, Ritz et al 2000, Engel et al 2001). Dass sich diese Möglichkeit nicht zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hat, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen, wonach für ein in epidemiologischen Untersuchungen statistisch fassbar häufigeres Auftreten bei einer ausreichend häufigen Erkrankung das frühzeitigere Manifestwerden der Erkrankung erforderlich ist und epidemiologische Untersuchungen mit einem statistisch signifikanten, aber insgesamt nur kleinen Einfluss noch keinen Beleg für einen pestizidbedingten Morbus Parkinson darstellen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Gutachters in den Untersuchungen nur für Pestizide insgesamt, nicht jedoch für die verschiedenen Substanzgruppen eine epidemiologisch signifikante Erhöhung des Risikos, einen Morbus Parkinson zu erwerben, gezeigt worden ist. Maßgeblich sind daher auch für den Senat die von Prof. Dr. G. beschriebenen Untersuchungen, in denen unter den neurotoxischen Effekten von Insektiziden ein Morbus Parkinson nicht diskutiert (He 2000) und von 474 Fällen mit Expositionen mit Pestiziden nur ein Morbus Parkinson (Michalak et al 1999) aufgeführt worden ist sowie angenommen worden ist, dass die bekannten Daten zum Problem der Pestizidexposition für die gutachterliche Praxis keine Relevanz hat (Vieregge 2002). Mithin hat der Sachverständige zu Recht dargelegt, dass allenfalls eine gute Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit für einen pestizidbedingten Morbus Parkinson besteht.
53 
Mit überzeugender Argumentation hat sich Prof. Dr. D. dieser Einschätzung angeschlossen. Auch er sieht, dass die Ausführungen des Prof. Dr. G. deutlich machen, dass einzelne epidemiologische Studien zwar von wissenschaftlichem Interesse sind, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne der Kausalität hieraus jedoch nicht herausgearbeitet werden können.
54 
Demgegenüber war der gegenteiligen Ansicht des Dr. J. nicht zu folgen. Insoweit hat Prof. Dr. D. zutreffend dargelegt, dass ein Großteil der von diesem durchgeführten Labor-Untersuchungen nicht geeignet ist, eine Berufskrankheit zu beweisen, und dieser eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. H.. Soweit dieser Sachverständige neben den bereits von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. D. gewürdigten Studien neuere Studien aufgeführt hat, haben auch diese lediglich den bereits beschriebenen statistischen Zusammenhang ergeben (Kamel und Hoppin 2004, Li et al 2005) beziehungsweise einen ursächlichen Zusammenhang nur für möglich gehalten (Brown et al 2005).
55 
Mithin liegen die zur Anerkennung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Falle des Klägers nicht vor, da es an epidemiologischen Studien und statistisch relevanten Zahlen hierfür fehlt. Schon deshalb lässt sich ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung als Desinfektor sowie Schädlingsbekämpfer und einem Morbus Parkinson nicht herstellen. Für die Annahme gesicherter Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII genügt es nicht, dass einzelne Mediziner die Verursachung für plausibel oder wahrscheinlich halten. Es reicht nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, vielmehr muss sich eine sogenannte herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R - juris).
56 
Das Begehren des Klägers scheitert aber nicht nur an dem Fehlen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es fehlt schon an der generellen Geeignetheit der beruflichen Einwirkungen des Klägers für die Hervorrufung des Morbus Parkinson. Der Senat folgt Prof. Dr. G., der eine beruflich bedingte Ursache im Falle des Klägers verneint hat. Insbesondere handelt es sich bei den Stoffen, denen der Kläger als Desinfektor und Schädlingsbekämpfer ausgesetzt gewesen ist, nicht um die von Prof. Dr. G. für die Verursachung eines Morbus Parkinson in Betracht kommenden aufgeführten Giftstoffe wie Kohlenmonoxid, Blei, Mangan, Zyanide, Methanol oder MPTP (ein Neurotoxin, das bei der Herstellung von Designerdrogen wie dem synthetischen Heroin verwendet wird). Vielmehr war der Kläger ausweislich der Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste vom 14.11.1995, 27.11.1995 und 16.04.1996 während seiner Tätigkeit vom 01.09.1976 bis zum 14.03.1981 bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH bei Spritz- und Nebelarbeiten gegenüber Phosphorsäureester wie Diazinon, Chlorpyrifos, Malathion und Dichlorvos mit den Lösemitteln Xylol, Isoparaffine, Methylenchlorid und Perchlorethylen sowie während seinen Tätigkeiten vom 14.09.1981 bis zum 30.04.1987 bei der Firma H. GmbH und Co. KG und vom 01.05.1987 bis zum 01.11.1992 während seiner selbständigen Tätigkeit bei Nebel-, Sprüh-, Holzmittelschutz- und Desinfektionsarbeiten gegenüber Pyrethrum, Piperonylbutoxid, Dichlorvos, Deltamethrin, Alpha-Cypermethrin, Chlorpyrifos, Diazinon, Bendiocarb, Pyrethrinen, Fenoxycarb, Furmecyclox und Aldehyden mit dem Lösemittel Shellsol T exponiert. Nichts anderes gilt für das vom Kläger angeschuldigte Lindan, ein Gamma-Hexachlorcyclohexan, bei dem es nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. um einen Halogenkohlenwasserstoff handelt. Mithin hat bereits das Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 22.07.2004 (L 10 U 2944/02) zutreffend dargelegt, dass der Morbus Parkinson nicht wesentlich ursächlich auf die beruflichen Belastungen des Klägers zurückzuführen ist. Es hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass es an einem Nachweis hinreichender Belastungen fehlt, die geeignet wären, die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu verursachen. Es hat dabei die Berichte der Technischen Aufsichtsdienste zutreffend gewürdigt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Da es sich bei den oben genannten Stoffen, denen der Kläger ausgesetzt gewesen ist, unter anderem um Halogenkohlenwasserstoffe und organische Phosphorverbindungen im Sinne der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302 und/oder 1307 der Anlage 1 zur BKV gehandelt hat, war in dem sich hierauf beziehenden unter dem Aktenzeichen L 10 U 2944/02 geführten Verfahren zu prüfen, ob bei den Sprüh- und Nebelarbeiten etwaige Grenzwerte überschritten worden sind und ob der Kläger in welchem zeitlichen Umfang Schutzausrüstung getragen hat. Da es sich bei den oben genannten Stoffen aber schon nicht um die von Prof. Dr. G. für die Auslösung eines Morbus Parkinson für möglich erachteten Stoffe handelt, waren diese Fragen in dem hier allein auf die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gerichteten Verfahren nicht von Bedeutung.
57 
Dasselbe gilt für das vom Kläger angeschuldigte Lindan. Zwar wird vereinzelt die Möglichkeit einer Mitverursachung des Morbus Parkinson durch in der Landwirtschaft ohne Schutzausrüstung verwendetes Lindan diskutiert. Diese Frage war aber nicht Gegenstand der in dem hier anhängigen Verfahren vorzunehmenden Prüfung. Denn es handelt sich bei Lindan um ein Halogenkohlenwasserstoff und damit einen Listenstoff im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV, während es vorliegend aber um eine Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit, also um die Verursachung durch Nicht-Listenstoffe geht. Denn auch ein Morbus Parkinson fiele, wenn seine Verursachung durch Lindan gesichert wäre, unter den Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV, so dass die auf die Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gerichtete Klage schon deshalb keinen Erfolg hätte, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehlte, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf (vergleiche zur Verursachung durch Methanol im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage 1 zur BKV: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2012 - L 6 U 36/12 B - juris Rz. 17; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01.12.2011 - L 6 U 122/08 - juris Rz. 29-31). Ungeachtet all dessen lässt sich eine tatsächliche berufliche Exposition des Klägers mit Lindan aus den Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste nicht feststellen.
58 
Ebenfalls brauchte der Senat nicht der zunächst von Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. und später von Prof. Dr. G. aufgeworfenen Frage, ob der Morbus Parkinson auf eine Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns nach Herzstillstand mit Multiorganversagen zurückzuführen sein könnte, nachzugehen. Diese - wohl aufgrund dessen, dass sich eine solche aus den ärztlichen Unterlagen nicht feststellen lässt (denn insoweit ist im Befundbericht des Klinikums S. in T. vom 01.09.1995 zwar ausgeführt worden, die mnestischen Störungen seien am ehesten auf im Rahmen der Operation aufgetretene cerebrale Ischämien zurückzuführen, aber eben auch dargelegt worden, computertomographisch habe sich kein eindeutiges umschriebenes Insultareal nachweisen lassen), zu verneinende - Frage stellt sich nicht, da bereits die für die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit erforderlichen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht vorliegen und darüber hinaus beim Kläger eine berufliche Verursachung des Morbus Parkinson nicht hinreichend wahrscheinlich ist, es also auf im Rahmen der Wesentlichkeitstheorie zu prüfende außerberufliche Konkurrenzursachen nicht ankommt.
59 
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit. Seine Berufung war daher zurückzuweisen.
60 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
61 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

Gründe

 
41 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.
42 
Da die Beklagte den angegriffenen Bescheid vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 insoweit aufgehoben hat, als sie gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Rücknahme des die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur BKV ablehnenden Bescheides vom 17.09.1997 abgelehnt hat, und der Kläger nur noch die Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit beantragt hat, hatte der Senat nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 zu Recht eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Wie-Berufskrankheit abgelehnt hat. Nach Ansicht des Senats ist diese Entscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
43 
Die nur noch hierauf gerichtete Berufung des Klägers ist unbegründet.
44 
Zwar hat sich die Beklagte dabei zur Begründung nicht auf die Bestandskraft des Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 stützen dürfen, da Gegenstand dieser Entscheidung die Ablehnung der Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als eine Berufskrankheit und nicht eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gewesen ist. In sachgerechter Auslegung des angegriffenen Bescheides vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 hat die Beklagte aber nicht nur über eine Rücknahme des Bescheides vom 17.09.1997 entschieden, sondern auch die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Wie-Berufskrankheit abgelehnt und damit zu erkennen gegeben, dass aus ihrer Sicht diese Krankheit aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt wie eine Berufskrankheit festzustellen ist.
45 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson wie eine Berufskrankheit. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 ist rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage hierfür sind, da der Morbus Parkinson erst im Jahr 1997 aufgetreten ist, nicht die Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO), sondern des am 01.01.1997 in Kraft getretenen SGB VII.
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Für die Feststellung eines Morbus Parkinson wie eine Berufskrankheit gilt § 9 Abs. 2 SGB VII. Danach haben die Unfallversicherungsträger über § 9 Abs. 1 SGB VII hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
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Diese Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII sind vorliegend nicht gegeben.
49 
Denn Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit ist, dass die beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern, die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende berufliche Einwirkungen wesentlich verursacht beziehungsweise verschlimmert worden ist und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris).
50 
Zudem ist für die Feststellung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit unter anderem erforderlich, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R - juris).
51 
Dass für den Morbus Parkinson gesicherte "Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vorliegen, haben die Sachverständigen Prof. Dr. G. und Prof. Dr. D. auch für den Senat überzeugend herausgearbeitet.
52 
So hat Prof. Dr. G. überzeugend dargelegt, dass die Prävalenz des idiopathischen Morbus Parkinson bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liegt, das statistische Risiko, an einem Morbus Parkinson zu erkranken, damit nicht niedrig ist (Vieregge 1997), es sich dabei also um eine häufig auf dem neurologischen Fachgebiet auftretende Erkrankung handelt. Er hat ferner aufschlussreich dargelegt, dass ein Morbus Parkinson neben dem idiopathischen Morbus Parkinson medikamenteninduziert, durch einen Hydrozephalus oder eine Hypoxie, postinfektiös, metabolisch, traumatisch, durch Intoxikation durch Kohlenmonoxid, Blei, Mangan, Zyanide, Methanol oder MPTP, durch einen Tumor oder vaskulär beziehungsweise als Multisystem-Neurodegeneration oder heredodegenerative Erkrankung auftreten kann (Poewe et al 1999, Bower et al 2003, Powers et al 2003). Der Sachverständige hat zwar dargelegt, dass in den letzten Jahren die Möglichkeit der Entwicklung eines Morbus Parkinson nach Pestiziden diskutiert und in verschiedenen Untersuchungen für die Exposition von Pestiziden ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Morbus Parkinson aufgezeigt worden ist (Seidler et al 1996, Vieregge 1997, Tüchsen et al 2000, Priyadarshi et al 2000, Ritz et al 2000, Engel et al 2001). Dass sich diese Möglichkeit nicht zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hat, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen, wonach für ein in epidemiologischen Untersuchungen statistisch fassbar häufigeres Auftreten bei einer ausreichend häufigen Erkrankung das frühzeitigere Manifestwerden der Erkrankung erforderlich ist und epidemiologische Untersuchungen mit einem statistisch signifikanten, aber insgesamt nur kleinen Einfluss noch keinen Beleg für einen pestizidbedingten Morbus Parkinson darstellen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Gutachters in den Untersuchungen nur für Pestizide insgesamt, nicht jedoch für die verschiedenen Substanzgruppen eine epidemiologisch signifikante Erhöhung des Risikos, einen Morbus Parkinson zu erwerben, gezeigt worden ist. Maßgeblich sind daher auch für den Senat die von Prof. Dr. G. beschriebenen Untersuchungen, in denen unter den neurotoxischen Effekten von Insektiziden ein Morbus Parkinson nicht diskutiert (He 2000) und von 474 Fällen mit Expositionen mit Pestiziden nur ein Morbus Parkinson (Michalak et al 1999) aufgeführt worden ist sowie angenommen worden ist, dass die bekannten Daten zum Problem der Pestizidexposition für die gutachterliche Praxis keine Relevanz hat (Vieregge 2002). Mithin hat der Sachverständige zu Recht dargelegt, dass allenfalls eine gute Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit für einen pestizidbedingten Morbus Parkinson besteht.
53 
Mit überzeugender Argumentation hat sich Prof. Dr. D. dieser Einschätzung angeschlossen. Auch er sieht, dass die Ausführungen des Prof. Dr. G. deutlich machen, dass einzelne epidemiologische Studien zwar von wissenschaftlichem Interesse sind, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne der Kausalität hieraus jedoch nicht herausgearbeitet werden können.
54 
Demgegenüber war der gegenteiligen Ansicht des Dr. J. nicht zu folgen. Insoweit hat Prof. Dr. D. zutreffend dargelegt, dass ein Großteil der von diesem durchgeführten Labor-Untersuchungen nicht geeignet ist, eine Berufskrankheit zu beweisen, und dieser eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. H.. Soweit dieser Sachverständige neben den bereits von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. D. gewürdigten Studien neuere Studien aufgeführt hat, haben auch diese lediglich den bereits beschriebenen statistischen Zusammenhang ergeben (Kamel und Hoppin 2004, Li et al 2005) beziehungsweise einen ursächlichen Zusammenhang nur für möglich gehalten (Brown et al 2005).
55 
Mithin liegen die zur Anerkennung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Falle des Klägers nicht vor, da es an epidemiologischen Studien und statistisch relevanten Zahlen hierfür fehlt. Schon deshalb lässt sich ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung als Desinfektor sowie Schädlingsbekämpfer und einem Morbus Parkinson nicht herstellen. Für die Annahme gesicherter Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII genügt es nicht, dass einzelne Mediziner die Verursachung für plausibel oder wahrscheinlich halten. Es reicht nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, vielmehr muss sich eine sogenannte herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R - juris).
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Das Begehren des Klägers scheitert aber nicht nur an dem Fehlen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es fehlt schon an der generellen Geeignetheit der beruflichen Einwirkungen des Klägers für die Hervorrufung des Morbus Parkinson. Der Senat folgt Prof. Dr. G., der eine beruflich bedingte Ursache im Falle des Klägers verneint hat. Insbesondere handelt es sich bei den Stoffen, denen der Kläger als Desinfektor und Schädlingsbekämpfer ausgesetzt gewesen ist, nicht um die von Prof. Dr. G. für die Verursachung eines Morbus Parkinson in Betracht kommenden aufgeführten Giftstoffe wie Kohlenmonoxid, Blei, Mangan, Zyanide, Methanol oder MPTP (ein Neurotoxin, das bei der Herstellung von Designerdrogen wie dem synthetischen Heroin verwendet wird). Vielmehr war der Kläger ausweislich der Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste vom 14.11.1995, 27.11.1995 und 16.04.1996 während seiner Tätigkeit vom 01.09.1976 bis zum 14.03.1981 bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH bei Spritz- und Nebelarbeiten gegenüber Phosphorsäureester wie Diazinon, Chlorpyrifos, Malathion und Dichlorvos mit den Lösemitteln Xylol, Isoparaffine, Methylenchlorid und Perchlorethylen sowie während seinen Tätigkeiten vom 14.09.1981 bis zum 30.04.1987 bei der Firma H. GmbH und Co. KG und vom 01.05.1987 bis zum 01.11.1992 während seiner selbständigen Tätigkeit bei Nebel-, Sprüh-, Holzmittelschutz- und Desinfektionsarbeiten gegenüber Pyrethrum, Piperonylbutoxid, Dichlorvos, Deltamethrin, Alpha-Cypermethrin, Chlorpyrifos, Diazinon, Bendiocarb, Pyrethrinen, Fenoxycarb, Furmecyclox und Aldehyden mit dem Lösemittel Shellsol T exponiert. Nichts anderes gilt für das vom Kläger angeschuldigte Lindan, ein Gamma-Hexachlorcyclohexan, bei dem es nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. um einen Halogenkohlenwasserstoff handelt. Mithin hat bereits das Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 22.07.2004 (L 10 U 2944/02) zutreffend dargelegt, dass der Morbus Parkinson nicht wesentlich ursächlich auf die beruflichen Belastungen des Klägers zurückzuführen ist. Es hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass es an einem Nachweis hinreichender Belastungen fehlt, die geeignet wären, die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu verursachen. Es hat dabei die Berichte der Technischen Aufsichtsdienste zutreffend gewürdigt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Da es sich bei den oben genannten Stoffen, denen der Kläger ausgesetzt gewesen ist, unter anderem um Halogenkohlenwasserstoffe und organische Phosphorverbindungen im Sinne der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302 und/oder 1307 der Anlage 1 zur BKV gehandelt hat, war in dem sich hierauf beziehenden unter dem Aktenzeichen L 10 U 2944/02 geführten Verfahren zu prüfen, ob bei den Sprüh- und Nebelarbeiten etwaige Grenzwerte überschritten worden sind und ob der Kläger in welchem zeitlichen Umfang Schutzausrüstung getragen hat. Da es sich bei den oben genannten Stoffen aber schon nicht um die von Prof. Dr. G. für die Auslösung eines Morbus Parkinson für möglich erachteten Stoffe handelt, waren diese Fragen in dem hier allein auf die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gerichteten Verfahren nicht von Bedeutung.
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Dasselbe gilt für das vom Kläger angeschuldigte Lindan. Zwar wird vereinzelt die Möglichkeit einer Mitverursachung des Morbus Parkinson durch in der Landwirtschaft ohne Schutzausrüstung verwendetes Lindan diskutiert. Diese Frage war aber nicht Gegenstand der in dem hier anhängigen Verfahren vorzunehmenden Prüfung. Denn es handelt sich bei Lindan um ein Halogenkohlenwasserstoff und damit einen Listenstoff im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV, während es vorliegend aber um eine Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit, also um die Verursachung durch Nicht-Listenstoffe geht. Denn auch ein Morbus Parkinson fiele, wenn seine Verursachung durch Lindan gesichert wäre, unter den Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV, so dass die auf die Feststellung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit gerichtete Klage schon deshalb keinen Erfolg hätte, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehlte, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf (vergleiche zur Verursachung durch Methanol im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage 1 zur BKV: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2012 - L 6 U 36/12 B - juris Rz. 17; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01.12.2011 - L 6 U 122/08 - juris Rz. 29-31). Ungeachtet all dessen lässt sich eine tatsächliche berufliche Exposition des Klägers mit Lindan aus den Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste nicht feststellen.
58 
Ebenfalls brauchte der Senat nicht der zunächst von Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. und später von Prof. Dr. G. aufgeworfenen Frage, ob der Morbus Parkinson auf eine Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns nach Herzstillstand mit Multiorganversagen zurückzuführen sein könnte, nachzugehen. Diese - wohl aufgrund dessen, dass sich eine solche aus den ärztlichen Unterlagen nicht feststellen lässt (denn insoweit ist im Befundbericht des Klinikums S. in T. vom 01.09.1995 zwar ausgeführt worden, die mnestischen Störungen seien am ehesten auf im Rahmen der Operation aufgetretene cerebrale Ischämien zurückzuführen, aber eben auch dargelegt worden, computertomographisch habe sich kein eindeutiges umschriebenes Insultareal nachweisen lassen), zu verneinende - Frage stellt sich nicht, da bereits die für die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit erforderlichen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht vorliegen und darüber hinaus beim Kläger eine berufliche Verursachung des Morbus Parkinson nicht hinreichend wahrscheinlich ist, es also auf im Rahmen der Wesentlichkeitstheorie zu prüfende außerberufliche Konkurrenzursachen nicht ankommt.
59 
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit. Seine Berufung war daher zurückzuweisen.
60 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
61 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).