Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 17. Nov. 2014 - Vf. 70-VI/14

bei uns veröffentlicht am17.11.2014

Gericht

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde und des Antrags auf einstweilige Anordnung ist der einstimmig ergangene Beschluss des Bayerischen Landtags vom 1. Juli 2014 (LT-Drs. 17/2483) über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens bayerischer Polizei- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Staatsministerien, der Staatskanzlei und der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger im Zusammenhang mit dem Labor Sch. und der beim Bayerischen Landeskriminalamt eingerichteten Sonderkommission „Labor“ und weiterer Vorkommnisse im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S. und andere Beschuldigte und auf entsprechende Anzeigen des Dr. B. S. und anderer Personen sowie bei der Rechtsaufsicht über die Beachtung der Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte und bei der gegebenenfalls notwendigen Korrektur der Rahmenbedingungen im selbstverwalteten Gesundheitssystem bei der Abrechnung von Laborleistungen durch bayerische Ärzte.

Nach dem Einsetzungsbeschluss hat der Untersuchungsausschuss die Aufgabe zu untersuchen, ob die in der Öffentlichkeit verbreiteten Vorwürfe zutreffen, der Laborarzt Dr. B. S. sei von der bayerischen Justiz trotz des Verdachts, im Zusammenwirken mit einer Vielzahl von Ärzten gegen Vorschriften über die Abrechnung von Laborleistungen verstoßen zu haben, lediglich zum Schein Laborärzte in seine Gemeinschaftspraxis aufgenommen zu haben, um hierdurch in größerem Umfang Laborleistungen abrechnen zu können, als dies bei Beachtung der entsprechenden Abrechnungsvorschriften möglich gewesen wäre, und bei der Abrechnung von in auswärtigen Laboren erbrachten Leistungen den Anschein erweckt haben soll, dass diese durch selbstständige Ärzte in freier Praxis erbracht wurden, die jedoch tatsächlich von einer Gesellschaft abhängig sein sollen, deren einer Geschäftsführer Dr. B. S. sein soll, einem bei der Staatsanwaltschaft Augsburg tätigen Staatsanwalt in strafbarer Weise einen Vorteil vermacht und versucht zu haben, ihn zu bestechen, von der bayerischen Justiz aus sachfremden Motiven und aufgrund behaupteter politischer Einflussnahme geschont worden, und insbesondere, ob die Staatsanwaltschaft Augsburg trotz eines von der Staatsanwaltschaft München I durchgeführten sog. „Pilotverfahrens“ schon vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2012 Ermittlungsverfahren gegen mehr als einhundert Ärzte eingestellt und in einer Vielzahl weiterer Verdachtsfälle keine Maßnahmen zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung eingeleitet habe, ob die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Augsburg auf sachfremden Motiven und politischer Einflussnahme beruht habe, und dadurch einer Vielzahl von privatversicherten Patienten und ihren jeweiligen privaten Krankenversicherungen ein Schaden in Höhe von ca. 500 Mio. Euro entstanden sei,

ob die im November 2006 beim Bayerischen Landeskriminalamt eingerichtete Sonderkommission „Labor“ trotz des Vorliegens erheblicher Indizien dafür, dass bundesweit bis zu 10.000 Ärzte an einem von dem Laborarzt Dr. B. S. initiierten betrügerischen Abrechnungssystem beteiligt gewesen sein könnten, von den vorgesetzten Stellen im Bayerischen Landeskriminalamt und bei der Staatsanwaltschaft in ihrer Ermittlungsarbeit behindert worden sei, die Zahl der Mitarbeiter der Sonderkommission „Labor“ aus sachfremden Motiven und aufgrund politischer Einflussnahme zur Unzeit verringert worden sei, es innerhalb der Sonderkommission „Labor“ eine Gruppe gegeben haben soll, die die Ermittlungen nicht vorangetrieben, sondern behindert habe, gegen Mitarbeiter der Sonderkommission „Labor“ aus sachfremden Motiven und aufgrund politischer Einflussnahme ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte unangemessen lange Ermittlungs- und Disziplinarverfahren eingeleitet worden seien, diese Mitarbeiter wegen ihres Protests gegen die Verkleinerung der Sonderkommission „Labor“ und Behinderungen der Ermittlungen sowie wegen jahrelang anhängiger Ermittlungsverfahren trotz Vorliegens aller Voraussetzungen nicht befördert worden seien,

ob der Inhaber des Labors Sch. MVZ GmbH bereits im Jahr 1999 eine Spende an die CSU in Höhe von 5 Mio. DM und später über einen Bundestagsabgeordneten der CSU und den damaligen Ministerpräsidenten Dr. Stoiber weitere Spenden in Höhe von 20.000 Euro geleistet habe, um politische Entscheidungen in der Gesundheitspolitik und den Umgang der Justiz mit Dr. B. S. zu beeinflussen,

ob gegen einen Journalisten, der über Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Labor Sch. berichtet hat, ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte Ermittlungsverfahren eingeleitet und über zwei Jahre hinweg ermittelt worden sei,

ob die Staatsregierung ihrer Aufsichtspflicht im Hinblick auf die Beachtung der Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte nicht nachgekommen sei,

ob die Staatsregierung, die zuständigen Staatsministerien und nachgeordnete Behörden die Rechtsaufsicht im selbstverwalteten Gesundheitssystem nicht ordnungsgemäß ausgeübt hätten und sie sich nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht hätten, ihnen bekannte bestehende gesetzliche Lücken zu schließen.

Dem Untersuchungsauftrag angefügt ist ein detaillierter Fragenkatalog, aufgegliedert in die Teilkomplexe

1. Verstöße gegen die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bei der Abrechnung von Laborleistungen und Ausübung der Rechtsaufsicht

2. Beurteilung der Strafbarkeit des von Dr. B. S. mit einer Vielzahl von Ärzten praktizierten Systems der Abrechnung von Laborleistungen

3. Ermittlungsverfahren gegen den Inhaber und/oder Mitarbeiter des Labors Sch.

4. Sonderkommission „Labor“ und Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S. u. a. im Zusammenhang mit der Abrechnung von Laborleistungen der Klassen M III und M IV u. a.

5. Ermittlungsverfahren gegen einen bei der StA Augsburg tätigen Staatsanwalt und gegen den Inhaber des Labors Sch.

6. Beschwerden der Beamten des BLKA S. und M.

7. Ermittlungs- und Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter der „SOKO

Labor“

8. Weitere Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S.

9. Ermittlungsverfahren gegen den Journalisten D.

10. Spendenvorgänge

11. Politische Einflussnahmen?

II.

1. Mit der am 11. Juli 2014 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Sie beantragen sinngemäß:

I.

Der Beschluss des Bayerischen Landtags vom 1. Juli 2014 (LT-Drs. 17/2483) wird aufgehoben.

II.

Hilfsweise:

Der Beschluss des Bayerischen Landtags vom 1. Juli 2014 wird hinsichtlich folgender Fragen aufgehoben: Fragengruppe 1.: Frage 1.1. und Fragen 1.4. bis 1.7. Fragengruppe 2.: Fragen 2.1. bis 2.11.1. Fragengruppe 3.: Fragen 3.1. bis. 3.2. Fragengruppe 4.: Fragen 4.1. bis 4.16.5.

Fragengruppe 5.: Fragen 5.1.1. bis 5.3.5.3., 5.9. bis 5.14., 5.16. bis 5.19.

Fragengruppe 6.: Fragen 6.1. bis 6.10. Fragengruppe 7.: Fragen 7.1. bis 7.9. Fragengruppe 8.: Fragen 8.1. bis 8.6. Fragengruppe 9.: Fragen 9.1. bis 9.6. sowie nur auf Antrag des Beschwerdeführers zu 1: Fragengruppe 10.: Fragen 10.1. bis 10.3.1.

III.

Die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer zu 1 und 2 werden dem Bayerischen Landtag auferlegt.

Außerdem beantragen sie, im Wege einer einstweiligen Anordnung dem Bayerischen Landtag einstweilen zu untersagen,

den Beschluss vom 1. Juli 2014 (LT-Drs. 17/2483) zu vollziehen, bis der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Verfassungsbeschwerdeverfahren über die Hauptsache entschieden hat mit Ausnahme der Befassung folgender Fragen: 1.2., 1.3., 1.8., 1.9., 5.1., 5.4. bis 5.8., 5.15, 11.1 bis 11.5.2.

a) Die Beschwerdeführer tragen vor, ihr Familienname und das Namenskürzel des Beschwerdeführers zu 1 (Dr. B. S.) würden in dem 14-seitigen Einsetzungsbeschluss insgesamt 62 Mal erwähnt. Der Bayerische Landtag sehe sich ausweislich des angegriffenen Beschlusses berufen, den Ermittlungsgegenstand der derzeit gegen die Beschwerdeführer beim Landgericht Augsburg anhängigen Anklage der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 30. Januar 2012 (Az. 9 KLs 501 Js 113815/08) mit den Mitteln der Strafprozessordnung, aber ohne Einschaltung von Verteidigern zu untersuchen. Darüber hinaus bezwecke der Landtagsbeschluss, die Richtigkeit rechtskräftiger, auf Antrag des Beschwerdeführers zu 1 ergangener Gerichtsentscheidungen zu überprüfen, namentlich das freisprechende Urteil des Landgerichts Augsburg vom 23. Oktober 2000 (Az. 9 KLs 502 Js 114771/98), die seiner Popularklage stattgebende Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. Juli 2001 (Vf. 2-VII-0), den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 (Az. 1 StR 299/01) und den Strafbefehl des Amtsgerichts Aichach vom 5. Juni 2007 (Az. Cs 572 Js 35780/07). Damit greife der Beschluss zulasten beider Beschwerdeführer auf verfassungswidrige Weise in Kernfunktionen der Strafjustiz und der Verfassungsgerichtsbarkeit, aber auch in den Kernbereich der der Exekutive zuzuordnenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit ein. Der Inhalt des Beschlusses verletze schon deshalb den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 5 BV), weil sich das Parlament einen Eingriff in die Kompetenzen der Exekutive und der Judikative anmaße, gerichtliche Entscheidungen missachte und laufende Ermittlungs- und Strafverfahren an sich ziehe und damit gefährde. Ohne tatsachengestützte Anhaltspunkte für das Vorliegen eines dem Untersuchungsausschuss überhaupt zugänglichen Gegenstands - beide Beschwerdeführer seien Privatleute und übten keine öffentlichen Ämter aus, ihre Unternehmungen seien nicht Auftragnehmer staatlicher Stellen und wiesen auch keinerlei staatliche oder kommunale Beteiligungen auf - werde durch den Beschluss vielfach und willkürlich in ihre Grundrechte und zu ihren Lasten in das Richtermonopol eingegriffen.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Augsburg, das mit Beschluss vom 21. März 2014 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe, gehe es um einen Sachverhalt, der von dem Untersuchungsausschuss im Einzelnen abgefragt und untersucht werden solle. Die Beschwerdeführer hätten in diesem Verfahren durch ihre Verteidiger schwere Mängel des Ermittlungsverfahrens gerügt, Beweis für unerlaubte Ermittlungsmethoden der Soko „Labor“ angeboten und die Verfahrensfairness auch deshalb bezweifelt, weil es gegenüber dem Journalisten D. zu erheblichen Verletzungen des Dienstgeheimnisses gekommen sei. Die vom Landtag beschlossenen Fragengruppen griffen diese Einwände der Verteidiger im Einzelnen an und wollten sie durch Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss widerlegen. Durch diese Aktivitäten werde die Auseinandersetzung der Strafkammer mit den von der Verteidigung erhobenen Einwänden gefährdet und infrage gestellt. Gegenstand des Strafverfahrens seien auch bisherige, für die Beschwerdeführer günstige Auslegungen des ärztlichen Gebühren- und Zulassungsrechts, bei denen sie sich u. a. auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. Juli 2001 stützten, die der Landtag wie alle anderen den Beschwerdeführer zu 1 betreffenden gerichtlichen Feststellungen einer neuen „Beurteilung“ unterziehen wolle.

Bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses sei das Hauptziel der antragstellenden Oppositionsfraktionen das bereits erwähnte laufende strafgerichtliche Verfahren vor dem Landgericht Augsburg gewesen (Nr. 8. des Fragenkatalogs). Es gehe insoweit um einen finalen Eingriff in ein vor Kurzem von der Strafkammer eröffnetes Hauptverfahren. So ziele etwa die Frage, ob die Strafkammer die Anklage „unverändert zugelassen“ habe (Nr. 8.4.), ersichtlich darauf ab, das Gericht bei dieser Tätigkeit zu kontrollieren. Mit der gesamten Fragengruppe 8. werde eine Drohkulisse gegenüber der Strafkammer aufgebaut. Auch soweit der Untersuchungsauftrag vergangene Vorgänge betreffe, ziele er auf eine Kontrolle der unabhängigen Tätigkeit von Justizorganen. Dass nach dem Selbstverständnis der Abgeordneten, welche die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt haben, „Justizirrtümer“ aufgeklärt, also Fehlurteile bayerischer Gerichte untersucht werden sollten, ergebe sich aus verschiedenen Äußerungen innerhalb und außerhalb des Parlaments.

b) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung ihres aus Art. 100 i. V. m. Art. 101 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV folgenden Grundrechts auf ein faires Verfahrens, der dort ebenfalls verankerten Unschuldsvermutung, des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV), des Verbots des „ne bis in idem“ (Art. 104 Abs. 2 BV), der grundrechtlichen Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) und des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 101 BV). Die Beschwerdeführer seien bereits durch den Einsetzungsbeschluss des Landtags, der insoweit als Behörde im Sinn von Art. 120 BV anzusehen sei, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen. Ihr Name sei in der Parlamentsdebatte um die Einsetzung des Ausschusses ständig genannt worden; das Aufzählen angeblicher Verfehlungen und Missstände im Zusammenhang mit ihrem Namen mache sie zu materiell Betroffenen. Sie würden durch die von den Vorwürfen ausgehende Prangerwirkung in ihren Rechten verletzt. Der Einsetzungsbeschluss lasse, ohne dass es eines Ausführungs- oder Vollziehungsaktes bedürfe, bereits erkennen, dass das beim Landgericht Augsburg derzeit schwebende Gerichtsverfahren ins Visier genommen werde. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei durch den Beschluss unmittelbar beeinträchtigt, weil die Beschwerdeführer als in einen Skandal verwickelt und verschiedener Straftaten verdächtig bezeichnet würden. Durch die einzelnen Fragestellungen, die sich auf das laufende Strafverfahren auswirkten, werde in vielfacher Weise gegen das strafverfahrensrechtliche Fairnessgebot verstoßen. Das Gebot der Rechtswegerschöpfung stehe der Zulässigkeit nicht entgegen. Gegen den Einsetzungsbeschluss sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO nicht gegeben, da es sich ungeachtet der unmittelbaren Auswirkung auf die Grundrechte der Beschwerdeführer um einen Akt auf der Ebene des Verfassungsrechts handle, so dass eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliege. Die Rechtslage sei hier nicht anders als in den Fällen, in denen der Einzelne durch ein Gesetz unmittelbar verletzt werde.

c) Die Eilbedürftigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung ergebe sich daraus, dass der Untersuchungsausschuss bereits am 16. Juli 2014 seine Arbeit aufnehmen wolle. Durch die Untersuchungstätigkeit würde das Recht der Beschwerdeführer auf ein faires Verfahren irreversibel geschädigt. Wenn der Gegenstand des gegen sie eröffneten Strafverfahrens schon vor Beginn der Hauptverhandlung in den öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses erörtert würde, läge eine Beurteilung der Anklage durch die Legislative vor, bevor die Judikative über sie entschieden habe; ein faires und unbeeinflusstes Verfahren könnten die Beschwerdeführer dann nicht mehr erwarten. Die Beschwerdeführer könnten nicht auf die Wahrnehmung von Rechtsschutz auf der „Durchführungsebene“ verwiesen werden; die Grundrechtsverletzung müsse bereits auf der „Einsetzungsebene“ verhindert werden. Bei Abwägung des Schadens, der den Beschwerdeführern bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung und späterem Erfolg in der Hauptsache entstünde, mit dem möglichen Verzögerungsschaden auf Seiten des Landtags überwiege eindeutig der Schaden für die Grundrechte der Beschwerdeführer.

d) Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Die Anmaßung der Rolle einer direkten strafgerichtlichen Kontrollinstanz und eines justiziellen Eingriffs- und Befehlsgremiums durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verletze die Beschwerdeführer in einer Reihe verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte. Ihnen werde kein faires gerichtliches Verfahren mehr garantiert, wenn parallel zum laufenden Strafverfahren ein Untersuchungsausschuss das Strafverfahren untersuche, kommentiere und beeinflusse; dadurch werde ihnen auch der gesetzliche Richter genommen.

Eine von den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zu 1 erbetene Stellungnahme eines Staatsrechtslehrers komme zu dem Ergebnis, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, dessen Gegenstand mit dem eines anhängigen Strafverfahrens im Wesentlichen identisch sei oder der die Strafbarkeit eines Verhaltens untersuchen solle, über das bereits durch rechtskräftiges Strafurteil entschieden worden sei (insbesondere im Fall eines Freispruchs), gegen das Gewaltenteilungs- und das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Sie verletze auch unmittelbar Grundrechte des Betroffenen, nämlich sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf ein faires gerichtliches Verfahren bzw. sein Recht, nicht durch staatliche Stellen trotz rechtskräftigen Freispruchs einer Straftat verdächtigt zu werden. In einem von den Beschwerdeführern eingeholten Gutachten eines Strafrechtslehrers werde dargelegt, dass die Prozessgegenstände der gegen den Beschwerdeführer zu 1 anhängigen oder anhängig gewesenen Strafverfahren mit den im angegriffenen Einsetzungsbeschluss festgelegten Verfahrensgegenständen in großem Umfang schlechthin identisch seien; sie bildeten auch dort, wo dem Untersuchungsausschuss zusätzliche Gegenstände aufgegeben worden seien, eine Teilmenge seines Verfahrensgegenstands. In dem Gutachten werde weiter ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch den Einsetzungsbeschluss insbesondere in seinem Recht auf eine effektive Verteidigung, in seinem Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einschließlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, in seinem Anspruch auf Respektierung einer rechtskräftigen Unschuldsfeststellung und in seinem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde fließenden Anspruch auf Resozialisierung verletzt werde. Eine besondere Gewichtigkeit bekämen die Eingriffe durch das für die Ausschussarbeit mit Sicherheit prognostizierbare große Medienecho unter dem Gesichtspunkt der Vorverurteilung und damit der Beeinträchtigung eines fairen Strafverfahrens unter dem Aspekt einer öffentlichen Bloßstellung des Betroffenen, gegen die er im Ausschussverfahren wehrlos sei.

Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zeige sich darin, dass in dem angegriffenen Beschluss nicht herausgestellt werde, dass das Landgericht Augsburg den Beschwerdeführer zu 1 mit Urteil vom 23. Oktober 2000 von den im Einsetzungsbeschluss beständig wiederholten Vorwürfen freigesprochen und dass die Staatsanwaltschaft Augsburg spätere Ermittlungsverfahren insbesondere nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe. Bei genauer Lektüre der Begründung des Einsetzungsbeschlusses werde erkennbar, dass die Antragsteller des Untersuchungsausschusses zum Mittel der Diffamierung gegriffen hätten in der Sorge, auch der im März 2014 eröffnete Strafprozess vor dem Landgericht Augsburg könnte zugunsten der Beschwerdeführer ausgehen. Als Kernstück erweise sich hierbei die Fragengruppe 8., die zwar unter der Überschrift „Weitere Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S.“ stehe, aber in Wirklichkeit lauten müsste: „Untersuchung des schwebenden Strafverfahrens gegen Dr. B. S.“. Es sei dabei das Ziel, dass sich die Strafkammer darüber im Klaren sei, dass der Ausschuss ihr Verfahren kontrolliere, etwa durch die Frage, ob die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden sei (8.4.) und aus welchen Gründen die Hauptverhandlung erst im Jahr 2015 beginnen könne (8.5.); es solle also untersucht werden, „aus welchen Gründen“ sich die Strafkammer für diese Verfahrensgestaltung entschieden habe. Es sei ebenso ein Eingriff in das schwebende Verfahren, wenn die Strafkammer sich rechtfertigen solle, „aus welchen Gründen [...] es mehr als zwei Jahre gedauert [habe], bis die Anklage am 21. März 2014 durch das Landgericht Augsburg zugelassen wurde“ (8.3.). Die Kontrollfrage, ob es in dem anhängigen Verfahren „Bestrebungen einer Verständigung mit Dr. B. S.“ gegeben habe (8.1.2.), ziele ebenfalls auf eine Rechtfertigungsantwort der Mitglieder der Strafkammer, ob sie eine solche Verständigung im jetzt laufenden Verfahren und aus welchen Gründen gesucht oder unterlassen hätten. Besonders in dieser Frage werde die von den Antragstellern des Ausschusses aufgebaute Drohkulisse an die Strafkammer erkennbar: Möglichst schnell und ohne Verständigung solle der Beschwerdeführer verurteilt werden. Aus der Eingriffsinstanz werde damit sogar die parlamentarische Befehlsinstanz an die Dritte Gewalt. Die Fragen wollten zudem ersichtlich eine öffentliche Mitteilung der Anklageschrift und anderer amtlicher Schriftstücke im Untersuchungsausschuss erreichen und das Verbot des § 353 d Nr. 3 StGB umgehen, wodurch die Rechte der Angeklagten verletzt würden.

Mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Gesetzlichkeit des Richters seien eine derartige simultane parlamentarische Verfahrensbeurteilung eines Strafverfahrens und der Versuch einer Prozessherrschaft durch einen Parlamentsausschuss schlechthin unvereinbar, da der gesetzliche Richter einem Angeklagten auch dann entzogen werde, wenn gesetzlich nicht berufene staatliche Instanzen seinen Strafprozess zu beeinflussen versuchten. Die verfassungsrechtlichen Garantien für den fairen Ablauf eines Strafverfahrens würden konterkariert und zerstört, wenn sich außergerichtliche Staatsinstanzen anmaßten, schwebende Verfahren zu untersuchen, begleitend zu kommentieren oder sogar in sie hineinzuregieren. Die Fragen 3.1. bis 3.2. und 4.1. bis 4.16.5. gefährdeten daher in höchstem Maß die derzeit laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren; sie behinderten und unterbänden zugleich die Verteidigertätigkeit. Die mit dem Einsetzungsbeschluss verbundene Prangerwirkung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Da der Untersuchungsausschuss eine Reihe rechtskräftig abgeschlossener strafrechtlicher Sachverhalte wieder aufrollen solle, werde auch gegen das „ne bis in idem“-Prinzip verstoßen. Das Parlament und seine Ausschüsse seien keine justiziellen Superrevisions- und Wiederaufnahmeinstanzen.

Der Einsetzungsbeschluss missachte das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung, wonach die rechtsprechende Gewalt in ihrer erkennenden Tätigkeit nicht der Kontrolle durch die Erste Gewalt unterliege. Zugleich greife der Beschluss in die richterliche Unabhängigkeit (Art. 85 BV) ein, zu der das Unterbleiben jeglicher Kontrollen seitens der Ersten und der Zweiten Staatsgewalt gehöre. Untersuchungsgegenstand eines Ausschusses nach Art. 25 BV könnten nur Verwaltungsvorgänge sein, nicht dagegen Entscheidungen der Dritten Gewalt; diese Zielrichtung des parlamentarischen Enqueterechts lasse sich auch dogmengeschichtlich begründen. Untersuchungsausschüsse dürften sich nur mit abgeschlossenen Verwaltungsvorgängen (sog. ex post-Kontrolle) befassen; der angefochtene Beschluss greife dagegen den schwebenden Gerichtsverfahren wertend voraus. Für die Untersuchung fehle es an dem erforderlichen öffentlichen Interesse; Vorgänge im privaten Leben und Vorkommnisse im gesellschaftlichen Bereich dürften nur in eine parlamentarische Untersuchung einbezogen werden, wenn zum Beispiel die betroffenen privaten Unternehmen aufgrund gemeinwirtschaftlicher Zielsetzung in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt würden. In private Bereiche dürfe nur eingegriffen werden, wenn ein Bezug zur Kontrolle eines öffentlichen Amtes oder der Ausübung einer Funktion im öffentlichen Leben bestehe; die Beschwerdeführer selbst seien aber niemals in dieser Form tätig gewesen. Der angegriffene Beschluss verstoße auch gegen die einfachgesetzliche Bestimmung des Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags, wonach die beantragte Untersuchung geeignet sein müsse, dem Landtag Grundlagen für eine Beschlussfassung im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit zu vermitteln. An dieser Voraussetzung fehle es bei zahlreichen Fragen, beispielhaft zu erwähnen seien die Fragen 5.1.2.3.1. und 5.1.2.3.2.

e) Mit weiteren Schriftsätzen vom 30. September, 27. Oktober, 7. und 13. November 2014 wurde das Beschwerdevorbringen ergänzt und vertieft.

Die Beschwerdeführerin zu 2 sei nicht nur Mitangeklagte in dem anhängigen Strafverfahren vor dem Landgericht Augsburg, sondern auch Beschuldigte in einem von der Staatsanwaltschaft Augsburg mit Verfügung von 24. Mai 2012 nach § 154 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren gewesen, das den Dreh- und Angelpunkt des angegriffenen Untersuchungsauftrags bilde. Bei diesem handle es sich um eine generell unzulässige privatgerichtete Missstandsenquete, die in die Form einer staatsgerichteten Kontrollenquete gekleidet worden sei, wie in einem beigefügten weiteren Gutachten eines Staatsrechtslehrers näher dargelegt werde. Im Verhältnis von parlamentarischen Untersuchungsverfahren zu gleichzeitig anhängigen Strafverfahren gelte das Gebot des zeitlichen Vorrangs der richterlichen Beweisaufnahme vor einer Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss. Die durch den angegriffenen Untersuchungsauftrag bezweckte Beurteilung strafgerichtlicher Entscheidungen greife auch hinsichtlich der bereits abgeschlossenen Verfahren in die richterliche Unabhängigkeit ein, da damit die betroffenen Richter in ihrer künftigen Tätigkeit unzulässig beeinflusst würden. Die Staatsanwaltschaft als selbstständiges Organ der Strafrechtspflege dürfe ebenfalls keinen justizfremden Einflüssen in Gestalt der politischen Kontrolle eines Untersuchungsausschusses ausgesetzt sein. Ihre Tätigkeit gehöre zum exekutiven Kernbereich; die Rechtsüberzeugung eines Staatsanwalts könne nicht Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein. Bei zahlreichen im Einsetzungsbeschluss genannten Fragengruppen fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten für ein zu untersuchendes staatliches Fehlverhalten. Dies gelte auch für die vom Beschwerdeführer zu 1 geleistete Parteispende. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass damit ein unlauterer Einfluss auf die Ermittlungen wegen des Verdachts strafbarer Handlungen habe genommen werden sollen. Die Wahrnehmung des demokratischen Rechts, eine Partei im Wahlkampf finanziell zu unterstützen, dürfe einem Bürger nicht als eine Handlung aufgrund egoistischer Privatinteressen ausgelegt werden. Der mit der Untersuchung verbundene Grundrechtseingriff sei unverhältnismäßig, weil nicht statt der Bezeichnungen „Labor Sch. MVZ GmbH“ und „Laborarzt Dr. B. S.“ weniger belastende Formulierungen wie etwa „Labor X“ und „Dr. Y“ gewählt worden seien.

Das Bundesverfassungsgericht habe im Urteil vom 21. Oktober 2014 (Az. 2 BvE 5/11) zu den Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Parlament klargestellt, dass eine wettbewerbsbeeinflussende staatliche Maßnahme, die eine juristische oder natürliche Person in ihrer beruflichen Tätigkeit behindere, eine Beschränkung der Berufsfreiheit darstelle. Ein solcher Fall liege hier vor, da die Wettbewerbssituation der Beschwerdeführer durch die Skandalisierung ihrer Berufstätigkeit massiv beeinträchtigt werde. Ob Unternehmensinformationen auf Fragen von Abgeordneten offengelegt werden dürften, sei im Rahmen einer Abwägung zu prüfen, bei der das Informationsrecht des Parlaments mit der den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistenden Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen zum Ausgleich zu bringen sei; dies müsse für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erst recht gelten. Das Untersuchungsprogramm des vom Landtag eingesetzten Untersuchungsausschusses „Labor“ sei weitgehend darauf ausgerichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführer zu offenbaren. Die bei früheren Durchsuchungen des Labors und der Privaträume der Beschwerdeführer vorübergehend sichergestellten umfangreichen Unterlagen seien bei den Behörden in Form von Ermittlungsberichten und Vermerken ebenso noch vorhanden wie die damals gefertigten Filmaufnahmen von Geschäfts- und Wohnräumen. Alles, was die Beschwerdeführer als Unternehmer (und auch als Individuum) ausmache, befinde sich bei den Akten der betroffenen Staatsanwaltschaften und Gerichte und sei vom Untersuchungsausschuss bereits angefordert worden, um den Parlamentariern zur Kenntnis gereicht zu werden. Es sei ein unzulässiger Grundrechtseingriff, wenn ein Untersuchungsausschuss in beschlagnahmte Beweismittelunterlagen Einsicht nehme, ohne die nach der Strafprozessordnung für Akteneinsichtsrechte Dritter geltenden strengen Voraussetzungen zu erfüllen.

2. Der Bayerische Landtag hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei schon deshalb abzulehnen, weil die hier vorzunehmende Folgenabwägung zugunsten des parlamentarischen Kontrollrechts ausfallen müsse.

a) Für die Beschwerdeführerin zu 2 sei die grundrechtliche Betroffenheit nicht substanziiert dargelegt worden. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei bezüglich beider Beschwerdeführer bereits deshalb unzulässig, weil der Landtag insoweit nicht gemäß Art. 66, 120 BV als Behörde oder in Ausübung behördenähnlicher exekutiver Befugnisse, sondern in Wahrnehmung einer genuin konstitutionellen Kompetenz gehandelt habe. Der Einsetzungsbeschluss sei daher verfassungsprozessual anders zu behandeln als die von einem Untersuchungsausschuss selbst getroffenen Maßnahmen. Die Verweisung der Beschwerdeführer auf den Rechtsschutz im Untersuchungsverfahren stelle sie in Bezug auf den Einsetzungsbeschluss nicht rechtlos, da sie bei Maßnahmen des Ausschusses, die sie unmittelbar beschwerten, im Rahmen der verfügbaren gerichtlichen Verfahren eine Inzidentprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses herbeiführen könnten. Der Landtag sei zudem gehalten, die Verfassungsmäßigkeit von Einsetzungsbeschlüssen zu prüfen und die notwendige Abwägung zwischen dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit und den Grundrechten Betroffener vorzunehmen.

Eine Verfassungsbeschwerde könne nur der erheben, in dessen verfassungsrechtlich geschützten Rechtskreis eine Behörde unmittelbar eingegriffen habe. In der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses liege jedoch im Allgemeinen noch kein Eingriff in Rechte von Bürgern. Im vorliegenden Fall richte sich der Einsetzungsbeschluss nicht gegen die Beschwerdeführer; ihre Abrechnungsverfahren und die damit verbundenen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren seien nur mittelbar Gegenstand des Beschlusses. Die parlamentarische Untersuchung sei nicht wegen etwaigen Fehlverhaltens gegen bestimmte private Personen gerichtet.

Die Verfassungsbeschwerde sei auch unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft sei (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Mangels Sonderzuweisung müsse hier zunächst nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden. Sehe man den Beschluss des Landtags als behördliche Maßnahme im Sinn des Art. 120 BV an, so sei er ebenso zu behandeln wie die von dem Untersuchungsausschuss erlassenen Maßnahmen. In beiden Fällen gehe es um nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten, auch wenn ein Verfassungsorgan beteiligt sei oder die Klage auf eine verfassungsrechtliche Norm gestützt werde. Bei Einsetzungsbeschlüssen des Deutschen Bundestags werde es dem Betroffenen gleichfalls zugemutet, vor der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zunächst Rechtsschutz durch die allgemeinen Gerichte zu suchen (vgl. § 36 PUAG).

b) Die Verfassungsbeschwerde sei in jedem Fall unbegründet, da Grundrechte der Beschwerdeführer nicht verletzt würden. Der Einsetzungsbeschluss greife nicht unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein; die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung komme erst bei Maßnahmen zur Durchführung des Beschlusses im Rahmen des Untersuchungsverfahrens in Betracht. Selbst wenn man schon eine unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung annehme, seien die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten verletzt, da der Einsetzungsbeschluss allen verfassungs- und insbesondere grundrechtlichen Anforderungen genüge. Art. 25 BV beschränke mit Verfassungsrang Grundrechte in Bezug auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Das in Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV geschützte Persönlichkeitsrecht und insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung würden nicht verletzt. Beeinträchtigungen dieser Grundrechte fänden durch ein öffentliches Aufklärungsinteresse grundsätzlich ihre Rechtfertigung. Ungeachtet der Frage, inwieweit das vom Landtag bejahte öffentliche Interesse an der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden könne, lasse sich schwerlich bestreiten, dass die Untersuchung des Umgangs der zuständigen Personen und Stellen im staatlichen Verantwortungsbereich mit (möglicherweise strafrechtlich relevanten) Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Gesundheitsleistungen ein legitimes politisches Interesse sei. Das für die Rechtmäßigkeit eines Einsetzungsbeschlusses aufgestellte Erfordernis „tatsachengestützter Anhaltspunkte“ sei aus den Grundrechten der von einem solchen Beschluss Betroffenen abgeleitet; es gelte daher nicht bei der hier angestrebten Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens der bayerischen Justiz und ihrer Amtsträger, bei der die Abrechnungspraxis des Beschwerdeführers zu 1 nur mittelbar Gegenstand des Untersuchungsauftrags sei. Jedenfalls enthalte der Einsetzungsbeschluss aber hinreichend Tatsachen in Form von Geschehensabläufen, Aktivitäten und Verfahren. Der mögliche Grundrechtseingriff sei verhältnismäßig. Der Name des Beschwerdeführers sei in die Bezeichnung des Untersuchungsausschusses nicht aufgenommen worden; im Fragenkatalog sei er abgekürzt. Ein Mehr an Vorkehrungen könne der Bayerische Landtag nicht leisten, um zu vermeiden, dass der Beschwerdeführer zu 1 in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Sachverhalt in Verbindung gebracht werde.

Mittelbare Untersuchungen privater Bereiche im Rahmen zulässiger parlamentarischer Untersuchungsverfahren seien grundsätzlich zulässig, auch wenn ihre Ausforschung im Einzelfall auf grundrechtliche Schranken stoße. Die Einbeziehung der Abrechnungspraxis des Beschwerdeführers zu 1 in den Untersuchungsauftrag sei nach dessen Zielsetzung thematisch unvermeidbar. Der Ausschuss habe keine persönliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers zu 1 für etwaige gesetzwidrige Vorgänge festzustellen. Es bleibe ihm aber unbenommen, sich im Rahmen der Fragengruppe 1. eine eigene Auffassung zu dem komplexen System der Finanzierung von Gesundheitsleistungen und insbesondere deren Abrechnung mit den privaten Kassen zu bilden und sich dazu auch Informationen über die Praxis der Abrechnung labormedizinischer Leistungen durch den Beschwerdeführer zu 1 zu beschaffen.

Der Einsetzungsbeschluss verletze auch nicht die von den Beschwerdeführern ins Feld geführten Justizgrundrechte. Die entsprechenden Rügen erreichten allenfalls das „rechtspolitische Weichbild“ der infrage stehenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, nicht aber die jeweiligen grundrechtlichen Schutzbereiche. Es sei nach heute ganz überwiegender Auffassung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn zeitgleich zu einem Strafverfahren ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Sachverhalte untersuche, die ganz oder teilweise übereinstimmten. Das Verhältnis der Verfahren zueinander müsse allerdings im Stadium der Durchführung vom Grundsatz der wechselseitigen Rücksichtnahme bestimmt sein und dem rechtsstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens entsprechen; die Rechte Betroffener im Untersuchungsverfahren würden durch gesetzliche Vorschriften geschützt (z. B. Art. 11 Abs. 1 Satz 3, Art. 13, 14 Abs. 3 UAG). Der Grundsatz der unabhängigen Beurteilung ein und desselben Sachverhalts durch den Untersuchungsausschuss einerseits und die Gerichte andererseits ergebe sich dabei aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz.

Die Beschwerdeführer hätten nicht begründen können, dass in ihrem Fall besondere Umstände vorlägen, die eine Ausnahme vom Grundsatz verfassungsrechtlich erlaubter Parallelität von Untersuchungs- und Gerichtsverfahren rechtfertigen könnten. Die im Untersuchungsauftrag enthaltenen Fragen seien detailliert, zielten aber weder direkt noch indirekt auf eine Beeinflussung der Wahrheits- und Rechtsfindung im anhängigen Hauptverfahren. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass die für das Strafverfahren zuständigen Richter durch den Einsetzungsbeschluss und dessen Durchführung beeinflusst würden. Dies gelte für die Bewertung von Zeugenaussagen ebenso wie für die Möglichkeit einer effektiven Verteidigung.

Die im Einsetzungsbeschluss enthaltenen Fragen zu in der Vergangenheit liegenden Justizverfahren zielten im Schwerpunkt auf das Verhalten und insbesondere die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Abrechnungspraxis der Beschwerdeführer sowie auf die durchgeführten Ermittlungsverfahren. Sie bezögen sich ausdrücklich auf zurückliegende Sachverhalte und ließen nicht erkennen, dass sie den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der justiziellen Exekutive erreichten. Keine der Fragen greife in die den Richtern vorbehaltene rechtsprechende Gewalt ein. Der Bereich der Rechtsprechung sei nicht von vornherein vom parlamentarischen Untersuchungsrecht ausgenommen. Selbstverständlich dürfe der Untersuchungsausschuss nicht das Ergebnis abgeschlossener Justizverfahren korrigieren und insbesondere nicht rechts- oder bestandskräftige Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts aufheben oder abändern. Darin liege aber auch kein Ziel des Untersuchungsauftrags. Die entsprechenden Fragen in den Fragengruppen 2. bis 9. verstießen deshalb nicht gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 104 Abs. 2 BV). Es sei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht verwehrt zu prüfen, ob es politisch veranlasste Versuche gegeben habe, auf die Entscheidungen im Fall des Beschwerdeführers zu 1 unzulässig Einfluss zu nehmen. Damit würden nicht gerichtliche Entscheidungen „als solche“ zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Strafrechtliche Fragen seien in dem Einsetzungsbeschluss dem Ziel einer politischen Bewertung der aufgegriffenen Vorgänge und Verfahren untergeordnet und nur insoweit von Interesse, als sie für diese politische Bewertung unerlässlich seien. Bestands- und rechtskräftig abgeschlossene Verfahren würden damit keineswegs wieder aufgenommen; es gehe um den möglichen Einfluss „von außen“ auf deren Ablauf und deren Ergebnis.

Der Einsetzungsbeschluss überschreite auch nicht dadurch verfassungsrechtliche Grenzen, dass er in den Fragenkatalog Verfahrensschritte aufnehme, die im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Hauptverfahren beim Landgericht Augsburg stünden. Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung könnten zwar nur abgeschlossene Entscheidungsprozesse Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung sein. Diese Einschränkung sei aber auf Vorbereitungs- und Entscheidungsabläufe speziell in der Exekutive zugeschnitten. Es gehe dabei um den verfassungsrechtlich gebotenen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, also um Verwaltungshandeln und nicht um Justizverfahren und um die Staatsanwaltschaft als justizielle Exekutive. Die genannte Einschränkung der parlamentarischen Befassungskompetenz gelte ohnehin nur „grundsätzlich“; eine Untersuchung könne durchaus zulässig sein, wenn die Verfahrensschritte in sich geschlossene Vorgänge aufwiesen, die unabhängig von der Entscheidung zu beurteilen seien, die sie vorbereiteten. Die Fragen 8.3. bis 8.5. bezögen sich auf abgeschlossene, der Hauptverhandlung vorausgegangene Vorgänge (Länge der Ermittlungsdauer, Anklageerhebung, Umfang der Zulassung der Anklage, Terminierung der Hauptverhandlung, mögliche Verständigung vor Eröffnung des Hauptverfahrens). Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Fragengruppe 8. („Weitere Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S.“) auf das Hauptverfahren vor dem Landgericht Augsburg beziehe. Mit keiner der Fragen des Untersuchungsauftrags werde versucht, direkt oder indirekt Einfluss auf dieses laufende Verfahren zu nehmen. Deshalb sei auch das Grundrecht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) nicht berührt. Gleiches gelte für die aus Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 BV) zu entnehmende Unschuldsvermutung.

III.

Mit einem an die Präsidentin des Bayerischen Landtags gerichteten Schreiben vom 14. Juli 2014 wies der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs darauf hin, dass das Verfahren in formeller wie in materiellrechtlicher Hinsicht schwierige, für die parlamentarische Arbeit äußerst bedeutsame verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe, die einer vertieften Prüfung bedürften. Der Landtag werde daher gebeten, den angegriffenen Beschluss - mit Ausnahme der Fragen 1.2. bis 1.3., 1.8. und 1.9., 5.1., 5.4. bis 5.8., 5.15., 11.1. bis 11.5.2. - bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Verfassungsbeschwerde nicht zu vollziehen. Die Landtagspräsidentin teilte daraufhin mit, der Untersuchungsausschuss „Labor“ habe in seiner konstituierenden Sitzung am 16. Juli 2014 aus Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof auf den Vollzug seines Beweisbeschlusses über die Beiziehung von Akten und Unterlagen bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde teilweise verzichtet (Beschluss Nr. 3, Punkt 4.); damit komme er der geäußerten Bitte in vollem Umfang nach.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.

1. Die gegen den Einsetzungsbeschluss des Bayerischen Landtags gerichtete Verfassungsbeschwerde ist statthaft. Der Beschluss der Volksvertretung stellt einen tauglichen Beschwerdegegenstand dar.

Nach Art. 120 BV kann jeder Bewohner Bayerns, der sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, den Schutz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs anrufen. Als „Behörden“ in diesem Sinn sind alle organisatorisch selbstständigen, an die Bayerische Verfassung gebundenen Amtsstellen - darunter auch oberste Staatsorgane - anzusehen, die Hoheitsakte erlassen und dadurch in verfassungsmäßige Rechte Einzelner eingreifen können (vgl. VerfGH vom 26.11.1981 VerfGHE 34, 178). Daher können sich die Betroffenen auch gegen außenwirksame Maßnahmen des Bayerischen Landtags - soweit es sich nicht um Gesetzgebungsakte handelt, für die die Popularklage (Art. 98 Satz 4 BV) den spezielleren Rechtsbehelf darstellt - mit der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen (VerfGH vom 12.12.1977 VerfGHE 30, 179/183; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 120 Rn. 17). Beschließt der Landtag in Wahrnehmung seiner parlamentarischen Kontrollkompetenz die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Art. 25 Abs. 1 BV), liegt somit ein grundsätzlich beschwerdefähiger justiziabler Einzelakt vor (Brocker in Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl. 2013, Art. 44 Rn. 17.1 m. w. N.; a. A. HessStGH vom 9.2.1972 DÖV 1972, 568/569: „gerichtsfreier Hoheitsakt“; ebenfalls für einen Rechtswegausschluss jedenfalls auf Bundesebene analog Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, 1988, S. 96, und Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 244).

2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung (Art. 51 Abs. 2 VfGHG) entgegen. Die Beschwerdeführer waren nicht gehalten, vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofs um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Es bestand keine anderweitige Klagemöglichkeit, von der sie in zumutbarer Weise hätten Gebrauch machen können. Ihr Rechtsschutzbegehren betrifft eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausgeschlossen ist.

Die Verwaltungsgerichte haben allerdings ihre Zuständigkeit für Rechtsbehelfe von Bürgern gegen sie betreffende Beschlüsse von Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente regelmäßig bejaht (BayVGH vom 19.5.1978 VGH n. F. 34, 1; BVerwG vom 21.11.1980 BayVBl. 1981, 214; vom 19.5.1988 BVerwGE 79, 339/340; OVG NRW vom 24.3.1998 NJW 1999, 80; OVG Berlin vom 1.6.2001 DVBl. 2001, 1224; SaarlOVG vom 3.8.2010 - 3 B 205/10 - juris Rn. 66 ff.; vgl. auch VerfGH vom 25.6.1992 VerfGHE 45, 89/95 m. w. N.; zur bundesgesetzlich vorgesehenen Sonderzuständigkeit des BGH nach § 36 Abs. 1 PUAG Prehn, NVwZ 2013, 1581). Auch wer z. B. der Staatsregierung die Herausgabe ihn betreffender Akten an einen Untersuchungsausschuss verbieten lassen will, muss sich zunächst auf den Verwaltungsrechtsweg verweisen lassen (VerfGHE 45, 89/95). Das Bundesverfassungsgericht geht gleichfalls davon aus, dass gegen Maßnahmen von Untersuchungsausschüssen im Beweiserhebungsverfahren fachgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann (BVerfG vom 1.10.1987 BVerfGE 77,1/52; vgl. auch Glauben in Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2. Aufl. 2011, § 28 Rn. 45 ff. m. w. N.).

Die genannte Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf die Fälle, in denen ein Untersuchungsausschuss von den ihm in entsprechender Anwendung der Strafprozessordnung eingeräumten Befugnissen zur Beweiserhebung (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BV, Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG) gegenüber anderen Organen oder gegenüber einzelnen Bürgern Gebrauch macht. Die Informationsgewinnung erfolgt hier nach Maßgabe einfachgesetzlicher Ausführungsbestimmungen, so dass sich der Erlass der Sachaufklärungsmaßnahmen als materielle Verwaltungstätigkeit des Ausschusses darstellt (vgl. BVerwG vom 13.8.1999 BVerwGE 109, 258/260; vom 10.8.2011 - 6 A 1/11 - juris Rn. 8; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40 Rn. 184).

Im Gegensatz dazu nimmt das Plenum des Parlaments mit dem Beschluss über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine allein auf der Verfassung beruhende Kompetenz zur Bildung eines Hilfsorgans in Anspruch (Art. 25 Abs. BV, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG), die unmittelbar nur seinen eigenen Organbereich betrifft und noch keine Rechtspflichten Dritter begründet. Die aus der Beschlussfassung sich ergebenden Rechtsstreitigkeiten, etwa zwischen einer antragstellenden Minderheit und der Mehrheit der Volksvertreter, sind genuin verfassungsrechtlicher Art und daher vom zuständigen Verfassungsgericht zu entscheiden. Dies muss in gleicher Weise gelten, wenn die parlamentsinterne Organisationsmaßnahme der Ausschusseinsetzung einer gerichtlichen Kontrolle allein deshalb unterworfen werden soll, weil ein Bürger geltend macht, dadurch faktisch in seinen Grundrechten verletzt zu sein.

Die Überprüfung solcher nichtlegislativer Parlamentsakte kann nicht (gleichzeitig) in einem fachgerichtlichen Rechtszug erfolgen. Gehörte es zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit, dem Selbstorganisationsrecht und der Befassungskompetenz der Volksvertretungen auf Antrag einzelner Betroffener grundrechtliche Schranken zu setzen, so könnten stattgebende Entscheidungen aus prozessualen Gründen verfassungsgerichtlich nicht mehr korrigiert werden, auch wenn sie auf einem Fehlverständnis der maßgebenden materiellrechtlichen Verfassungsbestimmungen beruhten. Entscheidungen, die unmittelbar in parlamentsinterne Verfahrensabläufe eingreifen, müssen aus diesem Grund den Verwaltungsgerichten verwehrt und den Verfassungsgerichten vorbehalten bleiben (Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 130; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40 Rn. 145). Erlässt die Volksvertretung in Wahrnehmung ihrer Funktion als oberstes Staatsorgan unmittelbar aufgrund einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm einen förmlichen Plenarbeschluss, kann der gebotene Individualrechtsschutz somit allein über eine Verfassungsbeschwerde gewährt werden, die insoweit als Rechtsweg im Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG anzusehen ist (Schenke in Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 89 ff., 370 m. w. N.).

Nach mittlerweile wohl überwiegender Auffassung liegt daher in dem Rechtsschutzbegehren eines Privaten gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (SaarlOVG vom 17.7.2002 - 1 W 15/02 - juris Rn. 8 ff.; vom 3.8.2010 - 3 B 205/10 - juris Rn. 53 ff.; Prehn, NVwZ 2013, 1581 f.; Di Fabio, JZ 1995, 828; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 40 Rn. 33; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 231; Reimer in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 40 Rn. 135; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 40 Rn. 29; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 91; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40 Rn. 186; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 40 Rn. 4; offen gelassen VerfGH vom 31.3.1995 VerfGHE 48, 34/38; SaarlVerfGH vom 31.10.2002 NVwZ-RR 2003, 393; a. A. Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 25 Rn. 7; Schweiger in Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 25 Rn. 6 b; Schröder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, Gutachten E zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. 34 f.; Glauben, a. a. O., § 8 Rn. 22 ff.; ders., DVBl. 2006, 1263/1264 f.; Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht, 2004, S. 134; Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2012, Rn. 149). Die häufig verwendete Faustformel, wonach eine Verfassungsstreitigkeit im Sinn des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nur verfassungsrechtlich geregelte Rechte oder Pflichten betreffen, sondern auch zwischen am Verfassungsleben unmittelbar Beteiligten geführt werden muss (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit), bedarf in solchen Fällen der Modifikation (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, § 40 Rn. 21 und 27). Dass dies auch dem Willen des Bundesgesetzgebers entspricht, zeigt die Bestimmung des § 36 Abs. 2 PUAG, wonach selbst d er Bundesgerichtshof als das im Untersuchungsausschussverfahren auf Bundesebene zuständige Fachgericht die zugrunde liegenden Einsetzungsbeschlüsse des Parlaments nicht für verfassungswidrig erklären darf (vgl. Prehn, NVwZ 2013, 1581/1584).

3. Die Verfassungsbeschwerde ist allerdings nur teilweise zulässig, weil die Beschwerdeführer nicht hinsichtlich des gesamten Untersuchungsgegenstands schlüssig dargelegt haben, bereits durch den Einsetzungsbeschluss unmittelbar und gegenwärtig in Grundrechten der Bayerischen Verfassung verletzt zu sein.

a) Beschlüsse des Landtags über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Art. 25 Abs. 1 BV) bewirken im Allgemeinen noch keinen Eingriff in verfassungsmäßige Rechte von Bürgern (VerfGHE 48, 34/36 m. w. N.). Denn dem Untersuchungsausschuss wird damit zunächst nur auferlegt, bestimmte Tatbestände, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und darüber dem Landtagsplenum zu berichten (Art. 2 Abs. 1 UAG). Es kann jedoch besondere Gestaltungen geben, in denen ausnahmsweise schon der Einsetzungsbeschluss die Rechtsposition von Bürgern unmittelbar berührt, z. B. wenn sich eine parlamentarische Untersuchung wegen eines möglichen Fehlverhaltens (sog. Missstandsenquete) ausdrücklich gegen bestimmte (Amts- oder Privat-)Personen richtet und damit in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift (VerfGH vom 19.4.1994 VerfGHE 47, 87/124; VerfGHE 48, 34/36). Ist die vom Ausschuss vorzunehmende Beweiserhebung durch eine detaillierte Fragestellung im Einsetzungsbeschluss weitgehend vorprogrammiert, so spricht dies ebenso wie die mit der Einsetzung verbundene Publizitätswirkung dafür, die gebotene Grundrechtskontrolle nicht erst bei den einzelnen Beweiserhebungsmaßnahmen („Durchführungsebene“) vorzunehmen, sondern auch auf den zugrunde liegenden parlamentarischen Untersuchungsauftrag („Einsetzungsebene“) zu erstrecken (VerfGHE 47, 87/125; 48, 34/37; Kästner, NJW 1990, 2649/2651 f.; Casper, DVBl. 2004, 845/847 f.; Teubner, Untersuchungs- und Eingriffsrechte privatgerichteter Untersuchungsausschüsse, 2009, S. 39 f.; Glauben, a. a. O., § 8 Rn. 19 m. w. N.; kritisch Köhler, NVwZ 1995, 664/665; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873/1880). Wenn mit einer Enquete negative Auswirkungen auf die private Sphäre von Betroffenen unvermeidbar verbunden sind, muss der Landtag schon bei der Einsetzung des Ausschusses eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Abwägung zwischen dem jeweils bestehenden öffentlichen Aufklärungsinteresse und den Grundrechten der betroffenen Privaten vornehmen und damit zwischen den verfassungsrechtlich garantierten Untersuchungsrechten des Ausschusses und den grundrechtlichen Schutzansprüchen Einzelner einen angemessenen Ausgleich herstellen (VerfGHE 47, 87/125; 48, 34/37; StGH BW vom 13.8.1991 NVwZ-RR 1992, 593/596).

b) Dass der Einsetzungsbeschluss vom 1. Juli 2014 in seiner Gesamtheit gegen diese verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt, können die Beschwerdeführer nicht geltend machen, da der Untersuchungsauftrag des Landtags nicht primär ihrer Person und ihren geschäftlichen Aktivitäten gilt. Der Beschluss verpflichtet den Ausschuss vielmehr zur „Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens bayerischer Polizei- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Staatsministerien, der Staatskanzlei und der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger“ (LT-Drs. 17/2483 S. 1). Dass Rechtsverstöße und Missstände allein im staatlichen Bereich den Untersuchungsgegenstand bilden sollen, kommt auch in den Redebeiträgen der Fraktionsvertreter während der vorangegangenen Parlamentsdebatte deutlich zum Ausdruck (Plen. Prot. 17/21 vom 1.7.2014 S. 1459 ff.); an diese thematische Beschränkung ist der Ausschuss als Hilfsorgan des Landtags gebunden (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 UAG).

Aus der näheren Erläuterung des Untersuchungsauftrags geht allerdings hervor, dass die Feststellung eines möglichen Fehlverhaltens staatlicher Funktionsträger im Zusammenhang mit dem Labor Sch. und der beim Bayerischen Landeskriminalamt eingerichteten Sonderkommission von der Beantwortung der Vorfrage abhängt, ob und inwieweit das von dem genannten Labor initiierte und praktizierte Abrechnungssystem die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip (§§ 152, 160 StPO) zu weiteren Ermittlungen und zur Erhebung von Anklagen hätte veranlassen müssen. Da hiernach vor allem zu klären ist, welche Anhaltspunkte für eine Straftat gegen den Inhaber des genannten Labors aus damaliger Sicht vorlagen und wie diese von den Ermittlungsbehörden bewertet wurden, zielt der Untersuchungsauftrag insoweit auch auf den Beschwerdeführer zu 1, der in der dem Ausschuss vorgegebenen Aufgabenbeschreibung und im beigefügten Fragenkatalog mehrfach unter seinem Namenskürzel (Dr. B. S.) erwähnt wird.

aa) Hinsichtlich des Beschwerdeführers zu 1 ist danach eine unmittelbare und gegenwärtige Betroffenheit anzunehmen, soweit in dem Einsetzungsbeschluss von dem Verdacht die Rede ist, er habe gegen Abrechnungsvorschriften verstoßen und ein betrügerisches Abrechnungssystem initiiert, indem er Laborärzte zum Schein in seine Gemeinschaftspraxis aufgenommen und bei der Abrechnung auswärts erbrachter Laborleistungen den unzutreffenden Anschein einer Erbringung durch selbstständige Ärzte erweckt habe. Diese öffentlich wiedergegebenen strafrechtlichen Tatvorwürfe und die dazu gestellten Einzelfragen zu früheren oder noch anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren (1.4. bis 1.8., 2.1. bis 2.10., 3.1. bis 3.2., 4.1., 4.2.9., 4.13., 4.15., 5.18., 5.19., Fragengruppe 8.) berühren zumindest das von Art. 100, 101 BV geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, so dass eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommt. Das Gleiche gilt hinsichtlich der weiteren strafrechtlichen Vorwürfe der Vorteilsgewährung und versuchten Bestechung (Einzelfragen 5.1.1. bis 5.1.2.3.1., 5.1.2.4. bis 5.1.3.2., 5.3.5. bis 5.3.5.3., 5.9. bis 5.14., 5.16.) sowie hinsichtlich des Vorwurfs der unzulässigen Leistung von Parteispenden zum Zweck der Beeinflussung gesundheitspolitischer und justizieller Entscheidungen (Fragengruppen 10. und 11.).

Nicht persönlich betroffen ist der Beschwerdeführer zu 1 dagegen, soweit sich der Untersuchungsauftrag auf justiz-, verwaltungs- oder regierungsinterne Vorgänge bezieht, die nicht unmittelbar die gegen ihn gerichteten Vorwürfe betreffen (zur Sonderkommission „Labor“: Einzelfragen 4.2. bis 4.2.8., 4.2.9.1. bis 4.12.3., 4.14., 4.16. bis 4.16.5.). Das Gleiche gilt, soweit es um die Aufklärung innerdienstlicher Beschwerden sowie um straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Sonderkommission „Labor“ (Fragengruppe 6. und 7.) oder um die Verhältnisse und Verhaltensweisen Dritter und die dazu eingeleiteten Ermittlungs- und Strafverfahren geht (Staatsanwalt Dr. H: Einzelfragen 5.1., 5.2. bis 5.3.4., 5.4. bis 5.8., 5.15., 5.17.; Journalist D.: Fragengruppe 9.). In allen diesen Bereichen soll sich der Ausschuss nur mit möglichen Rechts- oder Regelverstößen von Amtsträgern im Bereich der Strafverfolgung befassen, ohne dass sich aus der Beantwortung der gestellten Fragen zusätzliche Erkenntnisse über das Verhalten des Beschwerdeführers zu 1 oder weitere Vorwürfe gegen ihn ergeben könnten; seine Persönlichkeitsrechte sind dadurch nicht betroffen. Es ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern durch die beabsichtigten parlamentarischen Untersuchungen zu einem (möglichen) früheren Fehlverhalten von Polizei- oder Justizbehörden oder politischen Funktionsträgern grundrechtlich geschützte Verfahrensrechte des Beschwerdeführers zu 1 in dem gegenwärtig gegen ihn anhängigen Strafprozess vor dem Landgericht Augsburg (Az. 9 KLs 501 Js 113815/08) verletzt sein könnten. Die bloße Absicht, im Rahmen seiner Verteidigungsstrategie auch Rechtsverstöße Dritter zum Gegenstand gerichtlicher Sachaufklärung zu machen, begründet insoweit noch kein Abwehrrecht gegenüber einer vorherigen parlamentarischen Untersuchung.

An einer persönlichen Betroffenheit fehlt es auch hinsichtlich jener Einzelfragen, die sich im Sinn einer bloßen Sachstandsenquete auf die Feststellung von bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten und auf die Reaktion der Staatsregierung hierzu beziehen (Einzelfragen 1.1. bis 1.3., 1.9., 2.11. bis 2.11.1., 5.1.2.3.2.).

bb) Die Beschwerdeführerin zu 2 wird im Untersuchungsauftrag des Landtags nur einmal - in abgekürzter Form - namentlich erwähnt und dabei indirekt mit strafrechtlichen Tatvorwürfen in Verbindung gebracht, nämlich als (Mit-)Geschäftsführerin einer Gesellschaft, die mit Laborärzten Verträge abgeschlossen habe, die zu Ermittlungsverfahren gegen diese geführt hätten (Einzelfrage 5.1.1.). Nur insoweit ist ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht durch den Einsetzungsbeschluss berührt. Darüber hinaus macht sie allerdings geltend, als Mitangeklagte in dem gegenwärtig anhängigen Strafverfahren vor dem Landgericht Augsburg (Az. 9 KLs 501 Js 113815/08) und als ehemalige Beschuldigte in einem von der Staatsanwaltschaft Augsburg mit Verfügung vom 24. Mai 2012 nach § 154 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren werde sie durch die zu denselben Tatkomplexen vorgesehene parlamentarische Untersuchung insbesondere in ihrem grundrechtlich geschützten Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren und in einer Reihe weiterer Justizgrundrechte verletzt. Aufgrund dieses hinreichend substanziierten Vorbringens ist ihre Verfassungsbeschwerde auch insoweit, d. h. bezüglich der Einzelfragen 3.1. bis 3.2., 4.1., 4.2.9., 4.15. und der Fragengruppe 8., als zulässig anzusehen.

V.

Hinsichtlich der als zulässig anzusehenden Teile des Beschwerdegegenstands (für beide Beschwerdeführer: Einzelfragen 3.1. bis 3.2., 4.1., 4.2.9., 4.15., 5.1.1. und Fragengruppe 8.; für den Beschwerdeführer zu 1 zusätzlich: Einzelfragen 1.4. bis 1.8., 2.1. bis 2.10., 4.13., 5.1.2. bis 5.1.2.3.1., 5.1.2.4. bis 5.1.3.2., 5.3.5. bis 5.3.5.3., 5.9. bis 5.14., 5.16., 5.18., 5.19., Fragengruppen 10. und 11.) ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Beschwerdeführer werden durch den Landtagsbeschluss zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses, soweit sie davon unmittelbar und gegenwärtig betroffen sind, nicht in ihren von der Bayerischen Verfassung geschützten Grundrechten verletzt (Art. 66, 120 BV).

1. In dem parlamentarischen Untersuchungsauftrag liegt nicht deshalb ein unzulässiger Eingriff in Grundrechte der beiden Beschwerdeführer, weil er sich (u. a.) auf Vorgänge bezieht, die das beim Landgericht Augsburg gegen sie anhängige Strafverfahren betreffen oder in diesem Verfahren bedeutsam werden können.

a) Dass dem Untersuchungsausschuss bestimmte Fragen zu dem gegenwärtig laufenden Strafverfahren gestellt werden und ihm daher eine entsprechende Sachaufklärung aufgegeben ist, verletzt nicht das Recht der Beschwerdeführer auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren.

aa) Ob sich das Recht auf ein faires Verfahren, wie es in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert ist und wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip herleitet (BVerfG vom 26.5.1981 BVerfGE 57, 250/274 f.), als ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auch aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof bisher offen gelassen (vgl. VerfGH vom 25.6.2010 VerfGHE 63, 83/105; vom 29.1.2014 BayVBl. 2014, 448/449 jeweils m. w. N.). Geht man - zugunsten der Beschwerdeführer - von dem Bestehen eines solchen über die speziellen Verfahrensgrundrechte der Bayerischen Verfassung hinausgehenden allgemeinen Prozessgrundrechts aus, so können sich daraus im Einzelfall landesverfassungsrechtliche Anforderungen insbesondere an die Durchführung von Strafverfahren ergeben.

Mit dem Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren wird gewährleistet, dass der Beschuldigte bzw. Angeklagte die ihm zustehenden prozessualen Rechte und Handlungsmöglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen, Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren und sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen lassen kann (BVerfG vom 19.3.2013 BVerfGE 133, 168 Rn. 59, 63 m. w. N.). Die Festlegung und nähere Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Befugnisse, die ihm nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen sind, ist allerdings in erster Linie dem für die Normierung des Strafprozessrechts zuständigen Bundesgesetzgeber (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben (BVerfG, a. a. O.; VerfGHE 63, 83/105). Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG, a. a. O.).

bb) Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit einem bestimmten Ermittlungsauftrag kann danach den Anspruch auf ein faires Strafverfahren verletzen, wenn dadurch das zuständige Gericht gehindert wird, das Verfahren entsprechend den geltenden prozessrechtlichen Vorschriften durchzuführen und dem Angeklagten die ihm zustehenden Rechte und Verteidigungsmöglichkeiten zu gewähren. Eine solche (faktische) Einwirkung des Parlaments auf ein laufendes Strafverfahren kommt aber nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. In dem bloßen Umstand, dass ein vom Strafgericht aufzuklärender Lebenssachverhalt, der den strafrechtlichen Tatvorwurf begründet oder in anderer Weise für die Strafbarkeit (potenziell) relevant ist, schon vorher oder gleichzeitig zum Gegenstand parlamentarischer Ermittlungen gemacht wird, liegt jedenfalls noch kein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (vgl. Teubner, Untersuchungs- und Eingriffsrechte privatgerichteter Untersuchungsausschüsse, S. 169; Vetter, ZParl 1989, 345/347 f.). Denn es existiert weder eine ausdrückliche strafprozessrechtliche Bestimmung noch eine ungeschriebene verfassungsrechtliche Regel, wonach derartige Sachverhalte nach Einleitung eines Strafverfahrens nur noch durch das zuständige Gericht und nicht mehr durch andere staatliche Organe untersucht werden dürften. Dass der Beschuldigte bzw. Angeklagte bei der parlamentarischen Untersuchung eines strafrechtsrelevanten Geschehens nicht die gleichen Rechte auf Zuziehung eines Verteidigers (Art. 91 Abs. 2 BV, § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO) und auf aktive Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung besitzt wie in einem Strafprozess, hindert die Volksvertretung nicht daran, solche Untersuchungsaufträge zu erteilen.

Auch der Grundsatz der Gewaltenteilung, aus dem sich die Unabhängigkeit der Strafjustiz gegenüber der Volksvertretung ergibt, steht einer Befassung des Parlaments mit Angelegenheiten, über die in einem Strafprozess verhandelt wird, nicht entgegen, da hierin keine Anmaßung „richterliche[r]“ (Art. 5 Abs. 3 BV) bzw. „rechtsprechende[r] Gewalt“ (Art. 92 GG) liegt. Die parlamentarische und die gerichtliche Sachaufklärung sind auf unterschiedliche Ziele gerichtet (BVerfG vom 17.6.2009 BVerfGE 124, 78/116; SächsVerfGH vom 29.8.2008 - Vf. 154-I-07 - juris Rn. 197; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Rn. 79; Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 155 m. w. N.); die Beurteilung ein und desselben Sachverhalts erfolgt in den beiden Verfahren jeweils unabhängig voneinander (OLG München vom 14.4.1972 BayVBl. 1975, 54/56; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 25 Rn. 21). Gegen parallel stattfindende Untersuchungen durch einen Untersuchungsausschuss und durch die Strafjustiz bestehen daher nach heute einhelliger Auffassung keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Einwände (SächsVerfGH, a. a. O.; OLG München, a. a. O.; OLG Köln vom 14.9.1984 NJW 1985, 336/337; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 25 Rn. 10; Steinberger, BT-Drs. 11/7800 S. 1195; Achterberg/Schulte in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 44 Rn. 17 f.; Morlok in Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 44 Rn. 61; Umbach in Umbach/Clemens, GG, Bd. II, 2002, Art. 44 Rn. 40; Scholz, AöR 105, 564/597; Vetter, ZParl 1989, 345/346 ff.; Derksen, NStZ 1993, 311 f.; Eisele, ZRP 2014, 106/107; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl. 2013, Einleitung Rn. 173 f.; Glauben, a. a. O., § 5 Rn. 45 f., § 9 Rn. 13; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, 1985, S. 64 f.; Masing, Parlamentarische Untersuchungen privater Sachverhalte, 1998, S. 300 f.; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006, S. 303 f.; Teubner, a. a. O., S. 42 f.; Hillgruber in Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 92; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Rn. 79; Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 155 m. w. N.).

Unter Umständen können allerdings die von einem Untersuchungsausschuss ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen einen gleichzeitig laufenden Strafprozess behindern, z. B. wenn durch das vorzeitige Bekanntwerden von Akteninhalten oder durch die öffentliche Vernehmung von Zeugen eine vom Gericht bereits ins Auge gefasste Beweisaufnahme entwertet wird oder wenn die parlamentarische Untersuchung den Abschluss des Strafverfahrens erheblich verzögert. Aus diesem potenziellen Spannungsverhältnis erwächst aber entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer kein striktes Gebot des zeitlichen Vorrangs der richterlichen Beweisaufnahme vor einer Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss. Erst wenn ein Zielkonflikt konkret absehbar ist, muss der Ausschuss gemäß dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue (dazu Brechmann in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 5 Rn. 4 m. w. N.; Achterberg/Schulte, a. a. O., Art. 44 Rn. 52 ff.) dafür sorgen, dass die Rechtspflegeorgane in ihrer Tätigkeit nicht über Gebühr beeinträchtigt und etwaige Störungen des Strafverfahrens auf ein unvermeidbares Maß beschränkt werden; bei der insoweit gebotenen Abwägung ist auch eine vorübergehende Zurückstellung einzelner Beweiserhebungsmaßnahmen oder eine Aussetzung des Untersuchungsverfahrens in Betracht zu ziehen (vgl. SächsVerfGH, a. a. O.; OLG Köln, a. a. O.; Huber, a. a. O.; Klein, a. a. O.; Achterberg/Schulte, a. a. O., Art. 44 Rn. 19; Morlok, a. a. O., Art. 44 Rn. 53; Umbach, a. a. O.; Schleich, a. a. O., S. 64 ff.; Vetter, a. a. O., S. 350 und 359 f.; Glauben, a. a. O., § 5 Rn. 47, § 9 Rn. 14 m. w. N.; ausführlich Teubner, a. a. O., S. 168 ff.). Verstößt der Untersuchungsausschuss bei der Erfüllung seines Ermittlungsauftrags gegen diese verfassungsimmanente Rücksichtnahmepflicht und wird dem Strafgericht dadurch eine faire Verfahrensgestaltung rechtlich oder tatsächlich unmöglich gemacht, so handelt es sich um einen unzulässigen Eingriff in den Funktionsbereich der rechtsprechenden Gewalt. Kann dafür auf strafprozessualem Weg kein angemessener Ausgleich (z. B. im Rahmen der Beweiswürdigung oder der Strafzumessung) geschaffen werden, werden dadurch auch Verfahrensrechte des Angeklagten verletzt. Dies wird allerdings regelmäßig nur die Durchführungsebene des Untersuchungsverfahrens betreffen.

Darüber hinaus kommt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren in Betracht, wenn ein Untersuchungsausschuss nicht nur einen (auch) für ein anhängiges Strafverfahren relevanten Lebenssachverhalt aufklärt, sondern auf den Ablauf dieses Prozesses gezielt einwirkt oder dessen Ergebnis durch eigene strafbarkeitsbezogene Bewertungen vorwegnimmt. Auch „unverbindliche“ parlamentarische Stellungnahmen zu laufenden Gerichtsverfahren, die dazu bestimmt und geeignet sind, auf die Meinungsbildung des zuständigen Rechtsprechungsorgans im Einzelfall Einfluss zu nehmen, sind mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 5 BV) und der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 85 BV) unvereinbar (vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, a. a. O., Art. 85 Rn. 15; Schulz in Meder/Brechmann, a. a. O., Art. 85 Rn. 14; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 97 Rn. 25; Scholz, AöR 105, 564/597; Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 25 Rn. 6; Mishra, ZRP 1998, 402/406 ff.; Masing, a. a. O., S. 113 m. w. N.). Wo dieser verfassungsfeste Vorbehaltsbereich der Judikative beginnt, endet notwendigerweise die Befassungskompetenz von Untersuchungsausschüssen (SächsVerfGH, a. a. O., Rn. 192; Klein, a. a. O., Art. 44 Rn. 166; Morlok, a. a. O., Art. 44 Rn. 28; Glauben, a. a. O., § 5 Rn. 43 f.; Schleich, a. a. O., S. 58; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Rn. 78; ders., NVwZ 2012, 1574/1575); sie umfasst insbesondere nicht die Verfolgung und Sanktionierung möglicher Straftaten (Teubner, a. a. O., S. 43). Wird ein Untersuchungsausschuss dennoch mit fallbezogenen strafrechtlichen Ermittlungen oder mit der Kontrolle eines laufenden Strafprozesses beauftragt, so liegt darin zwar zunächst nur ein objektiver Verfassungsverstoß und noch keine Verletzung von Verfahrensgrundrechten, da die Verpflichtung des Gerichts zur eigenverantwortlichen Aufklärung des strafrechtlichen Tatvorwurfs und zur Sicherstellung eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens davon unberührt bleibt (Vetter, a. a. O., S. 355 ff.). Die medial verbreiteten Ergebnisse einer mit den Beweismitteln des Strafprozesses (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BV) durchgeführten parlamentarischen Vorab- oder Paralleluntersuchung zur Strafbarkeit eines Angeklagten können aber das Aussageverhalten von Zeugen und auch die Fallwahrnehmung von Berufs- und Laienrichtern unterschwellig so stark beeinflussen, dass eine unvoreingenommene Beurteilung ernsthaft infrage gestellt ist. In einer derart massiven faktischen Einwirkung des Parlaments auf den judikativen Entscheidungsprozess kann daher im Einzelfall eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren liegen, gegen die sich ein Angeklagter unmittelbar wehren können muss.

cc) Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer durch den angegriffenen Einsetzungsbeschluss in ihrem Recht auf ein faires Verfahren im anhängigen Strafprozess vor dem Landgericht Augsburg verletzt sein könnten.

Mit dem genannten Beschluss greift der Bayerische Landtag nicht in verfassungswidriger Weise in den Ablauf des Strafverfahrens oder die Entscheidungsfindung des Gerichts ein. Denn das dem Ausschuss erteilte Untersuchungsmandat zielt entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer nicht darauf ab festzustellen, ob sie sich aufgrund des Sachverhalts, der zur Anklageerhebung und zur Eröffnung des Hauptverfahrens geführt hat, strafbar gemacht haben. Ein entsprechender Ermittlungsauftrag im Sinn einer unmittelbar privatgerichteten Enquete ist hier auch nicht „verkleidet“ in der Form einer staatsgerichteten Kontrollenquete erteilt worden. Aus der allgemeinen Beschreibung des Untersuchungsgegenstands geht vielmehr unmissverständlich hervor, dass nur ein mögliches Fehlverhalten von Staatsbehörden und politischen Entscheidungsträgern aufgeklärt werden soll (LT-Drs. 17/2483 S. 1); von einer parlamentarischen Untersuchung strafrechtlicher Tatvorwürfe gegen Privatpersonen ist in dem Einsetzungsbeschluss an keiner Stelle die Rede. Die von den Beschwerdeführern vorgelegten rechtswissenschaftlichen Gutachten beruhen insoweit auf unzutreffenden tatsächlichen Prämissen.

Auch aus der Formulierung der Überschrift zur Fragengruppe 2. („Beurteilung der Strafbarkeit des von Dr. B. S. mit einer Vielzahl von Ärzten praktizierten Systems der Abrechnung von Laborleistungen“) kann nicht geschlossen werden, dass der Untersuchungsausschuss eine eigenständige strafrechtliche Bewertung von Sachverhalten zu treffen hätte, die Gegenstand von Ermittlungs- oder Strafverfahren sind oder waren. Wie ein genauerer Blick auf die Einzelfragen 2.1. bis 2.10. zeigt, bezieht sich die in der Überschrift genannte „strafrechtliche Beurteilung“ allein darauf, wie die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaften, Polizei) und deren vorgesetzte Stellen (Generalstaatsanwaltschaft München, Justizministerium) das vom Beschwerdeführer zu 1 zusammen mit anderen Ärzten betriebene Abrechnungssystem in der Vergangenheit strafrechtlich bewertet haben. Der Ausschuss soll aufklären, wie diese Behörden bis zur (gegenteiligen) Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2012 (Az. 1 StR 45/11) zu der rechtlichen Einschätzung gekommen sind, es fehle an den Tatbestandsvoraussetzungen einer Straftat, so dass die Ermittlungen eingestellt und verjährungsunterbrechende Maßnahmen unterlassen wurden; außerdem soll geklärt werden, ob nach Bekanntwerden der genannten höchstrichterlichen Entscheidung neue Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Zu diesen Behördenvorgängen soll der Untersuchungsausschuss lediglich Feststellungen tatsächlicher Art treffen, ohne dabei zur Frage der Strafbarkeit der Beschwerdeführer oder anderer Personen in einem laufenden oder früheren Strafverfahren eine eigene unabhängige Bewertung abzugeben. Eine strafrechtliche Einzelfallwürdigung wäre demnach vom Untersuchungsauftrag des Landtags nicht mehr gedeckt; dies muss bei der Durchführung der Untersuchung zwingend beachtet werden. Sollten einzelne Ausschussmitglieder gleichwohl „am Rande des Untersuchungsverfahrens“ öffentliche Aussagen über eine nach ihrer Einschätzung bestehende Strafbarkeit bestimmter Personen treffen, könnten diese individuellen Verlautbarungen weder dem Ausschuss noch dem Landtag zugerechnet werden (vgl. Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 235 f. m. w. N. auch zur Frage eines Indemnitätsschutzes für solche Äußerungen).

Mit der Fragengruppe 8. („Weitere Ermittlungsverfahren gegen Dr. B. S.“) greift der Einsetzungsbeschluss ebenfalls nicht unzulässigerweise in das beim Landgericht Augsburg anhängige Strafverfahren ein. Denn mit der Behandlung der Einzelfragen 8.1. bis 8.6. wird, sofern der Ausschuss die durch den Untersuchungsauftrag gesetzten und von der Verfassung vorgegebenen Grenzen einhält, die dem Strafgericht obliegende Entscheidung darüber, ob sich die Angeklagten strafbar gemacht haben, in keiner Weise präjudiziert. Die Art der Fragestellung lässt entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführer auch keine Tendenz dahingehend erkennen, dass der Landtag die zuständige Strafkammer zu einer bestimmten Sachentscheidung veranlassen oder gar drängen wollte.

Bei den Fragen, die den Ablauf der Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer zu 1 betreffen (8.1. bis 8.2., 8.3. Halbsatz 1, 8.3.1.), geht es wiederum allein um die Aufklärung eines zurückliegenden Verhaltens von Staatsanwaltschaften, Polizei und Staatsregierung in dem Stadium bis zur Verfahrenseinstellung oder Anklageerhebung, so dass sich daraus von vornherein keine Einflussnahme auf das nunmehr zuständige Gericht ergeben kann. Auch die Frage nach früheren Bestrebungen für eine Verständigung mit Dr. B. S. (8.1.2.) hat, wie die ausdrückliche Bezugnahme auf die vorherigen Fragen verdeutlicht („in diesem Zusammenhang“), ausschließlich die Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer zu 1 und nicht die gegen ihn gerichteten gerichtlichen Strafverfahren zum Gegenstand. Der parlamentarische Untersuchungsauftrag zielt also nur auf mögliche frühere Verständigungsbestrebungen der Staatsanwaltschaft (§ 160 b StPO) und nicht auch darauf, ob etwa die Strafkammer des Landgerichts Augsburg nach Erhebung der öffentlichen Anklage im derzeit anhängigen Prozess von den im Zwischen- und Hauptverfahren bestehenden Verständigungsmöglichkeiten (§§ 202 a, 212 StPO) Gebrauch gemacht hat. Die von den Beschwerdeführern geäußerte Befürchtung, die für das aktuelle Strafverfahren zuständigen Richter müssten sich gegenüber dem Ausschuss für ihre eventuellen Verständigungsbemühungen öffentlich rechtfertigen und sollten dadurch gezielt unter Druck gesetzt werden, um zu einer möglichst umgehenden Verurteilung der Angeklagten zu gelangen, findet demnach im Einsetzungsbeschluss des Landtags keine Grundlage.

Soweit der Ausschuss ermitteln soll, aus welchen Gründen es bis zur Zulassung der Anklage durch das Landgericht Augsburg mehr als zwei Jahre gedauert hat (8.3. Halbsatz 2) und aus welchen Gründen die Hauptverhandlung erst im Jahr 2015 beginnen kann (8.5.), geht es allerdings um Sach- und Verfahrensentscheidungen, die der zuständige gerichtliche Spruchkörper (§ 199 Abs. 1 StPO) bzw. dessen Vorsitzender (§ 213 StPO) in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen hat und deren inhaltliche Richtigkeit demzufolge weder dienstaufsichtlich überprüft (dazu Barthe in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 1 GVG Rn. 6) noch einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden darf. Die Befassung des Untersuchungsausschusses mit dem Eröffnungsbeschluss vom 21. März 2014 und der für 2015 angekündigten Terminsbestimmung lässt aber weder nach dem Inhalt der gestellten Fragen noch nach der (rechtlich möglichen) Form der Beantwortung den Schluss zu, dass damit in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen und auf diese Weise das Recht der Beschwerdeführer auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren beeinträchtigt werden könnte.

Das parlamentarische Aufklärungsinteresse bezieht sich hier nur auf die zeitlichen Abläufe im Vorfeld der Hauptverhandlung und damit auf einen äußerlichen Aspekt, der mit der strafrechtlichen Bewertung des Tatvorwurfs nicht im Zusammenhang steht. Soweit in den Fragen nach dem mehr als zwei Jahre dauernden Zwischenverfahren (8.3. Halbsatz 2) und der „erst“ für 2015 geplanten Hauptverhandlung (8.5.) die implizite Feststellung enthalten ist, dass es sich um außergewöhnliche Verzögerungen handle, für die es besondere Gründe geben müsse, liegt darin noch nicht der (verdeckte) Vorwurf einer unrichtigen Sachbehandlung durch die zuständigen Richter. Denn nicht jede atypisch lange Verfahrens- oder Bearbeitungsdauer stellt schon eine amtspflichtwidrige, den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzende Verfahrensverzögerung dar (vgl. BVerfG vom 15.1.2009 BVerfGE 122, 248/279 ff.). Etwaige Verstöße gegen das strafprozessuale Beschleunigungsgebot können im Übrigen auf außerhalb des richterlichen Verantwortungsbereichs liegenden Umständen beruhen, z. B. auf unvollständigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder einer unzureichenden Sach- oder Personalausstattung des Gerichts (vgl. BVerfG vom 16.3.2006 NJW 2006, 1336 Rn. 37), für die letztlich der zuständige Ressortminister die parlamentarische Verantwortung trägt.

Einem Untersuchungsausschuss kann es hiernach vor allem mit Blick auf seine Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive nicht von vornherein verwehrt werden, nach den Gründen für die bisherige Dauer eines Strafverfahrens zu fragen. Würde er sich dabei nicht mit Auskünften der am Verfahren beteiligten Staatsanwaltschaft oder des mit der Geschäftsbelastung vertrauten Gerichtspräsidenten begnügen, sondern die mit dem laufenden Verfahren befassten Richter oder das für die Geschäftsverteilung zuständige Präsidium des Gerichts unmittelbar zu Stellungnahmen auffordern oder die betreffenden Personen gar als Zeugen vorladen, wäre dies allerdings ein faktischer Eingriff in deren sachliche Unabhängigkeit (Art. 85 BV). Denn die rechtsprechende Tätigkeit der Richter, zu der auch verfahrensvorbereitende und geschäftsverteilende Maßnahmen gehören, ist von jeder politischen Verantwortlichkeit frei und daher der parlamentarischen Untersuchung schlechthin entzogen (Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 166).

Da die Beratungs- und Abstimmungsvorgänge innerhalb eines Spruchkörpers und die Überlegungen bei der Festlegung einzelner Verhandlungstermine unzweifelhaft zum Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit gehören (vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 1 Rn. 54), sind die daran beteiligten Richter insoweit gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in keiner Weise rechenschaftspflichtig; sie müssten also einem darauf gerichteten Informationsbegehren nicht nachkommen. Selbst wenn sie sich in ihrer Unabhängigkeit in keiner Weise beeinträchtigt sähen und zur Erläuterung interner Abläufe gegenüber dem Ausschuss von sich aus bereit wären, stünde der unbeschränkten Auskunftserteilung in einem Untersuchungsverfahren des Landtags jedenfalls das bundesgesetzlich geschützte Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG) entgegen, das nach herrschender Auffassung nur in einem Gerichtsverfahren unter engen Voraussetzungen preisgegeben werden darf (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG, § 43 Rn. 17; Staats, DRiG, 2012, § 43 Rn. 9; OLG Naumburg vom 6.10.2008 NJW 2008, 3585/3587).

Auch die für das Verfahren der Beschwerdeführer zuständigen Richter des Landgerichts Augsburg dürfen demnach nicht dazu verpflichtet werden, ihre verfahrensleitenden Entscheidungen gegenüber dem Ausschuss schriftlich oder mündlich in irgendeiner Weise zu erläutern oder Gründe für die Dauer des bisherigen Verfahrens anzugeben. In einem solchen Erklärungszwang gegenüber der parlamentarischen Öffentlichkeit läge, auch wenn dabei der Vorwurf einer unrichtigen Sachbehandlung nicht ausdrücklich erhoben würde, ein unzulässiger Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Funktionsbereich der rechtsprechenden Gewalt. Denn eine persönliche Befragung zu den Gründen der bisherigen Verfahrensdauer müsste aus Sicht der betroffenen Richter dahingehend verstanden werden, dass auch eine Erklärung dazu verlangt oder zumindest erwartet wird, weshalb das Gericht das Verfahren nicht zügiger betrieben hat. Ein entsprechender Vorhalt würde, zumal angesichts des zu erwartenden medialen Echos, den zuständigen Spruchkörper bezüglich des zukünftigen Verfahrensablaufs unter einen nicht unerheblichen Erwartungs- und Rechtfertigungsdruck setzen; er könnte danach möglicherweise nicht mehr unbefangen über die anhängige Strafsache entscheiden. Die verfassungsrechtliche Garantie der richterlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit verbietet aber jede vermeidbare auch mittelbare, subtile und psychologische Einflussnahme anderer Staatsorgane auf die Ausübung der spezifisch richterlichen Tätigkeiten (vgl. BVerfG vom 17.1.2013 NJW 2013, 2102/2103 m. w. N.).

Dass diese strikten rechtlichen Grenzen, die dem Auskunftsanspruch von Untersuchungsausschüssen im Verhältnis zu den Gerichten gezogen sind, schon durch den parlamentarischen Einsetzungsbeschluss mit den Nummern 8.3. Halbsatz 2 und 8.5. des Fragenkatalogs überschritten wären, ist aber nicht ersichtlich. Denn die Fragen nach den Gründen für die mehr als zweijährige Dauer des Zwischenverfahrens und für die Terminierung der Hauptverhandlung erst im Jahr 2015 sind so allgemein gefasst, dass eine Beweiserhebung durch Einvernahme der zuständigen Strafrichter nicht zwingend vorprogrammiert ist. Der Ausschuss kann daher auch auf andere, verfassungsrechtlich unbedenkliche Informationsquellen zurückgreifen. So könnte beispielsweise die zuständige Staatsanwaltschaft dazu befragt werden, inwieweit (vom Gericht beanstandete) Mängel der Anklage den Verfahrensablauf verzögert haben. Der Präsident des Landgerichts Augsburg könnte Auskunft darüber geben, ob personelle oder organisatorische Engpässe am Landgericht Augsburg ursächlich dafür gewesen sein können, dass für die am 21. März 2014 zugelassene Anklage kein Hauptverhandlungstermin im Jahr 2014 bestimmt wurde. In beiden Fällen würde es sich um Gründe handeln, die von der Kontrollkompetenz des Landtags gegenüber der Exekutive umfasst wären, da sie zur Aufklärung eines möglichen „Fehlverhaltens bayerischer Polizei- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Staatsministerien“ (LT-Drs. 17/2483 S. 1) beitragen könnten. Von dem Untersuchungsauftrag nicht mehr gedeckt wäre dagegen die Ermittlung möglicher verfahrensverzögernder Umstände, die im Verantwortungsbereich der zuständigen Strafkammer lagen. Hierauf darf sich demzufolge auch die Beweiserhebung durch den Ausschuss nicht erstrecken.

Ebenfalls nicht beeinträchtigt wird das Recht der Beschwerdeführer auf ein faires Strafverfahren durch die weitere Frage, ob die Anklage der Staatsanwaltschaft Augsburg von der Strafkammer unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen wurde (8.4.). Auch aus dieser Fragestellung kann der Ausschuss nicht den Auftrag ableiten, gerichtsinterne Entscheidungsvorgänge zu untersuchen oder die beteiligten Richter zur Erläuterung ihrer getroffenen Entscheidung zu veranlassen. Festgestellt werden soll vielmehr nur, ob die am 30. Januar 2012 erhobene Anklage in vollem Umfang oder nur teilweise zugelassen wurde; diese Frage lässt sich ohne Einschaltung des Gerichts beantworten. Ersucht der Ausschuss dazu die Staatsanwaltschaft um Auskunft und gibt er die erhaltenen Informationen anschließend (unkommentiert) der Öffentlichkeit bekannt, so liegt in dieser Sachstandsmitteilung keine unzulässige Einflussnahme auf den Verlauf der künftigen Hauptverhandlung oder auf die richterliche Entscheidungsfindung. Da sich die genannte Frage ohne wörtliche Zitate aus der Anklageschrift vollständig beantworten lässt, besteht auch nicht die Gefahr eines Verstoßes gegen das strafrechtliche Verbot des § 353 d Nr. 3 StGB, dessen Anwendbarkeit in einem parallelen Untersuchungsverfahren ohnehin fraglich erscheint (verneinend Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 353 d Rn. 58 m. w. N.; vgl. auch Derksen, NStZ 1993, 311; Eisele, ZRP 2014, 106).

Soweit schließlich nach der Höhe des potenziellen Rückforderungsvolumens der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und dem Stand der Plausibiliätsprüfung nach § 106 a SGB V gefragt ist (8.6.), betrifft dies zwar Umstände, die auch im Rahmen des gegen die Beschwerdeführer anhängigen Strafverfahrens, z. B. bei der Ermittlung eines ggf. eingetretenen Vermögensschadens, eine Rolle spielen können. Die mögliche strafrechtliche Relevanz eines Sachverhalts steht jedoch, wie dargelegt, der vorherigen oder gleichzeitigen parlamentarischen Untersuchung grundsätzlich nicht entgegen. Die Art der Fragestellung zielt auch nicht auf eine Vorverurteilung bestimmter Personen. Mit der Verwendung des Wortes „potenziell“ wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass bisher lediglich der Verdacht einer Schädigung der Krankenkassen besteht.

b) Die Beschwerdeführer sind im Hinblick auf das anhängige Strafverfahren auch nicht in speziellen Justizgrundrechten wie etwa dem Recht auf den gesetzlichen Richter, der Unschuldsvermutung oder dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung verletzt.

aa) Läge in dem Untersuchungsauftrag des Landtags ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit (Art. 85 BV), könnten die Beschwerdeführer dies mit der Verfassungsbeschwerde zwar nicht unmittelbar geltend machen, da es sich hierbei nicht um ein ihnen zustehendes subjektives Recht im Sinn des Art. 120 BV handelt (VerfGH vom 15.10.2013 - Vf. 79-VI-12 - juris Rn. 17; Schulz in Meder/Brechmann, a. a. O., Art. 85 Rn. 2 m. w. N.). Sie wären dann aber in ihrem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) verletzt. Denn diese Norm enthält nicht nur das Gebot, dass kein anderer als der in den Gesetzen und Geschäftsverteilungsplänen vorgesehene Richter tätig werden darf, sondern auch die materielle Gewährleistung, dass die an einem Gerichtsverfahren Beteiligten im Einzelfall vor einem Richter stehen, der tatsächlich unabhängig und unparteilich ist (VerfGH vom 19.8.2010 BayVBl. 2010, 733/734 m. w. N.; Schulz, a. a. O., Art. 8 Rn. 19; vgl. BVerfG vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - juris Rn. 9). Der angegriffene Untersuchungsauftrag greift aber bei zutreffendem Verständnis und Beachtung der verfassungsrechtlichen Funktionsgrenzen, wie oben dargelegt, nicht in die Unabhängigkeit der für das Strafverfahren am Landgericht Augsburg zuständigen Richter ein und berührt demzufolge auch nicht das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter.

bb) Ob die im Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verankerte und in Art. 6 Abs. 2 EMRK positivrechtlich normierte Unschuldsvermutung auch grundrechtlich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) hergeleitet und daher mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, bedarf auch an dieser Stelle keiner Entscheidung (vgl. VerfGH vom 16.1.2008 - Vf. 40-VI-06 - juris Rn. 20 m. w. N.). Denn mit dem angegriffenen Einsetzungsbeschluss des Landtags wird dieses grundlegende Prinzip des Strafverfahrens nicht verletzt.

Die Unschuldsvermutung steht in engem Zusammenhang mit der Aufgabe des Strafprozesses, den Strafanspruch des Staates in einem justizförmig geordneten Verfahren durchzusetzen, das eine wirksame Sicherung der Grundrechte des Beschuldigten gewährleistet (BVerfG vom 29.5.1990 BVerfGE 82, 106/114). Sie soll den Beschuldigten vor Nachteilen schützen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (BVerfGE 82, 106/115 m. w. N.). Die Unschuldsvermutung verlangt den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (BVerfGE 133, 168 Rn. 61 m. w. N.).

Diesen Anforderungen ist der Landtag bei der Formulierung des Untersuchungsauftrags und der Aufstellung des Fragenkatalogs gerecht geworden. Er hat die Notwendigkeit der Aufklärung eines möglichen Fehlverhaltens staatlicher Stellen nicht mit strafrechtlichen Schuldzuweisungen oder -feststellungen in Bezug auf die Beschwerdeführer oder andere an dem Abrechnungssystem beteiligte Personen begründet. Der Einsetzungsbeschluss beschreibt lediglich den zu bestimmten Zeitpunkten des Strafverfahrens bestehenden Tatverdacht, ohne daraus im Sinn der Feststellung eines individuellen Schuldvorwurfs weitergehende Schlüsse zu ziehen. Dass das Parlament diese strafrechtliche Verdachtslage als tatsächlichen Anknüpfungspunkt gewählt hat, um eine auf die Kontrolle der Exekutive gerichtete Untersuchung zu initiieren, verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung. Die Feststellung eines bloßen Tatverdachts ist, da ihr kein sozialethisches Unwerturteil innewohnt, etwas substanziell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BVerfGE [82], 106/119).

cc) Die im Einsetzungsbeschluss geforderte Untersuchung von Sachverhalten, die in dem beim Landgericht Augsburg anhängigen Strafverfahren bedeutsam werden können, führt auch nicht zu einem faktischen Entzug des den Beschwerdeführern im laufenden Strafverfahren zustehenden Aussageverweigerungsrechts und damit zu einer Verletzung ihres Rechts auf eine effektive Verteidigung.

Aus dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur se ipsum accusare“), das auf den Grundrechten auf Achtung der Menschenwürde (Art. 100 BV) und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV) beruht und in einigen bundesrechtlichen Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfG vom 13.1.1981 BVerfGE 56, 37/43 ff.; BGH vom 26.7.2007 BGHSt 52, 11 Rn. 20 m. w. N.), ergibt sich für den Beschuldigten oder Angeklagten in einem Strafverfahren das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit. Dazu gehört vor allem, dass niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen; der Beschuldigte bzw. Angeklagte muss über seine Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können (BVerfGE 133, 168 Rn. 60 m. w. N.).

Wenn sich ein Untersuchungsausschuss mit einem Tatgeschehen befasst, das auch für ein Strafverfahren relevant ist, kann es zu der Situation kommen, dass ein Beschuldigter oder Angeklagter vor dem Ausschuss als Zeuge vernommen wird. Wäre er dabei uneingeschränkt zur Aussage verpflichtet, so würde sein Recht auf Aussageverweigerung im Strafprozess praktisch leerlaufen. Solchen Zeugen steht aber nach Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BV i. V. m. Art. 14 Abs. 1 UAG, § 55 StPO das Recht zu, Auskunft auf Fragen zu verweigern, bei deren Beantwortung für sie die Gefahr bestünde, wegen einer Straftat verfolgt zu werden (vgl. BVerfG vom 1.10.1987 BVerfGE 76, 363/387; BGH vom 19.2.1960 BGHSt 17, 128; OVG NRW NJW 1999, 80; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Rn. 333 ff.; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217; Kramer, ZRP 2001, 386; Lucke, Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem Verfahrensgegenstand, 2009, S. 187 ff.). Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass niemand veranlasst werden darf, sich hinsichtlich einer Straftat selbst zu belasten, ist damit Genüge getan (BVerwG vom 25.3.1980 - 1 D 14/79 - juris Rn. 91).

c) Durch den Einsetzungsbeschluss des Landtags wird, soweit er sich auf das derzeit laufende Strafverfahren beim Landgericht Augsburg bezieht, weder das durch Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer noch ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

aa) Bei der Beschwerdeführerin zu 2 fehlt es, obwohl sich das derzeit anhängige Strafverfahren auch gegen sie richtet, insoweit bereits an einer grundrechtlichen Betroffenheit. Denn durch den parlamentarischen Untersuchungsauftrag und den beigefügten Fragenkatalog wird in keiner Weise offengelegt, dass sie in dem von der Staatsanwaltschaft Augsburg durchgeführten Ermittlungsverfahren zu den Beschuldigten gehörte und in der bevorstehenden Hauptverhandlung eine der Angeklagten sein wird. Ihr sozialer Geltungsanspruch und ihr Verfügungsrecht über ihre persönlichen Daten können daher durch das öffentliche Bekanntwerden des Einsetzungsbeschlusses nicht beeinträchtigt werden. Es ist auch nicht konkret absehbar, dass es bei der künftigen Beantwortung der Fragen 8.1. bis 8.6. gerade auf Informationen zu ihrer Person ankommen könnte.

bb) Der Beschwerdeführer zu 1, dessen Name in dem Fragenkatalog mehrmals in abgekürzter Form („B. S.“) im Zusammenhang mit dem aktuellen Strafverfahren vor dem Landgericht Augsburg erwähnt wird, dürfte dagegen in seinem öffentlichen Ansehen und damit in seinem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht schon jetzt so stark beeinträchtigt sein, dass von einem Eingriff gesprochen werden kann. Über den Einsetzungsbeschluss des Landtags wurde in den Medien vielfach auch unter Nennung seines vollen Namens landesweit berichtet. Dadurch wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass er einer Straftat verdächtigt wird und dass die zuständige Strafkammer hinreichende Gründe für die Eröffnung des Hauptverfahrens gesehen hat. Da zuvor aufgrund von Pressemitteilungen der örtlichen Justizbehörden und einzelner Zeitungsberichte nur ein enger gefasster Personenkreis von den strafrechtlichen Vorwürfen gegen den Beschwerdeführer zu 1 erfahren hatte, kann in der Weiterverbreitung dieser personenbezogenen Daten durch das Parlament zugleich ein Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesehen werden (vgl. BVerfG vom 9.3.2010 NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33; BGH vom 5.11.2013 BGHZ 198, 346 Rn. 21; Masing, a. a. O., S. 156).

Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers zu 1 ist jedoch durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Untersuchungsrecht des Landtags (Art. 25 BV) gerechtfertigt, das eine verfassungsimmanente Schranke der betroffenen Grundrechte bildet.

Mit der Einsetzung des Ausschusses und der Bestimmung des Untersuchungsgegenstands übt das Parlament öffentliche Gewalt aus, so dass die Grundrechte Betroffener beachtet werden müssen, soweit sie bereits zu diesem Zeitpunkt berührt sind (vgl. VerfGHE 47, 87/124 m. w. N.; 48, 34/38). Eingriffe in die Grundrechte, etwa in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sind nur im Rahmen einer von der parlamentarischen Kontrollkompetenz gedeckten Untersuchung unter Wahrung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zulässig. Die Intensität des Grundrechtseingriffs ist dabei gegen das Gewicht des Untersuchungszwecks und des Beweisthemas abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind namentlich Art und Bedeutung des mit der beabsichtigten Beweiserhebung verfolgten Ziels und die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten und Persönlichkeitsbelange angemessen zu berücksichtigen (VerfGHE 47, 87/124; 48, 34/38).

Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen sind hier erfüllt. Der Beschluss zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses dient einem wichtigen Ziel und ist auch im Übrigen rechtmäßig; die für den Beschwerdeführer zu 1 damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen sind dagegen vergleichsweise wenig gravierend, so dass die Abwägung zugunsten des parlamentarischen Untersuchungsrechts ausfällt.

(1) Ein Untersuchungsausschuss darf nur dann eingesetzt werden, wenn an der Untersuchung ein öffentliches Interesse von hinreichendem Gewicht besteht. Ein öffentliches Interesse in diesem Sinn liegt dann vor, wenn es sich bei dem zu untersuchenden Sachverhalt von seinem Thema her um einen Gegenstand öffentlichen Interesses handelt und die Aufklärung als solche im öffentlichen Interesse liegt. Zweck und Aufgabe eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist es, als Hilfsorgan des Parlaments von diesem umschriebene Tatbestände festzustellen und aufzuklären, um die Möglichkeit eines verfassungsmäßigen Beschlusses des Landtags zu eröffnen. Die Tatsache, dass eine qualifizierte Minderheit eines Parlaments einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt, kann grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an Aufklärung und parlamentarischer Behandlung angesehen werden. Im Interesse des Minderheitenschutzes wird der Landtag ein öffentliches Interesse zu bejahen haben, wenn keine triftigen Gegengründe vorliegen (vgl. VerfGHE 48, 34/38 f. m. w. N.).

Dass an der mit der Ausschusseinsetzung angestrebten „Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens bayerischer Polizei- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Staatsministerien, der Staatskanzlei und der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger“ (LT-Drs. 17/2483 S. 1) ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht, kann nicht zweifelhaft sein. Die Kontrolle der Staatsregierung und der ihr unterstehenden Verwaltungsstellen gehört zu den Kernaufgaben des Landtags und stellt einen legitimen Zweck für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses dar (vgl. Art. 2 Abs. 1 UAG). Der für parlamentarische Untersuchungen notwendige Gemeinwohlbezug (vgl. VerfGHE 47, 87/127) ergibt sich hier aus den im Einsetzungsbeschluss vom 1. Juli 2014 im Einzelnen geschilderten Vorwürfen, dass bayerische Justiz- und Polizeibehörden in der Vergangenheit strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem u. a. vom Beschwerdeführer zu 1 praktizierten Abrechnungssystem aus sachfremden Beweggründen nicht in der rechtlich gebotenen Weise betrieben hätten bzw. von ihren vorgesetzten Stellen daran gehindert worden seien und dass auch die politisch Verantwortlichen erkennbaren Fehlentwicklungen bei der Abrechnung von Laborleistungen nicht entgegengetreten seien. Die einzelnen Gegenstände der beabsichtigten Untersuchung und die verschiedenen Fragenkomplexe stehen mit diesen Vorwürfen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Dies gilt auch für die Fragen nach dem bisherigen Verlauf und den Hintergründen des gegen den Beschwerdeführer zu 1 derzeit anhängigen Strafverfahrens (Fragengruppe 8.).

(2) Ob für den angegriffenen Einsetzungsbeschluss über das generelle Erfordernis eines gewichtigen öffentlichen Aufklärungsinteresses hinaus auch verlangt werden muss, dass „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ für etwaige Missstände vorliegen, erscheint fraglich. Diese zusätzliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Ausschusseinsetzung ist von der Rechtsprechung für die Fälle entwickelt worden, in denen ein mögliches Fehlverhalten Privater den Untersuchungsgegenstand bildet und daher vorrangig private Angelegenheiten, wie z. B. steuerliche oder geschäftliche Vorgänge, in den Blick genommen werden (vgl. VerfGHE 47, 87/125 ff. m. w. N.). Für diese Form von Missstandsenqueten müssen „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ gegeben sein, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Ausschuss als reines politisches Kampfinstrument benutzt wird und damit seinen eigentlichen Zweck, nämlich die parlamentarische Kontrolle öffentlicher Amtstätigkeit, verfehlt. Dürften privatgerichtete Untersuchungen ohne diese Einschränkung beschlossen werden, könnten sie zur beliebigen Ausforschung privater Bereiche benutzt werden; dies würde die Grundrechte der Betroffenen unverhältnismäßig beschränken (VerfGHE 47, 87/126 f.; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Rn. 102 m. w. N.).

Um einen unmittelbar privatgerichteten Untersuchungsauftrag handelt es sich aber bei dem Einsetzungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 1. Juli 2014 nicht. Weder aus der allgemeinen Umschreibung des Untersuchungsziels noch aus der Auflistung der einzelnen Themenkomplexe oder dem beigefügten Fragenkatalog lässt sich entnehmen, dass dem Untersuchungsausschuss die Aufgabe gestellt wäre, ein zurückliegendes Verhalten des Beschwerdeführers zu 1 oder anderer Privatpersonen eigenständig aufzuklären und rechtlich oder politisch zu bewerten. Die Handlungen und Verhältnisse der an dem umstrittenen Abrechnungssystem Beteiligten sind nur insoweit Thema der Untersuchungen, als danach gefragt wird, welche Erkenntnisse den Strafverfolgungsorganen und anderen staatlichen Stellen dazu während bestimmter Zeiträume vorlagen, insbesondere während der früheren Ermittlungsverfahren. Angesichts dieser begrenzten Zielrichtung des Untersuchungsauftrags, von dem der Beschwerdeführer bloß mittelbar betroffen ist, erscheint hier das grundrechtsschützende Erfordernis des Vorliegens „tatsachengestützter Anhaltspunkte“ für mögliche Missstände verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten (vgl. VerfGH vom 17.7.2001 VerfGHE 54, 62/77).

Selbst wenn man vom gegenteiligen Standpunkt ausginge, bestünden aber keine Bedenken gegen den erteilten Untersuchungsauftrag. Denn „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ sind nicht erst gegeben, wenn ein Anfangsverdacht im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO besteht. Es genügt das Vorliegen von Umständen, die bei vernünftiger Betrachtung - zumindest im Rahmen einer Gesamtschau - auf Missstände oder Rechtsverletzungen hindeuten und deshalb weitere Klärung erforderlich erscheinen lassen (vgl. VerfGHE 47, 87/126 m. w. N.). Solche Umstände ergeben sich hier bereits aus den Vorgängen, die in einem Anfang Mai 2014 erschienenen - in der Landtagsdebatte zur Ausschusseinsetzung angesprochenen - Zeitungsartikel detailliert beschrieben wurden (MdL Schindler, Plen. Prot. 17/21 vom 1.7.2014 S. 1460) und die der öffentlich geäußerten Behauptung zugrunde liegen, die Staatsanwaltschaften in München und Augsburg hätten Ermittlungen gegen 10.000 Ärzte und einen Laborbetreiber aus Augsburg wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs behindert und die betreffenden Personen geschont, obwohl ein volkswirtschaftlicher Schaden von bis zu 500 Millionen Euro entstanden sei. Angesichts dieser konkreten und substanziierten Vorwürfe gegen einzelne Behörden und Amtsträger, die auch Anlass für eine Vielzahl parlamentarischer Anfragen aus den Reihen aller Fraktionen waren (LT-Drs. 16/4001, 16/8528, 16/8688, 16/8832, 16/8881, 16/9460, 17/88, 17/1781, 17/1785, 17/1801, 17/1837, 17/1839, 17/2016, 17/2094), kann von einer Untersuchung „ins Blaue hinein“, die auf bloßen Behauptungen beruht, keine Rede sein.

(3) Der dem Untersuchungsausschuss erteilte Ermittlungsauftrag ist nicht deshalb verfassungsrechtlich zu beanstanden, weil er sich auf einen der Kontrolle des Landtags entzogenen Bereich der Exekutive oder der Judikative erstrecken würde.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darf der sog. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht ausgeforscht werden. Dazu gehört die Willensbildung der Staatsregierung sowohl hinsichtlich der Erörterungen innerhalb des Kabinetts als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (VerfGH vom 27.11.1985 VerfGHE 38,165/176; vom 6.6.2011 VerfGHE 64, 70/81 f. m. w. N.; BVerfG vom 17.7.1984 BVerfGE 67, 100/139; kritisch Masing, a. a. O., S. 185 f. und 320 ff.). Dass dieser kontrollfreie Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Gubernative von dem angegriffenen Einsetzungsbeschluss auch nur indirekt berührt würde, ist nicht erkennbar.

Für staatliche Behörden und Dienststellen, die der Staatsregierung und den einzelnen Fachministern hierarchisch nachgeordnet sind (Art. 55 Nr. 5 Satz 1 BV), existiert kein dem parlamentarischen Informationsrecht entzogener Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Ihr administratives Handeln unterliegt daher der Kontrolle des Landtags in gleichem Maß wie der Fach- oder Rechtsaufsicht des zuständigen Ministers, der für sie parlamentarisch einzustehen hat (vgl. VerfGH vom 26.7.2006 VerfGHE 59, 144/180). Auch die rechtlichen Bewertungen und Vorgehensweisen der bayerischen Staatsanwaltschaften bei der Strafverfolgung, insbesondere im Rahmen einzelner Ermittlungsverfahren, können somit zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses gemacht werden. Dass die Staatsanwaltschaften dabei als Organe der Strafrechtspflege tätig werden, steht der parlamentarischen Kontrolle nicht entgegen. Denn trotz ihrer Zugehörigkeit zum Justizbereich sind die Staatsanwaltschaften ein weisungsgebundener (Art. 89 BV, §§ 146, 147 GVG) Bestandteil der staatlichen Exekutive (BVerfG vom 20.2.2001 BVerfGE 103, 142/156). Sie üben, auch wenn sie in Einzelfällen über den Fortgang eines Strafverfahrens eigenverantwortlich entscheiden (z. B. nach §§ 153 ff., 170 Abs. 2 StPO), keine rechtsprechende Gewalt im Sinn von Art. 92 GG bzw. Art. 5 BV aus (BVerfG vom 5.11.2001 NJW 2002, 815). Staatsanwälte können sich daher nicht auf eine „untersuchungsausschussfeste“ richterliche bzw. richterähnliche Unabhängigkeit berufen (vgl. Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, S. 58; Peters, a. a. O., Rn. 78). Dies gilt selbst dann, wenn sie mit dem Gericht unmittelbar zusammenwirken, wie bei bestimmten Arten der vorläufigen oder endgültigen Verfahrensbeendigung. Denn auch dabei unterliegen sie dem Weisungsrecht ihrer vorgesetzten Stellen, so dass sich die parlamentarische Kontrolle darauf ebenfalls erstreckt.

Aus der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung folgt allerdings der Grundsatz, dass sich Untersuchungen im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz nur mit bereits abgeschlossenen Verwaltungsvorgängen befassen dürfen (sog. expost-Kontrolle). Im Stadium der Vorbereitung, Planung und Abwägung von Entscheidungen muss die dafür zuständige Exekutive frei von äußeren Einflussnahmen sein. Untersuchungsausschüsse zum Zweck verfahrensbegleitender oder vorbeugender Kontrolle sind daher unzulässig (VerfGHE 38, 165/177 m. w. N.; Peters, a. a. O., Rn. 74; Masing, a. a. O., S. 309 ff.). Diese Grenze, die über die staatsleitende Regierungstätigkeit hinaus ebenso für rein administratives Handeln und somit auch für staatsanwaltschaftliches Tätigwerden gilt, ist hier aber nicht überschritten. Denn der angegriffene Untersuchungsauftrag hat nur zurückliegende Verfahren bzw. Verfahrensschritte zum Gegenstand und zielt nicht auf eine Kontrolle noch laufender Entscheidungsprozesse. Auch die Fragen zu dem derzeit beim Landgericht Augsburg anhängigen Verfahren sind so formuliert, dass sie sich nur auf abgeschlossene Vorgänge und schon getroffene (Zwischen-)Entscheidungen und nicht auf die gegenwärtige Prozessführung der Staatsanwaltschaft beziehen. Die im Fall einer mitlaufenden Parlamentskontrolle zu befürchtende Funktionsbeeinträchtigung der Strafverfolgungsorgane (vgl. Glauben, a. a. O., § 5 Rn. 44; Achterberg/Schulte in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 44 Rn. 19; Vetter, ZParl 1989, 345/349) kann damit nicht eintreten. Dies gilt auch für die Fragen, die sich auf Entscheidungen der Strafkammer beziehen. Denn bei der am 21. März 2014 erfolgten Zulassung der Anklage (Fragen 8.3. Halbsatz 2 und 8.4.) und bei dem gerichtlichen Entschluss, die Hauptverhandlung nicht mehr im Jahr 2014 durchzuführen (Frage 8.5.), handelt es sich ebenfalls um bereits abgeschlossene Vorgänge, die sich unabhängig von den im Hauptverfahren anstehenden gerichtlichen Entscheidungen beurteilen lassen (vgl. VerfGHE 38, 165/177).

(4) Der Einsetzungsbeschluss des Landtags, der somit alle verfassungsrechtlichen Kompetenzgrenzen einhält und ein objektiv gewichtiges Aufklärungsinteresse verfolgt, beeinträchtigt den Beschwerdeführer zu 1 nur in so geringem Umfang, dass sich daraus kein grundrechtliches Hindernis ergeben kann.

Der angegriffene Beschluss nennt den Beschwerdeführer zu 1 als Beschuldigten bzw. Angeklagten des laufenden Strafverfahrens an keiner Stelle mit vollem Namen. Damit ist in hinreichendem Maß dafür gesorgt, dass eine Identifizierung seiner Person nur bei entsprechendem Vorwissen über den Inhaber des Labors Sch. möglich ist. Dass in dem Untersuchungsauftrag mehrmals die Bezeichnungen „Labor Sch.“ bzw. „Sch.-Komplex“ erscheinen, folgt aus der Tatsache, dass der Familienname des Beschwerdeführers zu 1 im Firmennamen der juristischen Person „Labor Sch. MVZ GmbH“ enthalten ist. Aus der bloßen Erwähnung dieses Namensbestandteils ergibt sich aus der Sicht eines nicht vorinformierten Dritten noch keine zwingende Verbindung zu einer individuellen Person. Eine noch weitergehende Anonymisierung des Untersuchungsauftrags („Labor X“, „Dr. Y“) war hier schon deshalb nicht geboten, weil der interessierten Öffentlichkeit nicht die Möglichkeit genommen werden durfte, den Untersuchungsauftrag des Landtags mit dem in den Medien schon zuvor breit diskutierten „Fall Sch.“ in Verbindung zu bringen (vgl. SaarlVerfGH NVwZ-RR 2003, 393/396).

Da der Einsetzungsbeschluss des Landtags, wie dargelegt, auf eine eigenständige Bewertung der Strafbarkeit der vor dem Landgericht Augsburg angeklagten Personen verzichtet und nur den nach Einschätzung der Strafverfolgungsorgane bestehenden Tatverdacht wiedergibt, entfaltet er keine das Persönlichkeitsrecht verletzende „Prangerwirkung“. Der Rechtsnachteil für den Beschwerdeführer zu 1 besteht letztlich darin, dass noch weitere Kreise als bisher von dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren und den zugrunde liegenden Tatvorwürfen erfahren. Diese seiner persönlichen Ehre abträglichen Tatsachen waren aber aufgrund der früheren Berichte bereits in Teilen der Öffentlichkeit bekannt und haben die Sicht auf seine Person wesentlich mitgeprägt, wodurch sich das Gewicht der mit dem Einsetzungsbeschluss verbundenen medialen Weiterverbreitung erheblich vermindert (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33 m. w. N.; BGHZ 198, 346 Rn. 21). Insgesamt führt daher die Abwägung zu dem Ergebnis, dass die grundrechtsgeschützten Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers zu 1 hinter dem mit der parlamentarischen Untersuchung verfolgten öffentlichen Aufklärungsinteresse zurückzustehen haben.

d) Mit der Erwähnung der strafrechtlichen Tatvorwürfe und der vom Landgericht Augsburg zugelassenen Anklage sowie der in den Einzelfragen 1.4. bis 1.8. allgemein angesprochenen „sowohl fachliche[n] als auch rechtliche[n] Bedenken an der Tätigkeit des Laborunternehmers Dr. B. S. und des von ihm initiierten Systems der Abrechnung von Laborleistungen“ verletzt der Einsetzungsbeschluss des Landtags den Beschwerdeführer zu 1 nicht in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit, das nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VerfGH vom 24.5.2012 BayVBl. 2013, 431/432 m. w. N.) in der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) mit enthalten ist. Durch das weitere Bekanntwerden der Verdachtsmomente bezüglich einer möglichen Unzulässigkeit oder sogar Strafbarkeit des umstrittenen Abrechnungssystems dürften zwar seine beruflichen Entfaltungschancen nicht unerheblich geschmälert werden. Darin liegt jedoch kein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers zu 1, sondern lediglich eine Reflexwirkung der angekündigten parlamentarischen Untersuchung. Der Formulierung des Untersuchungsauftrags lässt sich keine objektiv berufsregelnde Tendenz (vgl. dazu VerfGH vom 27.8.1998 VerfGHE 51, 74/86) dahingehend entnehmen, dass potenzielle Geschäftspartner des Beschwerdeführers zu 1 von einer Kontaktaufnahme abgehalten oder vor diesem Geschäftsmodell gewarnt werden sollten. Selbst wenn man einen (faktischen) Grundrechtseingriff annehmen wollte, wäre dieser aber aus den oben genannten Gründen gerechtfertigt, da das parlamentarische Untersuchungsinteresse unter den gegebenen Umständen als vorrangig anzusehen ist.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer liegt in dem Einsetzungsbeschluss auch nicht deshalb ein Eingriff in die Berufsfreiheit, weil (schon) der parlamentarische Untersuchungsauftrag darauf ausgerichtet wäre, in den Ermittlungsakten enthaltene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführer zu offenbaren. Weder aus der Beschreibung des Untersuchungsgegenstands noch aus dem zugehörigen Fragenkatalog ergibt sich für den Ausschuss die Verpflichtung, das umstrittene Abrechnungsmodell, das aus Presseberichten allgemein bekannt ist und dessen Funktionsweise auch im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2012 (Az. 1 StR 45/11) ausführlich beschrieben wird, hinsichtlich der betriebsinternen Geschäftsvorgänge und Verfahrensabläufe weitergehend zu untersuchen. Von einer durch den Landtagsbeschluss vorprogrammierten Offenbarung grundrechtlich geschützter Geheimnisse, die eine Abwägung der kollidierenden Verfassungsrechtsgüter bereits auf der Einsetzungsebene erforderlich gemacht hätte, kann demzufolge keine Rede sein. Dass die in den bisherigen Ermittlungsverfahren angefallenen umfangreichen Unterlagen, die dem Ausschuss nach Art. 25 Abs. 3 Satz 4 BV auf Verlangen vorzulegen sind, auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführer und geschützte persönliche Daten enthalten, führt zu keiner anderen Bewertung. Die bloße Möglichkeit, dass mit der Ausübung des - zum „Wesenskern“ des parlamentarischen Untersuchungsrechts gehörenden (vgl. BVerfGE 67, 100/132) - Aktenvorlagerechts in Grundrechte eingegriffen wird, kann der Einsetzung des Ausschusses und der Erteilung des Untersuchungsauftrags nicht entgegengehalten werden. Es obliegt vielmehr den zur Vorlage verpflichteten Behörden und dem Untersuchungsausschuss selbst, den legitimen Geheimhaltungsinteressen Einzelner auf der Durchführungsebene in dem jeweils verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung zu tragen (vgl. Huber in Meder/Brechmann, a. a. O., Art. 25 Rn. 26 m. w. N.).

2. Der Einsetzungsbeschluss des Landtags verletzt die Beschwerdeführer auch nicht insoweit in ihren Grundrechten, als sich der Untersuchungsauftrag auf bereits abgeschlossene Ermittlungs- bzw. Strafverfahren bezieht. Soweit die Verfassungsbeschwerde bezüglich dieser früheren Vorgänge überhaupt zulässig ist (s. o. IV. 3. b), hat sie jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

a) Die durch den Fragenkatalog im Einzelnen vorgezeichnete parlamentarische Untersuchung von Sachverhalten, derentwegen in der Vergangenheit Strafverfahren gegen beide Beschwerdeführer geführt und z. T. auch strafrechtliche Sanktionen gegen den Beschwerdeführer zu 1 verhängt worden sind, verstößt nicht gegen das grundrechtlich garantierte Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“).

Der in Art. 104 Abs. 2 BV verankerte Grundsatz, dass niemand wegen derselben Tat zweimal gerichtlich bestraft werden darf, gilt neben der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 103 Abs. 3 GG fort und kann als subjektives verfassungsmäßiges Recht gemäß Art. 66, 120 BV mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden (VerfGH vom 16.1.1968 VerfGHE 21, 11/13; vom 25.2.1977 VerfGHE 30, 19/21 m. w. N.). Das Verbot der Doppelbestrafung besagt, dass eine Tat (im strafprozessualen Sinn), über die schon einmal rechtskräftig entschieden worden ist, nicht nochmals zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens oder einer gerichtlichen Verurteilung zuungunsten des Betroffenen gemacht werden darf (VerfGH vom 13.1.1966 - Vf. 35-VI-65 - juris m. w. N.). Damit soll verhindert werden, dass der Bestrafte oder Freigesprochene jederzeit damit rechnen muss, in einem neuen, nicht an bestimmte Wiederaufnahmegründe geknüpften Strafverfahren ein weiteres Mal belangt zu werden, was dem Gebot der Rechtssicherheit widerspräche (VerfGHE 21, 11/13).

Das Doppelbestrafungsverbot bezieht sich hiernach nur auf wiederholte strafrechtliche Maßnahmen und nicht auf das Verhältnis von Kriminalstrafen und sonstigen Sanktionen, wie z. B. Ordnungsmitteln (VerfGHE 30, 19/21 f.) oder Disziplinarmaßnahmen (VerfGH vom 19.4.1989 VerfGHE 42, 54/63). Erst recht liegt kein Verstoß gegen den „ne bis in idem“-Grundsatz vor, wenn nicht ein Gericht, sondern ein mit keiner Sanktionsgewalt ausgestattetes Parlamentsorgan zum Zweck der politischen Kontrolle der Exekutive einen Sachverhalt untersucht, der (auch) Gegenstand eines zurückliegenden Strafverfahrens war. Das Verbot der Doppelbestrafung schützt nicht generell vor neuen Ermittlungen staatlicher Stellen zu Tatvorwürfen, die zuvor strafgerichtlich untersucht wurden. Unzulässig sind lediglich Verfahren, die darauf gerichtet sind, eine bereits abgeurteilte Tat zum Zweck einer künftigen (erst- oder nochmaligen) Bestrafung des Angeklagten erneut strafrechtlich zu würdigen.

Dass der angegriffene Einsetzungsbeschluss keine solche Intention verfolgt, ist bereits mehrfach dargelegt worden. Die Zielsetzung des Untersuchungsauftrags und der Inhalt des Fragenkatalogs lassen keine Deutung dahingehend zu, dass die gegen die Beschwerdeführer in früheren Ermittlungs- bzw. gerichtlichen Strafverfahren erhobenen Vorwürfe nunmehr in Form eines öffentlichen Tribunals neu aufgerollt und die ergangenen Gerichtsentscheidungen damit infrage gestellt werden sollen. Die in der Überschrift des Beschlusstextes enthaltene Aussage, bei der Einsetzung des Ausschusses gehe es um die Untersuchung eines „möglichen Fehlverhaltens bayerischer ... Justizbehörden“, bestätigt dieses Ergebnis. Denn zu den Justizbehörden zählen nach allgemeinem Sprachgebrauch (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG) zwar die Staatsanwaltschaften als Strafverfolgungsbehörden, nicht aber die Gerichte, soweit sie als Rechtsprechungsorgane tätig werden (vgl. Mayer in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 23 EGGVG Rn. 10 und 13 m. w. N.). Die Richtigkeit früherer strafrichterlicher Entscheidungen ist somit nicht Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsauftrags; eine solche Überprüfung wäre aus den oben genannten Gründen auch verfassungsrechtlich unzulässig. Bei der Durchführung der Untersuchung ist diese verfassungsrechtliche Grenzsetzung zwingend zu beachten. Öffentliche Äußerungen einzelner Landtagsabgeordneter, aus denen sich - z. B. durch die Verwendung des Begriffs „Justizirrtum“ - ein gegenteiliger Eindruck ergeben könnte, sind dem Landtag als Gesamtorgan nicht zuzurechnen und können daher zur Auslegung des Einsetzungsbeschlusses nicht herangezogen werden.

b) Inwieweit aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus den Justizgrundrechten der Bayerischen Verfassung das vom Beschwerdeführer zu 1 geltend gemachte Recht folgt, nicht durch staatliche Stellen trotz rechtskräftigen Freispruchs einer Straftat verdächtigt zu werden, bedarf hier keiner abschließenden Prüfung. Ein solches Abwehrrecht des ehemaligen Angeklagten, das weit im Vorfeld des durch das Verbot der Doppelbestrafung bewirkten Strafklageverbrauchs läge, könnte jedenfalls den Landtag nicht daran hindern, aufgrund seiner Befugnis zur Kontrolle der Exekutive auch solche Sachverhalte weiter aufzuklären, die in einem zurückliegenden Gerichtsverfahren für die Beurteilung eines strafrechtlichen Tatvorwurfs relevant waren und seinerzeit zu einem Freispruch geführt haben. Die damalige richterliche Tatsachenbewertung vermag keine rechtliche Sperrwirkung dahingehend zu entfalten, dass die der Anklage zugrunde gelegten Umstände ab Eintritt der Rechtskraft des freisprechenden Urteils jeder weiteren staatlichen Untersuchung entzogen wären, auch wenn die richterliche Entscheidung selbst nicht überprüfbar ist (vgl. oben a).

Da ein Untersuchungsausschuss als parlamentarisches Hilfsorgan nur zur Ermittlung von Tatsachen in Vorbereitung künftiger Beschlüsse des Landtags befugt ist und keine abschließenden tatsächlichen oder rechtlichen Bewertungen zu treffen hat (vgl. VerfGH vom 27.6.1977 VerfGHE 30, 48/59), liegt in seiner Befassung mit einem strafbarkeitsrelevanten früheren Geschehen auch nicht die konkludent getroffene Feststellung, der damals Freigesprochene werde von Seiten des Parlaments oder des Ausschusses aufgrund einer eigenen strafrechtlichen Fallbewertung weiterhin verdächtigt, jene Straftat begangen zu haben, derentwegen er gerichtlich freigesprochen wurde. Ein diesbezüglicher Erklärungsgehalt lässt sich auch den einzelnen Fragen zu den früheren Straf- bzw. Ermittlungsverfahren nicht entnehmen. In dem parlamentarischen Untersuchungsauftrag liegt daher auch insoweit kein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) des Beschwerdeführers zu 1.

c) Die richterliche Unabhängigkeit (Art. 85 BV), deren Beeinträchtigung unter Umständen zu einer Verletzung des den Verfahrensbeteiligten zustehenden Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) führen kann (s. o. V. 1. b) aa), ist auch durch die thematische Erstreckung des Untersuchungsauftrags auf bereits abgeschlossene Strafverfahren nicht berührt. Denn damit sollen, wie gezeigt, nicht die damaligen richterlichen Entscheidungen zum Gegenstand der parlamentarischen Aufklärung und Bewertung gemacht werden, sondern nur bestimmte Handlungen der staatlichen Exekutive im Rahmen der Strafverfolgung.

3. Durch die parlamentarische Untersuchung des Umgangs von Strafverfolgungsbehörden und politischen Amtsträgern mit den vom Beschwerdeführer zu 1 in der Vergangenheit geleisteten Parteispenden (Einzelfragen 3.1.7. und 5.13., Fragengruppen 10. und 11.) werden dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) nicht verletzt.

In de m Weiterverbreiten der - zuvor aus Presseberichten nur einer begrenzten Öffentlichkeit bekannten - Informationen über das individuelle Spendenverhalten und die darin zum Ausdruck kommende Parteipräferenz des Beschwerdeführers zu 1 kann zwar ein faktischer Eingriff in die genannten grundrechtlichen Positionen gesehen werden. Dieser ist aber durch das Untersuchungsrecht des Landtags nach Art. 25 BV gerechtfertigt. Der parlamentarische Ermittlungsauftrag zielt auch hier nicht darauf ab, einem Verdacht hinsichtlich eines etwaigen persönlichen Fehlverhaltens des Spenders nachzugehen oder selbstständige Feststellungen zu seiner möglichen Strafbarkeit zu treffen. Das parlamentarische Aufklärungsinteresse gilt vielmehr allein der Frage, wie bestimmte staatliche Funktionsträger auf das Bekanntwerden der Spenden reagiert haben, insbesondere im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen und bei politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Abrechnung von Laborleistungen.

Soweit es für diesen den Beschwerdeführer zu 1 nur mittelbar betreffenden Teil des Untersuchungsauftrags tatsachengestützter Anhaltspunkte für mögliche Missstände bedarf, liegt diese Voraussetzung ebenfalls vor. Die in dem Anfang Mai 2014 erschienenen Zeitungsbericht geschilderten Umstände und persönlichen Beziehungen können, wie auch die Plenardebatte zum Einsetzungsbeschluss zeigt (vgl. MdL Schindler, Plen. Prot. 17/21 vom 1.7.2014 S. 1460), den Schluss nahelegen, dass durch die genannten großzügigen Spenden an die Regierungspartei zumindest versucht worden sein könnte, auf Entscheidungen der Exekutive Einfluss zu nehmen. Angesichts dieses auf konkrete Vorgänge bezogenen Verdachts war der Landtag befugt, durch den Untersuchungsausschuss prüfen zu lassen, ob staatliche Amtsträger insoweit pflichtwidrig gehandelt haben oder ob dies ausgeschlossen werden kann. Die mit dieser Sachaufklärung verbundene Beeinträchtigung grundrechtsgeschützter Belange des Beschwerdeführers zu 1 wiegt weniger schwer als das öffentliche Interesse an der Beantwortung der gestellten Fragen.

VI.

Der von den Beschwerdeführern zusätzlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat sich bereits durch die gegenüber dem Verfassungsgerichtshof erteilte Zusage des Landtags vom 16. Juli 2014 erledigt.

VII.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 17. Nov. 2014 - Vf. 70-VI/14

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 17. Nov. 2014 - Vf. 70-VI/14

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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Strafprozeßordnung - StPO | § 152 Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz


(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspu

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(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. (2) Die St

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Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 44


(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 137 Recht des Beschuldigten auf Hinzuziehung eines Verteidigers


(1) Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen. (2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so kann auch dieser sel

Strafprozeßordnung - StPO | § 199 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens


(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist. (2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden di

Untersuchungsausschussgesetz - PUAG | § 36 Gerichtliche Zuständigkeiten


(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen. (2) Häl

Strafprozeßordnung - StPO | § 213 Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung


(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. (2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn T

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 146


Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 43 Beratungsgeheimnis


Der Richter hat über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 147


Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu: 1. dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte;2. der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des

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(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Juni 2010 -11 L 544/10- wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

In seiner Sitzung vom 11.2.2010 hat der Landtag des Saarlandes die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit dem Titel (Kurzbezeichnung „Untersuchungsausschuss Landtagswahlen 2009“) beschlossen. Der Untersuchungsausschuss ist Antragsgegner und Beschwerdegegner. Der Beschlussfassung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses lagen ein Antrag der Landtagsfraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/85) und ein Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/102) zugrunde, die beide mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurden.

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 heißt es, der Untersuchungsausschuss solle eingesetzt werden

„vor dem Hintergrund

- von offenkundigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmungen der A.-Gruppe und an der Bildung der saarländischen Landesregierung beteiligten Personen,

- dass im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden.“

Insoweit hätten

„sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf

- die Rolle A. bei der Regierungsbildung,

- die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren,

- den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe.“

Diese ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Rechtsstaatlichkeit umfassender und vollständiger Aufklärung.

Im Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 ist als Betreff genannt: „Erweiterung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses (Drucksache 14/85)“ Zu dem Beschlussantrag heißt es:

„Vor dem Hintergrund

- der in den vergangenen Monaten erhobenen Vorwürfe gegen Mitglieder der Regierung des Saarlandes sowie andere an der Regierungsbildung beteiligte Personen und Herrn A.

- sowie dem Versuch von SPD und LINKEN, nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für ein Bündnis mit der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN den Eindruck zu erwecken, dass von Seiten des Unternehmers A. sowie den ihm zuzuordnenden Unternehmen eine einseitige finanzielle Unterstützung der heutigen Regierungsparteien erfolgt sei,“

hätten „sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf:

- die Gründe des politischen Scheiterns der Regierungsbildung zwischen SPD, der Partei DIE LINKE und der Partei Bündnis 90/Die GRÜNEN,

- sowie mögliche strafbare Handlungen insbesondere in Bezug auf Delikte des 14. Abschnitts des Strafgesetzbuchs gegen die an der Regierungsbildung beteiligten Personen sowie gegen Herrn A..“

Die ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Wahrung der Würde der politischen Kultur umfassender und vollständiger Aufklärung.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist in der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses „Landtagswahlen 2009“ (Beschwerdegegner) am 24.3.2010 als Betroffener im Sinne des § 54 Abs. 1 Landtagsgesetz (LTG) festgestellt worden.

Am 24.3.2010 fasste der Beschwerdegegner (u.a.) folgenden „2. Beweisbeschluss“:

„Es soll Beweis erhoben werden über die Gründe und Umstände der Einleitung und in zeitlichem Zusammenhang mit der Regierungsbildung 2009 erfolgten Einstellung von fünf gegen A. oder Unternehmungen der A.-Gruppe geführten Ermittlungsverfahren.

A. In diesem Zusammenhang sollen die Gründe und Umstände der betreffenden bei den Finanzbehörden des Landes geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie die Abgabe der Verfahren an die Staatsanwaltschaft B-Stadt geklärt werden.

Durch Vorlage

1. der Ermittlungsakten der Finanzbehörden betreffend der in zeitlichem Zusammenhang mit der Regierungsbildung von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe,

2. sämtlicher den Verfahren zugrundeliegender Steuerakten betreffend A. und Unternehmungen der A.-Gruppe,

3. der den Verfahren zugrundeliegenden Steuererklärungen nebst Belegen A. sowie der Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

4. der den Verfahren zugrundeliegenden Steuerbescheide gegenüber A. sowie Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

5. der die Verfahren betreffenden Vermerke, Protokolle und Notizen der Finanzbehörden in den steuerlichen Angelegenheiten A. sowie der Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

6. des Vorgangs betreffend die Abgabe der Verfahren durch die Finanzbehörden an die Staatsanwaltschaft.

B. In diesem Zusammenhang sollen weiterhin die Gründe und Umstände der bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen betreffend A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie der Einstellung dieser Verfahren geklärt werden.

Durch Vorlage

1. der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft,

2. der die Verfahren betreffenden Berichte innerhalb der Staatsanwaltschaft, innerhalb des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft an das Justizministerium,

3. des die Verfahren betreffenden Schriftverkehrs innerhalb der Staatsanwaltschaft, innerhalb des Justizministeriums sowie zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Justizministerium,

4. des die Verfahren betreffenden Schriftverkehrs zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Finanzministerium sowie dessen untergeordneten Finanzbehörden,

5. sämtlicher die Verfahren betreffenden Vermerke, Protokolle und Notizen der Staatsanwaltschaft, des Finanzministeriums und des Justizministeriums,

6. der schriftlichen Mitteilungen der Staatsanwaltschaft an das Justizministerium und das Finanzministerium bzw. dessen untergeordneten Finanzbehörden über die Einstellung der Verfahren.“

(im Folgenden: 2. Beweisbeschluss)

Mit Schreiben vom 26.3.2010 (Tgb.Nr. US 2/10) ersuchte der Beschwerdegegner den Minister der Finanzen um Vorlage der im 2. Beweisbeschluss unter A) 1. bis 6. aufgeführten Unterlagen.

Nach Prüfung des Aktenherausgabeersuchens und Zusammenstellung der zur Herausgabe vorgesehenen Akten hörte der Minister der Finanzen den Antragsteller zu der beabsichtigten Aktenherausgabe an, gewährte dessen Bevollmächtigten hierzu am 28.5.2010 Akteneinsicht, übergab ihm Inhaltsverzeichnisse der entsprechenden Akten und kündigte an, dass die Akten dem Antragsgegner zugeleitet würden, wenn nicht bis zum 2.6.2010, 12.00 Uhr, einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Aktenvorlage beantragt werde.

Der Antragsteller beantragte am 4.6.2010 beim Verwaltungsgericht des Saarlandes den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag,

„gemäß § 123 Abs. 1 VwGO folgende einstweilige Anordnung zu erlassen

Der 2. Beweisbeschluss des Antragsgegners, der in der Sitzung vom 24.3.2010 gemäß dem durch DIE LINKE vorgelegten Beweisantrag beschlossen wurde, wird einstweilen unter A) 1 bis 6 außer Vollzug gesetzt.“

Er machte geltend, die gesamten unter A) 1. bis 6. des angegriffenen Beweisbeschlusses benannten Beweismittel, nämlich Akten der Finanzbehörden, stünden erkennbar nicht in dem gebotenen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Der Untersuchungsauftrag ziele auf eine Beeinflussung der Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der laufenden Regierungsbildung ab. Entscheidend seien daher ausschließlich solche Unterlagen, die auch tatsächlich den Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft hätten zugrunde liegen können. Dies seien jedoch nicht die Akten der Finanzbehörden, sondern die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten einschließlich solcher steuerlicher Unterlagen, die bei der Staatsanwaltschaft auch konkret zum Akteninhalt geworden seien. Akten anderer Behörden, insbesondere der Finanzbehörden, von welchen die Staatsanwaltschaft B-Stadt überhaupt keine Kenntnis gehabt habe, könnten ersichtlich nicht im Zusammenhang mit den Einstellungen der Ermittlungsverfahren stehen. Bezüglich der unter A) 1. bis 6. genannten Beweismittel sei der Beweisbeschluss deshalb in Gänze rechtswidrig, weil er als purer Ausforschungsbeweis zu qualifizieren sei. Mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und seine einfachgesetzliche Ausprägung des Steuergeheimnisses in § 30 AO habe der Beweisbeschluss einer derartigen Präzisierung bedurft, dass nur Akten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand hätten angefordert werden dürfen.

Zudem sei der Beweisbeschluss A) 1. bis 6. inhaltlich nicht hinreichend bestimmt insofern, als von „Unternehmungen der A.-Gruppe“ die Rede sei. Es sei nicht ersichtlich, was darunter zu verstehen sei. Eine A.-Gruppe gebe es nicht. Schließlich sei das Steuergeheimnis nach § 30 AO und das dem Antragsteller zustehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch den angefochtenen Teil des Beweisbeschlusses verletzt, weil die Grenzen des Untersuchungsauftrages überschritten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei.

Mit Begleitschreiben vom 7.6.2010 übermittelte der Minister der Finanzen dem Präsidenten des Landtages des Saarlandes auf die Aufforderung des Beschwerdegegners vom 26.3.2010 die von ihm zusammengestellten Akten der Finanzverwaltung (7 Ordner). In dem Schreiben ist ausgeführt, die Unterlagen würden „nach sorgfältiger Prüfung des Beweisbeschlusses auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BMF-Schreibens vom 13.5.1987 und nach Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Steuerpflichtigen übermittelt“. Zugleich teilte er mit, die übersandten Aktenstücke seien gemäß §§ 5a Abs. 1, 5 Nr. 2 der Geheimschutzordnung des Untersuchungsausschusses „Landtagswahlen 2009“ als geheim zu behandeln.

Der Präsident des Landtages nahm die Aktenordner ausweislich seines Schreibens an das Verwaltungsgericht vom 8.6.2010 unter Verschluss und ordnete an, dass sie bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers in einem verschlossenen Raum aufbewahrt und weder dem Ausschussvorsitzenden noch den Ausschussmitgliedern zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt würden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.6.2010 -11 L 544/10- zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sei unzulässig, weil es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handele. Nach dem (zwischenzeitlich) übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten sei nicht in erster Linie die Herausgabe der den Antragsteller betreffenden Steuerakten an den Antragsgegner in Streit. Hierfür sei nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben. Vielmehr bestehe ein Streit über die Reichweite des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses. Damit greife der Antragsteller die aus der Festlegung des Untersuchungsauftrags folgende verfassungsrechtliche Kompetenz des Antragsgegners zur Festlegung des Umfangs der Beweiserhebung an. Kern des Rechtsstreits sei mithin die Auslegung des Art. 79 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Saarlandes (SVerf), so dass es um spezifisch verfassungsrechtliche Fragen gehe, zu deren Beantwortung im konkreten Zusammenhang die Verfassungsgerichtsbarkeit berufen sei.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller am 18.6.2010 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts werde zu Unrecht das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit angenommen. Der Antragsteller verfolge sein verfassungsmäßiges Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der einfachgesetzlichen Ausprägung des Steuergeheimnisses, indem er die Überschreitung der ebenfalls einfachgesetzlich vorgegebenen Grenze des Sachzusammenhangs bei der Beweiserhebung rüge. Mit Schriftsatz vom 16.7.2010 (und weiteren) hat der Antragsteller seine Beschwerde ergänzend in der Sache begründet.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.

II.

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16.6.2010 -11 L 544/10- ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Vorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt, führt im Ergebnis nicht zu dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

1. Allerdings handelt es sich bei dem vorliegenden Anordnungsverfahren - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und entgegen der Auffassung des Antragsgegners – nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Vielmehr ist für das Anordnungsbegehren des Antragstellers der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist.

Die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ergibt sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes zwar nicht bereits aus dem Grundsatz der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit, wonach eine verfassungsrechtliche Streitigkeit voraussetzt, dass sowohl beide Streitsubjekte Verfassungsorgane, Teile von ihnen oder andere unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Stellen oder Personen sein müssen (formelles Kriterium) als auch das Streitobjekt materielles Verfassungsrecht darstellen muss (materielles Kriterium)

vgl. die Übersicht z.B. bei Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 141 n.w.N..

Die Abgrenzung zwischen einer verwaltungsrechtlichen und einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erfolgt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes,

Beschlüsse vom 17.7.2002 - 1 W 15/02 - und vom 5.11.2002 - 1 W 29/02 -, dokumentiert bei juris

nicht nach formalen, an die Stellung der Beteiligten anknüpfenden Gesichtspunkten. Vielmehr ist auch bei Beteiligung eines Bürgers und eines am Verfassungsleben teilhabenden Rechtssubjekts zu fragen, ob letzteres in spezifisch verfassungsrechtlicher Funktion in Anspruch genommen wird, d.h. ob ein zentraler Bereich der ihm von Verfassungs wegen zukommenden Betätigung berührt ist

OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 17.7.2002 und vom 5.11.2002 – jeweils a.a.O..; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 149 ff (Materielle Subjektstheorie).

Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit bejaht für den Streit zwischen einem Bürger und dem Parlament über die im Rahmen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch das Parlament festgelegte (Kurz-)Bezeichnung des Untersuchungsausschusses, weil es sich bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und der Bestimmung des Untersuchungsauftrages durch das Plenum um einen zentralen Bereich der dem Parlament in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan - von Verfassungs wegen (Art. 79 SVerf) - zukommenden Betätigung handelt

OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.7.2002, a.a.O..

Für den Streit zwischen einer kommunalen Gebietskörperschaft und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Zulässigkeit der Beweisaufnahme zu bestimmten Themen hat es demgegenüber einen spezifisch verfassungsrechtlichen Gehalt verneint und den Verwaltungsrechtsweg ebenso bejaht wie für den Streit eines von einem Untersuchungsausschuss als Betroffenem festgestellten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 LTG) Bürgers über das diesem im Verlaufe des Untersuchungsverfahrens zustehende Recht auf Abgabe einer Stellungnahme

OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 3.4.1987 - 2 W 129/87 -, NVwZ 87, 612, und vom 5.11.2002, a.a.O..

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in seinem

Beschluss vom 27.5.2002 - LV 2/02 eA -, zitiert nach juris

offen gelassen, ob stets an dem Erfordernis der beiderseitigen Beteiligung von Verfassungsorganen festzuhalten ist oder ob eine Differenzierung in Betracht zu ziehen sein könnte im Hinblick auf Streitigkeiten zwischen Bürger und Parlament um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf der einen und zwischen Bürger und Untersuchungsausschuss um von letzterem im Verlauf seiner Beweiserhebung getroffene Maßnahmen zur Informationsbeschaffung auf der anderen Seite.

Unter Fortführung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ist vorliegend dem Verwaltungsgericht zwar darin zuzustimmen, dass eine verfassungsrechtliche Streitigkeit nicht schon deswegen ausscheidet, weil an dem streitigen Rechtsverhältnis neben dem vom Landtag des Saarlandes eingesetzten Untersuchungsausschuss „Landtagswahl 2009“ als Antragsgegner der Antragsteller, ein als Betroffener im Sinne des § 54 LTG festgestellter Bürger, beteiligt ist.

Jedoch fehlt der streitgegenständlichen Inanspruchnahme des Antragsgegners, dem Begehren nach Aussetzung des Vollzugs eines Teils - A) 1. bis 6. - des vom Antragsgegner unter dem 24.3.2010 gefassten 2. Beweisbeschlusses der spezifisch verfassungsrechtliche Gehalt.

Zwar handelt es sich bei dem Antragsgegner um ein Organ des Landtages (§ 37 LTG) und ein am Verfassungsleben teilnehmendes Rechtssubjekt. Träger des - verfassungsrechtlich (Art. 79 SVerf) begründeten - Untersuchungsrechts ist jedoch ausschließlich das Parlament selbst. Dieses bedient sich zur Wahrnehmung seines Untersuchungsrechts des von ihm eingesetzten Untersuchungsausschusses. Dem Untersuchungsausschuss kommt insoweit die Funktion eines mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten parlamentarischen Hilfsorgans zu. Seine Tätigkeit zur Beschaffung von Informationen stellt materiell Verwaltungstätigkeit dar

BVerwG, ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 85.78 – DÖV 1981, 300 f., BayVBl 1981,214 f.; ausdrücklich bestätigend BVerwG, Urteil vom 19.5.1988 - 7 C 37.87 - = BVerwGE 79, 339 f.; BayVerfG, Beschluss vom 25.6.1992 - Vf. 78-VI-92 – BayVBl. 1992, 526 f., DÖV 1992, 967 f.; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.11.2002, a.a.O. m.z.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 23.9.1986 - 15 B 2039/86 -, NVwZ 87, 608, 609.

Bei der Wahrnehmung der ihm im Rahmen des Untersuchungsauftrags vom Plenum übertragenden Aufklärung bestimmter Sachverhalte wird der Untersuchungsausschuss wie ein Verwaltungsorgan und daher mit den prozessualen Folgen gemäß § 61 Nr. 3 VwGO, 19 AGVwGO wie eine Behörde tätig. Für Rechtsschutzersuchen betroffener Bürger gegen konkrete Maßnahmen der Untersuchung und Beweiserhebung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse der Länder ist daher grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet

Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 184; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 40 Rdnr.231, 650,651; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 40 Rdnr.10, jeweils m.w.N; BVerwG, ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 85.78 – DÖV 1981, 300 f., BayVBl 1981,214 f.; ausdrücklich bestätigend BVerwG, Urteil vom 19.5.1988 - 7 C 37.87 - = BVerwGE 79, 339 f.; BayVerfG, Beschluss vom 25.6.1992 - Vf. 78-VI-92 – BayVBl. 1992, 526 f., DÖV 1992, 967 f.; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.11.2002, a.a.O. m.z.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 23.9.1986 - 15 B 2039/86 -, NVwZ 87, 608, 609.

Dem steht vorliegend auch nicht entgegen, dass eine der zentralen Streitfragen des Verfahrens darauf gerichtet ist, ob der Antragsgegner sich mit der von ihm beabsichtigten und beschlossenen Beweiserhebung innerhalb des ihm vom Parlament erteilten Untersuchungsauftrages und damit innerhalb der ihm - verfassungsrechtlich - gesetzten Grenzen bewegt. Die Frage, ob eine Behörde oder ein sonstiger Träger öffentlicher Gewalt, der Verwaltungstätigkeit ausübt, sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit in den Grenzen des ihm verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens gehalten hat, gehört zu den typischen Prüfungsgegenständen im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren. Das maßgebende Rechtsverhältnis der Beteiligten behält seinen nicht verfassungsrechtlichen Charakter daher ungeachtet des Umstandes, dass die begehrte Außervollzugsetzung eines Teils des 2. Beweisbeschlusses wesentlich von der Auslegung und Anwendung von Verfassungsnormen abhängt

vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.8.1999 - 2 BvR 1/99 -, zitiert nach juris (dort Rdnr. 21).

Die Frage, ob der Antragsgegner sich beim Erlass des 2. Beweisbeschlusses oder der darauf gestützten Beweiserhebung im Rahmen des ihm vom Parlament erteilten verfassungsrechtlichen Untersuchungsauftrages gehalten hat, führt damit nicht zu einer verfassungsrechtlichen Prägung des Rechtsstreits

zur Einhaltung der Grenzen des Untersuchungsauftrages durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss vgl. auch: BFH, Beschluss vom 1.12.1992 – VII B 126/92 -, zitiert nach juris.

Der Rechtsstreit ist auch nicht durch § 33 Abs. 1 Nr.1 FGO den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zugewiesen. Es handelt sich in der Sache nicht um eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten im Sinne der genannten Vorschrift. Nach der in Absatz 2 der genannten Vorschrift gegebenen Legaldefinition umfasst der Begriff der Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Von dieser Definition wird die Vorlage von Akten der Finanzbehörden an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder dessen Zugriff auf diese Akten auf der Grundlage eines entsprechenden Beweisbeschlusses indes nicht erfasst.

Zwar stellt grundsätzlich die Entscheidung einer Finanzbehörde über die Vorlage von Akten oder die Erteilung von Auskünften über steuerliche Angelegenheiten eine Maßnahme auf dem Gebiet des Abgabenrechts dar. Dies gilt jedoch nicht, wenn die streitige Aktenvorlage oder Auskunftserteilung als Erfüllung eines im Verfahren vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ergangenen Beweisbeschlusses erfolgt. Bei der Frage, ob und inwieweit die Finanzbehörden Akten an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss herausgeben oder ob dieser Zugriff auf diese Akten nehmen darf, handelt es sich nicht um eine abgabenrechtliche Frage, sondern um die Frage, ob der insoweit als Verwaltungsorgan handelnde Untersuchungsausschuss sich innerhalb der ihm zugunsten des betroffenen Steuersubjekts verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen gehalten hat

BFH, Urteil vom 23.10.1974 – VII R 54/70- BStBl. 1975 Teil II, S. 298,299, zum Fall einer Aktenherausgabe bzw. Auskunftserteilung auf der Grundlage eines verwaltungsgerichtlichen Beweisbeschlusses, sowie Beschluss vom 29.5.1969 -VII B 199/67- BStBl. 1969 Teil II, S. 491; FG München, Urteil vom 15.12.1992 – 16 K 2542/92 – NVwZ 1994,100 und FG Hamburg, Beschluss vom 5.2.1985 – III 17/85 - zitiert nach juris, jeweils zur Frage der Herausgabe von Steuerakten eines Bürgers an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass Gegenteiliges insbesondere nicht der bereits zitierten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 1.12.1992 und der ihr vorausgegangenen Entscheidung des Finanzgerichts des Saarlandes vom 5.6.1992 (1 V 153/92) entnommen werden kann, da beide Gerichte für ihre Zuständigkeit im konkreten Verfahren lediglich auf die Bindungswirkung des zuvor ergangenen Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes gemäß § 17 a GVG verwiesen haben.

Der Antragsteller hat damit zu Recht den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten beschritten.

2. Gleichwohl hat das Begehren des Antragstellers auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keinen Erfolg.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 123 VwGO gegen den Antragsgegner mit dem Inhalt, den 2. Beweisbeschluss des Antragsgegners einstweilen unter A) 1. bis 6. außer Vollzug zu setzen.

Er macht geltend, der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung sei erforderlich, um sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dessen einfachgesetzliche Ausprägung des Steuergeheimnisses in § 30 Abgabenordnung (AO) zu wahren. Dies ist indes nach dem Vorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Prüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt, nicht der Fall.

Dabei bestehen im Grundsatz bereits erhebliche Zweifel, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bejaht werden kann, der unmittelbar gegen den der Beweiserhebung eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss zugrunde liegenden Beweisbeschluss gerichtet ist.

Zwar ist der Beweisbeschluss Grundlage für die darin nach Beweisthema und Beweismittel umschriebene Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses. Der Beweisbeschluss selbst wird allerdings in aller Regel keine unmittelbare Verletzung von Rechten des Betroffenen bewirken können. Hierzu bedarf es grundsätzlich eines Aktes der Umsetzung des Beweisbeschlusses. Erst wenn feststeht, ob und durch welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen der Beweisbeschluss auch tatsächlich zur Ausführung gelangt, kann im übrigen auch eine konkrete Prüfung erfolgen, ob und inwieweit hierdurch möglicherweise Rechte des betroffenen Bürgers verletzt werden. Dies gilt auch und gerade dann, wenn – wie vorliegend – Gegenstand des streitigen Beweisbeschlusses die Vorlage behördlicher Akten ist .

Der hier streitgegenständliche Teil des 2. Beweisbeschlusses vom 24.3.2010 –Teil A) 1. bis 6. – betrifft in seinem Beweisthema „die Gründe und Umstände der Einleitung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Regierungsbildung 2009 erfolgten Einstellung von fünf gegen A. oder Unternehmen der A.-Gruppe geführten Ermittlungsverfahren“, insbesondere (A) „in diesem Zusammenhang“ die Klärung der „Gründe und Umstände der betreffenden bei den Finanzbehörden des Landes geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie die Abgabe der Verfahren an die Staatsanwaltschaft“. Als Beweismittel wird die Vorlage von Akten und im Einzelnen benannten Aktenbestandteilen der Finanzbehörden angeordnet, nämlich Ermittlungsakten (1.), Steuerakten (2.), Steuererklärungen (3.), Steuerbescheide (4.), Vermerke und Protokolle (5.) sowie der Vorgang der Abgabe an die Staatsanwaltschaft (6.).

Mit diesem Inhalt bewirkt der Beweisbeschluss selbst - unmittelbar - keine Verletzung der vom Antragsteller geltend gemachten Rechte. Er ist, anders als der Antragsteller geltend gemacht hat, keineswegs „self-executing“. Die Gefahr einer - möglichen - Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Steuergeheimnisses nach § 30 AO des Antragstellers besteht vielmehr erst aufgrund der Umsetzung des Beweisbeschlusses, der Vorlage der Akten und des Zugriffs des Untersuchungsausschusses darauf.

Ist die zur Aktenvorlage aufgeforderte Behörde – wie es vorliegend bei dem Ministerium der Finanzen der Fall gewesen ist - bereit, Akten an den Untersuchungsausschuss herauszugeben, so kann der Betroffene effektiven (einstweiligen) Rechtsschutz dagegen grundsätzlich in der Weise erhalten, dass ein Anspruch auf Unterlassung der Aktenherausgabe gegen die herausgebende Stelle gerichtlich verfolgt wird. Im Rahmen eines solchen Unterlassungsbegehrens wird von dem angerufenen Gericht geprüft, ob die Vorlage der Akten, zu deren Herausgabe die fragliche Stelle konkret bereit ist, und der Zugriff des Untersuchungsausschusses darauf die Rechte des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO verletzt.

Auch das Bestehen einer solchen, auf die konkrete Umsetzungsmaßnahme gerichteten Rechtsschutzmöglichkeit spricht im Regelfall gegen die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag auf Außervollzugsetzung des Beweisbeschlusses schon im Vorfeld solcher Maßnahmen.

Vorliegend besteht indes die Besonderheit, dass die konkrete Umsetzung des streitigen Teils des angegriffenen Beweisbeschlusses (Teil A) 1. bis 6.), die Herausgabe von Akten durch das Finanzministerium, einerseits zwar überwiegend bereits vollzogen, andererseits aber in dem für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers entscheidenden Punkt noch nicht abgeschlossen ist.

Vollzogen sind bislang folgende Schritte:

Der Untersuchungsausschuss hat die im Beweisbeschluss genannten Akten bei dem zuständigen Ministerium der Finanzen angefordert. Das Ministerium hat das Aktenherausgabeersuchen des Untersuchungsausschusses auf der Grundlage des zweiten Beweisbeschlusses, dort Abschnitt A) 1. bis 6. - in eigener Verantwortlichkeit -

BVerfG, Beschluss vom 1.10.1987 - 2 BvR 1178/86 u.a. – BVerfGE 77, 1-64 (Untersuchungsausschuss Neue Heimat); BFH, Beschluss vom 1.12.1992 - 7 B 126/92 -, zitiert nach juris

hinsichtlich Inhalt und Umfang seiner Verpflichtung zur Aktenvorlage geprüft, die Akten zusammengestellt und entschieden, ob und welche Akten es mit Blick auf den Kontrollauftrag des Parlaments einerseits und das Dienst- und Steuergeheimnis andererseits an den Untersuchungsausschuss herauszugeben bereit war. Sodann hat es den Antragsteller zur beabsichtigten Aktenherausgabe angehört, seinem Bevollmächtigten hierzu am 28.5.2010 Akteneinsicht gewährt sowie ein Inhaltsverzeichnis der zur Herausgabe vorgesehenen Akten überlassen. Nach seiner Ankündigung, dass die Akten dem Antragsgegner zugeleitet würden, wenn nicht bis zum 2.6.2010, 12.00 Uhr, einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Aktenvorlage beantragt werde, hat das Ministerium der Finanzen diese indes nicht unmittelbar dem Antragsgegner, sondern dem Präsidenten des Landtages zugeleitet, der diese seinerseits nicht dem Antragsgegner übergeben, sondern – mit Blick auf das vorliegende Anordnungsverfahren - unter Verschluss genommen hat.

Ein Zugriff des Antragsgegners auf die Akten als abschließender Akt der konkret im Raum stehenden Beweiserhebung hat deshalb noch nicht stattgefunden.

In dieser besonderen Situation kommt dem angefochtenen Beweisbeschluss – trotz der bereits erfolgten und selbst nicht angefochtenen Aktenherausgabe durch das Ministerium der Finanzen – die rechtliche Funktion zu, Rechtsgrundlage für den noch nicht erfolgten Zugriff des Antragsgegners auf die konkret vorgelegten Akten zu sein.

Nur vor diesem Hintergrund erscheint es – ausnahmsweise – vertretbar, im konkreten Fall ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für den gestellten Antrag auf Außervollzugsetzung des streitigen Teils des 2. Beweisbeschlusses des Antragsgegners anzuerkennen.

Gleichwohl hat sein Antrag in der Sache keinen Erfolg, denn der Antragsteller hat das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO erforderliche kumulative Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs nicht dargelegt.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die einstweilige Sicherung der Rechte des Antragstellers kommt im vorliegenden Fall nach der bereits erfolgten Herausgabe der aufgrund der Prüfung des Ministeriums der Finanzen zu Teil A) 1. bis 6. des 2. Beweisbeschlusses zusammengestellten Akten (7 Ordner) allenfalls noch insoweit in Betracht, als es um die Frage geht, ob dem Untersuchungsausschuss der Zugriff auf diese bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten eröffnet wird oder nicht. Denn nur insoweit kann derzeit davon ausgegangen werden, dass das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO mit Blick auf den Vollzug des 2. Beweisbeschlusses des Untersuchungsausschusses (Teil A) 1. bis 6.) einer gerichtlichen Sicherung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bedarf. Nur mit Blick auf die konkret herausgegebenen Akten besteht derzeit eine Gefahr des Zugriffs des Antragsgegners auf Akten der Finanzbehörden, die möglicherweise dem angegriffenen Teil des 2. Beweisbeschlusses unterfallen können. Für darüber hinausgehende Zugriffsakte auf weiteres Aktenmaterial der Finanzbehörden auf der Grundlage des 2. Beweisbeschlusses des Untersuchungsausschusses (Teil A) 1. bis 6.) besteht diese Gefahr derzeit nicht.

Denn das Ministerium der Finanzen hat – unter Verweis auf die ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Rundschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13.5.1987 obliegende Prüfung – seine Bereitschaft zur Herausgabe von Akten aus seinem Verantwortungsbereich ausdrücklich auf die in Frage stehenden 7 Aktenordner begrenzt. Eine weitergehende Herausgabe von Akten der Finanzverwaltung und ein Zugriff des Antragsgegners hierauf steht damit auf der Basis des angegriffenen 2. Beweisbeschlusses (Teil A) 1. bis 6.) derzeit nicht im Raum.

Soweit für das Begehren des Antragstellers hiernach ein Anordnungsgrund zu bejahen ist, fehlt es für den Erfolg seines Begehrens indes am Vorliegen eines Anordnungsanspruches.

Nach den Darlegungen des Antragstellers und den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens kann unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

BVerfG, Urteil vom 17.7.1984 -2 BvE 11/83 -, - 2 BvE 15/83 – BVerfGE 67, 100-146 (Flick-Untersuchungsausschuss) und Beschluss vom 1.10.1987 - 2 BvR 1178/86 u.a. – BVerfGE 77, 1-64 (Untersuchungsausschuss Neue Heimat)

entwickelten Grundsätze bezüglich der verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Zugriff des Untersuchungsausschusses auf die bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten (7 Ordner) das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO verletzt wird.

Allerdings haben Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage einschränken. Zwar ist das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebenen Steuergeheimnisses als solches kein Grundrecht. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder private Dritte erkennbar werden läßt, kann indessen durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG geboten sein.Die genannten Grundrechte verbürgen ihren Trägern einen Schutz gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten

BVerfG Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1-71 (Volkszählungsurteil).

Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist.

Dieser Schutz besteht von Verfassungs wegen auch gegenüber den Befugnissen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und der grundrechtliche Datenschutz des betroffenen Bürgers stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten.

Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in aller Regel dann keine Verkürzung des Anspruchs auf Aktenherausgabe und dementsprechend des Zugriffsrechts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn das Parlament und die zur Aktenvorlage verpflichtete Verwaltungsbehörde ausreichende Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon gilt für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist.

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zugriff des Antragsgegners auf die bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten (7 Ordner) die danach verfassungsrechtlich zu beachtenden Grenzen des Rechts des Antragsgegners auf Aktenvorlage und Beweiserhebung zu Lasten der Rechte des Antragstellers überschreitet.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder davon auszugehen, dass die hier in Rede stehende Beweiserhebung durch Zugriff auf die fraglichen Akten nicht im Rahmen des dem Antragsgegner vom Landtag des Saarlandes erteilten Untersuchungsauftrags erfolgt, noch davon, dass die Einschränkung des Rechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung nicht im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen soll, noch davon, dass die Einschränkung weiter geht als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.

Der Antragsteller kann zunächst nicht mit seinem Einwand durchdringen, die (gesamten) unter A) 1. bis 6. des angegriffenen Beweisbeschlusses benannten Akten der Finanzbehörden stünden erkennbar nicht in dem gebotenen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, weil dieser sich in zeitlicher Hinsicht nur auf Vorgänge nach dem Datum der Landtagswahl (30.8.2009) und in sachlicher Hinsicht nur auf eine Beeinflussung der Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der zeitlich an dieses Datum anschließenden Regierungsbildung beziehe.

Dies trifft in Ansehung des vom Landtag des Saarlandes festgelegten Untersuchungsgegenstandes und des dem entsprechenden Untersuchungsauftrages des Antragsgegners nicht zu.

Der vom Landtag des Saarlandes festgelegte Untersuchungsgegenstand ergibt sich aus den Beschlüssen des Landtages vom 11.2.2010 zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses mit dem Titel (Kurzbezeichnung „Untersuchungsausschuss Landtagswahlen 2009“).

Nach dem auf Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 beschlossenen Einsetzungsauftrag vom 11.2.2010 ist der Untersuchungsausschuss u.a eingesetzt worden „vor dem Hintergrund, ... dass im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden“ und „zur Klärung zahlreicher“ insoweit aufgeworfener „Fragen im Hinblick auf die Rolle A. bei der Regierungsbildung, die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“.

Die vom Antragsteller geltend gemachte zeitliche und sachliche Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes und –Auftrages lässt sich dem nicht entnehmen.

Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Klärung der „Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren“ erfolgen kann, ohne dass auf Vorgänge aus der Zeit vor der Landtagswahl am 30.8.2009 zugegriffen wird. Zum einen ist davon auszugehen, dass die in dem Einsetzungsauftrag des Landtages des Saarlandes genannten „Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung“ bereits zum Zeitpunkt der Landtagswahl am 30.8.2009 anhängig gewesen sind und damit selbst in einen Zeitraum vor dem 30.8.2009 hineinreichen. Zum anderen beziehen sich die fraglichen Ermittlungsverfahren mit Bestimmtheit auf – finanzbehördliche - Sachverhalte und Verwaltungsvorgänge, die in einem Zeitraum vor dem 30.8.2009 entstanden und angefallen sind.

Aber auch mit Blick auf die sachliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und –Auftrages kann der Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden. Der Antragsteller hat insoweit insbesondere geltend gemacht, es gehe ausschließlich um die Frage einer Beeinflussung der in den fraglichen (5) Ermittlungsverfahren getroffenen Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der Regierungsbildung. Deshalb könnten ausschließlich solche Unterlagen entscheidend sein, die auch tatsächlich den Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegen hätten. Das Akteneinsichtsrecht des Antragsgegners sei deshalb auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B-Stadt beschränkt.

Eine solche Verengung des Untersuchungsauftrages kann dem auf Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 am 11.2.2010 beschlossenen Einsetzungsauftrag indes nicht entnommen werden. Danach geht es keineswegs ausschließlich um die Frage einer Beeinflussung der in den fraglichen (5) Ermittlungsverfahren getroffenen Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt. Vielmehr geht es danach weitaus allgemeiner um die Klärung „zahlreicher Fragen im Hinblick auf die Rolle A. bei der Regierungsbildung, die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“, die „im Hinblick darauf aufgeworfen“ sind/seien, dass „im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden“.

Die Erfüllung des Untersuchungsauftrags, eine Aufklärung der „Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“ herbeizuführen, setzt deshalb die Möglichkeit nicht nur einer Prüfung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, sondern auch derjenigen – finanzbehördlichen - Sachverhalte und Verwaltungsvorgänge voraus, die der Einleitung dieser Ermittlungsverfahren zugrunde lagen.

Kann danach der Einwand des Antragstellers, sämtliche unter A) 1. bis 6. des angegriffenen 2. Beweisbeschlusses benannten Beweismittel stünden (schon deshalb) nicht in dem gebotenen sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, weil es sich um Akten der Finanzbehörden handele, keinen Erfolg haben, so ergibt sich Gegenteiliges auch nicht mit Blick auf die hier konkret in Rede stehenden, von Seiten des Ministeriums der Finanzen bereits vorgelegten, dem Zugriff des Antragsgegner aber noch entzogenen Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner).

Für diese – auf der Basis des 2. Beweisbeschlusses vorgelegten – finanzbehördlichen Akten ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass deren konkrete Inhalte und Bestandteile – abgesehen von dem zuvor bereits widerlegten pauschalen Einwand – nicht in dem gebotenen sachlichen Zusammenhang mit dem maßgeblichen Untersuchungsgegenstand stünden. Zur Geltendmachung derartiger, konkret auf die vorgelegten Akten bezogener Einwendungen wäre der Antragsteller entgegen der von ihm in seinem Schriftsatz vom 27.7.2010 aufgeworfenen Frage, „welche?“ Akten der Minister der Finanzen dem Landtagspräsidenten zugeleitet habe, auch in der Lage gewesen. Denn ausweislich der Verwaltungsakten des Antragsgegners hat sein Bevollmächtigter am 28.5.2010 beim Minister der Finanzen Einsicht in diese Akten genommen und hierüber ein Inhaltsverzeichnis erhalten.

Ist damit vom Vorliegen des erforderlichen Sachzusammenhangs der auf der Basis des 2. Beweisbeschlusses konkret vorgelegten Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) mit dem Untersuchungsauftrag des Antragsgegners auszugehen, so ist auch darüber hinaus weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass der Zugriff des Antragsgegners auf die fraglichen Akten den Antragsteller in seinem grundgesetzlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses verletzt.

Nach Feststellung der Legitimation der fraglichen Beweiserhebung durch den Untersuchungsauftrag des Parlaments käme eine Einschränkung des Beweiserhebungsrechts des Antragsgegners gegenüber dem grundrechtlich geschützten Recht des Antragsstellers – bezogen auf den hier in Rede stehenden Zugriff des Antragsgegners auf die konkret in Rede stehenden Akten der Finanzverwaltung - nur dann in Betracht, wenn der Antragsgegner keine hinreichenden Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen hätte oder wenn die Offenbarung von Umständen zu befürchten wäre, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für den Antragsteller unzumutbar wäre.

Von beidem kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden.

Der Antragsgegner hat in seiner konstituierenden Sitzung vom 24.3.2010 eine umfassende Geheimschutzordnung für die Verfahrensweise des Untersuchungsausschusses erlassen. Diese trägt den zu beachtenden Geheimhaltungsinteressen des Antragstellers hinreichend Rechnung. Darüber hinaus hat der Antragsgegner zwischenzeitlich nicht nur alle seine Mitglieder, sondern auch alle für den Untersuchungsausschuss tätigen Mitarbeiter nach Maßgabe des § 353 b StGB zur Geheimhaltung verpflichtet. Der Minister der Finanzen seinerseits hat in seinem Schreiben vom 7.6.2010 zur Vorlage der fraglichen Akten bestimmt, dass diese gemäß §§ 5a Abs.1, 5 Nr. 2 der Geheimschutzordnung als geheim zu behandeln sind.

Insoweit hat auch der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht, dass der Antragsgegner weitere mögliche oder gebotene Vorkehrungen zur Geheimhaltung der in den fraglichen Akten enthaltenen Daten hätte treffen können oder müssen.

Auch hat der Antragsteller – trotz seiner aufgrund Akteneinsicht gegebenen Kenntnis von Inhalt und Umfang der fraglichen Akten - nicht dargelegt oder geltend gemacht, dass die Offenbarung von Umständen zu befürchten wäre, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für den Antragsteller unzumutbar wäre. Dass dies ungeachtet dessen der Fall sein könnte, ist im vorliegenden Verfahren auch sonst nicht ersichtlich.

Auch im Übrigen ist – bezogen auf die hier konkret in Rede stehenden Akten der Finanzverwaltung - weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Lasten des Antragstellers gegeben sein könnte.

Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, der 2. Beweisbeschluss gehe – im Wege des Ausforschungsbeweises – insofern über die Grenzen des Untersuchungsauftrages hinaus, als nicht nur von Akten der Finanzverwaltung betreffend seine eigene Person, sondern auch von Akten betreffend „Unternehmen der A.-Gruppe“ die Rede sei, führt dies ebenfalls nicht dazu, dass er einen – unverhältnismäßigen und daher rechtswidrigen - Eingriff in sein grundgesetzlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses geltend machen und im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens abwehren könnte.

Zum einen ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller geltend gemacht, dass die fraglichen Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) tatsächlich Vorgänge enthalten, die nicht den Antragsteller selbst, sondern andere Steuersubjekte betreffen, die das Ministerium der Finanzen – zu Recht oder zu Unrecht - als „Unternehmen der A.-Gruppe“ qualifiziert hätte. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller geltend gemacht, inwiefern sich daraus eine eigene Verletzung der Rechte des Antragstellers ergeben könnte, mit anderen Worten, inwiefern daraus ein eigenes Abwehrrecht und damit ein Anordnungsanspruch des Antragstellers im vorliegenden Verfahren hergeleitet werden könnte.

Auch unter sonstigen Gesichtspunkten ist ein Anordnungsanspruch des Antragstellers bezogen auf die Außervollzugsetzung des 2. Beweisbeschlusses insoweit, als sie den Zugriff des Antragsgegners auf die vorgelegten Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) betrifft, nicht ersichtlich.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 1 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und Abs. 2 GKG , wobei mit Blick auf den „Vorwegnahmecharakter" des Anordnungsbegehrens eine Halbierung des Auffangstreitwerts nicht angemessen erscheint.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

Gründe

I.

1

Dem vom Niedersächsischen Landtag eingesetzten 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss obliegt die Aufgabe, die Vorgänge um die Schachtanlage Asse II, in der unter anderem radioaktive Abfallstoffe gelagert sind, aufzuklären. Der Ausschuss beschloss, Beweis zu erheben durch die Beiziehung von Akten, Schriftstücken und elektronisch gespeicherten Dokumenten unter anderem des Bundeskanzleramtes. Nachdem das Bundeskanzleramt Ablichtungen von Schriftgut übersandt hatte, entstand Streit über die Frage, ob dadurch dem Begehren des Untersuchungsausschusses vollständig Rechnung getragen worden sei. Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, alle Akten und Urkunden vorzulegen sowie alle elektronischen Dokumente zu übermitteln, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag stehen und beim Bundeskanzleramt noch vorhanden sind.

2

Die Beklagte ist unter anderem der Auffassung, die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht gegeben, da das dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsverhältnis maßgeblich durch Verfassungsrecht geprägt sei und es sich deshalb um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handele.

II.

3

Aufgrund der Rüge der Beklagten entscheidet der Senat nach § 83 Satz 1 VwGO und § 17a Abs. 3 GVG vorab über den Rechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

4

Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten und die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts sind gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und einem Land (§ 40 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

5

1. Die für die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung der Streitsache zwischen einem Land und dem Bund vorausgesetzte Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs liegt vor. Insbesondere handelt es sich um eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

6

Für die Abgrenzung eines verfassungsrechtlichen Bund-Länder-Streits, über den das Bundesverfassungsgericht zu befinden hat (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG), von einem nichtverfassungsrechtlichen Streit zwischen dem Bund und einem Land ist maßgebend, inwieweit das streitige Rechtsverhältnis durch Verfassungsrecht oder durch einfaches Recht geprägt ist (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <259 f.> und Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 10; jeweils m.w.N.). Die Prägung ist nur dann verfassungsrechtlich, wenn die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung einer verfassungsrechtlichen Rechtsposition innerhalb eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses geltend gemacht wird (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 260; BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 2 BvG 1, 2/02 - BVerfGE 109, 1 <5> und Urteil vom 17. Oktober 2006 - 2 BvG 1, 2/04 - BVerfGE 116, 271 <298>; jeweils m.w.N.). Für die Bestimmung der Rechtsnatur des Streits ist maßgebend, ob der Klageanspruch in dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern oder ob er in einem engeren Rechtsverhältnis wurzelt, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt ist (vgl. Urteil vom 24. Januar 2007 - BVerwG 3 A 2.05 - BVerwGE 129, 99 Rn. 15; BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 a.a.O. S. 6; jeweils m.w.N.). Auf die Vorstellung des Klägers von der Rechtsnatur des Streitverhältnisses kommt es nicht an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1982 - 2 BvH 1/79 - BVerfGE 62, 295 <313>). Eine entscheidende Prägung durch das Verfassungsrecht ist regelmäßig anzunehmen, wenn um föderale Ansprüche, Verbindlichkeiten oder Zuständigkeiten gestritten wird, welche auf Normen des Grundgesetzes gestützt werden, die gerade das verfassungsrechtlich geordnete Verhältnis zwischen Bund und Ländern betreffen (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 10 m.w.N.). Ein Bund-Länder-Streit erfährt nicht schon dadurch eine entscheidende Prägung durch Verfassungsrecht, dass Bund und Land über die Auslegung und/oder Anwendung einer Vorschrift des Grundgesetzes unterschiedlicher Auffassung oder dass die Beteiligten Subjekte des Verfassungsrechts sind (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 260 m.w.N.). Erweist sich das für den geltend gemachten Anspruch maßgebliche Rechtsverhältnis als nichtverfassungsrechtlich, behält es seinen einfachrechtlichen Charakter selbst dann, wenn der Ausgang des Streits wesentlich oder gar ausschließlich von der Auslegung und/oder Anwendung einer Verfassungsnorm abhängt (vgl. Urteil vom 6. März 2002 - BVerwG 9 A 16.01 - BVerwGE 116, 92 <93> und Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 260; jeweils m.w.N.). Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen handelt es sich hier um eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit. Der geltend gemachte Anspruch wurzelt nicht im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern im einfachen öffentlichen Recht.

7

Die erstrebte Vorlage bzw. Übermittlung von Akten, Unterlagen und elektronischen Dokumenten durch das Bundeskanzleramt soll Aufschluss über die Vorgänge im Zusammenhang mit der Schachtanlage Asse II geben. Sie dient der Erhebung von Beweisen durch den 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtages. Begehrt ein Untersuchungsausschuss eines Landesparlaments gegenüber einer Bundesbehörde zum Zwecke der Beweiserhebung, dass ihm bestimmte Materialien zugänglich gemacht werden, kann er sich auf den allgemeinen Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG stützen (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 268; Glauben, in: ders./Brocker, Das Recht der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2. Aufl. 2011, § 17 Rn. 13 ). Die Untersuchungsausschüsse haben insoweit die Stellung von Behörden im Sinne von Art. 35 Abs. 1 GG (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 268 und Urteil vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 85.78 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 183 S. 68; BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 1993 - 2 BvR 1666, 1667/93 - NVwZ 1994, 54 <55>). Zwar wurzelt das Begehren auf Gewährung von Amtshilfe (ebenso wie das Beweiserhebungsrecht) in der Verfassung. Die Beweiserhebung als solche berührt hingegen nicht das verfassungsrechtliche Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern. Sie bestimmt sich nach den Regelungen des einfachen Rechts.

8

Die Beistandspflicht des Art. 35 Abs. 1 GG stellt sich als notwendige Folge der Gewaltenteilung und der Ausübung der Staatsgewalt durch verschiedene Behörden dar und will auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe die Einheit der in Bundes- und Landesgewalt geteilten Staatsgewalt herstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 1971 - 2 BvL 31/71 - BVerfGE 31, 43 <46>). Darin erschöpft sich die Bedeutung des Art. 35 GG (vgl. Urteil vom 12. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 99.67 - BVerwGE 38, 336 <340>). Art. 35 GG sagt nichts über den Umfang der Verpflichtung zur Amtshilfe aus, insbesondere nichts darüber, inwieweit aus einfachem Recht oder dem Grundgesetz Schranken der Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand herzuleiten sind (vgl. Urteile vom 8. April 1976 - BVerwG 2 C 15.74 - BVerwGE 50, 301 <310> und vom 12. Oktober 1971 a.a.O. S. 340). Art. 35 GG erweist sich deshalb als eine auf das Grundsätzliche beschränkte Bestimmung, die im besonderen Maß der Ausfüllung durch das einfache Recht bedarf (vgl. Erbguth, in: Sachs , GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 18). Eine Konkretisierung erfährt Art. 35 Abs. 1 GG insbesondere durch die Regelungen der Amtshilfe in §§ 4 bis 8 VwVfG. Diese Bestimmungen finden hier entgegen der Auffassung der Beklagten Anwendung. Zwischen den Beteiligten ist der Umfang der von der Beklagten zu leistenden Amtshilfe umstritten. Ersucht eine Landesbehörde eine Behörde des Bundes um Amtshilfe, richten sich die Zulässigkeit und die Grenzen der Amtshilfeleistung nach den für die ersuchte Behörde maßgeblichen Regelungen (vgl. Urteil vom 6. Februar 1986 - BVerwG 3 C 74.84 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 218 S. 61). Als Bundesbehörde unterliegt das Bundeskanzleramt dem Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Das hier streitige Rechtsverhältnis erfährt seine Prägung durch das die verfassungsrechtliche Pflicht zur Gewährung von Amtshilfe konkretisierende einfache Recht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es sich um eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, wenn umstritten ist, ob eine Bundesbehörde verpflichtet ist, dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses eines Landesparlaments, ihm zum Zwecke der Beweiserhebung im Wege der Amtshilfe Unterlagen zugänglich zu machen, Rechnung zu tragen hat (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 268; zustimmend Glauben, a.a.O., § 28 Rn. 17 ). Die Beweiserhebung durch den insoweit als Behörde handelnden Untersuchungsausschuss stellt sich als materielle Verwaltungstätigkeit dar. Mangels einer anderweitigen ausdrücklichen Zuweisung im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

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Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Amtshilfeersuchen unter Hinweis auf Verfassungsrecht ganz oder teilweise abgelehnt wird. Eine Streitigkeit erfährt - wie dargelegt - nicht schon dadurch eine verfassungsrechtliche Prägung, dass die Auslegung und/oder Anwendung von Verfassungsrecht streitig oder für den Ausgang des Rechtsstreits gar entscheidend ist. Deshalb wird das hier streitige Rechtsverhältnis nicht dadurch von Verfassungsrecht geprägt, dass die Beklagte dem Begehren des Klägers auch entgegenhält, dieses greife in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise in ihren Kompetenzbereich und den Bereich exekutiver Eigenverantwortung ein.

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Entgegen der Auffassung der Beklagten kann für die Annahme, es handele sich hier um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Anspruch genommen werden, nach der es sich bei einem im Rahmen einer verfassungsgerichtlichen Organklage ausgetragenen Streit über grundgesetzlich begründete Ausnahmen von der Pflicht der Bundesregierung zur Vorlage von Akten an einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages um eine Auseinandersetzung über eine genuin verfassungsrechtliche Frage handelt, für die der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 <105>). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Zulässigkeit einer verfassungsgerichtlichen Organklage, die unter anderem zu bejahen ist, wenn es um die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans geht. Davon zu unterscheiden ist die hier in Rede stehende Frage, ob der Streit zwischen dem Bund und einem Land die aufgezeigten spezifischen Voraussetzungen einer das föderale Grundverhältnis zwischen Bund und Land berührenden verfassungsrechtlichen Streitigkeit erfüllt.

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2. Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig und hat im ersten und letzten Rechtszug über den Antrag zu befinden (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist eng auszulegen und soll von den allgemein geltenden Zuständigkeitsregeln nur solche Streitigkeiten ausnehmen, die in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehung zwischen dem Bund und einem Land geprägt sind und sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies trifft jedenfalls für Streitigkeiten zu, bei denen über die Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse und der Rechtsstellung zueinander zu entscheiden ist (vgl. Beschluss vom 13. August 1999 a.a.O. S. 261 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beteiligten streiten darüber, ob und inwieweit die Beklagte verpflichtet ist, dem Beweisbeschluss uneingeschränkt nachzukommen. Diese Frage betrifft die Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse im Rahmen einer grundsätzlich zu leistenden Amtshilfe und begründet die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, ohne dem Verfahren seinen verwaltungsrechtlichen Charakter zu nehmen.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Juni 2010 -11 L 544/10- wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

In seiner Sitzung vom 11.2.2010 hat der Landtag des Saarlandes die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit dem Titel (Kurzbezeichnung „Untersuchungsausschuss Landtagswahlen 2009“) beschlossen. Der Untersuchungsausschuss ist Antragsgegner und Beschwerdegegner. Der Beschlussfassung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses lagen ein Antrag der Landtagsfraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/85) und ein Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/102) zugrunde, die beide mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurden.

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 heißt es, der Untersuchungsausschuss solle eingesetzt werden

„vor dem Hintergrund

- von offenkundigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmungen der A.-Gruppe und an der Bildung der saarländischen Landesregierung beteiligten Personen,

- dass im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden.“

Insoweit hätten

„sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf

- die Rolle A. bei der Regierungsbildung,

- die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren,

- den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe.“

Diese ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Rechtsstaatlichkeit umfassender und vollständiger Aufklärung.

Im Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 ist als Betreff genannt: „Erweiterung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses (Drucksache 14/85)“ Zu dem Beschlussantrag heißt es:

„Vor dem Hintergrund

- der in den vergangenen Monaten erhobenen Vorwürfe gegen Mitglieder der Regierung des Saarlandes sowie andere an der Regierungsbildung beteiligte Personen und Herrn A.

- sowie dem Versuch von SPD und LINKEN, nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für ein Bündnis mit der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN den Eindruck zu erwecken, dass von Seiten des Unternehmers A. sowie den ihm zuzuordnenden Unternehmen eine einseitige finanzielle Unterstützung der heutigen Regierungsparteien erfolgt sei,“

hätten „sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf:

- die Gründe des politischen Scheiterns der Regierungsbildung zwischen SPD, der Partei DIE LINKE und der Partei Bündnis 90/Die GRÜNEN,

- sowie mögliche strafbare Handlungen insbesondere in Bezug auf Delikte des 14. Abschnitts des Strafgesetzbuchs gegen die an der Regierungsbildung beteiligten Personen sowie gegen Herrn A..“

Die ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Wahrung der Würde der politischen Kultur umfassender und vollständiger Aufklärung.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist in der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses „Landtagswahlen 2009“ (Beschwerdegegner) am 24.3.2010 als Betroffener im Sinne des § 54 Abs. 1 Landtagsgesetz (LTG) festgestellt worden.

Am 24.3.2010 fasste der Beschwerdegegner (u.a.) folgenden „2. Beweisbeschluss“:

„Es soll Beweis erhoben werden über die Gründe und Umstände der Einleitung und in zeitlichem Zusammenhang mit der Regierungsbildung 2009 erfolgten Einstellung von fünf gegen A. oder Unternehmungen der A.-Gruppe geführten Ermittlungsverfahren.

A. In diesem Zusammenhang sollen die Gründe und Umstände der betreffenden bei den Finanzbehörden des Landes geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie die Abgabe der Verfahren an die Staatsanwaltschaft B-Stadt geklärt werden.

Durch Vorlage

1. der Ermittlungsakten der Finanzbehörden betreffend der in zeitlichem Zusammenhang mit der Regierungsbildung von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe,

2. sämtlicher den Verfahren zugrundeliegender Steuerakten betreffend A. und Unternehmungen der A.-Gruppe,

3. der den Verfahren zugrundeliegenden Steuererklärungen nebst Belegen A. sowie der Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

4. der den Verfahren zugrundeliegenden Steuerbescheide gegenüber A. sowie Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

5. der die Verfahren betreffenden Vermerke, Protokolle und Notizen der Finanzbehörden in den steuerlichen Angelegenheiten A. sowie der Unternehmungen der A.-Gruppe, soweit nicht in den o.a. Akten enthalten,

6. des Vorgangs betreffend die Abgabe der Verfahren durch die Finanzbehörden an die Staatsanwaltschaft.

B. In diesem Zusammenhang sollen weiterhin die Gründe und Umstände der bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen betreffend A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie der Einstellung dieser Verfahren geklärt werden.

Durch Vorlage

1. der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft,

2. der die Verfahren betreffenden Berichte innerhalb der Staatsanwaltschaft, innerhalb des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft an das Justizministerium,

3. des die Verfahren betreffenden Schriftverkehrs innerhalb der Staatsanwaltschaft, innerhalb des Justizministeriums sowie zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Justizministerium,

4. des die Verfahren betreffenden Schriftverkehrs zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Finanzministerium sowie dessen untergeordneten Finanzbehörden,

5. sämtlicher die Verfahren betreffenden Vermerke, Protokolle und Notizen der Staatsanwaltschaft, des Finanzministeriums und des Justizministeriums,

6. der schriftlichen Mitteilungen der Staatsanwaltschaft an das Justizministerium und das Finanzministerium bzw. dessen untergeordneten Finanzbehörden über die Einstellung der Verfahren.“

(im Folgenden: 2. Beweisbeschluss)

Mit Schreiben vom 26.3.2010 (Tgb.Nr. US 2/10) ersuchte der Beschwerdegegner den Minister der Finanzen um Vorlage der im 2. Beweisbeschluss unter A) 1. bis 6. aufgeführten Unterlagen.

Nach Prüfung des Aktenherausgabeersuchens und Zusammenstellung der zur Herausgabe vorgesehenen Akten hörte der Minister der Finanzen den Antragsteller zu der beabsichtigten Aktenherausgabe an, gewährte dessen Bevollmächtigten hierzu am 28.5.2010 Akteneinsicht, übergab ihm Inhaltsverzeichnisse der entsprechenden Akten und kündigte an, dass die Akten dem Antragsgegner zugeleitet würden, wenn nicht bis zum 2.6.2010, 12.00 Uhr, einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Aktenvorlage beantragt werde.

Der Antragsteller beantragte am 4.6.2010 beim Verwaltungsgericht des Saarlandes den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag,

„gemäß § 123 Abs. 1 VwGO folgende einstweilige Anordnung zu erlassen

Der 2. Beweisbeschluss des Antragsgegners, der in der Sitzung vom 24.3.2010 gemäß dem durch DIE LINKE vorgelegten Beweisantrag beschlossen wurde, wird einstweilen unter A) 1 bis 6 außer Vollzug gesetzt.“

Er machte geltend, die gesamten unter A) 1. bis 6. des angegriffenen Beweisbeschlusses benannten Beweismittel, nämlich Akten der Finanzbehörden, stünden erkennbar nicht in dem gebotenen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Der Untersuchungsauftrag ziele auf eine Beeinflussung der Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der laufenden Regierungsbildung ab. Entscheidend seien daher ausschließlich solche Unterlagen, die auch tatsächlich den Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft hätten zugrunde liegen können. Dies seien jedoch nicht die Akten der Finanzbehörden, sondern die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten einschließlich solcher steuerlicher Unterlagen, die bei der Staatsanwaltschaft auch konkret zum Akteninhalt geworden seien. Akten anderer Behörden, insbesondere der Finanzbehörden, von welchen die Staatsanwaltschaft B-Stadt überhaupt keine Kenntnis gehabt habe, könnten ersichtlich nicht im Zusammenhang mit den Einstellungen der Ermittlungsverfahren stehen. Bezüglich der unter A) 1. bis 6. genannten Beweismittel sei der Beweisbeschluss deshalb in Gänze rechtswidrig, weil er als purer Ausforschungsbeweis zu qualifizieren sei. Mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und seine einfachgesetzliche Ausprägung des Steuergeheimnisses in § 30 AO habe der Beweisbeschluss einer derartigen Präzisierung bedurft, dass nur Akten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand hätten angefordert werden dürfen.

Zudem sei der Beweisbeschluss A) 1. bis 6. inhaltlich nicht hinreichend bestimmt insofern, als von „Unternehmungen der A.-Gruppe“ die Rede sei. Es sei nicht ersichtlich, was darunter zu verstehen sei. Eine A.-Gruppe gebe es nicht. Schließlich sei das Steuergeheimnis nach § 30 AO und das dem Antragsteller zustehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch den angefochtenen Teil des Beweisbeschlusses verletzt, weil die Grenzen des Untersuchungsauftrages überschritten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei.

Mit Begleitschreiben vom 7.6.2010 übermittelte der Minister der Finanzen dem Präsidenten des Landtages des Saarlandes auf die Aufforderung des Beschwerdegegners vom 26.3.2010 die von ihm zusammengestellten Akten der Finanzverwaltung (7 Ordner). In dem Schreiben ist ausgeführt, die Unterlagen würden „nach sorgfältiger Prüfung des Beweisbeschlusses auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BMF-Schreibens vom 13.5.1987 und nach Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Steuerpflichtigen übermittelt“. Zugleich teilte er mit, die übersandten Aktenstücke seien gemäß §§ 5a Abs. 1, 5 Nr. 2 der Geheimschutzordnung des Untersuchungsausschusses „Landtagswahlen 2009“ als geheim zu behandeln.

Der Präsident des Landtages nahm die Aktenordner ausweislich seines Schreibens an das Verwaltungsgericht vom 8.6.2010 unter Verschluss und ordnete an, dass sie bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers in einem verschlossenen Raum aufbewahrt und weder dem Ausschussvorsitzenden noch den Ausschussmitgliedern zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt würden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.6.2010 -11 L 544/10- zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sei unzulässig, weil es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handele. Nach dem (zwischenzeitlich) übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten sei nicht in erster Linie die Herausgabe der den Antragsteller betreffenden Steuerakten an den Antragsgegner in Streit. Hierfür sei nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben. Vielmehr bestehe ein Streit über die Reichweite des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses. Damit greife der Antragsteller die aus der Festlegung des Untersuchungsauftrags folgende verfassungsrechtliche Kompetenz des Antragsgegners zur Festlegung des Umfangs der Beweiserhebung an. Kern des Rechtsstreits sei mithin die Auslegung des Art. 79 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Saarlandes (SVerf), so dass es um spezifisch verfassungsrechtliche Fragen gehe, zu deren Beantwortung im konkreten Zusammenhang die Verfassungsgerichtsbarkeit berufen sei.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller am 18.6.2010 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts werde zu Unrecht das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit angenommen. Der Antragsteller verfolge sein verfassungsmäßiges Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der einfachgesetzlichen Ausprägung des Steuergeheimnisses, indem er die Überschreitung der ebenfalls einfachgesetzlich vorgegebenen Grenze des Sachzusammenhangs bei der Beweiserhebung rüge. Mit Schriftsatz vom 16.7.2010 (und weiteren) hat der Antragsteller seine Beschwerde ergänzend in der Sache begründet.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.

II.

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16.6.2010 -11 L 544/10- ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Vorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt, führt im Ergebnis nicht zu dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

1. Allerdings handelt es sich bei dem vorliegenden Anordnungsverfahren - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und entgegen der Auffassung des Antragsgegners – nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Vielmehr ist für das Anordnungsbegehren des Antragstellers der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist.

Die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ergibt sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes zwar nicht bereits aus dem Grundsatz der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit, wonach eine verfassungsrechtliche Streitigkeit voraussetzt, dass sowohl beide Streitsubjekte Verfassungsorgane, Teile von ihnen oder andere unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Stellen oder Personen sein müssen (formelles Kriterium) als auch das Streitobjekt materielles Verfassungsrecht darstellen muss (materielles Kriterium)

vgl. die Übersicht z.B. bei Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 141 n.w.N..

Die Abgrenzung zwischen einer verwaltungsrechtlichen und einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erfolgt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes,

Beschlüsse vom 17.7.2002 - 1 W 15/02 - und vom 5.11.2002 - 1 W 29/02 -, dokumentiert bei juris

nicht nach formalen, an die Stellung der Beteiligten anknüpfenden Gesichtspunkten. Vielmehr ist auch bei Beteiligung eines Bürgers und eines am Verfassungsleben teilhabenden Rechtssubjekts zu fragen, ob letzteres in spezifisch verfassungsrechtlicher Funktion in Anspruch genommen wird, d.h. ob ein zentraler Bereich der ihm von Verfassungs wegen zukommenden Betätigung berührt ist

OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 17.7.2002 und vom 5.11.2002 – jeweils a.a.O..; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 149 ff (Materielle Subjektstheorie).

Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit bejaht für den Streit zwischen einem Bürger und dem Parlament über die im Rahmen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch das Parlament festgelegte (Kurz-)Bezeichnung des Untersuchungsausschusses, weil es sich bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und der Bestimmung des Untersuchungsauftrages durch das Plenum um einen zentralen Bereich der dem Parlament in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan - von Verfassungs wegen (Art. 79 SVerf) - zukommenden Betätigung handelt

OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.7.2002, a.a.O..

Für den Streit zwischen einer kommunalen Gebietskörperschaft und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Zulässigkeit der Beweisaufnahme zu bestimmten Themen hat es demgegenüber einen spezifisch verfassungsrechtlichen Gehalt verneint und den Verwaltungsrechtsweg ebenso bejaht wie für den Streit eines von einem Untersuchungsausschuss als Betroffenem festgestellten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 LTG) Bürgers über das diesem im Verlaufe des Untersuchungsverfahrens zustehende Recht auf Abgabe einer Stellungnahme

OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 3.4.1987 - 2 W 129/87 -, NVwZ 87, 612, und vom 5.11.2002, a.a.O..

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in seinem

Beschluss vom 27.5.2002 - LV 2/02 eA -, zitiert nach juris

offen gelassen, ob stets an dem Erfordernis der beiderseitigen Beteiligung von Verfassungsorganen festzuhalten ist oder ob eine Differenzierung in Betracht zu ziehen sein könnte im Hinblick auf Streitigkeiten zwischen Bürger und Parlament um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf der einen und zwischen Bürger und Untersuchungsausschuss um von letzterem im Verlauf seiner Beweiserhebung getroffene Maßnahmen zur Informationsbeschaffung auf der anderen Seite.

Unter Fortführung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ist vorliegend dem Verwaltungsgericht zwar darin zuzustimmen, dass eine verfassungsrechtliche Streitigkeit nicht schon deswegen ausscheidet, weil an dem streitigen Rechtsverhältnis neben dem vom Landtag des Saarlandes eingesetzten Untersuchungsausschuss „Landtagswahl 2009“ als Antragsgegner der Antragsteller, ein als Betroffener im Sinne des § 54 LTG festgestellter Bürger, beteiligt ist.

Jedoch fehlt der streitgegenständlichen Inanspruchnahme des Antragsgegners, dem Begehren nach Aussetzung des Vollzugs eines Teils - A) 1. bis 6. - des vom Antragsgegner unter dem 24.3.2010 gefassten 2. Beweisbeschlusses der spezifisch verfassungsrechtliche Gehalt.

Zwar handelt es sich bei dem Antragsgegner um ein Organ des Landtages (§ 37 LTG) und ein am Verfassungsleben teilnehmendes Rechtssubjekt. Träger des - verfassungsrechtlich (Art. 79 SVerf) begründeten - Untersuchungsrechts ist jedoch ausschließlich das Parlament selbst. Dieses bedient sich zur Wahrnehmung seines Untersuchungsrechts des von ihm eingesetzten Untersuchungsausschusses. Dem Untersuchungsausschuss kommt insoweit die Funktion eines mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten parlamentarischen Hilfsorgans zu. Seine Tätigkeit zur Beschaffung von Informationen stellt materiell Verwaltungstätigkeit dar

BVerwG, ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 85.78 – DÖV 1981, 300 f., BayVBl 1981,214 f.; ausdrücklich bestätigend BVerwG, Urteil vom 19.5.1988 - 7 C 37.87 - = BVerwGE 79, 339 f.; BayVerfG, Beschluss vom 25.6.1992 - Vf. 78-VI-92 – BayVBl. 1992, 526 f., DÖV 1992, 967 f.; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.11.2002, a.a.O. m.z.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 23.9.1986 - 15 B 2039/86 -, NVwZ 87, 608, 609.

Bei der Wahrnehmung der ihm im Rahmen des Untersuchungsauftrags vom Plenum übertragenden Aufklärung bestimmter Sachverhalte wird der Untersuchungsausschuss wie ein Verwaltungsorgan und daher mit den prozessualen Folgen gemäß § 61 Nr. 3 VwGO, 19 AGVwGO wie eine Behörde tätig. Für Rechtsschutzersuchen betroffener Bürger gegen konkrete Maßnahmen der Untersuchung und Beweiserhebung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse der Länder ist daher grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet

Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 40 Rdnr. 184; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 40 Rdnr.231, 650,651; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 40 Rdnr.10, jeweils m.w.N; BVerwG, ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 85.78 – DÖV 1981, 300 f., BayVBl 1981,214 f.; ausdrücklich bestätigend BVerwG, Urteil vom 19.5.1988 - 7 C 37.87 - = BVerwGE 79, 339 f.; BayVerfG, Beschluss vom 25.6.1992 - Vf. 78-VI-92 – BayVBl. 1992, 526 f., DÖV 1992, 967 f.; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.11.2002, a.a.O. m.z.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 23.9.1986 - 15 B 2039/86 -, NVwZ 87, 608, 609.

Dem steht vorliegend auch nicht entgegen, dass eine der zentralen Streitfragen des Verfahrens darauf gerichtet ist, ob der Antragsgegner sich mit der von ihm beabsichtigten und beschlossenen Beweiserhebung innerhalb des ihm vom Parlament erteilten Untersuchungsauftrages und damit innerhalb der ihm - verfassungsrechtlich - gesetzten Grenzen bewegt. Die Frage, ob eine Behörde oder ein sonstiger Träger öffentlicher Gewalt, der Verwaltungstätigkeit ausübt, sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit in den Grenzen des ihm verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens gehalten hat, gehört zu den typischen Prüfungsgegenständen im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren. Das maßgebende Rechtsverhältnis der Beteiligten behält seinen nicht verfassungsrechtlichen Charakter daher ungeachtet des Umstandes, dass die begehrte Außervollzugsetzung eines Teils des 2. Beweisbeschlusses wesentlich von der Auslegung und Anwendung von Verfassungsnormen abhängt

vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.8.1999 - 2 BvR 1/99 -, zitiert nach juris (dort Rdnr. 21).

Die Frage, ob der Antragsgegner sich beim Erlass des 2. Beweisbeschlusses oder der darauf gestützten Beweiserhebung im Rahmen des ihm vom Parlament erteilten verfassungsrechtlichen Untersuchungsauftrages gehalten hat, führt damit nicht zu einer verfassungsrechtlichen Prägung des Rechtsstreits

zur Einhaltung der Grenzen des Untersuchungsauftrages durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss vgl. auch: BFH, Beschluss vom 1.12.1992 – VII B 126/92 -, zitiert nach juris.

Der Rechtsstreit ist auch nicht durch § 33 Abs. 1 Nr.1 FGO den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zugewiesen. Es handelt sich in der Sache nicht um eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten im Sinne der genannten Vorschrift. Nach der in Absatz 2 der genannten Vorschrift gegebenen Legaldefinition umfasst der Begriff der Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Von dieser Definition wird die Vorlage von Akten der Finanzbehörden an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder dessen Zugriff auf diese Akten auf der Grundlage eines entsprechenden Beweisbeschlusses indes nicht erfasst.

Zwar stellt grundsätzlich die Entscheidung einer Finanzbehörde über die Vorlage von Akten oder die Erteilung von Auskünften über steuerliche Angelegenheiten eine Maßnahme auf dem Gebiet des Abgabenrechts dar. Dies gilt jedoch nicht, wenn die streitige Aktenvorlage oder Auskunftserteilung als Erfüllung eines im Verfahren vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ergangenen Beweisbeschlusses erfolgt. Bei der Frage, ob und inwieweit die Finanzbehörden Akten an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss herausgeben oder ob dieser Zugriff auf diese Akten nehmen darf, handelt es sich nicht um eine abgabenrechtliche Frage, sondern um die Frage, ob der insoweit als Verwaltungsorgan handelnde Untersuchungsausschuss sich innerhalb der ihm zugunsten des betroffenen Steuersubjekts verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen gehalten hat

BFH, Urteil vom 23.10.1974 – VII R 54/70- BStBl. 1975 Teil II, S. 298,299, zum Fall einer Aktenherausgabe bzw. Auskunftserteilung auf der Grundlage eines verwaltungsgerichtlichen Beweisbeschlusses, sowie Beschluss vom 29.5.1969 -VII B 199/67- BStBl. 1969 Teil II, S. 491; FG München, Urteil vom 15.12.1992 – 16 K 2542/92 – NVwZ 1994,100 und FG Hamburg, Beschluss vom 5.2.1985 – III 17/85 - zitiert nach juris, jeweils zur Frage der Herausgabe von Steuerakten eines Bürgers an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass Gegenteiliges insbesondere nicht der bereits zitierten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 1.12.1992 und der ihr vorausgegangenen Entscheidung des Finanzgerichts des Saarlandes vom 5.6.1992 (1 V 153/92) entnommen werden kann, da beide Gerichte für ihre Zuständigkeit im konkreten Verfahren lediglich auf die Bindungswirkung des zuvor ergangenen Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes gemäß § 17 a GVG verwiesen haben.

Der Antragsteller hat damit zu Recht den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten beschritten.

2. Gleichwohl hat das Begehren des Antragstellers auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keinen Erfolg.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 123 VwGO gegen den Antragsgegner mit dem Inhalt, den 2. Beweisbeschluss des Antragsgegners einstweilen unter A) 1. bis 6. außer Vollzug zu setzen.

Er macht geltend, der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung sei erforderlich, um sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dessen einfachgesetzliche Ausprägung des Steuergeheimnisses in § 30 Abgabenordnung (AO) zu wahren. Dies ist indes nach dem Vorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Prüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt, nicht der Fall.

Dabei bestehen im Grundsatz bereits erhebliche Zweifel, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bejaht werden kann, der unmittelbar gegen den der Beweiserhebung eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss zugrunde liegenden Beweisbeschluss gerichtet ist.

Zwar ist der Beweisbeschluss Grundlage für die darin nach Beweisthema und Beweismittel umschriebene Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses. Der Beweisbeschluss selbst wird allerdings in aller Regel keine unmittelbare Verletzung von Rechten des Betroffenen bewirken können. Hierzu bedarf es grundsätzlich eines Aktes der Umsetzung des Beweisbeschlusses. Erst wenn feststeht, ob und durch welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen der Beweisbeschluss auch tatsächlich zur Ausführung gelangt, kann im übrigen auch eine konkrete Prüfung erfolgen, ob und inwieweit hierdurch möglicherweise Rechte des betroffenen Bürgers verletzt werden. Dies gilt auch und gerade dann, wenn – wie vorliegend – Gegenstand des streitigen Beweisbeschlusses die Vorlage behördlicher Akten ist .

Der hier streitgegenständliche Teil des 2. Beweisbeschlusses vom 24.3.2010 –Teil A) 1. bis 6. – betrifft in seinem Beweisthema „die Gründe und Umstände der Einleitung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Regierungsbildung 2009 erfolgten Einstellung von fünf gegen A. oder Unternehmen der A.-Gruppe geführten Ermittlungsverfahren“, insbesondere (A) „in diesem Zusammenhang“ die Klärung der „Gründe und Umstände der betreffenden bei den Finanzbehörden des Landes geführten Verfahren und getätigten Ermittlungen gegen A. und Unternehmungen der A.-Gruppe sowie die Abgabe der Verfahren an die Staatsanwaltschaft“. Als Beweismittel wird die Vorlage von Akten und im Einzelnen benannten Aktenbestandteilen der Finanzbehörden angeordnet, nämlich Ermittlungsakten (1.), Steuerakten (2.), Steuererklärungen (3.), Steuerbescheide (4.), Vermerke und Protokolle (5.) sowie der Vorgang der Abgabe an die Staatsanwaltschaft (6.).

Mit diesem Inhalt bewirkt der Beweisbeschluss selbst - unmittelbar - keine Verletzung der vom Antragsteller geltend gemachten Rechte. Er ist, anders als der Antragsteller geltend gemacht hat, keineswegs „self-executing“. Die Gefahr einer - möglichen - Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Steuergeheimnisses nach § 30 AO des Antragstellers besteht vielmehr erst aufgrund der Umsetzung des Beweisbeschlusses, der Vorlage der Akten und des Zugriffs des Untersuchungsausschusses darauf.

Ist die zur Aktenvorlage aufgeforderte Behörde – wie es vorliegend bei dem Ministerium der Finanzen der Fall gewesen ist - bereit, Akten an den Untersuchungsausschuss herauszugeben, so kann der Betroffene effektiven (einstweiligen) Rechtsschutz dagegen grundsätzlich in der Weise erhalten, dass ein Anspruch auf Unterlassung der Aktenherausgabe gegen die herausgebende Stelle gerichtlich verfolgt wird. Im Rahmen eines solchen Unterlassungsbegehrens wird von dem angerufenen Gericht geprüft, ob die Vorlage der Akten, zu deren Herausgabe die fragliche Stelle konkret bereit ist, und der Zugriff des Untersuchungsausschusses darauf die Rechte des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO verletzt.

Auch das Bestehen einer solchen, auf die konkrete Umsetzungsmaßnahme gerichteten Rechtsschutzmöglichkeit spricht im Regelfall gegen die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag auf Außervollzugsetzung des Beweisbeschlusses schon im Vorfeld solcher Maßnahmen.

Vorliegend besteht indes die Besonderheit, dass die konkrete Umsetzung des streitigen Teils des angegriffenen Beweisbeschlusses (Teil A) 1. bis 6.), die Herausgabe von Akten durch das Finanzministerium, einerseits zwar überwiegend bereits vollzogen, andererseits aber in dem für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers entscheidenden Punkt noch nicht abgeschlossen ist.

Vollzogen sind bislang folgende Schritte:

Der Untersuchungsausschuss hat die im Beweisbeschluss genannten Akten bei dem zuständigen Ministerium der Finanzen angefordert. Das Ministerium hat das Aktenherausgabeersuchen des Untersuchungsausschusses auf der Grundlage des zweiten Beweisbeschlusses, dort Abschnitt A) 1. bis 6. - in eigener Verantwortlichkeit -

BVerfG, Beschluss vom 1.10.1987 - 2 BvR 1178/86 u.a. – BVerfGE 77, 1-64 (Untersuchungsausschuss Neue Heimat); BFH, Beschluss vom 1.12.1992 - 7 B 126/92 -, zitiert nach juris

hinsichtlich Inhalt und Umfang seiner Verpflichtung zur Aktenvorlage geprüft, die Akten zusammengestellt und entschieden, ob und welche Akten es mit Blick auf den Kontrollauftrag des Parlaments einerseits und das Dienst- und Steuergeheimnis andererseits an den Untersuchungsausschuss herauszugeben bereit war. Sodann hat es den Antragsteller zur beabsichtigten Aktenherausgabe angehört, seinem Bevollmächtigten hierzu am 28.5.2010 Akteneinsicht gewährt sowie ein Inhaltsverzeichnis der zur Herausgabe vorgesehenen Akten überlassen. Nach seiner Ankündigung, dass die Akten dem Antragsgegner zugeleitet würden, wenn nicht bis zum 2.6.2010, 12.00 Uhr, einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Aktenvorlage beantragt werde, hat das Ministerium der Finanzen diese indes nicht unmittelbar dem Antragsgegner, sondern dem Präsidenten des Landtages zugeleitet, der diese seinerseits nicht dem Antragsgegner übergeben, sondern – mit Blick auf das vorliegende Anordnungsverfahren - unter Verschluss genommen hat.

Ein Zugriff des Antragsgegners auf die Akten als abschließender Akt der konkret im Raum stehenden Beweiserhebung hat deshalb noch nicht stattgefunden.

In dieser besonderen Situation kommt dem angefochtenen Beweisbeschluss – trotz der bereits erfolgten und selbst nicht angefochtenen Aktenherausgabe durch das Ministerium der Finanzen – die rechtliche Funktion zu, Rechtsgrundlage für den noch nicht erfolgten Zugriff des Antragsgegners auf die konkret vorgelegten Akten zu sein.

Nur vor diesem Hintergrund erscheint es – ausnahmsweise – vertretbar, im konkreten Fall ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für den gestellten Antrag auf Außervollzugsetzung des streitigen Teils des 2. Beweisbeschlusses des Antragsgegners anzuerkennen.

Gleichwohl hat sein Antrag in der Sache keinen Erfolg, denn der Antragsteller hat das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO erforderliche kumulative Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs nicht dargelegt.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die einstweilige Sicherung der Rechte des Antragstellers kommt im vorliegenden Fall nach der bereits erfolgten Herausgabe der aufgrund der Prüfung des Ministeriums der Finanzen zu Teil A) 1. bis 6. des 2. Beweisbeschlusses zusammengestellten Akten (7 Ordner) allenfalls noch insoweit in Betracht, als es um die Frage geht, ob dem Untersuchungsausschuss der Zugriff auf diese bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten eröffnet wird oder nicht. Denn nur insoweit kann derzeit davon ausgegangen werden, dass das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO mit Blick auf den Vollzug des 2. Beweisbeschlusses des Untersuchungsausschusses (Teil A) 1. bis 6.) einer gerichtlichen Sicherung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bedarf. Nur mit Blick auf die konkret herausgegebenen Akten besteht derzeit eine Gefahr des Zugriffs des Antragsgegners auf Akten der Finanzbehörden, die möglicherweise dem angegriffenen Teil des 2. Beweisbeschlusses unterfallen können. Für darüber hinausgehende Zugriffsakte auf weiteres Aktenmaterial der Finanzbehörden auf der Grundlage des 2. Beweisbeschlusses des Untersuchungsausschusses (Teil A) 1. bis 6.) besteht diese Gefahr derzeit nicht.

Denn das Ministerium der Finanzen hat – unter Verweis auf die ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Rundschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13.5.1987 obliegende Prüfung – seine Bereitschaft zur Herausgabe von Akten aus seinem Verantwortungsbereich ausdrücklich auf die in Frage stehenden 7 Aktenordner begrenzt. Eine weitergehende Herausgabe von Akten der Finanzverwaltung und ein Zugriff des Antragsgegners hierauf steht damit auf der Basis des angegriffenen 2. Beweisbeschlusses (Teil A) 1. bis 6.) derzeit nicht im Raum.

Soweit für das Begehren des Antragstellers hiernach ein Anordnungsgrund zu bejahen ist, fehlt es für den Erfolg seines Begehrens indes am Vorliegen eines Anordnungsanspruches.

Nach den Darlegungen des Antragstellers und den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens kann unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

BVerfG, Urteil vom 17.7.1984 -2 BvE 11/83 -, - 2 BvE 15/83 – BVerfGE 67, 100-146 (Flick-Untersuchungsausschuss) und Beschluss vom 1.10.1987 - 2 BvR 1178/86 u.a. – BVerfGE 77, 1-64 (Untersuchungsausschuss Neue Heimat)

entwickelten Grundsätze bezüglich der verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Zugriff des Untersuchungsausschusses auf die bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten (7 Ordner) das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO verletzt wird.

Allerdings haben Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage einschränken. Zwar ist das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebenen Steuergeheimnisses als solches kein Grundrecht. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder private Dritte erkennbar werden läßt, kann indessen durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG geboten sein.Die genannten Grundrechte verbürgen ihren Trägern einen Schutz gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten

BVerfG Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1-71 (Volkszählungsurteil).

Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist.

Dieser Schutz besteht von Verfassungs wegen auch gegenüber den Befugnissen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und der grundrechtliche Datenschutz des betroffenen Bürgers stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten.

Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in aller Regel dann keine Verkürzung des Anspruchs auf Aktenherausgabe und dementsprechend des Zugriffsrechts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn das Parlament und die zur Aktenvorlage verpflichtete Verwaltungsbehörde ausreichende Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon gilt für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist.

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zugriff des Antragsgegners auf die bereits von dem Ministerium der Finanzen herausgegebenen, derzeit aber von dem Präsidenten des Landtages noch unter Verschluss gehaltenen Akten (7 Ordner) die danach verfassungsrechtlich zu beachtenden Grenzen des Rechts des Antragsgegners auf Aktenvorlage und Beweiserhebung zu Lasten der Rechte des Antragstellers überschreitet.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder davon auszugehen, dass die hier in Rede stehende Beweiserhebung durch Zugriff auf die fraglichen Akten nicht im Rahmen des dem Antragsgegner vom Landtag des Saarlandes erteilten Untersuchungsauftrags erfolgt, noch davon, dass die Einschränkung des Rechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung nicht im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen soll, noch davon, dass die Einschränkung weiter geht als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.

Der Antragsteller kann zunächst nicht mit seinem Einwand durchdringen, die (gesamten) unter A) 1. bis 6. des angegriffenen Beweisbeschlusses benannten Akten der Finanzbehörden stünden erkennbar nicht in dem gebotenen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, weil dieser sich in zeitlicher Hinsicht nur auf Vorgänge nach dem Datum der Landtagswahl (30.8.2009) und in sachlicher Hinsicht nur auf eine Beeinflussung der Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der zeitlich an dieses Datum anschließenden Regierungsbildung beziehe.

Dies trifft in Ansehung des vom Landtag des Saarlandes festgelegten Untersuchungsgegenstandes und des dem entsprechenden Untersuchungsauftrages des Antragsgegners nicht zu.

Der vom Landtag des Saarlandes festgelegte Untersuchungsgegenstand ergibt sich aus den Beschlüssen des Landtages vom 11.2.2010 zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses mit dem Titel (Kurzbezeichnung „Untersuchungsausschuss Landtagswahlen 2009“).

Nach dem auf Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 beschlossenen Einsetzungsauftrag vom 11.2.2010 ist der Untersuchungsausschuss u.a eingesetzt worden „vor dem Hintergrund, ... dass im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden“ und „zur Klärung zahlreicher“ insoweit aufgeworfener „Fragen im Hinblick auf die Rolle A. bei der Regierungsbildung, die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“.

Die vom Antragsteller geltend gemachte zeitliche und sachliche Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes und –Auftrages lässt sich dem nicht entnehmen.

Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Klärung der „Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren“ erfolgen kann, ohne dass auf Vorgänge aus der Zeit vor der Landtagswahl am 30.8.2009 zugegriffen wird. Zum einen ist davon auszugehen, dass die in dem Einsetzungsauftrag des Landtages des Saarlandes genannten „Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung“ bereits zum Zeitpunkt der Landtagswahl am 30.8.2009 anhängig gewesen sind und damit selbst in einen Zeitraum vor dem 30.8.2009 hineinreichen. Zum anderen beziehen sich die fraglichen Ermittlungsverfahren mit Bestimmtheit auf – finanzbehördliche - Sachverhalte und Verwaltungsvorgänge, die in einem Zeitraum vor dem 30.8.2009 entstanden und angefallen sind.

Aber auch mit Blick auf die sachliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und –Auftrages kann der Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden. Der Antragsteller hat insoweit insbesondere geltend gemacht, es gehe ausschließlich um die Frage einer Beeinflussung der in den fraglichen (5) Ermittlungsverfahren getroffenen Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Rahmen der Regierungsbildung. Deshalb könnten ausschließlich solche Unterlagen entscheidend sein, die auch tatsächlich den Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegen hätten. Das Akteneinsichtsrecht des Antragsgegners sei deshalb auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B-Stadt beschränkt.

Eine solche Verengung des Untersuchungsauftrages kann dem auf Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 am 11.2.2010 beschlossenen Einsetzungsauftrag indes nicht entnommen werden. Danach geht es keineswegs ausschließlich um die Frage einer Beeinflussung der in den fraglichen (5) Ermittlungsverfahren getroffenen Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft B-Stadt. Vielmehr geht es danach weitaus allgemeiner um die Klärung „zahlreicher Fragen im Hinblick auf die Rolle A. bei der Regierungsbildung, die Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“, die „im Hinblick darauf aufgeworfen“ sind/seien, dass „im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A. gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden“.

Die Erfüllung des Untersuchungsauftrags, eine Aufklärung der „Umstände der gegen A. geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren und den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A.-Gruppe“ herbeizuführen, setzt deshalb die Möglichkeit nicht nur einer Prüfung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, sondern auch derjenigen – finanzbehördlichen - Sachverhalte und Verwaltungsvorgänge voraus, die der Einleitung dieser Ermittlungsverfahren zugrunde lagen.

Kann danach der Einwand des Antragstellers, sämtliche unter A) 1. bis 6. des angegriffenen 2. Beweisbeschlusses benannten Beweismittel stünden (schon deshalb) nicht in dem gebotenen sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, weil es sich um Akten der Finanzbehörden handele, keinen Erfolg haben, so ergibt sich Gegenteiliges auch nicht mit Blick auf die hier konkret in Rede stehenden, von Seiten des Ministeriums der Finanzen bereits vorgelegten, dem Zugriff des Antragsgegner aber noch entzogenen Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner).

Für diese – auf der Basis des 2. Beweisbeschlusses vorgelegten – finanzbehördlichen Akten ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass deren konkrete Inhalte und Bestandteile – abgesehen von dem zuvor bereits widerlegten pauschalen Einwand – nicht in dem gebotenen sachlichen Zusammenhang mit dem maßgeblichen Untersuchungsgegenstand stünden. Zur Geltendmachung derartiger, konkret auf die vorgelegten Akten bezogener Einwendungen wäre der Antragsteller entgegen der von ihm in seinem Schriftsatz vom 27.7.2010 aufgeworfenen Frage, „welche?“ Akten der Minister der Finanzen dem Landtagspräsidenten zugeleitet habe, auch in der Lage gewesen. Denn ausweislich der Verwaltungsakten des Antragsgegners hat sein Bevollmächtigter am 28.5.2010 beim Minister der Finanzen Einsicht in diese Akten genommen und hierüber ein Inhaltsverzeichnis erhalten.

Ist damit vom Vorliegen des erforderlichen Sachzusammenhangs der auf der Basis des 2. Beweisbeschlusses konkret vorgelegten Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) mit dem Untersuchungsauftrag des Antragsgegners auszugehen, so ist auch darüber hinaus weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass der Zugriff des Antragsgegners auf die fraglichen Akten den Antragsteller in seinem grundgesetzlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses verletzt.

Nach Feststellung der Legitimation der fraglichen Beweiserhebung durch den Untersuchungsauftrag des Parlaments käme eine Einschränkung des Beweiserhebungsrechts des Antragsgegners gegenüber dem grundrechtlich geschützten Recht des Antragsstellers – bezogen auf den hier in Rede stehenden Zugriff des Antragsgegners auf die konkret in Rede stehenden Akten der Finanzverwaltung - nur dann in Betracht, wenn der Antragsgegner keine hinreichenden Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen hätte oder wenn die Offenbarung von Umständen zu befürchten wäre, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für den Antragsteller unzumutbar wäre.

Von beidem kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden.

Der Antragsgegner hat in seiner konstituierenden Sitzung vom 24.3.2010 eine umfassende Geheimschutzordnung für die Verfahrensweise des Untersuchungsausschusses erlassen. Diese trägt den zu beachtenden Geheimhaltungsinteressen des Antragstellers hinreichend Rechnung. Darüber hinaus hat der Antragsgegner zwischenzeitlich nicht nur alle seine Mitglieder, sondern auch alle für den Untersuchungsausschuss tätigen Mitarbeiter nach Maßgabe des § 353 b StGB zur Geheimhaltung verpflichtet. Der Minister der Finanzen seinerseits hat in seinem Schreiben vom 7.6.2010 zur Vorlage der fraglichen Akten bestimmt, dass diese gemäß §§ 5a Abs.1, 5 Nr. 2 der Geheimschutzordnung als geheim zu behandeln sind.

Insoweit hat auch der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht, dass der Antragsgegner weitere mögliche oder gebotene Vorkehrungen zur Geheimhaltung der in den fraglichen Akten enthaltenen Daten hätte treffen können oder müssen.

Auch hat der Antragsteller – trotz seiner aufgrund Akteneinsicht gegebenen Kenntnis von Inhalt und Umfang der fraglichen Akten - nicht dargelegt oder geltend gemacht, dass die Offenbarung von Umständen zu befürchten wäre, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für den Antragsteller unzumutbar wäre. Dass dies ungeachtet dessen der Fall sein könnte, ist im vorliegenden Verfahren auch sonst nicht ersichtlich.

Auch im Übrigen ist – bezogen auf die hier konkret in Rede stehenden Akten der Finanzverwaltung - weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Lasten des Antragstellers gegeben sein könnte.

Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, der 2. Beweisbeschluss gehe – im Wege des Ausforschungsbeweises – insofern über die Grenzen des Untersuchungsauftrages hinaus, als nicht nur von Akten der Finanzverwaltung betreffend seine eigene Person, sondern auch von Akten betreffend „Unternehmen der A.-Gruppe“ die Rede sei, führt dies ebenfalls nicht dazu, dass er einen – unverhältnismäßigen und daher rechtswidrigen - Eingriff in sein grundgesetzlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung des Steuergeheimnisses geltend machen und im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens abwehren könnte.

Zum einen ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller geltend gemacht, dass die fraglichen Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) tatsächlich Vorgänge enthalten, die nicht den Antragsteller selbst, sondern andere Steuersubjekte betreffen, die das Ministerium der Finanzen – zu Recht oder zu Unrecht - als „Unternehmen der A.-Gruppe“ qualifiziert hätte. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller geltend gemacht, inwiefern sich daraus eine eigene Verletzung der Rechte des Antragstellers ergeben könnte, mit anderen Worten, inwiefern daraus ein eigenes Abwehrrecht und damit ein Anordnungsanspruch des Antragstellers im vorliegenden Verfahren hergeleitet werden könnte.

Auch unter sonstigen Gesichtspunkten ist ein Anordnungsanspruch des Antragstellers bezogen auf die Außervollzugsetzung des 2. Beweisbeschlusses insoweit, als sie den Zugriff des Antragsgegners auf die vorgelegten Akten der Finanzverwaltung (7 Aktenordner) betrifft, nicht ersichtlich.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 1 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und Abs. 2 GKG , wobei mit Blick auf den „Vorwegnahmecharakter" des Anordnungsbegehrens eine Halbierung des Auffangstreitwerts nicht angemessen erscheint.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.

(2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so kann auch dieser selbständig einen Verteidiger wählen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist.

(2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.

(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.

(2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen.

Der Richter hat über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Richterablehnungen im sozialgerichtlichen Verfahren und die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuches.

I.

2

Der Beschwerdeführer führt vor dem Sozialgericht ein Klageverfahren. Er lehnte den dort zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landessozialgericht wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 29. Juli 2009 zurück.

3

Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die Richter des Landessozialgerichts, die diesen Beschluss gefasst hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit unter Hinweis auf die Möglichkeit, gegen den Beschluss eine Anhörungsrüge zu erheben, ab. Das Landessozialgericht verwarf dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2009 als unzulässig. Zum einen sei die Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers unzulässig und zum anderen sei das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht abgeschlossen; eine Anhörungsrüge wäre nicht statthaft.

4

Der Beschwerdeführer erhob nun Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 29. Juli 2009 und lehnte die zuständigen Richter des Landessozialgerichts erneut als befangen ab.

5

Das Landessozialgericht verwarf mit Beschluss vom 3. September 2009 die Anhörungsrüge als unzulässig. Der Beschluss vom 29. Juli 2009 sei gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht mit der Anhörungsrüge anfechtbar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 ff.) betreffe nur den Fall, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit dem auch eine Inzidentprüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs erfolgen könnte, nicht mehr gegeben sei. Hier sei zwar die Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen. Gleichwohl könne eine Verletzung rechtlichen Gehörs im danach wieder aufgenommenen Verfahren vor dem Sozialgericht weiterhin gerügt werden und könne dort oder in der Folgeinstanz geheilt werden. Über die Anhörungsrüge habe das Gericht unter Beteiligung der erneut abgelehnten Richter entscheiden dürfen, da das erneute Ablehnungsgesuch ebenfalls unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Gründe aus dem ersten, bereits verworfenen Ablehnungsgesuch wiederholt.

6

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen alle drei Beschlüsse des Landessozialgerichts. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2 und 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Er sei gehindert, seine Argumente vorzubringen. Er könne nicht erkennen, dass das Landessozialgericht sein Vorbringen gewürdigt habe.

II.

7

Zwar genügen die angegriffenen Entscheidungen des Landessozialgerichts zum Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt.

8

1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landessozialgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht zurückgewiesen hat.

9

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert auch, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl. BVerfGE 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>; BVerfGK 5, 269 <279 f.>; 12, 139 <143>).

10

Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> m.w.N.; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <582>).

11

b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Landessozialgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist im Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere unbedenklich, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht durch rechtliche Hinweise oder Anregungen begründet werden kann, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind, wobei es allerdings nicht auf die Richtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsansicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <584>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris, Rn. 17). Entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Landessozialgericht in der deutlichen Äußerung des abgelehnten Richters über die Erfolgsaussichten der Klage des Beschwerdeführers keinen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Umstand gesehen hat. Das Landessozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die sozialgerichtliche Verfahrensordnung in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst vorsieht, dass dem Betroffenen die unter Umständen aus der Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens resultierende Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt werden kann.

12

Ebenso führt auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Erforderlich ist vielmehr, dass sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <583>), wobei selbst mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht zugleich die Feststellung verbunden sein muss, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Dass das Landessozialgericht einen solchen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters nicht feststellen konnte, ist seinerseits von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Landessozialgericht hat sich insbesondere mit dem Vorwurf des Beschwerdeführers, dass er in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht nicht ausreichend zu Wort gekommen sei und dass die Gründe seines Befangenheitsantrages nicht in die Niederschrift des Termins aufgenommen wurden, auseinandergesetzt und ist zu einem jedenfalls vertretbaren Ergebnis gekommen.

13

2. Zu Unrecht ist die Anhörungsrüge vom Landessozialgericht als unzulässig behandelt worden.

14

a) Zwar findet gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt, und bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch handelt es sich um eine solche Zwischenentscheidung. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG ist jedoch verfassungskonform dahin auszulegen, dass es sich beim Verfahren über die Ablehnung eines Richters am Sozialgericht um ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für die nachfolgenden Entscheidungen handelt und dass der Zurückweisungsbeschluss deshalb eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung darstellt.

15

Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 <299>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

16

Vor diesem Hintergrund kann auch die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Zurückweisung der Ablehnung eines Richters am Sozialgericht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden. Derjenige, der sich in einem solchen Richterablehnungsverfahren in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht, kann nicht darauf verwiesen werden, dass die behauptete Gehörsverletzung im weiteren Instanzenzug noch kontrolliert würde. Dafür, dass gegenwärtig eine derartige Kontrolle stattfände, gibt es keine Anhaltspunkte.

17

aa) Das Bundessozialgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach § 202 SGG in Verbindung mit § 557 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revi-sionsgerichts nicht unterliegen, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung sei bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist, immer dann gegeben, wenn sie von einem Landessozialgericht erlassen worden und daher gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223>; BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5). Entsprechend könne die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8; BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6).

18

Etwas anderes gelte zwar ausnahmsweise dann, wenn es an einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mangeln würde (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668>) oder wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft sei, dass durch die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung deshalb unrichtig besetzt gewesen sei (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8). Letzteres sei aber nur der Fall, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen seien (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.) oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeuten würde, dass das Gericht die Bedeutung und die Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6). Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führe noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts.

19

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist im Falle eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der nicht zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Da das Bundessozialgericht in einer Entscheidung ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch Gehörsverstöße während des Befangenheitsverfahrens mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden können (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008 - B 12 KR 24/07 B -, juris, Rn. 12), ist in dieser Prozesssituation keine sichere und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet.

20

Dafür, dass im Berufungs- oder Berufungszulassungsverfahren anders als im Revisions- oder Revisionszulassungsverfahren auch die behauptete Verletzung des Gehörsanspruchs im Richterablehnungsverfahren geprüft würde, gibt es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte.

21

bb) Ließe man gleichwohl die Anhörungsrüge bei entsprechender Auslegung des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG auch bei einer derartigen, ein selbständiges Zwischenverfahren abschließenden Entscheidung nicht zu, könnte die dadurch entstehende, mit den im Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 (vgl. BVerfGE 107, 395 ff.) dargelegten Grundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren nicht dadurch beseitigt werden, dass der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Die behauptete Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung könnte mit einer Anhörungsrüge gegen die spätere Sachentscheidung nicht mehr in geeigneter, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Weise geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08 -, juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833).

22

Einer erst nach der abschließenden Sachentscheidung eingelegten Anhörungsrüge könnte entgegengehalten werden, es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die behauptete, im vorangegangenen Zwischenverfahren geschehene Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise das Ergebnis der Sachentscheidung beeinflusst habe. Ob es sich zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass an der Sachentscheidung ein Richter beteiligt war, dessen Ablehnung möglicherweise unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden war, könnte kaum beurteilt werden. Die Begründung des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 119, 292 <297>) für den Ausschluss der Anhörungsrüge bei Zwischenentscheidungen, die Entscheidungserheblichkeit könne erst zum Zeitpunkt der späteren Sachentscheidung festgestellt werden, greift bei einer im weiteren Verfahren nicht mehr überprüften Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>).

23

Die behauptete Gehörsverletzung muss deshalb vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich (vgl. BVerfGE 119, 292 <300 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833 <834>).

24

b) Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das Landessozialgericht über die Anhörungsrüge entschieden hat, ohne zuvor über das erneute, gegen den Senat selbst gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden zu haben. Die dem zugrunde liegende Auffassung, dass die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte rechtsmissbräuchlich ist, die auch vom Bundessozialgericht geteilt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3667>), ist nicht unvertretbar und daher mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. auch BVerfGE 11, 1 < 5 f.>; 11, 343 <348>). Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche müssen nicht erneut beschieden werden (vgl. BVerfGE 11, 343 <348>; 72, 51 <59>; 74, 96 <100>).

25

3. Die Entscheidung des Landessozialgerichts über das erste Ablehnungsgesuch gegen die zuständigen Richter des Landessozialgerichts ist damit teilweise fehlerhaft begründet. Das Landessozialgericht durfte die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht auf die mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbarende Annahme stützen, dass eine Anhörungsrüge gegen seine vorhergehende Entscheidung nicht statthaft wäre.

26

Das Landessozialgericht hat das Ablehnungsgesuch außerdem als unzulässig behandelt, weil es sich pauschal gegen alle drei Richter des Senats gerichtet hatte. Das begegnet im Ergebnis schon deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da ausgeschlossen ist, dass das Ablehnungsgesuch in der Sache Erfolg gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat sein Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass das Landessozialgericht sein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht seiner Ansicht nach zu Unrecht abgelehnt hatte. Auf den bloßen Vorwurf der falschen Rechtsanwendung ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und die sich auch insbesondere aus dem ersten Beschluss des Landessozialgerichts nicht ergeben, kann ein Ablehnungsgesuch aber in zulässiger Weise nicht gestützt werden.

27

4. Trotz der mit Verfassungsrecht nicht im Einklang stehenden Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG), wenn der Beschwerdeführer sein vor den Fachgerichten verfolgtes Begehren nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <301 f.>).

28

Dies ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer mit seinem Begehren - der Ablehnung des Richters am Sozialgericht - keinen Erfolg haben kann. Würde das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Anhörungsrüge aufheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverweisen, könnte das Landessozialgericht bei der erneuten Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil der Beschwerdeführer weder im Anhörungsrügeverfahren noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren schlüssig dargetan hat, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Vielmehr besteht sein Vortrag durchweg in der Behauptung, Sozialgericht und Landessozialgericht würden das Recht falsch anwenden. Art. 103 Abs. 1 GG enthält aber keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht "unrichtigen" Rechtsanwendung (vgl. BVerfGK 6, 88 <91>; 11, 203 <206 f.> m.w.N.). Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, dass das Landessozialgericht in der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Für die Anhörungsrüge bestand damit kein vernünftiger Anlass. Da ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers Erfolg haben könnte, führt auch ihre Verwerfung als unzulässig nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil (vgl. BVerfGE 119, 292 <302>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

29

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 119, 292 <301>). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395 ff.).

30

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.

Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu:

1.
dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte;
2.
der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes;
3.
dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten hinsichtlich aller Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.