Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 5 ZB 17.340

bei uns veröffentlicht am25.10.2017

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist der Gründer der nach ihm benannten Wehrsportgruppe H... (WSG), die 1980 als verfassungsfeindliche Organisation verboten wurde. 1986 wurde der Kläger vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen mehrerer Fälle der Freiheitsberaubung und Nötigung, wegen Geldfälschung, gefährlicher Körperverletzung, Strafvereitelung sowie Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Aufgrund einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom Juli 1989 wurde der Kläger unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Aktivitäten des Klägers nach seiner Haftentlassung im Jahr 1989 waren Gegenstand einer schriftlichen Anfrage von Landtagsabgeordneten vom 16. April 2012 an die Bayerische Staatsregierung mit dem Titel „Neue Aktivitäten des Rechtsextremisten K...- ... H...“. Im Rahmen dieser Anfrage stellten die Abgeordneten der Staatsregierung zwanzig Fragen. Soweit vom Kläger angegriffen lauten die Fragen sowie die entsprechenden Antworten des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Mai 2012 wie folgt (s. LT-Drs. 16/12648 v. 24.7.2012):

Frage 1.1 Welche rechtsextremen Aktivitäten K...- ... H... sind der Bayerischen Staatsregierung nach dessen Haftentlassung bekannt?

Antwort der Bayerischen Staatsregierung:

H ... tritt nach den vorhandenen Erkenntnissen seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung. Insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat‘“ hält er verschiedene Vorträge (...).

Frage 2.1 Was weiß die Staatsregierung über das derzeitige rechtsextreme Netzwerk von H... in Bayern, bundesweit und international?

Antwort der Bayerischen Staatsregierung:

Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H... im Jahr 1980 hat sich H... bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund 20 Personen, unter denen sich zum Teil auch Anhänger der verbotenen Wehrsportgruppe befanden, im Libanon aufge-halten. (...) H... damaliges Ziel war es, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte (...).

Der Kläger erhob am 11. September 2014 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte zuletzt,

dem Beklagten zu untersagen, die nachfolgend aufgeführten Behauptungen über den Kläger zu wiederholen:

1. H... tritt nach den vorhandenen Erkenntnissen seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“ hält er verschiedene Vorträge.

2. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H... im Jahr 1980 hat sich H... bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund zwanzig Personen, unter denen sich auch Anhänger der verbotenen Wehrsportgruppe befanden, im Libanon aufgehalten. H... damaliges Ziel war es, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte.

hilfsweise festzustellen,

dass die streitgegenständlichen Antworten des Beklagten auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten U. Gothe und Dr. S. Dürr vom 16. April 2012 mit dem Titel „Neue Aktivitäten des Rechtsextremisten K...- ... H...“ vom 18. Dezember 2012 insoweit rechtswidrig sind, als sie ausführen,

1. dass der Kläger seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung tritt, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende – gezielte Verdächtigung als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“

2. dass der Kläger bei seinem Aufenthalt im Jahr 1980 bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund 20 Personen, u.a. auch Anhängern der verbotenen Wehrsportgruppe, das Ziel hatte, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland und Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte durchzuführen.

Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob seine Aktivitäten aus früheren Zeiten zu Recht oder zu Unrecht als „rechtsextremistisch“ bezeichnet werden könnten. Entscheidend sei, ob seine seit dem Jahr 2010 öffentlich entwickelten Aktivitäten als „rechtsextremistisch“ bezeichnet werden dürften oder nicht. Der Beklagte werte zu Unrecht die Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“ als „rechtsextremistische Aktivität“. In diesem Buch seien keine rechtsextremistischen Inhalte zu finden. Der Beklagte versuche, seine unzutreffende Behauptung mit dem Hinweis auf eine Podiumsdiskussion mit einem ehemaligen „Rechtsterroristen“ zu rechtfertigen. Bei dieser Podiumsdiskussion sei es nicht um etwaige rechtsextreme Agitation, sondern um eine Richtigstellung diverser, in den Medien verbreiteter Unwahrheiten und darüber hinaus um ein ernsthaftes Bemühen gegangen, durch das Aufzeigen des unglücklich verlaufenen Lebensweges dieser Person junge Leute zu warnen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Falls er Vorträge vor rechtsgerichteter Zuhörerschaft gehalten habe, bedeute dies keinesfalls, dass die Inhalte des Vortrags das Weltbild der Zuhörer widerspiegeln würden. Seine Vorträge vor rechtsgerichtetem Publikum seien immer kritisch gewesen. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass ein von ihm im Netz veröffentlichter Aufsatz in dem rechtsextremistischen Netzwerk „Freies Netz Süd“ veröffentlicht würde, erkläre er, dass er keine persönlichen Beziehungen zu den Gestaltern des Netzwerkes unterhalte. Es dürfe nicht darauf ankommen, wer die Schriften des Klägers aufgreife und weiterverbreite. Es komme nur darauf an, was er als Autor inhaltlich zu verantworten habe. Die Behauptung, er hätte im Libanon eine Gruppe mit dem Ziel gegründet, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, sei unwahr. Diese Tatsachenbehauptung erfülle den Tatbestand der Verleumdung. Hauptantrag und Hilfsanträge seien jeweils zulässig, da eine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Zudem habe der Kläger ein Rehabilitationsinteresse.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klage sei bereits unzulässig, für einen Unterlassungsanspruch zur Begründung des Rechtschutzinteresses sei die Darlegung einer konkreten Wiederholungsgefahr erforderlich. Daran fehle es hier. Im Übrigen habe der Kläger den Volltext der schriftlichen Anfrage sowie die Antwort des Staatsministeriums des Innern auf seiner Homepage unter der Rubrik „in eigener Sache“ selbst veröffentlicht. Zudem sei der Kläger ab Kenntnis der über ihn veröffentlichten Aussagen über zwei Jahre untätig geblieben. Dies gelte umso mehr für die Antwort auf die Fragestellung 2.1 der schriftlichen Anfrage, die nahezu wortgleich der Berichterstattung des Verfassungsschutzberichtes Bayern von 1981 entspreche, gegen die gerichtlicher Rechtschutz nicht in Anspruch genommen worden sei. Die über den Kläger getroffenen Aussagen seien als Meinungsäußerungen bzw. Wertungen rechtmäßig. Soweit sich der Kläger in seiner Klage gegen die Wertung, seine Aktivitäten seit 2010 seien rechtsextremistisch, wende, lasse eine Gesamtschau der offenen verwertbaren Erkenntnisse den Schluss zu, dass der Kläger in rechtsextremen Zusammenhängen aktiv sei. Für die Erkenntnisse lägen zahlreiche Beweismittel vor.

Mit Urteil vom 8. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Die Klage sei im Hauptantrag Nr. 1 und im Hilfsantrag Nr. 1 zulässig, aber unbegründet, im Hauptantrag Nr. 2 und im Hilfsantrag Nr. 2 unzulässig. Der Beklagte habe die von dem Kläger beanstandete Äußerung, die Gegenstand des Haupt- und Hilfsantrags Nr. 1 und als ein Werturteil bzw. eine Meinungsäußerung, nicht als eine Tatsachenbehauptung zu qualifizieren sei, nicht in rechtswidriger Weise abgegeben. Die Bezeichnung der öffentlichen Aktivitäten des Klägers seit 2010, insbesondere seiner Vortragstätigkeit, als „rechtsextremistisch“ sei keine einem Beweis zugängliche Aussage. Es werde auch nicht unterstellt, der Kläger sei Mitglied einer rechtsextremistischen Gruppierung. Die Äußerung stehe aber im Bezug zu den gleichfalls erwähnten „öffentlichen Aktivitäten“ des Klägers, insbesondere seiner Vortragstätigkeit. Der Beklagte habe im gerichtlichen Verfahren ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte zur Stützung dieses Werturteils vorgetragen. Die Aussagen des Klägers in der Öffentlichkeit, bei Vortragsveranstaltungen und im Rahmen von Interviews, sowie die Wahl der Plattformen, über die der Kläger seine Ansichten verbreite, seien geeignet, das Werturteil des Rechtsextremismus bezogen auf den Kläger zu stützen. Der Beklagte verweise zudem auf die Homepage des Klägers, auf der er Verschwörungstheorien gegen die WSG und seine Person verbreite. Zudem nutze der Kläger verschiedene, der rechtsextremistischen Szene zuzuordnende Medien zur Verbreitung seiner Ansichten, wie die Homepage des mittlerweile als verfassungsfeindlich verbotenen Freien Netzes Süd. Den ersten Vortrag seit über dreißig Jahren habe der Kläger am 11. September 2010 auf einer Veranstaltung des rechtsextremistischen „Freien Netzes Borna/Geithein“ in Zschadraß/Sachsen zum Thema „Die WSG, Klischee und Wirklichkeit“ gehalten. Der Beklagte habe sein Werturteil auf einen vertretbar gewürdigten Tatsachenkern gestützt. Der Klageantrag in Haupt- und Hilfsantrag Nr. 2 sei bereits unzulässig. Der Klage fehle es insoweit am Rechtschutzbedürfnis. Im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981 und 1982 und des Bundes aus den Jahren 1980, 1981 und 1982 fänden sich eine ähnliche Passage wie die hier beanstandete Äußerung. Durch seine jahrzehntelange Untätigkeit sei es dem Kläger verwehrt, gerichtlich über Vorgänge befinden zu lassen, die inzwischen mehr als fünfunddreißig Jahre zurücklägen und schon im Jahr 1981 so bewertet worden seien wie im Jahr 2012 als reine Wiederholung der damaligen Äußerung im Verfassungsschutzbericht. Auch sei für den Kläger letztlich ohne großen Nutzen, wenn er eine reine Wiederholung im Jahr 2012 im Rahmen einer Landtagsanfrage zum Anlass nehme, die Richtigkeit dieser Verfassungsschutzberichtspassage gerichtlich überprüfen lassen zu wollen. Die ursprüngliche Aussage (hier insbesondere im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981) bliebe unverändert bestehen und wäre weiterhin für jedermann zugänglich.

Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit sie überhaupt substantiiert dargelegt wurden, nicht vorliegen. Das gilt für beide Streitgegenstände. Es bestehen keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz (Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO) sind nicht ausreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt jedenfalls nicht vor.

1. Zur Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf Frage 1.1:

a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hinsichtlich der Abweisung der Klage im ersten Hauptantrag und im ersten Hilfsantrag liegen nicht vor. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009, 515/516 m.w.N.).

Zur Begründung ernstlicher Zweifel trägt der Kläger vor, auch Werturteile bzw. Meinungsäußerungen müssten einen tragfähigen Hintergrund haben. Für den Begriff „rechtsextremistisch“ sei die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung heranzuziehen, zumal diese Definition den Kern der Sache treffe. Der Kläger habe im Einzelnen vorgetragen, warum er nicht als Rechtsextremist auftrete, insbesondere erfüllte er die von der Bundeszentrale für politische Bildung angeführten Charakteristika für den Rechtsextremismus gerade nicht. Der Beklagte habe im gerichtlichen Verfahren auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen; die wenigen Indizien seien gerade nicht hinreichend, um den Kläger nicht nur dem rechten Spektrum zuzuordnen, sondern ihn gar als extremistisch einzuordnen. Die Anwesenheit von Personen aus dem rechten Spektrum bei den Vorträgen des Klägers u.a. zur Wehrsportgruppe und zum Oktoberfestattentat sei kein hinreichendes Indiz für die Einstufung als extremistisch. Das Verwaltungsgericht gehe fehl, wenn es ausführe, dass in der Gesamtschau keine überzeugende Widerlegung der vom Beklagten vorgenommenen Bewertung durch den Kläger erfolgt sei, wenn es gleichzeitig eine Beweiserhebung zur Feststellung, wann eine öffentliche Aktivität rechtsextremistisch sei, ablehne. Hier befinde sich das Verwaltungsgericht in einem Zirkelschluss, verletze Denkgesetze und missachte prozessuale Grundsätze. Das Verwaltungsgericht hätte sich mit den vom Beklagten vorgebrachten Anhaltspunkten auseinandersetzen müssen. Dann wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgeblichen Beweismittel des Beklagten die Einstufung als „extremistisch“ nicht im Ansatz stützten. Es dürfe nicht der äußerliche Anschein reichen, um daraus auf die innere Überzeugung des Klägers zu schließen, ohne sich mit den eigentlichen Äußerungen des Klägers auf den vom Beklagten benannten Veranstaltungen auseinanderzusetzen.

Aus diesem Vortrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Entgegen der Zulassungsbegründung hat die Bayerische Staatsregierung den Kläger in ihrer Antwort auf die schriftliche Landtagsanfrage nicht als Rechtsextremisten bezeichnet und ihm auch nicht unterstellt, er sei Mitglied einer rechtsextremistischen Gruppierung. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen (UA S. 14). In der Äußerung, der Kläger trete seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung, liegt ein deutlicher Unterschied zur Bezeichnung einer Person als „Rechtsextremisten“. Sie bedeutet, wie der Beklagte in der Klageerwiderung beim Verwaltungsgericht (Schriftsatz vom 29.1.2015 S. 9) zutreffend ausführte, dass der Kläger in „rechtsextremen Zusammenhängen aktiv“ ist. Für eine solche Äußerung genügen daher deutlich geringere sachliche Anhaltspunkte als für eine Bezeichnung als Rechtsextremisten. Der Ausdruck „tritt mit Aktivitäten in Erscheinung“ macht ferner deutlich, dass es sich nur um vereinzelte Ereignisse handelt. Die Äußerung knüpft zudem an das Verhalten des Klägers an und nicht direkt an seine Gesinnung bzw. innere Einstellung.

Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten darin überein, dass es sich bei der strittigen Äußerung um ein Werturteil bzw. eine Meinungsäußerung, nicht hingegen um eine Tatsachenbehauptung handelt (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10 – NJW 2012, 3712 f.).

Für den Begriff „rechtsextremistisch“ gibt es keine allgemein anerkannte, erst recht keine rechtlich verbindliche, normative Definition, unter dessen Tatbestandsmerkmale ein Gericht den Sachverhalt subsumieren könnte. Keinesfalls ist der Beklagte bei seinem Werturteil bzw. seiner Meinungsäußerung an die Beschreibung des Rechtsextremismus durch die Bundeszentrale für politische Bildung oder in anderen Werken in dem Sinne gebunden, dass als rechtsextremistisch nur bezeichnet werden darf, wer alle dort aufgeführten Merkmale erfüllt; vielmehr reicht auch die Erfüllung einzelner Merkmale. Ob dabei die Erfüllung einzelner Merkmale bei einer Person als rechtsextrem oder rechtsextremistisch eingeschätzt wird, unterliegt der Meinungsfreiheit des Äußernden. Diese Frage ist einem Beweis nicht zugänglich (BVerfG, B.v. 17.9.2012 a.a.O. Rn. 27). Auch wer sich einer scheinbar harmlosen Wortwahl bedient, darf danach, wenn seine verfassungsfeindlichen und für rechtextremistische Personen typischen Ansichten und/oder Absichten offenbar werden, als rechtsextremistisch bezeichnet werden.

Bei Äußerungen von öffentlichen Stellen müssen sich Werturteile an allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, vor allem an dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, messen lassen. Werturteile und Meinungsäußerungen unterliegen danach insbesondere dem Sachlichkeitsgebot, das verlangt, dass die getätigte Äußerung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruht und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreitet (vgl. BVerfG, B.v. 15.8.1989 – 1 BvR 881/89 – juris Rn. 7/15; BVerwG, B.v. 11.11.2010 – 7 B 54.10 – juris Rn. 14/15; BVerwG, U.v. 23.5.1989 – 7 C 2.87 – juris Rn. 58). Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in den Ausführungen des Willkürverbotes sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren (BVerwG, B.v. 11.11.2010 a.a.O.).

Dieses Erfordernis des Vorliegens sachlicher Anhaltspunkte bedeutet, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 26 zum Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte in Art. 15 Satz 1 BayVSG).

Hieran gemessen liegen ausreichende sachliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte die Meinung vertreten und äußern darf, dass der Kläger seit 2010 wieder mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung tritt, also in rechtsextremen bzw. in rechtsextremistischen Zusammenhängen auftritt.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht aus der vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 29. Januar 2015, den dort auf den Seiten 9 bis 18 geschilderten Sachverhalten und den in Anlage beigefügten 25 Beweismitteln geschlossen, dass das Werturteil des Beklagten nicht zu beanstanden ist (UA S. 14).

Den ersten Vortrag seit über 30 Jahren hielt der Kläger am 11. September 2010 auf einer Veranstaltung des vom Beklagten (insoweit vom Kläger unwidersprochen) als rechtsextremistisch eingeschätzten „Freien Netzes Borna/Geithein“ in Sachsen. Wer auf einer rechtsextremistischen Veranstaltung einen Vortrag hält, entfaltet eine rechtsextremistische Aktivität. Soweit der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und in der Zulassungsbegründung den Eindruck erwecken möchte, er trete vor rechten, rechtsextremen oder rechtsextremistischen Gruppen quasi als Kritiker des Rechtsextremismus auf, muss der Beklagte ihm das aufgrund seiner Vergangenheit, seiner mangelnden Distanzierung von früher offensichtlich rechtsextremistischen Gedankenguts und seiner neuerlichen Aktivitäten und öffentlichen Äußerungen nicht abnehmen. Dass der Kläger von rechtsextremen Gruppen im Hinblick auf seine Einstellung zu Türken und zum Islam kritisiert wird, hindert die Einstufung seiner Aktivitäten als rechtsextremistisch nicht. Es ist dem Extremismus immanent, dass er auf Intoleranz und Vorurteilen basiert. Der Beklagte musste daher nicht annehmen, rechtsextremistische Personen würden einem Kritiker des Rechtsextremismus zuhören, mögen die Rechtsextremisten in einzelnen Punkten auch unterschiedlicher Meinung sein.

Es kann offen bleiben, in welchem Umfang rechtsextremistisches Gedankengut dem Buch des Klägers „Die Oktoberfestlegende - gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“ zugrunde liegt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2017 – 2 BvE 1/15 – juris Rn. 2), so dass die Leugnung der Täterschaft von Rechtsextremisten der Sache der rechtsextremistischen Szene dient. Darüber hinaus hat der Kläger dieses Buch im „Deutsche Stimme Verlag“ veröffentlicht. Der Beklagte bezeichnet diesen Verlag ohne Widerspruch des Klägers als dezidiert rechtsextremistischen Verlag, der direkt der NPD zuzurechnen sei und der auch deren Parteizeitung herausgebe. Es ist offensichtlich, dass sich ein solcher Verlag an ein entsprechendes Szenepublikum richtet. Wer ein Buch in einem offensichtlich rechtsextremistischen Verlag zum Zwecke der Leugnung eines rechtextremistischen terroristischen Anschlags veröffentlicht, entfaltet eine rechtsex-tremistische Aktivität.

Bereits diese beiden Aktivitäten des Klägers sind ausreichende sachliche Anhaltspunkte für das Werturteil des Beklagten, der Kläger trete (wieder) mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung.

Entsprechendes gilt für das Interview des Klägers mit der NPD-eigenen Zeitung „Deutsche Stimme“ im November 2011. Ferner finden sich Veröffentlichungen des Klägers auf der Homepage des als verfassungsfeindlich verbotenen Freien Netzes Süd (FNS). Auch wenn der Kläger auf die Veröffentlichung als solche keinen Einfluss haben mag, ist das ein Anhaltspunkt für die Nähe seiner Äußerungen zu rechtsextremistischem Gedankengut.

Schließlich ergeben sich auch aus dem Bericht der Redaktion Report Mainz vom 15. Januar 2013 Anhaltspunkte für rechtsextremistische Aktivitäten des Klägers. Ausweislich der Presseerklärung der Redaktion sprach der Kläger wenige Monate vor dem 15. Januar 2013 bei einem konspirativen Treffen von etwa 30 Neonazis in Balingen. Zu den konspirativen Treffen eingeladen hätten „Freie Kameradschaften“. Der Kläger habe Report mitgeteilt, er habe 2012 bundesweit 12 Vorträge gehalten. Die Teilnehmer der Veranstaltung hätten sich meistens geheim verabredet. Daran teilgenommen hätten nach Angaben des Klägers auch Funktionäre der verbotenen neonazistischen Organisation „Wiking Jugend“.

Dafür, dass sich der Kläger sich von der Einstellung seines Zuhörer- und Anhängerkreises distanziert, gibt es keine Anhaltspunkte. Die bloße Behauptung, er sei nicht rechtsextremistisch im Sinne der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung, oder auch vereinzelte Ansichten des Klägers, die vom rechtsextremistischen Mainstream abweichen, reichen hierfür nicht. So weist der Beklagte nach Auswertung des Vortrags des Klägers am 19. April 2012 in Balingen darauf hin (Schriftsatz vom 29.1.2015 S. 17 f.), dass der Kläger der rechtsextremen Szene mehrfach strategische Tipps gebe und seine Zuhörerschaft auffordere, ihre Anliegen „richtig“ zu vertreten. Die bloße Mäßigung in der Wortwahl steht jedoch einer Einschätzung hinsichtlich der erkennbaren tatsächlichen Ziele und Absichten nicht entgegen.

So wird auch in der Antwort der Bundesregierung vom 21. Februar 2013 auf die Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten (BT-Drs. 17/12431) ausgeführt, der Kläger sei ideologisch nach wie vor dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen. Gegenstand seiner politischen Aktivitäten seien insbesondere Auftritte bei Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen der rechtsextremistischen Szene, u. a. auch bei der NPD. Der Kläger genieße in Teilen der rechtsextremistischen Szene besondere Beachtung als ehemaliger Anführer der verbotenen „Wehrsportgruppe H...“ sowie der „Wehrsportgruppe Ausland“.

Die im Urteil des Verwaltungsgerichts vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht ernstlich zweifelhaft. Insoweit kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ohnehin nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, den Gesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 ZB 16.2594 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 3.7.2017 – 6 ZB 16.2272 – juris Rn. 13).

Eine solchermaßen fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung liegt hier offensichtlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht war ebenso wie der Senat im Zulassungsverfahren nicht gezwungen, alle Äußerungen des Klägers in seinem Buch oder in seinen Vorträgen daraufhin zu untersuchen, inwieweit darin rechtsextremistisches Gedankengut enthalten ist. Für das Werturteil des Beklagten, dass der Kläger wieder mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung tritt, reichen die dargestellten Aktivitäten des Klägers in der rechtsextremistischen Szene. Der Kläger hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dargelegt, dass die Aktivitäten, die der Beklagte zur Stützung seines Werturteils herangezogen hat, nicht stattgefunden hätten, er leugnet nur die Einstufung dieser Aktivitäten als „rechtsextremistisch“.

b) Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Eine solche Divergenz ist schon nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger hat keinen tragenden Rechts- oder Tatsachensatz angeführt, auf den sich das angefochtene Urteil stützt und der von einem Rechts- oder Tatsachensatz eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Obergerichts abweicht. Der Vortrag, „mit dieser Missachtung prozessualer Rechte des Klägers und einer unzureichenden Beweiswürdigung verstoße das Urteil gegen obergerichtliche Rechtsprechung, nach der diese prozessualen Grundsätze und eine notwendige Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag zu einer korrekten Entscheidungsfindung notwendig“ seien, reicht zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds nicht.

c) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3). Der Zulassungsgrund ist bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).

Der Kläger trägt insoweit vor, die Rechtssache habe auch „tatsächliche“ Bedeutung. Würde das Urteil Bestand haben, wäre es schlicht nicht mehr möglich, durch rein äußerliche Indizien gestützte Werturteile zu entkräften und zu widerlegen, indem man sich mit den zugänglichen Inhalten tatsächlich auseinandersetze. Damit wird weder eine Tatsachenfrage noch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt. Der Kläger verkennt, dass die von ihm als „äußerliche Indizien“ bezeichneten Aktivitäten in rechtsextremistischen Kreisen für den Beklagten ausreichende Anhaltspunkte für die Meinungsäußerung bzw. das Werturteil sind, der Kläger trete wieder mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung. Die Berechtigung einer solchen Meinungsäußerung ist immer eine Frage des Einzelfalls.

d) Soweit der Kläger in der Zulassungsbegründung vorträgt, das Verwaltungsgericht hätte ihm Gelegenheit geben müssen, Stellung zu beziehen, soweit es darauf für das Gericht ankomme, macht er in Wahrheit einen Verfahrensverstoß hinsichtlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs geltend (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Unabhängig davon, ob dieser Zulassungsgrund ausreichend dargelegt ist, liegt der jedenfalls in der Sache nicht vor. Zwar hat das Verwaltungsgericht in dem dem Urteil vorausgehenden Gerichtsbescheid die Klage insgesamt für unzulässig gehalten. Der Kläger war dadurch jedoch nicht gehindert, auch zur Begründetheit vorzutragen. Hiervon hat er auch Gebrauch gemacht.

Darin, dass das Verwaltungsgericht seine geänderte Rechtsauffassung hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage nicht vorab in der mündlichen Verhandlung kundtat, liegt kein Gehörsverstoß, denn aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2016 – 5 P 4.16 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 16.8.2011 – 6 B 18.11 – juris Rn. 9). Insbesondere muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (BVerwG, B.v. 15.7.2016 a.a.O. Rn. 3 m.w.N.). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wurde nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Eine Verletzung des § 108 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat keinen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gegeben, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 108 Rn. 24 m.w.N.).

2. Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf Frage 2.1:

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auch nicht hinsichtlich der Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf Frage 2.1. Das Verwaltungsrecht hat vielmehr zu Recht die Klage im Hauptantrag Nr. 2 und im Hilfsantrag Nr. 2 als unzulässig abgewiesen. Denn insoweit fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Der Kläger trägt hierzu vor, ihm das Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage insoweit – unabhängig davon, ob die aufgestellten Behauptungen wahr oder unwahr seien – abzusprechen, sei menschenverachtend und degradierte ihn zum Objekt staatlichen Handelns. Er greife die aktuell im Jahr 2012 erfolgte Äußerung an, von der er erst im Jahr 2014 Kenntnis erlangt habe. Er habe keine Verpflichtung gehabt, während seiner Inhaftierung oder auch in Freiheit regelmäßig Verfassungsschutzberichte und Äußerungen des Beklagten gegenüber dem „Parlament von Bayern“ daraufhin zu verfolgen, ob unwahre Äußerungen über ihn verbreitet würden. Darüber hinaus seien diese Äußerungen durch die seit 2010 verstärkt zunehmende mediale Bedeutung des Internets einem sehr viel größeren Kreis von Empfängern zugänglich und entfalteten daher eine weitaus größere Wirkung als zuvor. Auch sei der Kreis von Interessenten und Empfängern und im Internet öffentlich zugänglichen Antworten auf Anfragen im parlamentarischen Geschäftsbetrieb ein anderer als der von Verfassungsschutzberichten. Das habe das Verwaltungsgericht nicht beachtet. Unabhängig von früheren Äußerungen habe der Beklagte nicht das Recht, falsche Äußerungen zu wiederholen. Das Verwaltungsrecht hätte sich daher im Rahmen seiner bestehenden Amtsermittlungspflicht damit auseinandersetzen müssen, ob diese Behauptungen der Beklagten richtig oder falsch seien. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Kläger eine 30-jährige Verleumdung auch weiterhin dulden müsse, nur weil sie ihm nicht zuvor zur Kenntnis gelangt sei.

Aus diesen Ausführungen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Dem Kläger fehlt hier das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, weil seine Klage hinsichtlich der Äußerung der Bayerischen Staatsregierung vom 18. Mai 2012 insoweit (Haupt- und Hilfsantrag Nr. 2) missbräuchlich und nutzlos ist (vgl. hierzu Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor §§ 40-53 Rn. 16 ff.). Die streitige Äußerung ist letztlich nur eine Wiedergabe einer Feststellung in „amtlichen“ Verfassungsschutzberichten des Beklagten sowie der Bundesrepublik Deutschland.

Im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981 heißt es wörtlich auf Seite 106: „Schon bald nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H... (WSG) am 30. Januar 1980 entfaltete ihr Gründer und Chef Aktivitäten im Nahen Osten. (...) Bis Mai/Juni 1981 hielt er sich zusammen mit rund 20 Personen, zum Teil Anhängern der verbotenen Wehrsportgruppe, im Libanon auf. Dort hatte er eine Vereinigung gebildet, die er als „Wehrsportgruppe Ausland“ bezeichnete. (...) H... Ziel war, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland her Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte.“ Im Verfassungsschutzbericht Bayern 1982 und des Bundes aus den Jahren 1980, 1981 und 1982 findet sich jeweils eine ähnliche Passage. Gegen keinen der genannten Verfassungsschutzberichte hat sich der Kläger gerichtlich gewandt. Die vom Kläger beanstandete Äußerung des Beklagten hinsichtlich seiner Aktivitäten im Libanon in den Jahren 1980 und 1981 entspricht im Wesentlichen der oben zitierten Passage im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981.

Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen, darunter der Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, arbeitenden Stelle (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 30). Stört sich der Kläger an seiner Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bzw. hier an der aus seiner Sicht falschen Beschreibung bestimmter Aktivitäten im Ausland, muss er gegen diese Darstellungen in den Verfassungsschutzberichten gerichtlich vorgehen. Er kann nicht diese amtlichen Berichte der insoweit für diese Beurteilung maßgeblichen Stellen unbeanstandet lassen und sich darauf beschränken, eine reine Wiederholung dieser Darstellungen in einem Schriftstück, das der Beklagte etwa 30 Jahre später im Rahmen einer Landtagsanfrage erstellt, gerichtlich überprüfen zu lassen.

Auch ist es für den Kläger ersichtlich ohne großen Nutzen, wenn es sich nicht gegen die Erwähnung und Beschreibung seiner Ziele und Absichten in den amtlichen Verfassungsschutzberichten wendet, sondern nur gegen eine Wiederholung dieser Äußerung im Rahmen einer Landtagsanfrage. Solange solche Verfassungsschutzberichte mit derartigem Inhalt bestehen, ist es nicht verwehrt, daraus zu zitieren. So hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 13. Juni 2017 (2 BvE 1/15 – juris Rn. 4) ausgeführt, dass sich 15 ehemalige Mitglieder (der Wehrsportgruppe H......) nach dem Verbot als „Wehrsportgruppe Ausland“ zusammengeschlossen habe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 festgestellt, es seien durch die „Wehrsportgruppe Ausland“ Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.). Das zeigt, dass es rechtsmissbräuchlich und nutzlos ist, gegen Wiederholungen und Zitate aus amtlichen Verfassungsschutzberichten in späteren Äußerungen vorzugehen, die Quelle(n) aber unbeanstandet zu lassen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG.

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 5 ZB 17.340

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 5 ZB 17.340

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 5 ZB 17.340 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Referenzen - Urteile

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 5 ZB 17.340 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2017 - 6 ZB 16.2272

bei uns veröffentlicht am 03.07.2017

Tenor I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 28. September 2016 - B 4 K 15.535 - wird abgelehnt. II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2015 - 10 B 15.1609

bei uns veröffentlicht am 22.10.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 10 B 15.1609 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. Oktober 2015 (VG München, Entscheidung vom 17. Oktober 2014, Az.: M 22 K 13.2076) 10. Senat Sachge

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2015 - 10 B 15.1320

bei uns veröffentlicht am 22.10.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 10 B 15.1320 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. Oktober 2015 (VG München, Entscheidung vom 16. Oktober 2014, Az.: M 22 K 14.1743) 10. Senat Sachgebietsschlüssel

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 10 ZB 16.2594

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15

bei uns veröffentlicht am 13.06.2017

Tenor 1. Die Antragsgegnerin hat a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. Novemb

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Sept. 2012 - 1 BvR 2979/10

bei uns veröffentlicht am 17.09.2012

Tenor Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 23. Jan. 2018 - 12 S 1952/17

bei uns veröffentlicht am 23.01.2018

Tenor Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2017 - 8 K 5814/15 - wird abgelehnt.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Gründe

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem äußerungsrechtlichen Fall. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

2

1. Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Rechtsanwalt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ebenfalls ein Rechtsanwalt (im Folgenden: Kläger), beschäftigt sich auf seiner Kanzleihomepage und in Veröffentlichungen in Zeitschriften mit politischen Themen. So verfasste er mit einem Co-Autor den Text "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", in dem es um die angeblich die Welt beherrschende Gruppe von "Kosmokraten" geht. Darin heißt es:

3

Bis heute sind es aber zumeist die superreichen Familien Englands, Frankreichs und Hollands - größtenteils khasarische, also nicht-semitische Juden -, die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmen.

4

In einem weiteren Artikel mit dem Titel "Art. 146 GG - Die Mär der gesamtdeutschen Verfassung" befasst sich der Kläger mit dem "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes. Dort heißt es:

5

Das Grundgesetz ist lediglich ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte.

6

In einem Diskussionsforum im Internet (www.antivegan.de/forum) setzte sich der Beschwerdeführer mit diesen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym "pünktchen" unter einer Rubrik, die den Namen des Klägers nennt, auseinander und nannte sie "rechtslastigen Dreck". Nachdem der Kläger unter Androhung rechtlicher Schritte die Löschung dieser Formulierung gefordert hatte, äußerte sich der Beschwerdeführer in dem Forum wie folgt:

7

Wieso? Ich finde nun mal, dass Sie rechten Dreck verbreiten. Ich habe oben auch belegt, was ich damit konkret meine. …

8

Zu dem Artikel "Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung" schrieb der Beschwerdeführer in dem Forum:

9

Er liefert einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei.

10

Ein Unterlassungsbegehren wies der Beschwerdeführer zurück und führte in einem Schreiben an den Kläger aus:

11

Wer wie Sie meint, die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen, muss es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden.

12

Dieses Schreiben stellte der Beschwerdeführer einem begrenzten Kreis von Nutzern im Internet zur Verfügung. In diesen Kreis ist allerdings ein "Hacker" eingebrochen.

13

2. Das Landgericht verurteilte mit angegriffenem Urteil den Beschwerdeführer dazu, es zu unterlassen,

14

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder die Behauptung verbreiten zu lassen, dass er rechtsextreme Beiträge verfasst, und/oder dass sich sein Denken vom klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild nicht wirklich unterscheidet, und/oder dass er es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden.

15

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die umstrittenen Äußerungen jeweils einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten. Die Behauptung, jemand verfasse rechtsextreme Beiträge, und damit sinngemäß die Unterstellung, jemand sei rechtsradikal, stelle nur dann keinen Eingriff dar, wenn sich diese Behauptung zutreffend beweisen lasse beziehungsweise unter dem Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG stehe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

16

Da der Kläger sich nicht einer überlegenen Gruppe von Menschen zuordne und die Gruppe von Menschen mit großem wirtschaftlichem Einfluss nicht als minderwertige Gruppe bewerte, sei nicht erwiesen, dass die Beiträge rechtsextreme Beiträge seien. Die erforderliche Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Diese Ausführungen seien auch auf die zweite und dritte in Frage stehende Meinung des Beschwerdeführers zu übertragen.

17

3. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urteil zurück. Es führt aus, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Meinungsäußerungen handele, weil es einer Wertung bedürfe, ob ein Text rechtsradikale Züge trage, beziehungsweise von einem rechtsextremen Gedankengut getragen sei. Eine solche Wertung sei einem Beweis nicht zugänglich. Grob gesagt sei die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung bei der sogenannten Schmähkritik erreicht. Hier handele es sich um Schmähkritik, weil der Beschwerdeführer den Kläger ohne jeden nachvollziehbaren Hintergrund aus völlig anderen Motiven als denen einer sachlichen Auseinandersetzung als rechtsradikal habe brandmarken wollen.

18

4. Mit angegriffenem Beschluss wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass die Gründe des Urteils die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht außer Acht ließen.

19

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit und einen Gehörsverstoß.

20

Der Kläger habe sich öffentlich zu wesentlich das Gemeinwohl betreffenden Fragen geäußert. Für die vom Beschwerdeführer daran geäußerte Kritik spreche eine Vermutung der Zulässigkeit. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik seien strenge Maßstäbe anzulegen. Die inkriminierten Äußerungen hätten konkrete Bezugspunkte. Das Oberlandesgericht verkenne, dass es keines speziellen Anlasses bedürfe, sich zu öffentlich geäußerten Ansichten seinerseits kritisch zu äußern.

21

Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm auseinandergesetzt habe.

22

6. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und hält sie für unzulässig und unbegründet. Die Bayerische Staatsregierung hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

23

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

24

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

25

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Meinungen sind dagegen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

26

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

27

Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, denn es ist nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheidet und wann man "es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden".

28

Das Urteil des Landgerichts ist fehlerhaft, weil es die erste Äußerung offenbar als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung einordnet und somit aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Die dennoch durchgeführte Abwägung vermag den Fehler nicht zu heilen, weil sie wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt und das Landgericht deswegen den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht ausreichend beachtet hat (siehe unten, Ziff. 1b). Aus dem gleichen Grund greift die von dem Landgericht durchgeführte Abwägung auch hinsichtlich der beiden anderen beanstandeten Äußerungen zu kurz (siehe unten, Ziff. 1b).

29

Zunächst zutreffend qualifiziert demgegenüber das Oberlandesgericht alle drei Äußerungen als Meinungsäußerungen.

30

Fehlerhaft ist dann aber, dass das Oberlandesgericht die Äußerungen als Schmähkritik einstuft und damit ebenfalls aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <284>). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Alle Äußerungen haben einen Sachbezug. Die erste Äußerung bezieht sich auf den Text des Klägers "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", die zweite Äußerung auf den Text "Art. 146 - Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung", und die dritte Äußerung stammt aus einem vorprozessualen Schriftsatz und bezieht sich auf den Unterlassungsanspruch.

31

b) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

32

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist nämlich nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören.

33

Durch die Attribute "rechtsextrem" und "rechtsradikal" ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers berührt. Denn mit ihnen ist eine Prangerwirkung verbunden, die geeignet ist, das Ansehen einer Person - zumal als Rechtsanwalt - in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sie kann zu einer einen Rechtsanwalt in seiner Existenz gefährdenden Bedrohung werden.

34

Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

35

In die Abwägung wird vorliegend einzustellen sein, dass der Kläger weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre betroffen ist, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre. Dagegen ist die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Kern betroffen, weil ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wurde. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325 <329>). Der Kläger hat seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann muss zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine echte Diskussion möglich sein. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358). Gegen die Meinung des Beschwerdeführers könnte sich der Kläger im Meinungskampf seinerseits wieder öffentlich zur Wehr setzen.

36

2. Für einen Gehörsverstoß sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Diesbezüglich wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

37

3. Das besondere Gewicht der Grundrechtsverletzung ist durch die Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes indiziert (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

38

4. Die angegriffenen Urteile beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

39

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

40

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 10 B 15.1609

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 17. Oktober 2014, Az.: M 22 K 13.2076)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 520

Hauptpunkte:

Bezeichnung einer Partei als verfassungsfeindliche Bewegung in der Rede des Innenministers zur Vorstellung eines Verfassungsschutzberichts (und in der entsprechenden Presseerklärung); öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch; allgemeine Leistungsklage; Parteienfreiheit; Betätigungsfreiheit;

Äußerungen des Ministers als mittelbar belastende negative Sanktion; Grundrechtseingriff;

Rechtsgrundlage für die Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Partei außerhalb von entsprechenden staatlichen Publikationen; Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen; rechtlicher Maßstab;

tatsächliche Würdigung des vom Verfassungsschutz vorgelegten Erkenntnismaterials;

Zurechenbarkeit von Äußerungen der Verantwortlichen einer Vereinigung (Partei); Bestrebungen zur Einschränkung der Religionsfreiheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime;

pauschal islamfeindliche Propaganda;

„Thesenpapier“ und Parteiprogramm mit Verzichtsforderung;

keine formelle Begründungspflicht bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit;

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;

Art und Weise der Berichterstattung;

für Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (hier: verneint)

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch die Landesanwaltschaft ...,

- Beklagter

wegen Bezeichnung als verfassungsfeindliche Bewegung u. a.;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2015 am 22. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

In Abänderung der Nr. I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 wird die Klage nunmehr insgesamt abgewiesen, soweit das Verfahren nicht wegen Klagerücknahme eingestellt worden ist.

II.

In Abänderung der Nr. II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen bestimmte Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern (jetzt Bayerischer Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr) bei einer Pressekonferenz am 12. April 2013 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und hierzu veröffentlichte Pressemitteilungen.

Auf der Pressekonferenz am 12. April 2013 führte der Minister in seiner Rede unter dem Stichwort „Islamfeindlichkeit“ aus, dass sich Islamfeindlichkeit - losgelöst von klassischen rechtsextremistischen Kreisen - teilweise auch als verfassungsfeindliche Bewegung formiere. Seit Michael St., der Sprecher der ... Gruppe M. (PI-Gruppe M.), Anfang 2012 den Landesvorsitz der Partei „DIE FR.“ übernommen habe, nutze der Landesverband eine Kampagne für ein Bürgerbegehren gegen das „Europäische Zentrum für Islam in München“ (ZIE-M) für pauschal islamfeindliche Propaganda. Die Aktivitäten zielten darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen. Dadurch würden die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt. Weiter teilte der Minister mit, dass der „Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz daher die Beobachtung der PI-Ortsgruppe M. und des Bayerischen Landesverbandes der Partei „DIE FR.“ angeordnet“ habe. In dem bei dieser Pressekonferenz vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2012 selbst wird die Klägerin noch nicht erwähnt.

Zur Rede des Ministers wurde ein Manuskript an die anwesenden Pressevertreter verteilt. Die Rede wurde in der Pressemitteilung Nr. 139/13 des Bayerischen Innenministeriums vom 12. April 2013 und gleichlautend in einer Pressemitteilung unter dem Rubrum der Bayerischen Staatsregierung vom 12. April 2013 (Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern) ins Internet gestellt.

Am 3. Mai 2013 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München mit den (sinngemäßen) Anträgen, den Beklagten zu verpflichten, die Äußerungen des Bayerischen Innenministers vom 12. April 2013, dass die Partei „DIE FR.“ eine verfassungsfeindliche Bewegung sei, pauschal islamfeindliche Propaganda nutze und dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen würde, sowie die hierzu veröffentlichten Pressemitteilungen des Bayerischen Innenministeriums und der Bayerischen Staatsregierung vom 12. April 2013 zu widerrufen (I.), entsprechende Äußerungen künftig zu unterlassen (II.) und diese oder entsprechende Äußerungen auf den Internetseiten des Beklagten zu entfernen (III.).

Nach Rücknahme der Klage bezüglich des Klageantrags II. in der mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Oktober 2014 das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde, den Beklagten verurteilt, die Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern vom 12. April 2013 zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die hierzu herausgegebene Pressemitteilung auf den Internetseiten des Beklagten nur mehr in der Weise zugänglich zu machen, dass bezüglich der die Klägerin betreffenden Passagen die Formulierungen „verfassungsfeindliche Bewegung“ (Rede Seite 7, 2. Absatz), „pauschal islamfeindliche Propaganda“ (Rede Seite 8, 1. Absatz am Ende; Pressemitteilung 4. Absatz) und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ (Rede Seite 8, 2. Absatz; Pressemitteilung 3. Absatz) unkenntlich gemacht oder entfernt werden, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Widerrufsbegehren (Klageantrag I.) sei unbegründet, weil es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen des Bayerischen Innenministers und den entsprechenden Pressemitteilungen vom 12. April 2013 ganz überwiegend nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile handle. Bei Werturteilen scheide das Rechtsinstitut des Widerrufs, das ausschließlich der Richtigstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen diene, aus. Hinsichtlich des zurückgenommenen Unterlassungsbegehrens (Klageantrag II.) sei das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO nach Rücknahme der Klage einzustellen. Im Übrigen (Klageantrag III.) habe die Klage Erfolg. Die Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern über die Klägerin auf der Pressekonferenz vom 12. April 2013 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die entsprechenden Pressemitteilungen des Beklagten im Internet seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass die Rede und die Pressemitteilungen nur nach Unkenntlichmachung oder Entfernung der Passagen über die Klägerin (öffentlich) zugänglich gemacht würden. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus den konkret betroffenen verfassungsrechtlichen Positionen der Klägerin, also aus ihrer Parteifreiheit (Art. 3, 21 und 38 GG), ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Äußerungen und Pressemitteilungen, die der Abwehr besonderer Gefahren durch mit besonderen Befugnissen ausgestattete Behörden dienten, seien als Grundrechtseingriff zu bewerten, weil sie geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken. Zudem behinderten sie die Klägerin als politische Partei in ihrer durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 gewährleisteten Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung des Volkes. Zugleich sei die Klägerin als Partei in der ihr durch Art. 3, 21 und 38 GG gewährleisteten Chancengleichheit betroffen. Allerdings erlaube Art. 15 Satz 1 BayVSG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG eine Beschränkung dieser Grundrechte. Sämtliche Formen verfassungsschutzbezogener Unterrichtung der Öffentlichkeit seien an diesen Bestimmungen zu messen. Da der Bayerische Innenminister als der für den Verfassungsschutz zuständige Ressortminister im Zusammenhang mit der Vorstellung eines Verfassungsschutzberichtes auf einer Pressekonferenz auch über die Klägerin verfassungsschutzrechtliche Bewertungen getroffen habe, die der Beklagte über Pressemitteilungen im Internet weiterverbreitet habe, genüge für solche Verlautbarungen nicht die allgemeine Kompetenz zur Äußerung von Regierungsmitgliedern.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 BayVSG lägen hier nicht vor. Es spreche bereits viel dafür, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht mehr von dieser Rechtsgrundlage gedeckt seien, weil den Werturteilen nicht gleichzeitig (auch) hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte zu ihrer Stützung beigefügt worden seien. Schon dem Wortlaut des Art. 15 BayVSG nach seien solche Fakten der Öffentlichkeit mitzuteilen gewesen und nicht nur die Werturteile. Auch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei die Mitteilung entsprechender Fakten erforderlich. An der gebotenen Mitteilung nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte fehle es hier völlig. Dieser Mangel habe nachträglich durch das vom Beklagten im Verfahren vorgelegte Tatsachenmaterial nicht geheilt werden können. Jedenfalls seien die streitgegenständlichen Äußerungen und deren Verbreitung durch Pressemitteilungen materiell rechtswidrig, weil - im Übrigen bis heute -keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Behauptung existierten, die Klägerin sei eine verfassungsfeindliche Bewegung, die pauschal islamfeindliche Propaganda nutze und dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Für eine Erwähnung bestimmter Organisationen oder Personen im Verfassungsschutzbericht müssten unstreitig konkrete tatsächliche Anhaltspunkte (Anknüpfungstatsachen) für die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayVSG objektiv vorliegen. Ein möglicher, nicht durch belegbare Tatsachen gestützter „bloßer Verdacht“ reiche nicht aus. Zwar habe die Beklagte im Verfahren umfangreiches und substanzielles Erkenntnismaterial zur Stützung der Bewertungen des Ministers vom 12. April 2013 vorgelegt. Diese Erkenntnisse begründeten allerdings nur den Verdacht, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen könnte. Die Verdachtsmomente erlaubten hingegen keine definitive Aussage dahingehend, dass die Klägerin tatsächlich solche Bestrebungen verfolge. Dies habe die Kammer im Urteil vom 16. Oktober 2014 im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 bezüglich der Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013 und den entsprechenden Äußerungen des Ministers, die die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Vorwürfe wiederholten und erweiterten, entschieden. Auf die Gründe dieses Urteils werde zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Insgesamt sei festzustellen, dass der Beklagte auf der Basis der damaligen wie der heutigen Erkenntnislage nur das Recht zur Beobachtung der Klägerin habe. Dem Beklagten sei es aber verwehrt, bereits jetzt gleichsam unter Vorwegnahme der Beobachtungsergebnisse zu einem endgültigen negativen verfassungsschutzrechtlichen Urteil über die Klägerin zu gelangen. Diese unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung komme jedoch in der Rede des Ministers vom 12. April 2013 zum Ausdruck, wenn er die Öffentlichkeit über die Beobachtung der Klägerin durch den Verfassungsschutz informiere, aber gleichzeitig bereits die definitive Einordnung der Klägerin als „verfassungsfeindliche Bewegung“ treffe.

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Juli 2015 zugelassenen und mit Schriftsatz vom 24. August 2015 eingelegten Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern sei nicht Art. 15 BayVSG. Vielmehr beruhten diese Äußerungen auf der allgemeinen Kompetenz der Staatsregierung bzw. ihrer Mitglieder zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 BayVSG erfolge in Form und im Rahmen von Verfassungsschutzberichten. Dagegen seien die streitbefangenen Äußerungen weder in einem Verfassungsschutzbericht noch zur Information über tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, sondern lediglich anlässlich der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts erfolgt. Die Äußerungen seien im Zusammenhang mit der Mitteilung, dass die Klägerin nunmehr als Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz geführt werde, erfolgt und hielten sich im Rahmen der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit auf der Basis der angeführten allgemeinen Kompetenz der Staatsregierung. Es habe sich um Äußerungen zu Vorgängen innerhalb des auch für den Bereich des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zuständigen Ressorts des Bayerischen Staatsministers des Inneren gehandelt. Die Aktivitäten der Klägerin und insbesondere auch ihres Landesvorsitzenden seien im Vorfeld dieser Pressekonferenz bereits häufiger Gegenstand der Medienberichterstattung gewesen. Zudem hätten bereits mehrere schriftliche Anfragen aus der Mitte des Bayerischen Landtages zur Einschätzung der Staatsregierung über die Vereinbarkeit der Aktivitäten der Klägerin mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorgelegen. Die am 12. April 2013 erfolgte komprimierte Darstellung bewege sich innerhalb der zulässigen Grenzen für die Öffentlichkeitsunterrichtung über nicht verbotene politische Parteien, wie sie das Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe. Dass die Aufnahme der Klägerin als Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zu Recht erfolgt sei, habe das Verwaltungsgericht im Übrigen im dortigen Parallelverfahren M 22 K 14.1092 bestätigt. Selbst wenn man jedoch von der Anwendbarkeit des Art. 15 BayVSG ausgehen würde, dürften an eine allgemeine informatorische Rede über die Aufnahme der Beobachtung einer Gruppierung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nicht dieselben Ansprüche gestellt werden wie an eine schriftliche Darstellung in einem Verfassungsschutzbericht. Insoweit sei die Nennung der zum Zeitpunkt der Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern bereits vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Klägerin in der Pressekonferenz nicht erforderlich gewesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lägen bezüglich der Klägerin nicht nur Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen, sondern hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor. Schließlich habe auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 im Verfahren M 22 K 14.1092 die Beobachtung unter anderem der Klägerin durch den Verfassungsschutz für rechtmäßig erklärt. Das Verwaltungsgericht lege in der angefochtenen Entscheidung bereits einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab an. Denn es gehe um die Prüfung, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen (im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG) vorliegen, und nicht, ob tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen lägen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erst dann vor, wenn sie zweifelsfrei bewiesen seien. Derartige Anforderungen wären mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem der Demokratie unvereinbar. Die Anhaltspunkte müssten aber so gewichtig sein, dass sie über einen bloßen Verdacht hinausgingen. Lägen solche gewichtigen Anhaltspunkte wie im vorliegenden Fall vor, sei eine Information der Öffentlichkeit über die Aufnahme als Beobachtungsobjekt durchaus verhältnismäßig und stelle keine Vorwegnahme möglicher Beobachtungsergebnisse dar. Die bezüglich der Klägerin vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte seien hinreichend gewichtig, um eine Bezeichnung als verfassungsfeindliche Bestrebungen zu rechtfertigen. Mit der Klageerwiderung in erster Instanz vom 5. August 2013, die auch zum Gegenstand des Vorbringens im Berufungsverfahren gemacht werde, seien dem Gericht umfangreiche entsprechende Belege übermittelt worden. Diese ergäben ein geschlossenes Bild bestehender tatsächlicher und hinreichend gewichtiger Anhaltspunkte für die klägerischen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Ausdrücklich werde insbesondere nochmals auf das „Thesenpapier“ verwiesen. Dass dieses Thesenpapier hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen liefere, hätten das Verwaltungsgericht im Urteil im Verfahren M 22 K 14.1092 und zuletzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Juli 2015 im Verfahren 10 ZB 15.819 festgestellt. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren, es hätten zum Zeitpunkt der Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellten Behauptungen vorgelegen und lägen bis jetzt auch nicht vor, sei somit verfehlt. Die vom Verwaltungsgericht angenommenen, vermeintlich entlastenden Gesichtspunkte könnten nicht zugunsten der Klägerin durchgreifen. So sei die Distanzierung einer Gruppierung von einer anderen Extremismusform (hier: Rechtsextremismus) kein tragfähiges Argument. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei das Bestehen geringer Restzweifel hinsichtlich des Willens einer Gruppierung, ihre Ziele auch zu verwirklichen, unschädlich. Bei der Vielzahl der einschlägigen Äußerungen der Klägerin und insbesondere ihres Landesvorsitzenden sei eine mäßigende Interpretation der klägerischen Aktivitäten nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17.10.2014 die Klage abzuweisen, soweit das Verfahren nicht wegen Klagerücknahme eingestellt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe widerspruchsfrei und zu Recht festgestellt, dass zwar ausreichende Anhaltspunkte für eine weitere Beobachtung der Klägerin, aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Berichterstattung über die Klägerin vorgelegen hätten. Die vom Beklagten angeführten tatsächlichen Anhaltspunkte hätten sich dafür als nicht tragfähig erwiesen. Das von der Beklagten immer wieder angeführte „Thesenpapier“ sei kein Papier der Partei DIE FR.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 12. Oktober 2015 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien eingehend erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Oktober 2015 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen, die streitbefangene Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern vom 12. April 2013 zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die hierzu herausgegebene Pressemitteilung nur mehr in der Weise weiter öffentlich zugänglich zu machen, dass zuvor in den die Klägerin betreffenden Passagen die Formulierungen „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ entfernt oder unkenntlich gemacht werden.

1. Gemäß § 128 Satz 1 VwGO prüft der Verwaltungsgerichtshof den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Gegenstand des aufgrund des Berufungsantrags des Beklagten noch anhängigen Klagebegehrens der Klägerin ist ungeachtet der in erster Instanz formulierten Klageanträge (s. § 88 VwGO) und der vor dem Verwaltungsgericht erklärten Rücknahme des Unterlassungsantrags (II.) nicht mehr nur der Anspruch auf Folgenbeseitigung einer gegenüber der Klägerin begangenen Rechtsverletzung, wofür die Formulierung des Klageantrags III. sprechen könnte. Unter Berücksichtigung des wirklichen Rechtsschutzziels und des gesamten Vortrags der Klägerin (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 8 m. w. N.) beinhaltet das verbleibende und noch anhängige Klagebegehren letztlich den behaupteten öffentlichrechtlichen (Unterlassungs-)Anspruch der Klägerin, dass der Beklagte die Rede des Innenministers und die dazu herausgegebene Presseerklärung nur nach Entfernung oder Unkenntlichmachung der streitbefangenen Passagen über die Klägerin weiter verbreiten bzw. veröffentlichen darf. Über dieses Klagebegehren hat das Erstgericht auch entschieden und in seiner der allgemeinen Leistungsklage insoweit stattgebenden Entscheidung einen solchen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen bejaht.

2. Die auf diesen öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. auch BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13; U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris Rn. 26) gerichtete allgemeine Leistungsklage (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 62 ff.) der Klägerin ist unbegründet. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der sich in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Grundlage (allein) aus grundrechtlich geschützten Positionen der Klägerin ableiten lässt (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13; U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 16; B. v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - juris Rn. 18; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 - juris Rn. 21), steht der Klägerin nicht zu. Zum einen fehlt es bereits an der dafür erforderlichen rechtswidrigen Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen der Klägerin durch die von ihr beanstandeten Äußerungen (2.1.) Zum anderen liegt auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht vor (2.2.)

2.1. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen der Klägerin ist durch die von ihr beanstandeten Äußerungen nicht erfolgt. Zwar greift der Beklagte mit diesen Äußerungen und dem darin erhobenen Vorwurf, die Klägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, in die grundrechtlich geschützte Sphäre der Klägerin ein (2.1.1.). Dieser Eingriff ist entgegen der Auffassung des Beklagten an Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG zu messen und kann nicht mehr (nur) auf die Aufgabe der Staatsleitung und die aus ihr abgeleitete Befugnis zu staatlichem Informationshandeln (hier: allgemeine Kompetenz der Staatsregierung zur Öffentlichkeitsarbeit) gestützt werden (2.1.2.). Der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position der Klägerin ist jedoch nicht rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG vorliegen und die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nur einen bloßen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (2.1.3.). Entgegen der -die angefochtene Entscheidung allerdings nicht tragenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte bei der streitbefangenen Information der Öffentlichkeit auch nicht gegen eine Begründungspflicht verstoßen, weil sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ein solches (formelles) Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten lässt (2.1.4.). Schließlich hat der Beklagte mit der in der Rede des Innenministers gewählten Art und Weise der Darstellung und der dazu herausgegebenen Presseerklärung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (2.1.5.).

2.1.1. Der Beklagte greift mit den streitbefangenen Äußerungen - „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz . verletzt“ - in die grundbzw. verfassungsrechtlich geschützte Sphäre der Klägerin ein. Als Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch der Klägerin kommt hier vor allem Art. 21 Abs. 1 GG mit der darin verfassungsrechtlich gewährleisteten Parteienfreiheit in Form der Betätigungsfreiheit als politische Partei (zum Meinungsstand bezüglich der Rechtsnatur der Gewährleistungen aus Art. 21 Abs. 1 GG vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 93 ff.) und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (insoweit in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 GG; vgl. z. B. BVerfG, U. v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25) in Betracht. Eine Verletzung dieser Rechte kann insbesondere auch dadurch erfolgen, dass staatliche Organe negative Werturteile über die Ziele und Betätigungen der Partei äußern (vgl. BVerfG, U. v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25). Ob sich ein solcher Schutzanspruch der Klägerin daneben auch auf das ihr als juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG zustehende allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) stützen lässt (zum Verhältnis von Art. 21 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen und Grundrechten vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 12; Ipsen in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 21 Rn. 28 ff.), kann hier letztlich dahinstehen.

Zwar ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als Grundrechtseingriff zu bewerten. Die Erwähnung und kritische Auseinandersetzung mit dem betroffenen Grundrechtsträger in einem Verfassungsschutzbericht, die auf die Abwehr besonderer Gefahren durch Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zielt (s. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 15 Satz 1 BayVSG) geht jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger hinaus und stellt eine mittelbar belastende negative Sanktion mit Eingriffscharakter dar (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 52 ff.; BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 15). Auch wenn die kritische Auseinandersetzung mit der Klägerin im vorliegenden Fall (noch) nicht im beim betreffenden Pressetermin vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2012, sondern nur im Rahmen der Rede des für die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 BayVSG u. a. zuständigen Staatsministers des Innern zur Vorstellung dieses Verfassungsschutzberichts erfolgte, gilt für die streitbefangenen Äußerungen des Ministers bezogen auf die Betätigungsfreiheit der Klägerin als politische Partei (Art. 21 Abs. 1 GG) nichts anderes. Denn auch durch die Information der Öffentlichkeit in einer Rede des für den Verfassungsschutz zuständigen Ministers über die Anordnung der förmlichen Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz verbunden mit dem Vorwurf, die Klägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, werden die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes und die Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ betroffen und beeinflusst. Gerade die Bewertungen als verfassungsfeindlich und als die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzend können im Wettbewerb um Wähler und Einfluss im gesellschaftlichen und staatlichen Bereich die Bürger veranlassen, sich von der Klägerin und ihrem Angebot als Partei abzuwenden. Diese Bewertungen setzen das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit herab und sind grundsätzlich geeignet, die politische und gesellschaftliche Isolierung (Warnfunktion) der als verfassungsfeindlich bezeichneten Gruppierung zu erreichen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - juris Rn. 20; Murswiek, NVwZ 2004, 769/771 f.). Auch solche mittelbaren Wirkungen der beanstandeten Äußerungen kommen einem Eingriff in die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der Klägerin als politische Partei gleich.

2.1.2. Dieser Eingriff ist entgegen der Auffassung des Beklagten an Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG zu messen.

Die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der Klägerin als politische Partei finden ihre Schranken in der Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare Demokratie“. Diese Grundentscheidung ist im Wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herzuleiten. Das Grundgesetz vertraut aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ohne weiteres behaupten. Es hat deshalb dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten (BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 24).

Der Staat ist demnach grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern wertend zu beurteilen, und kann die Grundsätze und Wertvorgaben des Grundgesetzes durch Organe und Funktionsträger des Staates auch mithilfe von Informationen an die Öffentlichkeit und der Teilhabe an öffentlichen Auseinandersetzungen verteidigen (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 58; BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 21). Führt das staatliche Informationshandeln wie hier aber zu Beeinträchtigungen, die einen Grundrechtseingriff darstellen oder ihm gleichkommen, bedürfen sie der Rechtfertigung durch eine gesetzliche Ermächtigung (BVerfG a. a. O. Rn. 58; BVerwG a. a. O. Rn. 21). Hat der Gesetzgeber die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und die Erfüllung ihrer Aufgabe zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerade auch im Hinblick auf das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz besonders geregelt und dabei neben den Aufgaben die Befugnisse zur Erfüllung dieser Aufgaben bestimmt (so die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 11/14928 S. 1 A), muss sich das Grundrechte beschränkende staatliche Informationshandeln zur Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an den (entsprechenden) Befugnisnormen dieses Gesetzes messen lassen, die insbesondere auch festlegen, unter welchen Voraussetzungen die Verfassungsschutzbehörde in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen darf (vgl. LT-Drs. 11/14928 S. 1 B). Entgegen der Auffassung des Beklagten, Rechtsgrundlage für die Äußerungen des Staatsministers des Innern (für Bau und Verkehr) sei die allgemeine Kompetenz der Staatsregierung bzw. ihrer Mitglieder zur Öffentlichkeitsarbeit (vgl. dazu BVerfG, B. v. 29.10.1975 - 2 BvE 1/75 - juris Rn. 19 f., das in dieser Entscheidung als Schranke der Befugnis der Staatsorgane, negative Werturteile über nicht verbotene politische Parteien kundzutun, (nur) das Willkürverbot heranzieht), ist auch diese Form der Unterrichtung der Öffentlichkeit an der dafür geschaffenen eigenständigen gesetzlichen Grundlage im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz zu messen. Auch aus der vom Beklagten in diesem Zusammenhang noch angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2013 (2 BvE 11/12 - juris) zum Feststellungsantrag der dortigen Klägerin, dass sie nicht verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist, ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dort ausgeführt, jenseits der Frage einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage verbiete das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung staatlichen Stellen, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass es auf sachfremden Erwägungen beruhe (Rn. 22 der Entscheidung). Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht im Folgenden aber auch ausgeführt, die Sammlung und Auswertung von Informationen über eine Partei durch die Verfassungsschutzbehörden und ihre Aufnahme in einen Verfassungsschutzbericht böten einen Ansatz für die gerichtliche Kontrolle. Die Verfassungsschutzbehörden dürften die Maßnahmen nur ergreifen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestünden, die dafür sprächen, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, und die belastenden Maßnahmen den rechtsstaatlichen Anforderungen namentlich der Verhältnismäßigkeit genügten (Rn. 24 dieser Entscheidung). Nichts anderes hat der bayerische Gesetzgeber aber letztlich in Art. 15 BayVSG bestimmt.

Art. 15 BayVSG, der die Befugnisnorm zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten enthält, regelt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur die Unterrichtung der Öffentlichkeit „durch schriftliche und periodisch erscheinende Verfassungsschutzberichte“. Weder nach dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung oder dem in dieser gesetzlichen Bestimmung objektiv zum Ausdruck kommenden Zweck ist eine solche Auslegung geboten. So ist in der Gesetzesbegründung zur weitgehend identischen Vorgängervorschrift des Art. 13 BayVSG (LT-Drs. 11/14928 S. 11) Folgendes ausgeführt: „Die Unterrichtung der Öffentlichkeit, etwa durch die Herausgabe von Verfassungsschutzberichten oder sonstigen Informationsschriften, dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Eine gut informierte Öffentlichkeit ist der beste Verfassungsschutz. ... Das wirksamste Mittel dagegen ist nicht exekutives Eingreifen, sondern die öffentliche Darstellung des Sachverhalts. Art. 13 schafft dafür im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Band 40 S. 287 ff) eine eigenständige gesetzliche Grundlage. Der Verfassungsschutzbericht und andere Aufklärungsmaterialien sind staatliche Publikationen, die das Staatsministerium des Innern oder das Landesamt für Verfassungsschutz in amtlicher Funktion herausgeben.“ Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Befugnisnorm auf Verfassungsschutzberichte ist dem gerade nicht zu entnehmen. Auch nach dem Zweck des Verfassungsschutzes, durch Aufklärung der Öffentlichkeit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes und der Länder abzuwehren (vgl. BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 53 zu § 3 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 VSG NRW), also die öffentliche Darstellung des Sachverhalts (LT-Drs. 11/14928 S. 11), ist der Anwendungsbereich dieser speziellen Befugnisnorm nicht, wie der Beklagte geltend macht, auf periodisch erscheinende schriftliche Verfassungsschutzberichte begrenzt. Vielmehr macht es gerade mit Blick auf betroffene Grundrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und vorliegend die Parteienfreiheit der Klägerin keinen entscheidenden Unterschied, ob die Öffentlichkeit in einer schriftlichen Publikation wie dem Verfassungsschutzbericht (oder z. B. dem in Bayern daneben üblichen Halbjahresbericht) oder im Rahmen einer entsprechenden Pressekonferenz und einer dazu herausgegebenen schriftlichen Presseerklärung (ebenfalls mit ganz erheblicher Breitenwirkung) über bei einer Gruppierung oder Partei festzustellende verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten informiert wird.

2.1.3. Mit der in Art. 15 BayVSG geregelten Befugnis zur Unterrichtung der Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber zu entsprechenden Eingriffen nicht nur in die Betätigungsfreiheit politischer Parteien, sondern auch in sonstige Grundrechte Betroffener, unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ermächtigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG liegen vor. Die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse begründen entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nur einen „bloßen Verdacht“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

2.1.3.1. Gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der (nachträglichen) Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. dagegen BVerwG, U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit verlangt diese Befugnisnorm gerade noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (vgl. auch BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 28 zur insoweit vom Wortlaut vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Mit dem tatbestandlichen Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte wird andererseits auch klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 22; BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 30).

Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG sind unter anderem Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG). Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist wiederum in Art. 1 Abs. 2 BayVSG definiert. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayVSG gehört zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung. Der Begriff Bestrebungen selbst ist im BayVSG nicht definiert. Wegen des identischen Wortlauts kann jedoch auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) BVerfSchG) zu verstehen. Solche Bestrebungen (und Tätigkeiten) können nach der Klarstellung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayVSG von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen; vom Begriff Gruppierung werden sowohl unorganisierte Gruppen als auch jede Form einer Organisation einschließlich einer politischen Partei umfasst (so die Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 1 BayVSG, LT-Drs. 11/14928 S. 8). Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferischaggressives Vorgehen, d. h. äußerlich feststellbare Aktivitäten wie z. B. öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und Bekundungen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (zum Begriff Bestrebungen vgl. Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, Kommentar, BVerfSchG, §§ 3, 4 Rn. 14 ff. m. w. N.; BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.). Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 70).

2.1.3.2. Die Annahme des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung, das vom Beklagten zur Stützung der streitbefangenen Äußerungen des Ministers vorgelegte umfangreiche und substantielle Erkenntnismaterial begründe nur den Verdacht, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen könnte, erlaube aber keine wie hier getroffene definitive Aussage dahingehend, dass die Klägerin tatsächlich solche Bestrebungen verfolge, beruht schon auf einer fehlerhaften Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG und damit einem falschen Prüfungsmaßstab.

Denn das Verwaltungsgericht verweist diesbezüglich auf seine Würdigung der durch den Beklagten vorgelegten Erkenntnisse im Urteil im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 (zur Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013) vom 16. Oktober 2014. Dort (unter Rn. 71 ff.) hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, dass die durch die Klägerin und ihre Funktionäre verlautbarten fortwährenden und nachhaltigen Herabsetzungen bestimmter Minderheiten nicht ein qualitatives Maß und eine Nachhaltigkeit erreichten, die nur noch geringe Restzweifel an der Ernsthaftigkeit, die sich aus den Verlautbarungen ergebenden Ausgrenzungen auch in politische Taten umsetzen zu wollen, zulasse. Die aufgeführten belastenden Anhaltspunkte selbst seien nicht völlig unzweideutig und ohne Zweifel. Sie enthielten zwar in ihrer Gesamtschau und ihrem Duktus Äußerungen, woraus sich der Verdacht tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ableiten lasse. Jedoch fehle es an stichhaltigen, eindeutigen und ausdrücklichen Bekenntnissen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die von ihrer Intensität und Klarheit im Lichte der hier maßgeblichen beeinträchtigten Grundrechte dazu geeignet wären, die öffentliche Berichterstattung über die Klägerin als verfassungsfeindliche Gruppierung und neue eigenständige Extremismusform zu rechtfertigen. Unter objektiver Einbeziehung der öffentlichen Äußerungen insbesondere des Vorsitzenden der Klägerin könne nicht mit der notwendigen Gewissheit gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin tatsächlich (nur) gegen die islamistischen und damit grundgesetzwidrigen Bestandteile des Islam richteten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand könne daher nicht mit der notwendigen Sicherheit angenommen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin außerhalb des Rahmens der verfassungsmäßigen Ordnung bewegten.

Damit geht das Erstgericht aber, wie der Senat auch in seinem Urteil ebenfalls vom 22. Oktober 2015 im Parallelverfahren 10 B 15.1320 dargelegt, von Kategorien und Tatbestandsvoraussetzungen der Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG aus, die sich dieser hier maßgeblichen Befugnisnorm so nicht entnehmen lassen. Auch verlangt das Verwaltungsgericht aufgrund seines Verständnisses dieser Norm für eine Information der Öffentlichkeit zu Unrecht letztlich schon die Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dies ist aber weder mit dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG noch dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu oben) noch dem Zweck der Unterrichtung der Öffentlichkeit - neben der Aufklärungsfunktion auch eine Warn- und Abwehrfunktion (vgl. dazu Mallmann in Schenke/Graulich/Ruthig, a. a. O., BVerfSchG, § 16 Rn. 4) - zu vereinbaren. So ist etwa zur Begründung der Änderung des Art. 15 Satz 1 BayVSG mit der Einfügung „tatsächliche Anhaltspunkte für“ ausgeführt, die Verfassungsschutzbehörden könnten die ihnen von der Verfassung zugewiesene Aufgabe nicht effektiv wahrnehmen, wenn sie untätig bleiben müssten, bis sich die Verfassungsfeindlichkeit ihrer Beobachtungsobjekte beweisen ließe (LT-Drs. 15/10313 S. 27).

Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Praxis der bayerischen Verfassungsschutzbehörde allgemein wie folgt erläutert (S. 3 ff. der Sitzungsniederschrift): Ergäben sich aufgrund ganz allgemeiner Beobachtungen, z. B. im Internet, ausreichende Indizien oder Anhaltspunkte und komme das Landesamt für Verfassungsschutz auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, dass diese einer näheren Begutachtung bedürften, werde förmlich bei der Amtsleitung der Behörde ein so genannter Prüffall (Beobachtungsverfahren auf Landesebene) beantragt. Nach einer förmlichen Anordnung durch die Amtsleitung der Behörde erfolge dann eine weitere Abklärung dahingehend, ob hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte festgestellt werden könnten, um zur Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne des Art. 15 Satz 1 BayVSG zu kommen.

Erst wenn sich über einen längeren Zeitraum Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen quantitativ und qualitativ so verdichtet hätten, dass die Prognose bzw. Annahme solcher Bestrebungen gerechtfertigt sei, werde im Verfassungsschutzbericht über die jeweilige Organisation berichtet. Diese Praxis steht grundsätzlich im Einklang mit der oben dargelegten Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG.

Zudem sind auch die tatsächliche Würdigung der aus dem vom Beklagten vorgelegten Erkenntnismaterial zu gewinnenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG und die vom Erstgericht hieraus gezogenen Schlussfolgerung rechtlich zu beanstanden. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (s. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ergeben sich vielmehr hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG, die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit in der streitbefangenen Form rechtfertigen.

Ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte bei der Klägerin vorliegen, beurteilt sich nicht nur nach deren eigenen Verlautbarungen, sondern auch denjenigen ihres Landesvorsitzenden, da dessen Aktivitäten und Äußerungen der Klägerin zuzurechnen sind. Dies gilt einerseits für dessen Tätigkeit in seiner Funktion als Landesvorsitzender. Aber auch Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung sind dieser zuzurechnen, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 30.7.2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 43 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 35). Insoweit kann es eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer der Vereinigung zuzurechnenden Sphäre nicht geben. Eine Zurechnung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text oder eine Äußerung inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die der Vereinigung eindeutig zugeordnet werden können (vgl. BVerwG, U. v. 19.12.2012 - 6 A 6. 11 - juris Rn. 18). Da der Landesvorsitzende der Klägerin zugleich Vorsitzender der P.I.-Ortsgruppe M. ist und Mitglieder der P.I.-Ortsgruppe M. auch den Kern der Klägerin ausmachen, sind wegen der engen personellen und programmatischen Verflechtung der Klägerin daher auch Texte und Äußerungen zuzurechnen, die der Landesvorsitzende der Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit für die P.I.-Ortsgruppe M. verfasst oder gemacht hat.

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass sich aus dem im Verfahren vorgelegten Grundsatzprogramm 2.0 (Kurzversion vom 23.2.2013) der Klägerin und dem Thesenpapier ihres (späteren) Landesvorsitzenden vom Oktober und November 2011 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin in mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unvereinbarer Weise die Religionsfreiheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime einschränken und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung insoweit außer Geltung setzen will.

Mit Beschluss vom 30. Juli 2015 (10 ZB 15.819 - juris) hat der Senat zur Beobachtung islamkritischer Vereinigungen durch den Verfassungsschutz und zur Bewertung des Thesenpapiers des Landesvorsitzenden der Klägerin Folgendes ausgeführt:

Art. 4 Abs. 1 GG garantiert die Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses als unverletzlich. Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistet die ungestörte Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten dabei ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, einen Glauben zu haben, ihn zu verschweigen oder sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einen anderen Glauben zuzuwenden, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben. Umfasst sind nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben (vgl. BVerfG, U. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 85 m. w. N. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Einschränkungen dieses Grundrechts müssen sich dabei aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Das normative Spannungsverhältnis zwischen den jeweils betroffenen widerstreitenden Verfassungsgütern zu lösen, obliegt dabei dem demokratischen Gesetzgeber (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 98).

In seinem Thesenpapier hat er vorgeschlagen, die Bundesregierung solle die islamischen Verbände auffordern, sich von allen verfassungswidrigen Inhalten des Islam zu verabschieden und aus dem Koran alle gefährlichen Passagen zu streichen (Nr. 3 des Thesenpapiers in der Fassung vom 26. Oktober 2011). Außerdem hat er ein Verbot dieser Verbände für den Fall gefordert, dass sie hartnäckig an allen Bestandteilen ihrer Ideologie festhalten. Schließlich hat er Muslimen, die an ihrem Glauben festhalten, die Ausreise nahelegt und sie vor die Wahl gestellt abzuschwören oder auszureisen (Nr. 7 und 8 des Thesenpapiers in der Fassung vom 16. Oktober und 26. Oktober 2011). ...

Auch diese Forderungen sind mit der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, nicht zu vereinbaren. Denn ihre Verwirklichung liefe, selbst wenn man entsprechend den Darlegungen der Kläger in der Zulassungsbegründung davon ausginge, dass das von den Klägern als innere Religionsfreiheit bezeichnete Recht der Muslime, im privaten Bereich allein oder gemeinsam zu beten, unberührt bliebe, auf eine weitgehende Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime hinaus.

Wenn der Staat eine Religionsgemeinschaft auffordert, bestimmte Glaubensinhalte aufzugeben und aus den grundlegenden Schriften der betreffenden Religion zu streichen, so stellt das einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Denn dadurch würde den Gläubigen durch den Staat vorgeschrieben, was sie zu glauben haben und was nicht. Dies würde aber den Kern der Glaubensfreiheit berühren. Einen solchen Eingriff darf der Staat aber nicht vornehmen, weil dadurch das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das gerade das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft schützt und voraussetzt (vgl. BVerfG, U. v. 16.10.1968 - 1 BvR 261/66 - juris Rn. 25), in seinem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2 GG). Dementsprechend ist es dem Staat auch verwehrt, die Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als richtig oder falsch zu bezeichnen (vgl. BVerfG, U. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 86; BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36). Die Regelung genuin religiöser Fragen und die Einmischung in die Überzeugungen Einzelner oder religiöser Gemeinschaften sind ihm untersagt (vgl. BVerfG, B. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - juris Rn. 54).

Die staatliche Aufforderung zur Streichung von Passagen aus dem Koran und zu einer Aufgabe der betreffenden Glaubensüberzeugungen, der durch die Drohung mit einem Verbot islamischer Verbände und der Beendigung des Aufenthalts in Deutschland Nachdruck verliehen wird, ist daher auch dann nicht mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar, wenn diese Passagen, wie die Kläger auf der Grundlage einer wörtlichen Interpretation behaupten, mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stünden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Einschränkung der Religionsfreiheit vielmehr erst dann in Betracht, wenn die betreffenden Glaubensüberzeugungen sich in einem entsprechenden Verhalten äußern, das mit den Grundrechten Dritter oder Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang nicht zu vereinbaren ist. Insbesondere ist ein Verbot von Glaubensgemeinschaften, die dem Staat und seiner Verfassungs- und Rechtsordnung kritisch gegenüberstehen, nur möglich, wenn es bei der Abwägung mit den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt werden sollen, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unerlässlich ist. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn sich die religiöse Gemeinschaft aktivkämpferisch gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet (vgl. BVerfG, B. v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19), etwa weil sie die konkrete Umsetzung von im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Glaubensinhalten oder von aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn.36). Die von einem mit den Grundrechten Dritter und Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang kollidierenden oder aktivkämpferisch gegen Verfassungsgrundsätze gerichteten Verhalten unabhängigen Forderungen . nach einem pauschalen Verbot islamischer Verbände und Vereinigungen sowie nach einem Hinwirken auf die Ausreise aller Muslime, die nicht bereit sind, sich von ihrem Glauben zu distanzieren, zielt letztlich auf die Beseitigung des Islam in Deutschland ab und ist mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das, wie bereits ausgeführt, nicht nur das Beten im privaten Bereich, sondern auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit beinhaltet und als im Grundgesetz konkretisiertes Menschenrecht ein wichtiges Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nicht zu vereinbaren. Es trifft daher auch nicht zu, dass sich das Urteil des Verwaltungsgerichts, wie die Kläger meinen, allein auf eine provokative Verletzung der politischen Korrektheit, nicht aber auf tatsächlich erkennbare verfassungsfeindliche Bestrebungen stütze. Ebenso wenig geht es dabei lediglich um von der Meinungsfreiheit gedeckte Öffentlichkeitsarbeit oder Beiträge zu einer Diskussion über die Grenzen der Religionsfreiheit für Muslime, sondern um Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu deren Einschränkung oder Beseitigung.“

An dieser Bewertung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Einwands der Klägerin in der mündlichen Verhandlung fest, ihr Landesvorsitzender habe das Thesenpapier 2011 in seiner Funktion als Journalist verfasst, sie selbst habe zwar Forderungen dieses Thesenpapiers (insbesondere bezogen auf die Verzichtserklärung) durchaus aufgegriffen, eine generelle Zurechnung der Thesen dieses Papiers sei jedoch nicht zulässig. Denn zum einen muss sich die Klägerin - wie oben dargelegt -auch Äußerungen und Forderungen ihres Landesvorsitzenden zurechnen lassen, die dieser nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin verfasst hat, ganz abgesehen davon, dass der Landesvorsitzende der Klägerin, wie er in der mündlichen Verhandlung betont hat, zum Thesenpapier nach wie vor inhaltlich voll steht.

Zum anderen hat die Klägerin mit der Verzichtsforderung einen ganz zentralen Punkt dieses Thesenpapiers in ihr Grundsatzprogramm 2.0 aufgenommen (dort S. 17). Darin fordert die Klägerin, von in Deutschland den Koran unterrichtenden Personen sei ein schriftliches, eidesstattliches Bekenntnis zu fordern, dass alle gültigen Rechtsnormen stets und generell über dem religiösen und islamischen Recht stünden und dass die Scharia hier keine Gültigkeit habe und jemals haben werde. Weiter heißt es dort: „Wir setzen uns mit aller Kraft gegen eine Islamisierung unseres Landes ein. Religiöse Schriften, welche Unterdrückung und Tötung von Menschen verlangen, sind zu verbieten.“

Nach einem im Verfahren vorgelegten Bericht zu einer Rede des Landesvorsitzenden der Klägerin auf dem Bundesparteitag der FREIHEIT in Frankfurt (veröffentlicht auf http://www.pinews.net - betreffend ein Video: M.S. zur Islamisierung) ist dazu beispielsweise aufgeführt: Diese politische Forderung (Scharia-Verzichtsforderung) stehe auch im Grundsatzprogramm der FREIHEIT, und dies sei auch der zentrale Punkt in seinem Thesenpapier: Jede Moscheegemeinde, jede Koranschule, jede islamische Organisation und jeder Verband müsse aufgefordert werden, diese Verzichtserklärung bindend und zeitlich unbefristet zu unterschreiben. Falls nicht, dokumentiere man damit, dass man das Grundgesetz und Demokratie abschaffen und dieses Land in einen Gottesstaat verwandeln wolle. Daher müsse jede Organisation, die diese Verzichtserklärung nicht leiste, umgehend wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten werden. Gleichzeitig wird in diesem Bericht ausgeführt, den Koran habe (der Landesvorsitzende) S. in seiner Rede als „das gefährlichste Buch der Welt“ bezeichnet, das auf jeder Seite die Menschenrechte und das Grundgesetz mit Füßen trete, sowie dass die Islamisierung Deutschlands und Europas ein planmäßiger Eroberungsfeldzug sei.

An anderer Stelle (http://www.bayern.diefreiheit.org/aufforderungzurverzichtserklärung auf die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islams, veröffentlicht von M. S.) wird dazu ausgeführt, um ein Zusammenleben unter einer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu gewährleisten, könne der Koran als Grundlage zur Weltanschauung nicht akzeptiert werden, weil er seinem Inhalt nach eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen darstelle.

Zwar wird von der Klägerin und ihrem Landesvorsitzenden im Grundsatzprogramm 2.0, aber auch in anderen Veröffentlichungen, einerseits formal durchaus zwischen dem Islam als Religion und einer darin (auch) zum Ausdruck kommenden „politischen Ideologie“ differenziert. Wenn aber gleichzeitig vom Einsatz gegen eine zu bekämpfende drohende „Islamisierung unseres Landes“ (Grundsatzprogramm 2.0, S. 17), vom Islam als einer völlig inkompatiblen Kultur gesprochen und vor der gewollten und beschleunigten Islamisierung, der (drohenden) Abschaffung unserer christlich geprägten Werte, unserer Freiheit und der Einführung eines schariatrischen Rechtssystems sowie der Ablösung einer höheren, weiterentwickelten Kultur durch eine niedrigere, rückständigere gewarnt wird (so in der Rede des Bundesvorsitzenden R.S. zum 1. Bundesparteitag der Klägerin, veröffentlicht am 12.12.2011 unter www.diefreiheit.org/redevon- ...), wird klar, dass durch die Klägerin der Islam und nicht nur der Islamismus als unvereinbar mit der deutschen Gesellschaftsordnung abgelehnt und bekämpft wird.

Der Beklagte geht aufgrund einer Vielzahl tatsächlicher konkreter Anhaltspunkte weiter zu Recht davon aus, dass die Klägerin und insbesondere ihr Landesvorsitzender die Weltreligion Islam pauschal als extrem gefährliche faschistoide Ideologie und Muslime allgemein als besonders aggressiv, uneinsichtig und eine große Gefahr für die deutsche Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie bedeutend darstellen und mit ihren politischen Forderungen die Bekämpfung des Islam und der Muslime in Deutschland durch den Staat zu erreichen versuchen.

Im bereits oben erwähnten Bericht zu einer Rede des Landesvorsitzenden der Klägerin auf dem Bundesparteitag der FREIHEIT in Frankfurt (vom 4.1.2012, veröffentlicht auf http://www.pinews.net - betreffend ein Video: M.S. zur Islamisierung) wird ausgeführt, bei seiner mehrjährigen intensiven Aufklärungsarbeit sei ihm (dem Landesvorsitzenden) bei den vielen Informationsständen, Kundgebungen und „Dialog“-Veranstaltungen kein einziger Moslem begegnet, der sich kritisch mit den brandgefährlichen Elementen des Islams und zu den hochbedenklichen Stellen des Korans auseinandergesetzt hätte.

In der Einleitung zum Thesenpapier gegen die Islamisierung vom 19. Oktober 2011 (veröffentlicht von M. S. auf http://www.pinews.net) wird beispielsweise ausgeführt: „Heutzutage geschieht der Djihad auf zwei Stufen: Offener Terror und schleichende Unterwanderung. ist jetzt höchste Zeit für klare politische Gegenmaßnahmen:“ (es folgen im Anschluss die acht Thesen). Weiter heißt es dort im Anschluss an diese Thesen: „Wenn der Islamisierung Deutschlands und Europas nicht rechtzeitig mit politischen Maßnahmen Einhalt geboten wird, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. ... Es liegt nun an den Medien und den Politikern, die tickende Zeitbombe Islam in Deutschland zu entschärfen. . Und wer angesichts dieser immensen Bedrohung und in Kenntnis aller Fakten dann immer noch ernsthaft auf „Religionsfreiheit“ für den Islam plädiert, der scheint entweder ein gehirndurchweichter Gutmensch, ein extremer Linker . zu sein.“

In einem Bericht zum „Video München: Der Bedrohung die Stirn bieten“ (veröffentlicht von M. S. am 8.1.2013 auf http://www.pinews.net) wird in Bezug auf (so bezeichnete) türkische „Gast“-Arbeiter ausgeführt: „Aber sie blieben, holten Verwandte nach und heirateten Partner aus der Türkei. So nahm das Verhängnis der islamischen Unterwanderung seinen Lauf. . In diesem Video ist auch wieder einer dieser „Bereicherer“ zu sehen, der drohend auf mich zu läuft. Er behauptet zwar, kein Moslem zu sein, aber das haben schon einige dahergesagt. Sein Verhalten ist absolut Moslemtypisch: Drohgebaren, aggressiv auf die Islam Aufklärung reagieren .“.

In einem Bericht zu dem „Video: Kundgebung an der Münchner Freiheit“ (veröffentlicht von M. S. am 4.7.2012 auf http://www.bayern.diefreiheit.org) heißt es: „Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. . Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche .“.

Weiter heißt es am Ende eines E-Mails mit Informationsmaterial an Medien und Politiker, über das in dem Beitrag ebenfalls berichtet wird: „Es grenzt an Realitätsverweigerung und Selbstaufgabe, weiterhin die Augen vor den existenziellen Gefahren dieser totalitären Ideologie, die im Mantel einer Religion versteckt ist, zu verschließen.“

In einem Bericht zum „Video DF-Kundgebung: Rauben im Islam legitimiert!“ (veröffentlicht von M. S. am 18.11.2012 auf http://www.bayern.diefreiheit.org) über eine der wöchentlich stattfindenden Kundgebungen der Klägerin in München wird ausgeführt: „Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug ist nicht verwunderlich, denn im Islam ist die Beraubung von Ungläubigen schließlich „religiös“ legitimiert.“

Diese nur beispielhaft wiedergegebenen Aussagen und Veröffentlichungen tragen jedenfalls die zusammenfassende Bewertung im bei den Behördenakten befindlichen Aktenvermerk des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 3. April 2013 zur Erklärung der Politically Incorrect (Pl)-Ortsgruppe München und des bayerischen Landesverbandes der Partei DIE FR. zum Beobachtungsobjekt: „Die Tätigkeit ... und des Landesverbands Bayern der Partei DIE FR. beschränkt sich nicht auf bloße Meinungsäußerung. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, im Sinne des von ihnen propagierten Muslimen- und Islambildes, Einfluss auf die politische Willensbildung und auf politische Entscheidungen zu nehmen. Damit liegen in der Gesamtschau hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine gezielte nachrichtendienstliche Beobachtung erfordern.“

Dass die die Klägerin belastenden Anhaltspunkte, wie das Verwaltungsgericht meint, insoweit kein eindeutiges Bild zuließen, kann der Senat nach alledem nicht nachvollziehen.

Die oben beispielhaft aufgeführten konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte rechtfertigen vielmehr sowohl quantitativ als auch qualitativ die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit durch den Innenminister anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 über die Klägerin als (neues) Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Die in der umfangreichen Rede des Ministers (zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes) im Zusammenhang mit der Klägerin und ihrer Erklärung zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes getroffenen Aussagen und Bewertungen werden durch die tatsächlichen Anhaltspunkte entgegen der Auffassung des Erstgerichts ohne weiteres getragen; der vom Verwaltungsgericht insoweit erhobene Vorwurf einer „unzulässigen Vorwegnahme der Beobachtungsergebnisse“ ist weder sachlich noch vor allem rechtlich haltbar. Insbesondere ist die in der Rede enthaltene Aussage, der Landesverband (der Klägerin) nutze eine von ihm initiierte Kampagne sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen für pauschal islamfeindliche Propaganda durch die oben dargelegten Aussagen und Veröffentlichungen hinreichend belegt. Die Bewertung mit „pauschal islamfeindliche Propaganda“ wird dabei, wie die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt hat, im folgenden Absatz (des Redemanuskripts) näher erläutert. Auch die hier getroffenen Bewertungen, die Aktivitäten (des Landesverbands der Klägerin) zielten darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates zu verunglimpfen, ergeben sich zwanglos aus den oben dargelegten Quellen. Gerade auch die Verwendung des Wortes „verunglimpfen“ in der Bedeutung herabwürdigen einer Person oder Sache ist bei den angeführten Aussagen über den Islam, den Koran und Muslime durchaus gerechtfertigt. Auch die daran anknüpfende rechtliche Bewertung, dadurch würden die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt schließlich auch für den zur Klägerin hinführenden Absatz der Rede, in dem ausgeführt wird, Islamfeindseligkeit formiere sich - losgelöst von klassischen rechtsextremistischen Kreisen - teilweise auch als verfassungsfeindliche Bewegung.

Vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung im hier in Bezug genommenen Urteil im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 herangezogene „entlastende Gesichtspunkte“ bzw. gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen der Klägerin sprechende Indizien hat der Beklagte angesichts des vorgelegten umfangreichen Erkenntnismaterials zu Recht als letztlich nicht stichhaltig bewertet. Dass die Klägerin und ihr Landesvorsitzender öffentlich immer wieder betonen, dass sie sich mit ihrer Kritik nicht gegen die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam und den Islamismus wendeten und lediglich die Forderung nach einem verfassungskonform reformierten Islam erheben würden, ist angesichts der Eindeutigkeit der oben angeführten Aussagen und Veröffentlichungen als bloßes Lippenbekenntnis zu bewerten; die Annahme von einzelnen „Entgleisungen“ der Klägerin oder ihres Landesvorsitzenden (vgl. dazu BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 54 m. w. N.) verbietet sich vorliegend. Eine mäßigende Interpretation der Aktivitäten und Aussagen der Klägerin im Sinne eines Eintretens für ein gleichberechtigtes Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen auf dem Boden des Grundgesetzes ist danach ebenfalls nicht angezeigt. Auch hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Distanzierung der Klägerin von einer anderen Extremismusform (hier: Rechtsextremismus) nichts darüber aussagt, ob die Klägerin eigenständige verfassungsschutzrelevante Bestrebungen verfolgt. Schließlich kann vor diesem Hintergrund nicht zu Gunsten der Klägerin angeführt werden, sie vermeide ein offenes Bekenntnis zu -oben festgestellten - verfassungsfeindlichen Zielen.

2.1.4. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte bei der streitbefangenen Information der Öffentlichkeit auch nicht gegen eine Begründungspflicht verstoßen, weil sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ein solches (formelles) Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten lässt. Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG das Staatsministerium des Innern (für Bau und Verkehr) und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG unterrichten, kann dies nicht als verbindliche Festlegung des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite über die Art und Weise sowie den Umfang der Berichterstattung verstanden werden. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen KontrollgremiumGesetzes hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht BerlinBrandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) lediglich klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung entsprechend der bisherigen Praxis in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. BVerwG, U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit hat der bayerische Gesetzgeber aber ersichtlich nur eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzung der Unterrichtungsbefugnis, nicht aber eine Bestimmung der Art und Weise sowie des Umfangs der Unterrichtung vorgenommen. Soweit sich das Verwaltungsgericht für die Annahme einer sich unmittelbar aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ergebenden Begründungspflicht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010 (10 CE 10.1830 - juris) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass dieser in einem Eilverfahren ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ein Sonderfall zugrunde lag, bei dem der dortige Antragsteller in einem Verfassungsschutzbericht in einer tabellarischen Übersicht unter dem Punkt „sonstige Linksextremisten“ ohne jegliche weitere Erläuterung aufgelistet war. Die auch im Leitsatz dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Auffassung, ohne gleichzeitige Mitteilung entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte sei eine solche Bewertung schon vom Tatbestand des Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht mehr gedeckt, weil ein solches Werturteil dann für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar sei, bezieht sich auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende besondere Konstellation und darf nicht generell als besondere gesetzliche Begründungspflicht etwa im Sinne eines Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden.

Unabhängig davon machen die in der streitbefangenen Rede des Innenministers und der entsprechenden Presseerklärung enthaltenen - oben dargelegten - Erläuterungen und Konkretisierungen die vorgenommenen Bewertungen „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ für die angesprochene Öffentlichkeit hinreichend nachvollziehbar. Denn der in der Rede und der entsprechenden Presseerklärung enthaltene Vorwurf, der Landesverband der Klägerin benutzte die von ihm Ende 2012 initiierte Kampagne für ein Bürgerbegehren gegen das „Europäische Zentrum für Islam in München“ (ZIE-M) sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen für „pauschal islamfeindliche Propaganda“ wird im Folgeabschnitt dahingehend näher erläutert, dass die Aktivitäten (der Klägerin) darauf abzielen, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates zu verunglimpfen. Auch die nachfolgende Bewertung, dass dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt werden, bezieht sich erkennbar auf die zuvor dargelegten und vom Beklagten im Verfahren auch hinreichend dokumentierten und belegten Aktivitäten der Klägerin. Mit diesen Feststellungen und Erläuterungen wird letztlich die im nachfolgenden Abschnitt (des Redemanuskripts) wiedergegebene Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur förmlichen Beobachtung der Klägerin erläutert und begründet.

2.1.5. Der Beklagte hat mit der in der Rede des Innenministers gewählten Art und Weise der Darstellung und der dazu herausgegebenen Presseerklärung schließlich auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Soweit ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Gruppierung besteht, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßstab für die Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet werden darf (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1BvR 1072/01 - juris Rn. 77). Auch diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen trägt die streitgegenständliche Berichterstattung über die Klägerin in der Rede des Innenministers und in der entsprechenden Presseerklärung Rechnung. Die Öffentlichkeit wurde im Wesentlichen bzw. im Kern über die förmliche Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Klägerin (Erklärung zum Beobachtungsobjekt) und die dafür im Wesentlichen maßgeblichen Gründe und verfassungsfeindlichen Aktivitäten informiert. Diese Information war zur Aufklärung und Warnung der Öffentlichkeit geeignet. Auch der Grundsatz der Erforderlichkeit ist gewahrt, weil der Beklagte hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass sich mit der Klägerin eine zur Beobachtung Anlass gebende verfassungsfeindliche Bewegung (erst) formiert bzw. entwickelt, und der Beklagte weiter zutreffend auf die davon abzugrenzende Kritik am Islam - z. B. auch in Form eines Bürgerbegehrens gegen das ZIE-M - hingewiesen hat, die im Rahmen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) zulässig und damit nicht Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei. Demgemäß macht auch die von der Klägerin behauptete besondere Prangerwirkung ihrer Herausstreichung als aktuelles Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht unverhältnismäßig. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Klägerin wahrt schließlich auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, da bei Abwägung der gegensätzlichen Schutzgüter auch mit Blick auf das hier vor allem betroffene Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen (Art. 21 Abs. 1 GG), dem Aufklärungsinteresse und der Warn- und Abwehrfunktion im Hinblick auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein höheres Gewicht zukommt. Die damit verbundenen Nachteile, gegebenenfalls auch eine gewisse „Prangerwirkung“, sind von der Klägerin als zumutbar hinzunehmen. Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn man daneben auch auf die eventuell weiter betroffenen Grundrechtspositionen der Klägerin (s. 2.1.1.) abstellte.

2.2. Unabhängig davon liegt bei der vorliegenden Konstellation aber auch die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht (mehr) vor.

Der öffentlichrechtliche Unterlassungsanspruch setzt neben einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen des Betroffenen zusätzlich voraus, dass die Gefahr einer Wiederholung des rechtswidrigen Eingriffs droht bzw. zu besorgen ist (BVerwG, U. v. 15.12.2005 - 7 C 20.04 -juris Rn. 11, 33 f.; B. v. 11.11.2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14; U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 21; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 - juris Rn. 21). Die erforderliche Wiederholungsgefahr, also die Prognose, dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahme für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (BVerwG, U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 21; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 – juris Rn. 21).

Dazu hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erklärt, die streitbefangene Rede des Innenministers und die entsprechende Presseerklärung seien inzwischen vereinbarungsgemäß (im Zuge der unstreitigen Beilegung des diesbezüglichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) vom Netz genommen worden. Es sei auch nicht beabsichtigt, die konkrete Rede erneut ins Internet zu stellen. Allerdings seien auch in Zukunft vergleichbare Konstellationen denkbar, in denen eine entsprechende Erklärung - möglicherweise nicht mehr mit identischem Inhalt - abgegeben werden könnte (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 12.10.2015).

Damit lässt sich allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin die erforderliche Wiederholungsgefahr im oben dargelegten Sinn nicht begründen. Die streitbefangenen Äußerungen in der Rede des Innenministers und der dazu herausgegebenen Presseerklärung erfolgten anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012, in dem die Klägerin selbst noch nicht erwähnt worden war. Neben der - von der Klägerin ohnehin nicht beanstandeten - Information über die Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur (förmlichen) Beobachtung der Klägerin (Erklärung zum Beobachtungsobjekt) wurden dieser Anordnung (nur) zugrunde liegende Erkenntnisse bzw. Bewertungen über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Aktivitäten der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum (bis zum Zeitpunkt dieser Rede) angeführt. In den Folgejahren wurde die Öffentlichkeit jedoch aufgrund der in die (späteren) jeweiligen Berichtszeiträume fallenden Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG im Verfassungsschutzbericht über solche verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Tätigkeiten der Klägerin informiert (vgl. dazu die Entscheidung des Senats ebenfalls vom 22.10.2015 im Parallelverfahren 10 B 15.1320 bezüglich der Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht). Abgesehen davon, dass durch diese Berichte die streitbefangenen Äußerungen über Bestrebungen und Tätigkeiten bis zur Anordnung der förmlichen Beobachtung der Klägerin ohnehin zeitlich und inhaltlich überholt sind, ist von der Klägerin weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die beanstandeten Äußerungen in der Rede des Ministers und der dazu herausgegebenen Presseerklärung des Beklagten vor diesem Hintergrund erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Ob zukünftig vergleichbare Äußerungen über die Klägerin etwa in weiteren Verfassungsschutzberichten drohen, ist mit Blick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens insoweit nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 entsprechend und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 wird der Streitwert in beiden Instanzen auf jeweils 10.000,-- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG).

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2016 weiter. Mit diesem Bescheid wird der Kläger insbesondere verpflichtet, „die derzeit in seinem Haushalt gehaltenen vier Schäferhunde“ im öffentlichen Verkehrsraum innerhalb geschlossener Ortslage stets angeleint zu führen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, soweit mit ihm ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil sich aus dem Vortrag des Klägers, auf dessen Überprüfung der Senat im Zulassungsverfahren beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), die geltend gemachten ernstlichen Zweifel nicht ergeben.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (stRspr, BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Der Kläger begründet seinen Angriff auf das Urteil mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine von seinen Hunden ausgehende konkrete Gefahr angenommen und sich dabei in erster Linie auf die Aussage des Zeugen T. gestützt; es habe jedoch dessen Aussage als schlüssig und widerspruchsfrei bewertet, ohne objektive Bewertungskriterien heranzuziehen, und die Aussage ausschließlich mit dem Inhalt des Schreibens von T. vom 16. September 2015 an die Beklagte abgeglichen. Dabei habe sich der Zeuge noch nicht einmal an das genaue Datum des angeblichen Vorfalls mit den Hunden des Klägers erinnern, vielmehr nur eine grobe Einordnung „in etwa im Herbst 2014“ vornehmen können. Hätte es sich aber wirklich um ein bemerkenswertes Ereignis für den Zeugen gehandelt, müsse ihm mindestens noch das Datum in Erinnerung sein, zumal der Vorgang nicht so lange zurückliege, dass von einem Vergessen ausgegangen werden könne. Aus der Aussage des Zeugen ergebe sich auch keine von den Hunden ausgehende Gefahr.

Mit diesen Ausführungen vermag der Kläger die Begründung des Verwaltungsgerichts zur konkreten Gefahr, mit der die Anordnung des Leinenzwangs gerechtfertigt wird, nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Er zeigt keine substantiierten tatsächlichen Umstände auf, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Gefahr unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Die bloße Möglichkeit einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen T. und damit des Ergebnisses der Beweisaufnahme (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) allein genügt zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht. Soweit sich das tatsächliche Vorbringen im Zulassungsverfahren - wie im vorliegenden Fall - auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung bezieht, kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 10 ZB 14.1402 - juris Rn. 6; B.v. 14.3.2016 - 15 ZB 16.168 - juris Rn. 8; B.v. 9.10.2013 - 10 ZB 13.1725 - juris Rn. 5 f.; OVG BB, B.v. 17.5.2016 - OVG 11 N 36.15 - juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 - juris Rn. 25; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2016, § 124 Rn. 26g m.w.N.; zur verfahrensrechtlichen Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 VwGO vgl. z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 - 5 B 36.14 - juris Rn. 13).

Derartige Mängel in der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung, die auf eine völlig unvertretbare Beweiswürdigung hinauslaufen, werden mit der Zulassungsbegründung jedoch nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist die aufgrund der Zeugenaussage gewonnene Überzeugung des Erstgerichts, der für die Beurteilung der konkreten Gefahr maßgebliche Vorfall im Herbst 2014 habe sich so, wie von T. geschildert, abgespielt, nicht nur nachvollziehbar, sondern auch naheliegend. Das vom Kläger insbesondere hervorgehobene mangelhafte „Erinnerungsvermögen“ des Zeugen bezog sich dabei - trotz der insoweit nicht eindeutigen Wiedergabe in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung - ausschließlich auf den genauen Zeitpunkt des vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Vorfalls, nicht jedoch auf den Ablauf des “Angriffs“ der Hunde im Einzelnen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist insbesondere nicht zwingend damit infrage gestellt, dass er sich nicht mehr an das genaue Datum des Vorfalls erinnern konnte, obwohl er zum Zeitpunkt seiner Aussage noch nicht so weit in der Vergangenheit lag, dass man das Datum „gewöhnlich“ vergessen hat. Es entspricht vielmehr allgemeiner Lebenserfahrung, dass auch einmalige Ereignisse schon nach relativ kurzer Zeit nicht mehr mit ihrem exakten Datum benannt werden können, obwohl der genaue Geschehensablauf ohne Schwierigkeiten geschildert werden kann. Die vom Kläger geforderten „objektiven Bewertungskriterien“ für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen gibt es in dieser Form nicht; entscheidend ist vielmehr der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung vom Zeugen gewonnene Gesamteindruck, in den neben dem Inhalt seiner Aussage sämtliche sonstigen Wahrnehmungen des Gerichts zur Person des Zeugen, die selbstverständlich auch subjektiver Natur sein können, einfließen. Auch der Abgleich des Inhalts der in der mündlichen Verhandlung gemachten Äußerungen mit zurückliegenden schriftlichen Äußerungen des Zeugen stellt einen „Baustein“ bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit dar. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis den von ihm in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck mit den Worten „schlüssig und im Wesentlichen widerspruchsfrei“ zusammengefasst und einen „Belastungseifer“ des Zeugen nicht erkennen können. Damit hat es eine tragfähige Grundlage für seine innere Überzeugungsbildung wiedergegeben und so dem Gebot der freien Beweiswürdigung des § 108 Abs. 1 VwGO Rechnung getragen. Anhaltspunkte für die geltend gemachte fehlerhafte Beweiswürdigung liegen daher nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die angenommene konkrete Gefahr im Übrigen nicht nur mit dem vom Zeugen bestätigten Vorfall begründet, sondern auch unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats (vergleiche zuletzt U.v. 6.4.2016 - 10 B 14.1054 - juris); danach geht von großen Hunden - wie den Schäferhunden des Klägers -, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen oder die nicht ausbruchssicher untergebracht sind, in der Regel eine konkrete Gefahr im Sinn von Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 LStVG für Leib und Leben Dritter aus, ohne dass es schon zu Beißvorfällen gekommen sein müsste. Das Verwaltungsgericht hat diese Überlegung in seinem Urteil (UA, S. 7, 1. Absatz) ebenfalls als maßgeblich für das Vorliegen einer konkreten Gefahr angesehen. Hierauf geht die Zulassungsbegründung nicht ein.

Weitere Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils werden nicht geltend gemacht. Soweit der Schriftsatz vom 16. Januar 2017 eingangs einen Hinweis auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO enthält, fehlt es im Weiteren an jeglicher Darlegung der Gründe (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), wegen derer die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen oder ihr grundsätzliche Bedeutung zukommen sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 28. September 2016 - B 4 K 15.535 - wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 11.714‚30 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ ist unbegründet. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Dieser Zulassungsgrund liegt vor‚ wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (s. dazu BVerfG‚ B.v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 - JZ 2009‚ 850/851). Das ist nicht der Fall.

Die beklagte Stadt hat die Klägerin mit Bescheid vom 5. April 2013 für die Erneuerung und Verbesserung der Ortsstraße P.-rangen zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 11.714‚30 Euro herangezogen (und zugleich einen Verzicht hinsichtlich des den Vorauszahlungsbetrag von 6.507,52 € übersteigenden Beitrags ausgesprochen). Den Widerspruch wies das Landratsamt Lichtenfels zurück. Mit dem angegriffenen Urteil vom 28. September 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Aufhebung des Straßenausbaubeitragsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids abgewiesen. Es hat in seiner Entscheidung tragend darauf abgestellt‚ dass die abzurechende Straße P.-rangen von der Einmündung in die Straße K. Tor im Osten bis zum Beginn der F.-gasse im Westen verlaufe. Die Beklagte habe keine weiteren Grundstücke in die Aufwandsverteilung einbeziehen müssen. Im Gegenteil erweise sich das von ihr gebildete Abrechnungsgebiet - zu Gunsten der Klägerin - als fehlerhaft‚ weil das nicht gefangene Hinterliegergrundstück FlNr. 74 zu Unrecht in die Verteilung des umlagefähigen Aufwands einbezogen worden sei. Neben diesem stellten auch die Grundstücke FlNrn. 1003/5 und 17‚ die zusammen mit FlNr. 74 und dem Anliegergrundstück FlNr. 35 ein Areal bildeten‚ auf der sich eine Behinderteneinrichtung befinde‚ nicht gefangenen Hinterliegergrundstücke dar. Zwar könne vom Grundstück FlNr. 17 aus das auf den Grundstücken FlNrn. 17 und 35 stehende‚ den B. Weg überbauende Wohnhaus betreten und von dort aus theoretisch der P.-rangen erreicht werden. Eine Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Ortsstraße nach dem Umfang der (wahrscheinlichen) tatsächlichen Inanspruchnahme ergebe jedoch keinen Sondervorteil für die nicht gefangenen Hinterliegergrundstücke FlNrn. 17‚ 74 und 1003/5.

Der Zulassungsantrag zeigt keine Gesichtspunkte auf‚ die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Ergebnis (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004‚ 542 ff.) begründen und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen.

a) Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend (stillschweigend) die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 13. Januar 2010 (ABS) als wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu einem Straßenausbaubeitrag angesehen.

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein‚ die Satzung sei unwirksam‚ weil § 7 Abs. 6 ABS die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung des § 7 Abs. 4 Nr. 2 ABS auch für Außenbereichsgrundstücke für entsprechend anwendbar erkläre.

Es kann dahinstehen, ob die Tiefenbegrenzungsregelung selbst und mit ihr § 7 Abs. 6 ABS unwirksam ist (zur Problematik BayVGH‚ B.v. 24.11.2016 - 6 ZB 16.1476 - juris Rn. 12 ff. m.w.N.). Auch wenn das - wofür einiges spricht - der Fall sein sollte, führt das nicht zur Unwirksamkeit der Satzung insgesamt. Denn die Tiefenbegrenzung ist unabhängig von ihrer Einbindung in § 7 ABS kein Teil des Verteilungsmaßstabs. Sie dient nicht der Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf die dabei zu berücksichtigenden Grundstücksflächen, sondern der rechtslogisch vorausgehenden Ermittlung eben dieser Flächen. Die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung wirkt sich deshalb weder auf den Verteilungsmaßstab noch auf die Satzung insgesamt aus (Driehaus in ders. , Kommunalabgabengesetz, § 8 Rn. 413a m.w.N.). Denn nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB bleibt trotz nichtiger Tiefenbegrenzungsregelung die Beitragssatzung im Übrigen wirksam‚ wenn - wie im Regelfall und so auch hier - die ohne den nichtigen Teil bestehende Restregelung sinnvoll bleibt und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne den zur Unwirksamkeit führenden Teil erlassen worden wäre (vgl. BVerwG, U.v. 11.7.2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 30). Bei der hier inmitten stehenden Beitragsabrechnung für die Ortsstraße P.-rangen ist die Tiefenbegrenzungsregelung nicht zur Anwendung gelangt, so dass sich ihre Unwirksamkeit nicht zulasten der Klägerin auf den streitigen Beitrag auswirken kann.

bb) Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Nr. 3 ABS zur Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs bei einheitlich genutzten Grundstücken desselben Eigentümers begegnet entgegen der Ansicht der Klägerin keinen durchgreifenden Bedenken.

Im Straßenausbaubeitragsrecht ist allerdings - ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht - grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen (ständige Rechtsprechung; z.B. BayVGH‚ B.v. 25.2.2015 - 6 ZB 14.2045 - juris Rn. 6 m.w.N.). Dem entspricht die Grundnorm des § 7 Abs. 4 Nr. 1 ABS, wonach für die Bestimmung der Grundstücksfläche auf den Flächeninhalt des Buchgrundstücks abzustellen ist. Die von der Klägerin beanstandete (Sonder-)Regelung des § 7 Abs. 4 Nr. 3 ABS greift - bei normerhaltender Auslegung - auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff lediglich für den in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall von sogenannten Handtuchgrundstücken zurück‚ die mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbar sind und daher bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben würden‚ obwohl sie zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken desselben Eigentümers ohne weiteres angemessen genutzt werden können. Die im vorliegenden Fall streitige Frage‚ unter welchen Voraussetzungen mehrere selbstständig nutzbare Buchgrundstücke desselben Eigentümers am umlagefähigen Aufwand von Straßenausbaumaßnahmen zu beteiligen sind (dazu nachfolgend d)‚ ist hingegen nicht Gegenstand dieser Regelung.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge, die abzurechnende Ortsstraße P.-rangen ende entgegen der Ansicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts im Westen nicht am Beginn der F.-gasse, sondern umfasse auch diese und reiche als einheitlicher Straßenzug bis zum Marktplatz.

Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass sich die Frage, wie weit eine einzelne Ortsstraße als beitragsfähige Einrichtung (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG) reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, grundsätzlich nach dem Gesamteindruck beantwortet, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermittelt. Auf dieser Grundlage ist es nach Inaugenscheinnahme des Straßenzugs - mit überzeugenden Erwägungen - zu der Auffassung gelangt, dass die Straßen P.-rangen und F.-gasse sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung (überwiegend asphaltierte Fahrbahn mit nur einseitiger Entwässerungsrinne auf dem P.-rangen, durchgehend gepflasterte Fahrbahn mit beidseitigen Entwässerungsrinnen auf der F.-gasse) jeweils als augenfällig eigenständige Elemente des örtlichen Straßennetzes darstellen.

Dem hält der Zulassungsantrag lediglich entgegen, für einen „objektiven Beobachter“ gehörten die Straßen P.-rangen und F.-gasse zusammen, weil ein trennender Umstand nicht ersichtlich sei. Damit wendet er sich gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder die Grenzen richterlicher Überzeugungsbildung überschritten worden wären. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich sachwidrig und damit objektiv willkürlich wäre, gegen Denkgesetze verstieße oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachten würde (vgl. BayVGH, Bv. 13.2.2017 - 22 ZB 15.2639 - juris Rn. 15 m.w.N.). Derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung zeigt die Klägerin nicht auf. Sie setzt vielmehr dem aus den Erkenntnissen des Augenscheinstermins gewonnenen Eindruck des Verwaltungsgericht lediglich ihren eigenen Eindruck entgegen. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2014 - 14 ZB 11.452 - juris Rn. 8 m.w.N.).

c) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge‚ bei der abgerechneten Baumaßnahme habe es sich nicht um den Ausbau einer vorhandenen Ortsstraße gehandelt‚ sondern um die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage, so dass vorliegend nur Erschließungsbeiträge hätten erhoben werden dürfen, für die aber inzwischen Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine vorhandene (historische) Straße im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB‚ die dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB) entzogen ist und dem Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG) unterfällt‚ vor‚ wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck - nach den damaligen rechtlichen Anforderungen - endgültig hergestellt war (vgl. BayVGH‚ B.v. 21.11.2013 - 6 ZB 11.2973 - juris Rn. 7; B.v. 19.1.2015 - 6 ZB 13.1548 - juris Rn. 6 m.w.N.).

Beide Voraussetzungen sind, wovon Beklagte und Verwaltungsgericht stillschweigend ausgegangen waren, bei dem Polzeirangen nach Aktenlage unzweifelhaft erfüllt. Diese Straße hatte ausweislich der Karte aus dem Jahre 1851 bereits damals Erschließungsfunktion. Denn sie umschloss den damaligen Ortskern von Burgkunstadt und war an ihrer nördlichen Seite durchgehend bebaut. Ohne weiteres kann mit Blick auf die von der Beklagten angeführten Indizien davon ausgegangene werden, dass sie auch entsprechend den damaligen Gepflogenheiten ortsüblich ausgebaut war. Daran sind für die Zeit um und vor 1900 keine besonderen Anforderungen zu stellen (vgl. Schmitz, BayVBl 2014, 613/616 f. mit Nachweisen der Rechtsprechung). Mit dem Einwand, die Straße habe erst im Rahmen der streitgegenständlichen Baumaßnahme im Jahr 2010/2011 einen „ordnungsgemäßen Unterbau mit Teerschicht‚ Oberflächenentwässerungseinrichtungen‚ Beleuchtungseinrichtungen usw.“ erhalten‚ verfehlt der Zulassungsantrag die maßgeblichen rechtlichen Kriterien. Es kommt nicht darauf an, ob die Straße gemessen an den Herstellungsmerkmalen der seit 1961 geltenden Erschließungsbeitragssatzung(en) endgültig oder gar nach heutigen technischen Bauregelungen „ordnungsgemäß“ hergestellt war, sondern ob ihr Ausbauzustand den damals - hier also im 19. Jahrhundert - für den Zweck der Erschließung geltenden Anforderungen entsprochen hat. Dazu ist dem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges zu entnehmen.

d) Schließlich ergeben sich keine ernstlichen Zweifel aus dem Einwand‚ bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands hätten weitere Grundstücke berücksichtigt werden müssen, was den auf die Klägerin entfallenden Anteil mindere.

aa) Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Grundstücke FlNrn. 17‚ 74 und 1003/5 nicht bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen sind.

Diese drei Grundstücke liegen nicht an der Straße P.-rangen, sie stehen aber zusammen mit dem Anliegergrundstück FlNr. 35 im Eigentum einer Stiftung, die auf dem gesamten Areal eine Betreuungseinrichtung für Menschen mit Behinderung betreibt. Auf dem südlich gelegenen Grundstück FlNr. 17 befindet sich der Haupt- und Verwaltungstrakt; es grenzt im Süden an den R.-W. Platz und im Nordosten an die F.-gasse. Die nördlich gelegenen Grundstücke FlNrn. 35 und 74 sind mit Wohngruppengebäuden bebaut. Auf dem sich in Richtung Nordosten anschließenden Grundstück Fl.Nr. 1003/5 befinden sich Grünflächen, ein Sportplatz und im östlichen Bereich Parkflächen mit einer unmittelbaren Anbindung an die Straße „K. Tor“. Die vier Grundstücke bilden allerdings keine unmittelbar zusammenhängende Fläche, da zwischen den Grundstücken FlNr. 17 (im Süden) und FlNrn. 35 und 74 (im Norden) auf einem eigenen Buchgrundstück (FlNr. 33) ein öffentlicher Weg (B. Weg) verläuft. Unmittelbar nach dem Abzweig von der F.-gasse führt dieser öffentliche Weg unter dem ihn überbauenden Gebäude F.-gasse 10 hindurch, das im Wesentlichen auf dem Grundstück FlNr. 35 steht, im Süden aber - mit einer Länge von etwa 8 bis 10 m - auf das Grundstück FlNr. 17 reicht und im Nordosten mit einer Ecke auf das Grundstück FlNr. 74 ragt. Von dem B. Weg zweigt der Weg „...-wiese“ (FlNr. 33/3) ab und führt entlang der Ostgrenze des Grundstücks FlNr. 74 nach Norden zur Rangengasse.

Während das Anliegergrundstück FlNr. 35 ohne weiteres der Beitragspflicht unterliegt und dementsprechend von der Beklagten bei der Aufwandsverteilung berücksichtigt wurde, gehören die weiteren Grundstücke der Stiftung unter keinem Gesichtspunkt zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke.

(1) Die Regelung des § 7 Abs. 4 Nr. 3 ABS kann entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb keine Anwendung finden, weil jedes dieser Grundstücke aufgrund seiner Größe selbstständig nutzbar und deshalb eine Abweichung vom Buchgrundstücksbegriff (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 ABS) nicht gerechtfertigt ist (dazu oben a) bb)). Die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit insbesondere mit dem nordwestlich unmittelbar angrenzenden Grundstück FlNr. 74 scheidet demnach von vornherein aus.

(2) Auch nach den allgemeinen Grundsätzen für Hinterliegergrundstücke können die Buchgrundstücke FlNrn. 17‚ 74 und 1003/5 einem Anliegergrundstück nicht gleichgestellt und der Beitragspflicht für die Ortsstraße P.-rangen unterworfen werden.

Für das Grundstück FlNr. 17 ergibt sich das bereits aus dem Umstand, dass es nicht unmittelbar an das Anliegergrundstück FlNr. 35 angrenzt, sondern von diesem durch das öffentliche Wegegrundstück FlNr. 33 getrennt ist und damit nicht als Hinterliegergrundstück angesehen werden kann. Bei den Grundstücken FlNrn. 74 und 1003/5 handelt es sich zwar um - nicht durch andere Grundstücke getrennte - Hinterliegergrundstücke, allerdings lediglich um nicht gefangene Hinterliegergrundstücke‚ weil sie mit ihren rückwärtigen oder seitlichen Teilflächen ihrerseits unmittelbar an andere Verkehrseinrichtungen grenzen (B. Weg, Torwiese, K. Tor), also über eine eigene wegemäßige (Erst-)Erschließung verfügen. Solche nicht gefangene Hinterliegergrundstücke haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Aufwandsverteilung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben‚ wenn sie aufgrund planungsrechtlicher‚ sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Umstände eindeutig erkennbar auf die Straße ausgerichtet sind‚ an die sie angrenzen‚ wenn es also mit anderen Worten im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten an Anhaltspunkten fehlt‚ die den Schluss erlauben‚ die abzurechnende Straße werde über das Anliegergrundstück vom Hinterliegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbindung an seine „eigene“ Straße in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen werden (vgl. BayVGH‚ U.v. 25.10.2012 - 6 B 10.132 - BayVBl 2013, 211 Rn. 31, 39 ff., B.v. 17.3.2017 - 6 CS 17.353 - juris Rn. 9 m.w.N.).

Die einheitliche Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück in der Hand eines einzigen Eigentümers reicht entgegen der Auffassung der Klägerin als ein solcher Anhaltspunkt nicht aus. Denn eine einheitliche Nutzung ist auch bei grenzüberschreitender Bebauung ebenso wie eine Eigentümeridentität als solche neutral und lässt für sich betrachtet nicht den Schluss zu‚ die abzurechnende Straße werde von einem nicht gefangenen Hinterliegergrundstück aus über das Anliegergrundstück in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen (vgl. BayVGH‚ B.v. 25.2.2015 - 6 ZB 14.2045 - juris Rn. 8 m.w.N.).

Als Anhaltspunkt für den Schluss auf eine nennenswerte Inanspruchnahme kommt vielmehr insbesondere eine tatsächlich angelegte Zufahrt oder ein tatsächlich angelegter Zugang über das Anliegergrundstück in Betracht. Bei nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken reicht nämlich ausnahmsweise - anders als bei Anliegergrundstücken - allein der Umstand, dass deren Eigentümer über die Anliegergrundstücke eine hinreichend gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße haben, nicht für deren Teilnahme an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands aus. Vielmehr ist bei diesen Hinterliegergrundstücken zusätzlich eine Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit geboten, die ausschließlich nach dem Umfang der (wahrscheinlichen) tatsächlichen Inanspruchnahme der ausgebauten Straße zu erfolgen hat. Denn an dem die Beitragserhebung rechtfertigenden Vorteilsausgleich sind Grundstücke nur zu beteiligen, wenn und soweit ihnen durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße ein nennenswerter Vorteil zuwächst. Ist die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit für ein Hinterliegergrundstück objektiv wertlos, weil nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist, dass von diesem Grundstück aus die ausgebaute Straße in einem relevanten Umfang in Anspruch genommen werden wird, dann hat dieses Grundstück aus einer gebotenen Inanspruchnahmemöglichkeit keinen Sondervorteil und scheidet deshalb aus dem Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke aus (BayVGH, B.v. 18.5.2016 - 6 ZB 15.2785 - juris Rn. 19 m.w.N.).

Gemessen an diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag keine greifbaren Umstände dafür auf‚ dass die Ortsstraße P.-rangen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts von den nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken FlNrn. 74 und 1003/5 aus ungeachtet deren eigener Anbindung an andere Verkehrseinrichtungen über das Anliegergrundstück FlNr. 35 in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen würde. Nach dem Vorbringen der Klägerin hat zwar das Gebäude auf dem Anliegergrundstück FlNr. 35 einen Ausgang zum P.-rangen (Schriftsatz vom 5.12.2016 S. 10; die Beklagte spricht in ihrer Erwiderung vom 11.1.2017 S. 3 von einem „Gartentürchen“). Dass der P.-rangen auf diesem Weg von den Hinterliegergrundstücken über das Anliegergrundstück in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen werden wird, ist gleichwohl nicht ersichtlich. Die Klägerin selbst trägt nämlich weiter vor, dass vom Grundstück FlNr. 74 aus (das gilt erst recht für das dahinter liegende Grundstück FlNr. 1003/5) ein Zugang „über Brücken und Stege sowie den B. Weg“ zu den Grundstücken FlNrn. 17 und 35 führt, von wo aus dann die Bewohner und Mitarbeiter der Betreuungseinrichtung „über das vorhandene Gebäude … auf das Grundstück Flur-Nr. 35 … zum P.-rangen“ gelangen können. Das stellt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur eine theoretische, beitragsrechtlich unbeachtliche Erreichbarkeit dar. Abgesehen davon, dass dieser Zugang von den Hinterliegergrundstücken aus wohl zwingend zunächst - nach Süden - über den B. Weg auf das Grundstück FlNr. 17 führt, das selbst kein Hinterliegergrundstück ist und damit auch die Grundstücke FlNr. 74 und 1003/5 beitragsrechtlich „abkoppelt“, verläuft er - dann zurück nach Norden - durch das Gebäude auf dem Anliegergrundstück FlNr. 35. Dass auf diesem umständlichen (Um-)Weg noch dazu durch ein Gebäude die Ortsstraße P.-rangen in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen wird, kann ausgeschlossen werden.

bb) Ob das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück FlNr. 73 der Beitragspflicht unterliegt, kann offen bleiben. Bei seiner Berücksichtigung würde, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, der auf das Grundstück der Klägerin entfallende Beitrag nicht niedriger ausfallen als im angefochtenen Bescheid festgesetzt.

Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass dieses ca. 15 bis 20 m breite, mehr oder weniger steil abfallende, böschungsähnliche Grundstück zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehört. Vielmehr dürfte ein beitragsrelevanter Vorteil durch ein Zugangshindernis auf Straßengrund ausgeschlossen sein (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2017 - 6 B 16.1043 - juris Rn. 14 m.w.N.). Denn das Grundstück FlNr. 73 kann von dem höher gelegenen P.-rangen aus nicht betreten werden, weil es über die gesamte Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch eine ununterbrochene, auf Straßengrund gelegene, nach Angaben der Klägerin zwei bis drei Meter hohe Stützmauer von der Straßenfläche getrennt ist.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen der behaupteten Abweichung des angefochtenen Urteils von den im Zulassungsantrag im einzelnen angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts‚ des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs oder anderer Oberverwaltungsgerichte zuzulassen.

Zur Darlegung einer Divergenz ist es erforderlich‚ dass ein inhaltlich bestimmter‚ die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechts- oder Tatsachensatz benannt wird‚ mit dem dieses von einem in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz abgewichen sein soll (vgl. u.a. BVerwG‚ B.v. 27.10.2010 - 9 B 93.09 - juris Rn. 10). Das ist nicht geschehen.

a) Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 12.11.2014 - 9 C 4.13) betrifft die Frage‚ ob ein Grundstück im Sinn des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen und daher zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage herangezogen werden kann. Sie bezieht sich mithin nicht auf dieselbe Rechtsvorschrift‚ die die Rechtsgrundlage für die streitbefangene Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag darstellt (Art. 5 KAG).

b) Der Verweis auf Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Lüneburg‚ Münster‚ Schleswig und Magdeburg sowie des Verwaltungsgerichtshofs Kassel kann schon deshalb die Divergenzrüge nicht begründen‚ weil diese Oberverwaltungsgerichte keine Divergenzgerichte im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sind.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist den von ihr genannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kein Rechtssatz zu entnehmen‚ wonach „die Anbau Straße von einem nicht gefangenen Hinterliegergrundstück in einem vorteilsrelevanten nennenswerten Umfang in Anspruch genommen wird‚ wenn eine tatsächliche Zufahrt vom Anliegergrundstück zur Anbau Straße gegeben ist“. Vielmehr hat der Senat in diesen - und anderen - Entscheidungen ausgeführt‚ dass eine tatsächlich angelegte Zufahrt oder ein tatsächlich angelegter Zugang über das Anliegergrundstück im Rahmen der erforderlichen wertenden Betrachtung im jeweiligen Einzelfall lediglich als Anhaltspunkt für den Schluss auf eine nennenswerte Inanspruchnahme der gebotenen Möglichkeit in Betracht kommt. Soweit die Klägerin daraus den Schluss zieht‚ der Senat nehme gleichsam automatisch einen vorteilsrelevanten Umfang der Inanspruchnahme an‚ wenn es nur einen Zugang vom Anliegergrundstück auf die abzurechnende Straße gebe‚ verkennt sie‚ dass dies lediglich ein Aspekt der Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit ist. Ist die durch den Zugang gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit für ein Hinterliegergrundstück objektiv wertlos‚ weil nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist‚ dass von ihm aus über das Anliegergrundstück die ausgebaute Straße in relevantem Umfang in Anspruch genommen wird‚ dann hat dieses Hinterliegergrundstück aus einer gebotenen Inanspruchnahmemöglichkeit keinen Sondervorteil und scheidet deshalb aus dem Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke aus (s. BayVGH‚ B.v. 18.5.2016 - 6 ZB 15.2785 - juris Rn. 19).

3. Es liegt auch kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor‚ auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Die Klägerin rügt insoweit‚ das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend aufgeklärt. Es hätte „den Sachverhalt mehr aufklären müssen im Hinblick auf den Umstand‚ dass es sich bei den Baumaßnahmen im Bereich des P.-rangen nicht um eine Ausbaumaßnahme handelt‚ sondern um eine erstmalige Erschließung,“ und darüber hinaus Beweis erheben müssen „über die einheitlich wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke FlNrn. 1003/5‚ 73‚ 35 und 17“.

Diese Rüge einer unterlassenen oder mangelhaften Sachaufklärung bleibt ohne Erfolg. Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, B.v. 16.4.2012 - 4 B 29.11 - BayVBl 2012, 640; BayVGH, B.v. 31.8.2015 - 6 ZB 15.36 - juris Rn. 21). Die durch einen Rechtsanwalt vertretene Klägerin hätte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO); das ist jedoch ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. September 2016 nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, warum sich dem Verwaltungsgericht ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3‚ § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

10 B 15.1320

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 16. Oktober 2014, Az.: M 22 K 14.1743)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 520

Hauptpunkte:

Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2013; öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch; Wiederholungsgefahr;

Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen; Bestrebungen zur Einschränkung der Religionsfreiheit; Zurechenbarkeit von Äußerungen der Verantwortlichen einer Vereinigung; tatsächliche Würdigung des vom Verfassungsschutz vorgelegten Erkenntnismaterials;

Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch: Landesanwaltschaft ...,

- Beklagter

wegen Erwähnung im Verfassungsschutzbericht u. a.;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Oktober 2015 am 22. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Nr. II. und III. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014).

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 ist in Nr. II. und Nr. III. wirkungslos geworden.

III.

In Abänderung der Nr. I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird die Klage der Klägerin abgewiesen.

IV.

In Abänderung der Nr. IV. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

V.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014, mit dem er verpflichtet wurde, die Weiterverbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern, des Halbjahresberichts 2013 sowie der Rede des Bayerischen Staatsministers des Inneren anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts des Freistaats Bayern 2013 zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht wurden.

Die Klägerin ist seit dem Frühjahr 2013 Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). In den am 9. August 2013 vorgestellten und in einer Pressemitteilung veröffentlichten Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2013 bezeichnete das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit als neue Form des politischen Extremismus. Die Klägerin fordere Muslime auf, einzelne islamische Glaubensgrundsätze aufzugeben, und schüre pauschale Ängste vor Muslimen.

In seiner Rede anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2013 am 27. März 2014 äußerte sich der Bayerische Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr unter der Überschrift „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ wie folgt: habe ich Sie an dieser Stelle über die Aufnahme des Landesverbandes der Partei „DIE FR.“ als neues Beobachtungsobjekt informiert. ... Er vertritt unter dem Vorsitzenden St. die gleiche, pauschal Muslime verunglimpfende islamfeindliche Ideologie wie der Landesverband der „FR.“. Es freut mich, dass „DIE FR.“ bei den Kommunalwahlen am 16. März mit 0,6% der Stimmen den Einzug in den Stadtrat verfehlt hat.“

Der Verfassungsschutzbericht 2013 enthielt unter der Überschrift „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ zur Klägerin folgende Ausführungen:

„Der Landesverband der Partei DIE FR. B. verfolgt verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen. Er wendet sich mit pauschal diffamierenden Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. DIE FR. B. differenziert in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie, sondern begreift den Islam als „faschistoide Politideologie“. Der Koran wird als „das gefährlichste Buch der Welt“ verunglimpft. Auf seiner Internetseite fordert der Landesverband islamische Organisationen auf, umgehend in schriftlicher Form auf bestimmte Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, und stellt den Islam insgesamt als unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung dar. Die Aktivitäten der FR. B. zielen darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen.

Das von der FR. B. angestrebte „Bürgerbegehren gegen das Zentrum für Islam in Europa - München (ZIE-M)“, für das seit Oktober 2011 Unterschriften in München gesammelt werden, dient sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen der FR. B. als Plattform für islamfeindliche Propaganda, die sich primär gegen die Religionsfreiheit richtet.

Das Bürgerbegehren selbst kann nicht auf eine verfassungsfeindliche Zielsetzung reduziert werden. Personen, die dieses Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen, werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Mitglieder der FR. B. engagieren sich auch bei der ... Gruppe München (PI-M.). Der Landesvorsitzende der FR. B. und gleichzeitige Leiter der PI-M., Michael St., bezeichnete PI-M. als das Kerngerüst der FR. B. St. ist auch Vorsitzender des Landesverbandes der Bürgerbewegung P. Europa (BPE) Bayern.

Am 20. November vereinbarten DIE FR. B. und der Bayerische Landesverband der Partei Die Republikaner, die seit 2008 nicht mehr dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörden unterliegt, die Aufstellung gemeinsamer Listen in Großstädten für die Kommunalwahl 2014 in Bayern.

Bei der bayerischen Landtagswahl 2013 trat DIE FR. nur im Wahlkreis Oberbayern an und erlangte bayernweit 0,1% der Stimmen.“

Mit Schriftsatz vom 24. April 2014 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München mit den Anträgen, den Beklagten zu verurteilen, die Weiterverbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern (1.), der Rede des Bayerischen Staatsministers des Inneren anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern (2.) und des Halbjahresberichts (3.) zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht werden (M 22 K 14.1743).

Zur Begründung der Klage brachte die Klägerin vor, dass sie einen Anspruch auf Unterlassen der Verbreitung der entsprechenden Äußerungen und Veröffentlichungen, insbesondere einen Anspruch darauf habe, im Verfassungsschutzbericht nicht erwähnt zu werden. Durch die Veröffentlichungen werde in ihre Grundrechte eingegriffen. Die Klägerin könne sich auf Art. 21 GG berufen. Durch die genannten Veröffentlichungen werde über die Beobachtung durch den Verfassungsschutz informiert und dabei auf schlicht falsche Begründungstatsachen zurückgegriffen. Durch die Bezugnahme auf angeblich pauschale islamfeindliche Äußerungen und eine ebenso angebliche Verletzung der Religionsfreiheit, der Menschenwürde und des Gleichbehandlungsgrundsatzes werde die Klägerin in der Öffentlichkeit stigmatisiert. Eine Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sei nicht zu rechtfertigen. Allein die Verbreitung politischer oder weltanschaulicher Ideen stelle keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine Verfassungsfeindlichkeit im Sinne des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes dar. Selbst wenn islamfeindliche Äußerungen vorlägen, wären diese nicht auch gleich verfassungsfeindlich. Die Islamkritik, die von der Klägerin tatsächlich geübt werde, stelle keine Tatsache dar, die eine Beobachtung rechtfertigen könne. Die Klägerin sei eine Partei, die als islamkritisch bezeichnet werden dürfe und die sich insgesamt auch für eine auf freiwilliger Basis und auf gesellschaftlichem Konsens aufbauende Reformation des Islam einsetze. Gegenstand der Kritik sei dabei nicht die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam, also des Islamismus einschließlich seiner Rechtssätze. Die Klägerin mache dabei stets deutlich, dass sie diese Kritik nicht als pauschale Kritik an den Muslimen und auch nicht als Kritik an der Religion des Islam verstanden haben wolle. Die Klägerin betone stets, dass auch Muslime das Grundrecht der Religionsfreiheit genössen und stelle die Islamkritik in unmittelbaren Kontext zu den Anforderungen unserer Verfassung. Die offiziellen Verlautbarungen der Klägerin enthielten keine verfassungsfeindlichen Ziele. Auch auf den Veranstaltungen der Klägerin finde insofern stets eine differenzierte Auseinandersetzung statt. Der Koran enthalte Passagen, die im Lichte unserer Grundrechte und unserer Verfassung als untragbar angesehen werden müssten. Hierzu vertrete die Klägerin öffentlich die Meinung, dass Imame, aber auch die Muslime in Deutschland klarstellen sollten, dass diese Glaubenssätze in dieser strikten Form nicht angewendet würden. Hierdurch würden aber weder pauschale Ängste geschürt noch irgendwelche Glaubensfreiheiten aberkannt. Die Forderung nach einem reformierten Islam sei keine Verfassungsfeindlichkeit. Die Kritik der Klägerin richte sich einzig und allein gegen die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam. Hierzu werde auf die Ausarbeitung von Prof. Dr. Albrecht Schachtschneider „Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam“ verwiesen. Wer über die verfassungsfeindlichen und gefährlichen Bestrebungen einer totalitär eingestellten Religionsideologie aufkläre, taste keinesfalls die Würde des Menschen an. Auch Art. 3 GG werde nicht tangiert. Die Klägerin habe noch nie pauschal diffamierende Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit vorgenommen, sondern immer nur die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam kritisiert. Der Verwurf, dass die Klägerin nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie differenziere, treffe nicht zu. Sie weise darauf hin, dass es eine Besonderheit des Islam darstelle, dass es eine enge und teils nicht differenzierbare Verbindung zwischen dem politischen Islam (Islamismus) und der Religion Islam gebe. Diese künstliche Trennung werde vom Bayerischen Innenministerium und dem Verfassungsschutz vorgenommen, um sich nicht mit der islamischen Ideologie auseinandersetzen zu müssen. Der Islam sei nicht nur eine Religion, sondern gleichzeitig eine totalitäre politische Weltanschauung mit faschistischen Grundstrukturen. Es könne nicht ausgeblendet werden, dass das politische Herrschaftssystem des Islam Grundregeln aufstelle, die anderen die Religionsfreiheit abspreche. Keine Äußerung der Klägerin pauschaliere diese Problematik. Falsch und unbelegt sei auch, dass die Aktivitäten der Klägerin darauf abzielten, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen. Ergänzend werde auf das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz verwiesen (M 22 K 14.1092).

Im Verfahren M 22 K 14.1092 wandte sich u. a. die Klägerin gegen ihre Beobachtung durch das BayLfV und beantragte, es zu unterlassen, sie zu beobachten. In diesem Verfahren legte sie umfangreiche Unterlagen vor, wonach der Islam und das Grundgesetz unvereinbar seien. Die Klägerin würde nur über die politische Ideologie des Islam aufklären und darüber, dass es sich nicht um eine Religion im Sinne des Religionsbegriffs des Grundgesetzes handle, sondern um eine Ideologie mit politischem Herrschaftsanspruch, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, und keine pauschalen Ängste vor Muslimen schüren. Dies sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin fordere die Muslime auch nur auf, verfassungswidrige islamische Grundsätze aufzugeben. Das BayLfV habe zu berücksichtigen, dass der Islam seinerseits grundgesetzwidrig und verfassungsfeindlich sei. Zudem sei eine Unterscheidung zwischen Islam, Islamismus sowie Islamkritik und Islamfeindlichkeit nicht tunlich. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt den Muslimen als Trägern eines persönlichen Glaubens das Existenzrecht in Deutschland abgesprochen, sondern lediglich der politischen Ideologie des Islam, die dem Geltungsanspruch von Grundrechten, Rechtsstaat und Demokratie entgegengesetzt sei. Das sogenannte „Thesenpapier gegen die Islamisierung“ in seiner letzten Fassung vom 19. November 2011 sei nicht geeignet, eine verhältnismäßige Beobachtung durch den Beklagten zu begründen. Darin werde den Muslimen nicht angesonnen, auf Sätze ihres religiösen Glaubens zu verzichten. Vielmehr sei das Ziel ein Verzicht auf politische Programmsätze der in Deutschland lebenden Muslime, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Mit den islamischen Verbänden müsse ein Dialog geführt werden. Sollten die islamischen Verbände diesen Forderungen nicht nachkommen, würden sie als verfassungsfeindlich erklärt und letztendlich verboten werden. Es habe ein sofortiger Baustopp von Moscheen zu erfolgen, Koranschulen müssten geschlossen und Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen unterbunden werden.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage im Verfahren M 22 K 14.1092 ab, soweit sie nicht zurückgenommen worden war. Rechtsgrundlage für die angegriffene Maßnahme der Beobachtung seien Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 5 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG). Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Rahmen des Beobachtungsauftrags sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG. Im Hinblick auf die Klägerin ergäben sich solche Anhaltspunkte aus einer Gesamtschau des vom BayLfV vorgelegten Erkenntnismaterials, insbesondere aus den äußeren Aktivitäten des Klägers zu 1 (Michael St.), der die programmatische Ausrichtung und Wahrnehmung der Klägerin in der Öffentlichkeit maßgeblich geprägt habe und nach wie vor präge. Die Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse begründe einen die Beobachtung rechtfertigenden Verdacht von Bestrebungen, die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulichreligiöser Neutralität auch gegenüber dem Islam gerichtet seien, und die zudem darauf abzielten, Muslime in einer Weise in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen, die ihren sozialen Wert und Achtungsanspruch missachte und geeignet sei, ihnen ihre Menschenwürde abzusprechen.

Im Verfahren M 22 K 14.1743 gab das Bayerische Verwaltungsgericht München den Klageanträgen der Klägerin durch Urteil vom 16. Oktober 2014 vollumfänglich statt. Die Nennung im Verfassungsschutzbericht 2013, aber auch die Erwähnung in der damit im Zusammenhang stehenden Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts des Freistaats Bayern 2013 sowie des Halbjahresberichts 2013 seien als Grundrechtseingriffe zu bewerten, weil sie geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken und dies ihr gegenüber eine „mittelbar belastende negative Sanktion“ bedeute. Die Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin sei bereits eingetreten und dauere mit der Gefahr ständiger Wiederholung an. Der Eingriffscharakter von Verfassungsschutzberichten mit Bezug auf Parteien ergebe sich aus der Besonderheit von Verfassungsschutzberichten, die darin liege, auf die Abwehr bestimmter verfassungsschutzgefährdender Gefahren abzuzielen. Die Aufnahme einer Partei im Verfassungsschutzbericht behindere diese damit in ihrer durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG gewährleisteten Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes. Art. 15 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayVSG erlaube im Hinblick auf die Klägerin nur eine Unterrichtung über den Verdacht von Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG nicht aber, wie im Verfassungsschutzbericht 2013 und den daneben angegriffenen in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen allerdings geschehen, eine über die Verdachtsstufe hinausgehende Unterrichtung dahingehend, dass die Klägerin in feststehender und erwiesener Weise solche Bestrebungen und Tätigkeiten verfolge. Insoweit verstoße die geschehene Berichterstattung zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach zutreffender Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG insbesondere auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfassungsschutzberichts müssten konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme von Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayVSG vorliegen, um im Verfassungsschutzbericht eine Bewertung bestimmter Personen oder Organisationen als verfassungsfeindlich zu rechtfertigen. Tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, lägen bei der Klägerin vor. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Oktober 2014 (richtig: 16. Oktober 2014) im Verfahren M 22 K 14.1092, wonach die Beobachtung unter anderem der Klägerin durch das BayLfV wegen des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung für rechtmäßig erachtet wurde. Die streitgegenständlichen öffentlichen und über die Verdachtsberichterstattung hinausgehenden Darstellungen der Klägerin im Verfassungsschutzbericht und die damit im Zusammenhang stehenden Äußerungen verletzten die Klägerin in ihrer grundrechtlich geschützten Freiheitsphäre, namentlich der Parteienfreiheit (Gründungsfreiheit, Betätigungsfreiheit und politische Chancengleichheit) sowie der Meinungsfreiheit. Denn die Tatsachenbehauptungen, die zur Begründung eines abschließenden Werturteils über die Verfassungsfeindlichkeit herangezogen würden, müssten der Wahrheit entsprechen. Von der Wahrheit der streitigen Behauptungen könne hier jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden. Die durch die Klägerin und ihre Funktionäre verlautbarten fortwährenden und nachhaltigen Herabsetzungen bestimmter Minderheiten hätten nicht ein qualitatives Maß und eine Nachhaltigkeit erreicht, die nur noch geringe Restzweifel an der Ernsthaftigkeit, die sich aus den Verlautbarungen ergebenden Ausgrenzungen auch in politische Taten umsetzen zu wollen, zuließen. Die Klägerin vermeide zudem ein offenes Bekenntnis zu verfassungsfeindlichen Zielen und trete durch Bekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung dem Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit entgegen. Somit könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit die besondere Gefährlichkeit der Klägerin für die freiheitliche demokratische Grundordnung als erwiesen angesehen werden, welche es rechtfertigen könnte, die Klägerin im Zusammenhang mit feststehend verfassungsfeindlichen Gruppierungen zu nennen. Die hinsichtlich der Klägerin vorliegenden Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung rechtfertigten es nicht, sie der Kategorie „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ als neuer eigenständiger Extremismusform mit einer über das Verdachtsstadium hinausgehenden Gewissheit zuzuordnen. Im Rahmen dieser Würdigung sei zu berücksichtigen, dass der Übergang von einem bloßen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bis hin zum Feststehen verfassungsfeindlicher Bestrebungen fließend sei. Die eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht überhaupt erst rechtfertigenden hinreichenden gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen könnten sich je nach deren Qualität und Quantität soweit intensivieren und verdichten, bis die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen gerechtfertigt sei. Der Beklagte stütze seine Erkenntnis über das Bestehen von tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausschließlich auf im Internet öffentlich zur Verfügung stehende und von Mitgliedern der Klägerin selbst eingestellte Dokumente, Videos und Redemanuskripte. Die aufgeführten belastenden Anhaltspunkte seien nicht völlig unzweideutig und ohne Zweifel. Es fehle an stichhaltigen, eindeutigen und ausdrücklichen Bekenntnissen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die von ihrer Intensität und Klarheit im Lichte der hier maßgeblichen beeinträchtigten Grundrechte dazu geeignet seien, die öffentliche Berichterstattung über die Klägerin als verfassungsfeindliche Gruppierung zu rechtfertigen. Neben belastenden Gesichtspunkten fänden sich auch entlastende in Äußerungen der Funktionäre der Klägerin. Es werde immer wieder betont, dass sich die Klägerin für eine freiwillige und auf gesellschaftlichen Konsens aufbauende Reformation des Islam einsetze. Gegenstand der Kritik sei nicht die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam, also des Islamismus einschließlich seiner Rechtssätze. Es werde stets deutlich gemacht, dass diese Kritik nicht als pauschale Kritik an den Muslimen und auch nicht als Kritik an der Religion des Islam verstanden werden solle. Gegenstand der Islamkritik sei damit erkennbar keine Verfassungsfeindlichkeit, sondern der Versuch einer verfassungskonformen Auslegung islamischer Glaubenssätze. Die Klägerin habe sich öffentlich und wiederholt von rechtsextremen Gruppierungen distanziert. Hinzu komme, dass auch teilweise übersteigerte Formulierungen, namentlich im Rahmen des öffentlichen Meinungskampfes, starke Ausdrücke, auch in überspitzter und polemischer Form, der Meinungsfreiheit unterfielen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin tatsächlich nur gegen die islamistischen und damit grundgesetzwidrigen Bestandteile des Islam bezögen. Die Funktionäre der Klägerin zögen aus tatsächlichen Umständen, die in Gestalt des Islamismus einen Teilaspekt des heutigen Islam darstellten, die Schlussfolgerung, dass der Islam gefährliche Elemente enthalte, die mit dem Grundgesetz und den durch diesen verkörperten Werten unvereinbar seien. Gleichzeitig betone die Führungsspitze der Klägerin, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, die gleichen Rechte hätten und dass Frauen und Männer vor dem Gesetz und im Alltag gleichgestellt seien. Sie fordere, dass sich der Islam von allen verfassungsfeindlichen, gewalttätigen, tötungsbereiten, intoleranten, frauenunterdrückenden und totalitären Aspekten trennen müsse, damit eine friedliche Koexistenz der Muslime und Nichtmoslems auf Dauer möglich sei. Diese Aussagen könnten durchaus so verstanden werden, dass die Klägerin für ein gleichberechtigtes Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen auf dem Boden des Grundgesetzes eintrete. Die Kammer verkenne nicht, dass die geschilderten entlastenden Gesichtspunkte auf dem Bemühen der Klägerin beruhen könnten, ihre tatsächlichen Ziele im Interesse der Wählbarkeit für größere Bevölkerungsgruppen zu verschleiern. Die Tatsache alleine, dass unverfängliche Äußerungen vorhanden seien, sei deshalb nicht aussagekräftig. Hinzu komme jedoch, dass bereits die belastenden Anhaltspunkte kein eindeutiges Bild zuließen. All das führe dazu, dass nur von einem Verdacht auszugehen sei. Der Verfassungsschutzbericht des Beklagten lasse diese Einschränkung jedoch nicht erkennen. Die Klägerin werde unter der Überschrift „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ als einer neuen, eigenständigen Extremismusform erwähnt und damit eindeutig auf die Ebene einer erwiesenen verfassungsfeindlichen Organisation gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Gruppierung bestünden, zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßstab für die Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet werden dürfe. Die Berechtigung der Verfassungsschutzbehörde zur Berichterstattung in Verfassungsschutzberichten schon im Falle eines bloßen Verdachts für verfassungsfeindliche Bestrebungen erfordere eine Differenzierung dieser Berichterstattung nach Art und Ausmaß der Gefahr und nach dem Gewicht und der Belastbarkeit der eigenen Erkenntnisse. Daher müsse, etwa in den gewählten Überschriften und der Gliederung des Berichts, deutlich zwischen solchen Organisationen, für die nur ein Verdacht bestehe, und solchen, für die Bestrebungen erwiesen seien, unterschieden werden. Vorliegend sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte mit dem Begriff „verfassungsschutzrelevant“ habe ausdrücken wollen, dass bei der Klägerin nur von dem Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausgegangen worden sei. Der Beklagte habe vielmehr in seiner Klageerwiderung ausgeführt, dass es sich nicht nur um eine Verdachtsberichterstattung handle, da nicht nur tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, sondern tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorlägen. Allein aus der Begrifflichkeit „verfassungsschutzrelevant“ statt „verfassungsfeindlich“ sei für den flüchtigen Leser nicht hinreichend erkennbar, dass es sich dabei lediglich um einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen handeln solle. Der vom Bundesverfassungsgericht geforderten deutlichen Differenzierung werde damit jedenfalls nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 zu.

Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte:

Unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird die Klage abgewiesen, soweit der Rechtsstreit durch die Parteien nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Das Verwaltungsgericht München habe in seiner Entscheidung einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab angelegt. Nicht über tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, sondern über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung finde gemäß Art. 15 BayVSG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayVSG eine Berichterstattung statt. Es sei somit erforderlich, aber auch ausreichend, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine derartige Annahme vorlägen. Ein möglicher, nicht durch belegbare Tatsachen gestützter bloßer Verdacht reiche nicht aus, aber das Vorliegen sogenannter Anknüpfungstatsachen. Insoweit werde auf die Gesetzesbegründung und die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen. Bezüglich der Klägerin lägen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor, die auf der Basis des anzulegenden Maßstabs die Berichterstattung über die Klägerin rechtfertigten. Die Berichterstattung sei auch vor dem Hintergrund der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 25. Mai 2005 an die Prüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen angesichts der erheblichen Verdichtetheit der Anknüpfungstatsachen nicht zu beanstanden. Die Vielzahl der vom Beklagten vorgelegten tatsächlichen Anhaltspunkte für die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der Klägerin sowie die inhaltliche Intensität der Anhaltspunkte rechtfertigten die Darstellung über die Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013. Insbesondere sei nochmals auf das Thesenpapier, aber auch auf das Grundsatzprogramm 2.0 des Bundesverbandes der Klägerin und die Einstufung des Korans als „Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen“ mit dem verfolgten Ziel eines Verbots des Korans und einer „Verbrennung des Korans als symbolisch letzte Maßnahme“ hingewiesen. Es würden von der Klägerin Bestrebungen verfolgt, die darauf abzielten, Muslime verallgemeinernd zu diffamieren und ihnen Grundrechte nicht zuzugestehen. So sei die Zielrichtung der Klägerin auf eine Abschaffung der verfassungsrechtlich durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich schrankenlos garantierten Religionsfreiheit für Muslime gerichtet. Muslimen werde letztendlich die Menschenwürde gemäß Art. 1 GG abgesprochen, wenn allen Muslimen vorgeworfen würde, nicht zu eigenständigem Denken bzw. Entscheidungen in der Lage zu sein und lediglich wie Maschinen zu agieren. Es werde insbesondere auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München im Urteil M 22 K 14.1092 Bezug genommen.

Diese hinreichende Gewichtung der tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung werde nicht durch angeblich vorliegende Gründe, die gegen eine entsprechende Verfestigung und Verdichtung sprächen, entkräftet. Die angeblich entlastenden Gründe seien nicht tragfähig. Eine Distanzierung vom Rechtsextremismus sei nicht geeignet, eine verfassungsfeindliche Islamfeindlichkeit aufzulösen. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung auf die tatsächliche Verwirklichung gerichtet habe. Die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts München denkbare Auslegung der Aussagen in einer nicht verfassungsfeindlichen Weise finde keine Grundlage. Ausdrückliche Bekenntnisse der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung seien nicht erforderlich. Gerade bezüglich derjenigen Gruppierungen, die sich äußerlich einen in Wahrheit nicht zutreffenden Anschein von Verfassungstreue gäben, sei eine Aufklärung der Bevölkerung besonders wichtig. Der Eintritt einer konkreten Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder einer Rechtsgutverletzung müsse gerade nicht abgewartet werden. Den entsprechenden öffentlichen Äußerungen komme ein hoher Beweiswert zu.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei eine grundsätzlich verfehlte Herangehensweise des Beklagten, den Islam und den Islamismus jeweils gesondert zu betrachten. Denn eine künstliche Aufspaltung oder Trennung des Islam und des Islamismus sei nicht möglich. Die Klägerin habe immer nur die politische Forderung gestellt, dass die verfassungsfeindlichen Bestandteile des politischen Islam bekämpft würden. Die der Klägerin vorgehaltene pauschale Verunglimpfung sei deshalb nie erfolgt.

In der Streitsache wurde am 12. Oktober 2015 mündlich verhandelt. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit bezüglich des Halbjahresberichts und der Rede des Staatsministers in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und Gerichtsakten, auch im Verfahren M 22 K 14.1092, Bezug genommen.

II.

1. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die von der Klägerin und dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erledigungserklärungen betrafen die Klageanträge Nummer 2. und 3. der Klägerin, denen das Verwaltungsgericht München im Urteil vom 16. Oktober 2014 in Nummer II. und III. des Tenors stattgegeben hatte.

2. Die noch anhängige Berufung des Beklagten bezüglich der Nummer I. des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht verpflichtet, die weitere Verbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 zu unterlassen, wenn nicht vorher die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht worden sind. Denn der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Zwar greift die Darstellung der Klägerin unter der Überschrift „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG ein (2.1). Auch besteht die Gefahr alsbaldiger, weiterer nicht zu duldender Störungen durch die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 (2.2). Es handelt sich jedoch um keinen rechtswidrigen Eingriff, weil die Berichterstattung durch Art. 15 BayVSG gerechtfertigt ist (2.3). Ein formelles Begründungserfordernis für das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte ergibt sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht (2.4). Die Berichterstattung über die Klägerin beachtet auch die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen (2.5).

2.1 Der allgemeine öffentlichrechtliche Unterlassungsanspruch, der in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wurzelt und allgemein anerkannt ist (BVerwG, B.v. 27.3.1996 - 8 B 33.96 - juris), setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen droht. Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, so dass er, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen kann (BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13).

Im Fall der Klägerin ist jedenfalls ihre grundgesetzlich geschützte Rechtsposition aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG betroffen. Als Landesverband einer Partei (§ 3 Satz 2 ParteiG) kann sich die Klägerin auf die Parteienfreiheit, die die Gründungs-, Betätigungs-, Programm-, Wettbewerbs- und Finanzierungsfreiheit umfasst (Kluth in BeckOK, GG, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 109), berufen, weil der Klägerin als Gebietsverband eigene Rechte zustehen. Unter Betätigungsfreiheit werden alle Maßnahmen verstanden, die die innere Ordnung sowie das Auftreten nach Außen gegenüber dem Bürger und der Öffentlichkeit, den Staatsorganen, den Rundfunkanstalten und den anderen Parteien betreffen (Kluth, a. a. O., Rn. 111). Durch die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2013 ist die Betätigungsfreiheit der Klägerin berührt. Die mit der Bezeichnung als „verfassungsschutzrelevant islamfeindlich“ verbundene Abschreckung und Warnung der Allgemeinheit (vgl. BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 55) vor der Klägerin hat sowohl Einfluss auf die Programmatik der Klägerin als auch auf die Meinungsäußerung und Selbstdarstellung nach außen und das Wettbewerbsverhältnis zu anderen Parteien (vgl. z. B. BVerfG, U.v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25). Ob sich ein solcher Schutzanspruch der Klägerin daneben auch auf das ihr als juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG zustehende allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) stützen lässt (zum Verhältnis von Art. 21 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen und Grundrechten vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 12; Ipsen in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 21 Rn. 28 ff.), kann hier letztlich dahinstehen.

Die Berichterstattung über die Klägerin stellt auch einen Eingriff dar. Zwar führt nicht jedes Informationshandeln und jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung zu einem Grundrechtseingriff (BVerfG, a. a. O. Rn. 50 m.w.N). Entscheidend ist, ob die Bezeichnung einer Partei als verfassungsfeindlich die Rechtsstellung einer Partei in relevanter Weise berührt und sich als jenseits der Toleranzgrenze gelegene Beeinträchtigung ihrer Betätigungsfreiheit darstellt (Klein in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand Mai 2015, Art. 21 Rn. 575). Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle. Insofern geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an der öffentlichen Meinungsbildung hinaus (BVerwG, U.v. 21.5.2008, a. a. O., Rn. 15). Die Erwähnung einer Partei im Verfassungsschutzbericht stellt daher eine „mittelbar belastende negative Sanktion“ dar, die zumindest als eingriffsgleiche Maßnahme zu bewerten ist und die Freiheit und Chancengleichheit der Parteien berührt (Klein, a. a. O., Rn. 576; Murswiek: Neue Maßstäbe für den Verfassungsschutzbericht, NVwZ 2006, 121/122).

2.2 Voraussetzung für die Begründetheit einer Klage, mit der ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend gemacht wird, ist weiterhin, dass eine künftige Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechts droht. Dies erfordert eine auf Tatsachen gestützte objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen (Wiederholungsgefahr; vgl. Berger in Jauernig, BGBKommentar, 15. Aufl. 2014, beckonline, § 1004 Rn. 11). Eine solche Gefahr besteht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats noch. Inzwischen ist zwar der Verfassungsschutzbericht 2014 veröffentlicht, in dem wieder über die Klägerin berichtet wird. Dadurch ist aber weder der durch den Verfassungsschutzbericht 2013 eingetretene Grundrechtseingriff beseitigt noch eine Rechtsbeeinträchtigung durch diesen Bericht für die Zukunft ausgeschlossen. Für die Einschätzung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit ist regelmäßig der aktuelle Verfassungsschutzbericht maßgeblich, weil der Verfassungsschutz im jeweils neuesten Bericht die Öffentlichkeit über die aktuellen Ergebnisse der Beobachtung der im Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen, ihrer Mitglieder und Unterstützer informiert (BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 13 m. w. N.). Ist aber auch der vorangegangene Bericht weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich oder enthält er weitergehende, fortgeltende oder überschießende Feststellungen, so droht trotz des neuen Berichts eine Wiederholungsgefahr bezogen auf den Bericht des Vorjahres. So verhält es sich hier, da im Verfassungsschutzbericht 2014 unter Bezugnahme auf die Berichterstattung für das Jahr 2013 berichtet wird und der Beklagte auch beabsichtigt, den Verfassungsschutzbericht 2013 weiter zu verbreiten.

2.3 Der Eingriff in die geschützte Rechtsposition der Klägerin ist jedoch nicht rechtswidrig. Er ist durch Art. 15 Satz 1 BayVSG gerechtfertigt, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt (2.3.1) tatsächliche Anhaltspunkte (2.3.2) für Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG (2.3.3) vorlagen.

2.3.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob bei der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sachlage bei Vornahme der Maßnahme, hier der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 am 27. März 2014 (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, BVerfSchG, §§ 3,4 Rn. 136 für Beobachtungsmaßnahmen). Zwar ist bei einem Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht ergibt, dass ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist (vgl. allgemein Kopp, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 41). Denn das materielle Recht entscheidet, ob eine nach der behördlichen Maßnahme erfolgte Änderung der Sach- und Rechtslage Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns hat. Die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht gibt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden wieder, so dass folglich darauf abzustellen ist, ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte die Berichterstattung tragen.

2.3.2 Nach Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das zuständige Staatsministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG (aa.). Der Klägerin werden insoweit auch die Äußerungen und Veröffentlichungen ihres Landesvorsitzenden zugerechnet (bb.). Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (cc.). Es liegen konkrete Tatsachen vor, die die im Verfassungsschutzbericht vorgenommene Beschreibung der Ideologie und der Strategie der Klägerin inhaltlich tragen und auch die Bezeichnung als „verfassungsschutzrelevant islamfeindlich“ rechtfertigen (dd.).

aa. Gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der (nachträglichen) Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz

BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. dagegen BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit verlangt diese Befugnisnorm gerade noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 28 zur insoweit vom Wortlaut vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Mit dem tatbestandlichen Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte wird andererseits auch klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 30). Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz kennt damit keine sog. „Verdachtsberichterstattung“. Die unterschiedlichen Kategorien der Unterrichtung der Öffentlichkeit im Verfassungsschutzbericht, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nämlich die Unterrichtung über „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen“ und die Unterrichtung über „feststehende verfassungsfeindliche Bestrebungen“ sind in Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht vorgesehen. Die Terminologie und besondere Form einer Berichterstattung, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, basiert auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2005 (1 BvR 1072/01 - juris), der § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen zugrunde lag. Nach dieser Norm darf die Verfassungsschutzbehörde Verfassungsschutzberichte zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 veröffentlichen. § 3 Abs. 1 bestimmt als Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung, die sich von Art. 15 Satz 1 BayVSG allerdings durch den Einschub bzw. Zusatz „den Verdacht solcher“ unterscheidet, kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass dann, wenn die Verfassungsschutzbehörde nur von tatsächlichen 2 Anhaltspunkten für einen Verdacht von Bestrebungen ausgegangen ist, sie die betreffende Gruppierung im Verfassungsschutzbericht nicht auf die gleiche Stufe stellen darf wie eine Gruppierung, für die sie verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt hat. Eine Aussage dahingehend, wo die Schwelle für eine Berichterstattung über Bestrebungen einer Gruppierung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung liegt, wurde damit aber nicht getroffen. Diesbezüglich hat erst das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass das jeweilige Verfassungsschutzgesetz in formeller Hinsicht eine Ermächtigung aussprechen muss, ob es nur eine Berichterstattung über Fälle zulässt, in denen Gewissheit über verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht, oder auch zu einer Berichterstattung in Fällen befugt, in denen tatsächliche Anhaltspunkte erst einen dahingehenden Verdacht begründen (BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris Rn. 12). Das BayVSG bezeichnet seinem Wortlaut nach eindeutig bereits das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als Berichtsgegenstand (so auch BVerwG, a. a. O., Rn. 13).

bb. Ob solche tatsächlichen Anhaltpunkte bei der Klägerin vorliegen, beurteilt sich nicht nur nach ihren eigenen Verlautbarungen, sondern auch denjenigen ihres Landesvorsitzenden, da dessen Aktivitäten und Äußerungen der Klägerin zuzurechnen sind. Dies gilt einerseits selbstverständlich für seine Tätigkeit in seiner Funktion als Landesvorsitzender. Aber Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung sind dieser auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handeln (BayVGH, B.v. 30.7.2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 43 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 35). Unter anderem kann aus einer entsprechenden Grundeinstellung ihrer Funktionsträger geschlossen werden, dass eine Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Insoweit gibt es keine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer der Vereinigung zuzurechnenden Sphäre (BVerwG, U.v. 19.12.2012 - 6 A 6.11 - juris Rn. 18).

Der Landesvorsitzende der Klägerin ist zugleich Vorsitzender der P.I. Ortsgruppe München. Mitglieder dieser P.I. Ortsgruppe bilden das Kerngerüst der Klägerin (s. Urteil des VG München vom 16.10.2014, M 22 K 14.1092, S. 45 m. w. N.). Wegen der engen personellen und programmatischen Verflechtung sind daher auch Texte und Meinungen, die der Landesvorsitzende der Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit für die P.I. Ortsgruppe München verfasst oder geäußert hat, dieser zuzurechnen. Sowohl die Klägerin als auch die P.I. Ortsgruppe verstehen sich als Plattform für die Information und Aufklärung über die Gefahren des Islam für unsere Gesellschaftsordnung und treten einer Islamisierung Europas entgegen (www.pinews.net/leitlinien.; http://diefreiheit.org/home/wofuerwirstehen/). Die islamkritische Haltung des Landesvorsitzenden der Klägerin, die er, bevor er zu Beginn des Jahres 2012 in die Position des Landesvorsitzenden gewählt wurde, bereits auf der Website www.pinews.net im „Thesenpapier gegen die Islamisierung“ (Fassungen vom 19.10.2011, 26.10.2011 und 19.11.2011) öffentlich gemacht hat, hat auch Eingang in des Grundsatzprogramm der Klägerin gefunden. Dort ist unter „Migration und Integration“ Folgendes ausgeführt:

Der politische Islam

Ausgehend von dem Wissen, dass der Islam nicht nur eine Religion, sondern vor allem auch eine politische Ideologie ist, fordern wir eine Überprüfung aller in Deutschland aktiven islamischen Vereine und Verbände auf ihre Verfassungs- und Rechtstreue, auf ihren Einfluss auf die Integrationsverweigerung und auf ihre Verbindungen zu islamischen Ländern, um den Missbrauch der Religionsfreiheit zur Durchsetzung politischer und kulturfeindlicher Ziele zu unterbinden. Von in Deutschland den Koran unterrichtenden Personen ist ein schriftliches, eidesstattliches Bekenntnis zu fordern, dass alle gültigen Rechtsnormen stets und generell über dem religiösen und islamischen Recht stehen und dass die Scharia hier keine Gültigkeit hat und jemals haben wird. Wir wissen, dass Moscheebauten nicht nur religiösen Zwecken dienen und die darin durchgeführten Veranstaltungen Integration oft massiv behindern und zur Entstehung oder zur Festigung von Parallelgesellschaften führen. Deshalb fordern wir eine Modifizierung des Baurechts, so dass Planverfahren für Moscheebauten zwingend und vor allem die Beteiligung der Bürger und Kommunalparlamente an Entscheidungen obligatorisch werden. Wir setzen uns mit aller Kraft gegen eine Islamisierung unseres Landes ein. Religiöse Schriften, welche Unterdrückung und Tötung von Menschen verlangen, sind zu verbieten.

Der ideologische Hintergrund der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden sowie der P.I. Ortsgruppe München weisen bezogen auf die behaupteten Gefahren des Islam eine hinreichende Parallelität auf, um nach den genannten Kriterien die Äußerungen und Texte des Landesvorsitzenden, die er als Mitglied der P.I. München auf deren Website und bei verschiedenen Veranstaltungen verbreitet hat, auch der Klägerin zuzurechnen.

cc. Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BVerwG, U.v. 17.10.1990 - 1 C 12.88 - juris Rn. 26). Dies gilt sowohl für das Vorliegen der tatsächlichen Anhaltspunkte als auch für die daraus gezogene Schlussfolgerung (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, a. a. O., §§ 3,4 Rn. 135). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt damit nicht nur die Richtigkeit der verfassungsschutzbehördlichen Tatsachenfeststellungen als solche, sondern auch die Richtigkeit der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass diese Tatsachen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berichterstattung begründen.

dd. Die vom Beklagten im Verfahren M 22 K 14.1743 vorlegten Veröffentlichungen der Klägerin und der Publikationen und Äußerungen ihres Landesvorsitzenden stellen solche tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinn des Art. 15 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG dar. Die Berichterstattung über die Klägerin im Verfassungsschutzbericht ist sowohl hinsichtlich der dort angeführten Tatsachen (aaa.) als auch hinsichtlich der Schlussfolgerung (bbb.) zutreffend.

aaa. Im Einzelnen führt der Beklagte im Verfassungsschutzbericht 2013 aus: „Er (der Landesverband der Klägerin) wendet sich mit pauschal diffamierenden Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. DIE FR. B. differenziert in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie, sondern begreift den Islam als „faschistoide Politideologie“. Der Koran wird als „das gefährlichste Buch der Welt“ verunglimpft. Auf seiner Internetseite fordert der Landesverband islamische Organisationen auf, umgehend in schriftlicher Form auf bestimmte Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, und stellt den Islam insgesamt als unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung dar. Die Aktivitäten der FR. B. zielen darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen.“

Für diese Feststellungen und Wertungen des Beklagten und die Schlussfolgerung, dass die Klägerin verfassungsschutzrelevante Bestrebungen verfolge, finden sich in den von der Klägerin und ihrem Landesvorsitzenden verfassten Beiträgen und Reden, die der Beklagte in der ersten Instanz als „Beweismittel“ vorgelegt hat (Anlagen zum Schriftsatz vom 5.8.2014) eine Vielzahl von tatsächlichen Anhaltspunkten:

So wird im Parteiprogramm der Klägerin der Islam nicht nur als Religion, sondern auch als politische Ideologie bezeichnet. Von den den Koran unterrichtenden Imamen wird ein schriftliches Bekenntnis gefordert, dass alle gültigen Rechtsnormen stets über dem islamischen Recht stünden und dass die Scharia keine Gültigkeit habe (www.bayerndiefreiheit.org/grundsatzprogramm/migrationundintegration/).

Im Thesenpapier in den Fassungen vom 19.10.2011, 26.20.2011 und 19.11.2011 (www.pinews.net) äußert der Landesvorsitzende die Auffassung, dass der Islam eine Machtideologie im Deckmantel einer Religion sei, die die Welt in höhergestellte Rechtgläubige und minderwertige Ungläubige aufteile. Mit totalitärem weltlichen Herrschaftsanspruch, Intoleranz, Gewaltbereitschaft und Tötungslegitimation. Die Regierung der Bundesrepublik müsse in Konsequenz dieser Erkenntnis alle islamischen Verbände unmissverständlich und unverzüglich dazu auffordern, sich sofort und für alle Zeiten vom weltlichen Machtanspruch, von der Intoleranz, von der Gewalt und der Tötungsbereitschaft zu verabschieden und außerdem unbefristet auf die Scharia zu verzichten. Wenn diese Forderungen nicht von allen islamischen Verbänden unterzeichnet würden, erfolge ein sofortiger Baustopp von Moscheen, die Schließung von Koranaschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen. Wenn sich islamische Organisationen und Verbände, Koranschulen und Moscheegemeinden dem vorgelegten Forderungskatalog verweigerten, könnten sie als verfassungsfeindlich eingestuft, überwacht sowie letztendlich verboten bzw. geschlossen werden.

Auf der Website der Klägerin findet sich ferner die „Forderung zur Verzichtserklärung auf die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam“ (www.diefreiheit.org /aufforderung...). Danach kann der Koran als Grundlage zur Weltanschauung nicht akzeptiert werden, denn er sei seinem Inhalt nach eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen. Jede Organisation, deren Ziel die Verbreitung des Islam sei, stelle somit eine akute Gefahr für unsere Freiheit dar. Jede im Anschreiben genannte Organisation werde aufgefordert, umgehend in schriftlicher Form auf die aufgeführten Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten. Bei Ablehnung dieser Forderungen sei davon auszugehen, dass aktiv verfassungsfeindliche Ziele verfolgt würden.

Im Beweismittel 13 des Beklagten im Verfahren M 22 K 14.1743 wiederholt die Klägerin erneut ihre Forderung, alle verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam aus der islamischen Weltanschauung zu streichen. Ansonsten müsste ein Baustopp für alle Moscheen und Koranschulen verfügt werden.

Anlässlich einer Information der Landeshauptstadt München über das von der Klägerin initiierte Bürgerbegehren gegen die Errichtung einer Moschee in München spricht der Landesvorsitzende der Klägerin in einem Beitrag der pinews (Beweismittel 14) davon:

Der Bayerische Landesverband der FR. klagt selbstverständlich gegen diese skandalöse Verfassungsschutzbeobachtung. Es wird ein Treppenwitz der Geschichte bleiben, dass eine Partei, die mutig die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islams offen anspricht und vor der existentiellen Bedrohung dieser totalitären Ideologie für die freiheitlichdemokratische Grundordnung warnt, selber vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Diese Beobachtung beruht zudem auf einer Falschbehauptung, denn DIE FR. verunglimpft keinesfalls „Muslime als Feinde des Rechtstaates“, sondern kritisiert ausschließlich die vielen demokratieablehnenden, menschenrechtsverletzenden und verfassungsfeindlichen Grundlagen des Islams. Der bei weitem nicht nur eine Religion, sondern vielmehr eine politische Ideologie mit weltlichem Herrschaftsanspruch und eigenem Rechtsystem ist. DIE FR. sieht Moslems als erste Opfer einer gefährlichen Gehirnwäsche an, die Gewalt, Kampf, Töten, Frauenunterdrückung und ein barbarisches Rechtssystem als von einem Gott gewollt darstellt.

Es ist die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe des 21. Jahrhunderts, den Islam von all seinen gefährlichen Bestandteilen zu befreien. Um letztlich auch Moslems zu integrationsfähigen Bestandteilen unseres freien demokratischen Systems zu machen, was mit Koran und Mohammed im Kopf unmöglich ist. Gerade die junge Generation muss davon befreit werden, sonst läuft sie Gefahr, zu unseren erbitterten Feinden gedrillt zu werden.

Auf der Website der Klägerin findet sich am 18. Juni 2013 anlässlich einer Auflage der Landeshauptstadt bezüglich der Veranstaltungen der Klägerin zum Bürgerbegehren gegen den Moschee-Bau folgender Satz (Beweismittel 36):

Am Ende wird nicht St. als Extremist dastehen, sondern Ude wird als ein wesentlicher Zuarbeiter einer terroristischgenozidären Religion gelten und zu Recht als Islamist verschrieen werden.

Anlässlich der gemeinsamen Erklärung aller Münchner Stadtratsparteien gegen die Freiheit publiziert die Klägerin auf ihrer Website folgenden Kommentar ihres Landes- vorsitzenden (Beweismittel 40):

In München wird es nicht scheitern. Die bayerische Landeshauptstadt reift gerade zum Symbol der Gegenbewegung zur Islamisierung. Die Münchner werden schlau wie die Schweizer sein, die in ihrem Land per Volksbefragung dem Bau von Minaretten eine Absage erteilt haben.

Bei diesem Bürgerbegehren geht es im Kern nicht um den Bau eines religiösen Zentrums. Mit dem Bürgerbegehren werden von den Initiatoren pauschalierende, diffamierende und unwahre Behauptungen über die muslimischen Bürgerinnen und Bürger unserer Heimatstadt verbreitet.

Auch in diesem Absatz ist alles falsch. Wir stellen den Islam und seine verfassungsfeindlichen Bestandteile dar. Alle wirklich konsequent und kompromisslos grundgesetztreuen bei uns lebenden Moslems heißen wir herzlich willkommen und ermutigen sie, ihre Imame und Verbandsführer dazu aufzufordern, die Verzichtserklärung auf alle verfassungsfeindlichen Bestandteile ihrer „Religion“ zu unterschreiben. Wir liefern die Begründung für die in ganz Europa beobachtbaren Intergrationsverweigerungen und überproportional hoch auftretenden Gewalterscheinungen in den moslemischen Parallelgesellschaften. Pfaffmann und seine All-Parteien-Koalition wird keinen Beleg für „unwahre“ Behauptungen liefern können.

Alle Muslime werden aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaats verunglimpft.

Eine üble Unterstellung. Es geht immer nur um die Verfassungsfeindlichkeit des Islams. Wenn ein Moslem allerdings die Vorschriften des Islams konsequent ausführt, wird er sich unweigerlich verfassungsfeindlich verhalten müssen. Solange sich Moslems in Minderheitsverhältnissen befinden, wird das volle Programm des Islams noch nicht gelebt. Aber es vollzieht sich immer intensiver, je mehr Moslems sich in einer Gesellschaft befinden. Anschauungsunterricht liefert die geschichtliche Entwicklung aller 57 islamischen Länder. Darüber aufzuklären und kommende Katastrophen zu verhindern, ist die größte gesellschaftspolitische Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Dass sich die unterzeichnenden Parteien dieser Aufgabe nicht nur entziehen, sondern sich auch noch dagegen positionieren, grenzt an Volksverrat.

In der Propaganda für das Bürgerbegehren wird den Muslimen abgesprochen, ihre kulturellen und religiösen Interessen in ihrer Heimatstadt formulieren zu dürfen.

Solange sich Moslems im Rahmen des verfassungsrechtlich Erlaubten bewegen, können sie ihren „Glauben“ ausleben. Gegen Beten hat keiner was, solange es nicht um das Bekämpfen, Unterwerfen und Töten von Andersgläubigen geht. Leider ist der Islam aber in hohem Umfang verfassungsfeindlich, dies kann man u. a. auch bei dem bekannten Staatsrechtler Prof. Albrecht Schachtschneider nachlesen.

Die vom Grundgesetz für alle garantierte Religionsfreiheit wird den Muslimen in Deutschland abgesprochen. Auch wenn man solche Sätze nicht im Text des Bürgerbegehrens findet, so belegen doch zahlreiche Äußerungen der Initiatoren und ihrer Unterstützer diese Haltung. Die Rechtspopulisten missbrauchen somit ein Instrument zur demokratischen Bürgerbeteiligung um zutiefst undemokratische Forderungen zu erheben. Das bayerische Innenministerium hat daraus die Konsequenzen gezogen und stuft die Initiatoren - die Partei „Die Freiheit“ LV Bayern - mittlerweile als verfassungsfeindlich ein.

Es wird ein Treppenwitz der Geschichte bleiben, dass eine Partei, die vor den verfassungsfeindlichen Bestandteilen einer Ideologie warnt, selbst als verfassungsfeindlich bewertet wird. Irrationaler geht es schon fast gar nicht mehr.

In einem Artikel zu einer Leserbrief-Serie der FAZ (Beweismittel 15) äußert sich der Landesvorsitzende der Klägerin wie folgt:

Wie übel Christen und Juden sowie Andersgläubige allgemein im Koran diffamiert werden, erkennt man sofort. Vorausgesetzt, man liest das gefährlichste Buch der Welt auch wirklich:

Es gibt nichts mehr zu Diskutieren: Entweder werden all diese Tötungsbefehle und alle weiteren verfassungsfeindlichen Bestandteile aus Koran und Sunna gestrichen, Mohammeds Vorbildfunktion für die heutige zivilisierte Zeit abgelehnt sowie die Scharia als Gesetzsystem für ungültig erklärt, oder all jene Islam-Organisationen werden verboten, die sich dem widersetzen. Dies sollte der einzige Tagesordnungspunkt einer letzten Islamkonferenz sein.

Zum Koran findet sich noch folgende Äußerung des Landesvorsitzenden der Klägerin (Beweismittel 48):

Persönlich sehe ich die Verbrennung des Korans als symbolisch letzte Maßnahme, wenn alle anderen Anstrengungen zuvor vergebens waren. Wenn also beispielsweise die Forderung zur Streichung der verfassungsfeindlichen Bestandteile in Koran und Sunna von den islamistischen Organisationen in Deutschland verweigert wird.

In einem weiteren Artikel vom 9. Februar 2014 in den pinews (Beweismittel 30) heißt es:

Diese Linksextremisten haben aus der Geschichte absolut nichts gelernt. Nationalsozialismus und Islam besitzen wesensverwandte totalitäre Inhalte, die nur unterschiedlich verpackt sind.

Zu den Muslimen finden sich in Publikationen und Äußerungen der Klägerin und ih- res Landesvorsitzenden folgende Passagen:

Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. Obwohl wir immer wieder betonen, dass wir überhaupt nichts gegen die Menschen haben, sondern wir sie befreien wollen von all der Gewalt, Frauenunterdrückung sowie Menschenverachtung und wir nur faktisch über die gefährlichen Bestandteile des Islam aufklären, schlägt uns immer wieder purer Hass entgegen. An diesem Nachmittag war es erneut eine vom Äußeren her moderat wirkende Muslimin, die mich zutiefst beleidigte und anschrie.

Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche, die sie von klein auf eingetrichtert bekommen haben und nicht kritisch hinterfragen dürfen, da sie sonst wegen Apostasie in Lebensgefahr geraten.

(Beweismittel 43)

Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug ist nicht verwunderlich, denn im Islam ist die Beraubung von Ungläubigen schließlich „religiös“ legitimiert. Diese und weitere klare Ansagen, die den Islam enttarnen, werden in München offen per Lautsprecher verkündet. Es ist höchste Zeit, die schützende Hand, die linksverdrehte Politiker dieses Landes über den Islam halten, wegzunehmen und Mohammedanern mit gesundem Menschenverstand, Wehrhaftigkeit, Patriotismus und Wertebewußtsein entgegenzutreten. Die Zeit der rückgratlosen Kriecherei, des Appeasements und der kulturellgeistigmoralischen Selbstverleugnung muss ein für allemal beendet werden.

(Beweismittel 44)

Wir haben in den letzten Wochen in München viele Gespräche mit Kroaten geführt. In der Regel sind dies hart arbeitende und freundliche Mitbürger. Dies wird auch durch die aktuelle Hartz-IV-Studie bestätigt, in der sie prozentual sogar seltener in Sozialhilfe sind als Deutsche. Solche Einwanderer sind bei uns herzlich willkommen, aber keinesfalls feindselig eingestellte Mohammedaner, die „scheißdeutsche“ Bürger auf unseren Straßen überfallen, zusammenschlagen und nicht selten auch töten.

(Beweismittel 47)

Aus dieser nur auszugsweisen Auflistung der vom Beklagten vorgelegten islamkritischen Veröffentlichungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden lässt sich er kennen, dass der Beklagte die „Ideologie“ der Klägerin im Verfassungsschutzbericht zutreffend dargestellt hat. Das gilt sowohl bezüglich der Verzichtsforderung für bestimmte Koranverse, der Bezeichnung des Korans als das gefährlichste Buch der Welt und der fehlenden Differenzierung zwischen Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende der Klägerin nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass eine Aufspaltung des Islam und des Islamismus seiner Ansicht nach gar nicht möglich sei.

Wenn der Beklagte in seiner Darstellung die Vokabel „Verunglimpfung“ verwendet, bewertet er damit die Äußerungen und Publikationen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden. Eine Person oder Sache wird verunglimpft, wenn sie herabgewürdigt wird. Die Bezeichnung des Korans als gefährlichstes Buch der Welt, als Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt, als kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen und die Befürwortung einer Bücherverbrennung erfüllt diese Definition ohne weiteres.

Für die vom Beklagten im Verfassungsschutzbericht dargelegte Strategie der Klägerin, nämlich pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen, ergeben sich aus den oben aufgeführten Quellen ebenfalls hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte.

Die Klägerin geht davon aus, dass der Islam als Religion „in hohem Umfang verfassungsfeindlich“ sei. Ein Moslem, der die Vorschriften des Islam konsequent ausführe, verhalte sich verfassungsfeindlich. Das volle Programm des Islam werde nicht gelebt, solange sich Moslems in Minderheitsverhältnissen befänden. Moslems säßen in einem geistigen Gefängnis, sie seien Opfer einer Gehirnwäsche. Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug sei nicht verwunderlich, denn im Islam sei die Beraubung von Ungläubigen religiös legitimiert. Feindselig eingestellte Mohammedaner seien in Deutschland nicht willkommen.

Diese Auffassung der Klägerin offenbart sowohl durch die Wortwahl als auch dem Inhalt nach eine Herabwürdigung aller Angehörigen des Islam, weil nach Einschätzung der Klägerin die gläubigen Moslems nicht in der Lage sind, sich kritisch mit ihrer Religion auseinanderzusetzen, und zudem Deutschland, seinen Bewohnern und seiner Verfassung gegenüber feindselig eingestellt sind.

Die Klägerin bringt zwar gegen diese Einschätzung des Beklagten immer wieder vor, es sei nicht zutreffend, dass sie sich pauschal gegen alle Muslime wende. Es gehe immer nur um die Verfassungsfeindlichkeit des Islam. Dies mag vordergründig zutreffen. Wenn allerdings die Klägerin ständig betont, dass sich der Islam nicht in einen Islam als Religion und einen politischen Islam aufteilen lasse und der Koran als Kodifizierung der islamischen Glaubensvorstellungen eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt sei, anderseits Moslems aber die Fähigkeit abspricht, selbst zu entscheiden, ob sie dem Koran folgen wollen, so differenziert die Klägerin nicht zwischen den Anhängern eines militanten Islamismus und gläubigen Moslems, die sich an die Werteordnung des Grundgesetzes halten. Vielmehr sieht sie Moslems als Opfer einer gefährlichen Gehirnwäsche an, die Gewalt, Kampf, Töten, Frauenunterdrückung und ein barbarisches Rechtssystem als von Gott gewollt darstellen.

Soweit der Verfassungsschutzbericht über das Bürgerbegehren gegen das „Zentrum für Islam in Europa - München (ZIE-M)“, über die PI-München und die Bündnisbestrebungen der Klägerin berichtet, finden sich auch insoweit tatsächliche Anhaltspunkte für die inhaltliche Richtigkeit dieser Berichterstattung. Aus den vom Beklagten vorgelegten Beweismitteln 39, 40 und 43, die sich auch auf der Website der Klägerin befinden, ergibt sich eindeutig, dass es bei den Informationsveranstaltungen zum Bürgerbegehren nicht nur um den Bau einer Moschee geht, sondern auch um die von der Klägerin so bezeichnete „Aufklärung über die Gefahren der verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam“. Wörtlich führt der Landesvorsitzende der Klägerin bezüglich einer Kundgebung gegen das ZIE-M aus (www.bayern.diefreiheit.org/videokundgebungandermünchnerfreiheit):

Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. Obwohl wir immer wieder betonen, dass wir überhaupt nichts gegen die Menschen haben, sondern wir sie befreien wollen von all der Gewalt, Frauenunterdrückung sowie Menschenverachtung und wir nur faktisch über die gefährlichen Bestandteile des Islam aufklären, schlägt uns immer wieder purer Hass entgegen. An diesem Nachmittag war es erneut eine vom Äußeren her moderat wirkende Muslimin, die mich zutiefst beleidigte und anschrie.

Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche, die sie von klein auf eingetrichtert bekommen haben und nicht kritisch hinterfragen dürfen, da sie sonst wegen Apostasie in Lebensgefahr geraten.

Die Richtigkeit der im Verfassungsschutzbericht erwähnten personellen Verflechtungen der Klägerin zur P.I. München und zur PAX Europa wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Darstellung im Verfassungsschutzbericht insoweit nicht den Tatsachen entsprechen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

bbb. Die aufgrund der Ideologie und Strategie gezogene Schlussfolgerung, die Klägerin verfolge verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen, weil sie sich ihre islamfeindliche Propaganda primär gegen die Religionsfreiheit richte, ist insbesondere aufgrund der von der Klägerin immer wieder vorgetragenen „Verzichtsforderung“ zur Überzeugung des Gerichts gerechtfertigt. Darin werden alle islamischen Verbände aufgefordert, umgehend auf alle aufgeführten Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, weil sonst ein Baustopp für Moscheen, eine Schließung von Koranschulen und eine Unterbindung von Gebetsversammlungen erfolge. Wenn sich islamische Organisationen diesen Forderungen verweigerten, würden sie als verfassungsfeindlich eingestuft und letztendlich verboten oder geschlossen.

Diese Forderungen sind mit der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht zu vereinbaren. Wenn der Staat eine Religionsgemeinschaft auffordert, bestimmte Glaubensinhalte aufzugeben und aus den grundlegenden Schriften der betreffenden Religion zu streichen, so stellt das einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Denn dadurch würde den Gläubigen durch den Staat vorgeschrieben, was sie zu glauben haben und was nicht. Dies würde aber den Kern der Glaubensfreiheit berühren. Einen solchen Eingriff darf der Staat aber nicht vornehmen, weil dadurch das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das gerade das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft schützt und voraussetzt (vgl. BVerfG, U.v. 16.10.1968 - 1 BvR 261/66 - juris Rn. 25), in seinem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2 GG). Dementsprechend ist es dem Staat auch verwehrt, die Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als richtig oder falsch zu bezeichnen (vgl. BVerfG, U.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 86; BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36). Die Regelung genuin religiöser Fragen und die Einmischung in die Überzeugungen Einzelner oder religiöser Gemeinschaften sind ihm untersagt (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - juris Rn. 54). Die Aufforderung zur Streichung von Passagen aus dem Koran und zu einer Aufgabe der betreffenden Glaubensüberzeugungen, der durch die Drohung mit einem Verbot islamischer Verbände und der Unterbindung von Gebetsversammlungen Nachdruck verliehen wird, ist daher auch dann nicht mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar, wenn diese Passagen, wie die Klägerin behauptet, mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stünden. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn die betreffenden Glaubensüberzeugungen sich in einem entsprechenden Verhalten äußern, das mit den Grundrechten Dritter oder Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang nicht zu vereinbaren ist. Insbesondere ist ein Verbot von Glaubensgemeinschaften, die dem Staat und seiner Verfassungs- und Rechtsordnung kritisch gegenüberstehen, nur möglich, wenn es bei der Abwägung mit den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt werden sollen, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unerlässlich ist. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn sich die religiöse Gemeinschaft aktivkämpferisch gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet (vgl. BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19), etwa weil sie die konkrete Umsetzung von im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Glaubensinhalten oder von aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 -juris Rn.36). Die von einem mit den Grundrechten Dritter und Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang kollidierenden oder aktivkämpferisch gegen Verfassungsgrundsätze gerichteten Verhalten unabhängigen Forderungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden nach einem pauschalen Verbot islamischer Verbände und Vereinigungen, die nicht bereit sind, sich von ihrem Glauben zu distanzieren, zielt letztlich auf die Beseitigung des Islam in Deutschland ab und ist mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das nicht nur das Beten im privaten Bereich, sondern auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit beinhaltet und als im Grundgesetz konkretisiertes Menschenrecht ein wichtiges Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nicht zu vereinbaren. Bei den Forderungen der Klägerin geht es nicht nur um von der Meinungsfreiheit gedeckte Öffentlichkeitsarbeit oder Beiträge zu einer Diskussion über die Grenzen der Religionsfreiheit für Muslime, sondern um Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu deren Einschränkung oder Beseitigung (vgl. BayVGH, B.v. 30. Juli 2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 36 f.).

Die Auffassung der Klägerin, mit ihrer Verzichtsforderung und den angedrohten Konsequenzen bei einer Weigerung der islamischen Verbände, diesen Verzicht zu erklären, handle es sich um keinen Eingriff in die Religionsfreiheit aller Moslems, weil die islamischen Organisationen und Verbände ohne einen entsprechende Verzichtserklärung selbst als verfassungsfeindlich einzustufen seien, trifft nicht zu. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Die Vereinigung muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele vielmehr kämpferisch und aggressiv verwirklichen wollen. Erforderlich ist der Nachweis, dass sich ein religiöser Verein nicht darauf beschränkt, sich mit religiös begründeten, in Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Lehren als Glaubensinhalt zu befassen und in diesem Sinne für sie zu werben, sondern die konkrete Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U.v 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19). Alleine die Weigerung, die geforderte Verzichtserklärung abzugeben, rechtfertigt kein Verbot eines islamischen Verbandes unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 GG. Ein kämpferischaggressives Verhalten ist darin nicht zu sehen.

2.3.3 Die Aktionen und Verlautbarungen der Klägerin stellen auch Bestrebungen im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayVSG dar. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG hat das Landesamt für Verfassungsschutz u. a. die Aufgabe, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist wiederum in Art. 1 Abs. 2 BayVSG definiert. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayVSG gehört zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung. Der Begriff Bestrebungen selbst ist im BayVSG nicht definiert. Wegen des identischen Wortlauts kann jedoch auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) BVerf-SchG) zu verstehen. Solche Bestrebungen (und Tätigkeiten) können nach der Klarstellung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayVSG von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen; vom Begriff Gruppierung werden sowohl unorganisierte Gruppen als auch jede Form einer Organisation einschließlich einer politischen Partei umfasst (so die Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 1 BayVSG, LT-Drs. 11/14928 S. 8). Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferischaggressives Vorgehen, d. h. äußerlich feststellbare Aktivitäten wie z. B. öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und Bekundungen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (zum Begriff Bestrebungen vgl. Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, Kommentar, BVerfSchG, §§ 3, 4 Rn. 14 ff. m. w. N.; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.). Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 70). Die Aktivitäten müssen auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein (BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.).

Da die Klägerin als Partei eine auf politische Aktivität und Einflussnahme auf die politischen Verhältnisse ausgerichtete Organisation ist, ist davon auszugehen, dass sie auch mit der Intention der Änderung der realen Verhältnisse handelt (BVerwG, U.v. 21.7.2010, a. a. O., Rn. 61). Die oben dargestellten Äußerungen und Aktivitäten gehen über eine bloße Kritik an der Religion des Islam und seiner Glaubensangehörigen hinaus. Die Verwendung eines aggressiven Vokabulars bezogen auf eine Religion (terroristisch, genozidär) und eine Beleidigung ihrer Angehörigen als Opfer einer Gehirnwäsche und Profiteure des sozialen Systems überschreitet auch die Schwelle dessen, was im Rahmen des politischen Meinungskampfs noch angehen mag. Äußerungen, die inhaltlich mit einem Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, weil sie - wie hier - die Menschenwürde bestimmter Personen missachten, tragen zwar nicht per se ein aktives gegen diese Menschen gerichtetes Handeln in sich. Da die Klägerin aber mit ihren diesbezüglichen zahlreichen und immer wiederholten Äußerungen erreichen will, dass Islamgläubige allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit allgemein gering geschätzt werden, sind diese Äußerungen vor allem auch auf die Durchsetzung eines politischen Ziels gerichtet, weil sie im Sinne des von ihr propagierten Muslimen- und Islambildes Einfluss auf die politische Willensbildung und auf politische Entscheidungen nehmen will. Mit ihrem politischen Programm, wonach die islamischen Organisationen zunächst auf die nach Auffassung der Klägerin verfassungsfeindlichen Bestandteile ihrer Religion verzichten müssten und im Falle der Weigerung ein Verbot dieser Organisationen und die Schließung von Koranschulen und Gebetsräumen erfolgen würde, setzt sich die Klägerin zweifellos aktiv für die Abschaffung der Religionsfreiheit der Muslime ein. Sie hat auch bereits mit der Umsetzung dieses politischen Ziels begonnen, indem sie ihre „Verzichtsaufforderung“ an die betreffenden Personen und Organisationen versandt hat.

2.4 Aus Art. 15 Satz 1 BayVSG lässt sich ein formelles Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten. Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG das Staatsministerium des Innern (für Bau und Verkehr) und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG unterrichten, kann dies nicht als verbindliche Festlegung des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite über die Art und Weise sowie den Umfang der Berichterstattung verstanden werden. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) lediglich klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung entsprechend der bisherigen Praxis in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit hat der bayerische Gesetzgeber aber ersichtlich nur eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzung der Unterrichtungsbefugnis, nicht aber eine Bestimmung der Art und Weise sowie des Umfangs der Unterrichtung vorgenommen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010 (10 CE 10.1830 - juris) lag insofern ein Sonderfall zugrunde, bei dem der dortige Antragsteller in einem Verfassungsschutzbericht in einer tabellarischen Übersicht unter dem Punkt „sonstige Linksextremisten“ ohne jegliche weitere Erläuterung aufgelistet war. Die auch im Leitsatz dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Auffassung, ohne gleichzeitige Mitteilung entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte sei eine solche Bewertung schon vom Tatbestand des Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht mehr gedeckt, weil ein solches Werturteil dann für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar sei, bezieht sich auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende besondere Konstellation und darf nicht generell als besondere gesetzliche Begründungspflicht etwa im Sinne eines Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden.

2.5 Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, vor, so besteht bei der Berichterstattung der Öffentlichkeit gegenüber verfassungsrechtlich die Verpflichtung, von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Aktivitäten bei verschiedenen Beobachtungsobjekten unterschiedlich dichte und belastbare Erkenntnislagen in der Darstellung hinreichend deutlich zu machen (LT-Drs. 15/10313, S. 27 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.5.2005 a. a. O. Rn. 89). Demgemäß hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass in Bayern eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht nur erfolge, wenn sich über einen längeren Zeitraum die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen so verdichtet hätten, dass eine Annahme solcher Bestrebungen gerechtfertigt sei. Diese Praxis steht grundsätzlich im Einklang mit der oben dargelegten Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (s. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG, die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit auch in der streitbefangenen Form rechtfertigen. Über die Klägerin liegen über einen längeren Zeitraum sowohl quantitativ als auch qualitativ verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, so dass sich die Nennung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ daher auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. B.v. 24.5.2005 a. a. O. Rn. 77 ff.) vorgegebenen Anforderungen an die Berichterstattung als verhältnismäßig erweist. Art. 15 BayVSG differenziert nicht zwischen einer sogenannten „Verdachtsberichterstattung“ und einer Berichterstattung über feststehende Bestrebungen. Eine dahingehende Unterscheidung muss daher in der Art und Weise der Berichterstattung nicht getroffen werden. Allerdings stellt sich eine Berichterstattung dann als unverhältnismäßig dar, wenn nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Im Fall der Klägerin sind aber über einen längeren Zeitraum Aktivitäten und Äußerungen dokumentiert, die so zahlreich und auch hinreichend gewichtig sind, dass die Berichterstattung über die Klägerin den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Beklagte hat in seiner Erwiderung auf die Klage der Klägerin in erster Instanz umfangreiches Material zu Publikationen und Äußerungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden vorgelegt, die die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen tragen. Die oben auszugsweise dargestellten Verlautbarungen stellen nur eine Teilmenge aus diesem Material dar; auch die anderen vom Beklagten vorgelegten „Beweismittel“ dienen - soweit sie den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 betreffen - zur Untermauerung der Ausführungen im Verfassungsschutzbericht zur Strategie und Ideologie der Klägerin und der daraus gezogenen Wertungen und Schlussfolgerungen. Die Klägerin beschränkt ihre Kritik am Islam als gefährliche Politideologie und die abwertenden Äußerungen über Muslime nicht auf einzelne Publikationen oder Veranstaltungen, sondern verbreitet sie im Rahmen einer Kampagne, für die sie vor allem das Bürgerbegehren gegen das ZIE-M nutzt. Von besonderer Qualität für die Einstufung der Klägerin als verfassungsschutzrelevant islamfeindlich ist die „Verzichtsforderung“, die sich sowohl im Parteiprogramm der Klägerin, auf ihrer Website, im Wahlprogramm zur Münchner Kommunalwahl, im Thesenpapier des Landesvorsitzenden sowie in Beiträgen des Landesvorsitzenden für die pinews wiederfindet. Gerade durch die Aufnahme dieser Verzichtsforderung in das Parteiprogramm räumt die Klägerin diesem politischen Ziel einen hohen Stellenwert ein. Sie setzt sich damit und den bei einer Unterschriftsverweigerung geforderten Konsequenzen für die islamischen Organisationen nicht nur in Widerspruch zu den durch die Verfassung garantierten Grundfreiheiten, sondern überschreitet auch die Grenze von der deutlichen Darstellung ihrer Islamkritik zu einer aktiven Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. Die Bewertung von Glaubensinhalten und die damit verbundene Aufforderung zur Umsetzung eines Verbots dieser Glaubensinhalte stellen einen Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit dar.

Es finden sich auch keine Verlautbarungen der Klägerin oder ihres Landesvorsitzenden, die diese Verzichtsforderung und - im Falle der Weigerung - die Schließung von Gebetsräumen und Koranschulen sowie ein Vereinsverbot für alle islamischen Organisationen relativieren würden. Zwar betont die Klägerin immer wieder, dass es ihr nur um die Bekämpfung der verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam gehe und sie für ein friedliches Nebeneinander von Christen und Moslems auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eintrete, faktisch führt ihre Verzichtsforderung aber zu einer Einschränkung der Religionsfreiheit aller Muslime. Ein friedliches Nebeneinander ist nach Auffassung der Klägerin nur unter der Vorbedingung des „Abschwörens“ möglich. Zudem wird die Klägerin nicht müde, ständig zu wiederholen, dass es eine Trennung von Islamismus und Islam nicht gebe, weil es sich beim Islam um eine Religion mit einem politischen Herrschaftsanspruch handle, so dass sie sich mit ihrer Behauptung, sie richte sich nur gegen den verfassungsfeindlichen Islam, in Widerspruch zu ihrer eigenen Ideologie setzt. Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, dass ihre Kritik nur den politischen Islam und nicht den Glauben der Muslime betreffe, spricht aber umgekehrt gläubigen Muslimen die Fähigkeit ab, eine Trennung zwischen dem von der Klägerin so bezeichneten politischen Islam und dem Islam als Religion vornehmen zu können. Beim Bekenntnis der Klägerin zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit einem gleichberechtigten Nebeneinander von Muslimen und Angehörigen anderer Religionen handelt es sich folglich allenfalls um ein Lippenbekenntnis.

Die Klägerin distanziert sich zwar von rechtsextremistischem Gedankengut. Dies ändert aber nichts daran, dass ihre Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ den Anforderungen an eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Berichterstattung entspricht. Die Klägerin wird im Verfassungsschutzbericht gerade nicht dem Rechtsextremismus zugeordnet. Über sie wird unter einer neuen Kategorie berichtet, weil sich die politischen Aktivitäten der Klägerin, soweit sie für das Landesamt für Verfassungsschutz relevant sind, ausschließlich gegen Angehörige des muslimischen Glaubens richten.

Auch die Tatsache, dass der Beklagte seine Erkenntnisse über die Klägerin ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen erlangt hat, mindert deren Qualität als konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie oder ihr Landesvorsitzender nicht Verfasser der entsprechenden Beiträge auf ihrer Website oder den pinews seien. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht reicht das vom Beklagten vorgelegte Material für den Nachweis aus, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen in Bezug auf die Religionsfreiheit der Muslime verfolgt, weil sie sich nicht auf eine bloße Kritik am Islam beschränkt, sondern in ihren Veröffentlichungen insbesondere mit der „Verzichtsforderung“ konkrete Aktivitäten zur Beseitigung der Religionsfreiheit der Muslime in Deutschland ankündigt und zu solchen Aktivitäten auffordert und mit der Versendung der Verzichtsforderung auch bereits in die Umsetzungsphase eingetreten ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit der Berufung des Beklagten stattgegeben wurde und die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, ist die Klägerin unterlegen und hat daher insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, entspricht es nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits insoweit ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen, weil sie voraussichtlich auch bezüglich der Klageanträge 2. und 3. unterlegen wäre. Die Äußerungen über die Klägerin im Halbjahresbericht 2013 und in der Rede des Staatsministers entsprechen inhaltlich der Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird der Streitwert in beiden Instanzen auf jeweils 15.000,-- Euro festgesetzt.

(§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.