Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106

bei uns veröffentlicht am08.12.2016

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist der Gründer der nach ihm benannten Wehrsportgruppe H.(WSG), die 1980 als verfassungsfeindliche Organisation verboten wurde. 1986 wurde der Kläger vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen mehrerer Fälle der Freiheitsberaubung, Geldfälschung, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Strafvereitelung sowie Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Aufgrund einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom Juli 1989 wurde der Kläger unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Aktivitäten des Klägers nach seiner Haftentlassung im Jahr 1989 waren Gegenstand einer schriftlichen Anfrage der Landtagsabgeordneten … und … (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) vom 16. April 2012 an die Bayerische Staatsregierung mit dem Titel „Neue Aktivitäten des Rechtsextremisten Karl-Heinz H.“. Im Rahmen dieser Anfrage stellten die genannten Abgeordneten der Staatsregierung zwanzig Fragen. Soweit vom Kläger angegriffen lauten die Fragen sowie die entsprechenden Antworten des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 18. Mai 2012 wie folgt (s. LT-Drs. 16/12648 v. 24.7.2012):

Frage 1.1:

Welche rechtsextremen Aktivitäten Karl-Heinz H.s sind der Bayerischen Staatsregierung nach dessen Haftentlassung bekannt?

Antwort der Bayerischen Staatsregierung:

H. tritt nach den vorhandenen Erkenntnissen seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung. Insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im,demokratischen Rechtsstaat‘“ hält er verschiedene Vorträge (…).

Frage 2.1:

Was weiß die Staatsregierung über das derzeitige rechtsextreme Netzwerk von H. in Bayern, bundesweit und international?

Antwort der Bayerischen Staatsregierung:

Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H. im Jahr 1980 hat sich H. bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund 20 Personen, unter denen sich zum Teil auch Anhänger der verbotenen Wehrsportgruppe befanden, im Libanon aufgehalten. (…) H.s damaliges Ziel war es, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte (…).

Die Antwort der Staatsregierung war Gegenstand einer Organstreitigkeit vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof betreffend den Umfang sowie Grenzen der Antwortpflicht auf parlamentarische Anfragen (E.v. 20.3.2014 - Vf. 72-IVa-12 - BayVBl. 2014, 464-468).

Mit Schreiben vom 8. September 2014, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 11. September 2014, hat der Kläger Klage erhoben (zunächst nur mit den Hauptanträgen) und beantragt zuletzt,

dass dem Beklagten untersagt wird, die nachfolgend aufgeführten Behauptungen über den Kläger zu wiederholen:

1. H. tritt nach den vorhandenen Erkenntnissen seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“ hält er verschiedene Vorträge.

2. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H. im Jahr 1980 hat sich H. bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund zwanzig Personen, unter denen sich auch Anhänger der verbotenen Wehrsportgruppe befanden, im Libanon aufgehalten. H.s damaliges Ziel war es, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte.

hilfsweise festzustellen, dass die streitgegenständlichen Antworten des Beklagten auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten … … und … vom 16. April 2012 mit dem Titel „Neue Aktivitäten des Rechtsextremisten Karl-Heinz H.“ vom 18. Dezember 2012 insoweit rechtswidrig sind, als sie ausführen,

– dass der Kläger seit dem Jahr 2010 wieder öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung tritt, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - gezielte Verdächtigung als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“

– dass der Kläger bei seinem Aufenthalt im Jahr 1980 bis Mitte des Jahres 1981 zusammen mit rund 20 Personen, u.a. auch Anhängern der verbotenen Wehrsportgruppe, das Ziel hatte, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland und Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte durchzuführen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Staatsregierung sei die richtige Beklagte. Auch in der Organstreitigkeit vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, entschieden am 20. März 2014 (Vf. 72-IVa-12), sei Beklagte die Staatsregierung und nicht das Staatsministerium gewesen. Die falschen Behauptungen seien zwar vor etwas über zwei Jahren veröffentlicht worden. Sie hätten aber für den Kläger erst im Jahr 2014 im Zusammenhang mit einer Klageerwiderungsschrift der Bundesregierung eine besondere Bedeutung erlangt, da sich die vom Kläger beklagte Bundesregierung in ihrer Klageerwiderung vom 22. April 2014 auf die hier relevanten Äußerungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 26. Juli 2012 gestützt habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Aktivitäten des Klägers aus früheren Zeiten zu Recht oder zu Unrecht als „rechtsextremistisch“ bezeichnet werden könnten. Entscheidend sei, ob seine seit dem Jahr 2010 öffentlich entwickelten Aktivitäten als „rechtsextremistisch“ bezeichnet werden dürften oder nicht. Der Beklagte werte zu Unrecht die Vorstellung seines Buches „Die Oktoberfestlegende - Gezielte Verdächtigungen als politisches Kampfmittel im demokratischen Rechtsstaat“ als „rechtsextremistische Aktivität“. In diesem Buch seien keine rechtsextremistischen Inhalte zu finden. Es sei eine Ermahnung zur Einhaltung der im Grundgesetz vorgegebenen rechtsstaatlichen Prinzipien. Der Beklagte versuche, seine unzutreffende Behauptung mit dem Hinweis auf eine Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen „Rechtsterroristen“ … zu rechtfertigen. Bei dieser Podiumsdiskussion sei es nicht um etwaige rechtsextreme Agitation, sondern um eine Richtigstellung diverser, in den Medien verbreiteter Unwahrheiten und darüber hinaus um ein ernsthaftes Bemühen gegangen, durch das Aufzeigen des unglücklich verlaufenen Lebensweges von … junge Leute zu warnen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Falls er Vorträge vor rechtsgerichteter Zuhörerschaft gehalten habe, bedeute dies keinesfalls, dass die Inhalte des Vortrages das Weltbild der Zuhörer widerspiegeln würden. In erster Linie sei es sein Anliegen, vor Leuten zu sprechen, die eine Aufklärung hinsichtlich der allgemeinen Toleranz nötig hätten. Seine Vorträge vor rechtsgerichtetem Publikum seien immer kritisch gewesen. Jeder Vortrag enthalte die eindringliche Aufforderung zum Verzicht auf Fremdenfeindlichkeit und Verzicht auf Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass ein von ihm im Netz veröffentlichter Aufsatz in dem rechtsextremistischen Netzwerk „Freies Netz Süd“ veröffentlicht würde, erkläre er, dass er keine persönlichen Beziehungen zu den Gestaltern des Netzwerkes unterhalte. Es dürfe nicht darauf ankommen, wer die Schriften des Klägers aufgreife und weiterverbreite. Es komme nur darauf an, was er als Autor inhaltlich zu verantworten habe. Er habe die NPD zu keiner Zeit unterstützt. Sein Credo sei Neutralität und Wahlverzicht. Die Behauptung, er hätte im Libanon eine Gruppe mit dem Ziel gegründet, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland aus Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, sei unwahr. Diese Tatsachenbehauptung erfülle den Tatbestand der Verleumdung. Hauptantrag und Hilfsanträge seien jeweils zulässig, da eine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Der Kläger stehe als vermeintlicher Rechtsextremist im Fokus der Öffentlichkeit. Es sei jederzeit konkret zu erwarten, dass erneute Anfragen an den Beklagten in gleicher Richtung gestellt würden. Zudem habe der Kläger ein Rehabilitationsinteresse. Die Äußerungen des Beklagten hätten eine besonders diffamierende Wirkung. In der Öffentlichkeit sei der Begriff „Rechtsextremismus“ ein Synonym für Menschen, die der nationalsozialistischen Ideologie anhängen, einen Führerkult pflegen und eine rassistische, menschenverachtende Haltung an den Tag legen würden. Der Kläger sei weder Anhänger des Nationalsozialismus, noch Anhänger eines Führerkultes, noch sei er rassistisch und menschenverachtend. Auf die weiteren Ausführungen im Einzelnen wird Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da dem Kläger hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches das Rechtschutzbedürfnis fehle. Für einen Unterlassungsanspruch sei zur Begründung des Rechtschutzinteresses die Darlegung einer konkreten Wiederholungsgefahr erforderlich. Daran fehle es hier. Im Übrigen habe der Kläger den Volltext der schriftlichen Anfrage sowie die Antwort des Staatsministeriums des Innern auf seiner Homepage unter der Rubrik „in eigener Sache“ selbst veröffentlicht. Zudem sei der Kläger ab Kenntnis der über ihn veröffentlichten Aussagen über zwei Jahre untätig geblieben. Dies gelte umso mehr für die Antwort auf die Fragestellung 2.1 der schriftlichen Anfrage, die nahezu wortgleich der Berichterstattung des Verfassungsschutzberichtes Bayern von 1981 entspreche, gegen die gerichtlicher Rechtschutz nicht in Anspruch genommen worden sei. Auch für einen Widerruf der entsprechenden Aussagen gebe es kein Rechtschutzbedürfnis. Die Staatsregierung des Freistaates Bayern sei nicht passiv legitimiert. Richtiger Beklagte sei im Fall der Allgemeinen Leistungsklage der Rechtsträger des nach dem materiellen Recht zum Handeln oder Unterlassen Verpflichteten - also in diesem Fall der Freistaat Bayern als Rechtsträger des Bayerischen Staatsministeriums des Innern. Die Klage wäre auch unbegründet. Die über den Kläger getroffenen Aussagen seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger habe keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf die geforderte Unterlassung. Er habe die beanstandeten Äußerungen hinzunehmen. Bei Unterlassungsansprüchen gegen Äußerungen sei zu differenzieren, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handele. Tatsachenbehauptungen müssten grundsätzlich wahr sein. Meinungsäußerungen bzw. Wertungen staatlicher Organe müssten sich im Kompetenzrahmen des Hoheitsträgers bewegen, auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern fußen und weder auf sachfremden Erwägungen beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten. Außerdem dürften die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen werde, nicht unverhältnismäßig sein. Soweit sich der Kläger in seiner Klage gegen die Wertung, seine Aktivitäten seit 2010 seien rechtsextremistisch, wende, lasse eine Gesamtschau der offenen verwertbaren Erkenntnisse den Schluss zu, dass der Kläger in rechtsextremen Zusammenhängen aktiv sei. Für die Erkenntnisse lägen zahlreiche Beweismittel vor. Soweit es um die Antwort auf die Frage 2.1 gehe, handele es sich nahezu wortgetreu um eine Wiederholung der Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht Bayern von 1981. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 29. Januar 2015 verwiesen.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2014, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 31. Oktober 2014, hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, welche das Gericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2015 (M 10 K 14.4106) abgelehnt hat. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. September 2016 (5 C 15.2556) zurückgewiesen. Auf die Entscheidungen wird Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2016 hat das Verwaltungsgericht München die Klage abgewiesen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 13. August 2016 durch Postzustellungsurkunde zugestellt. Mit Telefax vom 5. September ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die mündliche Verhandlung beantragen, die am 8. Dezember 2016 stattfand. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Am 5. September 2016 ließ der Kläger auch die Hilfsanträge stellen.

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 hat der Kläger beantragt, ihm unter Bezug auf die gestellten Hilfsanträge Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen. Diesen Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 8. November 2016 (M 10 K 14.4016) abgelehnt. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Beschwerde einlegen lassen, über die noch nicht entschieden ist.

In der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2016 hat der Kläger Prozesskostenhilfe hinsichtlich des Klageantrags in Ziff. 1 gestellt, welcher nach einer Rücknahme durch den Kläger neu gestellt wurde. Diesen Prozesskostenhilfeantrag hat das Gericht mit Beschluss vom 8. Dezember 2016 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Der Freistaat Bayern ist passiv legitimiert nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Ihm sind die angegriffenen Äußerungen der Bayerischen Staatsregierung bzw. des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zuzurechnen.

2. Der Hauptantrag in Ziff. 1 ist zulässig, aber unbegründet.

Die Unterlassungsklage ist zulässig. Insbesondere sieht das Gericht eine Wiederholungsgefahr gegeben. Der Beklagte bringt den Kläger wiederholt mit dem Begriff „rechtsextremistisch“ in Verbindung.

In der Landtagsdrucksache 17/10166 (vom 8. April 2016) findet sich in der Beantwortung zu Nr. 2.2 folgende Passage: „Aus dem rechtsextremistischen Spektrum waren am Messetag der ehemalige Leiter der verbotenen Wehrsportgruppe Karl-Heinz H. und (…) vor Ort“. In der Landtagsdrucksache 17/9235 (v. 22. Januar 2016) in der Antwort zu Frage Nr. 3 findet sich folgende Passage: „Aus dem rechtsextremistischen Spektrum waren am Messetag der ehemalige Leiter der verbotenen Wehrsportgruppe Karl-Heinz H. und (…) vor Ort“. In der Landtagsdrucksache 17/7878 (vom 30. September 2015) findet sich in der Antwort zu Frage Nr. 3 a und 3 b folgende Formulierung: „Im Rahmen der Beobachtung der rechtsextremistischen Aktivitäten von Karl-Heinz H.…“. Insofern kann tatsächlich von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, da der Beklagte die vom Kläger beanstandete Bewertung seiner Aktivitäten als rechtsextremistisch bzw. die Verwurzelung des Klägers im rechtsextremistischen Spektrum schon jetzt seit Klageerhebung 2014 wiederholt im Bayerischen Landtag geäußert hat.

Der Antrag in Ziff. 1 ist jedoch unbegründet. Denn der Beklagte hat die von dem Kläger beanstandete Äußerung nicht in rechtswidriger Weise abgegeben.

Die Rechtsgrundlage für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen ergibt sich aus der Bayerischen Verfassung (BV). Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV gewährleistet den Abgeordneten des Bayerischen Landtags, sich mit Fragen an die Exekutive zu wenden. Als Minderheitenrecht gründet sich das parlamentarische Fragerecht auch auf Art. 16a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV. Mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten korrespondiert auf der anderen Seite eine grundsätzliche Antwortpflicht der Staatsregierung, die allerdings bestimmten Grenzen unterliegt. Diese ergeben sich in erster Linie aus den Grundrechten der Bayerischen Verfassung sowie sonstigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen (BayVerfGH, E.v. 20.3.2014 - Vf. 72-IVa-12 - BayVBl. 2014, 464 ff.). Soweit es um die Frage der Unterlassung oder der Rechtswidrigkeit von Äußerungen geht, ist zu differenzieren, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt. Tatsachenbehauptungen liegen dann vor, wenn der Aussage beweisbare Vorgänge zugrunde liegen, die Richtigkeit der Äußerung also durch eine Beweiserhebung objektiv festgestellt werden kann. Meinungsäußerungen sind demgegenüber ihrem wesentlichen Inhalt nach durch Elemente des Meinens, Dafürhaltens oder Wertens gekennzeichnet und deshalb einem objektiven Richtigkeitsbeweis nicht zugänglich (BayVGH, U.v. 31.7.1997 - 4 B 96.1291, UA S. 6 f. m.w.N.). Vermischen sich beide Elemente in einer Äußerung und lassen sie sich nicht ohne Veränderung des Aussagegehalts voneinander trennen, ist nach dem Schwerpunkt der Äußerung - Überwiegen der Wertung oder der Information über Tatsächliches - abzugrenzen (BayVGH, B.v. 24.5.2006 - 4 CE 06.1217 - juris; BayVGH, U.v. 25.10.1995 - 4 B 94.4010 mit Verweis auf BGH, U.v. 9.12.1975 - VI ZR 157/73, NJW 1976, 620/621). Während Tatsachenbehauptungen in der Regel zulässig sind, wenn sie bei objektiver Überprüfung zutreffen, müssen sich Werturteile an allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, vor allem an dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, messen lassen. Werturteile und Meinungsäußerungen unterliegen danach insbesondere dem Sachlichkeitsgebot, das verlangt, dass die getätigte Äußerung in einem konkreten Bezug zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben des Äußernden steht, auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruht und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreitet (vgl. BVerfG, B.v. 15. August 1989 - 1 BvR 881/89 -, juris Rn. 7/15; BVerwG, B.v. 11. November 2010 - BVerwG 7 B 54.10 -, juris Rn. 14/15; BVerwG, U.v. 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 -, juris Rn. 58; VG Cottbus, B.v. 31. Mai 2016 - 1 L 215/16 - juris Rn. 22). Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in den Ausführungen des Willkürverbotes sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren (BVerwG, B.v. 11.11.2010 - 7 B 54.10 - juris; VG Hannover, B.v. 30.03.2015 - 4 B 546/15 - juris).

Soweit sich der Kläger gegen die Bezeichnung seiner Aktivitäten seit 2010 als „rechtsextremistisch“ wehrt, wendet er sich hier gegen ein Werturteil bzw. eine Meinungsäußerung, nicht gegen eine Tatsachenbehauptung (s. zur Einstufung der Attribute „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“ als Meinungsäußerungen BVerfG. B.v. 17.9.2012 - 1 BvR 2979/10 - NJW 2012, 3712 f.). Für die Begriffe „rechtsextremistisch“ oder „Rechtsextremismus“ gibt es keine allgemeingültige Definition.

Eine mögliche Definition findet sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung, die sich auf die Quelle „Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 6., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2016. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung“ beruft. Hier wird Rechtsextremismus wie folgt definiert:

„Rechtsextremismus bezeichnet eine politische Einstellung, die sich gegen die Ordnung des demokratischen Verfassungsstaates stellt und gesellschaftliche Vielfalt sowie freie Wirtschaftssysteme fundamental ablehnt. Charakteristisch für den Rechtsextremismus ist die Aufspaltung in Gruppen und Untergruppen, die i. d. R. auf persönlichen Gefolgschaften (Führer und Gefolge) beruhen. Rechtsextremismus basiert auf Intoleranz und Vorurteilen (z. B. gegen Ausländer und Minderheiten), fördert autoritäres Verhalten, verherrlicht Macht und Gewalt. Rechtsextreme Ideologien führen alle aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Probleme auf eine einzige Ursache zurück und setzen dagegen ein autoritäres, menschenverachtendes Weltbild, dessen Fundament i. d. R. ein aggressiver, expansionistischer Staat ist“ (http://www.bpb.de/na...).

Das Werturteil, der Kläger trete öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung, verletzt den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 100 und 101 BV), zu dessen Schutzgütern auch die persönliche Ehre gehört. Der Beklagte hat die Äußerung in einem konkreten Bezug zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben, hier im Rahmen einer schriftlichen Anfrage zweier Landtagsabgeordneter, getätigt. Die Bezeichnung der öffentlichen Aktivitäten des Klägers seit 2010, insbesondere seiner Vortragstätigkeit, als „rechtsextremistisch“ ist als plakative Qualifizierung bzw. Charakterisierung der politischen Gesinnung des Klägers eine Meinungsäußerung, wobei in der konkreten Beantwortung der Frage durch den Beklagten nicht näher darauf eingegangen wird, was unter einer „rechtsextremistischen Aktivität“ zu verstehen ist. Insofern enthält diese Qualifizierung aus Sicht des Adressaten keine dem Beweis zugängliche Aussage. Es wird auch nicht unterstellt, der Kläger sei Mitglied einer rechtsextremistischen Gruppierung. Die Äußerung steht aber im Bezug zu den gleichfalls erwähnten „öffentlichen Aktivitäten“ des Klägers, insbesondere seiner Vortragstätigkeit. Insoweit weist sie einen Sachbezug auf. Die Äußerung knüpft damit an das Verhalten des Klägers an und bewertet dieses. Es ist hierbei nicht die Privat- oder Geheimsphäre des Klägers betroffen, sondern seine Sozialsphäre (s. hierzu auch OLG Stuttgart, U.v. 23.9.2015 - 4 U 101/15 - BeckRS 2016, 4395). Indem der Kläger bei öffentlichen Veranstaltungen mit eigener Vortragstägigkeit auftritt und eine umfangreiche Homepage im Internet mit zahlreichen eigenen Beiträgen pflegt, treten das Verhalten des Klägers und seine politische Gesinnung nach außen hervor. Er stellt seine Beiträge zugleich zur öffentlichen Diskussion und muss mit entsprechenden Reaktionen rechnen.

Der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte zur Stützung des Werturteils vorgetragen, die öffentlichen Aktivitäten des Klägers seien „rechtsextremistisch“. Wie sich aus der Klageerwiderung des Beklagten vom 29. Januar 2015 auf den S. 9 - 18 mit verschiedenen Tatsachen ergibt, ist das Werturteil des Beklagten, öffentliche Aktivitäten des Klägers als rechtsextremistisch zu bezeichnen, nicht zu beanstanden. Es greift nicht in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung des besonderen Schutzes der persönlichen Ehre ein. Die Aussagen des Klägers in der Öffentlichkeit, bei Vortragsveranstaltungen und im Rahmen von Interviews, sowie die Wahl der Plattformen, über die der Kläger seine Ansichten verbreitet, sind nach Ansicht des Gerichts geeignet, das Werturteil des Rechtsextremismus bezogen auf den Kläger zu stützen. Zwar können einzelne Sachverhalte für sich genommen diesem Werturteil nicht als sachliche Quelle dienen, etwa wenn der Kläger am 2. April 2011 einen Vortrag zur Wehrsportgruppe und zum Oktoberfestattentat gehalten hat und von 30 Teilnehmern „19 Personen dem rechten Spektrum angehörten“ (Beweismittel 18). Allein die Anwesenheit von Personen aus dem „rechten Spektrum“, auch wenn sie mehr als die Hälfte der anwesenden Personen ausmachen, machen aus dem Vortragenden keinen Rechtsextremisten, zumal wohl zwischen dem „rechten Spektrum“ und „Rechtsextremisten“ unterschieden werden muss. Andere Beweismittel aber stützen die Bewertung der öffentlichen Aktivitäten des Klägers als rechts-extremistisch. Der Beklagte verweist auf die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vom 30. Januar 1980 betreffend die WSG, in der die verfassungsfeindliche politische Zielsetzung des Klägers dargelegt wird (Beweismittel 8), und auf die Homepage des Klägers (http://k...com/index.html), auf der der Kläger Verschwörungstheorien gegen die WSG und seine Person verbreitet. Zudem nutzt der Kläger verschiedene, der rechtsextremistischen Szene zuzuordnende Medien zur Verbreitung seiner Ansichten, wie die Homepage des mittlerweile als verfassungsfeindlich verbotenen Freien Netzes Süd (FNS), s. Beweismittel 10. Den ersten Vortrag seit über dreißig Jahren hielt der Kläger am 11. September 2010 auf einer Veranstaltung des rechtsextremistischen „Freien Netzes Borna/Geithein“ in Zschadraß/Sachsen zum Thema „Die WSG, Klischee und Wirklichkeit“ (Beweismittel 15). In der Gesamtschau verstößt das Werturteil des Beklagten, der Kläger trete öffentlich mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung, nicht gegen das Sachlichkeitsgebot. Der Beklagte hat sein Werturteil auf einen vertretbar gewürdigten Tatsachenkern gestützt.

Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen das beanstandete Werturteil im Kern mit der Argumentation, dass die öffentliche Vorstellung seines Buchs über das Oktoberfestattentat legitim sei, und dass er - pauschal formuliert - keiner nationalsozialistischen Ideologie anhänge, keinen Führerkult pflege und keine rassistische Haltung an den Tag lege, sich vielmehr mit seinen Aktivitäten kritisch an ein rechtsgerichtetes Publikum wende. Dies ist in der Gesamtschau keine überzeugende Widerlegung der vorgenommenen Bewertung der Aktivitäten durch den Beklagten, zumal es letztlich durch Beweiserhebung nicht möglich ist festzustellen, wann eine öffentliche Aktivität „rechtsextrem“ oder „rechtsextremistisch“ ist (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2012 - 1 BvR - 2979/10 - NJW 2012, 3712 ff.).

3. Der Klageantrag in Ziff. 2 (Hauptantrag) ist bereits unzulässig. Der Klage fehlt es insoweit am Rechtschutzbedürfnis. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist ungeschriebene Voraussetzung einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts, ob durch Klage oder Antrag (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Vor §§ 40-53 Rn. 11). Es fehlt zum Beispiel bei nutzlosen Klagen oder bei Missbrauch, Verwirkung und Verzicht (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Vor §§ 40-53 Rn. 16 ff.).

Im vom Beklagten auszugsweise und in Kopie vorgelegten Verfassungsschutzbericht Bayern 1981 heißt es wortwörtlich auf Seite 106: „Schon bald nach dem Verbot der Wehrsportgruppe H. (WSG) am 30. Januar 1980 entfaltete ihr Gründer und Chef Aktivitäten im Nahen Osten. (…) Bis Mai/Juni 1981 hielt er sich zusammen mit rund 20 Personen, zum Teil Anhängern der verbotenen Wehrsportgruppe, im Libanon auf. Dort hatte er eine Vereinigung gebildet, die er als „Wehrsportgruppe Ausland“ bezeichnete. (…) H.s Ziel war, eine Terroristengruppe zu bilden, um vom Ausland her Aktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Vorgesehen waren Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, eine Raffinerie und Einrichtungen der US-Streitkräfte.“ Im Verfassungsschutzbericht Bayern 1982 findet sich eine ähnliche Passage. Die Verfassungsschutzberichte des Bundes aus den Jahren 1980, 1981 und 1982 enthalten ähnliche Äußerungen. Gegen sämtliche genannten Verfassungsschutzberichte hat sich der Kläger gerichtlich nicht gewandt. Die vom Kläger beanstandete Äußerung des Beklagten hinsichtlich seiner Aktivitäten im Libanon in den Jahren 1980 und 1981 entspricht im Wesentlichen der oben zitierten Passage im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981. Auch wenn der Kläger - wie er vorträgt - von diesem Verfassungsschutzbericht aufgrund von Haft keine Kenntnis gehabt haben soll und er nach Haftentlassung bis zum Ende 2010 „gesellschaftspolitisch vollkommen abstinent“ geblieben sei, besteht für seine Klage insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis. Vielmehr zeigt sich gerade an diesem Vortrag, dass der Kläger über mehrere Jahrzehnte kein Interesse daran gezeigt hat, gegen diese Veröffentlichungen vorzugehen, die ihn nun in ihrer reinen Wiederholung im Jahr 2012 durch den Beklagten stören. Durch die jahrzehntelange Untätigkeit des Klägers ist es ihm verwehrt, gerichtlich über Vorgänge befinden zu lassen, die inzwischen mehr als fünfunddreißig Jahre zurück liegen und schon im Jahr 1981 so bewertet wurden wie im Jahr 2012 als reine Wiederholung der damaligen Äußerung im Verfassungsschutzbericht. Auf das „Recht auf Vergessenwerden“ im weitesten Sinn (vgl. hierzu speziell zu Internetsuchmaschinen das Urteil des EuGH vom 13.5.2014 - C-131/12 - juris) kann sich der Kläger nicht berufen. Er will gerade nicht „vergessen werden“, sondern stört sich allein an der konkreten Formulierung, da aus seiner Sicht seine Aktivitäten im Libanon vor etwa 36 Jahren anders einzuordnen sind.

Aber auch wenn man der hier vom Gericht vertretenen Ansicht, der lange Zeitablauf seit der ersten Veröffentlichung der beanstandeten Äußerung ließe das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, nicht folgt, steht dem Kläger hier kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Denn es ist letztlich ohne großen Nutzen, wenn sich der Kläger nicht gegen die Erwähnung und Beschreibung seiner Aktivitäten im Libanon in den bereits genannten Verfassungsschutzberichten insbesondere der Jahre 1981 und 1982 wendet, sondern eine reine Wiederholung im Jahr 2012 im Rahmen einer Landtagsanfrage zum Anlass nimmt, die Richtigkeit dieser Verfassungsschutzberichtspassage gerichtlich überprüfen lassen zu wollen. Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen, darunter der Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, arbeitenden Stelle (VG Berlin, U.v. 16.2.2012 - 1 K 237.10 - juris Rn. 30). Stört sich der Kläger an seiner Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bzw. hier an der aus seiner Sicht falschen Beschreibung bestimmter Aktivitäten im Ausland, ist es sachnäher und vor allem effektiver, genau gegen diese Darstellungen im Verfassungsschutzbericht gerichtlich vorzugehen, und nicht über den Umweg zu gehen, eine reine Wiederholung dieser Darstellungen in einem Schriftstück, das der Beklagte etwa 30 Jahre später im Rahmen einer Landtagsanfrage erstellt, gerichtlich überprüfen zu lassen. Die ursprüngliche Aussage (hier insbesondere im Verfassungsschutzbericht Bayern 1981) bliebe - unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens hinsichtlich der im Jahr 2012 wiederholten Äußerung - unverändert bestehen und wäre weiterhin für jedermann zugänglich. Die neueren Verfassungsschutzberichte sind im Internet einsehbar, die älteren lassen sich noch in Bibliotheken finden. Daher ist der Klageantrag in Ziff. 2 insoweit missbräuchlich und im Wesentlichen nutzlos.

Dass der Beklagte sich zur „Wehrsportgruppe Ausland“ (in den Jahren 1980 und 1981) in der Antwort zu Frage Nr. 2.1 geäußert hat, obwohl die Fragestellung war, was die Staatsregierung über das derzeitige rechtsextreme Netzwerk von H. in Bayern, bundesweit und international, weiß, mag überflüssig anmuten. Allein aus dem Umstand, dass eine Antwort gegeben wurde, zu der gar nicht gefragt wurde, ergibt sich aber kein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

4. Der Hilfsantrag in Ziff. 1 ist als Feststellungsantrag zulässig. Es liegt eine Wiederholungsgefahr vor (s. oben unter 2.). Zudem wird die Bewertung als „rechtsextremistisch“ üblicherweise als diffamierend angesehen und eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG im Sinne einer Ehrverletzung kann nicht ausgeschlossen werden (s. zur „Prangerwirkung“ der Attribute „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“, BVerfG, B.v. 17.9.2012 - 1 BvR 2979/10 - NJW 2012, 3712 ff.). Der Feststellungsantrag ist gegenüber dem Leistungsantrag hier auch nicht wegen Subsidiarität unzulässig (§ 43 Abs. 2 VwGO). Dem Kläger geht es darum, Genugtuung für den mit den streitgegenständlichen Äußerungen aus Sicht des Klägers verbundenen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht zu erlangen. In diesem Fall gewährleistet die Feststellungsklage effektiven Rechtschutz (s. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 28). Allerdings ist der Hilfsantrag in Ziff. 1 aus denselben Gründen unbegründet wie der Hauptantrag in Ziff. 1. Der Beklagte hat die Äußerung, bei der es sich um ein Werturteil bzw. eine Meinungsäußerung handelt, nicht in rechtswidriger Weise abgegeben (s. oben unter 2.).

5. Der Hilfsantrag in Ziff. 2 ist aus denselben Gründen unzulässig wie der Hauptantrag in Ziff. 2 (s. oben unter 3.). Es fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

6. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 78


(1) Die Klage ist zu richten 1. gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,2

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Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - M 10 K 14.4106 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 23. Sept. 2015 - 4 U 101/15

bei uns veröffentlicht am 23.09.2015

Tenor Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.06.2015 (Az: 11 O 80/15) wird zurückgewiesen. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe   I. 1 De

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Sept. 2012 - 1 BvR 2979/10

bei uns veröffentlicht am 17.09.2012

Tenor Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in

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(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem äußerungsrechtlichen Fall. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

2

1. Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Rechtsanwalt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ebenfalls ein Rechtsanwalt (im Folgenden: Kläger), beschäftigt sich auf seiner Kanzleihomepage und in Veröffentlichungen in Zeitschriften mit politischen Themen. So verfasste er mit einem Co-Autor den Text "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", in dem es um die angeblich die Welt beherrschende Gruppe von "Kosmokraten" geht. Darin heißt es:

3

Bis heute sind es aber zumeist die superreichen Familien Englands, Frankreichs und Hollands - größtenteils khasarische, also nicht-semitische Juden -, die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmen.

4

In einem weiteren Artikel mit dem Titel "Art. 146 GG - Die Mär der gesamtdeutschen Verfassung" befasst sich der Kläger mit dem "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes. Dort heißt es:

5

Das Grundgesetz ist lediglich ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte.

6

In einem Diskussionsforum im Internet (www.antivegan.de/forum) setzte sich der Beschwerdeführer mit diesen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym "pünktchen" unter einer Rubrik, die den Namen des Klägers nennt, auseinander und nannte sie "rechtslastigen Dreck". Nachdem der Kläger unter Androhung rechtlicher Schritte die Löschung dieser Formulierung gefordert hatte, äußerte sich der Beschwerdeführer in dem Forum wie folgt:

7

Wieso? Ich finde nun mal, dass Sie rechten Dreck verbreiten. Ich habe oben auch belegt, was ich damit konkret meine. …

8

Zu dem Artikel "Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung" schrieb der Beschwerdeführer in dem Forum:

9

Er liefert einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei.

10

Ein Unterlassungsbegehren wies der Beschwerdeführer zurück und führte in einem Schreiben an den Kläger aus:

11

Wer wie Sie meint, die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen, muss es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden.

12

Dieses Schreiben stellte der Beschwerdeführer einem begrenzten Kreis von Nutzern im Internet zur Verfügung. In diesen Kreis ist allerdings ein "Hacker" eingebrochen.

13

2. Das Landgericht verurteilte mit angegriffenem Urteil den Beschwerdeführer dazu, es zu unterlassen,

14

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder die Behauptung verbreiten zu lassen, dass er rechtsextreme Beiträge verfasst, und/oder dass sich sein Denken vom klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild nicht wirklich unterscheidet, und/oder dass er es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden.

15

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die umstrittenen Äußerungen jeweils einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten. Die Behauptung, jemand verfasse rechtsextreme Beiträge, und damit sinngemäß die Unterstellung, jemand sei rechtsradikal, stelle nur dann keinen Eingriff dar, wenn sich diese Behauptung zutreffend beweisen lasse beziehungsweise unter dem Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG stehe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

16

Da der Kläger sich nicht einer überlegenen Gruppe von Menschen zuordne und die Gruppe von Menschen mit großem wirtschaftlichem Einfluss nicht als minderwertige Gruppe bewerte, sei nicht erwiesen, dass die Beiträge rechtsextreme Beiträge seien. Die erforderliche Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Diese Ausführungen seien auch auf die zweite und dritte in Frage stehende Meinung des Beschwerdeführers zu übertragen.

17

3. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urteil zurück. Es führt aus, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Meinungsäußerungen handele, weil es einer Wertung bedürfe, ob ein Text rechtsradikale Züge trage, beziehungsweise von einem rechtsextremen Gedankengut getragen sei. Eine solche Wertung sei einem Beweis nicht zugänglich. Grob gesagt sei die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung bei der sogenannten Schmähkritik erreicht. Hier handele es sich um Schmähkritik, weil der Beschwerdeführer den Kläger ohne jeden nachvollziehbaren Hintergrund aus völlig anderen Motiven als denen einer sachlichen Auseinandersetzung als rechtsradikal habe brandmarken wollen.

18

4. Mit angegriffenem Beschluss wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass die Gründe des Urteils die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht außer Acht ließen.

19

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit und einen Gehörsverstoß.

20

Der Kläger habe sich öffentlich zu wesentlich das Gemeinwohl betreffenden Fragen geäußert. Für die vom Beschwerdeführer daran geäußerte Kritik spreche eine Vermutung der Zulässigkeit. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik seien strenge Maßstäbe anzulegen. Die inkriminierten Äußerungen hätten konkrete Bezugspunkte. Das Oberlandesgericht verkenne, dass es keines speziellen Anlasses bedürfe, sich zu öffentlich geäußerten Ansichten seinerseits kritisch zu äußern.

21

Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm auseinandergesetzt habe.

22

6. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und hält sie für unzulässig und unbegründet. Die Bayerische Staatsregierung hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

23

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

24

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

25

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Meinungen sind dagegen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

26

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

27

Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, denn es ist nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheidet und wann man "es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden".

28

Das Urteil des Landgerichts ist fehlerhaft, weil es die erste Äußerung offenbar als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung einordnet und somit aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Die dennoch durchgeführte Abwägung vermag den Fehler nicht zu heilen, weil sie wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt und das Landgericht deswegen den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht ausreichend beachtet hat (siehe unten, Ziff. 1b). Aus dem gleichen Grund greift die von dem Landgericht durchgeführte Abwägung auch hinsichtlich der beiden anderen beanstandeten Äußerungen zu kurz (siehe unten, Ziff. 1b).

29

Zunächst zutreffend qualifiziert demgegenüber das Oberlandesgericht alle drei Äußerungen als Meinungsäußerungen.

30

Fehlerhaft ist dann aber, dass das Oberlandesgericht die Äußerungen als Schmähkritik einstuft und damit ebenfalls aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <284>). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Alle Äußerungen haben einen Sachbezug. Die erste Äußerung bezieht sich auf den Text des Klägers "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", die zweite Äußerung auf den Text "Art. 146 - Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung", und die dritte Äußerung stammt aus einem vorprozessualen Schriftsatz und bezieht sich auf den Unterlassungsanspruch.

31

b) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

32

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist nämlich nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören.

33

Durch die Attribute "rechtsextrem" und "rechtsradikal" ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers berührt. Denn mit ihnen ist eine Prangerwirkung verbunden, die geeignet ist, das Ansehen einer Person - zumal als Rechtsanwalt - in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sie kann zu einer einen Rechtsanwalt in seiner Existenz gefährdenden Bedrohung werden.

34

Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

35

In die Abwägung wird vorliegend einzustellen sein, dass der Kläger weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre betroffen ist, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre. Dagegen ist die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Kern betroffen, weil ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wurde. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325 <329>). Der Kläger hat seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann muss zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine echte Diskussion möglich sein. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358). Gegen die Meinung des Beschwerdeführers könnte sich der Kläger im Meinungskampf seinerseits wieder öffentlich zur Wehr setzen.

36

2. Für einen Gehörsverstoß sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Diesbezüglich wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

37

3. Das besondere Gewicht der Grundrechtsverletzung ist durch die Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes indiziert (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

38

4. Die angegriffenen Urteile beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

39

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

40

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.06.2015 (Az: 11 O 80/15) wird

zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Verfügungskläger (i. F: Kläger) begehrt von der Verfügungsbeklagten (i. F.: Beklagte), welche die „St Zeitung“ verlegt und die Website „www.st-zeitung.de“ betreibt, aufgrund eines von der Beklagten sowohl in der Printausgabe als auch in der Onlineausgabe am 16.04.2015 erschienenen Artikels, es zu unterlassen, ihn als „bekannten Neonazi“ zu bezeichnen.
1.
Der parteilose Kläger betreibt unter dem Autorennamen „M M“ einen politischen Blog mit dem Titel „Islamisierung und Linkstrend stoppen - Grundrechte schützen - Demokratie stärken“. In seinen Veröffentlichungen setzt er sich kritisch mit dem Islam sowie einer seiner Ansicht nach „linksextremen-sozialistischen Politik“ auseinander und warnt nach eigenen Angaben insbesondere eindringlich vor totalitären Regimen jeglicher Art, so auch dem Nationalsozialismus als auch einer aufkommenden europäischen Islamisierung sowie den damit verbundenen Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Der am 16.04.2015 unter der Überschrift „Nach dem Auftreten von Pegida - Wird K ein rechtsextremes Zentrum?“ erschienene Artikel (vorgelegt als Anl. A 2, Bl. 12), der sich mit den Pegida-Demonstrationen in K und deren möglichen Folgen auseinandersetzt, erwähnt den Kläger in folgendem Abschnitt: „Es gab wohl auch Versuche, die Teilnahme von NPD-Mitgliedern bei Pegida in K zu verhindern. Die Abgrenzung zur rechtsextremen Szene scheint aber nicht zu funktionieren. Auch das ist mit Facebook-Einträgen dokumentiert, die teilweise nach zwei, drei Stunden wieder geändert werden. Mehrfach traten in K bekannte Neonazis wie „M M“ (alias K-M M), ein rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser, oder … auf. Am Dienstag skandierten auch Hooligans der „P Berserker“ rechte Parolen.“
Der Kläger ist der Ansicht, hierdurch sei er in seinem Persönlichkeitsrecht und seiner Ehre verletzt worden. Er hat vorgetragen, die Bezeichnung „bekannter Neonazi“ sei als unwahre Tatsachenbehauptung anzusehen, die geeignet sei, ihn verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Seine Veröffentlichungen rechtfertigten gerade nicht seine Bezeichnung als „Neonazi“. Selbst wenn man von einer Meinungsäußerung ausgehe, stellte diese eine unzulässige Schmähkritik dar. Es fehle jeder Bezug und jeder Hinweis, aus welchen Tatsachen sich eine Nähe zum Nationalsozialismus ergeben sollte.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Bezeichnung „bekannter Neonazi“ sei eine schlagwortartige Bewertung der geistigen Haltung und der Äußerungen des Klägers und keine Tatsachenbehauptung. Der durchschnittliche Leser wisse, dass solche Äußerungen im Meinungskampf stark meinungsgeprägt sowie ideologisch gefärbt seien, und verstehe den Begriff „Neonazi“ als Zusammenfassung für ein rechtsextremes Denken, das sich aktuell insbesondere in der krassen Ablehnung von Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft aufgrund einer „völkischen“ Gesinnung äußere.
Eine Schmähkritik liege nicht vor. Der Verfasser des Artikels habe an die im Internet verbreiteten Äußerungen des Klägers angeknüpft. Die Bewertung „Neonazi“ habe im Rahmen der öffentlichen Diskussion über die Pegida-Demonstration in K und deren Unterstützer und Teilnehmer erfolgen dürfen.
Der Kläger äußere sich selbst sehr deutlich und zugespitzt, weshalb ihr ein „Recht zur Polemik“ zustehe. Wer Islam und Nationalsozialismus gleichsetze und unbegründete Angst vor Ausländern schüre, müsse es hinnehmen, dass er wegen solcher Aussagen als „Neonazi“ bezeichnet werde.
2.
Das Landgericht hat den Verfügungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ gem. § 1004 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 186 StGB zustehe.
Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ stelle keine Tatsachenbehauptung dar. Der Kläger weise zwar zutreffend auf die mit dem Begriff in Verbindung gebrachte Nähe zur Ideologie des Dritten Reiches hin. Die Verwendung des Begriffs „Nazi“ wie die des davon abgeleiteten Begriffs „Neonazi“ könne aber bei den Lesern verschiedene Vorstellungen über Inhalt und Bedeutung aufkommen lassen. Die Begriffe brächten danach nicht allein Tatsachenbehauptungen zum Ausdruck, denn sie enthielten eindeutig Elemente eines Werturteils, das einem Wahrheitsbeweis nicht voll zugänglich sei. Zwar sei hier zu bedenken, dass durch die Voranstellung des Wortes „bekannter“ dem Durchschnittsleser der Eindruck vermittelt werde, der Kläger sei in der Öffentlichkeit aufgrund seiner neonazistischen Gesinnung bekannt. Die Beklagte gehe aber in dem Artikel nicht näher darauf ein, was sie unter einem Neonazi verstehe. Die streitgegenständliche Bezeichnung enthalte daher im konkreten Fall wegen des weiteren Bedeutungsgehalts und wegen des Fehlens einer näheren Eingrenzung aus Sicht des Lesers keine Aussage, die dem Beweis zugänglich wäre, also keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung.
10 
Diese sei nicht als unzulässige Schmähkritik anzusehen. An die Annahme einer solchen seien strenge Maßstäbe anzulegen. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden solle, nehme die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an. Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ enthalte einen hinreichenden Sachbezug zu dem im Artikel thematisierten Sachverhalt und bezwecke nicht seine bloße Diffamierung.
11 
Die zwischen der Meinungsfreiheit der Beklagten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmende Abwägung falle im konkreten Fall angesichts der hohen Anforderungen, die an eine Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Presseveröffentlichungen zu stellen seien, zugunsten der Beklagten aus. Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ sei im konkreten Fall zulässig und verletze nicht sein Persönlichkeitsrecht.
12 
Zwar stelle die Bezeichnung einer Person als „Neonazi“ in Deutschland aus historischen Gründen einen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, das besonders negative Auswirkungen sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht auf den Kritisierten habe.
13 
Die Meinungsfreiheit überwiege allerdings gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers im vorliegenden Fall sowohl aufgrund des Umstands, dass der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen sei, als auch wegen des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an den u.a. in K stattfindenden Pegida-Demonstrationen. Es falle außerdem besonders ins Gewicht, dass der Kläger sich selbst in übertriebener, überspitzter und polemischer Form in Ausübung seines Grundrechts der Meinungsfreiheit über andere Personen äußere und dadurch in vergleichbarer Weise zum politischen Meinungskampf beitrage. Der Kläger, der sich in Bezug auf seine scharfen und überspitzten Äußerungen u.a. zum Islam und zur Gesellschaft grundsätzlich ebenfalls auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne, müsse die streitgegenständliche überspitzte Form der Meinungskundgabe aufgrund seines eigenen scharfen Auftretens hinnehmen.
14 
Aussagen wie die in den von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen des Klägers (Anlage AG 2) belegten zweifelsfrei, dass der Kläger seinerseits Personen wie die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten im übertriebenem Maß ohne Tatsachengrundlage angreife und beschimpfe und mit seinen pauschalen Aussagen zu Personengruppen wie „den Linken“, „den schwarzen Asylanten“ oder „Radikalen, d.h. gläubigen Moslems“ Ängste schüre, die eine sachliche Ebene verließen und stark propagandistische Züge annähmen. Seine Aussagen zu der drohenden „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ weckten Assoziationen zu der für den Nationalsozialismus typischen Rassenlehre. Zuletzt habe der Kläger den schrecklichen Absturz einer Germanwings-Maschine für eigene Zwecke instrumentalisiert, indem er diese Tragödie ohne jede tatsächliche Grundlage als einen von einem Moslem durchgeführten terroristischen und religiös motivierten Anschlag darstelle. Diese Veröffentlichungen belegten, dass der Kläger in einer extrem überspitzen, unsachlichen und diffamierenden Art und Weise Beiträge zum politischen Meinungskampf leiste. Er müsse es daher hinnehmen, dass andere wie die Beklagte ebenfalls mit scharfer, überspitzter und übertriebener Weise Kritik an ihm übten. Dies habe der Kläger angesichts seines eigenen polemischen Auftretens in der Öffentlichkeit sowie der großen Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit in einer Demokratie zu dulden.
15 
Zudem fehle es für die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ auch nicht an jeglicher Tatsachengrundlage, was zur Unzulässigkeit der Bezeichnung hätte führen können. Die zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers vorzunehmende Abwägung falle daher auch unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins tatsächlicher Anhaltspunkte nicht zugunsten des Klägers aus.
16 
Dieser führe zwar zutreffend an, dass seine Gesinnung nicht der eines „klassischen Neonazis“ und der Verfassungsschutz ihn auch nicht als „Neonazi“ beobachte. Hinzu komme zulasten der Beklagten, dass sie durch die Voranstellung des Wortes „bekannter“ den Anschein erwecke, die ihres Erachtens bestehende neonazistische Gesinnung des Klägers sei in der Öffentlichkeit unumstritten und allseits bekannt. Vor dem Hintergrund, dass sich der streitgegenständliche Artikel mit der Frage befasste, inwieweit die Unterwanderung der Pegida-Bewegung durch rechtsradikale Personengruppen Karlsruhe zu einem rechtsextremen Zentrum werden lasse, sei die unsaubere und schwammige Verwendung der Bezeichnung „bekannter Neonazi“ nicht unproblematisch. Das Gericht habe aber letztlich nicht die Richtigkeit der Wertung der Beklagten oder die Qualität des streitgegenständlichen Artikels zu bewerten, sondern einzig danach zu fragen, ob es an jeglicher Tatsachengrundlage für die Behauptung, der Kläger sei ein „bekannter Neonazi“, fehle.
17 
Der Begriff des „Neonazis“ sei nicht eindeutig definiert. Die Definition des Bundesamts für Verfassungsschutz und die vom Kläger aufgegriffene Definition der Bundeszentrale für politische Bildung zum Begriff „Neonazismus“ belege exemplarisch einerseits, dass es nicht „den Neonazi“ gebe, sondern es innerhalb der Szene verschiedene Strömungen gebe und sich nur sehr allgemein gehaltene Grundsätze aufstellen ließen, was grob unter einem Neonazi zu verstehen sei. Andererseits zeigten die Definitionen aber auch, dass ein Neonazi nicht per se gegen Juden hetze, sondern auch die Verunglimpfung von Ausländern und politisch Andersdenkenden im Vordergrund stehen könne.
18 
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen entbehre die von der Beklagten geäußerte Meinung mit dem darin enthaltenen Tatsachenkern, der Kläger sei ein bekannter Neonazi, nicht jedweder Tatsachengrundlage. Die von der Beklagten zu den Akten gereichten Veröffentlichungen des Klägers und die vom Kläger auf S. 3 seiner Antragsschrift selbst aufgezählten Titel seiner Veröffentlichungen enthielten zwar tatsächlich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Aufbau eines „Führerstaats“ oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge. Sie enthielten aber teilweise Aussagen, die Anknüpfungspunkte zur Ideologie des Dritten Reiches enthielten.
19 
Hervorzuheben sei diesbezüglich insbesondere sein Kommentar zu dem durch ihn in seinem Blog veröffentlichten Leserbrief, der sich mit der Belästigung von Frauen durch „schwarze Asylanten“ befasse, indem er davor warne, dass durch die Pläne der Linken „am Ende eine ethnisch nicht mehr auseinanderdividierbare Durchmischung aller menschlichen Rassen“ entstehen könnte und weiter ausführe, „diese diktatorisch verordnete Verdrängung des deutschen Volkes durch Völker Afrikas, Ostasiens und der arabischen Länder wird die Weichen legen für einen furchtbaren Bürgerkrieg in Deutschland.“ Diese Aussagen erinnerten stark an die im Dritten Reich vertretene Rassenlehre, die einen wesentlichen Bestandteil der nationalsozialistischen Idee darstellte. Es entbehre insofern nicht jeglicher Tatsachengrundlage, wenn sich die Beklagte in Anbetracht der Art und Weise, wie der Kläger seinerseits seine Gesinnung nach außen trage, dazu verleiten lasse, diesen wie geschehen zu bezeichnen.
20 
Auch die äußerst polemischen, pauschalisierend und gläubige Angehörige des Islam unter Pauschalverdacht stellenden weiteren Veröffentlichungen des Klägers ließen Raum für die durch die Beklagte aufgestellte These, es handle sich beim Kläger um einen Neonazi.
3.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers.
22 
Zur Begründung trägt er abgesehen von einer pauschalen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
23 
Er gehöre unstreitig weder zu der Gruppe „Neonazis“ noch zu den angeschlossenen Gruppierungen oder Sympathisanten. Seine Bezeichnung als „Neonazi“ sei eine Missachtung des publizistischen Mahners gegen die Judenverfolgung und für die Völkerverständigung und er habe sich in mehr als 2700 Artikeln dezidiert für die Menschenrechte eingesetzt, besonders für die Einhaltung der Bestimmungen des deutschen Grundgesetzes und in dutzenden Artikeln das Dritte Reich als mahnendes Beispiel eines totalitären Systems kritisiert. Er gelte international als bedeutender Kämpfer für die Rechte Israels. Er habe erstinstanzlich bereits auf seine Veröffentlichungen, mit denen er sich insbesondere und ebenso unstreitig gegen den radikalen Islam gerichtet habe, hingewiesen (Antragsschrift Seite 3).
24 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle die angegriffene Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Die Behauptung, eine Person sei ein Neonazi, könne bewiesen werden. Zu Recht weise das Landgericht darauf hin, dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch die Bundeszentrale für politische Bildung mit diesem Begriff Personen charakterisierten, die ein Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus abgäben und auf die Errichtung eines totalen Führerstaates nach dem Vorbild des Dritten Reiches ausgerichtet seien. Ausgangspunkt für die Begriffszuweisung „Neonazi“ sei in jedem Fall ein Bekenntnis zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus. Ob jemand ein Neonazi sei oder nicht, lasse sich jedenfalls nachprüfen. So habe das Bundesamt für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht 2007 4400 Personen als Neonazis eingestuft; aktuell weise der Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für 2014 5600 Personen als Neonazis aus (Seite 34).
25 
Die Sichtweise des Landgerichts, es gebe nicht „den Neonazi“, sondern innerhalb der Szene verschiedene Strömungen und es ließen sich nur allgemein gehaltene Grundsätze aufstellen, was grob unter einem Neonazi zu verstehen sei, stelle keine rechtliche Sichtweise dar, sondern eine politische, womit das Landgericht den inflationären Gebrauch des Begriffs „Neonazi“ als Schimpfwort zur Diffamierung eines politisch anders Denkenden unterstütze, was im Ergebnis zu einer Verharmlosung der Gräueltaten des Dritten Reiches führe und eine grobe Beleidigung der Opfer desselben darstelle. Er verweise in diesem Zusammenhang nochmals auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des BAG in der Entscheidung 2 AZ 584/04, wonach ein Vergleich mit den vom Nationalsozialismus begangenen Verbrechen eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer darstelle, auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 20.6.2011 (27 O 335/11), in der die Äußerung „russischer Nazi“ untersagt worden sei, des EGMR vom 8.11.2012 (4381/09), in der die Untersagung einer von einer Tierschutzorganisation geplanten Kampagne „Holocaust auf dem Teller“ als rechtmäßig erachtet worden sei, weil die Instrumentalisierung des Leidens der Holocaust-Überlebenden nicht mehr vom Schutzbereich der freien Meinungsäußerung gedeckt sei und die Entscheidung 1 BvR 2979/10 des Bundesverfassungsgerichts vom 17.9.2012 (GRUR 2013, 193), in der dieses festgestellt habe, dass durch die Attribute „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“ das allgemeine Persönlichkeitsrecht des damaligen Klägers berührt sei, weil mit ihm eine Prangerwirkung verbunden sei, die geeignet sei, das Ansehen einer Person der Öffentlichkeit herabzusetzen.
26 
Vorliegend sei anders als in diesen Entscheidungen nicht nur ein Vergleich angestrengt worden, sondern er als „bekannter Neonazi“ diffamiert worden und dem Leser sei damit die Schlussfolgerung aufgedrängt worden, er sei ein Anhänger des Nationalsozialismus. Hätte das Landgericht den Grundsatz, wonach die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung maßgeblich sei, auf den vorliegenden Fall richtig angewandt, wäre es zu dem Schluss gekommen, dass die Sinndeutung der Behauptung, jemand sei ein bekannter Neonazi nur so verstanden werden könne, als sei diese Person Bekenner der nationalsozialistischen Ideologie und / oder gehöre den entsprechenden Personenkreisen an.
27 
Zu Unrecht nehme das Landgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.1991 (1 BvR 127/91, NJW 1992, 2013) für seine Ansicht in Anspruch, der Begriff „Nazi“ könne bei den Lesern verschiedene Vorstellungen über Inhalt und Bedeutung aufkommen lassen. Auch die Entscheidung des EGMR vom 17.4.2014 (5709/09; NJW 2014, 3501) werde vom Landgericht falsch zitiert. Die Anforderungen an den Wahrheitsbeweis seien im Sinne des EGMR vorliegend nicht hoch. Er sei nicht ansatzweise als „bekannter Neonazi“ bekannt. Die Äußerung stehe in keinerlei Zusammenhang mit seiner Gesinnung bzw. seinen Handlungen. Das Landgericht lege selbst dar, dass die Beklagte in dem Artikel mit keinem Wort darauf eingehe, aus welchen Gründen er ein „bekannter Neonazi“ sein solle und was die Beklagte unter einem solchen verstehe. Die Begründung des Landgerichts, wegen der Weite des Bedeutungsgehalts und wegen des Fehlens einer näheren Eingrenzung handle es sich um eine Meinungsäußerung, verfange deshalb nicht. Es sei nicht ersichtlich und werde auch durch das Landgericht offen gelassen, woraus sich die Weite des Bedeutungsgehalts ergebe. In der beanstandeten Aussage „bekannter Neonazi“ sei kein wertendes Element enthalten, vielmehr schiebe sie ihm eine nationalsozialistische Gesinnung unter, die nicht ansatzweise gegeben und damit unwahr sei, so dass er einen Unterlassungsanspruch habe.
28 
Letztlich werde es jedoch nicht auf die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ankommen, da auch dann, wenn eine Meinungsäußerung vorläge, diese als Schmähkritik nicht von Art. 5 GG geschützt sei. Ehrverletzende Äußerungen, die evident nicht im Kontext sachlicher Auseinandersetzung stünden, sondern in erster Linie nur der Diffamierung einer Person dienten, seien als schon der Form nach herabwürdigend und schmähend grundsätzlich unzulässig, sodass das Grundrecht des Äußernden auf Meinungsfreiheit grundsätzlich zurücktrete, ohne dass es einer weiteren Abwägung der Rechte des Äußernden und des Betroffenen bedürfe.
29 
Vorliegend sei nicht ersichtlich, inwiefern es bei der inkriminierten Äußerung um eine Auseinandersetzung in der Sache gehen solle. Sie stehe in keinerlei Zusammenhang mit seinen Aktivitäten, allenfalls seiner Teilnahme an einer Pegida-Demonstration. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, woraus sich der vom Landgericht gesehene Sachbezug zu dem im Artikel angesprochenen Thema herleiten soll. Er werde als Teilnehmer an einer Demonstration diffamiert. Dies wiege umso schwerer, als die Beklagte einen Bezug zu teilnehmenden NPD-Mitgliedern herstellen wolle, der tatsächlich unstreitig wiederum nicht bestehe. Dies missachte sein Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise und erfülle den Straftatbestand der Beleidigung. Das Landgericht argumentiere aus einer politischen Motivation heraus an der Rechtslage vorbei. Es stelle Diffamierung seiner Person als legitimes Mittel dar, um politisch unliebsame Ansichten zu verhindern.
30 
Aber auch wenn man eine Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter vornähme, überwiege sein Persönlichkeitsrecht.
31 
Letztlich habe das Landgericht eine Abwägung der Rechtsgüter gerade nicht vorgenommen. Sein Persönlichkeitsrecht, insbesondere die Verletzung der Sozialsphäre in der Öffentlichkeitssphäre gerade im Hinblick auf seinen Beruf als Journalist sei vom Landgericht nicht ansatzweise aufgegriffen worden. Dagegen begründe das Landgericht die angegriffene Äußerung mit einem Informationsinteresse an den Pegida-Veranstaltungen. Das Landgericht spiele das Diffamieren und Beleidigen von politisch anders Denkenden als Schärfe und Überspitzung oder pointierte Darstellungen herunter und verkenne jegliche Grundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung und der vom Bundesverfassungsgesicht aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf die Schranken der Pressefreiheit in eklatanter Weise. Es nehme seine Kritik an der „politischen Kaste“, dem „Feind des Volkes“, „Kommunisten“, „ehemaligen IMs“, der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten zum Anlass, ihn zu stigmatisieren und ihm aufgrund seiner vorgenannten Kritik und Meinungsäußerungen jegliche Persönlichkeitsrechte abzusprechen. Er sei berechtigt, seine Kritik an der „politischen Kaste“ etc. auch zu „radikalen Moslems“ zu äußern und Verschwörungstheorien aufzustellen sowie zu verbreiten, Geschichten und Märchen zu erzählen, sofern er sich an die allgemeinen Gesetze halte. Hierzu sei er grundgesetzlich legitimiert, ohne befürchten zu müssen, hierfür an den Pranger gestellt und mit Gräueltaten des Dritten Reichs in Verbindung gebracht zu werden und als Bekenner zum Nationalsozialismus diffamiert zu werden, noch dazu, weil er sich unstreitig in seinen öffentlichen Schriften stets und nachhaltig von sämtlichen totalitären Regimen distanziert und nationalsozialistische Gesinnungen auf das Schärfste verurteilt habe.
32 
Das Landgericht verweise auf die rechtlich zutreffende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.10.1991 (1 BvR 1555/88, NJW 1992, 1439), wonach im Hinblick auf Äußerungen mit Mischcharakter die Offenbarung der tatsächlichen Bezugspunkte und gegebenenfalls der Nachweis der Richtigkeit der umstrittenen Äußerungen gegeben sein müsse. Als Tatsachengrundlage verweise es auf seine zulässigen Meinungsäußerungen im Hinblick auf beispielsweise die „Pläne der Linken, eine Verdrängung des deutschen Volkes als Auslöser für einen Bürgerkrieg“ mit Erinnerungen und Anknüpfungspunkten zur Ideologie des Dritten Reiches, obwohl das Landgericht an anderer Stelle erwähne, dass keine belastbaren Anhaltspunkte vorlägen, dass er tatsächlich den Aufbau eines Führerstaates oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge.
33 
Soweit das Landgericht sich auf die Anlage AG 2 beziehe, bleibe unerfindlich, woher das Gericht einen Pauschalverdacht gegen Moslems hernehme. Er habe allerdings vehement den radikalen Islam angegriffen. Bei den gerichtsbekannten terroristischen Anschlägen des Islams, auch in jüngster Zeit, eine Kritik hieran zur Rechtfertigung der beanstandeten Äußerung heranzuziehen, widerspreche eklatant der Rechtslage und dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denken Menschen.
34 
Seine vom Landgericht falsch zitierte Äußerung zur Durchmischung aller menschlichen Rassen ziele nicht auf eine Herstellung der Durchmischung aller menschlichen Rassen, sondern auf eine Darstellung. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang Assoziationen mit der Rassenlehre des Dritten Reiches herstelle, sei dies eine infame und schmutzige Unterstellung. Hätte das Landgericht die Passage nicht aus dem Kontext gerissen, hätte es festgestellt, dass sich das Zitat auf eine Zerschlagung aller menschlichen Rassen beziehe.
35 
Die Beklagte habe mit ihrer Bezeichnung einen rufmörderischen Flächenbrand ausgelöst, der zum Ziel habe, ihn öffentlich zu verunglimpfen und zu ächten bis hin zur medialen Existenzvernichtung. So werde er nun auch von weiteren Presseorganen wie den „E Nachrichten“ verunglimpft und mit erwiesenermaßen rechtsextremistischen Personen verglichen. Entsprechende Verhaltensweisen würden vom Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaats S als „Nazi-Outing“ bezeichnet. Die Vorgehensweise der Beklagten sei nationalsozialistische Pressearbeit, wie sie auch vom damaligen Propagandaministerium verfolgt worden sei. Die Beklagte verfolge damit verfassungsfeindliche Ziele.
36 
Soweit die Beklagte auf S. 4 der Berufungserwiderung (Bl. 116) im Zusammenhang mit der Anl. AG 3 die Schlagwörter „Kampf bis zur letzten Sekunde“ und „das deutsche Volk verdiene den Untergang wenn es diesen Kampf nicht besteht“ verwende, handle es sich um rein schmutzige Interpretationen der Beklagten und aus der Luft gegriffene Schlagwörter.
37 
Zu Unrecht suggeriere die Beklagte, die auf S. 7 f. der Berufungserwiderung (Bl. 118 f.) aufgeführten Zitate stammten von ihm. Er empfehle auch nicht die zitierten Passagen aus der Anl. AG 5.
38 
Der Kläger beantragt:
39 
Das am 11.06.2015 verkündete und am 03.07.2015 zugestellte Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 11 O 80/15, wird aufgehoben und die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, --, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 3 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten, unter Bezugnahme auf den Verfügungskläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, behaupten zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, der Verfügungskläger sei ein „bekannter Neonazi“.
40 
Die Beklagte beantragt:
41 
Zurückweisung der Berufung.
42 
Das Landgericht habe die Voraussetzungen des geltend gemachten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu Recht verneint. Die Berufungsbegründung führe zu keinem anderen Ergebnis, zumal sie eher politisch als rechtlich argumentiere.
43 
Die angegriffene Aussage „bekannter Neonazi“ sei eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Sie sei einer objektiven Klärung nicht zugänglich, weil der Begriff hier nicht zur Bezeichnung einer nach objektiven Kriterien bestimmbaren Tatsache verwendet worden sei.
44 
Der Begriff „Neonazi“ sei schillernd, es gebe keine allgemein anerkannten tatsächlichen Kriterien zu seiner Definition. Auch ihr Bericht vom 16.4.2015 enthalte eine solche Definition nicht, vielmehr werde der Begriff dort als zusammenfassende Wertung der politischen Ansichten des Klägers verwendet, über den es zudem heiße, er sei ein „rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser“, womit der Wertungscharakter unterstrichen werde, zugleich die Grundlagen dieser Bewertung angeführt würden.
45 
In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Bezeichnung als „Nazi“ oder „Neonazi“ keine Tatsachenbehauptung darstelle. So habe das OLG Jena (BeckRS 2009, 23868) die Bezeichnung „Nazi“ für eine schlagwortartige Verkürzung des Umstands gehalten, dass der Kläger mit der rechten Szene in Zusammenhang stehe.
46 
Der Begriff des „Neonazi“ sei noch viel stärker wertend als „Nazi“. Denn wenn es schon an klaren Definitionen für letzteres fehle, so enthalte der Begriff „Neonazi“ die schlagwortartige Bezeichnung, jemand sei einem „Nazi“ vergleichbar. Solche Vergleiche seien immer wertend und gäben die eigene Ansicht des jeweiligen Sprechers wieder, stellten aber keine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung dar.
47 
Im Übrigen liege eine Meinungsäußerung auch dann vor, wenn sie zwar mit Elementen einer Tatsachenbehauptung verbunden sei, der tatsächliche Aussagegehalt gegenüber der Wertung aber in den Hintergrund trete. Auch erfordere Art. 5 GG, dass bei Zweifeln zwischen der Einstufung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung von einer Meinungsäußerung auszugehen sei, wenn letztere nicht überzeugend ausgeschlossen werden könne. Auch danach liege hier keine Tatsachenbehauptung vor.
48 
Läge eine solche vor, müsste diese unwahr sein. Der Kläger habe aber hierzu nicht vorgetragen und Beweis angetreten; seine Behauptung, er gehöre unstreitig weder zu der Gruppe Neonazis noch zu den angeschlossenen Gruppierungen oder Sympathisanten, genüge für einen solchen substantiierten Sachvortrag nicht und sei im Übrigen auch nicht unstreitig.
49 
Soweit der Kläger auf die Definition des Begriffs „Neonazi“ im Verfassungsschutzbericht des Bundes verweise, den auch die Bundeszentrale für politische Bildung übernehme, werde dort ein Bekenntnis zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus keinesfalls als Ausgangspunkt für die Begriffszuweisung „Neonazi“ aufgeführt. Im Gegenteil stelle die Bundeszentrale fest, dass in Teilen der Szene dies als Abkehr von der reinen Lehre des wahren Nationalsozialismus angesehen werde.
50 
Gehe man von dieser vom Kläger selbst verwendeten Definition des „Neonazi“ aus, so wäre seine Bezeichnung als solche keine unwahre Tatsachenbehauptung, denn er sehe das deutsche Volk als höherwertig an und wolle es vor „rassisch minderwertigen“ Ausländern schützen, wie die auf YouTube abrufbare Rede des Klägers vom 24.2.2015 in K, die er selbst in seiner Anlage 4 (dort Seite 4) dokumentiert habe, zeige. Sie enthalte Aussagen über den „Krieg der Umvolkung“, die „rassische Zerstörung“ und die Bezeichnung von Muslimen als „Sekundärinfektion unserer Gesellschaft“. Weiter sei auf die Anlage AG 2 zu einem (angeblich von einer Frau stammenden) Beitrag im Blog des Klägers verwiesen, wo Ausländer als „Abschaum“ und „Dreck“ bezeichnet würden.
51 
In seinem Blog fänden sich zahlreiche weitere Veröffentlichungen, welche die streitige Bewertung des Klägers stützten. So habe er am 28.1.2015 einen Bericht „Migranten werden in Deutschland regieren“ veröffentlicht, wo er die angebliche Aussage des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland aufgreife, dieser habe gesagt, Migranten würden in 20 Jahren 75 % der Bevölkerung ausmachen, wozu der Kläger schreibe:
52 
„Dabei gibt es keinesfalls den Weg des blutigen Dschihads. Der Islam habe ein ganzes Arsenal entwickelt, zu seinem Ziel zu kommen. Massive Erzeugung eines islamischen Geburten-Überschusses und Übernahme durch massive Immigration. Der Islam kenne dafür auch längst Begriffe: Geburten-Dschihad und demografischer Dschihad. Ohne die Helfershelfer auf Seiten der zu übernehmenden Länder würde er jedoch nicht zu seinem Ziel gelangen......
53 
Wir Deutschen werden alles tun, dass das Ruder noch in letzter Sekunde herumgerissen wird. Weder werden wir es zulassen, dass wir zur Minderheit im eigenen Land werden noch dass wir von Invasoren, die sich als Migranten getarnt haben. Und wenn wir beides nicht verhindern können, dann hat das deutsche Volk seine Ausrottung gewollt und wird, wie andere ausgerottete Völker, aus dem Gedächtnis der Geschichte verschwinden.“ (Anlage AG 3, Bl. 123).
54 
Auch vor 70 Jahren habe die Devise gegolten, dass ein „anständiger Deutscher“ keine ausländische Frau heirate und es sei der Kampf „bis zur letzten Sekunde“ propagiert und verkündet worden, „das deutsche Volk“ verdiene den Untergang, wenn es diesen „Kampf nicht bestehe“.
55 
Der Kläger habe auch bereits am 24.7.2012 in seinem Blog einen Beitrag „Fjordman über Eurabia: Warum die Linken und nicht der Islam unser Hauptfeind sind“ veröffentlicht, der weiter abrufbar sei und vom Kläger mit einem begeisterten Vorwort eingeleitet worden sei. Der Bericht stelle das Buch „Eurabia - die geplante Vernichtung unseres Europas durch linke Hochverräter“ eines P J vor, eines norwegischen Bloggers, der unter dem Pseudonym „Fjordman“ seit 2003 islamfeindliche Artikel veröffentliche und in der rechten Szene eine Kultfigur sei.
56 
Zu diesem Buch habe der Kläger geschrieben, Fjordman sei „wohl der brillanteste europäische Islam-Kritiker“. „Geschichtsvergessenen linken Politikern“ gehe es bei der Einwanderung „um den Totalaustausch europäischer Bevölkerungen durch kulturfernste islamische Bevölkerungsgruppen“ und um die Zerstörung Europas, was ein „ethnisch-zivilisatorisches Vernichtungsprogramm“ sei. Der Kläger ermuntere seine Leser ausdrücklich dazu, sich die nötige Zeit für den gesamten Text des Buches zu nehmen, der brillant sei, und vor dem er sich verbeuge.
57 
Der vom Kläger dann im Anschluss veröffentlichte „brillante Text“, vor dem er sich verbeuge, enthalte u.a. folgende Stellen:
58 
- „Islam und alle die ihn praktizieren müssen vollständig und physisch aus der gesamten westlichen Welt entfernt werden“
59 
- „Moslems führen ganz klar die Liste der gewalttätigen feindseligen Personen an, die nicht in westliche Länder gehören“
60 
- „der Islam ist nur eine zweitrangige Infektion. Die Primärinfektion geht von den Linken aus.“
61 
- „Praktisch niemand fragt, ob somalische Moslems von Natur aus kulturell so verschieden von den Europäern sind und ja, abstammungsmäßig / genetisch gesprochen, vielleicht überhaupt nicht in westliche Ländern gehören“
62 
- „jede einzelne Regierung der EU begeht täglichen Verrat am kulturellen Erbe Europas“
63 
- „eine alternative Ansicht und offen gesagt, die einzige im Lichte der Menschheitsgeschichte und biologischer Realität sinnvolle, ist die, dass eine Nation aus einer Gruppe genetisch verwandter Menschen besteht“.
64 
Am Ende heiße es dann
65 
„Sollte es wirklich in Europa zu einem Bürgerkrieg kommen, was zu befürchten ist, wird dies unweigerlich dazu führen, dass man die Sozialisten Europas, die uns diesen ganzen Multi-Kulti-Wahnsinn eingebrockt haben, an der nächsten Laterne aufhängt, sobald man sie zu fassen bekommt. A B wird man dann als Helden feiern, weil er diese Entwicklung bereits vorausgesehen und davor gewarnt hat. Was sind schon 69 Jungsozialisten, die B erschossen hat, gegen Millionen von Toten, die in einem europäischen Bürgerkrieg ihr Leben lassen müssen ?“.
66 
Der Kläger habe danach in seinem Blog noch mehrfach Fjordman-Texte ähnlichen Kalibers veröffentlicht.
67 
Angesichts derartiger menschenverachtender Texte des Klägers im NS-Vokabular wäre seine Einstufung als „Neonazi“ eine zutreffende Tatsachenbehauptung.
68 
Der Begriff „Neonazi“ stelle in der konkreten Verwendung keine Schmähkritik dar wie das Landgericht zutreffend gesehen habe. Die gegenteilige Ansicht des Klägers übersehe die gefestigte Definition des Begriffs „Schmähkritik“. Sie liege nur vor, wenn auch aus Sicht des Kritikers keine Grundlage für die Wertung vorhanden sei, sondern es dem Kritiker nur um die Diffamierung des Betroffenen gehe und dadurch jedes sachliche Anliegen des Kritikers völlig verdrängt werde. Dies sei hier nicht der Fall. Die streitige Bewertung knüpfe an die Beschreibung des Klägers als „rechtsradikaler Blogger und Islamhasser“ an. Diese Wertung werde, worauf das Landgericht zutreffend hinweise, im Rahmen eines Berichts über die Unterwanderung von Pegida-Demonstrationen durch Rechtsradikale vorgenommen; der Kläger werde als eines von mehreren Beispielen dieser Unterwanderungsmethode erwähnt. Damit liege eine ausreichende sachliche Grundlage für die streitige Bewertung vor.
69 
Die angegriffene Äußerung weise auch die erforderliche Sachnähe auf, um unter den Schutz des Art. 5 GG zu fallen, wie das Landgericht ausführlich und zutreffend dargelegt habe. Dabei gelte grundsätzlich, dass auch scharfe und übersteigerte Äußerungen in den Schutzbereich des Art. 5 GG fielen, insbesondere bei einem „geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ seien polemische und unsachliche, zugespitzte Formulierungen zulässig.
70 
Der Bericht vom 16.4.2015 beschäftige sich mit den damals aktuellen Pegida-Demonstrationen, speziell in K, an denen der Kläger teilgenommen habe. Er schildere die bisherigen Demonstrationen in K und deren mögliche Auswirkungen, wozu der K Oberbürgermeister zitiert und dargestellt werde, wer diese Demonstrationen organisiere und wer sich an ihnen beteilige. In diesem Zusammenhang stehe auch die angegriffene Äußerung, die mithin eine ausreichende Sachnähe aufweise. Es gehe nicht um eine anlasslose Herabsetzung des Klägers, sondern um die Bewertung seiner unstreitigen Teilnahme an den Pegida-Demonstrationen in K.
71 
Bei der Bewertung der Sachnähe sei nicht nur das Verhalten des Klägers bei seiner Teilnahme an diesen Demonstrationen und als dortiger Redner zu berücksichtigen. Wer selbst in der Öffentlichkeit mit provokanten Äußerungen auffalle und Kontroversen bewusst suche, müsse entsprechende Bewertungen seines Verhaltens hinnehmen. In der Berufungsbegründung räumt der Kläger selbst ein, dass er „Kritik an der politischen Kaste, den Linken, der Kanzlerin, dem Bundespräsidenten, den Kommunisten und Sozialisten, Radikalen und Moslems usw.“ äußere und „Verschwörungstheorien aufstelle“. So sei es in der Tat.
72 
Aktuell sei der Kläger am 30.6.2015 als Redner einer öffentlichen Veranstaltung der Aktion „Widerstand K“ in K aufgetreten. Als er dort unter den Zuhörern den Grünen-Kommunalpolitiker R entdeckt habe, habe er diesem öffentlich zugerufen:
73 
„Ich habe ausführlich dargelegt, dass Deutschland mit Hilfe unserer Parteien und wir haben hier einen prominenten Vertreter, einen der Grünen, Herrn R.... direkt mitten unter uns. Ich habe belegt, dass diese Feinde Deutschlands, die neuen Faschisten, die Nachfolger von Hitler, die Erfüller des hitlerischen Nero-Befehl, Deutschland dem Untergang weihen..... Ich sage Ihnen, Herr R, der einzige Ort, wo Sie richtig hingehören, ist ein deutsches Gefängnis. Ja !“
74 
Wer seine Gegner so tituliere, müsse hinnehmen, dass er selbst auch als „neuer Faschist“, als „Neonazi“, bezeichnet werde.
75 
Vorsorglich werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger kein Verbot von „sinngemäßen“ Bezeichnungen fordern könne, da ein solches Verbot nicht ausreichend konkret bestimmt wäre.
76 
Soweit der Kläger auf einen Bericht im Online-Auftritt der „Erlanger Nachrichten“ Bezug nehme, wo er ebenfalls als Neonazi bezeichnet werde, habe die Beklagte mit dieser Veröffentlichung nichts zu tun.
4.
77 
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands nach §§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
78 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
79 
Zutreffend hat das Landgericht in der angegriffenen Bezeichnung des Klägers als „bekannten Neonazi“ in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel eine zulässige, keine Schmähkritik darstellende und in Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht und der Ehre des Klägers von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung gesehen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung. Weder bestehen Zweifel an den maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, noch beruht das Urteil auf Rechtsfehlern im Sinne von § 513 Abs. 1 ZPO.
80 
Im Einzelnen:
A.
81 
Der Verfügungsantrag ist allerdings entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht zulässig.
1.
82 
Er ist nicht wie die Beklagte meint aufgrund der in ihm enthaltenen Wendung „wörtlich oder sinngemäß“ zu unbestimmt.
83 
Zwar ist ein Klagantrag dann unbestimmt, wenn er so undeutlich gefasst ist, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen ist, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was verboten sein soll (BGH GRUR 2002, 86, 88 - Laubhefter, st. Rspr.). Derartiges wird jedoch durch die Formulierung „oder sinngemäß“ i. d. R. nicht bewirkt, weil diese weitverbreitete Formulierung gewöhnlich nur erreichen - besser: klarstellen - will, dass das Verbot auch kerngleiche Äußerungen erfassen soll, also verhindern will, dass die angegriffene Äußerung anders formuliert, aber im Kern identisch, erneut aufgestellt oder verbreitet wird, ohne die Vollstreckungswirkung des Unterlassungsausspruchs auszulösen (BGH GRUR 1977, 114, 115 - VUS; ferner Köhler/Bornkamm, UWG 33. Aufl., § 12 Rn. 2.37; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rn. 151). Anders wäre dann zu entscheiden, wenn die beanstandete Behauptung wörtlich gar nicht aufgestellt worden wäre, sondern nur behauptet würde, es wäre ein solcher Eindruck hervorgerufen worden (OLG Koblenz, GRUR 1988, 142, 143 - radio 4) oder der Kläger dieser Formulierung einen weitergehenden Inhalt beimessen will, wofür aber nichts ersichtlich oder vorgetragen ist.
2.
84 
Auch ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) ist gegeben.
a)
85 
Beim Verfügungsgrund handelt es sich nach ganz h. M. um eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses für das Eilverfahren, mithin eine Prozessvoraussetzung und nicht um ein Element der materiellen Begründetheit; ob er vorliegt, ist mithin von Amts wegen zu prüfen (Ahrens-Singer, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 45 Rn. 1 und Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 54, Rn. 15, jew. mit zahlr. Nachw. aus der obergerichtl. Rspr.; speziell zum Äußerungsrecht: Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Kap. 12 Rn. 144).
b)
86 
Die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird im Äußerungsrecht regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerungen zu rechnen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa Wenzel/Burkhardt, ebenda), was bei Medien ohne weiteres angenommen werden kann (Prinz/Peters, Medienrecht, Fn. 243 zu Rn. 361). In der Praxis des Äußerungs- und Presserechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne weiteres bejaht (vgl. etwa die Ausführungen bei Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 325; Korte, Praxis des Presserechts, § 5 Rn. 108 m.w.N. in Fn. 142; als Bsp. OLG Hamburg NJW-RR 2008, 1435 f.). Die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch zu langes Zuwarten ist als allgemein anerkannter Grundsatz des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilprozessrecht anzusehen (KG NJW-RR 2001, 1201, 1202; MüKoZPO-Drescher, 4. Aufl., § 935 Rnrn. 18 ff.). Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel bei einem Zuwarten von mehr als 8 Wochen bzw. 2 Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung anzunehmen (OLGR 2009, 633, 634 und NZBau 2010, 639, 640, jeweils zum Urheberrecht).
87 
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Dringlichkeit zu bejahen und ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten zu verneinen: Die Veröffentlichung ist am 16.04.2015 erfolgt. Der Kläger hat bereits sechs Tage später mit dem als Anl. A 3 (Bl. 11) vorgelegten Schreiben die Beklagte abgemahnt und hat nach Zurückweisung der Abmahnung durch die Beklagte mit Schreiben vom 24.04.2014 (Anl. A 4, Bl. 14) bereits am 27.04.2014 und damit nicht einmal zwei Wochen nach der Veröffentlichung seinen Verfügungsantrag beim Landgericht eingereicht.
B.
88 
Der Verfügungsantrag ist jedoch mangels Verfügungsanspruchs unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB zusteht, denn das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) wurde nicht rechtswidrig verletzt. Ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB scheidet schon deshalb aus, weil die angegriffene Äußerung im konkreten Kontext keine Tatsachenbehauptung darstellte. Dem Kläger steht auch kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB zu, weil die angegriffene Äußerung im konkreten Fall von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und daher keine rechtswidrige strafbare Beleidigung des Klägers darstellt.
1.
89 
Wie das Landgericht auf LGU S. 9 f. unter 2.b) der Entscheidungsgründe zu Recht ausgeführt hat, stellt die Bezeichnung als „Neonazi“ regelmäßig einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person dar, da sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch erheblich beeinträchtigt wird. Sie ist geeignet, den Betroffenen in ein negatives Licht zu rücken und sich abträglich auf sein Ansehen sowohl im privaten als auch beruflichen Bereich auszuwirken. Die Bezeichnung als „(Neo-)Nazi“ kann angesichts des historischen Bedeutungsgehalts einer solchen Qualifizierung nur negativ und diskreditierend verstanden werden (OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1050, 1051; vgl. auch OLG Köln AfP 1993, 755 unter A. II. zur Bezeichnung als „Neofaschist“).
2.
90 
Liegt eine Beeinträchtigung des bzw. ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, führt dies aber nicht ohne weiteres zur Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs mit der Folge eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (entsprechend) i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, da wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechtes seine Reichweite nicht absolut feststeht, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist aufgrund dessen nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 28; BGH GRUR 2012, 850 Tz. 35 - www.rainbow.at II; BGH GRUR 2013, 94 Tz. 10 - Gazprom-Manager; BGH GRUR 2013, 312 Tz. 11 - IM-Christoph; jew. m.w.N.). Insoweit ist die Rechtslage anders als bei der Verletzung absoluter Rechte wie bspw. des Urheberrechts, bei denen der Eingriff in das Recht die Rechtswidrigkeit regelmäßig indiziert (BGH GRUR 2012, 850 Tz. 35 a. E.).
91 
Ob dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist mithin aufgrund einer Abwägung der Interessen des Klägers - also hier seines Rechtes auf Schutz seiner Persönlichkeit und seiner Ehre aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 EMRK - einerseits und dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 EMRK) andererseits zu entscheiden.
92 
Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist hingegen nicht berührt. Dies wäre der Fall, wenn es etwa um die institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen eines Presseerzeugnisses oder um die Institution der freien Presse ginge (BVerfG NJW 1992, 1439, 1440), während für die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt ist oder nicht, insbesondere, ob ein Dritter eine für ihn nachteilige Äußerung hinzunehmen hat, ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig ist (BVerfG, ebenda, und NJW 2004, 277, 278).
93 
Zutreffend hat das Landgericht angenommen (LGU S. 8 unten / 9 oben unter 3.a) der Entscheidungsgründe), dass diese Abwägung zugunsten der Beklagten ausfällt.
a)
94 
Für diesen Abwägungsvorgang sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Kriterien als Leitlinien entwickelt und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernommen worden:
aa)
95 
Danach hängt bei Tatsachenbehauptungen die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen maßgeblich vom Wahrheitsgehalt ab; wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind - jedenfalls, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffen (BVerfG NJW 2003, 1109, 1110) -, unwahre dagegen nicht (siehe nur BVerfG NJW 2012, 1643 Tz. 33). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG stehen - abgesehen von solchen Tatsachenbehauptungen, die von vornherein Dritten nicht zur Meinungsbildung dienen können (BGH NJW-RR 2008, 913 Tz. 12 m.w.N.) - aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht, denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die als unwahr anzusehen sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse (BGH NJW 2008, 2262 Tz. 34 f. m.w.N.); alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH GRUR 2013, 312 Tz. 12 m.w.N. - IM Christoph).
96 
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (LGU S. 10 unter 1.a) der Entscheidungsgründe), hängt die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung davon ab, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BVerfG NJW 2008, 358, 359, NJW 2012, 1643 Tz. 33 und GRUR 2013, 193 Tz. 25; BGH NJW 1997, 1148, 1149, jew. m.w.N.; st. Rspr.). Enthält eine Äußerung sowohl Aussagen in tatsächlicher Hinsicht als auch eine subjektive Wertung, ist sie als Werturteil zu behandeln, wenn sie in nicht trennbarer Weise sowohl tatsächliche als auch wertende Bestandteile aufweist und sie durch die Elemente der Stellungnahme des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist (BVerfG NJW 1992, 1439, 1440; BGH NJW 2007, 686 Tz. 15), wobei die Richtigkeit oder Unwahrheit der tatsächlichen Bestandteile im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist (BVerfG NJW 2007, 2686, 2687, NJW 2008, 358, 359 m.w.N. und NJW 2012, 1643 Tz. 34; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 14 u. 22; für die EMRK etwa EGMR NJW 2014, 3501 Rn. 46). Die Offenbarung der tatsächlichen Bezugspunkte für eine Meinung ist dabei nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Äußerung (BVerfG NJW 1976, 1680, 1681; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 20 Tz. 4 und 9b).
97 
Enthält die Meinungsäußerung erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit zurücktreten (BVerfG NJW 1992, 1439, 1441).
98 
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es der Ermittlung des vollständigen, objektiven Aussagegehalts (BGH NJW 2006, 601 Tz. 14), wobei jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist; sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NJW 2009, 1872 Tz. 11 und NJW 2009, 3580 Tz. 11). Maßgeblich ist dabei der objektive Sinn der Äußerung, wie er sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums ergibt (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 31 und NJW 2012, 1643 Tz. 42), wobei der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die Begleitumstände, soweit diese für den Leser erkennbar sind, maßgebend sind (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 31; BGH NJW 2006, 601 Tz. 14). Insoweit handelt es sich nur um einen besonderen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, dass eine in einer Presseveröffentlichung enthaltene Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist und nicht aus dem betreffenden Kontext herausgelöst werden darf (aus neuerer Zeit etwa BGH NJW 2014, 3154 Tz. 13 m.w.N.).
bb)
99 
Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage und nicht um die bloße Verfolgung privater Interessen, so spricht eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 7, 198, 212; BVerfG NJW 1992, 1439, 1440, NJW 1991, 95, 96 und NJW 1999, 2358, 2359), d. h., je weniger es sich um eine Äußerung im privaten Bereich zur Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, tritt der Schutz des betroffenen Rechtsguts - hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Ehre des Klägers - umso mehr zurück (BVerfG NJW 2009, 3106 Tz. 28). Diese Vermutung gilt allerdings für Tatsachenbehauptungen und bei Meinungsäußerungen, die tatsächliche Elemente enthalten, nur eingeschränkt (BVerfG NJW 1992, 1439, 1441).
cc)
100 
Im Übrigen gilt für die Abwägung bei Werturteilen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten hat, wenn sich die Äußerung als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellt (BVerfG NJW 2008, 358, 359 und NJW 2009, 3016 Tz. 28; BGH NJW 2003, 1308, 1310, jew. m.w.N.), wobei der Begriff „Schmähkritik“ eng zu definieren ist (BVerfG AfP 2013, 389 Rn. 21 in Juris; BVerfG NJW 2013, 3021 Tz. 15). An ihr Vorliegen sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (BVerfG NJW 1992, 2815, 2816; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 18 m.w.N.). Deshalb kann eine Schmähkritik selbst bei einer überzogenen, polemischen oder gar ausfälligen Kritik noch nicht angenommen werden, vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; die Äußerung muss also jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen, das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung völlig in den Hintergrund gedrängt werden (BVerfG AfP 2013, 389 Rn. 21 in Juris; BGH, ebenda, und NJW 2007, 686 Tz. 18, jeweils m.w.N.). Eine Meinungsäußerung wird infolgedessen nicht allein wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 35). Auch bei der Frage, ob eine Schmähkritik vorliegt, sind Anlass und Kontext der Äußerung zu berücksichtigen (BVerfG, ebenda und BVerfG NJW 2009, 749 Tz. 16, auch zu Ausnahmen).
dd)
101 
Liegt keine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vor, ist über die Frage der Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch Interessenabwägung zu entscheiden (BVerfG NJW 2013, 3021 Tz. 18 und NJW 2008, 358, 359; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 22). Dabei kann das Fehlen jeglicher tatsächlicher Bezugspunkte, auf die sich die Meinung stützen könnte, ein Indiz dafür darstellen, dass die Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt ist (BVerfG NJW 2012, 1643 Tz. 41 f. und NJW 2004, 277, 278; Soehring/Hoene, a.a.O., § 20 Rn. 9b).
102 
Bei dieser Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob sich der Betroffene selbst aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen hat (BVerfG NJW 1983, 1415, 1416 f. und NJW 1999, 2358, 2359; BGH NJW 2007, 686 Tz. 18). Derjenige, der sich mit Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 35 m.w.N.).
103 
Ferner ist bei Würdigung der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen, in welcher Sphäre - Intim-, Geheim-, Privat- oder nur Sozialsphäre - der Kläger betroffen ist (BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 35; BGHZ 181, 328 = NJW 2009, 3288 Tz. 30 ff.).
b)
104 
In Anwendung dieser Grundsätze auf die beanstandete Äußerung zeigt sich, dass der Eingriff in Ehre und Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtmäßig war, weil die Abwägung ergibt, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers hinter die Meinungsäußerungsfreiheit zurückzutreten hat.
aa)
105 
Zutreffend hat das Landgericht auf LGU S. 6 unten/7 oben unter I. 1. b) der Entscheidungsgründe angenommen, dass es sich bei der Bezeichnung des Beklagten als „bekannter Neonazi“ in der angegriffenen Veröffentlichung vom 16.04.2015 um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelte. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.
(1)
106 
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19.12.1991 (1 BvR 327/91; NJW 1992, 2013) zutreffend ausgeführt hat, lässt der Begriff „Nazi“ bei isolierter Betrachtungsweise schon wegen der Weite seines Bedeutungsgehaltes verschiedenste Verwendungsweisen zu, die von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichen (a.a.O., 2014). Der Aussagegehalt der Bezeichnung einer Person als „Nazi“ ist infolgedessen abhängig von dem jeweiligen Gebrauch, insbesondere vom Gesamtzusammenhang des Textes, in dessen Rahmen er verwendet wird (BVerfG, ebenda; Soehring/Hoene, a.a.O., § 20 Tz. 12). Nichts anderes gilt für den davon abgeleiteten Begriff „Neonazi“ (EGMR NJW 2014, 3501 Rn. 45) und den Begriff „Neofaschist“ (EGMR, ebenda, unter Hinweis auf ein Urteil vom 14.12.2000, 29372/02 Nr. 40; OLG Köln AfP 1993, 755).
107 
Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang angenommen, dass die (verfassungs- und obergerichtliche) Rechtsprechung die Bezeichnung einer Person als „(Neo-)Nazi“ in der Regel als Meinungsäußerung einordnet (neben den vorgenannten Entscheidungen etwa OLG Jena, BeckRS 2009, 23868 und OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1050, 1051; ferner OLG Hamburg NJW 1992, 2035 zur Bezeichnung „Nazi-Sekte“ und BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 27 zur Bezeichnung einer Person als „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“), weil dieser Begriff eindeutig Elemente eines Werturteils enthält (so zutreffend EGMR, ebenda), denn er stellt gewöhnlich eine schlagwortartige Qualifizierung einer politischen Einstellung oder Geisteshaltung einer Person dar (so auch Soehring/Hoene, a.a.O., § 14 Tz. 16 für die Bezeichnung als „Neofaschist“, „rechtsradikal“ oder „linksradikal“). Die (plakative) Bewertung tatsächlicher Vorgänge oder Umstände stellt aber ein Werturteil und mithin eine Meinungsäußerung dar (BVerfG NJW 2003, 961, 962; OLG Hamburg NJW 1992, 2035). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass sich je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls aus dem Kontext ergibt, dass mit der Bezeichnung einer Person als „(Neo-)Nazi“ eine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsache behauptet wird, etwa dann, wenn eine - gegebenenfalls frühere - Parteizugehörigkeit behauptet wird (Soehring/Hoene, ebenda, und § 14 Tz. 16).
108 
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine solche Qualifizierung (also die Äußerung einer derartigen Meinung) mangels tatsächlicher Bezugspunkte, also des Fehlens jeglicher tatsächlicher Grundlage in der Abwägung von Meinungsfreiheit mit Ehre und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, unzulässig ist.
(2)
109 
So, wie in der Veröffentlichung vom 16.04.2015 der Begriff „bekannter Neonazi“ zur Bezeichnung des Klägers verwendet worden ist, stellt er eine plakative Qualifizierung bzw. Charakterisierung der politischen Gesinnung/Haltung des Klägers und mithin eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung dar.
110 
Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass in dem Artikel nicht näher darauf eingegangen wird, was unter einem „Neonazi“ zu verstehen sei und die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ im konkreten Fall wegen der Weite ihres Bedeutungsgehalts und des Fehlens einer näheren Eingrenzung aus Sicht des Durchschnittslesers keine dem Beweis zugängliche Aussage enthält. Diese Einstufung entspricht gängiger Rechtsprechung, die bei substanzarmen Bezeichnungen einen etwaigen Tatsachenkern hinter der im Vordergrund stehenden Bewertung und damit Meinungsäußerung zurücktreten lässt (etwa OLG Hamburg, ebenda, vgl. auch Soehring/Hoene, a.a.O., § 14 Tz. 18 i. V. m. Tz. 6 f.).
111 
In dem Artikel, der den Kontext der beanstandeten Äußerung darstellt, wird gerade nicht die Zugehörigkeit des Klägers zu einer (neo-)nazistischen Organisation / Partei behauptet, was nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Tatsachenbehauptung darstellte. Soweit der Kläger demgegenüber offenbar meint, die Behauptung, jemand sei ein „Neonazi“, sei generell überprüfbar und dem Beweis zugänglich, trifft dies in dieser Allgemeinheit gerade nicht zu. Soweit er in diesem Zusammenhang auf die Definition des Begriffs „Neonazi“ (und „Neonazismus“) in Veröffentlichungen der „Bundeszentrale für politische Bildung“ und auf die im Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz als Neonazis und neonazistisch bezeichneten Personen und Gruppierungen verweist, denen er nicht angehöre oder mit denen er nicht sympathisiere, ist dies unbehelflich. Der Kläger verkennt das oben dargestellte Gebot, dass eine Äußerung im Kontext aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Begleitumstände auszulegen ist. In dem Artikel vom 16.04.2015 wird aber weder auf die Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung und das darin zum Ausdruck kommende Verständnis des Begriffs „Neonazi“ bzw. „Neonazismus“ Bezug genommen noch auf die Zuordnung von Personen zu neonazistischen Gruppierungen in den Verfassungsschutzberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wäre in dem Artikel etwa über die Ausführungen im Verfassungsschutzbericht zu den dort als Neonazis bzw. der neonazistischen Szene zugeordneten Gruppierungen berichtet worden und der Kläger dann als „bekannter Neonazi“ bezeichnet worden, hätte darin wohl die (Tatsachen-)Behauptung gelegen, der Kläger gehöre zu diesem Personenkreis bzw. gehöre einer solchen Gruppierung an. Derartiges wird in dem Artikel aber weder ausdrücklich noch stillschweigend behauptet; insbesondere wird über den Kläger (anders als in Bezug auf weitere Personen) auch nicht wie dieser meint geäußert, er sei etwa Mitglied oder Anhänger der NPD. Vielmehr knüpft die Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ an die Beschreibung des Klägers als „rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser“ an, verbindet ihn im Kontext des Absatzes, in dem sie erfolgt, mit der „rechtsextremen Szene“, und bewertet diese Umstände. Insoweit ähnelt der vorliegende Fall dem Sachverhalt, den das OLG Jena in seiner Entscheidung vom 27.08.2009 (1 U 635/08, BeckRS 2009, 23868) zu beurteilen hatte und in dem die Bezeichnung als „Nazi“ nach dem Gesamtzusammenhang (nur) eine schlagwortartige Verkürzung für den Umstand darstellte, dass der damalige Kläger mit der rechten Szene in Zusammenhang stand.
112 
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger nicht nur als „Neonazi“, sondern als „bekannter Neonazi“ qualifiziert wurde. Die Hinzufügung des Adjektivs „bekannt“ verleiht der Bewertung der politischen Haltung/Einstellung des Klägers als „Neonazi“ im Kontext einen weiteren Aussagegehalt nur insoweit, als damit mitgeteilt wird, der Kläger und seine politische Gesinnung/Haltung seien bekannt. Sie ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Einordnung dieser Haltung/Gesinnung als „Neonazi“ eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung darstellt.
bb)
113 
Die mithin als Meinungsäußerung einzustufende Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ erweist sich trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Beeinträchtigung seiner Ehre als zulässig, weil von der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz gedeckt.
(1)
114 
Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass diese Bezeichnung des Klägers in dem angegriffenen Artikel keine „Schmähkritik“ im Sinne der verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellt, die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz nicht mehr gedeckt wäre.
115 
Mit dem Landgericht und entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung kann nicht festgestellt werden, dass bei der angegriffenen Äußerung, wie für die Annahme einer Schmähkritik erforderlich (siehe oben a) cc)), nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Klägers als Person im Vordergrund stand. Die Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ stellt im konkreten Fall im gegebenen Kontext keine bloße persönliche Herabsetzung dar, bei der das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung völlig in den Hintergrund gedrängt würde. Vielmehr stellt sie eine Bewertung der politischen Haltung und Gesinnung des Klägers vor dem Hintergrund seiner politischen Aktivitäten (Betreiben eines politischen Blogs und Auftreten bei öffentlichen Veranstaltungen wie den Pegida-Demonstrationen in K) dar, ohne dass dabei die persönliche Diffamierung des Klägers im Vordergrund stünde. Die Äußerung in dem Artikel erfolgte anlässlich und im Zusammenhang mit einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung, nämlich mit den Pegida-Demonstrationen und der Teilnahme und dem Auftreten des Klägers bei diesen. Sie steht ferner im Bezug zu der im gleichen Satz erwähnten (unstreitigen) Tätigkeit des Klägers als „Blogger“ und weist auch insoweit Sachbezug auf. Sie knüpft also an Verhalten des Klägers und der darin zum Ausdruck kommenden Haltung/Gesinnung des Klägers an und bewertet diese. Es geht mithin nicht um eine anlasslose Herabsetzung des Klägers.
116 
Hält man sich vor Augen, dass die Rechtsprechung die Bezeichnung eines fraglos demokratischen, wenn auch umstrittenen Politikers wie Franz Josef Strauß als „Zwangsdemokrat“ (BVerfG NJW 1991, 95) und die einer fraglos demokratischen Partei wie der CSU als „NPD von Europa“ (BVerfG NJW 1983, 1415) nicht als Schmähkritik angesehen hat, folgt vorliegend die Verneinung einer solchen auch einer in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu erkennenden Tendenz.
(2)
117 
Zu Recht hat aufgrund dessen das Landgericht über die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerung aufgrund einer Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. der Beeinträchtigung der Ehre des Klägers einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits entschieden (LGU S. 8 ff. unter I. 3. der Entscheidungsgründe). Zutreffend ist es dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass im konkreten Fall die Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht (und der Ehre) des Klägers überwiegt (LGU S. 10 unter I. 3. c) der Entscheidungsgründe). Die vom Landgericht vorgenommene Abwägung auf LGU S. 10 ff. ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden, vielmehr überzeugend; die hiergegen geführten Angriffe der Berufung sind in der Sache nicht berechtigt:
(a)
118 
Wie die Ausführungen des Landgerichts auf LGU S. 9 f. unter I. 3. b) der Entscheidungsgründe zeigen, hat das Landgericht nicht verkannt, dass die Bezeichnung einer Person als „Neonazi“ auch aus historischen Gründen einen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt. Zu Recht hat es aber bei der Gewichtung dieses Eingriffs auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht in seiner Privat- oder Geheimsphäre oder gar seiner Intimsphäre betroffen ist, vielmehr die Äußerung seine Sozialsphäre betrifft, denn sie hat das durch sein Auftreten bei Veranstaltungen und durch seinen Blog nach außen hervortretende Verhalten des Klägers und die darin zum Ausdruck kommende politische Haltung/Gesinnung zum Gegenstand.
(b)
119 
Nach den oben unter a) bb) dargestellten Grundsätzen hat das Landgericht bei der Bewertung des Gewichts, das vorliegend der Meinungsfreiheit zukommt, zu Recht berücksichtigt, dass es sich bei dem Artikel der Beklagten um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelte. Die Pegida-Bewegung stellte als solche ebenso wie die Frage, ob diese zunehmend von rechtsradikalen/rechtsextremen Personen unterwandert und instrumentalisiert wird, aufgrund des Informationsinteresses der Öffentlichkeit fraglos eine diese wesentlich berührende Frage in diesem Sinne dar. Dies gilt aber auch für die Frage, welche politische Haltung/Gesinnung auf Pegida-Demonstrationen auftretende Personen wie der Kläger haben.
120 
Im Übrigen rügt die Berufung in diesem Zusammenhang zu Unrecht, das angefochtene Urteil befasse sich nicht, wie auf LGU S. 10 unten unter I. 3. c) aa) (2) der Entscheidungsgründe angekündigt näher mit der Rede des Klägers bei der sog. „Wügida“-Kundgebung in W; vielmehr erfolgt dies auf LGU S. 11 unter I. 3. c) bb)), auf LGU S. 10 unten ist insoweit lediglich der in Bezug genommene Gliederungspunkt irrig angegeben (als I. 3. d), der in der Tat nicht existiert).
(c)
121 
Angesichts der oben unter a) dd) dargestellten Grundsätze hat das Landgericht auf LGU S. 11 ff. unter bb) zu Recht berücksichtigt, dass und in welcher Form der Kläger selbst am politischen Meinungskampf als „Blogger“ und durch seinen Auftritt bei öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt.
(aa)
122 
Der Kläger räumt in der Berufungsbegründung selbst ein, dabei für sich „das Recht einer aggressiven Sprache“ in Anspruch zu nehmen (Berufungsbegründung S. 10, Bl. 92).
(bb)
123 
Darüber hinaus ist aber nicht nur die Form, sondern auch der Inhalt der öffentlichen Äußerungen des Klägers „radikal“ und geeignet, entsprechend scharfe Reaktionen und Bewertungen hervorzurufen, wie die von ihm selbst und von der Beklagten unwidersprochen vorgetragenen Äußerungen des Klägers in der Öffentlichkeit (sei es in seinem Blog oder auf Veranstaltungen) ohne weiteres belegen.
124 
So hat der Kläger unstreitig am 05.01.2015 bei einer „Wügida“-Demonstration geäußert:
125 
„Wir werden von einer politisch-kriminellen Kaste regiert. Die Medien haben sich mit der politischen Kaste gegen ihr eigenes Volk verschworen, sie sind die Feinde des Volkes und haben ihr Volk zu ihren Feinden erklärt. Das ist keine Demokratie mehr, in der wir heute leben ... Wir werden von Kommunisten regiert, einer ehemaligen IM, einer bestens ausgebildeten Stasi-Organisatorin, heute als Bundeskanzlerin und einem Gauck, der sein eigenes Volk verachtet und Lügen über uns erzählt ...“.
126 
Unstreitig hat der Kläger bei einer weiteren Rede in K am 24.02.2015 geäußert, linke Medien und Politiker planten einen Genozid, einen Völkermord, „rassische Zerstörung“; diese betrieben einen Völkermord an einer der stolzesten Nationen der Welt (gemeint: die deutsche), und weiter: „Wir werden den inneren Krieg der Umvolkung nicht überleben, wenn wir nicht in den Widerstand gehen“, „Die wollen uns unser Herz herausreißen, und durch ein islamisches internationales Asylantenkonglomerat ersetzen“, „Die Muslime sind nur die Sekundär-Infektion unserer Gesellschaft, Primär-Infektion sind diejenigen, die sie hereinholen, in Massen“.
127 
Schließlich hat er sich unstreitig in seinem Blog im Anschluss an einen von ihm veröffentlichten Leserbrief wie folgt geäußert:
128 
„Ziel der Linken ist die Schaffung eines 'neuen Europäers‘ ohne erkennbare Rasse.
129 
In Geheimsitzungen in L und anderswo planen Linke die Umsetzung des Plans zu einem 'neuen Menschen‘, einem Europäer, der weder schwarz ist und schon gar nicht weiß sein darf, sondern am Ende eine ethisch (offenbar gemeint: ethnisch) nicht mehr auseinanderdividierbare Durchmischung aller menschlichen Rassen darstellt.
130 
Die Agenda lautet: Zerschlagung aller Rassen, besonders der weißen Rasse: So wollen europäische Sozialisten das Rassismus-Problem lösen und offenbaren dabei einen viel schlimmeren Rassismus als den, den sie angeblichen Rassisten vorwerfen.
(...)
131 
Die Massenaufnahme von Millionen zumeist aus rein wirtschaftlichen Gründen herkommenden 'Asylbewerbern‘ löst weder die Probleme in deren maroden Heimatländern, noch hilft es Deutschland. Im Gegenteil: Diese diktatorisch verordnete Verdrängung des deutschen Volkes durch Völker Afrikas, Ostasien und der arabischen Länder wird die Weichen legen für einen furchtbaren Bürgerkrieg in Deutschland.
132 
Schuld werden nicht die Deutschen sein. Schuld an diesem Krieg haben deren schlimmste Feinde: die deutschen Sozialisten. Mögen sie alle und ohne Ausnahme ihrer gerechten Strafe für ihren Hochverrat zugeführt werden. Mögen sie Bekanntschaft machen mit dem 'Furor Germanicus‘, dem bei allen Völkern, so auch den Römern gefürchteten Kampfesmut und der Wildheit der Germanen.“
133 
Zu Recht kam das Landgericht aufgrund dessen zu dem Schluss, der Kläger greife Personen in übertriebenem Maße ohne Tatsachengrundlage an und beschimpfe diese in übertriebenem Maße ohne erkennbare Tatsachengrundlage, gipfelnd in der von ihm in seinem Blog aufgestellten Behauptung, der Copilot der Germanwings-Maschine, der deren Absturz vorsätzlich herbeigeführt hat, sei während seiner halbjährigen Auszeit während seiner Ausbildung zum Islam konvertiert und habe in der Folge entweder den Auftrag seitens „radikaler“, d.h. gläubiger Moslems zur Durchführung dieses Massenmords erhalten, oder den Auftrag aus dem Buch des Terrors, dem Koran, aus eigenen Stücken entzogen.
(d)
134 
Angesichts dessen überwöge der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Ehre des Klägers nur, wenn für die Qualifizierung des Klägers als „Neonazi“ keine tatsächlichen Bezugspunkte, auf die sich diese Meinung stützen könnte, vorlägen. Zu Recht hat das Landgericht aber angenommen, dass solche gegeben sind, wobei insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts (LGU S. 10 unter c)) für die (Be-)Wertung der Beklagten nicht nur eine geringe, sondern eine mehr als hinreichende Tatsachengrundlage besteht:
(aa)
135 
Die Bewertung des Klägers als „Neonazi“ in dem angegriffenen Artikel knüpft wie der Kontext, in dem sie steht, daran an, dass der Kläger ein „rechtsradikaler Blogger“ und „Islamhasser“ und der rechtsextremen Szene zuzurechnen sei.
136 
Diese (ebenfalls Bewertungen darstellenden) Qualifizierungen des Klägers haben eine wiederum mehr als ausreichende Tatsachengrundlage in den eigenen öffentlichen Äußerungen des Klägers, wie sie dieser selbst vorträgt und wie sie von der Beklagten unbestritten vorgetragen worden sind:
137 
Was die Qualifizierung als „rechtsradikal“ bzw. „rechtsextrem“ betrifft, so kann insoweit zunächst auf die bereits oben unter (c) angeführten Äußerungen des Klägers verwiesen werden. In diesen kommt erkennbar typisch rechtsradikales Gedankengut zum Vorschein. Die pauschale Diffamierung der führenden Parteien und Politiker als „politische Kaste“, die sich gegen ihr eigenes Volk verschworen habe und Volksfeinde seien; die Bezeichnung der die Bundesregierung bildenden regierenden sozial- und christdemokratischen Parteien als „Kommunisten“; die Bezeichnung der deutschen Sozialisten als „Hochverräter“, das Aufstellen von Verschwörungstheorien, wonach „Linke“ einen „neuen Menschen“ durch eine „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ schaffen wollen; die negative Bewertung einer „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ wie überhaupt die Bedeutung des (politischen) Denkens in rassischen Kategorien.
138 
Zu Recht hat deshalb das Landgericht ausgeführt (LGU S. 16 vorletzter Absatz), Aussagen des Klägers erinnerten stark an die im Dritten Reich vertretene Rassenlehre. Warum angesichts dieser unstreitigen Äußerungen die Herstellung von Assoziationen mit der Rassenlehre des Dritten Reiches durch das Landgericht eine „infame und schmutzige Unterstellung“ sein soll (S. 4 des Schriftsatzes vom 31.07.2015, Bl. 106), erschließt sich nicht.
139 
Hinzu kommt, dass der Kläger unbestritten (S. 31 der Anl. A 4, Bl. 14; siehe auch sein Vorbringen in der Antragsschrift auf S. 5) dazu aufgerufen hat, vom Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, weil der dort geregelte Fall „eingetroffen“ sei. Nachdem dies aber offensichtlich nicht der Fall ist, liegt darin, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat (S. 8 der Antragserwiderung, Bl. 28), nichts anderes als ein Aufruf zum Widerstand gegen das bestehende politische System und die legitime Staatsgewalt.
140 
Schließlich hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen (siehe S. 5 des Schriftsatzes vom 15.09.2015) in einer Besprechung des Buches „Eurabia“ des Peder Jensen (Pseudonym „Fjordman“) diesen als „brillantesten Islamkritiker“ bezeichnet und u. a. ausgeführt, den „Politikern“ gehe es um „den Totalaustausch europäischer Bevölkerungen durch kulturfernste islamische Bevölkerungsgruppen. Es geht Ihnen um die Zerstörung des Europas“ und hat von einem „zivilisatorisch-ethnischen Vernichtungsprogramm“ (gemeint: der Politiker) gesprochen. Der nachfolgende, vom Kläger zitierte Text des Peder Jensen enthält auch nach Darstellung des Klägers (S. 9) die von der Beklagten in der Berufungserwiderung zitierten Äußerungen „Islam und alle die ihn praktizieren müssen vollständig und physisch aus der gesamten westlichen Welt entfernt werden“, Moslems … führen ganz klar die Liste der gewalttätigen feindseligen Personen an, die nicht in westliche Länder gehören“, „Der Islam ist nur eine zweitrangige Infektion. Die Primärinfektion geht von den Linken aus.“. Ferner enthält der nach den eigenen Worten des Klägers (S. 5 seines Schriftsatzes vom 15.09.2015) „vorliegende brillante Text“, vor dem er sich „verbeuge“, u. a. die Aussagen
141 
- „Wenn wir eine Liste der Gruppen und Institutionen aufstellen, die die Enteignung und Vernichtung der Europäer vorantreiben, so würde sie etwa so aussehen, von der Spitze abwärts: 1. die Regierung der Vereinigten Staaten 2. Die Europäische Union 3. Moslems 4. Anti-weiße Linke, die die westlichen Universitäten und Massenmedien kontrollieren …“;
142 
- „ … so sehr ich den Islam verabscheue, er ist nur ein zweitrangige Infektion. Er wäre nicht in der Lage, uns auf diese Weise zu bedrohen, wie er es jetzt tut, gäbe es nicht dieses aggressive kulturelle AIDS, das im Voraus unser Immunsystem zerstört. Der reale geistige Virus, der den Westen tötet, ist das nach-aufklärerische Konstrukt, das wir … ideelle Nation … oder Verfassungsnation .. nennen.“;
143 
- „Die geplante Zerstörung der weißen Kultur und Identität
144 
Die Hass-Liebe zwischen den Amerikanern und den Franzosen sorgt dafür, zu verschleiern wie viel beide Länder gemeinsam haben. Beide Länder haben sich in ein multikulturelles Disneyland verwandelt, in dem die weiße Majorität mit dem Segen des Staates ihrer Recht, ihrer Identität und am Ende vielleicht ihrer bloßen Existenz beraubt wird. Die Endresultate sind in beiden Fällen auffallend ähnlich: die Enteignung der Weißen und die organisierte Zerstörung der europäischen Kultur.“
145 
Was die Charakterisierung des Klägers als „Islamhasser“ betrifft, so beruht auch diese aufgrund der eigenen Aussagen des Klägers auf einer mehr als hinreichenden Tatsachengrundlage. Wenn dieser demgegenüber in der Berufungsbegründung (S. 12, Bl. 94) ausführt, es sei unverständlich, woher das Landgericht auf LGU S. 16 letzter Absatz einen von ihm geäußerten Pauschalverdacht gegen Moslems hernehme, so ergibt sich dieser zwanglos aus den eigenen Äußerungen des Klägers, denn diese sind mitnichten auf einen „radikalen Islam“ beschränkt, den vehement anzugreifen der Kläger einräumt. Wer Muslime generell als „Sekundärinfektion unserer Gesellschaft“ bezeichnet (siehe dazu bereits oben unter (c)), gläubige Moslems mit radikalen Moslems gleichsetzt (so in der in der Anl. AG 2 wiedergegebenen Äußerung des Klägers zum Absturz der Germanwings-Maschine), den Koran als „Buch des Terrors“ bezeichnet (ebenda) und (so die eigenen Angaben des Klägers auf S. 3 der Antragsschrift) auf seinem Blog Beiträge mit den Überschriften „Fundstelle des Tages, Islam und Nationalsozialismus sehr ähnlich“ und „Hitler ist wie Mohammed“ veröffentlicht, liefert allemal eine ausreichende Tatsachengrundlage, um als „Islamhasser“ bezeichnet zu werden und die Schlussfolgerung des Landgerichts, er stelle pauschalierend (gläubige) Angehörige des Islams unter Pauschalverdacht, zu rechtfertigen.
(bb)
146 
Diese Tatsachengrundlage genügt, um die Charakterisierung des Klägers als „Neonazi“ so wie konkret in dem durch den Artikel vom 16.04.2015 gegebenen Kontext geschehen zu rechtfertigen, auch wenn man mit dem Landgericht (LGU S. 16 zweiter Absatz) annehmen wollte, die durch die Beklagte zu den Akten gereichten Äußerungen sowie die auf S. 3 der Antragsschrift aufgezählten Titel der Veröffentlichungen des Klägers enthielten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser den Aufbau eines „Führerstaats“ oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge. Das wäre zur Rechtfertigung der Bezeichnung „Neonazi“ gegebenenfalls dann erforderlich, wenn die Bezeichnung in dem Sinne zu verstehen wäre, dass der Kläger die Ideologie eines „Neonazismus/Neonationalsozialismus“ vertrete, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundeszentrale für politische Bildung definiert hat und die Forderung nach Errichtung eines totalitären/autoritären Führerstaats beinhaltet. So ist die angegriffene Äußerung vorliegend im Kontext des Artikels vom 16.04.2015 aber gerade nicht zu verstehen (siehe dazu bereits oben unter aa) (2)).
147 
So, wie der Begriff „Neonazi“ vorliegend in dem Artikel vom 16.04.2015 verwendet worden ist, genügt es als die Meinungsäußerung tragende Tatsachengrundlage, dass der so Bezeichnete Äußerungen von sich gibt und sich Äußerungen zu eigen macht, die typisch für eine rechtsradikale Gesinnung/Haltung sind. Beim Kläger ist dies aufgrund der oben dargelegten Äußerungen der Fall, auch wenn sich in seinen Äußerungen keine Anzeichen für eine antisemitische Haltung finden, wie sie für Rechtsradikale traditionell typisch und für die Ideologie des Nationalsozialismus wesentlich war.
148 
Da die für eine rechtsradikale/rechtsextreme Haltung typischen Äußerungen des Klägers auch öffentlich, nämlich auf Veranstaltungen und in seinem Blog, erfolgten und erfolgen, liegt auch für die Bezeichnung als „bekannter“ Neonazi eine hinreichende Tatsachengrundlage vor.
(cc)
149 
Schließlich hat das Landgericht es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die tatsächlichen Bezugspunkte, welche die angegriffene Bezeichnung rechtfertigen, nicht in dem angegriffenen Artikel enthalten sind, denn dies ist nach den oben unter a) aa) dargelegten Grundsätzen nicht erforderlich; ausreichend ist es, wenn diese - wie geschehen - im Prozess dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen (bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft gemacht) werden.
(e)
150 
Aus der vom Kläger für seinen Standpunkt angeführten Entscheidung des Bundes-arbeitsgerichts vom 24.11.2005 (2 AZR 584/04, NZA 2006, 650) ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass diese zur Frage der Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ergangene Entscheidung aus dem Arbeitsrecht schon deshalb auf die hier vorliegende presserechtliche Konstellation nicht übertragen werden kann, weil die Vertragsparteien eines Arbeitsverhältnisses durch einen Vertrag miteinander verbunden sind mit der Folge einer Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragsparteien nach § 241 Abs. 2 BGB (a.a.O., Rn. 22 in Juris), lag ihr auch ein anders gearteter, nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, denn es ging nicht um die Bezeichnung als „Neonazi“, sondern (konkreter) um einen Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen (des Arbeitgebers als Vertragspartner) mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen (Orientierungssatz 1 sowie Rnrn. 5 und 30). Ein solcher Vergleich wird durch die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ so, wie dieser vorliegend nach dem Kontext aus Sicht des Durchschnittslesers zu verstehen ist, nach dem oben Gesagten gerade nicht angestellt.
151 
Auch die vom Kläger weiter angeführten Entscheidungen des Landgerichts München I vom 10.12.2014 (25 O 14197/14, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 02.06.2015, Bl. 42), des Landgerichts Rottweil vom 22.05.2015 (1 O 51/15, ebenfalls in Bl. 42) und des Landgerichts Hamburg vom 02.03.2010 (325 O 442/09, veröffentlicht in „Juris“) betreffen anders gelagerte, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte: Im Fall des LG München I ging es nicht um die Bezeichnung als „Neonazi“, sondern um die Bezeichnung als „glühender Antisemit“; die Entscheidung des LG Rottweil betraf zwar die Bezeichnung „bekannter Neonazi“, untersagt hat das Landgericht Rottweil jedoch nicht diese als solche, sondern die Behauptung, der Oberbürgermeister einer baden-württembergischen Großen Kreisstadt habe den dortigen Verfügungskläger so bezeichnet (es ging also um ein unzutreffendes Zitat), und in dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall ging es zum einen nicht um die Bezeichnung „Neonazi“, sondern um eine Gleichsetzung des dortigen Antragstellers mit den Wegbereitern der Judenverfolgung durch eine andere Formulierung und zum anderen zielte dort - anders als im vorliegenden Fall - die Äußerung nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg nicht auf die Auseinandersetzung in der Sache, sondern trat die Herabsetzung des damaligen Antragstellers in den Vordergrund (Rnrn. 30 f. in Juris). Soweit der Kläger schließlich die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 27.06.2011 (27 O 335/11) anführt, in der „Google“ verpflichtet wurde, u. a. die Bezeichnung des damaligen Antragstellers als „russischer Nazi“ nicht weiter zu verbreiten, ist diese für die sich im vorliegenden Fall stellenden Fragen schon wegen der knappen Gründe (vgl. Rn. 1 in Juris) nicht aussagekräftig; weder erschließt sich, in welchem Kontext die damalige Äußerung erfolgte noch ob es für diese (wie vorliegend) hinreichende tatsächliche Bezugspunkte gab.
III.
152 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem äußerungsrechtlichen Fall. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

2

1. Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Rechtsanwalt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ebenfalls ein Rechtsanwalt (im Folgenden: Kläger), beschäftigt sich auf seiner Kanzleihomepage und in Veröffentlichungen in Zeitschriften mit politischen Themen. So verfasste er mit einem Co-Autor den Text "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", in dem es um die angeblich die Welt beherrschende Gruppe von "Kosmokraten" geht. Darin heißt es:

3

Bis heute sind es aber zumeist die superreichen Familien Englands, Frankreichs und Hollands - größtenteils khasarische, also nicht-semitische Juden -, die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmen.

4

In einem weiteren Artikel mit dem Titel "Art. 146 GG - Die Mär der gesamtdeutschen Verfassung" befasst sich der Kläger mit dem "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes. Dort heißt es:

5

Das Grundgesetz ist lediglich ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte.

6

In einem Diskussionsforum im Internet (www.antivegan.de/forum) setzte sich der Beschwerdeführer mit diesen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym "pünktchen" unter einer Rubrik, die den Namen des Klägers nennt, auseinander und nannte sie "rechtslastigen Dreck". Nachdem der Kläger unter Androhung rechtlicher Schritte die Löschung dieser Formulierung gefordert hatte, äußerte sich der Beschwerdeführer in dem Forum wie folgt:

7

Wieso? Ich finde nun mal, dass Sie rechten Dreck verbreiten. Ich habe oben auch belegt, was ich damit konkret meine. …

8

Zu dem Artikel "Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung" schrieb der Beschwerdeführer in dem Forum:

9

Er liefert einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei.

10

Ein Unterlassungsbegehren wies der Beschwerdeführer zurück und führte in einem Schreiben an den Kläger aus:

11

Wer wie Sie meint, die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen, muss es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden.

12

Dieses Schreiben stellte der Beschwerdeführer einem begrenzten Kreis von Nutzern im Internet zur Verfügung. In diesen Kreis ist allerdings ein "Hacker" eingebrochen.

13

2. Das Landgericht verurteilte mit angegriffenem Urteil den Beschwerdeführer dazu, es zu unterlassen,

14

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder die Behauptung verbreiten zu lassen, dass er rechtsextreme Beiträge verfasst, und/oder dass sich sein Denken vom klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild nicht wirklich unterscheidet, und/oder dass er es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden.

15

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die umstrittenen Äußerungen jeweils einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten. Die Behauptung, jemand verfasse rechtsextreme Beiträge, und damit sinngemäß die Unterstellung, jemand sei rechtsradikal, stelle nur dann keinen Eingriff dar, wenn sich diese Behauptung zutreffend beweisen lasse beziehungsweise unter dem Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG stehe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

16

Da der Kläger sich nicht einer überlegenen Gruppe von Menschen zuordne und die Gruppe von Menschen mit großem wirtschaftlichem Einfluss nicht als minderwertige Gruppe bewerte, sei nicht erwiesen, dass die Beiträge rechtsextreme Beiträge seien. Die erforderliche Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Diese Ausführungen seien auch auf die zweite und dritte in Frage stehende Meinung des Beschwerdeführers zu übertragen.

17

3. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urteil zurück. Es führt aus, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Meinungsäußerungen handele, weil es einer Wertung bedürfe, ob ein Text rechtsradikale Züge trage, beziehungsweise von einem rechtsextremen Gedankengut getragen sei. Eine solche Wertung sei einem Beweis nicht zugänglich. Grob gesagt sei die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung bei der sogenannten Schmähkritik erreicht. Hier handele es sich um Schmähkritik, weil der Beschwerdeführer den Kläger ohne jeden nachvollziehbaren Hintergrund aus völlig anderen Motiven als denen einer sachlichen Auseinandersetzung als rechtsradikal habe brandmarken wollen.

18

4. Mit angegriffenem Beschluss wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass die Gründe des Urteils die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht außer Acht ließen.

19

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit und einen Gehörsverstoß.

20

Der Kläger habe sich öffentlich zu wesentlich das Gemeinwohl betreffenden Fragen geäußert. Für die vom Beschwerdeführer daran geäußerte Kritik spreche eine Vermutung der Zulässigkeit. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik seien strenge Maßstäbe anzulegen. Die inkriminierten Äußerungen hätten konkrete Bezugspunkte. Das Oberlandesgericht verkenne, dass es keines speziellen Anlasses bedürfe, sich zu öffentlich geäußerten Ansichten seinerseits kritisch zu äußern.

21

Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm auseinandergesetzt habe.

22

6. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und hält sie für unzulässig und unbegründet. Die Bayerische Staatsregierung hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

23

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

24

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

25

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Meinungen sind dagegen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

26

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

27

Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, denn es ist nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheidet und wann man "es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden".

28

Das Urteil des Landgerichts ist fehlerhaft, weil es die erste Äußerung offenbar als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung einordnet und somit aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Die dennoch durchgeführte Abwägung vermag den Fehler nicht zu heilen, weil sie wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt und das Landgericht deswegen den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht ausreichend beachtet hat (siehe unten, Ziff. 1b). Aus dem gleichen Grund greift die von dem Landgericht durchgeführte Abwägung auch hinsichtlich der beiden anderen beanstandeten Äußerungen zu kurz (siehe unten, Ziff. 1b).

29

Zunächst zutreffend qualifiziert demgegenüber das Oberlandesgericht alle drei Äußerungen als Meinungsäußerungen.

30

Fehlerhaft ist dann aber, dass das Oberlandesgericht die Äußerungen als Schmähkritik einstuft und damit ebenfalls aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <284>). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Alle Äußerungen haben einen Sachbezug. Die erste Äußerung bezieht sich auf den Text des Klägers "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", die zweite Äußerung auf den Text "Art. 146 - Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung", und die dritte Äußerung stammt aus einem vorprozessualen Schriftsatz und bezieht sich auf den Unterlassungsanspruch.

31

b) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

32

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist nämlich nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören.

33

Durch die Attribute "rechtsextrem" und "rechtsradikal" ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers berührt. Denn mit ihnen ist eine Prangerwirkung verbunden, die geeignet ist, das Ansehen einer Person - zumal als Rechtsanwalt - in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sie kann zu einer einen Rechtsanwalt in seiner Existenz gefährdenden Bedrohung werden.

34

Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

35

In die Abwägung wird vorliegend einzustellen sein, dass der Kläger weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre betroffen ist, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre. Dagegen ist die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Kern betroffen, weil ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wurde. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325 <329>). Der Kläger hat seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann muss zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine echte Diskussion möglich sein. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358). Gegen die Meinung des Beschwerdeführers könnte sich der Kläger im Meinungskampf seinerseits wieder öffentlich zur Wehr setzen.

36

2. Für einen Gehörsverstoß sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Diesbezüglich wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

37

3. Das besondere Gewicht der Grundrechtsverletzung ist durch die Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes indiziert (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

38

4. Die angegriffenen Urteile beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

39

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

40

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.