Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09

bei uns veröffentlicht am08.12.2011

Tatbestand

1

I. Im Streitjahr 1999 erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Arbeitnehmerin der X-GmbH, einer Tochtergesellschaft der Y-AG (AG), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2

Am 29. Oktober 1999 machte sie von ihrem Wandlungsrecht aus einem am 21. Oktober 1997 mit der AG abgeschlossenen Darlehensvertrag Gebrauch. Die Klägerin als Darlehensgeberin hatte der AG als Darlehensnehmerin ein mit 2 % verzinsliches Darlehen in Höhe von 5.000 DM gewährt. Das Darlehen war mit einem Wandlungsrecht dahingehend ausgestattet, dass die Darlehensgeberin berechtigt war, erstmalig am 28. Oktober 1999 für maximal 50 % der Darlehenssumme Beträge von je 5 DM in Aktien der AG im Nennwert von je 5 DM zu wandeln.

3

Die am 17. Dezember 1998 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) eingegangene Einkommensteuererklärung für 1997 enthielt zunächst keine Hinweise auf diesen Vorgang. Mit Schreiben vom 14. Mai 1999 zeigte die Klägerin an, dass die abgegebene Steuererklärung unvollständig gewesen sei. Als Arbeitnehmerin einer Tochtergesellschaft der AG habe sie am 21. Oktober 1997 von der Möglichkeit der Zeichnung eines Wandeldarlehens Gebrauch gemacht. Der Vorstand der AG habe ihr mitgeteilt, dass sie mit der Zeichnung des Darlehens einen steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe von 6.736,50 DM erzielt habe. Basis hierfür sei eine Berechnung der Z-Bank. Dem Schreiben waren der Darlehensvertrag, ein Schreiben der AG betreffend die steuerliche Behandlung des Wandeldarlehens sowie die Berechnung der Z-Bank beigefügt.

4

Mit Bescheid vom 30. Juni 1999 änderte das FA die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin für 1997 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und erfasste den nacherklärten Betrag zusätzlich bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

5

Im Mantelbogen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 war hinsichtlich der Anlage KSO angekreuzt, dass die Einnahmen nicht mehr als 6.100 DM betragen hätten. Zusätzlich war eine "Erläuterung zu Zeile 31, Mantelbogen" beigefügt. Darin war ausgeführt, dass "aus den 1999 aus Wandeldarlehen bezogenen Y-Aktien noch keine Dividenden zugeflossen seien (vgl. Schreiben vom 14.5.1999 zu Einkommensteuer 1997)". Beigefügt war auch eine "Zinsbestätigung 1999" über einen im Jahre 1999 ausbezahlten Zinsbetrag in Höhe von 83,05 DM für das "der Y zur Verfügung gestellte Darlehen, (Vertrag vom 29.10.97)". Zusätzlich war in dem Schreiben ausgeführt, der Rückgang der Darlehenssumme resultiere aus der vorgenommenen Wandlung.

6

Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 9. Mai 2000 erging im Wesentlichen erklärungsgemäß.

7

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 übersandte das Finanzamt A dem FA eine Auswertung von Anzeigen des Arbeitgebers gemäß §§ 38 Abs. 4, 41c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes. Aus den Angaben in einer dem Schreiben beigefügten tabellarischen Aufstellung mit Stand 11. April 2000 ergab sich, dass die Klägerin am 29. Oktober 1999 einen Teilbetrag ihres Wandeldarlehens in Höhe von 2.500 DM in 25 000 Aktien gewandelt hatte. Die Kursspanne war mit 45,03 bis 47,20 € angegeben. Als Anschaffungskosten waren 18.702,35 DM vermerkt. Unter Berücksichtigung des niedrigsten Kurswerts errechnete das FA hieraus einen geldwerten Vorteil in Höhe von 2.183.048 DM. Mit Bescheid vom 25. Februar 2002 änderte es die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend.

8

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin mit der Klage gegen den Ansatz eines geldwerten Vorteils aufgrund der Wandlung. Sie vertrat die Auffassung, die Voraussetzung für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor. Die Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1995 veröffentlicht.

9

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

10

Das FA beantragt,

das Urteil des FG München vom 26. Juni 2009  8 K 1338/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. 1. Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, das FA sei im Streitfall nicht berechtigt gewesen, die Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1999 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

13

2. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

14

a) Da § 173 AO nach seinem rechtlichen Gehalt keine Fehlerberichtigungsvorschrift ist, rechtfertigt nur das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismitteln eine Änderung nach dieser Vorschrift, nicht hingegen ein nachträglich erkannter Rechtsfehler (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen, nicht hingegen rechtliche Erwägungen, müssen für eine auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Korrektur maßgeblich sein (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 117/95, BFH/NV 1997, 853). Allerdings steht der Grundsatz von Treu und Glauben einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dann entgegen, wenn dem FA Tatsachen aufgrund einer Verletzung seiner Ermittlungspflichten unbekannt geblieben sind, der Steuerpflichtige seinerseits aber die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat. Im Falle einer beiderseitigen Pflichtverletzung ist nach ständiger Rechtsprechung eine Abwägung vorzunehmen (z.B. BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, und vom 26. Februar 2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599, m.w.N.).

15

b) Im Streitfall kann offenbleiben, ob bereits die Rechtserheblichkeit nachträglich bekanntgewordener Umstände zu verneinen ist. Denn das FG ist auf der Grundlage seiner Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen, das FA habe seine Ermittlungspflichten verletzt, weil es aufgrund der vorliegenden Unterlagen sich aufdrängende Ermittlungen nicht vorgenommen habe, während die Klägerin --ausgehend von der von ihr vertretenen Rechtsauffassung hinsichtlich des Zeitpunkts der Versteuerung eines geldwerten Vorteils-- ihrer Mitwirkungspflicht in zumutbarer Weise nachgekommen sei. Hieran sieht sich der Senat revisionsrechtlich gebunden. Denn diese in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegende Tatsachenwürdigung ist verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt worden und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 VII R 76/97, BFH/NV 1998, 423).

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3. Die vom FA erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

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Der Vortrag des FA, das FG habe seine Pflicht zur Sachverhaltsermittlung (§ 76 FGO) verletzt, weil es den zuständigen Veranlagungsbeamten nicht vernommen habe, kann bereits deshalb nicht zum Erfolg der Revision führen, weil das mutmaßliche Verhalten des einzelnen Sachbearbeiters und seine individuellen Rechtskenntnisse für die Frage, ob die Veränderung im Tatsächlichen oder in der rechtlichen Beurteilung liegt, aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ohne Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, m.w.N.).

18

Soweit das FA mit seinem Vorbringen, das FG habe sein Urteil auf bisher nicht erörterte Gesichtspunkte gestützt, die Verletzung rechtlichen Gehörs in Form einer sog. Überraschungsentscheidung geltend macht, liegt der behauptete Verstoß gegen Art. 103 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO nicht vor.

19

Ein Urteil darf zwar nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Ein bisher nicht erörterter Umstand, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, darf daher nicht zur Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht die für seine Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtern und den Beteiligten seine Rechtsauffassung im Einzelnen mitteilen müsste. Entsprechend muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ggf. prozessuale Anträge stellen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt erst dann vor, wenn das Gericht auf Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte, so dass dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleichkommt (BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842). Die in der Öffentlichkeit bekannten Umstände, insbesondere auch die Kursentwicklung der Y-Aktie, hängen so eng mit dem verwirklichten Besteuerungssachverhalt zusammen, dass ein kundiger Verfahrensbeteiligter damit rechnen musste, sie könnten in der Würdigung des FG --hier im Bereich der Anforderungen an die Ermittlungspflichten des FA-- eine Rolle spielen. Eine Verletzung des Anspruchs des FA auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt danach nicht vor.

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Im Übrigen sieht der Senat gemäß § 126 Abs. 6 FGO von einer weiteren Begründung ab.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka
Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09 zitiert 9 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Einkommensteuergesetz - EStG | § 38 Erhebung der Lohnsteuer


(1) 1Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der 1. im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, s

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 22. Apr. 2010 - VI R 40/08

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern sind.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 49/09.

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 13. Dez. 2017 - 1 K 191/14

bei uns veröffentlicht am 13.12.2017

Tenor Abweichend von dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... wird die Körperschaftsteuer für 2010 auf ... € herabgesetzt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Juni 2015 - 5 K 1154/13

bei uns veröffentlicht am 16.06.2015

Tenor I. Die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 23.04.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23.01.2013 werden aufgehoben. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklag

Finanzgericht Köln Urteil, 20. Mai 2015 - 3 K 1146/13

bei uns veröffentlicht am 20.05.2015

Tenor Die Einkommensteuern der Jahre 2005 bis 2008 werden unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide vom 28.06.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.03.2013 jeweils auf den Betrag herabgesetzt, der sich ergibt, wenn bei den Einkün

Referenzen

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1)1Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der

1.
im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter im Sinne der §§ 8 bis 13 der Abgabenordnung hat (inländischer Arbeitgeber) oder
2.
einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung im Inland überlässt, ohne inländischer Arbeitgeber zu sein (ausländischer Verleiher).
2In den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung ist das nach Satz 1 Nummer 1 in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen inländischer Arbeitgeber, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen; Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt.3Der Lohnsteuer unterliegt auch der im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten gewährte Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Dritter verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 des Aktiengesetzes sind.

(2)1Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer.2Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt.

(3)1Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten.2Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat die öffentliche Kasse, die den Arbeitslohn zahlt, die Pflichten des Arbeitgebers.3In den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch an die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben hat die Deutsche Rentenversicherung Bund bei Inanspruchnahme des Wertguthabens die Pflichten des Arbeitgebers.

(3a)1Soweit sich aus einem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis tarifvertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitslohn unmittelbar gegen einen Dritten mit Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland richten und von diesem durch die Zahlung von Geld erfüllt werden, hat der Dritte die Pflichten des Arbeitgebers.2In anderen Fällen kann das Finanzamt zulassen, dass ein Dritter mit Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland die Pflichten des Arbeitgebers im eigenen Namen erfüllt.3Voraussetzung ist, dass der Dritte

1.
sich hierzu gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet hat,
2.
den Lohn auszahlt oder er nur Arbeitgeberpflichten für von ihm vermittelte Arbeitnehmer übernimmt und
3.
die Steuererhebung nicht beeinträchtigt wird.
4Die Zustimmung erteilt das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten auf dessen Antrag im Einvernehmen mit dem Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers; sie darf mit Nebenbestimmungen versehen werden, die die ordnungsgemäße Steuererhebung sicherstellen und die Überprüfung des Lohnsteuerabzugs nach § 42f erleichtern sollen.5Die Zustimmung kann mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.6In den Fällen der Sätze 1 und 2 sind die das Lohnsteuerverfahren betreffenden Vorschriften mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Arbeitgebers der Dritte tritt; der Arbeitgeber ist von seinen Pflichten befreit, soweit der Dritte diese Pflichten erfüllt hat.7Erfüllt der Dritte die Pflichten des Arbeitgebers, kann er den Arbeitslohn, der einem Arbeitnehmer in demselben Lohnabrechnungszeitraum aus mehreren Dienstverhältnissen zufließt, für die Lohnsteuerermittlung und in der Lohnsteuerbescheinigung zusammenrechnen.

(4)1Wenn der vom Arbeitgeber geschuldete Barlohn zur Deckung der Lohnsteuer nicht ausreicht, hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen oder der Arbeitgeber einen entsprechenden Teil der anderen Bezüge des Arbeitnehmers zurückzubehalten.2Soweit der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nicht nachkommt und der Arbeitgeber den Fehlbetrag nicht durch Zurückbehaltung von anderen Bezügen des Arbeitnehmers aufbringen kann, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsstättenfinanzamt (§ 41a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) anzuzeigen.3Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die von einem Dritten gewährten Bezüge (Absatz 1 Satz 3) am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums anzugeben; wenn der Arbeitnehmer keine Angabe oder eine erkennbar unrichtige Angabe macht, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsstättenfinanzamt anzuzeigen.4Das Finanzamt hat die zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern sind.

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren (2001 bis 2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger, der bei der Stadtsparkasse A beschäftigt war, erwarb im Rahmen dieser Tätigkeit auch Ansprüche auf eine betriebliche Altersvorsorge. Bedingt durch die Auflösung der Zusatzversorgungskasse der Landeshauptstadt A wechselte die Stadtsparkasse zur Durchführung ihrer betrieblichen Altersvorsorge zur Y Zusatzversorgungskasse in B. Zum Ausgleich hierfür hat sie an die übernehmende Versorgungskasse neben einer allgemeinen Umlage einen jährlichen Nachteilsausgleich geleistet, diese Zahlungen --anteilig-- als Arbeitslohn des Klägers behandelt und dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Dementsprechend sind auch die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen in den auf den Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen Bruttoarbeitslöhnen enthalten und in die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre eingegangen.

3

Von diesem Umstand erfuhr der Kläger erstmals auf Grund einer "Allgemeinen Information" der Stadtparkasse A vom 15. März 2006. Zugleich wurde ihm mitgeteilt, dass die Versteuerung fehlerhaft gewesen sei, wie sich aus dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. September 2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) ergebe. Daraufhin beantragten die Kläger beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erfolglos, die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahingehend zu ändern, dass die zu Unrecht erfolgte Besteuerung des Nachteilsausgleichs als Arbeitslohn rückgängig gemacht werde. Auch die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. Der fristgerecht erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1926 veröffentlichten Gründen statt.

4

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 22. August 2008  11 K 580/07 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Einkommensteuerfestsetzungen 2001 bis 2003 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern sind.

8

1. Die Vorentscheidung verletzt § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen.

9

a) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob es sich bei dem Umstand, dass der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ausgewiesene Bruttolohn in den Streitjahren auch auf diesen entfallende Nachteilsausgleichszahlungen enthält, um eine dem FA nachträglich bekanntgewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO handelt. Denn auch bei rechtzeitiger Kenntnis um diese Sonderzahlungen an die aufnehmende Versorgungskasse und deren --anteilige-- Erfassung in den Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers wäre das FA bei der ursprünglichen Veranlagung zu keiner niedrigeren Steuer gelangt.

10

b) Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) vertritt die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung die Auffassung, dass ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden darf, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C. II. am Anfang). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C. II. 2. b).

11

Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft nach § 173 AO ist nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung, sondern der Umstand, dass das FA bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Demnach ist die nachträgliche Berücksichtigung neuer Tatsachen und Beweismittel strikt von der Korrektur von Rechtsfehlern abzugrenzen. Insbesondere dürfen über den Umweg des § 173 Abs. 1 AO Rechtsfehler der Finanzbehörde weder zulasten (Nr. 1) noch zugunsten des Steuerpflichtigen (Nr. 2) berichtigt werden. Das Kriterium der Rechtserheblichkeit (Kausalität) der neuen Tatsache bei der ursprünglichen Veranlagung schließt demnach aus, dass die Beteiligten des Steuerschuldverhältnisses mit Hilfe eines Änderungsbescheids eine neue Tatsache zum bloßen Anlass oder Vorwand nehmen, ihre geläuterte Rechtsansicht nachträglich durchzusetzen (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Der Gesetzgeber hat vielmehr dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit in solchen Fällen Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der ergangenen Verwaltungsentscheidung eingeräumt (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).

12

c) Maßgebend für die Frage nach der Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des FA über die Steuerfestsetzung abgeschlossen wird, d.h. im Normalfall der Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens (bei EDV-mäßiger Abwicklung der Steuerfestsetzung) oder der Verfügung zum Steuerbescheid (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047, und vom 20. Juni 2001 VI R 70/00, BFH/NV 2001, 1527; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 29, 47, m.w.N.).

13

d) Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und den die FÄ bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2007 III R 57/06, BFH/NV 2007, 1461; in BFH/NV 2001, 1527; vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818; Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2007 VI B 48/06, BFH/NV 2008, 191, m.w.N.). Liegen --wie im Streitfall-- unmittelbar zu der umstrittenen Rechtslage weder eine Rechtsprechung des BFH noch bindende Verwaltungsanweisungen vor, so ist aufgrund anderer Umstände abzuschätzen, wie das FA in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts entschieden hätte (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. März 1999 II R 99/97, BFHE 188, 276, BStBl II 1999, 433). Hierzu rechnet beispielsweise das Vorgehen der Finanzbehörden in Parallelverfahren (BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 7/84, BFH/NV 1990, 613). Darüber hinaus sind auch interne Schreiben und Mitteilungen (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 117/95, BFH/NV 1997, 853), etwa eines Landesfinanzministeriums an den Bundesminister der Finanzen, zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818, und XI R 38/99, BFH/NV 2000, 820). Deshalb ist das FG bei der Ermittlung der Verwaltungsauffassung auch nicht an bestimmte Beweismittel gebunden (BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 818, und in BFH/NV 2000, 820; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 57b). Das mutmaßliche Verhalten des einzelnen Sachbearbeiters und seine individuellen Rechtskenntnisse sind hingegen für die Frage, ob die Veränderung im Tatsächlichen oder in der rechtlichen Beurteilung liegt, aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ohne Bedeutung. Subjektive Fehler der FÄ und damit des einzelnen Bearbeiters, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht denkbar sein mögen, sind für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekanntgewordenen Tatsache unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1988 I R 216/85, BFHE 153, 296, BStBl II 1988, 715).

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Demgegenüber hat das FG im Streitfall den hypothetischen Kausalverlauf allein nach den idealtypischen individuellen Rechtskenntnissen des zuständigen Veranlagungssachbearbeiters und nicht nach der in den Streitjahren herrschenden Verwaltungsauffassung beurteilt. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben.

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2. Die Sache ist spruchreif.

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Die Klage wird abgewiesen. Dass der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ausgewiesene Bruttolohn in den Streitjahren auch auf diesen entfallende Nachteilsausgleichszahlungen enthält, ist bei der ursprünglichen Veranlagung nicht rechtserheblich gewesen.

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a) Im Streitfall wäre das FA bei den Veranlagungen der Streitjahre auch bei rechtzeitiger Kenntnis des Umstands, dass der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ausgewiesene Bruttoarbeitslohn in den Streitjahren auch die auf ihn entfallenden Nachteilsausgleichzahlungen enthielt, zu keiner anderen Steuer gelangt. Es hätte insbesondere nicht den Entlohnungscharakter der streitigen Sonderzahlungen verneint, sondern vielmehr die Ausgleichszahlungen im Zeitpunkt der streitigen Veranlagungen als steuerbaren Arbeitslohn beurteilt. Nach dem Urteil des Senats in BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532 fließt zwar den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn zu, wenn der Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse Sonderzahlungen leistet. Im Streitfall erfolgte die abschließende Zeichnung der Eingabewertbögen zu den Einkommensteuerbescheiden 2001, 2002 und 2003 unstreitig jedoch jeweils vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532 in der Ausgabe Nr. 11 des BStBl II 2006, das am 24. Juli 2006 ausgegeben wurde.

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b) Bei rechtzeitiger Kenntnis von der im Bruttolohn des Klägers enthaltenen anteiligen Sonderumlage hätte das FA entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung diese Zahlungen als Arbeitslohn erfasst und der Besteuerung unterworfen. Dies ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen die Revisionsverfahren VI R 32/04 und VI R 148/98 geführt und in diesen Verfahren stets die Auffassung vertreten hat, dass es sich bei Sonderumlagen in Versorgungssysteme um Arbeitslohn handele. Darüber hinaus ist die Auffassung der Finanzbehörden, dass der Nachteilsausgleich als Arbeitslohn zu erfassen sei, u.a. in der Mitteilung für den Lohnsteueraußendienst Nr. 12/2001 vom 5. Dezember 2001 niedergelegt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist insoweit ohne Bedeutung, ob der zuständige Veranlagungssachbearbeiter diese Mitteilung kannte und berücksichtigt hätte. Insoweit ist ausreichend, dass aus diesem internen Schreiben die Rechtsauffassung der Verwaltung hervorgeht. Dies gilt gleichermaßen für den Schriftwechsel des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen und der Steuerberatungsgesellschaft der Zusatzversorgungskasse der Landeshauptstadt A. Auch aus diesen Schreiben ist zweifelsfrei ersichtlich, dass die Landesfinanzbehörden im Streitfall bei der Besteuerung von Zukunftssicherungsleistungen nicht nach allgemeinen Umlagezahlungen und dem sogenannten Nachteilsausgleich unterschieden hätten.

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Schließlich weist das FA auch zu Recht darauf hin, dass sich aus der Gesetzesbegründung des Jahressteuergesetzes 2007 die in den Streitjahren herrschende Verwaltungsauffassung ergibt. Dort ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung Sonderzahlungen des Arbeitgebers, die er anlässlich der Überführung einer Mitarbeiterversorgung in eine Zusatzversorgungskasse leistet, als steuerpflichtiger Arbeitslohn beurteilt worden sind (BTDrucks 16/2712, 45 f.). Aufgrund dieser feststehenden Verwaltungsübung ist nicht ersichtlich, dass das FA im Streitfall bei rechtzeitiger Kenntnis um die Sonderzahlungen an die aufnehmende Versorgungskasse und deren --anteilige-- Erfassung in den Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers die streitige Einkommensteuer niedriger festgesetzt hätte.

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Folglich hätte die streitige Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001, 2002 und 2003 mangels Rechtserheblichkeit dieses Umstands nicht durchgeführt werden dürfen. Damit war die Klage abzuweisen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.