Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10

bei uns veröffentlicht am29.03.2012

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen zur Beseitigung Echten Hausschwamms außergewöhnliche Belastungen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bewohnt eine von ihr im Jahr 2002 erworbene Eigentumswohnung. Diese befindet sich in einem in dem Jahr 1900 erbauten Haus.

3

Die Eigentumswohnung der Klägerin ist --wie eine andere Eigentumswohnung in dem Gebäude auch-- mit Echtem Hausschwamm befallen. Der Echte Hausschwamm wuchs bereits mehrere Jahre im Fußbodenaufbau dieser Wohnung. Da die Deckenbalkenköpfe des Gebäudes wegen des Befalls bereits abgesackt waren, empfahl ein von der Wohnungseigentümerversammlung eingesetzter Sachverständiger für Holz- und Bautenschutz eine umfassende Sanierung des Gebäudes zur Bekämpfung des Echten Hausschwamms. Der auf die Klägerin entfallende Anteil der Sanierungsaufwendungen betrug für das Streitjahr 2007  10.490,22 €. Versicherungsleistungen oder Schadensersatzleistungen erhielt die Klägerin nicht.

4

Die Klägerin machte diese Aufwendungen in ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Aufwendungen als haushaltsnahe Dienstleistungen durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 452 €.

5

Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 134 veröffentlichten Gründen überwiegend statt.

6

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil des FG vom 17. August 2010  12 K 10270/09 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 2007  11.389 € beträgt.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die auf die Klägerin entfallenden Aufwendungen zur Beseitigung des Echten Hausschwamms als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

10

1. Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. November 2010 VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969, m.w.N.).

11

a) Nach der Rechtsprechung des BFH können auch Kosten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, das durch ein von dem Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurde, Aufwendungen i.S. von § 33 EStG sein (BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104, Wasserschaden durch Rückstau in einer Drainage). Voraussetzung hierfür ist, dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung hat, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und die zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen (BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 III R 36/01, BFHE 203, 295, BStBl II 2004, 47, m.w.N.). Ein Verschulden des Steuerpflichtigen an dem eingetretenen Vermögensschaden ist jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung des BFH auch bei dem Unterlassen des Abschlusses einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung anzunehmen (BFH-Urteile vom 21. April 2010 VI R 62/08, BFHE 230, 1, BStBl II 2010, 965; vom 3. März 2005 III R 12/04, BFH/NV 2005, 1287, m.w.N).

12

b) Indessen kann es an der Außergewöhnlichkeit fehlen, wenn die Sanierungsaufwendungen infolge von Baumängeln notwendig werden, denn Schadensbeseitigungskosten, die durch Baumängel verursacht worden sind, sind nicht unüblich, da es sich hierbei erfahrungsgemäß nicht um ein ungewöhnliches Ereignis handelt, das etwa mit einem Hochwasserschaden vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240; BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2006 III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057; vom 11. Februar 2009 VI B 140/08, BFH/NV 2009, 762).

13

c) Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt"). Dabei obliegt die Ermittlung des Vorteilsausgleichs dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, m.w.N.).

14

2. Nach diesen Grundsätzen ist die vorinstanzliche Entscheidung zutreffend.

15

a) Nach den tatsächlichen und das Revisionsgericht bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG ist der Befall mit Echtem Hausschwamm unentdeckt geblieben, hat die Statik des Gebäudes gefährdet und eine aufwendige Sanierung zur Folge gehabt. Die daraus folgende Würdigung des FG, nicht der Befall des Gebäudes mit Echtem Hausschwamm als solcher, sondern die aus der konkreten und unmittelbar bevorstehenden Unbewohnbarkeit des Gebäudes folgende aufwendige Sanierung sei ein unabwendbares Ereignis, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, so dass sie für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend ist.

16

Von einem die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen ausschließenden Baumangel ist nicht auszugehen. Denn der Befall mit Echtem Hausschwamm war nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher auch insoweit gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG nicht davon abhängig, ob das jeweilige Bauwerk entsprechend den allgemein anerkannten Regeln des Bauhandwerks errichtet worden ist.

17

b) Soweit das FG im Übrigen davon ausgegangen ist, dass der Wohnung der Klägerin eine existentiell wichtige Bedeutung beizumessen ist, dass keine Anhaltspunkte für ein Verschulden der Klägerin erkennbar sind, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind, insbesondere dass eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht bestanden hat und dass der schadhafte Vermögensgegenstand in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgeht, ist dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Gleiches gilt für die dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Ermittlung des Vorteilsausgleichs.

18

c) Der erkennende Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab. Namentlich kann er dahinstehen lassen, ob für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Gegenstände des existenznotwendigen Grundbedarfs an dem Erfordernis einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherungsmöglichkeit stets festzuhalten ist.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

2 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10.

Steuerrecht: Sanierung eines Gebäudes als außergewöhnliche Belastung

23.07.2012

Anforderung an den Nachweis von Aufwendungen für Sanierung eines Gebäudes-BFH vom 29.3.12-Az: VI R 21/11-Rechtsanwalt für Steuerrecht
Steuerrecht
1 Artikel zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10.

Steuerrecht: Sanierung eines Gebäudes als außergewöhnliche Belastung

23.07.2012

Anforderung an den Nachweis von Aufwendungen für Sanierung eines Gebäudes-BFH vom 29.3.12-Az: VI R 21/11-Rechtsanwalt für Steuerrecht
Steuerrecht

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so
Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10 zitiert 5 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Nov. 2010 - VI R 16/09

bei uns veröffentlicht am 11.11.2010

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe Unterhaltszahlungen an die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als außergew

Bundesfinanzhof Urteil, 21. Apr. 2010 - VI R 62/08

bei uns veröffentlicht am 21.04.2010

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Mietzahlungen für eine ersatzweise angemietete Wohnung als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2012 - VI R 70/10.

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Sept. 2012 - 6 K 3622/10

bei uns veröffentlicht am 10.09.2012

Tenor 1. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 22. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2010 wird dahingehend abgeändert, dass weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 13.824 EUR vor Abzug der zumutbaren Bela

Referenzen

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Mietzahlungen für eine ersatzweise angemietete Wohnung als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind, wenn eine Nutzung der bisherigen eigenen Wohnung wegen Einsturzgefahr amtlich untersagt ist.

2

Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) hat mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 1998 eine gebrauchte Eigentumswohnung in einem Gebäude in M erworben. Laut Kaufvertrag wurde der Grundbesitz ohne Gewähr und ohne Haftung für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel verkauft. Die Verkäuferin hatte zudem versichert, dass ihr verborgene, wesentliche Mängel, insbesondere Altlasten, nicht bekannt sind. Die offizielle Wohnungsübergabe erfolgte am 25. August 1999. In einem Übergabeprotokoll wurde vermerkt, dass sich die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand befindet. Zur Finanzierung der Eigentumswohnung wurde ein Hypothekendarlehen aufgenommen, welches mit monatlich 1.063 DM (543,50 €) bis einschließlich Dezember 2003 bedient wurde.

3

Mit Ordnungsverfügung vom 28. Februar 2000 stellte das Bauordnungsamt der Stadt M eine erhebliche Einsturzgefahr für das Gebäude fest und untersagte den Eheleuten das Betreten des Gebäudes. Eine zivilrechtliche Klage der Ehefrau gegen die Verkäuferin auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung war über drei Gerichtsinstanzen hinweg nicht erfolgreich.

4

Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute beantragten die monatliche Miete in Höhe von 1.000 DM (511,29 €) für die von ihnen ersatzweise zu eigenen Wohnzwecken angemietete Vier-Zimmer-Wohnung als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre (2001, 2002) zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht. Der Kläger wandte sich dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 342 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung von § 33 EStG.

7

Das FA beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 13. Dezember 2007  14 K 6385/04 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Aufwendungen, die anfallen, weil zwangsläufig ein zusätzlicher Wohnbedarf entstanden ist, können im Grundsatz als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 EStG zu berücksichtigen sein. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings noch keine abschließende Beurteilung, ob die Mietzahlungen in Höhe von 12.000 DM und 6.134,48 € in den beiden Streitjahren nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

11

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774; vom 23. Mai 2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567, und vom 3. März 2005 III R 12/04, BFH/NV 2005, 1287). Hierunter fallen auch Aufwendungen, die geleistet werden, um den existentiellen Wohnbedarf zu befriedigen (BFH-Urteil in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774).

12

2. Im Streitfall stellen die zwangsläufig entstandenen Mietaufwendungen dem Grunde nach eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG dar.

13

a) Aufwendungen, die geleistet werden, um den existentiellen Wohnbedarf zu befriedigen, sind grundsätzlich als Kosten anzusehen, die der normalen Lebensgestaltung und Lebensführung zuzuordnen sind; sie sind daher nicht außergewöhnlich. So hat der BFH vergebliche Zahlungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks und der Erstellung eines Einfamilienhauses für eigene Wohnzwecke bereits in seinem Urteil in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774 nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, weil der Erwerb eines Einfamilienhauses typischerweise das Existenzminimum nicht berühre und deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung zu behandeln sei. Nicht anders verhält es sich mit Mietaufwendungen, die geleistet werden, um den existentiellen Wohnbedarf zu befriedigen.

14

b) Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn Aufwendungen für einen zweiten Wohnbedarf entstanden sind, weil die den ersten, existentiellen Wohnbedarf abdeckende Wohnung unbewohnbar geworden ist. Solche Ausgaben sind außergewöhnlich und daher als Aufwendungen i.S. von § 33 EStG anzusehen; die entstandenen Aufwendungen sind nicht mehr der normalen Lebensgestaltung und Lebensführung zuzuordnen. Davon ist im Streitfall auszugehen. Die Mietzahlungen dienten dazu, einen zusätzlichen, zweiten Wohnbedarf abzudecken. Dieser zusätzliche Wohnbedarf ist entstanden, weil die Eigentumswohnung der Ehefrau des Klägers, die den existentiellen, ersten Wohnbedarf abdecken sollte, nicht mehr bewohnbar war und damit ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen konnte. Entgegen den Ausführungen des FG kommt es nicht darauf an, ob die Mietzahlungen letztlich der Schadensbeseitigung dienen und deshalb unter diesem Gesichtspunkt als außergewöhnliche Belastungen angesehen werden können. Eines Rückgriffs auf die im Schrifttum stark kritisierte Gegenwertlehre (vgl. Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 34 ff.) --wie sie noch vom FG für notwendig erachtet wurde-- bedarf es insoweit nicht.

15

c) Die Mietzahlungen sind dem Kläger im Streitfall auch zwangsläufig entstanden. Denn aufgrund der Ordnungsverfügung vom 28. Februar 2000 durch das Bauordnungsamt der Stadt M stand im Streitfall fest, dass die Eigentumswohnung nicht mehr bewohnbar war. Wegen der erheblichen Einsturzgefahr für das Gebäude war eine Nutzung der Eigentumswohnung zu Wohnzwecken nicht mehr möglich. Der Kläger konnte sich angesichts der Ordnungsverfügung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen den Aufwendungen nicht mehr entziehen. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Anerkennung eines zweiten Wohnbedarfs als zwangsläufig sind nach den bisherigen Feststellungen des FG als erfüllt anzusehen. So hat das FG keine Anhaltspunkte für ein eigenes (ursächliches) Verschulden des Steuerpflichtigen gesehen, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte waren nicht ersichtlich, der zweite Wohnbedarf ist als angemessen beurteilt worden und eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit hat nicht bestanden.

16

3. Mangels Spruchreife geht die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

17

a) Nach den genannten Grundsätzen hat das FG zu prüfen, ob in den Streitjahren überhaupt ein zusätzlicher zweiter Wohnbedarf abzudecken war. Dabei wird es zunächst festzustellen haben, ob im Streitfall die Eigentumswohnung der Ehefrau des Klägers bereits tatsächlich bewohnt wurde und damit dem ersten existentiellen Wohnbedarf gewidmet war. Hat die Eigentumswohnung tatsächlich nie dazu gedient, den ersten Wohnbedarf abzudecken, wäre davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Mietzahlungen für den ersten Wohnbedarf angefallen sind. Die Aufwendungen wären dann der normalen Lebensführung zuzuordnen.

18

b) Weiter hat das FG angesichts des Umstands, dass die Ordnungsverfügung auf den 28. Februar 2000 datiert, aber Mietaufwendungen für die Streitjahre (2001 und 2002) geltend gemacht werden, weiter zu prüfen, in welchem Zeitraum in den Streitjahren ein zusätzlicher zweiter Wohnbedarf abzudecken war. Hierbei wird ein zweiter, zusätzlicher Wohnbedarf nur für den Zeitraum anzuerkennen sein, der erforderlich ist, um die dem ersten Wohnbedarf gewidmete Eigentumswohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Ist eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit nicht möglich, sind die Aufwendungen für den zweiten Wohnbedarf nur bis zu dem Zeitpunkt anzuerkennen, in dem dem Steuerpflichtigen dies bewusst wird. Dabei wird dem Steuerpflichtigen eine gewisse Frist zur Umorientierung bei der Gestaltung seiner Wohnverhältnisse zu gewähren sein.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe Unterhaltszahlungen an die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist streitig, ob die Anschaffungskosten für ein Ehebett und eine Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2003 und 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2003 machten sie Kosten wegen einer Asthmaerkrankung ihres Sohnes in Höhe von 4.976 €, von denen 4.800 € auf die Anschaffung von Schlafzimmermöbeln für das Schlafzimmer der Kläger und einer Couchgarnitur entfallen und deshalb streitig sind, als außergewöhnliche Belastung geltend. Weiter begehrten sie die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers in Höhe von 5.200 €.

3

Hinsichtlich der Unterhaltszahlungen für die 1935 bzw. 1951 geborenen, in der Türkei lebenden Eltern des Klägers legten sie je eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vom 9. Juni 2004 vor, wonach beide weder berufstätig sind noch sonst über Einkommen oder Vermögen oder Unterhaltsleistungen von anderen Angehörigen verfügen. Nach den vorgelegten Überweisungsbelegen der Bank H wurden auf das Konto des Vaters des Klägers folgende Zahlungen geleistet:

4

Betrag

Datum

   200 €

5. März 2004

3.000 €

12. November 2003

2.000 €

30. Dezember 2003

5

Zu den beiden letztgenannten Beträgen liegt jeweils auch eine Auszahlungsbestätigung der Bank vor.

In der Einkommensteuererklärung 2004 machten die Kläger Unterhaltsaufwendungen an die Eltern des Klägers in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Ausweislich der vorgelegten Überweisungsbelege sind folgende Zahlungen auf  Konten des Vaters des Klägers geleistet worden:

Betrag

Datum

   400 €

27. Januar 2004

   200 €

5. März 2004

(in 2003 geltend gemacht)

   300 €

26. April 2004

1.500 €

13. August 2004

2.500 €

29. Dezember 2004

8

Auch für das Streitjahr 2004 wurde für jeden Elternteil eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vorgelegt.

9

Darüber hinaus wurde am 16. September 2004 ein Betrag in Höhe von 300 € auf das Konto einer A, wohnhaft in B, überwiesen.

10

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2003 von den geltend gemachten Krankheitskosten lediglich einen Betrag in Höhe von 176 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, der sich wegen der zumutbaren Eigenbelastung allerdings steuerlich nicht auswirkte. Unterhaltsleistungen an die Eltern in die Türkei sind in keinem der beiden Streitjahre berücksichtigt worden.

11

Die nach erfolglosen Vorverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

12

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

13

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 23. Oktober 2007 VI 120/2006 und die Einspruchsentscheidung vom 23. März 2006 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 20. August 2004 in der Weise zu ändern, dass für die Anschaffung der Möbel weitere 4.800 € und weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.200 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 13. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

14

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

1. Der Senat erkennt gemäß § 90 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Denn Kläger und Beklagter haben wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

17

Ein entsprechender Verzicht des dem Revisionsverfahren beigetretenen Bundesministeriums der Finanzen (BMF) liegt zwar nicht vor; er ist aber auch nicht erforderlich. Denn das BMF erlangt durch den Beitritt zum Verfahren zwar die verfahrensrechtliche Stellung eines Beteiligten (§ 122 Abs. 2 Satz 4 FGO i.V.m. § 57 Nr. 4 FGO); über das Verfahren zu disponieren, vermag es deshalb jedoch nicht. Dies können nur Kläger und Beklagter als die ursprünglichen Verfahrensbeteiligten. Der Anspruch auf verfahrensrechtliche Gleichbehandlung des beigetretenen BMF erschöpft sich darin, innerhalb der von den originär Beteiligten einvernehmlich vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Revisionskläger und Revisionsbeklagter behandelt zu werden. Damit könnte das BMF nicht auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestehen, wenn die Hauptbeteiligten --wie im Streitfall-- auf eine solche verzichtet haben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Oktober 2005 V R 64/00, BFHE 212, 132, BStBl II 2006, 212; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz 7; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 FGO Rz 34). Denn es wäre mit Sinn und Zweck des § 122 Abs. 2 Satz 4 FGO nicht vereinbar, wenn das BMF die Möglichkeit hätte, ein Verfahren gegen den Willen der Hauptbeteiligten fortzusetzen oder zu verlängern (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 38, 39, m.w.N.). Diese Beschränkung der Verfahrensrechte des Beigetretenen verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da das BMF im schriftlichen Verfahren im nämlichen Umfang wie die Hauptbeteiligten gehört wird. Im Übrigen hat das nach § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BMF, im Gegensatz zu einem Beteiligten i.S. des § 57 Nr. 3 FGO, die Möglichkeit, sich mit der originär beteiligten Finanzbehörde abzustimmen und dadurch Einfluss auf den Gang des Verfahrens zu nehmen.

18

2. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.188 € (im VZ 2003) bzw. 7.680 € (im VZ 2004) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung). Eine zumutbare Belastung i.S. des § 33 Abs. 3 EStG wird nicht angerechnet (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 33a Rz 2). Denn § 33a EStG stellt gegenüber der allgemeinen Regelung des § 33 EStG eine Sondervorschrift dar (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 33a EStG Rz 10).

19

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat im Streitjahr 2003 berücksichtigungsfähige Unterhaltsaufwendungen lediglich deshalb nicht zum Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte zugelassen, weil es auf diese eine zumutbare Belastung angerechnet hat. Damit kann die angefochtene Entscheidung insoweit keinen Bestand haben.

20

b) Aber auch im Hinblick auf das Streitjahr 2004 ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers in diesem Jahr noch über andere Einnahmen verfügt haben müssten, die sie verschwiegen hätten, so dass die vorgelegte Unterhaltsbescheinigung nicht glaubwürdig sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Beschluss vom 13. März 1997 I B 78/96, BFH/NV 1997, 772). Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944; vom 13. Januar 1987 VII R 10/84, BFH/NV 1987, 728; vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572; vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18).

22

3. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend für das Streitjahr 2004 zu beklagen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers von den Unterhaltsleistungen aus Deutschland im Streitjahr 2004 nicht haben leben können, wird nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zum einen hat das FG bei seiner Berechnung die Unterhaltsrate in Höhe von 2.000 €, die am 30. Dezember 2003 geleistet wurde, zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der im Jahre 2004 verfügbaren Zuwendungen berücksichtigt. Dies ist zwar insoweit zutreffend, als diese Zahlung wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung den Gesamtbetrag der Einkünfte im Streitjahr 2004 nicht nach § 33a Abs. 1 EStG mindern darf. Gleichwohl steht dieser Betrag den Unterstützungsempfängern im Jahr 2004 tatsächlich zur Deckung ihres Lebensbedarfs zur Verfügung. Hiervon ist auch das FG in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen, wenn es ausführt, dass diese Zuwendung jedenfalls den Dezemberbedarf des Jahres 2003 nicht (mehr) zu decken vermochte. Damit hatten die Eltern des Klägers nicht nur einen Betrag in Höhe von 2.400 €, sondern 4.400 € (= 2.200 € je Elternteil) aus Deutschland zur Verfügung. Dies entspricht in etwa 2/3 des türkischen Pro-Kopf-Einkommens, das im Jahr 2004 etwa 4.085 $ (3.284 €) betrug (www.bundesregierung.de ) bzw. 3/4 des gesetzlichen Mindestlohns (www.eds-destatis.de, Bevölkerung, Arbeit und Soziales, Statistik kurz gefasst, Mindestlöhne EU-Mitgliedstaaten, Kandidatenländer, USA 2004) eines Jahres (12 x 240 € = 2.880 €). Der Schluss, dass Unterhaltszahlungen in dieser Größenordnung für ein möglicherweise nur einfaches Leben der Unterhaltsempfänger nicht ausreichen sollen, ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar und vom FG auch nicht durch belastbare Zahlen oder entsprechende Tatsachenfeststellungen belegt. Vielmehr lässt beispielsweise der Umstand, dass der monatliche Mindestlohn in der Türkei im Jahr 2004 bei 240 € gelegen hat, darauf schließen, dass die Unterhaltsempfänger keine weiteren Einnahmen benötigt haben, um in der Türkei "über die Runden zu kommen". Damit beruht auch der weitere Schluss, die Eltern des Klägers hätten weitere Einnahmen erzielt, diese aber nicht angegeben, so dass der vorgelegten Unterhaltsbescheinigung kein Glauben geschenkt werden könne, nicht auf nachvollziehbaren Folgerungen des FG.

23

4. Das FG wird im zweiten Rechtsgang erneut zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG, insbesondere die Bedürftigkeit der Unterhaltsempfänger, vorliegen. Dabei hat es weiterhin eine zeitanteilige Kürzung des Unterhaltshöchstbetrags in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsentscheidung vom 5. Mai 2010 VI R 40/09, BFHE 230, 123). Denn Unterhaltsleistungen können nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf Monate vor ihrer Zahlung zurückbezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 230, 123, m.w.N.). Das FG hat in diesem Zusammenhang weiter zu würdigen, ob die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass in den Streitjahren ihnen gegenüber die im damaligen BMF-Schreiben vom 15. September 1997 (BStBl I 1997, 826) Tz. 8.3 normierte Regel zur Anwendung kommt. Danach können aus Vereinfachungsgründen vierteljährliche Unterhaltszahlungen auch in Vormonaten Berücksichtigung finden.

24

Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen zwar weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom 7. Dezember 2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 4. Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244).

25

Soweit die Kläger im zweiten Rechtsgang weiterhin die Anschaffungskosten für die Schlafzimmermöbel und die Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastung abgezogen wissen wollen, steht der Umstand, dass sie bislang weder ein zeitlich vor den Aufwendungen erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten noch ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers zur medizinischen Indikation der streitigen Anschaffungskosten vorgelegt haben, dem Abzug der Aufwendungen nach § 33 EStG nicht entgegen. Denn der Senat hält an diesem qualifizierten Nachweisverlangen nicht länger fest (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de). Gleichwohl bleiben die Kläger verpflichtet, die medizinische Indikation der streitigen Anschaffungen nachzuweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Es kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2010 X B 139/09, BFH/NV 2010, 1284, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten einzuholen (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de).

26

Gelingt den Klägern im Streitfall der Nachweis der medizinischen Indikation, wird der Abzug der Anschaffungskosten für die Möbel auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt"). Dabei obliegt die Ermittlung des Vorteilsausgleichs dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2007 III B 11/06, BFH/NV 2007, 1108, m.w.N.). Deshalb kann der Senat auch im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob er der im Schrifttum geäußerten Fundamentalkritik an der sog. Gegenwertlehre folgen könnte (vgl. HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 34 ff.).

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.