Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14

bei uns veröffentlicht am24.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 A R s 1 4 / 1 4
vom
24. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom
28. Januar 2014 – 2 StR 495/12
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2014 gemäß § 132
Abs. 3 GVG beschlossen:
Die gesetzesalternative (ungleichartige) Wahlfeststellung verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG; eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist zulässig.

Gründe:

1
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden: „1. Dierichterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen Wahlfeststellung verstößt gegen Art. 103 Abs. 2 GG. 2. Eine wahldeutige Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ist daher unzulässig.“
2
Die ständige Rechtsprechung des 1. Strafsenats steht der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats entgegen (vgl. bereits Senat, Urteile vom 2. Oktober 1951 – 1 StR 353/51, BGHSt 1, 327, 328, und vom 12. Januar 1954 – 1StR 631/53, BGHSt 5, 280; zuletzt Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 613/12, NStZ 2014, 42). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest: Bei der gesetzesalternativen (ungleichartigen) Wahlfeststellung handelt es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel, auf die Art. 103 Abs. 2 GG keine Anwendung findet (I.). Selbst wenn dieser Regel ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt, liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor (II.). Dies entspricht im Ergebnis der Ansicht des Gesetzgebers (III.). Das einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen“ Gleichwertigkeit der verschiedenen Straftaten stellt sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz Tatsachenalternativität an einen ausreichend einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen kann (IV.).

I.

3
Bei den Regeln zur gesetzesalternativen (ungleichartigen) Wahlfeststellung handelt es sich um Verfahrensregeln, die nicht Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen.
4
1. Eine Verurteilung wegen alternativ verwirklichter Straftatbestände auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vorzunehmen, wenn im Rahmen des angeklagten Geschehens nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten der Sachverhalt nicht in einer solchen Weise aufgeklärt werden kann, dass die Feststellung eines bestimmten Straftatbestandes möglich ist, aber sicher feststeht, dass der Angeklagte einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Tatbeständen verwirklicht hat, und andere Möglichkeiten sicher ausgeschlossen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 613/12, NStZ 2014, 42). Weitere einschränkende Voraussetzung ist, dass die verschiedenen möglichen Straftaten rechtsethisch und psychologisch gleichwertig sind. Rechtsethisch gleichwertig sind die möglichen Taten dann, wenn ihnen im allgemeinen Rechtsempfinden eine gleiche oder doch ähnliche sittliche Bewertung zuteil wird; psychologische Gleichwertigkeit erfordert eine einigermaßen gleichgeartete seelische Beziehung des Täters zu den mehreren in Frage stehenden Verhaltensweisen (vgl. grundlegend BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 394; BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 153). In allen anderen Fällen, in denen ein Sachverhalt nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht eindeutig festgestellt werden kann, ist der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ entweder frei- zusprechen oder – sofern nicht trotz Tatsachenalternativität der Schuldspruch unzweifelhaft ist – zu seinen Gunsten nach dem milderen Gesetz mit eindeutigem Schuldspruch zu verurteilen (hierzu im Einzelnen umfassend Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 261 Rn. 125 ff. mwN). Hierdurch wird insgesamt ausgeschlossen, dass zum Nachteil des Angeklagten ein Schuldumfang zugrunde liegt, durch den der Angeklagte beschwert wird.
5
2. Strukturell handelt es sich bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung damit um eine besondere Entscheidungsregel bei Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts. Diese Entscheidungsregel bestimmt nicht darüber, was strafbar ist, sondern legt lediglich fest, in welcher Weise das Gericht in einer bestimmten prozessualen Situation prozessual zu reagieren hat. Das einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit“ ist hierfür nicht konstitutiv, sondern legt dieser Entscheidungsregel Schranken auf, damit für die Rechtsfolgenentscheidung an einen einheitlichen Unrechts- und Schuldkern angeknüpft werden kann. Die gesetzesalternative Wahlfeststellung gehört deshalb dem Verfahrensrecht an (so bereits ausdrücklich die Grundsatzentscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts, Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 262).
6
3. Weil es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel handelt, die sich auf gesetzlich festgelegte Straftatbestände stützt, wird die gesetzesalternative Wahlfeststellung nicht vom Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG erfasst (vgl. Sander, aaO, § 261 Rn. 145 m. Fn. 1024; Stuckenberg, in: KMRStPO , Loseblatt, 68. EL, § 261 Rn. 106; Wolter, GA 2013, 271, 274 ff.).

II.

7
Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG auch deshalb nicht vor, weil die Strafbarkeit in Fällen gesetzesalternativer Wahlfeststellung durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Normunterworfenen vorhersehbar ist.
8
1. Art. 103 Abs. 2 GG dient dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jeder soll vorhersehen können, welches Verhalten mit einer Sanktion bedroht ist. Zudem soll der Gesetzgeber über die Erfüllung des Tatbestandes entscheiden und diese Entscheidung über die Sanktionierung eines Verhaltens nicht der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt überlassen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 2014 – 2 BvR 299/13, NJW 2014, 1431, 1432). Der Gesetzgeber und nicht der Richter ist zur Entscheidung über die Strafbarkeit berufen. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt anerkanntermaßen ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist „Analogie“ nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105/09 und 491/09, BVerfGE 126, 170, 194 f. mwN).
9
2. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die gesetzesalternative Wahlfeststellung gerecht.
10
a) Die Strafbarkeit des abgeurteilten Verhaltens ist durch die Strafnormen des Strafgesetzbuchs vorgegeben. Der Angeklagte wird bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht etwa nach einer nicht existierenden, von der Rechtsprechung „erfundenen“ Strafnorm verurteilt, sondern aus einem vom Gesetzgeber ausdrücklich bestimmten Straftatbestand. Die Strafbarkeit des Verhaltens legt dabei allein der Gesetzgeber fest, nicht der Richter. Nur wenn dem Angeklagten ein vom Gesetzgeber ausdrücklich als strafbar angesehenes Verhalten nachgewiesen werden kann, darf er verurteilt werden. Die gesetzesalternative Wahlfeststellung besagt lediglich, dass in Fällen sicherer Strafbarkeit , aber unsicheren Tatsachenverlaufs eine bestimmte Form der Entscheidung zu wählen ist, und zwar einschränkend nur dann, wenn die sicher anzunehmende Strafbarkeit im Kern einen vergleichbaren Schuldvorwurf begründet.
11
b) Für den Normadressaten ist in den Fällen der gesetzesalternativen Wahlfeststellung jederzeit vorhersehbar, welches Verhalten strafbar ist und welches nicht. Eine Ausdehnung der strafbewehrten Verhaltensanforderungen geht mit der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht einher. In dem vom 2. Strafsenat zu entscheidenden Fall konnten die Angeklagten etwa unschwer erkennen, dass sowohl der Diebstahl als auch die Hehlerei strafbar sind, und ihr Verhalten entsprechend einrichten.

III.

12
Diese Auffassung entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Überlegungen zum 3. Strafrechtsänderungsgesetz ausdrücklich die Frage gestellt, ob er die gesetzesalternative Wahlfeststellung gesetzlich regeln soll oder nicht. In den Gesetzesmaterialien , die der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages zugrunde lagen (vgl. Plenarprotokolle vom 30. Oktober 1952, S. 10869, vom 12. Mai 1953, S. 12992 ff., vom 11. Juni 1953, S. 13310 und vom 3. Juli 1953, S. 14072 f.), heißt es dazu (BT-Drucks. I/3713 S. 19): „Mit der Bereinigung des Strafgesetzbuches soll gleichzeitig zum Aus- druck kommen, daß, soweit der Entwurf nicht eingreift, Änderungen des Strafgesetzbuchs durch die Gesetzgebung der nationalsozialistischen Zeit und der Besatzungsmächte, die von den bisherigen Strafrechtsänderungsgesetzen nicht angetastet wurden, vorbehaltlich einer eigentlichen Reform vom Gesetzgeber anerkannt werden. Das bedeutet nicht immer, daß Vorschriften, die durch die Besatzungsmächte aufgehoben wurden, nationalsozialistischen Charakter trugen. Insbesondere enthielt der aufgehobene § 2 b (Wahlweise Verurteilung) kein nationalsozialistisches Gedankengut. Wenn der Entwurf davon absieht, die Vorschrift zu erneuern, so geschieht das aus folgenden Erwägungen: In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist erneut anerkannt worden, daß wahlweise Schuldfeststellungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Die obersten Gerichte haben sich daher im wesentlichen der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen, wie sie vor der Einfügung des § 2 b in der Plenarentscheidung vom 2. Mai 1934 (RGSt 68, 257) ihren Niederschlag gefunden hatte. Zum Teil ist der Bundesgerichtshof bereits darüber hinausgegangen. Unter diesen Umständen wird die Frage, wie die Grenzen für die Zulässigkeit von wahlweisen Schuldfeststellungen zu ziehen sind, auch in Zukunft der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen wer- den können.“
13
Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wahlfeststellung billigt und keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht, also auch keinen möglichen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip. Dass sich an dieser Einschätzung des Gesetzgebers etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich.

IV.

14
Das von der Rechtsprechung entwickelte einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen“ Gleichwertigkeit der verschiedenen Straftaten stellt sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz Tatsachenalternativität an einen ausreichend einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen kann.
15
Schon in der Grundsatzentscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts (Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 260) zur gesetzesalternativen Wahlfeststellung bei Diebstahl und Hehlerei wurde hervorgehoben, dass die „Sicherheit der Urteilsfindung“ und die „Gerechtigkeit der Urteilswirkung“ eine Einschränkung der Wahlfeststellung erforderlich ma- chen. Der Bundesgerichtshof hat in späteren Entscheidungen darauf abgestellt, dass der Täter jeweils entweder dasselbe Rechtsgut oder doch, wie im Verhältnis von Diebstahl oder Unterschlagung zur Hehlerei, in ihrem Wesen ähnliche Rechtsgüter verletzt haben muss und die in Frage stehenden mehreren Verhaltensweisen die gleiche sittliche Missbilligung verdienen müssen, weil die innere Beziehung des Täters zu ihnen im Wesentlichen gleichartig ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 154).
16
Diese Einschränkungen stellen sicher, dass der Richter für seine Rechtsfolgenentscheidung an einen gleichartigen Unrechts- und Schuldkern anknüpfen kann. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen in Frage kämen, dürfen dem Angeklagten nach dem Zweifelssatz ohnehin nicht zugerechnet werden; es ist jeweils von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen (vgl. Sander, aaO, § 261 Rn. 160 ff.). Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG ist deshalb insoweit nicht zu besorgen.
17
Sofern der 2. Strafsenat im vorliegenden Fall die konkreten Tatbilder als derart verschieden ansieht, dass eine rechtsfehlerfreie Strafzumessung mangels Gleichartigkeit der alternativen Sachverhalte und mangels derselben seelischen Beziehung zur Tat ausscheiden soll (Rn. 36), wird nicht klar, ob insoweit den Grundsätzen des Zweifelssatzes hinreichend Rechnung getragen wurde oder der 2. Strafsenat sogar weitergehend den von der Rechtsprechung definierten Anwendungsbereich der Wahlfeststellung als nicht eröffnet ansieht. Raum Rothfuß Graf Radtke Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14

Referenzen - Gesetze

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 613/12
vom
5. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2013 gemäß § 349
Abs. 2, § 464 Abs. 3 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Juli 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

I.


Das Tatgericht hat in den Fällen Nr. 34 bis 61 der Urteilsgründe (C.III.2. und 3.) den Angeklagten ohne Rechtsfehler auf wahldeutiger Grundlage wegen Betruges oder Computerbetruges in 28 Fällen verurteilt. Eine Wahlfeststellung
zwischen § 263 StGB und § 263a StGB ist grundsätzlich zulässig (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NStZ 2008, 281, 282 Rn. 4).
Die Voraussetzungen einer wahldeutigen Verurteilung liegen auch in tatsächlicher Hinsicht vor. Dafür kommt es darauf an, dass innerhalb der verfahrensgegenständlichen prozessualen Tat (§ 264 StPO) nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten der Sachverhalt nicht in einer solchen Weise aufgeklärt werden kann, die die Feststellung eines bestimmten Straftatbestandes ermöglicht; zugleich muss sicher festgestellt sein, dass der Angeklagte einen von mehreren in Betracht kommenden Tatbeständen verwirklicht hat (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 1 Rn. 33 mwN). Andere Möglichkeiten müssen sicher ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - 4 StR 498/11, NStZ 2012, 441, 442 mwN).
Dem hat das Tatgericht entsprochen. Es hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung für die genannten Fälle festgestellt, dass Freigaben der Überweisungen von Konten der L. AG (nachfolgend: L. ) auf solche des Angeklagten oder der ihm zurechenbaren E-. , deren Anteilseigner er war, entweder durch ihn selbst unter unbefugter Verwendung der seinen damaligen Vorgesetzten D. und K. persönlich zugewiesenen Passwörter und Dongles oder durch die von ihm über die Existenz den Überweisungen zugrunde liegender Forderungen getäuschten Vorgesetzten erfolgten. Andere Möglichkeiten des Bewirkens der Überweisungen sind nach den Feststellungen ausgeschlossen. Die Revision zeigt mit ihrem Verweis auf die während der Hauptverhandlung mit Beweisantrag aufgestellten Behauptungen über die bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs der geschädigten L. verwendeten Software keinen möglichen Geschehensablauf auf, bei dem weder die Voraussetzungen
des Betruges gegenüber den genannten Vorgesetzten zu Lasten der L. noch des Computerbetruges zu deren Nachteil vorliegen würden. Es ist nicht ersichtlich, dass die fraglichen Überweisungen auf andere Weise als auf den vom Tatgericht wahldeutig zugrunde gelegte Wegen entweder durch den Angeklagten selbst oder durch dessen zuvor von ihm getäuschte Vorgesetze gegenüber der die betroffenen Konten der geschädigten L. führenden C. freigegeben worden sein könnten.

II.


Der Angeklagte ist ungeachtet der Annahme gleichartiger Wahlfeststellung in den Fällen Nr. 34 bis 61 wegen der den Verfahrensgegenstand bildenden prozessualen Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO verurteilt worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage prozessual zulässig, wenn beide in Frage kommenden Tatalternativen von dem durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstand erfasst sind (BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363, 364; siehe auch BGH, Beschluss vom 3. November 1983 - 1 StR 178/83, BGHSt 32, 146). Soweit die Anklage nicht ohnehin bereits beide Tatvarianten aufführt, ist dafür maßgeblich, ob die alternierenden Handlungsvorgänge nach den allgemeinen, für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität maßgeblichen tatsächlichen Gegebenheiten wie insbesondere das Tatobjekt, den Tatort und die Tatzeit als von einem einheitlichen Lebensvorgang erfasst bewertet werden können (Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg , StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 108; Radtke, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 56; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363).
So verhält es sich vorliegend. Der konkrete Anklagesatz der ihrer Umgrenzungsfunktion genügenden Anklageschrift erstreckt sich auf sämtliche in dem Zeitraum zwischen dem 22. April 2008 und dem 24. Januar 2011 durch den Angeklagten veranlassten Überweisungen von zwei näher bezeichneten, bei der C. geführten Konten der L. auf sein Konto bei der B. bzw. auf Konten der E-. bei den La. und Sc. . Die Beschreibung dieser Vorgänge umfasst sowohl durch den Angeklagten selbst als auch über seine von ihm zuvor getäuschten jeweiligen Vorgesetzten bewirkte Überweisungen. Die der Verurteilung zugrunde gelegten Zahlungsvorgänge liegen sämtlich innerhalb des angeklagten Tatzeitraums, betreffen ausschließlich die in der Anklage genannten (natürlichen und juristischen) Personen und beteiligten Finanzinstitute und erfassen allein diejenigen Konten auf Anweisenden- und Empfängerseite, die die Anklageschrift aufführt.

III.

Soweit die Revision hinsichtlich der Entscheidung im Adhäsionsverfahren auf ein angebliches Mitverschulden der Vorgesetzten des Angeklagten abhebt , geht das von vornherein fehl. Wahl Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 613/12
vom
5. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2013 gemäß § 349
Abs. 2, § 464 Abs. 3 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Juli 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

I.


Das Tatgericht hat in den Fällen Nr. 34 bis 61 der Urteilsgründe (C.III.2. und 3.) den Angeklagten ohne Rechtsfehler auf wahldeutiger Grundlage wegen Betruges oder Computerbetruges in 28 Fällen verurteilt. Eine Wahlfeststellung
zwischen § 263 StGB und § 263a StGB ist grundsätzlich zulässig (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NStZ 2008, 281, 282 Rn. 4).
Die Voraussetzungen einer wahldeutigen Verurteilung liegen auch in tatsächlicher Hinsicht vor. Dafür kommt es darauf an, dass innerhalb der verfahrensgegenständlichen prozessualen Tat (§ 264 StPO) nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten der Sachverhalt nicht in einer solchen Weise aufgeklärt werden kann, die die Feststellung eines bestimmten Straftatbestandes ermöglicht; zugleich muss sicher festgestellt sein, dass der Angeklagte einen von mehreren in Betracht kommenden Tatbeständen verwirklicht hat (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 1 Rn. 33 mwN). Andere Möglichkeiten müssen sicher ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - 4 StR 498/11, NStZ 2012, 441, 442 mwN).
Dem hat das Tatgericht entsprochen. Es hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung für die genannten Fälle festgestellt, dass Freigaben der Überweisungen von Konten der L. AG (nachfolgend: L. ) auf solche des Angeklagten oder der ihm zurechenbaren E-. , deren Anteilseigner er war, entweder durch ihn selbst unter unbefugter Verwendung der seinen damaligen Vorgesetzten D. und K. persönlich zugewiesenen Passwörter und Dongles oder durch die von ihm über die Existenz den Überweisungen zugrunde liegender Forderungen getäuschten Vorgesetzten erfolgten. Andere Möglichkeiten des Bewirkens der Überweisungen sind nach den Feststellungen ausgeschlossen. Die Revision zeigt mit ihrem Verweis auf die während der Hauptverhandlung mit Beweisantrag aufgestellten Behauptungen über die bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs der geschädigten L. verwendeten Software keinen möglichen Geschehensablauf auf, bei dem weder die Voraussetzungen
des Betruges gegenüber den genannten Vorgesetzten zu Lasten der L. noch des Computerbetruges zu deren Nachteil vorliegen würden. Es ist nicht ersichtlich, dass die fraglichen Überweisungen auf andere Weise als auf den vom Tatgericht wahldeutig zugrunde gelegte Wegen entweder durch den Angeklagten selbst oder durch dessen zuvor von ihm getäuschte Vorgesetze gegenüber der die betroffenen Konten der geschädigten L. führenden C. freigegeben worden sein könnten.

II.


Der Angeklagte ist ungeachtet der Annahme gleichartiger Wahlfeststellung in den Fällen Nr. 34 bis 61 wegen der den Verfahrensgegenstand bildenden prozessualen Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO verurteilt worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage prozessual zulässig, wenn beide in Frage kommenden Tatalternativen von dem durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstand erfasst sind (BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363, 364; siehe auch BGH, Beschluss vom 3. November 1983 - 1 StR 178/83, BGHSt 32, 146). Soweit die Anklage nicht ohnehin bereits beide Tatvarianten aufführt, ist dafür maßgeblich, ob die alternierenden Handlungsvorgänge nach den allgemeinen, für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität maßgeblichen tatsächlichen Gegebenheiten wie insbesondere das Tatobjekt, den Tatort und die Tatzeit als von einem einheitlichen Lebensvorgang erfasst bewertet werden können (Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg , StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 108; Radtke, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 56; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363).
So verhält es sich vorliegend. Der konkrete Anklagesatz der ihrer Umgrenzungsfunktion genügenden Anklageschrift erstreckt sich auf sämtliche in dem Zeitraum zwischen dem 22. April 2008 und dem 24. Januar 2011 durch den Angeklagten veranlassten Überweisungen von zwei näher bezeichneten, bei der C. geführten Konten der L. auf sein Konto bei der B. bzw. auf Konten der E-. bei den La. und Sc. . Die Beschreibung dieser Vorgänge umfasst sowohl durch den Angeklagten selbst als auch über seine von ihm zuvor getäuschten jeweiligen Vorgesetzten bewirkte Überweisungen. Die der Verurteilung zugrunde gelegten Zahlungsvorgänge liegen sämtlich innerhalb des angeklagten Tatzeitraums, betreffen ausschließlich die in der Anklage genannten (natürlichen und juristischen) Personen und beteiligten Finanzinstitute und erfassen allein diejenigen Konten auf Anweisenden- und Empfängerseite, die die Anklageschrift aufführt.

III.

Soweit die Revision hinsichtlich der Entscheidung im Adhäsionsverfahren auf ein angebliches Mitverschulden der Vorgesetzten des Angeklagten abhebt , geht das von vornherein fehl. Wahl Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.