Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15

bei uns veröffentlicht am19.05.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 2 8 / 1 5
vom
19. Mai 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
EMRK Art. 6 Abs. 1;
1. Zu den Voraussetzungen einer konventionswidrigen polizeilichen Tatprovokation
(Anschluss an BGHSt 47, 44 ff.).
2. Zu den Anforderungen an eine Verfahrensrüge, mit der eine (rechtsstaatswidrige
) polizeiliche Tatprovokation gerügt werden soll.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15 - LG Stuttgart
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2015 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. August 2014 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vier Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es Verfall des Wertersatzes angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und mit der Sachrüge.
3
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

I.

4
Ein die Verurteilung des Angeklagten ausschließendes, aus einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation resultierendes Verfahrenshindernis besteht nicht.
5
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet ein aus einer solchen Tatprovokation folgender Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) grundsätzlich kein Verfahrenshindernis (BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 350 ff.; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 324 ff.; vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 280 Rn. 37 mwN; vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14 Rn. 7; siehe auch BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 34).
6
2. Der konkrete Fall weist keine Umstände auf, die ausnahmsweise im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK oder aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Verfahrenshindernis begründen könnten.
7
a) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) legt Art. 6 Abs. 1 EMRK in ständiger Rechtsprechung dahingehend aus, dass bei einer – nach den vom Gerichtshof formulierten Voraussetzungen ("substantive test of incitement"; siehe EGMR, Urteil vom 4. November 2010 – 18757/06 "Bannikova vs. Russia" Rn. 37; Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 "Furcht gegen Deutschland" Rn. 48 f. mwN) – gegen die genannte Vorschrift verstoßenden Tatprovokation durch die Polizei das öffentliche Interesse an der Bekämpfung schwerer Straftaten im Strafprozess nicht den Gebrauch von Beweismitteln rechtfertigen könne, die als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnen wurden (etwa EGMR, Urteil vom 9. Juni 1998 – 44/1997/828/1034 "Teixeira de Castro vs. Portugal" Rn. 36 sowie EGMR, Urteile vom 5. Februar 2008 – 74420/01 "Ramanauskas vs. Lithuania" Rn. 54 mwN; vom 4. November 2010 – 18757/06"Bannikova vs. Russia" Rn. 34; vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 "Furcht gegen Deutschland" Rn. 47). Damit in solchen Fällen das Strafverfahren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK fair ist, müssten alle als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden oder aber ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen ("procedure with similar consequences") müsse greifen (siehe nur EGMR, Urteile vom 24. April 2014 – 6228/09u.a. "Lagutin e.a. vs. Russia" Rn. 117 mwN; vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 "Furcht gegen Deutschland" Rn. 64).
8
Art. 6 Abs. 1 EMRK in der Auslegung durch den EGMR fordert daher bei einer konventionswidrigen Tatprovokation nicht die Annahme eines Verfahrenshindernisses (vgl. insoweit Sinn/Maly NStZ 2015, 379, 382). Zwar wird das Abstellen auf "ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen" auch die Begründung eines Verfahrenshindernisses umfassen (so offenbar BVerfG, [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 42). Der Gerichtshof hält aber selbst mehrere Wege für gangbar , um die Verfahrensfairness bei einer polizeilichen Tatprovokation zu gewährleisten. Im Übrigen muss das nationale Rechtssystem nicht zwingend dem dogmatischen Ansatz des EGMR folgen. Solange die von Art. 6 Abs. 1 EMRK an die Verfahrensfairness gestellten Anforderungen erfüllt werden, überlässt es der Gerichtshof den Gerichten der Vertragsstaaten zu entscheiden, wie die Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 EMRK in das nationale Strafrechtssystem einzu- gliedern sind (BVerfG, [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 43).
9
b) Das Grundgesetz gebietet die Annahme eines Verfahrenshindernisses als Konsequenz einer mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbaren Tatprovokation durch Polizeibeamte oder den Polizeibehörden zuzurechnende Personen ebenfalls nicht.
10
aa) Das Bundesverfassungsgericht erachtet eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren erst dann als gegeben, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 64, 135, 145 f.; BVerfGE 122, 248, 272; BVerfGE 133, 168, 200). In die Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege einzubeziehen (BVerfGE 122, 248, 272; BVerfGE 133, 168, 200 f.; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 34). Denn der Rechtsstaat kann sich nur dann verwirk- lichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Strafe zugeführt werden (BVerfGE 46, 214, 222; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 32).
11
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen, ob das Rechtsstaatsprinzip ein Verfahrenshindernis aufgrund rechtsstaatswidriger Tatprovokation gebieten kann (BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 34 mit zahlr. Nachw.). Wenn ein daraus resultierendes Verfahrenshindernis überhaupt für möglich erachtet würde, könne ein solches lediglich in extremen Ausnahmefällen aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden, weil dieses nicht nur Belange des Beschuldigten, sondern auch das Interesse an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung schütze (BVerfG aaO).
12
bb) Ein solcher "extremer Ausnahmefall" liegt hier jedenfalls nicht vor, ohne dass es darauf ankäme, dessen Voraussetzungen in den Einzelheiten zu bestimmen.
13
Das Bundesverfassungsgericht hat angedeutet, tatprovozierendes Verhalten von Ermittlungsbehörden gegen einen (bis dahin) gänzlich Unverdächtigen , der lediglich "als Objekt der staatlichen Ermittlungsbehörden einen vorgefertigten Tatplan ohne eigenen Antrieb ausgeführt hätte", könnte möglicherweise ein solches Verfahrenshindernis begründen (BVerfG aaO Rn. 38).
14
Unter Berücksichtigung dessen kommt ein Verfahrenshindernis vorliegend weder aufgrund der im angefochtenen Urteil festgestellten Umstände (nachfolgend Rn. 15 – 17) noch aufgrund der dem Senat ansonsten aus den Verfahrensakten und dem Vorbringen der Revision zugänglichen Informationen in Betracht.
15
(1) Nach den auf einem glaubhaften und durch weitere Beweise verifizierten Geständnis des Angeklagten (UA S. 24 f.) beruhenden Urteilsfeststellungen hatte dieser spätestens Mitte September 2013 gemeinsam mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten T. beschlossen, zukünftig Betäubungsmittelgeschäfte durchzuführen, um sich durch die gewinnbringende Weiterveräußerung von Marihuanagemisch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Dabei sollte der über gute Kontakte zu Lieferanten von Betäubungsmitteln verfügende Mitangeklagte T. für den Bezug der Drogen und der Angeklagte für die Verkaufsgespräche mit potentiellen Abnehmern zuständig sein. Darüber hinaus wollten beide den bereits wegen Betäubungsmittelkriminalität mehrfach vorgeahndeten Mitangeklagten M. in ihren Betäubungsmittelhandel einbe- ziehen. Nach den Vorstellungen des Angeklagten und des Mitangeklagten T. sollte es sich zunächst um Geschäfte mit Marihuanagemisch von jeweils bis zu zwei Kilogramm bei einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Tetrahydrocannabinol (THC) handeln. Die Urteilsfeststellungen geben damit keinen Anhalt dafür, dass der Entschluss des Angeklagten, unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, auf eine polizeiliche Tatprovokation zurückgeht.
16
Auch zu den einzelnen, den Angeklagten betreffenden verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikten ergeben sich aus den Urteilsfeststellungen (UA S. 15 – 21) keinerlei Anhaltspunkte für einen "extremen Ausnahmefall" im Sinne des Bundesverfassungsgerichts. Zwar war in die Vermittlung der entsprechenden Drogengeschäfte jeweils eine unter dem Namen "H. " auftretende polizeiliche Vertrauensperson involviert. Als sog. Scheinaufkäufer trat in allen Fällen der verdeckt unter dem Namen "A. " operierende Zollbeamte E. auf. Die Geschäfte gingen aber sämtlich auf den bereits ohne polizeiliche Intervention gefassten Tatentschluss des Angeklagten zurück.
17
Vor allem aber kann nicht die Rede davon sein, der Angeklagte habe lediglich "als Objekt der staatlichen Ermittlungsbehörden einen vorgefertigten Tatplan ohne eigenen Antrieb ausgeführt". Im Gegenteil hat er selbst die Initiative ergriffen und auch nach Rückschlägen die Drogengeschäfte mit "H. " und "A. " fortgeführt. So hatte der Angeklagte bei der Tat II.12. der Urteilsgründe (UA S. 17 f.) nach Absprache mit T. unter Vermittlung der Vertrauensperson "H. " bereits verbindlich den Verkauf von 2 Kilogramm Marihuanagemisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC zu einem Preis von 7.200 Euro vereinbart. Nachdem T. den Verdacht hatte, es könne sich um ein polizeilich fingiertes Rauschgiftgeschäft handeln und er deshalb zu dessen Durchführung nicht mehr bereit war, musste der Angeklagte den Drogenverkauf zunächst absagen. Dem vereinbarungsgemäß erschienenen "H. " und dem Verdeckten Ermittler E. bot der Angeklagte von sich aus an, die ihnen entstandenen Benzinkosten zu übernehmen und bei einem späteren Rauschgiftgeschäft zu verrechnen. Den wegen der verweigerten Mitwirkung T. s zunächst nicht vollzogenen Verkauf von Marihuanagemisch führte der Angeklagte dann knapp 14 Tage später mit dem weiteren Mitangeklagten M. durch (Tat II.13. der Urteilsgründe). Nachdem M. das Rauschgift beschafft hatte, brachte der Angeklagte "H. " zu dem Versteck der Betäubungsmittel und nahm den vereinbarten Kaufpreis von dem Verdeckten Ermittler entgegen (UA S. 18 f.).
18
(2) Ein "Extremfall" tatprovozierenden Verhaltens der Ermittlungsbehörden liegt auch auf der Grundlage des Tatsachenvortrags in der von Rechtsanwalt Ma. gefertigten Revisionsbegründung nicht vor. Selbst wenn der Inhalt der von der Revision vorgelegten schriftlichen Einlassungen des Angeklagten über den Einsatz einer ersten, unter dem Namen "P. " auftretenden polizeilichen Vertrauensperson, die über einen längeren Zeitraum den Angeklagten auf die Möglichkeit der Beschaffung von Marihuana angesprochen haben soll, als richtig unterstellt wird, ergibt sich daraus allenfalls die Einwirkung der Ermittlungsbehörden auf eine bis dahin noch unverdächtige Person. Umstände, die darauf hindeuten, dass der Angeklagte aufgrund eines den Strafverfolgungsorganen zurechenbaren Verhaltens bei der Begehung der Taten anschließend lediglich noch "als Objekt der staatlichen Ermittlungsbehörden einen vorgefertigten Tatplan ohne eigenen Antrieb ausgeführt hätte", ergeben sich daraus nicht. In seiner schriftlichen Erklärung behauptet der Angeklagte zwar eine Vielzahl von Kontakten zu "P. " ("sicherlich zum zehnten Mal auf das Thema angesprochen" ). Er führt jedoch selbst aus, es sei nie über Mengen, Preise oder sonstige Modalitäten gesprochen worden.
19
(3) Damit fehlen Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise zum Verfahrenshindernis führende polizeiliche Tatprovokation. Im Gegenteil enthalten die Ermittlungsakten Anhaltspunkte dafür, dass gegen den Angeklagten bereits ein Anfangsverdacht bestand, bevor eine polizeiliche Vertrauensperson Kontakt mit ihm aufgenommen hat (siehe Ermittlungsakten Band I Bl. 381). Der Senat war daher nicht zu weiterer freibeweislicher Aufklärung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 154/61, BGHSt 16, 164, 166 mwN; KK-StPO/Fischer, 7. Aufl., Einl. Rn. 415; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, Einl. Rn. 52 mwN) gedrängt.

II.

20
Soweit die durch Rechtsanwalt Ma. begründete Revision dahin auszulegen (§ 300 StPO) wäre, dass der Angeklagte eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG wegen polizeilicher Tatprovokation rügt, wäre die Rüge nicht im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig ausgeführt.
21
1. Nach dieser Vorschrift muss der Revisionsführer die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen , dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (siehe nur BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, Rn. 8 mwN).
22
Die gesetzlichen Anforderungen an die Revisionsbegründung aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gelten auch bei einer (Verfahrens)Rüge der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Zwar hält der EGMR bei nicht völlig unplausiblem ("not wholly improbable") Vorwurf des An- geklagten einer Tatprovokation die Staatsanwaltschaft für verpflichtet, den Beweis des Fehlens einer solchen zu führen (EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09"Furcht gegen Deutschland" Rn. 53). Die Berücksichtigung dieser offenbar durch Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK gewonnenen Rechtsprechung des EGMR führt jedoch nicht dazu, auf die Einhaltung von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in der Begründungsschrift des Rechtsmittels zu verzichten oder die Anforderungen an den Tatsachenvortrag zu reduzieren. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der auch in ihrer Auslegung durch den Bundesgerichtshof mit dem Grundgesetz vereinbaren Vorschrift (BVerfGE 112, 185, 209 f.) und ihres Zwecks, einer Überlastung der Revisionsgerichte vorzubeugen (BVerfG aaO; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 32), besteht keine Möglichkeit einer konventionsfreundlichen Auslegung, weil diese mit den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung nicht mehr vereinbar wäre (zu diesem Kriterium BVerfGE 111, 307, 329; BVerfGE 128, 326, 371; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats ], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 41 aE mwN).
23
2. Die Revisionsbegründung trägt nicht diejenigen Tatsachen vollständig vor, derer es zur Prüfung durch den Senat bedarf.
24
a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
25
Im Hinblick auf eine mögliche polizeiliche Tatprovokation aufgrund einer Intensivierung der Tatplanung hängt die Bewertung der Erheblichkeit der Einwirkung durch den polizeilichen Lockspitzel auch von dem zum Zeitpunkt der Einwirkung bereits bestehenden Tatverdacht ab. Je stärker der Verdacht ist, desto nachhaltiger wird auch die Stimulierung zur Tat sein dürfen, bevor die Schwelle zu einer Tatprovokation erreicht wird (BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 49).
26
b) An diesen Kriterien hält der Senat unter gebotener Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR (dazu BVerfGE 111, 307, 323 ff.; BVerfGE 128, 326, 371; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a. Rn. 41) zu den Voraussetzungen der mit Art. 6 Abs. 1 EMRK unvereinbaren polizeilichen Provokation fest.
27
Der Gerichtshof stellt für die materiell-rechtliche Prüfung des Vorliegens einer solchen Provokation ("substantive test of incitement"; siehe EGMR, Urteil vom 4. November 2010 – 18757/06 "Bannikova vs. Russia" Rn. 37) darauf ab, dass sich die beteiligten Polizeibeamten nicht auf eine weitgehend passive Strafermittlung beschränken, sondern die betroffene Person derart beeinflussen , dass diese zur Begehung einer Straftat verleitet wird, die sie anderenfalls nicht begangen hätte. Der Zweck des polizeilichen Handelns liege bei der Provokation darin, durch Beweiserbringung und Einleitung eines Strafverfahrens die Feststellung einer Straftat zu ermöglichen (EGMR aaO Rn. 37; EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 "Furcht gegen Deutschland" Rn. 48 mwN). In die Prüfung der materiellen Voraussetzungen einer Tatprovokation bezieht der EMGR u.a. ein, dass die Strafverfolgungsbehörden keinen Grund hatten, eine Person der Beteiligung an Betäubungsmittelstraftaten zu verdächtigen , wenn diese nicht vorbestraft war, (noch) kein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet war und keine Anhaltspunkte für eine Tatgeneigtheit vor der Kontaktaufnahme vorlagen (so bereits EGMR, Urteil vom 9. Juni 1998 – 44/1997/828/1034 "Teixeira de Castro vs. Portugal" Rn. 38 sowie EGMR, Ur- teil vom 4. November 2010 – 18757/06 "Bannikova vs. Russia" Rn. 39 und Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 "Furcht gegen Deutschland" Rn. 51 jeweils mwN).
28
Als Subkriterien für das Vorhandensein bestehender krimineller Tätigkeit oder Tatgeneigtheit hält der Gerichtshof nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls u.a. die Vertrautheit des Betroffenen mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln , dessen Fähigkeit, solche kurzfristig zu beschaffen, sowie seine Gewinnbeteiligung für bedeutsam (EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09"Furcht gegen Deutschland" Rn. 51 mwN). Zudem komme es für die Abgrenzung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung ("legitimate infiltration" ) und einer Provokation auf den auf den Betroffenen seitens der Strafverfolgungsbehörden ausgeübten Druck an (EGMR aaO Rn. 52).
29
Die die Rechtsprechung des EGMR in der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK prägenden Voraussetzungen der Tatprovokation werden in der Judikatur des Bundesgerichtshofs (oben Rn. 24 und 25) abgebildet. Maßgeblich ist jeweils vor allem das Vorhandensein einer Tatgeneigtheit, das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Tatverdachts gegen den Betroffenen sowie die Art und die Intensität der dem Staat zurechenbaren Einwirkung auf diesen.
30
c) Um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen einer mit Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbaren Tatprovokation prüfen zu können, bedarf es des Vortrags der entsprechenden Tatsachen aus dem Verlauf des Ermittlungsverfahrens. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hätte die Revision dazu auf der Grundlage des ihr zugänglichen Inhalts der Verfahrensakten Umstände vortragen müssen, anhand derer der Senat wenigstens das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anfangsverdachts gegen den Angeklagten sowie eine bei ihm vorhandene Tatgeneigtheit hätte beurteilen können.
31
Daran fehlt es. Der Verweis auf den Inhalt der von RechtsanwaltMa. verlesenen beiden schriftlichen Erklärungen des Angeklagten genügt dafür ersichtlich nicht. Zu in den Verfahrensakten vorhandenen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer die Tatprovokation (in dem zuvor genannten Sinne) ausschließenden Tatgeneigtheit des Angeklagten und eines Anfangsverdachts gegen ihn vor Beginn der Kontaktaufnahme durch eine polizeiliche Vertrauensperson verhält sich die Revisionsbegründung nicht.
32
Solcher Vortrag war aber gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich. Denn die Feststellungen des Urteils (oben Rn. 15 – 17) selbst schließen eine Tatprovokation aus. Danach hatte der Angeklagte bereits vor dem ersten Kontakt mit der Vertrauensperson "H. " gemeinsam mit dem Mitangeklagten T. den Entschluss gefasst, gewinnbringende Betäubungsmittelgeschäfte mit Marihuanagemisch im Kilogrammbereich zu tätigen.
33
3. Angesichts der Unzulässigkeit der Rüge kann offen bleiben, ob es der zusätzlichen Erhebung einer Aufklärungsrüge bedurft hätte, die auf die unterbliebene Aufklärung solcher Umstände abzielt, die zur Beurteilung der Voraussetzungen einer polizeilichen Tatprovokation erforderlich sind.

III.

34
Die durch den Verteidiger, Rechtsanwalt Ma. , erhobene Rüge der Verletzung von § 261 StPO, weil der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung wesentlich umfangreicher eingelassen habe, als seitens des Gerichts gewürdigt worden sei, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
35
1. Dem Senat ist im Revisionsverfahren die Prüfung verwehrt, ob die im angefochtenen Urteil erfolgte Darstellung der Einlassung des Angeklagten (UA S. 25) die in der Hauptverhandlung erfolgte Einlassung inhaltlich zutreffend wiedergibt. Ohne eine solche Prüfung kann durch das Revisionsgericht ein auf einer unzureichenden Würdigung der Einlassung beruhender Verstoß gegen § 261 StPO (vgl. LR/Sander, StPO, 26. Aufl., Band 6/2 § 261 Rn. 74 mwN) aber nicht beurteilt werden (siehe nur BGH, Beschluss vom 14. August 2003 – 3 StR 17/03, NStZ 2004, 163 Rn. 2).
36
2. Die Revision verkennt, dass nicht der Inhalt der von ihr vorgetragenen schriftlichen Erklärungen Gegenstand der Hauptverhandlung geworden ist, sondern lediglich der mündliche Vortrag (BGH aaO; siehe auch KKStPO /Schneider aaO § 243 Rn. 57 mwN). Bereits nach dem eigenen Vorbringen der Revision sind die in der Revisionsbegründung wiedergegebenen schriftlichen "Einlassungen" des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 8. Juli 2014 durch dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Ma. , verlesen worden und anschließend dem Gericht übergeben worden. Damit handelt es sich nicht um einen Urkundenbeweis mit der Konsequenz, dass auch der Wortlaut der verlesenen Schriftstücke nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 10. November 2008 – 3 StR 390/08, NStZ 2009, 173; siehe auch bereits BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 – 2 StR 45/91, BGHSt 38, 14, 16). Gegenstand der Hauptverhandlung sind lediglich der mündliche Vortrag sowie etwaige mündliche Erklärungen des Angeklagten dazu, etwa dass er sich den Inhalt zu Eigen mache, geworden. Diesen Inhalt der Hauptverhandlung kann das Revisionsgericht aber gerade nicht rekonstruieren (BGH, Beschluss vom 14. August 2003 – 3 StR 17/03, NStZ 2004, 163, 164 Rn. 3; Park StV 2001, 589, 592; KK-StPO/Schneider aaO § 243 Rn. 57).
37
Gleiches gilt auch für die ergänzende schriftliche Erklärung des Angeklagten , die nach dem Revisionsvorbringen wiederum Rechtsanwalt Ma. in der Hauptverhandlung vom 29. August 2014 verlesen hat.
38
3. Es bestand auch keine Verpflichtung des Landgerichts die schriftlichen Erklärungen als Anlage zum Protokoll zu nehmen (BGH, Beschluss vom 10. November 2008 – 3 StR 390/08, NStZ 2009, 173). Gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO ist lediglich der Umstand, dass der Angeklagte sich zur Sache eingelassen hat (vgl. § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO), als wesentliche Förmlichkeit in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Der Inhalt seiner Einlassung ist dagegen gerade keine wesentliche Verfahrensförmlichkeit. Selbst eine unnötigerweise erfolgende Entgegennahme einer durch den Verteidiger verlesenen schriftlichen Erklärung und deren Hinzufügung als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll machte die Erklärung nicht zu dessen Bestandteil (BGH aaO).

IV.

39
Die sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
40
Das Landgericht hat bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten bedacht, dass die polizeiliche Vertrauensperson zu der Begehung der Betäubungsmittelstraftaten beigetragen hat. Eine weitergehende Berücksichtigung war nicht veranlasst. Nach den rechtsfehlerfreien Urteilsfeststellungen lagen die Voraussetzungen einer konventions- bzw. rechtsstaatswidrigen Tatprovokation nicht vor (oben Rn. 15 – 17). Rothfuß Jäger Radtke Mosbacher Ri'inBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Rothfuß

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15 zitiert 10 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 221/99
vom
2. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2000 beschlossen
:
Die Entscheidungsgründe des Senatsurteils vom 18. November
1999 werden wegen eines offensichtlichen Rechenfehlers in III. 1.
dahin geändert, daß es auf Seite 11 des Urteils letzter Satz in Absatz
1 an Stelle von 975.000 DM heißt:
"in Höhe von zehn Millionen Escudos, rund 97.500 DM, zu zahlen."
Schäfer Granderath Wahl
Boetticher Schluckebier
37
cc) Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation zieht jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Verfahrenshindernis nach sich; ihr ist vielmehr im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen (sogenannte Strafzumessungslösung). Für diese Auffassung ist maßgebend, dass selbst ein massiver Verstoß gegen § 136a StPO nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung lediglich zu einem Beweisverwertungsverbot führt, nach den Prinzipien des deutschen Verfahrensrechts ein Beweisverbot stets nur die jeweils unzulässige Ermittlungshandlung betrifft und im Falle eines Verfahrenshindernisses der Schutz unbeteiligter Dritter sowie ihrer Individualrechtsgüter – etwa Leib und Leben – Not leiden (vgl. BGH, aaO, 323, 334; siehe auch Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 353), ferner die Genugtuungsfunktion des Strafrechts verfehlt werden könnte. Angesichts dieser gewichtigen Argumente gibt der vorliegende Fall einer – freilich besonders schwerwiegenden – rechtsstaatswidrigen Einwirkung auf drei der Angeklagten keinen Anlass, über die bisherige Rechtsprechung hinaus- zugehen. Dies gilt jedenfalls angesichts einer nur verhältnismäßig gering zu gewichtenden Zwangseinwirkung durch die VP auf den Angeklagten A. und unter Berücksichtigung von dessen nach der Tatprovokation aufgewendeter erheblicher krimineller Energie bei zugleich nur mittelbarer Einwirkung auf die beiden anderen betroffenen Angeklagten.
7
Ein der Verurteilung des Angeklagten entgegenstehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Soweit er ein solches auf eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) stützen will, begründete ein derartiger Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade kein Verfahrenshindernis (BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 355; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 324 ff.; vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 280 Rn. 37 mwN). Im Übrigen ergeben sich aus den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verletzenden rechtsstaatswidrigen Tatprovokation (zu den Voraussetzungen BGH, Urteile vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 326 ff.; vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 ff.; Beschluss vom 11. Mai 2010 – 4 StR 117/10, NStZ-RR 2010, 289 [nur LS]; Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 f.). Die vom Landgericht nicht ausgeschlossene Kenntnis eines Führungsbeamten des Angeklagten bei dem Bayerischen Landeskriminalamt von dessen Betäubungsmittelgeschäften stellt ersichtlich keine solche Provokation dar.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

8
a) Zwar muss nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO der Revisionsführer die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 344 Rn. 24 mwN). Für einen erschöpfenden Vortrag sind dabei auch diejenigen Verfahrenstatsachen vorzutragen, die einer erhobenen Rüge entgegenstehen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 – 1 StR 484/08).

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

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cc) Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation zieht jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Verfahrenshindernis nach sich; ihr ist vielmehr im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen (sogenannte Strafzumessungslösung). Für diese Auffassung ist maßgebend, dass selbst ein massiver Verstoß gegen § 136a StPO nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung lediglich zu einem Beweisverwertungsverbot führt, nach den Prinzipien des deutschen Verfahrensrechts ein Beweisverbot stets nur die jeweils unzulässige Ermittlungshandlung betrifft und im Falle eines Verfahrenshindernisses der Schutz unbeteiligter Dritter sowie ihrer Individualrechtsgüter – etwa Leib und Leben – Not leiden (vgl. BGH, aaO, 323, 334; siehe auch Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 353), ferner die Genugtuungsfunktion des Strafrechts verfehlt werden könnte. Angesichts dieser gewichtigen Argumente gibt der vorliegende Fall einer – freilich besonders schwerwiegenden – rechtsstaatswidrigen Einwirkung auf drei der Angeklagten keinen Anlass, über die bisherige Rechtsprechung hinaus- zugehen. Dies gilt jedenfalls angesichts einer nur verhältnismäßig gering zu gewichtenden Zwangseinwirkung durch die VP auf den Angeklagten A. und unter Berücksichtigung von dessen nach der Tatprovokation aufgewendeter erheblicher krimineller Energie bei zugleich nur mittelbarer Einwirkung auf die beiden anderen betroffenen Angeklagten.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Der Grundsatz des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) kann verletzt
sein, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation durch eine von der Polizei
geführte Vertrauensperson (VP) angesonnene Drogengeschäft nicht mehr in einem
angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem jeweils individuell gegen den
Provozierten bestehenden Tatverdachts steht (Fortführung von BGHSt 45, 321).
BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01 - Landgericht Augsburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 42/01
vom
30. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
29. Mai 2001 in der Sitzung vom 30. Mai 2001, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 26. September 2000 im Ausspruch über die Einzelstrafe im Falle B. II. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Heroin) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Sie macht insbesondere geltend, der Angeklagte sei von einer durch die Polizei geführten Vertrauensperson (VP) in unzulässiger Weise zum Handeltreiben mit Heroin provoziert worden. Den darin liegenden Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK habe das Landgericht ausdrücklich feststellen und bei der Strafzumessung weitergehend als geschehen berücksichtigen müssen. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet; es führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die im Falle B. II. der Urteilsgründe in Ansatz gebrachte Einzelfreiheitsstrafe sowie zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte lernte in einem Lokal durch einen Bekannten eine sog. Vertrauensperson (VP) der Polizei kennen. Diese gab zu verstehen, daß sie Haschisch konsumiere. Während eines Toilettenaufenthaltes der VP folgte ihr der Angeklagte und bot ihr Haschisch an. Die VP ging auf das Angebot ein und es kam zu einem Verkauf von etwa 70 g (4,5 g THC) zum Preise von 700 DM. Bei einem weiteren Treffen - an diesem Tage wurde auch ein weiteres Haschischgeschäft zwischen beiden abgewickelt (22,55 g bei 1,4 g THC) - äußerte nun die VP gegenüber dem Angeklagten, sie sei stark am Erwerb von Heroin guter Qualität interessiert. Der Angeklagte – gegen den nicht der Verdacht bestand, Heroingeschäfte vorgenommen zu haben oder solche vornehmen zu wollen - antwortete zunächst abwehrend sinngemäß, daß solche Geschäfte gefährlich seien. Zwei Tage darauf, als die VP über vermeintliche Bezugsprobleme klagte, versuchte er indessen telefonisch Kontakt zu dem Heroinhändler B. herzustellen. Im weiteren Verlauf gelang ihm dies und er arrangierte ein Treffen der VP mit B. , an dem er teilnahm. Es kam dann zu drei Geschäften: Zunächst erfolgte eine Probelieferung von 5,52 g Heroingemisch mit einem HHCL-Anteil von 1,15 g zum Preis von 400 DM, sodann eine weitere Lieferung von 89,05 g Heroingemisch (HHCL-Anteil = 7,64 g) zum Preis von 7.000 DM; schließlich bestellte die VP 500 g Heroingemisch, die der Angeklagte als lieferbar erklärt hatte, nachdem die VP zunächst 1,2 kg Heroin und 800 g Kokain hatte ordern wollen. Bei den Geschäften war der Angeklagte nach telefonischer Verabredung in den Pkw der VP gestiegen; dann hatten beide B. an einem anderen Ort aufgenommen. Die Verhandlungen mit der VP wickelte im wesentlichen der Angeklagte ab, da B. k aum Deutsch
sprach. Der Angeklagte sollte für die Geschäfte sowohl von der VP als auch von B. eine Provision erhalten. Die Strafkammer ist auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, die VP habe ihn unter Darstellung einer Gefahr für Leib und Leben - weil er seine angeblichen Abnehmer nicht mehr mit qualitativ gutem Heroin habe beliefern können - "angebettelt" Heroin zu besorgen und eine Provision in Aussicht gestellt. Nachdem der Angeklagte den Kontakt zu B. hergestellt hätte und mit der Sache nichts mehr habe zu tun haben wollen, sei er von der VP zum weiteren Mitmachen "gedrängt" worden, weil er als Dolmetscher gebraucht werde. Bei der Übergabe des zuletzt bestellten Heroins an die VP wurden der Angeklagte und B. festgenommen. Im Blick auf die Einlassung des Angeklagten , das Haschisch wie auch das Heroin hätten jeweils einem auf einmal beschafften Gesamtvorrat entstammt, hat die Strafkammer für das Handeltreiben mit Haschisch sowie mit Heroin jeweils eine Bewertungseinheit angenommen. 2. Die Strafkammer hat einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verneint. Zwar habe gegen den Angeklagten vor dem Einsatz der VP kein Verdacht dahin bestanden, daß er gerade Heroingeschäfte vornehmen wolle. Auch könne letztlich nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte durch die VP zum Handeltreiben mit Heroin provoziert worden sei. Eine "eventuelle Provokation" sei dem Staat aber nicht zuzurechnen, da jedenfalls das von dem Wissen und der Kenntnis der Polizei umfaßte Verhalten der VP keine Tatprovokation darstelle. Dennoch hat die Strafkammer bei der Strafzumessung wegen der Veranlassung des Handeltreibens mit Heroin die an sich festzusetzende Einzelfreiheitsstrafe um fünf Monate verringert.

II.

Die Revision hat Erfolg, soweit sie den Strafausspruch im Falle B. II. der Urteilsgründe angreift (Heroingeschäfte). Die Begründung, mit der das Landgericht das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als nicht verletzt erachtet, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Vorgehen der VP der Polizei, durch welches der Angeklagte zum Handeltreiben gerade mit Heroin veranlaßt wurde und das dem Staat hier entgegen der Auffassung des Landgerichts zuzurechnen ist, erweist sich möglicherweise als unzulässige und damit konventionswidrige Tatprovokation. Der Senat läßt offen, ob die Revision nur mit einer Verfahrensrüge oder auch mit der Sachrüge geltend machen kann, das Landgericht habe zu Unrecht einen Konventionsverstoß verneint. Er kann alle insoweit maßgeblichen Umstände sowohl dem Vortrag der Revision zur Verfahrensrüge als auch dem angefochtenen Urteil entnehmen. 1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99 (BGHSt 45, 321) in Anwendung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) und im Blick auf dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR EuGRZ 1999, 660 = StV 1999, 127 = NStZ 1999, 47) für den Fall eines konventionswidrigen Lockspitzeleinsatzes entschieden, daß ein solcher Verstoß in den Urteilsgründen festzustellen und bei Festsetzung der Rechtsfolgen - genau bemessen - zu kompensieren ist. Eine Konventionssverletzung liegt nach der genannten Senatsentscheidung vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte VP in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGHSt 45, 321, Leitsatz und Seite 335).
Der Senat hat diesen Maßstab weiter dahin konkretisiert, daß eine Tatprovokation nicht schon dann vorliegt, wenn eine VP einen Dritten ohne sonstige Einwirkung lediglich darauf anspricht, ob dieser Betäubungsmittel beschaffen könne. Ebenso liegt keine Provokation vor, wenn die VP nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt. Dagegen ist die VP als die tatprovozierender Lockspitzel tätig, wenn sie über das bloße "Mitmachen" hinaus in die Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (BGHSt 45, 321, 338). Erreicht die Intensität der Einwirkung durch den polizeilichen Lockspitzel das Maß einer Tatprovokation, so ist diese nur zulässig, wenn die VP (bzw. ein VE) gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den §§ 152 Abs. 2, 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen zu sein oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein; hierfür müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der VP-Einsatz ursprünglich (bis zur Tatprovokation) der präventiven Gefahrenabwehr diente oder von Anfang an repressiven Charakter hatte. Die Rechtmäßigkeit des Lockspitzeleinsatzes ist selbst im Falle einer "Gemengelage" einheitlich an den Regelungen der StPO zu messen (BGHSt 45, 321, 337). Eine unzulässige Tatprovokation ist dem Staat im Blick auf die Gewährleistung des fairen Verfahrens dann zuzurechnen, wenn diese Provokation mit Wissen eines für die Anleitung der VP verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können. Erteilt die Polizei einen Auftrag an eine VP, hat sie die Möglichkeit und die Pflicht, diese Person zu überwachen. Eine Ausnahme von der sich daraus ergebenden Zurechnung
kann nur dann gelten, wenn die Polizei mit einem Fehlverhalten der VP nicht rechnen konnte (BGHSt 45, 321, 336). 2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall zunächst, daß die Bewertung des Landgerichts, das Verhalten der VP sei hier dem Staat nicht zuzurechnen , von Rechts wegen keinen Bestand haben kann. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat entnehmen, daß die VP eng geführt wurde und deren Treffen mit dem Angeklagten und B. überwacht wurden. Das Verhalten der VP bewegte sich im wesentlichen auf der Linie des ihr erteilten Auftrages. 3. Die rechtsfehlerhafte Verneinung einer Zurechnung des Verhaltens der VP würde allerdings eine Verwerfung der Revision nicht hindern, wenn sich aus den Feststellungen des Landgerichts im übrigen ohne weiteres ergäbe, daß hier keine unzulässige Tatprovokation vorlag. Das ist indessen nicht der Fall.
a) Das Landgericht geht selbst davon aus, daß die VP den Angeklagten zum Handeltreiben gerade mit Heroin in größer werdenden Mengen provoziert hat. Auf der Grundlage des vom Landgericht angenommenen Sachverhaltes liegt eine Tatprovokation nahe. Das Urteil geht davon aus, daß die VP den Angeklagten unter Hinweis auf eine vermeintliche eigene Leibes- und Lebensgefahr um Heroin "anbettelte", ihm etwas "vorjammerte" und nach dem Zustandebringen des Kontaktes zu dem Heroinhändler B. "bedrängte", sich als Dolmetscher weiter am Handeltreiben mit Heroin zu beteiligen. Darin kann eine Einwirkung von einiger Erheblichkeit liegen, die letztlich zu einer Intensivierung der Tatplanung im Sinne einer Provokation führte. Allerdings ist bei einer solchen Bewertung auch zu bedenken, daß es zwischen der Stärke des bestehenden Tatverdachts und dem Maß der für die Annahme einer Tatprovokation
erheblichen Einwirkung eines polizeilichen Lockspitzels eine Wechselwirkung geben kann. Je stärker der Verdacht, desto nachhaltiger wird auch die Stimulierung zur Tat sein dürfen, bevor die Schwelle der Tatprovokation erreicht wird.
b) Die Tatprovokation, von der das Landgericht ausgeht, kann hier unzulässig gewesen sein, weil der Angeklagte bis dahin lediglich des Handeltreibens mit Haschisch verdächtig war. In dem Verleiten zum Handeltreiben mit Heroin lag eine erhebliche Steigerung des Unrechtsgehalts der Tat. Zwar steht insoweit grundsätzlich ein und derselbe Tatbestand in Rede (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln). Die provozierte Tat erhält aber durch Art und Menge des Rauschgiftes ein besonderes Gepräge. Der Unrechtsgehalt ist von erheblich größerem Gewicht, wenn ein des Handeltreibens mit sog. weichen Drogen Verdächtiger zum Handeltreiben mit sog. harten Drogen in großer Menge veranlaßt wird ("Quantensprung"). Wird jemand auf solche Weise gleichsam unter staatlicher Verantwortung weiter in die Kriminalität gedrängt, so liegt darin dann eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation angesonnene Drogengeschäft nach Art und Menge der Drogen nicht mehr in einem angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem jeweils individuell gegen den Provozierten bestehenden Tatverdacht steht. Die Qualität des Tatverdachts , der sich im Verlaufe des Einsatzes der VP hinsichtlich Intensität und Unrechtscharakter auch verändern kann, begrenzt so den Unrechtsgehalt derjenigen Tat, zu der der Verdächtige in zulässiger Weise provoziert werden darf. Diese Begrenzung rechtfertigt sich letztlich daraus, daß es nicht Aufgabe einer dem Fairneßgrundsatz verpflichteten staatlichen Strafrechtspflege sein darf, einen Unverdächtigen durch Provokation in die Täterschaft zu treiben
oder einen zwar Tatverdächtigen, der die ihm angesonnene Tat aber ablehnt, zu einer solchen zu provozieren oder zur Begehung einer im Unrechtsgehalt gegenüber der Tatverdachtslage erheblich gesteigerten Tat zu verleiten. Die Zulässigkeit einer Tatprovokation wurzelt in dem Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens, erhebliche Straftaten wirksam aufzuklären (vgl. BVerfGE 29, 183, 194; 77, 65, 76; siehe weiter zum Einsatz einer VP BVerfGE 57, 250, 284; BVerfG Kammer NJW 1987, 1874, 1875; NStZ 1991, 445; StV 1995, 169, 171). Die kriminalistische Erfahrung zeigt, daß solche Aufklärung namentlich auf dem Felde des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, das durch Abschottung der verschiedenen Handelsebenen und durch konspiratives Vorgehen gekennzeichnet ist, oft nur durch verdeckte Ermittlungen erreicht werden kann und nur so eine beweiskräftige Überführung der Täter möglich ist. Auf der Grundlage dieser Gegebenheiten kann es dem Staat nicht verwehrt sein, auch zum Mittel der Tatprovokation zu greifen, weil anderenfalls ein weites Kriminalitätsfeld - gerade das des Handeltreibens mit Drogen in großem Stile - weitgehend unaufgeklärt bliebe und sich kriminelle Strukturen weitgehend unbehelligt entwickeln könnten. Das Mittel der Tatprovokation muß sich aber auch im Einzelfall noch mit dem Ziel der Aufklärung schwerwiegender Straftaten rechtfertigen lassen. Wird - über den bestehenden Tatverdacht hinausgehend - eine Steigerung der Verstrickung des Tatverdächtigen in qualitativ deutlich höheres Unrecht mit dem Mittel einer Provokation bewirkt, diese also durch die bestehende Verdachtslage nicht mehr getragen, so steht das nicht mehr im Einklang mit dem generellen Auftrag der dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verpflichteten Strafrechtspflege. Das schließt eine bloße Nachfrage, ob der Tatverdächtige sich auf ein erheblich unrechtsgesteigertes Drogengeschäft einläßt, oder ein schlichtes Mitwirken der VP an einem solchermaßen gestei-
gerten Unrecht nicht aus, wenn dadurch die Schwelle zur Provokation nicht überschritten wird. Bei der Beurteilung der Unrechtsqualität des gegen den Provozierten bestehenden Tatverdachts - die ihrerseits die Zulässigkeit der Tatprovokation begrenzt - können neben den tatsächlichen Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, auch die deliktsspezifischen Gegebenheiten mit in Betracht gezogen werden: Cannabisverbraucher beziehen Haschisch oft bei Drogenhändlern , die auch mit sogenannten harten Drogen handeln (sog. Einheitlichkeit des Drogenmarktes, vgl. BVerfGE 90, 145, 181). Es entspricht auch nach der Erfahrung des Senats gängiger Praxis beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nach neu geknüpften Lieferbeziehungen zunächst sogenannte Vertrauenskäufe über kleinere Mengen zu tätigen, deren auch strafrechtliches Risiko aus Sicht der Täter zunächst noch nicht allzu hoch ist. Schließlich ist zu bedenken, daß Rauschgifthändler oft über gute Kontakte und "Geschäftsbeziehungen" zu anderen Drogenhändlern verfügen, die hinsichtlich Art und Menge des zu beschaffenden Rauschgiftes leistungsfähiger sind; sie vermögen solche Beziehungen dann ohne weiteres zu nutzen und sind dazu auch bereit, um daraus eigenen Gewinn zu ziehen. Ist jemand unter diesen Umständen "nur" des Handeltreibens mit Haschisch verdächtig, so erweist sich ein aufklärungsorientiertes Aufgreifen einer vorhandenen Tatbereitschaft im Sinne einer Veranlassung zu einem Heroingeschäft nicht schon deshalb als Tatprovokation, weil ein individueller Verdacht in diesem Sinne bis dahin nicht manifest geworden ist. Es kommt dann vielmehr darauf an, ob sich der Täter auf die ihm angesonnene Intensivierung der Tatplanung ohne weiteres einläßt, sich also geneigt zeigt, auch die Tat mit dem höheren Unrechtsgehalt zu begehen und an ihr mitzuwirken. Geht die qualitati-
ve Steigerung der Verstrickung des Täters indessen mit einer Einwirkung durch die VP einher, die von einiger Erheblichkeit ist (Tatprovokation), so liegt ein Fall der unzulässigen Tatprovokation vor. Nur in diesem Falle kann ein Konventionsverstoß angenommen werden, dem entsprechend Rechnung zu tragen ist (nach den Maßstäben von BGHSt 45, 321). In allen anderen Fällen erweist sich die Tatveranlassung durch eine polizeilich geführte VP als Umstand, der bei der konkreten Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden kann.
c) Das Landgericht wird die Sache nach Maßgabe dieser Grundsätze erneut zu prüfen haben. Dabei wird es zu versuchen haben, hinsichtlich des Maßes der Einwirkung der VP auf den Angeklagten sowie des Gewichts und der Qualität des Tatverdachts gegen diesen Feststellungen zu treffen. Gegebenenfalls ist eine Konventionsverletzung ausdrücklich festzustellen und ein genau bemessener Abschlag bei der Bemessung der Einzelstrafe für den in Rede stehenden Fall B. II. der Urteilsgründe vorzunehmen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß dieser Abschlag anders ausfallen könnte, falls das Landgericht zu dem Ergebnis käme, daß hier ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt.
4. Der in Rede stehende Rechtsfehler kann sich allein auf die für die Heroingeschäfte (Fälle B. II. der Urteilsgründe) und die für diese zugemessene Einzelstrafe sowie auf die Gesamtstrafe auswirken. Die Einzelstrafe für den Fall B. I. der Urteilsgründe (Haschischgeschäfte) und der Schuldspruch, der einen sachlich-rechtlichen Mangel nicht erkennen läßt, können hingegen bestehen bleiben. Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 390/08
vom
10. November 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Diebstahls
zu 2.: gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten J. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 25. April 2008 im Ausspruch über den Wertersatzverfall aufgehoben; dieser entfällt. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten J. sowie die Revision des Angeklagten E. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 MRK) hat es ein Jahr und sechs Monate für vollstreckt erklärt. Außerdem hat es den Wertersatzverfall von 60.000 € angeordnet. Den Angeklagten E. hat es wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und davon zwei Jahre für vollstreckt erklärt.
2
1. Die auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten J. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
a) Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
4
(1) Die Rüge einer Verletzung von § 254 StPO ist zulässig erhoben, weil die Revision die den Mangel begründenden Tats achen vorträgt. Sie bleibt indes im Ergebnis ohne Erfolg.
5
Das Landgericht hat über das "Geständnis" des Angeklagten, das dieser auch im Hinblick auf die ihm hier zur Last gelegten Taten in einem anderen, gegen ihn im Jahr 2000 geführten Strafverfahren abgegeben hat, durch Verlesung einer damals für den Angeklagten vom Verteidiger abgegebenen und als Anlage zum Protokoll genommenen Erklärung nach § 254 StPO Beweis erhoben. Dies hält rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil die Aussage des Angeklagten nicht in einem richterlichen Protokoll enthalten ist. Wenn sich der Angeklagte bei seiner - geständigen - Einlassung in der Hauptverhandlung der Hilfe seines Verteidigers in der Form bedient, dass der Verteidiger mit seinem Einverständnis oder seiner Billigung für ihn eine schriftlich vorbereitete Erklärung abgibt und diese sodann - unnötigerweise - vom Gericht entgegengenommen und als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommen wird, so ändert dies nichts daran, dass sich der Angeklagte damit mündlich geäußert und das Gericht den Inhalt dieser Äußerung in den Urteilsgründen festzustellen hat. Zum Bestandteil des Hauptverhandlungsprotokolls ist sie dadurch nicht geworden.
6
Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf diesem Fehler beruht. Von der Schuld des Angeklagten hat sich das Landgericht durch eine Beweisaufnahme über die einzelnen Taten überzeugt und dabei auch den damals ge- ständigen Mitangeklagten A. als Zeugen gehört, der nahe liegend auch den Umstand bekundet hat, dass sich der Angeklagte im Jahr 2000 in der Hauptverhandlung geständig eingelassen hatte. Weitergehende Details konnte das Landgericht aus der ohnehin weitgehend inhaltsleeren Verteidigererklärung nicht entnehmen.
7
(2) Die Rüge im Zusammenhang mit dem Hilfsbeweisantrag ist zulässig erhoben, bleibt aber ohne Erfolg, weil das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die Behauptung, der Zeuge A. habe im Januar und Februar 2000 "nicht stets die Wahrheit gesagt", keine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsache ist.
8
(3) Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben, da der Beschwerdeführer sämtliche, den Mangel begründenden Tatsachen vorgetragen hat. Der Mitteilung des Hauptverhandlungsprotokolls sowie weiterer Schreiben bedurfte es entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet den Beschwerdeführer nur zum vollständigen Tatsachenvortrag , nicht auch darüber hinausgehend zum Beweisantritt. Die Rüge greift aber aus den vom Generalbundesanwalt ergänzend dargelegten Gründen in der Sache nicht durch.
9
b) Die Anordnung des Wertersatzverfalls kann keinen Bestand haben. Das Landgericht verkennt, dass § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auch dann eingreift, wenn dem Bestohlenen der Schaden von einem Versicherer ersetzt worden ist. In diesem Fall geht die Forderung des Versicherungsnehmers im Wege des gesetzlichen Anspruchs-Übergangs (§ 86 Abs. 1 VVG = § 67 Abs. 1 VVG aF) auf den Versicherer über (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 73 Rdn. 23). Der Senat lässt deshalb die Verfallsentscheidung entfallen.
10
c) Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
11
2. Die auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten E. bleibt erfolglos, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Senat bemerkt ergänzend, dass auch hier die Besetzungsrüge entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zulässig erhoben worden ist. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.