Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2017 - 1 StR 532/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270117B1STR532.16.0
bei uns veröffentlicht am27.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 532/16
vom
27. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270117B1STR532.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2017 nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 18. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden ist (Tat 5. der Urteilsgründe ), hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben,
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung , Vergewaltigung, Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung sowie Bedrohung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung von Verfah- rensrecht und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, ist aber im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte und die Geschädigte K. begannen in der Silvesternacht 2015/2016 eine Liebesbeziehung. Nachdem es zwischen ihnen zahlreiche Male zum Geschlechtsverkehr gekommen war, wollte die Geschädigte in den frühen Morgenstunden des 3. Januar 2016 wegen Schmerzen keinen weiteren Vaginalverkehr mehr. Dies wollte der Angeklagte nicht hinnehmen , beleidigte die Geschädigte und beschloss seinen diesbezüglichen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Er legte sich auf die Geschädigte, hielt ihre Arme fest und drückte ihre Beine auseinander, um sodann den ungeschützten Vaginalverkehr mit ihr zu vollziehen. Sowohl den entgegenstehenden Willen als auch ihre ersichtlichen Schmerzen ignorierend, äußerte er, er wisse, dass es wehtue, aber er müsse sie „so rannehmen“. Anschließend setzte er sich mit seinen Beinen auf ihre Oberarme und würgte sie mit beiden Händen. Er forderte von ihr die Durchführung des Oralverkehrs. Auf ihre Bitten aufzuhören, ließ er von ihr ab.
4
2. Nach dem Geschehen umwarb der Angeklagte die Geschädigte und gelobte inständig, sich zu bessern. Die Geschädigte ging hierauf ein und beide setzten die Beziehung fort. Der Angeklagte reagierte zunehmend eifersüchtig auf Kontakte der Geschädigten zu anderen Männern. Als sie am 13. Januar 2016 einen Anruf erhielt, riss der Angeklagte ihr das Telefon aus der Hand. Er stieß sie auf die Couch, warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf sie und zog sie aus. Die Geschädigte wehrte sich durch Tritte dagegen, konnte aber gegen die körperliche Übermacht des Angeklagten nichts ausrichten. Er ergriff ihre Arme, drückte mit seinen Beinen ihre Beine auseinander und führte sein Glied in ihre Scheide ein. Sie bat ihn, damit aufzuhören. Da ihn ihr Flehen störte , ergriff er ein neben der Couch liegendes Küchenmesser und drückte es ihr an den Hals. Er sagte zu ihr, sie wolle „das“ doch auch, sie liebe ihn und wolle mit ihm zwei Kinder, deren Namen er nannte. Er drückte ihr die Klingenspitze gegen die Wange und drohte, er werde ihr „Gesicht kaputt schneiden“, damit sie nur noch bei ihm bleibe.
5
3. Am Abend dieses Tages geriet der Angeklagte mit der Geschädigten wegen des Geschehens zu 2. in Streit. Sie erklärte ihm, ein solches Verhalten nicht mehr hinnehmen zu wollen. Er holte daraufhin ein Tapeziermesser und hielt es der Geschädigten vor das Gesicht. Hierbei schrie er, er werde sie umbringen und sodann sich selbst töten. Sodann versetzte er ihr fünf Schläge mit seinem Ledergürtel.
6
4. In den folgenden Tagen bemühte sich der Angeklagte intensiv um die Geschädigte und gelobte Besserung. Er bat sie flehentlich, ihn nicht allein zu lassen. Als die Geschädigte mit ihren Freundinnen am 23. Januar 2016 einen Ausflug nach Würzburg unternehmen wollte, drängte er sich mit in das Fahrzeug. Da er Angst hatte, dass sich die Geschädigte mit anderen Männern treffen werde, war er verärgert, als die Geschädigte ihm in Würzburg entkommen war. Auf der Rückfahrt saß er neben der Geschädigten auf dem Rücksitz und flüsterte ihr zu, er habe ein Messer dabei, damit werde er ihr Gesicht aufschlitzen. An einem Halt zerrte er sie aus dem Auto, hielt ihr das Messer an den Hals und vor ihr Gesicht, um seine Ankündigung zu unterstreichen. Er beschimpfte sie, ließ aber schließlich von ihr ab, als die Freundinnen drohten, die Polizei zu rufen und ein Passant dazwischentrat.
7
5. In den folgenden Tagen söhnte sich die Geschädigte mit dem Angeklagten aus und setzte die Beziehung mit ihm gegen den Rat ihrer Eltern fort. Darüber war ihre Mutter sehr verärgert und verwies sie der von der Geschädigten bewohnten Wohnung. Daraufhin beschloss die Geschädigte vorübergehend bei dem Angeklagten zu übernachten. Zwei Tage später erzählte sie ihm von ihrem Plan, zu ihrer Freundin nach Frankfurt zu ziehen und sich sodann dort eine eigene Wohnung zu suchen. Der Angeklagte befürchtete, seinen Einfluss auf die Geschädigte zu verlieren und verbot ihr den Umzug. Die Geschädigte schloss sich aus Angst vor Übergriffen im Bad ein. Der Angeklagte verließ kurz die Wohnung, schloss bei seiner Rückkehr von ihr unbemerkt die Wohnungstür von innen ab und nahm den Schlüssel an sich, um die vollständige Herrschaft über die Geschädigte zu erlangen. Deswegen hatte er nunmehr auch eine Pistole bei sich. Er wollte ihr damit drohen, damit sie unter dem Eindruck der Drohung , ihren Plan nach Frankfurt zu ziehen, aufgibt. Auf seine Aufforderung öffnete sie die Badezimmertür, er richtete die Waffe auf sie und sagte, er bringe sie jetzt um. Er drückte ihr die Pistole an verschiedene Stellen des Kopfes, um seine Macht über sie auszukosten. Er gab mit der Pistole zweimal einen Schuss ab. Als die Geschädigte fliehen wollte, bemerkte sie die verschlossene Wohnungstür. Der Angeklagte schrie, er werde sie nicht gehen lassen. Als die Geschädigte überlegte, ob sie aus dem Fenster springen sollte, zog er sie vom Fenster weg, hielt ihr die Pistole vor das Gesicht und schrie: „Friedhof oder Frankfurt?“. Erwusste, dass ihm die Geschädigte hilflos ausgeliefert war und wollte dies nutzen, damit sie von ihren Umzugsplänen Abstand nimmt. Er rief eine Bekannte von ihm an, um diese um die Vermittlung einer Wohnung zu bitten. Sodann brachte er die Geschädigte durch die vorgehaltene Pistole dazu, dieser Bekannten gegenüber am Telefon zu bestätigen, mit dem Angeklagten zusammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen. Anschließend zog er sie in das Schlafzimmer, stieß sie auf das Bett und versetzte ihr mit seiner beringten Faust einen Schlag in das Gesicht. Als die Geschädigte schrie, ließ er von ihr ab und öffnete nach etwa 45 Minuten die Wohnungstür.

II.


8
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen der Erfolg versagt.
9
2. Während der Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung (Tat 2.), Vergewaltigung (Tat 1.) und Bedrohung in zwei Fällen (Taten 3. und 4.) keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann die Verurteilung wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung (Tat 5.) keinen Bestand haben.
10
Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte der Geschädigten bemächtigt und sie mit dem Tode bedroht hatte. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass der Angeklagte sich der Geschädigten bemächtigt hatte, um die von ihm geschaffene Lage zu einer Nötigung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 mwN; Beschluss vom 12. September 2013 – 2 StR 236/13, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 2). Soweit der Angeklagte also die Absicht verfolgte, die Zeugin durch die Bemächtigungssituation und die qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Umzugspläne aufzugeben, wäre der Tatbestand nicht erfüllt.
11
Ob der erforderliche funktionale Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung mit dem während der Bemächtigungslage erzwungenen Telefonat der Geschädigten einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 und vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36), lässt sich dem Urteil nicht hinreichend sicher entnehmen. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen dazu, ob das telefonische Bekenntnis zu Plänen für eine gemeinsame Wohnung nach der Vorstellung des Angeklagten eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Endzwecks darstellen sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 und vom 14. Januar 1997 – 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1; Beschluss vom 2. Oktober 1996 – 3 StR 378/96, BGHR StGB § 239b Entführen 4). Das Landgericht stellt – tragfähig belegt durch die Äußerung „Friedhof oder Frankfurt“ – mehrfach darauf ab,dass der Angeklagte von der Geschädigten die Aufgabe der Umzugspläne, mithin ein auf die Zukunft bezogenes Unterlassen erreichen wollte. Hierzu passt auch, dass es die Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB, mithin einen Verzicht auf die erstrebte Leistung angenommen hat. Ob der Angeklagte in dem Bekenntnis der Geschädigten gegenüber seiner Bekannten, nämlich mit dem Angeklagten zu- sammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen, eine eigenständig bedeutsame Vorstufe mit einer gesteigerten Verbindlichkeit für dieses Ziel gesehen hat, hat das Landgericht weder erwogen noch lässt es sich aus dem Gesamtzusammenhang entnehmen. Dagegen spricht bereits die Annahme der Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB. Allein durch die – zudem beweiswürdigend nicht unterlegte – Feststellung, der Angeklagte habe dies getan, um „sicher zu erreichen, dass K. ihre Umzugspläne aufgibt“, wirddies nicht tragfähig belegt. Denn es versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte davon ausging, durch die Bekräftigung der Pläne für eine gemeinsame Wohnung gegenüber seiner Bekannten, würde sich die Geschädigte verlässlich gebunden fühlen.
12
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs hinsichtlich Tat 5. der Urteilsgründe; erfasst wird auch die – konkurrenzrechtlich ohnehin im Hinblick auf den Einsatz der Todesdrohungen zur Erreichung des Endzieles bedenkliche (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322) – tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung. Der Aufhebung von Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bedurfte es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind.
13
3. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
14
a) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit deutlichen Borderline-Zügen leide, die den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfülle. Die Störung zeige sich in der Neigung zu impulsivem Handeln ohne die Folgen des Handelns in den Blick zu nehmen und Verlassensängsten. Insbesondere bei affektiven Einbrüchen komme es zu einer defizitären Impulskontrolle. Zudem liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Trotz des Vorliegens des Eingangsmerkmals sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten nicht beeinträchtigt gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen , dass sich der Tatzeitraum über einen Monat hingezogen habe und der Angeklagte während dieses Zeitraums zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen sei. Unbeeinflusst von akuten Erregungsmomenten habe ausreichend Zeit zur Reflexion bestanden; schließlich sei es ihm auch immer wieder gelungen, sich in diesem Zeitraum gegenüber der Geschädigten fürsorglich zu zeigen und keine Gewalt auszuüben.
15
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Indem das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen , musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137 und vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Denn für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist es maßgebend , ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN).
17
Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die Persönlichkeitsstörung einerseits schwer genug sein sollen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der – hiermit zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis stehenden – Erwägung, der Angeklagte sei zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen, keine relevante Aussagekraft zu.
18
bb) Zudem lassen die mehrmaligen Bezugnahmen auf den Zeitraum eines Monats besorgen, dass das Landgericht für die Frage, ob die festgestellte schwere andere seelische Abartigkeit zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt hat, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung verfehlt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die Begehung der Tat (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat(§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2015 – 4StR 196/15, NStZ-RR 2015, 275). Danach war hier auf die jeweilige Tathandlung , die nicht mehr als eine Stunde betragen hat, abzustellen und nicht auf den gesamten Zeitraum, in dem der Angeklagte verschiedene Delikte begangen hat. Ob der Angeklagte in den Zeiträumen zwischen den Taten zu fürsorglichem Handeln und Unrechtsreflektion in der Lage war, kommt daher keine maßgebliche Bedeutung zu.
19
cc) Eine Erörterung, ob sich die Symptome der den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreichenden Persönlichkeitsstörung, nämlich eine defizitäre Impulskontrolle bei affektiven Einbrüchen und Verlassensängsten , bei den jeweiligen Tatbegehungen ausgewirkt haben könnten, lässt sich dem Urteil hingegen nicht entnehmen. Hierzu hätte aber insbesondere deswegen Anlass bestanden, da diese Taten ausweislich der Feststellungen durch impulsives Verhalten und Verlassensängste beeinflusst waren.
20
c) Der Rechtsfehler lässt den verbleibenden Schuldspruch unberührt, der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war. Er führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Sache bedarf auch insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer

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Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 4 4 4 / 1 4
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
zu 2.: Freiheitsberaubung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Januar 2015, in der Sitzung am 12. Februar 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 28. Januar 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 28. Januar 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten E. ,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2014 wird verworfen, soweit es den Angeklagten E. betrifft. 2. Die Staatskasse hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten E. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

II.

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich des Angeklagten R. - auch zu seinen Gunsten - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall B II 4 der Urteilsgründe) sowie im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, Diebstahls und Freiheitsberaubung , letztere jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub, zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten R. freigesprochen. Der Angeklagte R. war zur Tatzeit des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln noch Heranwachsender.
2
Den Angeklagten E. hat das Landgericht wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
3
Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen die Verurteilung beider Angeklagter wegen Geiselnahme nach § 239b StGB und zusätzlich die Verurteilung des Angeklagten R. wegen besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Darüber hinaus beanstandet sie beim Angeklagten R. die Anwendung von Jugendstrafrecht.
4
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel führen hinsichtlich des Angeklagten R. zur Aufhebung des Urteils; hinsichtlich des Angeklagten E. bleiben sie ohne Erfolg.

I.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist bezüglich des Angeklagten R. rechtswirksam auf den Schuldspruch in Fall B II 4 der Urteilsgründe sowie den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
6
Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründung die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils beantragt und zugleich die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Gegenstand der nachfolgenden Begründung ist allerdings nur Fall B II 4 des Urteils. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Revisionsbegründung. Dieser ist jedoch in einer Gesamtschau zu entnehmen , dass der Schuldspruch in den Fällen B II 1, 2 und 3 und der Teilfreispruch nicht angegriffen werden sollen. Umstände, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuldfrage in den Fällen B II 1, 2 und 3 oder des Teilfreispruchs (B II 1) und der Rechtsfolgenfrage ergibt, liegen nicht vor.

II.

7
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
8
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte und übergab der am 5. November 1991 geborene Angeklagte R. zwischen Mai 2012 und August 2012 dem anderweitig Verfolgten Z. zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils mindestens 20 g Amphetamin-Gemisch zu einem Preis von jeweils 200 bis 300 €.
9
b) Kurz vor dem 28. September 2012 veräußerte und übergab der Angeklagte R. dem anderweitig Verfolgten Z. mindestens 363,2 g Amphetamin-Gemisch zu einem Preis von 5.000 € auf Kommission.
10
c) Zwischen dem 28. September 2012 und dem 7. Januar 2013 suchte der Angeklagte R. die Wohnung des anderweitig Verfolgten Z. auf, der sich zu dieser Zeit in Untersuchungshaft befand. Er beabsichtigte, ein Mischpult und ein Interface, das er diesem geliehen hatte, mitzunehmen; er fand diese Geräte aber nicht. Stattdessen nahm er zwei Synthesizer des anderweitig Verfolgten Z. im Wert von insgesamt 800 € mit.
11
d) Der Angeklagte R. befürchtete, dass ihn der anderweitig Verfolgte Z. in einer polizeilichen Vernehmung belastet hatte. Am 7. Januar 2013 wurde der anderweitig Verfolgte Z. aus der Untersuchungshaft entlassen. Am 22. Januar 2013 beschlossen die beiden Angeklagten , den anderweitig Verfolgten Z. in bewusstem und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zur Rede zu stellen, ihn gegen seinen Willen im Auto festzuhalten und massiv einzuschüchtern, um so dessen Aussage bei der Polizei zu erfahren. Zugleich strebten sie eine ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht klare Lösung für das Problem des Angeklagten R. an, das er wegen der Aussage des anderweitig Verfolgten Z. zu haben glaubte. Nachdem sie von einem Bekannten erfahren hatten , dass sich der anderweitig Verfolgte Z. vor dem Anwesen der Zeugin M. aufhielt, fuhren sie mit dem Pkw dorthin. Der Angeklagte R. bedeutete dem anderweitig Verfolgten Z. in unfreundlichem Ton, man müsse reden und fasste ihn an der Schulter, um ihn so dazu zu bewegen, in das parkende Auto einzusteigen. Der anderweitig Verfolgte Z. wagte es nicht, sich zu wehren und stieg ein. Er führte eine Tasche mit einem Apple MacBook und einem MIDI Controller im Gesamtwert von etwa 600 bis 930 € mit sich. Er nahm auf der Rückbank hinter dem Fahrer R. Platz; der Angeklagte E. setzte sich rechts neben ihn. Dann fuhr der Angeklagte R. los. Auf einem Autobahnrastplatz hielt er an und setzte sich links neben den Geschädigten auf die Rückbank. Dieser saß nun zwischen den beiden Angeklagten und dachte sich, dass es ihnen um seine Aussage bei der Polizei gehen würde. Der Angeklagte E. sagte zu dem Geschädigten, er habe allen Grund, Angst zu haben. Darauf teilte der Geschädigte den Angeklagten mit, er habe der Polizei R. als Hintermann seiner Drogenkäufe benannt, und schilderte ihnen seine Aussage. Er befürchtete, den Angeklagten könne nun in den Sinn kommen, ihn umzubringen, um die Aussage ungeschehen zu machen, und hatte Todesangst. Er bot den Angeklagten an, seine Aussage zurückzunehmen. Der Angeklagte R. gab nun vor, außerhalb des Autos mit seinen Hintermännern telefonieren zu müssen. Dann teilte er dem Geschädigten mit, dass eine Rücknahme der Aussage nicht möglich sei, die Hintermänner ihn jetzt abholen und ins Ausland verbringen würden. Ob sie ihn dort umbringen würden, wisse er nicht. Der Angeklagte E. drohte dem Geschädigten damit, dass auch dessen Familie und Freundin etwas zustoßen würde, wenn R. etwas passieren sollte. Als der Geschädigte austreten musste, bewachte ihn der Angeklagte E. und sagte ihm, wenn er weglaufen sollte, sei er tot. Er forderte ihn auf, mit der Zeugin M. zu telefonieren und ihr zu sagen, alles sei in Ordnung, man ginge nur zu McDonalds. Das tat der Geschädigte.
12
Der Angeklagte R. holte im Verlauf des Gesprächs im Auto ein Elektroimpulsgerät aus seiner Jackentasche heraus und schoss dem Geschädigten zweimal in den Hals. Hierdurch erlitt dieser erhebliche Schmerzen und Krämpfe. Das hatte der Angeklagte R. auch gewusst und gewollt. Der Angriff beruhte nicht auf einem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten E. und wurde von diesem auch nicht gebilligt. Der Geschädigte befand sich weiterhin in Todesangst und versuchte erneut, die Angeklagten davon zu überzeugen, dass er die Aussage bei der Polizei zurücknehmen werde.
13
Der Angeklagte R. stieg nun abermals aus dem Pkw aus und telefonierte wiederum fiktiv mit etwaigen Hintermännern. Danach forderte er den Geschädigten auf, ihm ein Angebot zu machen, er würde die Sache dann abblasen. Die Angeklagten und der Geschädigte kamen daraufhin überein, dass der Geschädigte seine Aussage bei der Polizei ändern und angeben werde , dass er den Angeklagten R. fälschlich beschuldigt habe. Nachdem sie auch Namen von alternativ zu benennenden Hintermännern besprochen hatten, setzte der Angeklagte R. die Fahrt fort.
14
Während der Rückfahrt beschloss er, dem Geschädigten das elektronische Gerät, das dieser bei sich hatte, als Ausgleich für noch offene Kommissionsschulden und etwaige zukünftige Anwaltskosten wegzunehmen. Dass er auf die Gegenstände keinen Anspruch hatte, wusste er. Unter Ausnutzung der von ihm erkannten, massiven Einschüchterung und Angst des Geschädigten verlangte er am Ende der Fahrt und noch im Auto in Gegenwart des Angeklagten E. die Herausgabe des in der Tasche befindlichen MacBooks und des MIDI Controllers. Er sagte dem Geschädigten, das sei "für die Anwaltskosten". Der Geschädigte wollte ihm diese Gegenstände zwar nicht geben, duldete aber unter dem Eindruck des kurz zuvor erfolgten Einsatzes des Elektroschockers und der Todesdrohungen die Wegnahme der Tasche und die Herausnahme der Gegenstände. Er wollte nur mit dem Leben davon kommen und befürchtete den Einsatz weiterer Gewalt.
15
Die Wegnahme der Gegenstände beruhte nicht auf einem mit dem Angeklagten E. gefassten Tatplan. Der Angeklagte E. billigte dieses Vorgehen auch nicht.
16
Nach der Verhaftung bemühten sich beide Angeklagte darum, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. Der Angeklagte R.
schrieb dem Geschädigten aus der Untersuchungshaft einen Entschuldigungsbrief. Während der Hauptverhandlung entschuldigte er sich mündlich bei ihm und bot ihm eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.500 € an; zugleich erklärte er sich mit der Ausreichung der bei ihm sichergestellten 300 € an den Geschädigten einverstanden. Der Geschädigte nahm die Entschuldigungen, die Ausgleichszahlung und die Ausreichung des sichergestellten Geldes an.
17
Der Angeklagte E. schloss mit dem Geschädigten eine Vereinbarung , die neben einer Entschuldigung auch eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1.500 € an den Geschädigten umfasste. In der Hauptverhandlung entschuldigte er sich mündlich bei dem Geschädigten, der die Entschuldigung annahm.
18
2. Das Landgericht hat das Geschehen in der rechtlichen Würdigung bei dem Angeklagten R. als Nötigung (§ 240 StGB) in Tateinheit jeweils mit Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und schwerem Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB) und bei dem Angeklagten E. als Nötigung (§ 240 StGB) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) gewertet.
19
Eine Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, der während der Entführung durchgesetzte Nötigungserfolg , also die Mitteilung, welche Angaben bei der Polizei gemacht wurden, sei nicht durch die erforderlichen qualifizierten Nötigungsmittel herbeigeführt worden , während die späteren Todesdrohungen nur zu einem abgenötigten Verhalten in Gestalt des Widerrufs der belastenden Angaben bei der Polizei nach Ende der Bemächtigungssituation führen sollten. Die bloße Zusage späteren Verhaltens reiche für eine Straftat nach § 239b Abs. 1 StGB nicht aus.
20
In Bezug auf die Wegnahme der elektronischen Geräte durch den Angeklagten R. hat das Landgericht ausgeführt, die Bemächtigungssituation und die Nötigung mit der Zielrichtung der Rücknahme der Aussage seien beendet gewesen, man habe die Sache „abgeblasen“ und sei zurückgefahren, so dass auch insoweit kein weiterer, qualifizierter Nötigungserfolg gegeben sei.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist hinsichtlich des Angeklagten E. unbegründet. Das Landgericht hat auf der Grundlage der Feststellungen zutreffend eine Geiselnahme (§ 239b StGB) verneint und ihn der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung schuldig gesprochen.
22
Eine Geiselnahme begeht, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt.
23
Zwar haben die Angeklagten den Geschädigten entführt, sich seiner bemächtigt und ihn eingeschüchtert. Er teilte deshalb auch von sich aus den Inhalt seiner Aussage vor der Polizei mit und bot noch vor der ersten Todesdrohung an, seine Aussage zurückzunehmen. Nach den Todesdrohungen versuchte er erneut, die Angeklagten zu überzeugen, dass er die Aussage zurücknehmen werde und einigte sich schließlich mit ihnen darauf, die R. belastende Aussage bei der Polizei abzuändern und anzugeben, er habe die- sen fälschlich beschuldigt, wobei nun andere als Hintermänner benannt werden sollten.
24
Es ist jedoch nicht festgestellt, dass die Angeklagten den Geschädigten entführt haben, um ihn zu einer Handlung zu nötigen, die er während der Entführung vornehmen sollte. Zwischen der Entführung und der beabsichtigten Nötigung muss aber ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 355; BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 236/13, StV 2014, 218). Hier verfolgten die Angeklagten aber die Absicht, den Geschädigten durch Entführung und qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage den Angeklagten R. bei der Polizei zu entlasten. Damit ist der Tatbestand nicht erfüllt.
25
Soweit der Geschädigte noch während der Bemächtigungslage seine Bereitschaft erklärt hat, künftig vor der Polizei wie gewünscht auszusagen, reicht diese Absichtserklärung für den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht aus. Allerdings kann auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der ein weitergehendes Ziel vorbereitet, eine Nötigung darstellen (BGH, Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082 f.; und vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.), wenn die Handlung des Opfers eine nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs ist (BGH, Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082 f.; und vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.).
26
Eine solche eigenständig bedeutsame Vorstufe in Gestalt einer gesteigerten Verbindlichkeit scheidet anhand der getroffenen Feststellungen aber aus. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, die Angeklagten seien davon ausgegangen, dass sie bereits während der Bemächtigungssituation erreichen konnten, dass der Geschädigte sich zu diesem Zeitpunkt verlässlich und endgültig zur Rücknahme der den Angeklagten R. belastenden Aussage und der Beschuldigung Dritter verpflichtet. Angesichts dessen, dass sie zu Beginn des Tatgeschehens keine klare Vorstellung darüber hatten, wie sie das durch die belastende Aussage entstandene Problem des Angeklagten R. lösen könnten, liegt es fern, dass nach ihrer Vorstellung die Zusage eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs sein sollte. Die Zusage verbesserte die Beweislage für den Angeklagten R. und seine Position als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren nicht. Sie enthielt keine verbindliche Erklärung über das zukünftige Aussageverhalten des Geschädigten , aus der er irgendeinen rechtlichen Nutzen ziehen könnte. Dem Geschädigten wurde auch nicht abverlangt, seine entlastende Aussage schriftlich niederzulegen , Hintermänner zu belasten und seine Erklärung zu unterschreiben. Zudem erklärte der Geschädigte seine Bereitschaft, die Aussage zurückzunehmen , bereits vor der ersten Drohung mit dem Tode.
27
Soweit der Angeklagte E. den Geschädigten veranlasst hat, mit der Zeugin M. zu telefonieren und ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei, ist dies ebenfalls keine hinreichende Vorstufe des gewollten Enderfolgs. Es fehlt an der finalen Verknüpfung zwischen der Bemächtigungslage und ihrer Ausnutzung zum Zwecke der Nötigung. Das Telefonat diente lediglich der Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage, um die Zeugin zu beruhigen und davon abzuhalten , die Polizei einzuschalten.
28
Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten E. nur die Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick auf das erzwungene Telefonat ) vollendeten Nötigung.
29
Zwar sind die Ausführungen des Landgerichts insoweit widersprüchlich als es die Voraussetzungen des § 239b StGB mangels eines während der Bemächtigungslage erzielten Teilerfolgs ablehnt, dann aber eine vollendete Nötigung durch dieses Geschehen mit der Begründung annimmt, die Angeklagten hätten dem Geschädigten die Zusage zur Rücknahme seiner Angaben gegenüber der Polizei durch Drohungen mit dem Tod abgerungen (UA S. 50).
30
Indes liegt eine vollendete Nötigung beim Angeklagten E. schon deshalb vor, weil er den Geschädigten während der Entführung durch die Drohung , er habe allen Grund, Angst zu haben, zur Preisgabe seiner gegenüber der Polizei getätigten Angaben gezwungen hat.
31
Auch der Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat den Strafrahmen gemäß § 46a StGB gemildert, weil es zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte E. mit dem Geschädigten erfolgreich einen TäterOpfer -Ausgleich durchgeführt hat.

IV.

32
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt hinsichtlich des Angeklagten R. - jeweils insoweit auch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - zur Aufhebung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
33
Das Landgericht hat bei dem Angeklagten R. zutreffend eine Verurteilung wegen Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB abgelehnt (siehe Ziffer III.). Es hat ihn wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub schuldig gesprochen. Die in den Urteilsgründen ebenfalls festgestellte tateinheitliche Nötigung hat das Landgericht - offensichtlich wegen eines Fassungsversehens - nicht in den Tenor aufgenommen (UA S. 46, 49). Die Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB hält jedoch der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen hierzu lückenhaft sind. Demgegenüber liegt auch ein den Angeklagten begünstigender Rechtsfehler vor, weil das Landgericht eine Prüfung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und des § 239a StGB unterlassen hat.
34
1. Das Landgericht hat die Tatbestandsvoraussetzungen des schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB bejaht, soweit der Angeklagte R. dem Geschädigten am Ende der Rückfahrt dessen MacBook und den MIDI Controller wegnahm. Die Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, die erfüllt wäre, wenn das Elektroimpulsgerät als gefährliches Werkzeug verwendet worden wäre, hat es nicht geprüft.
35
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte R. unter Ausnutzung der von ihm erkannten massiven Einschüchterung und Angst des Geschädigten die Herausgabe der elektronischen Geräte verlangte und ihm sagte, das sei für die Anwaltskosten. Der Geschädigte, der sich weiterhin im Auto und im Einflussbereich der Angeklagten befunden habe, habe unter dem Eindruck des kurz zuvor erfolgten Einsatzes des Elektroschockgeräts und der Todesdrohungen die Wegnahme der Gegenstände geduldet. Er habe nur mit dem Leben davon kommen wollen und den Einsatz weiterer zeitnaher Gewalt befürchtet (UA S. 7, 22).
36
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 50) hat das Landgericht ausgeführt, zum Zeitpunkt der Wegnahme sei die Bemächtigungssituation beendet gewesen, man hatte die Sache "abgeblasen" und fuhr zurück. Das Nötigungsmittel der Drohung mit weiterer Gewalt und die Wegnahme des technischen Geräts seien funktional verknüpft gewesen. Die kurz zuvor durch den Einsatz des Elektroschockers verübte Gewalt habe als aktuelle Drohung neuer Gewaltanwendung weiter auf den Geschädigten eingewirkt. Dieser habe sich unverändert im Einflussbereich des Angeklagten R. befunden, von dem er wusste, dass er den Elektroschocker bei sich führte, und des Angeklagten E. , der ihn zuvor - ebenso wie der Angeklagte R. - mit dem Tode bedroht hatte. Er sei im Zeitpunkt der Wegnahme nicht nur allgemein eingeschüchtert gewesen, sondern habe sich der Wegnahme nicht zu widersetzen gewagt, weil er den Einsatz weiterer, zeitnaher Gewalt befürchtet habe. Dies habe der Angeklagte R. bewusst ausgenutzt.
37
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Raubes nicht.
38
Nach § 249 Abs. 1 StGB wird derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt oder Drohung müssen dabei Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365,

367).

39
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, NStZ 2008, 687), also durch schlüssiges Verhalten oder mit unbestimmten Andeutungen in versteckter Weise, die ein Übel für das Opfer er- kennbar ankündigen. Erforderlich ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht; es genügt nicht, wenn der andere nur erwartet, der Täter werde ihm ein empfindliches Übel zufügen (BGH, Urteil vom 17. März 1955 - 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 253). Die konkludente Drohung mit Fortführung der Gewalt setzt also voraus, dass sich den Gesamtumständen einschließlich der zuvor verübten Gewalt die aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung entnehmen lässt, der Täter also in irgendeiner Form schlüssig erklärt, er werde einen eventuell geleisteten Widerstand mit Gewalt gegen Leib oder Leben brechen. Nur dann wirkt die zuvor verübte Gewalt als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weiter. Nutzt der Täter hingegen die durch die vorangegangene Gewaltanwendung entstandene Angst und Einschüchterung des Opfers nur aus, ohne diese durch eine ausdrückliche oder konkludente Drohung zu aktualisieren, fehlt es an der erforderlichen Finalität (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1994 - 2 StR 431/94, StV 1995, 416 mwN; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 249 Rn. 31). Ein Schuldspruch wegen Raubes scheidet aus.
40
Bei der Anwendung der Gewalt mit dem Elektroimpulsgerät handelte der Angeklagte noch nicht mit dem Ziel, dem Geschädigten etwas wegzunehmen. Die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung hat er nach Fassen des Wegnahmevorsatzes nicht fortgesetzt.
41
Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor der Wegnahme , die eine auch nur konkludente Drohung mit weiterer Gewalt nach dem Fassen des Wegnahmeentschlusses beinhaltet, ist nicht festgestellt. Das Landgericht führt lediglich aus, dass die „Bemächtigungssituation und die Nöti- gung mit der Zielrichtung der Rücknahme der Aussage“ (UA S. 50) beendet war und der Angeklagte R. das Herausgabeverlangen mit der Bemer- kung erläuterte, das sei "für die Anwaltskosten". Ob darin ein vom Angeklagten gewollter Erklärungsinhalt im Sinne einer versteckten Andeutung der Androhung erneuter Gewaltanwendung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Erzwingung der Wegnahme liegt und ob der Geschädigte dies dann auch so verstanden hat, lässt das Urteil offen. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeentschluss eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht.
42
Die Feststellungen lassen offen, wo das Elektroschockgerät nach seinem Einsatz verblieben ist, wie sich der Angeklagte R. und der Geschädigte genau verhalten haben, wo sich das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt befand (u.U. bereits wieder vor der Wohnung der Zeugin M. ) und wodurch die Äußerung, das sei für die Anwaltskosten, ausgelöst wurde.
43
2. Sofern das neue Tatgericht die Finalität zwischen Gewaltandrohung und Wegnahmehandlung feststellen sollte, wird auch zu prüfen sein, ob der Angeklagte R. das Elektroimpulsgerät im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet hat.
44
Ein besonders schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist gegeben , wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. Das Elektroimpulsgerät ist ein gefährliches Werkzeug (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 3 StR 345/03, NStZ-RR 2004,

169).

45
Ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bei der Tat verwendet, wenn es der Täter als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt und das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des gefährlichen Werkzeugs wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 316/11, StV 2012, 153 mwN). Dabei setzt (vollendetes ) Verwenden zur Drohung voraus, dass das Opfer das Nötigungsmittel als solches erkennt und die Androhung seines Einsatzes wahrnimmt. Die Äußerung der Drohung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Die konkludente Drohung erfordert, dass nach ihrem Erklärungsinhalt mit dem Einsatz des gefährlichen Werkzeugs gedroht wird. Dies gilt auch dann, wenn das gefährliche Werkzeug bereits in anderem Zusammenhang gebraucht worden ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365, 367).
46
Kein Verwenden ist das bloße Mitsichführen des gefährlichen Werkzeugs und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn es offen erfolgt (BGH, Urteile vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, StV 2008, 470; und vom 18. Februar 2010 - 3 StR 556/09, NStZ 2011, 158, 159; BGH, Beschluss vom 8. Mai2012 - 3 StR 98/12, NStZ 2013, 37).
47
Die Annahme eines besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt hier also voraus, dass der Angeklagte konkludent mit dem erneuten Einsatz des Elektroschockgeräts gedroht hat, sich dieser konkludenten Drohung auch bewusst war und den Geschädigten dadurch veranlassen wollte, die Wegnahme zu dulden. Der Geschädigte wiederum muss eine Drohung mit diesem Erklärungsinhalt auch wahrgenommen haben.
48
Die Feststellungen lassen offen, ob der Angeklagte R. konkludent mit dem Einsatz des Elektroschockgeräts gedroht und damit dieses gefährliche Werkzeug im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet hat. Sie ergeben nicht, dass der Angeklagte R. am Ende der Fahrt das Elektroimpulsgerät in irgendeiner Weise dem Geschädigten präsentierte oder in sonstiger Weise in Erinnerung brachte und der Geschädigte dies auch so wahrgenommen hat. Allein die möglicherweise nach wie vor bestehende Verfügungsgewalt des Angeklagten R. über das Elektroimpulsgerät und dessen früherer Einsatz belegen keine konkludente Drohung, es bei Nichtbefolgung seines Herausgabeverlangens erneut einzusetzen. Da die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen zweckgerichteten Einsatz des gefährlichen Werkzeugs voraussetzt, reicht es nicht aus, dass der Geschädigte sich deshalb fügte, weil er den Einsatz weiterer Gewalt befürchtete.
49
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen getroffen werden können.
50
3. In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, ob sich der Angeklagte R. durch das Herausgabeverlangen und die Wegnahme der elektronischen Geräte eines erpresserischen Menschenraubes nach § 239a Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat; denn nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Geschädigte unverändert im Einflussbereich des Angeklagten R. , von dem er wusste, dass er den Elektroschocker bei sich führte, und des Angeklagten E. , der ihn zuvor - ebenso wie der Angeklagte R. - mit dem Tod bedroht hatte (UA S. 50). Allerdings geht das Landgericht davon aus, dass eine „Bemächtigungssituation“ zu diesem Zeitpunkt beendet war (siehe Ziffer IV. 1.b).
51
Zwar liegt nicht fern, dass die Rückfahrt auch dem Wunsch des Geschädigten nach Rückkehr entsprach, so dass die Entführung (und die Freiheitsberaubung ) aufgrund eines Einverständnisses des Opfers mit der nunmehr vorgenommenen Ortsveränderung und dem Verbleib im Auto tatsächlich ihr Ende gefunden hatte. Jedoch sind die Feststellungen hierzu unklar.
52
4. Eine vollendete Nötigung liegt beim Angeklagten R. bereits deshalb vor, weil die Angeklagten den Geschädigten einvernehmlich mittels der durch die Entführung verstärkten Drohung, er habe allen Grund, Angst zu haben , zur Preisgabe seiner gegenüber der Polizei getätigten Angaben gezwungen haben. Hinsichtlich der in Bezug auf § 239b StGB widersprüchlichen Ausführungen des Landgerichts wird auf Ziffer III. verwiesen.
53
Ob der Geschädigte seine Aussage vor der Polizei zurückgenommen hat und damit ein weiterer Nötigungserfolg eingetreten ist, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
54
5. Die Aufhebung des Schuldspruchs bei demAngeklagten R. zieht die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
55
Allerdings merkt der Senat an, dass die einheitliche Anwendung von Jugendstrafrecht auf den Angeklagten R. auf der Grundlage der bisherigen (wenngleich lückenhaften) Feststellungen nicht rechtsfehlerhaft ist.
56
Einen Rechtsfehler stellt es aber dar, im Rahmen der Bemessung der Jugendstrafe offen zu lassen, ob ein vertypter Milderungsgrund (hier § 46a StGB) gegeben ist oder nicht; denn ein vertypter Milderungsgrund prägt das in der Straftat hervorgetretene Unrecht.
57
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird die Anwendung von Jugendstrafrecht auf der Grundlage des dann im Fall B II 4 erfolgten Schuldspruchs neu zu prüfen haben.

V.

58
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO. Raum Graf Cirener Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 236/13
vom
12. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Februar 2013, soweit es ihn betrifft, im Fall II.4 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, Nötigung und Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

2
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Soweit das Landgericht den Hilfsbeweisantrag zur Vernehmung der Zeugin B. nicht ohne Rechtsfehler zurückgewiesen hat, ist auszuschließen, dass das Urteil hierauf beruht. Den Urteilsgründen, die das Revisionsgericht insoweit zusätzlich berücksichtigen kann, lässt sich hinreichend entnehmen, dass sich das Landgericht ausführlich mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin K. auseinandergesetzt hat und bei Erwiesensein der in das Wissen der Zeugin B. gestellten Umstände den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit der Zeugin K. nicht ziehen wollte.

II.

3
Die Sachrüge führt zur Aufhebung im Fall II.4 und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Ansonsten weist die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
4
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen - tateinheitlich begangener - Geiselnahme nicht. Zwar haben der Angeklagte und sein Mittäter die Zeugin entführt, der Angeklagte hat sie auch mehrfach mit dem Tode bedroht , falls sie die gegen ihn erstattete Anzeige bei der Polizei nicht zurücknehmen würde. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte die Zeugin entführt hat, um sie zu einer Handlung zu nötigen, die sie während der Entführung vornehmen sollte. Zwischen der Entführung und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1996 - 3 StR 378/96, BGHR StGB § 239b Entführen 4; Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05; NStZ 2006, 36 f.). Soweit der Angeklagte also (lediglich) die Absicht verfolgt hat, die Zeugin durch Entführung und qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Aussage bei der Polizei zu widerrufen (UA S. 24/25), ist der Tatbestand nicht erfüllt.
5
Ob der erforderliche funktionale und zeitliche Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung - wie der Generalbundesanwalt meint - mit einer während der Bemächtigungslage abgegebenen "Verpflichtungserklärung" des Tatopfers zur Rücknahme der Strafanzeige einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, BGH NStZ 2006, 36, 37), lässt sich anhand der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Den Urteilsgründen lässt sich nämlich nicht entnehmen, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass er bereits während der Bemächtigungssituation , insbesondere durch seine Todesdrohungen, erreichen wollte und konnte, dass die Zeugin sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zur Rücknahme verpflichtet und noch vor Beendigung der Zwangslage eine derartige Erklärung abgibt.
6
2. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs im Fall II.4; erfasst wird auch die an sich fehlerfrei erfolgte tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen mit auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende , widerspruchsfreie Prüfung des Tatgeschehens zu ermöglichen.
7
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.4 führt insoweit zum Wegfall des Strafausspruchs und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 4 4 4 / 1 4
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
zu 2.: Freiheitsberaubung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Januar 2015, in der Sitzung am 12. Februar 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 28. Januar 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 28. Januar 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten E. ,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2014 wird verworfen, soweit es den Angeklagten E. betrifft. 2. Die Staatskasse hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten E. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

II.

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich des Angeklagten R. - auch zu seinen Gunsten - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall B II 4 der Urteilsgründe) sowie im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, Diebstahls und Freiheitsberaubung , letztere jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub, zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten R. freigesprochen. Der Angeklagte R. war zur Tatzeit des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln noch Heranwachsender.
2
Den Angeklagten E. hat das Landgericht wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
3
Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen die Verurteilung beider Angeklagter wegen Geiselnahme nach § 239b StGB und zusätzlich die Verurteilung des Angeklagten R. wegen besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Darüber hinaus beanstandet sie beim Angeklagten R. die Anwendung von Jugendstrafrecht.
4
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel führen hinsichtlich des Angeklagten R. zur Aufhebung des Urteils; hinsichtlich des Angeklagten E. bleiben sie ohne Erfolg.

I.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist bezüglich des Angeklagten R. rechtswirksam auf den Schuldspruch in Fall B II 4 der Urteilsgründe sowie den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
6
Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründung die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils beantragt und zugleich die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Gegenstand der nachfolgenden Begründung ist allerdings nur Fall B II 4 des Urteils. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Revisionsbegründung. Dieser ist jedoch in einer Gesamtschau zu entnehmen , dass der Schuldspruch in den Fällen B II 1, 2 und 3 und der Teilfreispruch nicht angegriffen werden sollen. Umstände, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuldfrage in den Fällen B II 1, 2 und 3 oder des Teilfreispruchs (B II 1) und der Rechtsfolgenfrage ergibt, liegen nicht vor.

II.

7
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
8
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte und übergab der am 5. November 1991 geborene Angeklagte R. zwischen Mai 2012 und August 2012 dem anderweitig Verfolgten Z. zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils mindestens 20 g Amphetamin-Gemisch zu einem Preis von jeweils 200 bis 300 €.
9
b) Kurz vor dem 28. September 2012 veräußerte und übergab der Angeklagte R. dem anderweitig Verfolgten Z. mindestens 363,2 g Amphetamin-Gemisch zu einem Preis von 5.000 € auf Kommission.
10
c) Zwischen dem 28. September 2012 und dem 7. Januar 2013 suchte der Angeklagte R. die Wohnung des anderweitig Verfolgten Z. auf, der sich zu dieser Zeit in Untersuchungshaft befand. Er beabsichtigte, ein Mischpult und ein Interface, das er diesem geliehen hatte, mitzunehmen; er fand diese Geräte aber nicht. Stattdessen nahm er zwei Synthesizer des anderweitig Verfolgten Z. im Wert von insgesamt 800 € mit.
11
d) Der Angeklagte R. befürchtete, dass ihn der anderweitig Verfolgte Z. in einer polizeilichen Vernehmung belastet hatte. Am 7. Januar 2013 wurde der anderweitig Verfolgte Z. aus der Untersuchungshaft entlassen. Am 22. Januar 2013 beschlossen die beiden Angeklagten , den anderweitig Verfolgten Z. in bewusstem und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zur Rede zu stellen, ihn gegen seinen Willen im Auto festzuhalten und massiv einzuschüchtern, um so dessen Aussage bei der Polizei zu erfahren. Zugleich strebten sie eine ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht klare Lösung für das Problem des Angeklagten R. an, das er wegen der Aussage des anderweitig Verfolgten Z. zu haben glaubte. Nachdem sie von einem Bekannten erfahren hatten , dass sich der anderweitig Verfolgte Z. vor dem Anwesen der Zeugin M. aufhielt, fuhren sie mit dem Pkw dorthin. Der Angeklagte R. bedeutete dem anderweitig Verfolgten Z. in unfreundlichem Ton, man müsse reden und fasste ihn an der Schulter, um ihn so dazu zu bewegen, in das parkende Auto einzusteigen. Der anderweitig Verfolgte Z. wagte es nicht, sich zu wehren und stieg ein. Er führte eine Tasche mit einem Apple MacBook und einem MIDI Controller im Gesamtwert von etwa 600 bis 930 € mit sich. Er nahm auf der Rückbank hinter dem Fahrer R. Platz; der Angeklagte E. setzte sich rechts neben ihn. Dann fuhr der Angeklagte R. los. Auf einem Autobahnrastplatz hielt er an und setzte sich links neben den Geschädigten auf die Rückbank. Dieser saß nun zwischen den beiden Angeklagten und dachte sich, dass es ihnen um seine Aussage bei der Polizei gehen würde. Der Angeklagte E. sagte zu dem Geschädigten, er habe allen Grund, Angst zu haben. Darauf teilte der Geschädigte den Angeklagten mit, er habe der Polizei R. als Hintermann seiner Drogenkäufe benannt, und schilderte ihnen seine Aussage. Er befürchtete, den Angeklagten könne nun in den Sinn kommen, ihn umzubringen, um die Aussage ungeschehen zu machen, und hatte Todesangst. Er bot den Angeklagten an, seine Aussage zurückzunehmen. Der Angeklagte R. gab nun vor, außerhalb des Autos mit seinen Hintermännern telefonieren zu müssen. Dann teilte er dem Geschädigten mit, dass eine Rücknahme der Aussage nicht möglich sei, die Hintermänner ihn jetzt abholen und ins Ausland verbringen würden. Ob sie ihn dort umbringen würden, wisse er nicht. Der Angeklagte E. drohte dem Geschädigten damit, dass auch dessen Familie und Freundin etwas zustoßen würde, wenn R. etwas passieren sollte. Als der Geschädigte austreten musste, bewachte ihn der Angeklagte E. und sagte ihm, wenn er weglaufen sollte, sei er tot. Er forderte ihn auf, mit der Zeugin M. zu telefonieren und ihr zu sagen, alles sei in Ordnung, man ginge nur zu McDonalds. Das tat der Geschädigte.
12
Der Angeklagte R. holte im Verlauf des Gesprächs im Auto ein Elektroimpulsgerät aus seiner Jackentasche heraus und schoss dem Geschädigten zweimal in den Hals. Hierdurch erlitt dieser erhebliche Schmerzen und Krämpfe. Das hatte der Angeklagte R. auch gewusst und gewollt. Der Angriff beruhte nicht auf einem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten E. und wurde von diesem auch nicht gebilligt. Der Geschädigte befand sich weiterhin in Todesangst und versuchte erneut, die Angeklagten davon zu überzeugen, dass er die Aussage bei der Polizei zurücknehmen werde.
13
Der Angeklagte R. stieg nun abermals aus dem Pkw aus und telefonierte wiederum fiktiv mit etwaigen Hintermännern. Danach forderte er den Geschädigten auf, ihm ein Angebot zu machen, er würde die Sache dann abblasen. Die Angeklagten und der Geschädigte kamen daraufhin überein, dass der Geschädigte seine Aussage bei der Polizei ändern und angeben werde , dass er den Angeklagten R. fälschlich beschuldigt habe. Nachdem sie auch Namen von alternativ zu benennenden Hintermännern besprochen hatten, setzte der Angeklagte R. die Fahrt fort.
14
Während der Rückfahrt beschloss er, dem Geschädigten das elektronische Gerät, das dieser bei sich hatte, als Ausgleich für noch offene Kommissionsschulden und etwaige zukünftige Anwaltskosten wegzunehmen. Dass er auf die Gegenstände keinen Anspruch hatte, wusste er. Unter Ausnutzung der von ihm erkannten, massiven Einschüchterung und Angst des Geschädigten verlangte er am Ende der Fahrt und noch im Auto in Gegenwart des Angeklagten E. die Herausgabe des in der Tasche befindlichen MacBooks und des MIDI Controllers. Er sagte dem Geschädigten, das sei "für die Anwaltskosten". Der Geschädigte wollte ihm diese Gegenstände zwar nicht geben, duldete aber unter dem Eindruck des kurz zuvor erfolgten Einsatzes des Elektroschockers und der Todesdrohungen die Wegnahme der Tasche und die Herausnahme der Gegenstände. Er wollte nur mit dem Leben davon kommen und befürchtete den Einsatz weiterer Gewalt.
15
Die Wegnahme der Gegenstände beruhte nicht auf einem mit dem Angeklagten E. gefassten Tatplan. Der Angeklagte E. billigte dieses Vorgehen auch nicht.
16
Nach der Verhaftung bemühten sich beide Angeklagte darum, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. Der Angeklagte R.
schrieb dem Geschädigten aus der Untersuchungshaft einen Entschuldigungsbrief. Während der Hauptverhandlung entschuldigte er sich mündlich bei ihm und bot ihm eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.500 € an; zugleich erklärte er sich mit der Ausreichung der bei ihm sichergestellten 300 € an den Geschädigten einverstanden. Der Geschädigte nahm die Entschuldigungen, die Ausgleichszahlung und die Ausreichung des sichergestellten Geldes an.
17
Der Angeklagte E. schloss mit dem Geschädigten eine Vereinbarung , die neben einer Entschuldigung auch eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1.500 € an den Geschädigten umfasste. In der Hauptverhandlung entschuldigte er sich mündlich bei dem Geschädigten, der die Entschuldigung annahm.
18
2. Das Landgericht hat das Geschehen in der rechtlichen Würdigung bei dem Angeklagten R. als Nötigung (§ 240 StGB) in Tateinheit jeweils mit Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und schwerem Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB) und bei dem Angeklagten E. als Nötigung (§ 240 StGB) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) gewertet.
19
Eine Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, der während der Entführung durchgesetzte Nötigungserfolg , also die Mitteilung, welche Angaben bei der Polizei gemacht wurden, sei nicht durch die erforderlichen qualifizierten Nötigungsmittel herbeigeführt worden , während die späteren Todesdrohungen nur zu einem abgenötigten Verhalten in Gestalt des Widerrufs der belastenden Angaben bei der Polizei nach Ende der Bemächtigungssituation führen sollten. Die bloße Zusage späteren Verhaltens reiche für eine Straftat nach § 239b Abs. 1 StGB nicht aus.
20
In Bezug auf die Wegnahme der elektronischen Geräte durch den Angeklagten R. hat das Landgericht ausgeführt, die Bemächtigungssituation und die Nötigung mit der Zielrichtung der Rücknahme der Aussage seien beendet gewesen, man habe die Sache „abgeblasen“ und sei zurückgefahren, so dass auch insoweit kein weiterer, qualifizierter Nötigungserfolg gegeben sei.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist hinsichtlich des Angeklagten E. unbegründet. Das Landgericht hat auf der Grundlage der Feststellungen zutreffend eine Geiselnahme (§ 239b StGB) verneint und ihn der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung schuldig gesprochen.
22
Eine Geiselnahme begeht, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt.
23
Zwar haben die Angeklagten den Geschädigten entführt, sich seiner bemächtigt und ihn eingeschüchtert. Er teilte deshalb auch von sich aus den Inhalt seiner Aussage vor der Polizei mit und bot noch vor der ersten Todesdrohung an, seine Aussage zurückzunehmen. Nach den Todesdrohungen versuchte er erneut, die Angeklagten zu überzeugen, dass er die Aussage zurücknehmen werde und einigte sich schließlich mit ihnen darauf, die R. belastende Aussage bei der Polizei abzuändern und anzugeben, er habe die- sen fälschlich beschuldigt, wobei nun andere als Hintermänner benannt werden sollten.
24
Es ist jedoch nicht festgestellt, dass die Angeklagten den Geschädigten entführt haben, um ihn zu einer Handlung zu nötigen, die er während der Entführung vornehmen sollte. Zwischen der Entführung und der beabsichtigten Nötigung muss aber ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 355; BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 236/13, StV 2014, 218). Hier verfolgten die Angeklagten aber die Absicht, den Geschädigten durch Entführung und qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage den Angeklagten R. bei der Polizei zu entlasten. Damit ist der Tatbestand nicht erfüllt.
25
Soweit der Geschädigte noch während der Bemächtigungslage seine Bereitschaft erklärt hat, künftig vor der Polizei wie gewünscht auszusagen, reicht diese Absichtserklärung für den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht aus. Allerdings kann auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der ein weitergehendes Ziel vorbereitet, eine Nötigung darstellen (BGH, Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082 f.; und vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.), wenn die Handlung des Opfers eine nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs ist (BGH, Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082 f.; und vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 f.).
26
Eine solche eigenständig bedeutsame Vorstufe in Gestalt einer gesteigerten Verbindlichkeit scheidet anhand der getroffenen Feststellungen aber aus. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, die Angeklagten seien davon ausgegangen, dass sie bereits während der Bemächtigungssituation erreichen konnten, dass der Geschädigte sich zu diesem Zeitpunkt verlässlich und endgültig zur Rücknahme der den Angeklagten R. belastenden Aussage und der Beschuldigung Dritter verpflichtet. Angesichts dessen, dass sie zu Beginn des Tatgeschehens keine klare Vorstellung darüber hatten, wie sie das durch die belastende Aussage entstandene Problem des Angeklagten R. lösen könnten, liegt es fern, dass nach ihrer Vorstellung die Zusage eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs sein sollte. Die Zusage verbesserte die Beweislage für den Angeklagten R. und seine Position als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren nicht. Sie enthielt keine verbindliche Erklärung über das zukünftige Aussageverhalten des Geschädigten , aus der er irgendeinen rechtlichen Nutzen ziehen könnte. Dem Geschädigten wurde auch nicht abverlangt, seine entlastende Aussage schriftlich niederzulegen , Hintermänner zu belasten und seine Erklärung zu unterschreiben. Zudem erklärte der Geschädigte seine Bereitschaft, die Aussage zurückzunehmen , bereits vor der ersten Drohung mit dem Tode.
27
Soweit der Angeklagte E. den Geschädigten veranlasst hat, mit der Zeugin M. zu telefonieren und ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei, ist dies ebenfalls keine hinreichende Vorstufe des gewollten Enderfolgs. Es fehlt an der finalen Verknüpfung zwischen der Bemächtigungslage und ihrer Ausnutzung zum Zwecke der Nötigung. Das Telefonat diente lediglich der Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage, um die Zeugin zu beruhigen und davon abzuhalten , die Polizei einzuschalten.
28
Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten E. nur die Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick auf das erzwungene Telefonat ) vollendeten Nötigung.
29
Zwar sind die Ausführungen des Landgerichts insoweit widersprüchlich als es die Voraussetzungen des § 239b StGB mangels eines während der Bemächtigungslage erzielten Teilerfolgs ablehnt, dann aber eine vollendete Nötigung durch dieses Geschehen mit der Begründung annimmt, die Angeklagten hätten dem Geschädigten die Zusage zur Rücknahme seiner Angaben gegenüber der Polizei durch Drohungen mit dem Tod abgerungen (UA S. 50).
30
Indes liegt eine vollendete Nötigung beim Angeklagten E. schon deshalb vor, weil er den Geschädigten während der Entführung durch die Drohung , er habe allen Grund, Angst zu haben, zur Preisgabe seiner gegenüber der Polizei getätigten Angaben gezwungen hat.
31
Auch der Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat den Strafrahmen gemäß § 46a StGB gemildert, weil es zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte E. mit dem Geschädigten erfolgreich einen TäterOpfer -Ausgleich durchgeführt hat.

IV.

32
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt hinsichtlich des Angeklagten R. - jeweils insoweit auch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - zur Aufhebung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
33
Das Landgericht hat bei dem Angeklagten R. zutreffend eine Verurteilung wegen Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB abgelehnt (siehe Ziffer III.). Es hat ihn wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub schuldig gesprochen. Die in den Urteilsgründen ebenfalls festgestellte tateinheitliche Nötigung hat das Landgericht - offensichtlich wegen eines Fassungsversehens - nicht in den Tenor aufgenommen (UA S. 46, 49). Die Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB hält jedoch der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen hierzu lückenhaft sind. Demgegenüber liegt auch ein den Angeklagten begünstigender Rechtsfehler vor, weil das Landgericht eine Prüfung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und des § 239a StGB unterlassen hat.
34
1. Das Landgericht hat die Tatbestandsvoraussetzungen des schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB bejaht, soweit der Angeklagte R. dem Geschädigten am Ende der Rückfahrt dessen MacBook und den MIDI Controller wegnahm. Die Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, die erfüllt wäre, wenn das Elektroimpulsgerät als gefährliches Werkzeug verwendet worden wäre, hat es nicht geprüft.
35
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte R. unter Ausnutzung der von ihm erkannten massiven Einschüchterung und Angst des Geschädigten die Herausgabe der elektronischen Geräte verlangte und ihm sagte, das sei für die Anwaltskosten. Der Geschädigte, der sich weiterhin im Auto und im Einflussbereich der Angeklagten befunden habe, habe unter dem Eindruck des kurz zuvor erfolgten Einsatzes des Elektroschockgeräts und der Todesdrohungen die Wegnahme der Gegenstände geduldet. Er habe nur mit dem Leben davon kommen wollen und den Einsatz weiterer zeitnaher Gewalt befürchtet (UA S. 7, 22).
36
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 50) hat das Landgericht ausgeführt, zum Zeitpunkt der Wegnahme sei die Bemächtigungssituation beendet gewesen, man hatte die Sache "abgeblasen" und fuhr zurück. Das Nötigungsmittel der Drohung mit weiterer Gewalt und die Wegnahme des technischen Geräts seien funktional verknüpft gewesen. Die kurz zuvor durch den Einsatz des Elektroschockers verübte Gewalt habe als aktuelle Drohung neuer Gewaltanwendung weiter auf den Geschädigten eingewirkt. Dieser habe sich unverändert im Einflussbereich des Angeklagten R. befunden, von dem er wusste, dass er den Elektroschocker bei sich führte, und des Angeklagten E. , der ihn zuvor - ebenso wie der Angeklagte R. - mit dem Tode bedroht hatte. Er sei im Zeitpunkt der Wegnahme nicht nur allgemein eingeschüchtert gewesen, sondern habe sich der Wegnahme nicht zu widersetzen gewagt, weil er den Einsatz weiterer, zeitnaher Gewalt befürchtet habe. Dies habe der Angeklagte R. bewusst ausgenutzt.
37
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Raubes nicht.
38
Nach § 249 Abs. 1 StGB wird derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt oder Drohung müssen dabei Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365,

367).

39
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, NStZ 2008, 687), also durch schlüssiges Verhalten oder mit unbestimmten Andeutungen in versteckter Weise, die ein Übel für das Opfer er- kennbar ankündigen. Erforderlich ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht; es genügt nicht, wenn der andere nur erwartet, der Täter werde ihm ein empfindliches Übel zufügen (BGH, Urteil vom 17. März 1955 - 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 253). Die konkludente Drohung mit Fortführung der Gewalt setzt also voraus, dass sich den Gesamtumständen einschließlich der zuvor verübten Gewalt die aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung entnehmen lässt, der Täter also in irgendeiner Form schlüssig erklärt, er werde einen eventuell geleisteten Widerstand mit Gewalt gegen Leib oder Leben brechen. Nur dann wirkt die zuvor verübte Gewalt als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weiter. Nutzt der Täter hingegen die durch die vorangegangene Gewaltanwendung entstandene Angst und Einschüchterung des Opfers nur aus, ohne diese durch eine ausdrückliche oder konkludente Drohung zu aktualisieren, fehlt es an der erforderlichen Finalität (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1994 - 2 StR 431/94, StV 1995, 416 mwN; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 249 Rn. 31). Ein Schuldspruch wegen Raubes scheidet aus.
40
Bei der Anwendung der Gewalt mit dem Elektroimpulsgerät handelte der Angeklagte noch nicht mit dem Ziel, dem Geschädigten etwas wegzunehmen. Die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung hat er nach Fassen des Wegnahmevorsatzes nicht fortgesetzt.
41
Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor der Wegnahme , die eine auch nur konkludente Drohung mit weiterer Gewalt nach dem Fassen des Wegnahmeentschlusses beinhaltet, ist nicht festgestellt. Das Landgericht führt lediglich aus, dass die „Bemächtigungssituation und die Nöti- gung mit der Zielrichtung der Rücknahme der Aussage“ (UA S. 50) beendet war und der Angeklagte R. das Herausgabeverlangen mit der Bemer- kung erläuterte, das sei "für die Anwaltskosten". Ob darin ein vom Angeklagten gewollter Erklärungsinhalt im Sinne einer versteckten Andeutung der Androhung erneuter Gewaltanwendung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Erzwingung der Wegnahme liegt und ob der Geschädigte dies dann auch so verstanden hat, lässt das Urteil offen. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeentschluss eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht.
42
Die Feststellungen lassen offen, wo das Elektroschockgerät nach seinem Einsatz verblieben ist, wie sich der Angeklagte R. und der Geschädigte genau verhalten haben, wo sich das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt befand (u.U. bereits wieder vor der Wohnung der Zeugin M. ) und wodurch die Äußerung, das sei für die Anwaltskosten, ausgelöst wurde.
43
2. Sofern das neue Tatgericht die Finalität zwischen Gewaltandrohung und Wegnahmehandlung feststellen sollte, wird auch zu prüfen sein, ob der Angeklagte R. das Elektroimpulsgerät im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet hat.
44
Ein besonders schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist gegeben , wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. Das Elektroimpulsgerät ist ein gefährliches Werkzeug (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 3 StR 345/03, NStZ-RR 2004,

169).

45
Ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bei der Tat verwendet, wenn es der Täter als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt und das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des gefährlichen Werkzeugs wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 316/11, StV 2012, 153 mwN). Dabei setzt (vollendetes ) Verwenden zur Drohung voraus, dass das Opfer das Nötigungsmittel als solches erkennt und die Androhung seines Einsatzes wahrnimmt. Die Äußerung der Drohung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Die konkludente Drohung erfordert, dass nach ihrem Erklärungsinhalt mit dem Einsatz des gefährlichen Werkzeugs gedroht wird. Dies gilt auch dann, wenn das gefährliche Werkzeug bereits in anderem Zusammenhang gebraucht worden ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365, 367).
46
Kein Verwenden ist das bloße Mitsichführen des gefährlichen Werkzeugs und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn es offen erfolgt (BGH, Urteile vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, StV 2008, 470; und vom 18. Februar 2010 - 3 StR 556/09, NStZ 2011, 158, 159; BGH, Beschluss vom 8. Mai2012 - 3 StR 98/12, NStZ 2013, 37).
47
Die Annahme eines besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt hier also voraus, dass der Angeklagte konkludent mit dem erneuten Einsatz des Elektroschockgeräts gedroht hat, sich dieser konkludenten Drohung auch bewusst war und den Geschädigten dadurch veranlassen wollte, die Wegnahme zu dulden. Der Geschädigte wiederum muss eine Drohung mit diesem Erklärungsinhalt auch wahrgenommen haben.
48
Die Feststellungen lassen offen, ob der Angeklagte R. konkludent mit dem Einsatz des Elektroschockgeräts gedroht und damit dieses gefährliche Werkzeug im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet hat. Sie ergeben nicht, dass der Angeklagte R. am Ende der Fahrt das Elektroimpulsgerät in irgendeiner Weise dem Geschädigten präsentierte oder in sonstiger Weise in Erinnerung brachte und der Geschädigte dies auch so wahrgenommen hat. Allein die möglicherweise nach wie vor bestehende Verfügungsgewalt des Angeklagten R. über das Elektroimpulsgerät und dessen früherer Einsatz belegen keine konkludente Drohung, es bei Nichtbefolgung seines Herausgabeverlangens erneut einzusetzen. Da die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen zweckgerichteten Einsatz des gefährlichen Werkzeugs voraussetzt, reicht es nicht aus, dass der Geschädigte sich deshalb fügte, weil er den Einsatz weiterer Gewalt befürchtete.
49
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen getroffen werden können.
50
3. In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, ob sich der Angeklagte R. durch das Herausgabeverlangen und die Wegnahme der elektronischen Geräte eines erpresserischen Menschenraubes nach § 239a Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat; denn nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Geschädigte unverändert im Einflussbereich des Angeklagten R. , von dem er wusste, dass er den Elektroschocker bei sich führte, und des Angeklagten E. , der ihn zuvor - ebenso wie der Angeklagte R. - mit dem Tod bedroht hatte (UA S. 50). Allerdings geht das Landgericht davon aus, dass eine „Bemächtigungssituation“ zu diesem Zeitpunkt beendet war (siehe Ziffer IV. 1.b).
51
Zwar liegt nicht fern, dass die Rückfahrt auch dem Wunsch des Geschädigten nach Rückkehr entsprach, so dass die Entführung (und die Freiheitsberaubung ) aufgrund eines Einverständnisses des Opfers mit der nunmehr vorgenommenen Ortsveränderung und dem Verbleib im Auto tatsächlich ihr Ende gefunden hatte. Jedoch sind die Feststellungen hierzu unklar.
52
4. Eine vollendete Nötigung liegt beim Angeklagten R. bereits deshalb vor, weil die Angeklagten den Geschädigten einvernehmlich mittels der durch die Entführung verstärkten Drohung, er habe allen Grund, Angst zu haben , zur Preisgabe seiner gegenüber der Polizei getätigten Angaben gezwungen haben. Hinsichtlich der in Bezug auf § 239b StGB widersprüchlichen Ausführungen des Landgerichts wird auf Ziffer III. verwiesen.
53
Ob der Geschädigte seine Aussage vor der Polizei zurückgenommen hat und damit ein weiterer Nötigungserfolg eingetreten ist, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
54
5. Die Aufhebung des Schuldspruchs bei demAngeklagten R. zieht die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
55
Allerdings merkt der Senat an, dass die einheitliche Anwendung von Jugendstrafrecht auf den Angeklagten R. auf der Grundlage der bisherigen (wenngleich lückenhaften) Feststellungen nicht rechtsfehlerhaft ist.
56
Einen Rechtsfehler stellt es aber dar, im Rahmen der Bemessung der Jugendstrafe offen zu lassen, ob ein vertypter Milderungsgrund (hier § 46a StGB) gegeben ist oder nicht; denn ein vertypter Milderungsgrund prägt das in der Straftat hervorgetretene Unrecht.
57
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird die Anwendung von Jugendstrafrecht auf der Grundlage des dann im Fall B II 4 erfolgten Schuldspruchs neu zu prüfen haben.

V.

58
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO. Raum Graf Cirener Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 86/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
Bundesanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15. Oktober 2004 werden mit der Maßgabe verworfen, dass 1. a) der Angeklagte G. im Fall II. 4. der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung sowie im Fall II. 5. der tateinheitlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;
b) der Angeklagte K. der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist; 2. der Maßregelausspruch hinsichtlich des Angeklagten G. aufgehoben wird und der Ausspruch entfällt. Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Geiselnahme in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Nötigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte K. ist wegen Geiselnahme in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die Angeklagten wenden sich mit der Sachrüge gegen dieses Urteil, der Angeklagte G. allerdings nur insoweit, als er in den Fällen II. 4. und 5. auch wegen Geiselnahme verurteilt wurde. Die Rechtsmittel der Angeklagten führen zu einer Änderu ng des Schuldspruchs. Von einer Aufhebung des Strafausspruchs hat der Strafsenat abgesehen. Jedoch entfällt der Maßregelausspruch, welcher nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) nicht mehr den hierdurch festgelegten Voraussetzungen genügt.

I.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde gelegt: 1. Im April verkaufte der Angeklagte G. dem Zeugen S. einmal drei Gramm Haschisch zum Preis von 20 Euro (Tat II. 1.) und ein weiteres Mal anS. und Y. zuvor von ihm selbst für 50 Euro erworbene 15 Gramm Haschisch zu einem Preis von 65 Euro (Tat II. 2.). Zugleich bot er diesen vier Kokainplomben zum Kauf an. Für die erste Tat hat die Strafkammer eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu fünf Euro, für die Tat II. 2. eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. 2. In der Folge wurde der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person bedrängt, ihr Drogen zu verkaufen. Weil er davon ausging, dass diese ihr Wissen von S. vermittelt erhalten habe, wollte er S. einen Denkzettel verpassen. Er verbrachte darauf mit seinem Pkw den Zeugen S. an einen einsam gelegenen Ort, bedrohte ihn und zwang ihn dazu, bis auf Schuhe und Boxershorts alle Kleidungsstücke auszuziehen; sodann fuhr er weg, so
dassS. unbekleidet zum nächsten Ort laufen musste, wo er erst bei Dunkelheit ankam. Hierfür hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgesprochen (Tat II. 3.). 3. (Fall II. 4.): Der Angeklagte G. hatte erfahren, dass der Zeuge S. anderen Personen von der vorgenannten Tat II. 3. erzählt hatte. Da der Geschädigte nach seiner Meinung offenbar seine damit verbundene "erste Warnung" nicht verstanden hatte, beschloss er, ihn nochmals in ein entlegenes Waldstück zu verbringen und dieses Mal seine Drohungen nachhaltig zu verstärken. Zu diesem Zweck sprach er den Zeugen S. an und bat ihn freundlich und unter Verdeckung seiner wahren Absichten, in sein Fahrzeug einzusteigen, um mit ihm nochmals über den vergangenen Vorfall zu reden. S. ließ sich täuschen, stieg in das Fahrzeug ein, worauf G. sofort losfuhr, sodass S. das fahrende Fahrzeug nicht mehr verlassen konnte. G. fuhr sodann in ein abgelegenes Waldgebiet, welches nur über Forstwege erreicht werden kann. Dort angekommen ließ er S. aussteigen und zog eine Schreckschusspistole, welche auf den Zeugen S. den Eindruck einer scharfen Waffe machte. Er wies sein Opfer darauf hin, dass er "keinen Spaß mache" undS. offenbar immer noch nicht gelernt habe, "das Maul zu halten". Um ihn künftig zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern, richtete G. in der Folge mehrfach die Waffe gegen S. und drohte, ihn zu erschießen. Um seine Drohungen durchzusetzen und damit S. ihn in Zukunft weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen" werde , schoss G. neben S. in den Boden, sodass das durch die Druckwelle aufgewirbelte Laub den Eindruck einer scharfen Waffe verstärkte und S. nunmehr ernsthaft davon ausging, dass der Angeklagte ihn töten wolle , um ihn zum Schweigen zu bringen. In der Folge schoss der Angeklagte auch an der weisungsgemäß ausgestreckten Hand und am Oberschenkel von
S. nur knapp vorbei. Er forderte schließlich den am ganzen Leib zitternden ZeugenS. auf, ihm seine Jacke auszuhändigen - dem kam S. nach - und außerdem in Zukunft den Mund zu halten, da er sonst ernst machen und ihn töten werde. Danach ließ er S. allein im Waldstück, vier Kilometer von der nächsten Verkehrsstraße entfernt, zurück. 4. (Fall II. 5.): Einige Wochen später erhielt G. eine polizeiliche Ladung zu einer Beschuldigtenvernehmung, weshalb er davon ausging, dass S. nunmehr Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht habe. Daraufhin beschlossen G. und der Mitangeklagte K. , S. gemeinsam abzustrafen. Sie waren sich dabei einig, dass einfache Drohungen nicht mehr ausreichen würden und man S. notfalls dauerhaft verletzen müsse, damit dieser endlich lerne, dass man andere Menschen nicht verrät. Sie verabredeten, ihn beim nächsten Aufeinandertreffen freundlich anzusprechen und ihn zum Einsteigen in den Pkw zu bewegen; danach wollte man ihn in ein einsames Waldstück verbringen, ihn dort gemeinsam zusammenschlagen und zuletzt das Wort "Verräter" mit einem Messer quer über die Brust einschneiden. Gleichzeitig sollte er aufgefordert werden, seine bei der Polizei gemachten Angaben zurückzuziehen und zukünftig den Mund zu halten. Diesem Plan entsprechend überredeten sie S. , als sie ihn dann wenige Tage später trafen, in den Pkw des G. einzusteigen, angeblich um mit ihm zu reden. Da sie zu zweit und zudem ihm körperlich überlegen waren, kam dieser ihrem freundlich geäußerten Verlangen nach. Als sie zu seiner Überraschung dann losfuhren, wollte er zwar aussteigen, was ihm aber nicht mehr möglich war. Im Wald angekommen, mussteS. seine Oberbekleidung ausziehen. Danach schrieen K. und G. ihn mehrfach an, dass er seinen Verrat eingestehen sollte, woraufS. jedoch nur antwortete, dass er niemanden verraten habe. Daraufhin schlug G. mit den Fäusten auf S. ein, wobei K.
ihn anfeuerte. Gleichzeitig heizte K. die Atmosphäre dadurch weiter auf, dass er sagte,S. sei ein Verräter und müsse bestraft werden. G. versetzte S. zunächst einen Faustschlag ins Gesicht und, nachdem er zu Boden gegangen war, mehrere Tritte in den Bauch, die Wade und gegen den Kopf. Nach einem weiteren Schlag des G. ergriff K. den S. an beiden Armen und hielt ihn fest. Daraufhin schnitt G. einem mit Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm den Buchstaben "V" mit einer Schenkellänge von etwa 10 cm etwa 5 mm tief in die Brust des Opfers. Als sich zu diesem Zeitpunkt unerwartet ein von einem Forstarbeiter gesteuerter Radlager näherte und die Angeklagten fürchteten, entdeckt zu werden, forderten sie S. nochmals auf, in Zukunft seinen Mund zu halten. Sie nahmen ihn daraufhin im Pkw eine Strecke mit und ließen ihn an einem Ortsrand frei, wobei sie nochmals von ihm verlangten, er solle seine Angaben bei der Polizei zurückziehen. Der Zeuge S. wurde in der Folge aufgrund der Schwere der Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, wobei die ihm zugefügte Schnittwunde mit über 30 Stichen genäht werden musste und auch einige Monate später noch eine deutlich erkennbare ca. 10 cm große V-förmige Narbe mit ca. 1 cm hohen dunkelrot gefärbten Narbenwulsten zu sehen war. Ob die Narbe operativ entfernt werden kann, steht noch nicht fest. Das Landgericht hat in beiden Tatkomplexen das jeweilige Verbringen in den Wald mit den dortigen Handlungen als Geiselnahme, im zweiten Tatkomplex in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet. Der AngeklagteG. verfolgt mit seiner Revision den Wegfall der Verurteilung wegen zweier Fälle der Geiselnahme und ist der Auffassung, es handele sich im Fall II. 4. nur um einen Fall der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung sowie im Fall II. 5. um einen Fall der Freiheitsbe-
raubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.

II.

Die vom Landgericht zu den Fällen II. 4. und 5. getroffenen Feststellungen reichen nicht hin, jeweils darauf eine Verurteilung wegen eines Verbrechens der Geiselnahme nach § 239b StGB zu stützen. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es erforderlich, dass zwischen der Entführung eines Opfers und einer beabsichtigten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart besteht, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will (vgl. BGHSt 40, 350, 355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGHR StGB § 239b Entführen 4). Denn der Zweck dieser Strafvorschrift, die schon wegen ihrer hohen Mindeststrafe der einschränkenden Auslegung bedarf, besteht gerade darin, das SichBemächtigen oder die Entführung des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (BGH, Beschluß vom 14. Mai 1996 - 4 StR 174/96). Allerdings liegt eine vollendete Nötigung bereits dann vor, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, aber nur eine davon realisiert wird (BGH bei Dallinger MDR 1972, 386 f.), wobei auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, für eine Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ausreichend sein kann. Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Nötigungserfolg im Sinne des § 239b StGB darstellen (BGH, Beschl. vom 2. Okto-
ber 1996 - 3 StR 378/96). Jedenfalls solche Handlungen des Opfers, die eine nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellen, führen zur Vollendung der mit der qualifizierten Drohung erstrebten Nötigung (BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1). 2. Im Fall II. 4. wollte der Angeklagte G. den Zeugen S. einschüchtern und ihn dadurch künftig zum Schweigen bringen, insbesondere sollte er ihn weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen". Damit waren seine Ziele auf ein Unterlassen in der Zukunft gerichtet, auf einen Zeitraum, zu dem der Zeuge aus der Gewalt des Angeklagten entlassen war. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der Angeklagte davon ausgegangen ist, dass er bereits während der Bemächtigungssituation , insbesondere durch seinen Waffeneinsatz, erreichen wollte und konnte, dass der Zeuge S. sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zu einem Schweigen verpflichtet und noch vor seiner Zurücklassung im Wald eine derartige Erklärung abgegeben hat. Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten nur die Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick auf die erzwungene Herausgabe der Jacke vollendeten) Nötigung. 3. Auch im Fall II. 5. ergibt sich aus den Feststellungen der Strafkammer nicht, dass der Zeuge S. auf die Drohungen und Aufforderungen der Angeklagten G. und K. , "seinen Mund zu halten" und seine angeblichen Angaben bei der Polizei zurück zu ziehen, eine entsprechende zusagende oder sonst zustimmende Erklärung noch während der andauernden Bemächtigungslage abgegeben hat; daher fehlt es am erforderlichen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Sich-Bemächtigen einerseits und der beabsichtigten Nötigung durch qualifizierte Drohung andererseits (vgl. hierzu BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1).
Darauf, dass das Landgerichts nicht feststellen konnte, dass die dem Zeugen S. zugefügte schwere Entstellung infolge der V-förmigen roten und wülstigen Narbe eine dauerhafte Entstellung (§ 239b Abs. 1 iVm. § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sei, kommt es daher nicht an. Das Verhalten der beiden Angeklagten stellt danach keine Geiselnahme dar, sondern erfüllt die Tatbestände der tateinheitlich und gemeinschaftlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung. 4. Da weitere Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 239b StGB nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.

III.


Die von der Strafkammer gegen den Angeklagten G. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren kann bestehen bleiben, ebenso die gegen den Angeklagten K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, weil die verhängte Rechtsfolge - auch nach Änderung des Schuldspruchs - im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angemessen ist (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04; Beschl. vom 8. Dezember 2004 - 1 StR 483/04). Ebenso war es entgegen des hilfsweise gestellten Antrags des Generalbundesanwalts nicht angemessen, die gegen den Angeklagten in den Fällen II. 4. und 5. festgesetzten Einzelstrafen und die von der Strafkammer gebildete Gesamtfreiheitsstrafe herabzusetzen. Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Fest-
Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04). Dies war vorliegend auch möglich, weil alle für eine Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht getroffen worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedurfte. 1. Angeklagter G. : Die Strafkammer hat für die Tat II. 4. eine Einzelstrafe von drei Jahren und für die Tat II. 5. eine Einzelstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe verhängt und daraus zusammen mit den Einzelstrafen der Taten II. 1. - 3. (30 Tagessätze, sechs Monate, ein Jahr) die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren gebildet. Als Folge der vom Senat vorgenommenen Schuldspruchänderung entfällt bei den Taten II. 4. und 5. jeweils der Tatbestand der Geiselnahme, an dessen Stelle der Angeklagte der Freiheitsberaubung und Nötigung, zusätzlich im Fall II. 5. auch der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. Der Senat hat die Gesamtfreiheitsstrafe in Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO bestehen lassen.
Hier erweist sich die vom Landgericht festgesetzte Einsatzstrafe von vier Jahren für die Tat II. 5. als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Als Sanktion für eine schwerwiegende Tat, eine die wahren Absichten der Angeklagten verdeckende Vorgehensweise mit erheblichen körperlichen Folgen für das hilflose Opfer mit Schlägen, Tritten und dem gefährlichen Messereinsatz, zumal mit Blick auf die Intensität der Beteiligung des Angeklagten G. und seine in den Taten II. 3. bis 5. sich jeweils steigernde gewalttätige Einwirkung auf das Opfer, erscheint die festgesetzte Strafe, auch unter Berücksichtigung sämtlicher zu seinen Gunsten zu bedenkenden und vom Landgericht tatsächlich bedachten Umstände, uneingeschränkt als im Sinne des § 354 Abs. 1a
StPO schuldangemessen (vgl. BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04) und keinesfalls als zu hoch. Die von der Strafkammer zugrunde gelegten Maßstäbe lassen sich auf den geänderten Schuldspruch ohne weiteres übertragen, zumal der vom Landgericht nach § 239b Abs. 2 iVm. § 239a Abs. 4 StGB gemilderte Strafrahmen des § 239b StGB etwa dem Strafrahmen des § 224 StGB entspricht, wobei die Mindeststrafe des § 224 StGB mit sechs Monaten höher ist. Die von der Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren für die Tat II. 4. erscheint trotz der Schuldspruchänderung gleichfalls angemessen, weil der Angeklagte ohne einen tatsächlich gegebenen Anlass und mit gespielter Freundlichkeit das ahnungslose und unterlegene Opfer in eine für dieses schutzlose Lage verbrachte und mit den von diesem für echt gehaltenen Schüssen aus der Schreckschusspistole, wie von ihm beabsichtigt, in Todesangst versetzte und den am ganzen Leib zitternden Zeugen, nachdem er ihm auch noch die Jacke weggenommen hatte, vier Kilometer von der nächsten Verkehrsstraße entfernt allein im Waldstück zurückließ. Nach alledem ist auch die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe mit dem besonders straffen Strafzusammenzug angemessen. Hierbei ist zu sehen, dass der Angeklagte bei seinen Taten gegenüber S. allein davon getrieben war, dass er ungestört seinen Betäubungsmittelgeschäften nachgehen konnte. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass - unabhängig von möglichen verbleibenden Entstellungen - durch das Einstechen des V-förmigen Mals die Wunde umfassend ärztlich versorgt und mit 30 Stichen genäht werden musste. 2. Angeklagter K. : Auch die vom Landgericht gegen den Angeklagten K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren hat der Senat gemäß § 354
Abs. 1a StPO bestehen lassen. Insoweit ist entscheidend, dass der Angeklagte K. überhaupt keinen Anlass hatte, gegen den Zeugen S. vorzugehen. Er hat sich von Anfang an bei der Tatausführung beteiligt und letztlich den Mitangeklagten G. sogar aufgefordert, mit dem Messer die Buchstaben in den Oberkörper des Opfers einzustechen.

IV.

Zugunsten des Angeklagten G. war der Maßregelausspruch aufzuheben ; denn nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Den Feststellungen des Landgerichts ist derartiges nicht zu entnehmen; insbesondere gab es offensichtlich nicht die Gefahr, dass der Zeuge S. sich seiner Freiheitsberaubung während der Fahrt in dem Pkw des G. körperlich widersetzt , wodurch bei einem möglichen Gerangel dann zumindest eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs hätte entstehen können.
Im Übrigen haben sich keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit Graf

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR498/14
vom
11. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Februar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau vom 9. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass bei dem Angeklagten zur Tatzeit eine schwere andere seelische Abartigkeit vorgelegen hat.
4
aa) Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine schwere andere seelische Abartigkeit mit der Begründung bejaht, der Angeklagte leide an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die bei ihm noch durch einen multiplen Substanzgebrauch, den Konsum anderer Substanzen bei bestehendem Abhängigkeitssyndrom (Polytoxikomanie, ICD-10: F 19.2) und einen Alkoholmissbrauch im Sinne eines schädlichen Gebrauchs (ICD-10: F 10.1) verstärkt werde. Die persönliche Entwicklung des Angeklagten sei durch eine dauernde Missachtung von Normen und Gesetzen, eine geringe Frustrationstoleranz sowie ein fehlendes Lernen aus Erfahrung gekennzeichnet. Auffälligkeiten im Lebenslauf seien bereits seit seiner frühen Jugend festzustellen (Vernachlässigung und Übergriffe durch den Vater, Schulverweis, kein Schulabschluss, keine Berufsausbildung, keinerlei Durchhaltevermögen, keine Lebensplanung, mehrfache Delinquenz, keine tragfähigen Bindungen, Abgleiten in die Abhängigkeit und Drogenkonsum). Aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung sei der Angeklagte zu emotionalem Tiefgang und Empathie nicht in der Lage (UA 32 f.).
5
bb) Diese Begründung reicht für die Annahme einer anderen schweren seelischen Abartigkeit nicht aus.
6
Eine diagnostizierte Persönlichkeitsstörung kann – wie auch das Landgericht nicht verkannt hat – die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Ge- samtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, Rn. 27, NJW 2014, 3382, 3384; Urteil vom 26. April 2007 – 4 StR 7/07, NStZ-RR 2008, 274; Beschluss vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98; NStZ-RR 1999, 136 mwN). Handelt es sich – wie bei der hier diagnostizierten „dissozialen Persönlichkeitsstörung“ – um ein eher unspezifisches Störungsbild, das immer auch noch als – möglicherweise extreme – Spielart menschlichen Wesens einzuordnen sein kann, wird der Grad einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ regelmäßig erst dann erreicht, wenn der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – 4 StR 358/07, NStZ-RR 2008, 70, 71; Beschluss vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165, 166; Beschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385, 388).
7
Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, dass die festgestellten Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten dem Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit entsprechen und es sich nicht nur um Eigenschaften und Verhaltensweisen handelt, die übliche Ursachen für strafbares Verhalten darstellen. Ebenso wenig wird belegt, dass der Angeklagte aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat.
8
b) Auch die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB ist nicht ausreichend begründet.
9
aa) Das Landgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, die Hemmschwelle des Angeklagten für die Begehung von Aggressionshandlungen sei im Tatzeitpunkt aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in Kombination mit dem kontinuierlichen Drogenmissbrauch erheblich herabgesetzt gewesen. Seine Motivations -, Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten seien bei Tatbegehung soweit eingeschränkt gewesen, dass er ohne Rücksicht auf die Interessen anderer und möglicher Folgen seines Handelns für sich und andere seine eigenen Ziele nachhaltig verfolgt habe (UA 36).
10
bb) Diese Erwägungen reichen nicht aus, um das Vorliegen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zu belegen.
11
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, Rn. 29, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Dazu hat der Tatrichter in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53 f. mwN).
12
Den hierzu angestellten Erwägungen des Landgerichts fehlt jegliche tatbezogene Betrachtung. Auch bleiben die Tatvorgeschichte (längere Suche nach und planmäßige Kontaktaufnahme zu der Geschädigten) und das Verhalten des Angeklagten nach der Tat unberücksichtigt.
13
2. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben.
14
a) Soweit die Strafkammer aufgrund der dargelegten rechtsfehlerhaften Wertung die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht und unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes die Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen hat (UA 36), ist der Angeklagte hierdurch nicht beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – 4 StR 358/07, zitiert nach juris, Rn. 7, insoweit in NStZ-RR 2008, 70 nicht abgedruckt). Dass ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre, vermag der Senat auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, zitiert nach juris, Rn. 6).
15
b) Im Übrigen weist die Strafzumessung keine durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar sind die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB nicht belegt, weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte dem Geschädigten die zu der lebensbedrohlichen Hirnblutung führenden Kopfverletzungen (UA 28) erst nach Vollendung der Erpressung und ohne Beutesicherungsabsicht beigebracht hat (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 250 Rn. 27). Der Senat kann jedoch ausschließen, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn dem Angeklagten ist nicht angelastet worden, dass er beide Varianten des § 250 Abs. 2 Nr. 3 StGB verwirklicht hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung ja
Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier
„dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat (Fortführung von BGHSt
37, 397).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 – LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 346/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. April 2003 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Ausla- gen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.

II.

Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung
und habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.

b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).

c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.