Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2017 - III ZR 117/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:141217BIIIZR117.17.0
bei uns veröffentlicht am14.12.2017
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 10 O 499/16, 20.10.2016
Oberlandesgericht Naumburg, 7 U 79/16, 10.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 117/17
vom
14. Dezember 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:141217BIIIZR117.17.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Hucke, Tombrink und Dr. Remmert sowie die Richterin Dr. Arend

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. März 2017 - 7 U 79/16 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 27.208,97 €

Gründe:


1
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Der Kläger begehrt - im Anschluss an einen verjährten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch - aus § 852 Satz 1 BGB einen finanziellen Ausgleich für zu viel geleisteten Dienst. Dies setzt einen (verjährten) Schadensersatzanspruch und damit einen Schaden voraus. Zu viel geleistete Arbeit ist jedoch, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwal- tungsgerichts und des Bundesfinanzhofs ergibt, kein Schaden im Sinne des deutschen Schadensersatzrechts (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 236/74, BGHZ 69, 34, 36 und vom 22. November 1988 - VI ZR 126/88, BGHZ 106, 28, 32; Senatsbeschluss vom 13. Juli 1993 - III ZR 116/92, juris Rn. 4; BVerwGE 143, 381 Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28/02, juris Rn. 17; BFH, Beschluss vom 26. August 2016 - VI B 95/15, juris Rn. 16).
3
Das Recht der Europäischen Union gebietet nicht, bei der Anwendung des § 852 BGB einen von der deutschen Rechtslage abweichenden Schadensbegriff zugrunde zu legen. Zwar geht der Gerichtshof der Europäischen Union bei unionsrechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit (eines deutschen Feuerwehrbeamten ) von einem - einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösenden - "Schaden" aus, dessen "Ersatz" der im öffentlichen Sektor beschäftigte Arbeitnehmer beanspruchen könne (Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 - Fuß II, NZA 2011, 53 Rn. 59, 61, 63, 90). Der Gerichtshof betont indes, dass im Falle des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben habe (aaO Rn. 62). In Ermangelung entsprechender unionsrechtlicher Bestimmungen sei es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollten, sofern dabei der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz beachtet werde (aaO Rn. 72, 93). Es sei Sache des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten, den Umfang des Ausgleichs festzulegen (aaO Rn. 93) und zu bestimmen, ob der - dem erlittenen "Schaden" angemessene - Ersatz in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren sei (aaO Rn. 94).
4
Solange mithin das nationale Haftungsrecht, auf das der Gerichtshof zur Behebung der Folgen des entstandenen "Schadens" verweist, einen angemessenen und dem Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz genügenden Ausgleich zur Verfügung stellt, ergeben sich aus dem Recht der Europäischen Union keine weiteren Vorgaben für die "Form" des Ausgleichs. Insbesondere folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass der im Fall von Zuvielarbeit als solcher erlittene Nachteil zwingend als Schaden im Sinne des deutschen Deliktsrechts (§§ 823 ff, §§ 249 ff BGB) anzusehen ist. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Gerichtshof es dem nationalen Recht überlässt, den Ersatz im Wege eines Freizeitausgleichs oder einer finanziellen Entschädigung zu gewähren. Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf den nach deutschem Recht bestehenden Anspruch auf Freizeitausgleich, bei dem es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch nach deutschem Deliktsrecht, sondern um einen sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)ergebenden beamtenrechtlichen Anspruch handelt (EuGH aaO Rn. 71; vgl. auch BVerwGE 143, 381 Rn. 26) und hinsichtlich dessen der Gerichtshof lediglich das Antragserfordernis, nicht aber die Rechtsnatur beanstandet hat (EuGH aaO Rn. 71 ff).
5
Der Verweisung des Gerichtshofs auf das nationale Haftungsrecht entspricht es, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Ausfüllung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs bei Zuvielarbeit - mangels eines Schadens nach nationalem Recht - nicht auf die §§ 249 ff BGB, sondern auf die Rechtsfolgen aus dem nationalrechtlichen Billigkeitsanspruch zurückgreift und einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich erkennt, der sich unter bestimmten Voraussetzungen in einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich umwandelt (BVerwGE 143, 381 Rn. 25, 34). Dieser Ausgleich ist - mangels Schadens - kein Schadensersatz im Sinne der §§ 823 ff BGB, sondern eine Gegenleistung für zu viel geleistete Dienste (BFH aaO).
6
Die daraus folgende Unanwendbarkeit von § 852 BGB verstößt nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz. Weder die Gewährung eines Freizeitausgleichs noch die einer finanziellen Entschädigung lässt erwarten, dass der Ersatz des Schadens praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (EuGH aaO Rn. 95). Der Effektivitätsgrundsatz gebietet auch nicht, dass bereits verjährte unionsrechtliche Ansprüche (teilweise) weiterhin ausgeübt werden können. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch wird bei Nichtanwendung von § 852 BGB schließlich nicht ungünstiger behandelt als Forderungen wegen rechtswidriger Zuvielarbeit nach deutschem Recht. Klagen, die auf solche Forderungen gerichtet sind, bliebe, soweit sie auf § 852 BGB gestützt würden, mangels Schadens ebenfalls der Erfolg versagt. Einen Vergleich mit auf deutsches Deliktsrecht gestützten Schadensersatzklagen , denen ein anderer, einen Schaden auch im Sinne des deutschen Rechts begründender Sachverhalt zugrunde liegt, gebietet der Äquivalenzgrundsatz nicht.
7
Die Revision ist nicht deshalb wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen , weil im Revisionsverfahren eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV notwendig wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14, juris Rn. 13 mwN). Die Erwägungen des Senats zum Europarecht ergeben sich ohne weiteres aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Anwendbarkeit des nationalen Haftungsrechts zwecks Behebung der Folgen eines - einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösenden - Verstoßes gegen das Unionsrecht. Die richtige Anwendung des Europarechts ist daher derart offenkun- dig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (acte clair; vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2014 - III ZR 87/13, BGHZ 201, 11, Rn. 29 mwN).
8
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Herrmann Hucke Tombrink
Remmert Arend
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 20.10.2016 - 10 O 499/16 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 10.03.2017 - 7 U 79/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2017 - III ZR 117/17

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung


Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vor

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Bundesfinanzhof Beschluss, 26. Aug. 2016 - VI B 95/15

bei uns veröffentlicht am 26.08.2016

Tenor Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. August 2015  6 K 1788/14 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2014 - III ZR 87/13

bei uns veröffentlicht am 17.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 87/13 Verkündet am: 17. April 2014 B o t t Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja TKG § 45m Abs. 1 S
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2017 - III ZR 117/17.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2018 - III ZR 183/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 183/17 Verkündet am: 12. Juli 2018 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 1922 Abs.

Referenzen

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. August 2015  6 K 1788/14 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Feuerwehrbeamter bei der Berufsfeuerwehr der Stadt H beschäftigt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

2

Im Jahr 2013 erhielt er von der Stadt H, seinem Dienstherrn, Ausgleichszahlungen für über mehrere Jahre rechtswidrig zu viel geleisteten Dienst in Höhe von 8.525,10 € aus Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung --Richtlinie 2003/88/EG-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 299, 9) und Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung --Richtlinie 93/104/EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 307, 18). Danach darf die durchschnittliche Arbeitszeit des Beamten pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten.

3

Für die Ausgleichszahlungen führte der Dienstherr Lohnsteuer ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) berücksichtigte den Betrag als nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre und setzte die Einkommensteuer 2013 entsprechend fest.

4

Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger habe die von seinem Dienstherrn geleistete Zahlung als Ausgleich für die über das zulässige Maß hinaus zur Verfügung gestellte Arbeitskraft erhalten. Er habe letztlich eine Entschädigung für die Umwandlung des vorrangigen Anspruchs auf Freizeitausgleich in einen individuellen Anspruch auf Geld empfangen, die zum Arbeitslohn gehöre.

5

Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

6

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

8

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

9

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2016 VI B 61/15, BFH/NV 2016, 747, m.w.N.).

10

b) Der Kläger hat mit seiner Beschwerde keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen.

11

Er hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob die einem Arbeitnehmer für unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit gezahlte Entschädigung, die nur wegen schuldhafter Verletzung der Arbeitgeberpflichten gezahlt worden sei und auf die wegen Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit und/ oder Verjährung kein Anspruch bestehe, als Surrogat eines allein in Betracht kommenden Anspruchs auf Freizeitausgleich keine steuerpflichtige Einnahme, sondern nicht steuerbarer Schadensersatz ist. Diese Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig.

12

aa) Zu den --der Einkommensteuer unterliegenden-- Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zufließen. Nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Februar 2013 VI R 58/11, BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642, m.w.N.) werden Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind und sich bei objektiver Betrachtung als ein Entgelt "für" eine Leistung darstellen, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Urteile vom 19. November 2015 VI R 47/14, BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301, und vom 23. April 2009 VI R 39/08, BFHE 224, 571, BStBl II 2009, 668, m.w.N.). Die Zuwendung muss also einen Entlohnungscharakter aufweisen (Senatsurteil vom 17. Juli 2014 VI R 69/13, BFHE 246, 363, BStBl II 2015, 41), d.h. eine Erfüllungsleistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Dienstherrn darstellen.

13

Dagegen liegt Arbeitslohn nicht vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher (Fürsorge-)Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers z.B. an einem materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgut erlitten hat. Denn damit werden nicht die Dienste des Arbeitnehmers vergütet, sondern ein vom Arbeitgeber verursachter Schaden ausgeglichen (Senatsurteile vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144; vom 24. Mai 2000 VI R 17/96, BFHE 192, 293, BStBl II 2000, 584).

14

bb) Gemäß Art. 6 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG bzw. der gleichlautenden Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 Richtlinie 93/104/EG darf für den Kläger die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten. Für die von ihm über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit kann er nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Fuß vom 25. November 2010 C-429/09 (EU:C:2010:717, Rz 35, 49 ff., 62, 72, 93 ff.) einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend machen und Ersatz des durch den Verstoß gegen die unionsrechtliche Vorschrift entstandenen Schadens verlangen. Der Schadensersatz darf nach den Ausführungen des EuGH unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung gewährt werden (s. hierzu auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 26. Juli 2012  2 C 70/11, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2012, 1472).

15

Nach der Rechtsprechung des BVerwG wird die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sichergestellt, indem die rechtswidrig zuviel geleisteten Arbeitsstunden in vollem Umfang ausgeglichen werden. Der Bereitschaftsdienst darf dabei nicht geringer gewichtet werden als sonstige Dienstzeiten, um einen Wertungswiderspruch zu den Normzielen des europäischen Arbeitszeitrechts zu vermeiden (BVerwG-Urteil vom 29. September 2011  2 C 32/10, BVerwGE 140, 351, m.w.N.).

16

cc) Für einen Schadensersatzanspruch nach deutschem Recht fehlt es im Hinblick auf rechtswidrig zuviel geleistete Arbeit an einem zu ersetzenden Schaden. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist kein Schaden i.S. des allgemeinen Schadensersatzrechts. Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der auch den §§ 249 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BVerwG-Urteil vom 28. Mai 2003  2 C 28/02, Deutsches Verwaltungsblatt 2003, 1552, Rz 17, m.w.N.). Danach ist mangels besonderer Vorschriften Geldersatz nur bei einem Vermögensschaden, nicht bei einem immateriellen Schaden zu leisten. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit als solche sind kein durch Geld zu ersetzender materieller Schaden (ebenso Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29. April 1977 V ZR 236/74, BGHZ 69, 34, und vom 22. November 1988 VI ZR 126/88, BGHZ 106, 28). Der nach dem Urteil des EuGH zu leistende "Ersatz des entstandenen Schadens" ist demnach als Ausgleichszahlung für rechtswidrig zuviel geleistete Arbeit zu sehen. Die Zahlung ist Gegenleistung für die in der Vergangenheit zu viel geleisteten Dienste des Arbeitnehmers und damit --wenn die Leistungen über mehrere Jahre hinweg erbracht wurden-- ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG (so auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juni 2016 IX R 2/16, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Die Verjährung des Anspruchs steht dem Entlohnungscharakter und der Erfüllungswirkung der Zahlung nicht entgegen (s. auch § 214 Abs. 2 BGB). Dies unterliegt keinem Zweifel und ist damit nicht grundsätzlich klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

17

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 2011 III B 192/10, BFH/NV 2011, 2043).

18

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

29
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist entbehrlich. Die Erwägungen des Senats zum Europarecht ergeben sich ohne weiteres aus dem Wortlaut der zitierten Richtlinien und aus der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, so dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (acte clair, vgl. z.B. Senat, Urteil vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn. 31 und BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34 jew. mwN).