Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2012 - IV ZR 188/12

bei uns veröffentlicht am05.12.2012
vorgehend
Landgericht Lüneburg, 5 O 96/11, 15.11.2011
Oberlandesgericht Celle, 8 U 280/11, 03.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 188/12
vom
5. Dezember 2012
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 5. Dezember 2012

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Mai 2012 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 500.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines Brandschadens geltend. Auf eine durch einen Makler erfolgte Anfrage bezüglich der Gewährung von Versicherungsschutz, unter anderem gegen Feuer, erklärte die "B.
" mit Faxschreiben vom 17. April 2000:
"Bestätigen - frei von bekannten Schäden - und vorbehaltlich Prämie und Bedingungen".
2
Am 19. April 2000 kam es zu einem Brand mit erheblichem Sachschaden. Die B. GmbH erklärte mit Schreiben vom 9. Mai 2000 vorsorglich den Rücktritt vom Vertrag. In einem weiteren Schreiben vom 20. Juni 2000 machte sie geltend, eine vorläufige Deckung sei nicht wirksam zustande gekommen. Ferner trat sie erneut hilfsweise vom Vertrag zurück und focht diesen an.
3
Der Kläger hat mit seiner Klage die "… " u.a. auf Zahlung von 500.000 € in Anspruch genommen. Auf die Rüge der Beklagten hinsichtlich ihrer fehlenden Passivlegitimation hat der Kläger hilfsweise beantragt, das Passivrubrum dahingehend zu berichtigen, dass es auf "...
" lautet. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung als unbegründet abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Klägervertreter auf die Frage des Gerichts, wer Beklagter sein solle, erklärt, dass dies weiter der Versicherer L. sein solle.
4
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Nach der eindeutigen Erklärung des Klägervertreters sei Beklagte entsprechend den Angaben in der Klageschrift "L. ". Eine Auslegung zum Zwecke der "Heilung" komme daher nicht in Betracht. Tatsächlich existiere L. als Partei aber nicht. Es handele sich nicht um einen Versicherer und insbesondere nicht um eine juristische Person. Vielmehr ergebe sich aus § 110b VAG, dass der Anspruch allein gegen den Hauptbevollmächtigten als gesetzlichen Prozessstandschafter geltend zu machen sei. Das Gericht sei auch nicht zu einer Belehrung des anwaltlich vertretenen Klägers verpflichtet gewesen. Die Frage, wer in dem Rechtsstreit Beklagter sei, hätten die Parteien bereits zuvor mehrfach angesprochen.
5
II. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen , das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
6
1. Die Zulassung der Revision folgt aus einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweise müssen, dass es die Klage für unzulässig hielt.
7
a) Gemäß § 139 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO hat das Gericht auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen hat, vor einer Entscheidung hinzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nach Absatz 3 hat das Gericht ferner auf Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen. Diese gerichtlichen Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05, VersR 2007, 225 unter 1). Das Berufungsgericht hat den Kläger nicht darauf hingewiesen, dass es Bedenken hin- sichtlich der Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Existenz der Beklagten hat. Es hat den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung lediglich gefragt, wer in dem Rechtsstreit Beklagter sein solle. Ein Hinweis des Berufungsgerichts auf § 110b Abs. 2 VAG ist nicht erfolgt. Hiernach können Ansprüche aus dem im Inland über eine Niederlassung betriebenen Versicherungsgeschäft der bei L. vereinigten Einzelversicherer nur durch und gegen den Hauptbevollmächtigten gerichtlich geltend gemacht werden. Eine Klage gegen L. als Versicherer ist mangels Existenz dieser Partei unzulässig.
8
b) Der erforderliche Hinweis an den Kläger auf die fehlende Existenz der von ihm bisher in Anspruch genommenen Beklagten sowie auf die gesetzliche Prozessstandschaft des Hauptbevollmächtigten entfiel auch nicht deshalb, weil der Kläger anwaltlich vertreten war. Die Hinweispflicht besteht auch gegenüber der anwaltlich vertretenen Partei, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt (BGH, Urteile vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254, 260; vom 4. Juli 1989 - XI ZR 45/88, BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3). Ein derartiger Fall lag hier für das Berufungsgericht erkennbar vor. Die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze sind auf die Auslegung von Prozesserklärungen entsprechend anwendbar. Es ist daher analog § 133 BGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des in der Parteierklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2001 - XII ZB 192/99, FamRZ 2001, 1703 unter II 1). Bei der Auslegung ist von dem Grundsatz auszugehen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 10. März 1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537 unter II 2 b; Beschluss vom 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243 unter 1). Bei unrichtiger oder mehrdeutiger Parteibezeichnung ist grundsätzlich derjenige als Partei anzusehen, der erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll (Zöller/Vollkommer, ZPO 29. Aufl. vor § 50 Rn. 7). Auf dieser Grundlage lag es fern, dass der Kläger mit dem "L. " eine nicht existente Partei verklagen wollte. Entsprechend hat der Klägervertreter auch in seinem Schriftsatz vom 21. Juni 2011 vorsorglich und hilfsweise beantragt, das Passivrubrum dahin zu berichtigen, dass es auf … lautet.
9
Das Berufungsgericht wäre angesichts dieser erkennbaren Unsicherheit des Klägervertreters bezüglich der zu verklagenden Partei im Rahmen seiner Hinweispflicht verpflichtet gewesen, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die Weiterverfolgung einer Klage gegen den "… " mangels Existenz einer derartigen Partei unzulässig ist. Bloß allgemeine und pauschale Hinweise sind demgegenüber nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254, 260). Das Berufungsgericht durfte sich daher nicht mit der schlichten Frage an den Klägervertreter zufrieden geben, wer Beklagter des Rechtsstreits sei, ohne klarzustellen, welche Rechtsfolgen sich aus der Angabe des Klägervertreters ergeben.
10
c) Der Hinweispflicht des Berufungsgerichts stand auch nicht entgegen , dass die Beklagte bereits erstinstanzlich auf ihre fehlende Passivlegitimation und die Regelung des § 110b Abs. 2 VAG hingewiesen hat. Der Kläger hatte hierauf reagiert und vorsorglich den Antrag auf Be- richtigung des Passivrubrums gestellt. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung allerdings keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage in der bisher erhobenen Form erhoben. Auch im Urteil des Landgerichts ist die Frage der Zulässigkeit der Klage nicht weiter problematisiert worden, sondern diese als unbegründet abgewiesen worden. Der Kläger durfte daher davon ausgehen, dass seine gegen "L. " gerichtete Klage zulässig ist.
11
Beurteilt das Berufungsgericht demgegenüber abweichend vom erstinstanzlichen Urteil eine entscheidungserhebliche Frage anders, so muss es die Partei hierauf hinweisen (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05, VersR 2007, 225 unter 1; BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 Rn. 5 f.). Das gilt auch für von Amts wegen zu berücksichtigende Punkte, für die § 139 Abs. 3 ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht vorsieht (Senatsbeschluss aaO). Auch auf eine abweichend von der Vorinstanz vorgenommene Beurteilung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage muss mithin hingewiesen werden (BGH, Urteil vom 23. April 2009 aaO Rn. 5). An einem derart unmissverständlichen Hinweis fehlt es hier. Solange das Berufungsgericht den Kläger nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es abweichend von der Vorinstanz die gegen den … gerichtete Klage als unzulässig erachtet, weil der Hauptbevollmächtigte als gesetzlicher Prozessstandschafter gemäß § 110b Abs. 2 Satz 1 VAG verklagt werden müsse, durfte der Kläger darauf vertrauen, dass seine Klage in der bisher erhobenen Form zulässig ist.
12
2. Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter bei einem entspre- chenden Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass die Klage ausdrücklich gegen den Hauptbevollmächtigten als Prozessstandschafter für die bei L. vereinigten Einzelversicherer gerichtet werden müsse, eine entsprechende Prozesserklärung abgegeben hätte. Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht sodann nach einer entsprechenden Prozesserklärung zu beurteilen haben, ob lediglich von einer Parteiberichtigung auszugehen ist, weil sich bereits durch Auslegung bzw. Umdeutung ergibt, dass die gegen den L. gerichtete Klage tatsächlich gegen … gemäß § 110b Abs. 2 Satz 1 VAG gerichtet war (zur Auslegung vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2001 - XII ZB 192/99, FamRZ 2001, 1703 unter II 1; Urteil vom 10. März 1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537 unter II 2 b; zur Umdeutung BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZB 14/10, NJW 2011, 1292 unter II 2 a; Urteil vom 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217 unter 4), oder ob ein Fall der Parteiänderung vorliegt (zur Abgrenzung vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 29. Aufl. vor § 50 Rn. 13).
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 15.11.2011- 5 O 96/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 03.05.2012 - 8 U 280/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2012 - IV ZR 188/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2012 - IV ZR 188/12

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 192/99
vom
14. Februar 2001
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke

beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluß des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 7. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Stollberg vom 6. Mai 1999 als unzulässig verworfen worden ist. 2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Beklagten als unzulässig verworfen. 3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. 4. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Gründe:

I.

Durch Urteil des Familiengerichts vom 6. Mai 1999 wurde der Beklagte verurteilt, an die Kläger - seine minderjährigen Kinder - Unterhalt zu zahlen. Das Urteil wurde ihm am 11. Mai 1999 zugestellt. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 7. Juni 1999, bei Gericht eingegangen am 8. Juni 1999, beantragte der Beklagte, ihm "für die beabsichtigte Berufung" gegen das Urteil des Familiengerichts Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung ergebe sich aus dem anliegenden Entwurf der Berufungsschrift, auf den Bezug genommen werde. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nebst Anlagen war diesem Schriftsatz beigefügt. Die in Bezug genommene Berufungsschrift, die ebenfalls das Datum des 7. Juni 1999 trägt und ebenfalls am 8. Juni 1999 eingegangen ist, enthält ein volles Rubrum, die genaue Bezeichnung des angefochtenen Urteils, die Erklärung, daß der Beklagte gegen dieses Urteil Berufung einlege, den Berufungsantrag, eine etwa zwei Schreibmaschinenseiten umfassende Begründung und die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten. Entgegen der Bezeichnung in dem Prozeßkostenhilfeantrag ist die Berufungsschrift nicht ausdrücklich als Entwurf gekennzeichnet, sie ist vielmehr wie folgt überschrieben: "Dieser Berufungsschriftsatz soll nur wirksam sein für den Fall, daß dem Beklagten und Berufungskläger für diese Berufung Prozeßkostenhilfe gewährt wird."
Der Vorsitzende des Berufungssenats hat mit Verfügung vom 15. Juni 1999 den Beklagten darauf hingewiesen, ihm könne Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, "da die Berufungsschrift unterschrieben ist und es sich folglich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, die Berufung jedoch von einer Bedingung, nämlich der Gewährung von PKH abhängig gemacht wird." Darauf hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 1999 geantwortet, es handele sich nicht um eine unbedingt eingelegte, jedoch von einer Bedingung abhängig gemachte Berufung, der Beklagte habe v ielmehr zum Ausdruck bringen wollen, "daß dieser Schriftsatz zunächst nur einen Entwurf darstellen soll. Diese ausdrückliche Erklärung gilt weiter - trotz der vorhandenen Unterschrift des Unterzeichneten." Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht (unter anderem ) die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen und den Antrag, ihm für das Berufungsverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

II.

1. Die Ausführungen des Beklagten lassen nicht erkennen, daß er sein Rechtsmittel in irgendeiner Weise beschränken und nur einen Teil der angefochtenen Entscheidung angreifen will. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sich die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Berufungsgerichts insgesamt richtet.
Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung der Berufung des Beklagten wendet, ist sie nach §§ 519 b Abs. 2, 547 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß es sich bei der von dem Beklagten gleichzeitig mit seinem Prozeßkostenhilfegesuch eingereichten Berufungsschrift nicht um einen Entwurf handelt, sondern schon um die Einlegung der Berufung, allerdings unter einer Bedingung. Die Berufung sei deshalb unzulässig. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels sei unzulässig (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 1973 - IV ZR 68/73 - VersR 1974, 194 m.N.). Dem Berufungsgericht ist auch einzuräumen, daß die von dem Beklagten eingereichte Berufungsschrift isoliert betrachtet dahin verstanden werden könnte, der Beklagte wolle bereits Berufung einlegen, allerdings unter der Bedingung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe. Es ist jedoch nicht zulässig, die Berufungsschrift in dieser Weise isoliert auszulegen, ohne den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Ob ein Schriftsatz bereits die Einlegung eines - eventuell bedingten - Rechtsmittels enthält oder ob er lediglich als Entwurf einer Rechtsmittelschrift zu verstehen ist, wie er üblicherweise einem Prozeßkostenhilfegesuch beigefügt wird, ist eine Frage der Auslegung. Da es sich um die Auslegung prozessualer Erklärungen handelt, hat der Senat die Auslegung des Berufungsgerichts uneingeschränkt nachzuprüfen und die erforderliche Auslegung gegebenenfalls selbst vorzunehmen (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung 5 m.N.).
Die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze sind auf die Auslegung von Prozeßerklärungen entsprechend anwendbar. Es ist daher analog § 133 BGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des in der Parteierklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern es ist der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln (BGH aaO VersR 1974 m.N.). Der Beklagte hat das Prozeßkostenhilfegesuch und die Berufungsschrift gleichzeitig eingereicht und in dem Prozeßkostenhilfegesuch ausdrücklich zur Begründung auf die Berufungsschrift verwiesen. Umgekehrt hat er in der Berufungsschrift Bezug genommen auf die beantragte Prozeßkostenhilfe. In einem solchen Falle muß bei der Auslegung der Berufungsschrift der Inhalt des gleichzeitig eingereichten Prozeßkostenhilfegesuchs mit berücksichtigt werden (so auch - in anderem Zusammenhang - Senatsbeschluß vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 161/87 - ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung, unbedingte 2). In dem Prozeßkostenhilfegesuch hat der Beklagte den gleichzeitig eingereichten Schriftsatz mehrfach als "Entwurf" bezeichnet. Außerdem hat er in diesem Schriftsatz mitgeteilt, es sei "beabsichtigt", Berufung einzulegen, nachdem ihm Prozeßkostenhilfe bewilligt worden sei. Diese Formulierungen lassen keinen Zweifel, daß es sich bei dem gleichzeitig eingereichten Schriftsatz lediglich um den Entwurf einer Berufungsschrift handeln sollte. Daß der Beklagte sich die Entscheidung, ob die Berufung durchgeführt werden sollte oder nicht, bis nach der Entscheidung über sein Prozeßkostenhilfegesuch vorbehalten wollte, ergibt sich auch aus der der Berufungsschrift vorangestellten Überschrift. Daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in dieser Überschrift nicht den Ausdruck "Entwurf" gewählt hat, wie in dem Prozeßkostenhilfegesuch , sondern davon gesprochen hat, der Berufungsschriftsatz solle "nur wirk-
sam sein", wenn Prozeßkostenhilfe gewährt werde, beruht erkennbar lediglich auf einem Vergreifen im Ausdruck. Für diese Auslegung spricht auch der wirtschaftliche Sinn, den der Beklagte mit den beiden gleichzeitig eingereichten Schriftsätzen verfolgte. Der Beklagte wollte erkennbar das Kostenrisiko eines erfolglosen Berufungsverfahrens vermeiden und deshalb die Durchführung der Berufung davon abhängig machen, ob ihm Prozeßkostenhilfe gewährt würde. Dieses Ziel hätte er nicht erreichen können, wenn er gleichzeitig mit dem Prozeßkostenhilfegesuch bereits (bedingt oder nicht bedingt) Berufung eingelegt hätte. Das Ziel, das eine Partei mit der Abgabe einer Prozeßerklärung erreichen will, darf bei der Auslegung dieser Erklärung nicht unberücksichtigt bleiben. Das Berufungsgericht geht deshalb zu Unrecht davon aus, daß bereits eine Berufung des Beklagten eingelegt worden ist. 3. Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 1999 - vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses - auf einen richterlichen Hinweis hin ausdrücklich klargestellt, daß er den zusammen mit dem Prozeßkostenhilfegesuch eingereichten Schriftsatz lediglich als den Entwurf einer Berufungsschrift ansehe. Damit hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, daß er Berufung - nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist - erst noch einlegen wolle. Zwar können nach Ablauf der Berufungsfrist eingehende klarstellende Erklärungen der Partei für die Auslegung, ob ein zuvor eingegangener Schriftsatz bereits als Einlegung der Berufung zu verstehen ist, nicht berücksichtigt werden. Entscheidend ist allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar war (BGH, Beschluß vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00 -, BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung 6
m.N.). Würde man mit dem Berufungsgericht davon ausgehen, der Beklagte habe zunächst eine bedingte und damit unzulässige Berufung eingelegt, so wäre dem Schriftsatz des Beklagten vom 29. Juni 1999 jedoch eine Zurücknahme dieser unzulässigen Berufung zu entnehmen. Diese Zurücknahme hätte den Beklagten nicht gehindert, nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist erneut und in zulässiger Weise Berufung einzulegen (vgl. Zöller /Gummer, ZPO 22. Aufl. § 518 Rdn. 3). Selbst wenn man der Auslegung des Berufungsgerichts folgt, war deshalb zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht mehr über eine beim Berufungsgericht anhängige Berufung zu entscheiden. Soweit das Berufungsgericht über eine nicht eingelegte, zumindest über eine nicht mehr anhängige Berufung entschieden hat, war der angefochtene Beschluß verfahrensfehlerhaft und deshalb aufzuheben. 4. Soweit der Beklagte mit seinem Rechtsmittel den Beschluß des Berufungsgerichts im übrigen angreift, - insbesondere wegen der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren - ist die sofortige Beschwerde unzulässig. Gegen solche Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist kein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof statthaft (§ 567 Abs. 4 ZPO). Daran ändert es nichts, daß das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, der Beklagte habe bereits eine bedingte und damit unzulässige Berufung eingelegt und daß es den die Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß in erster Linie auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluß hilfsweise ausgeführt, Prozeßkostenhilfe für die Durchführung des Berufungs-
verfahrens könne auch deshalb nicht bewilligt werden, weil die Berufung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg habe. 5. Dem Beklagten kann im vorliegenden Falle wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§ 236 Abs. 2 ZPO; vgl. Senatsbeschluß vom 8. November 2000 - XII ZB 132/00 -, nicht veröffentlicht). Die Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Beklagte nach der nicht mehr mit einem Rechtsmittel angreifbaren Verweigerung der Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren die versäumte Prozeßhandlung - die Einlegung der Berufung - nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO nachgeholt hat. Blumenröhr Hahne Gerber Sprick Weber-Monecke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 32/05
vom
15. März 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
§ 139 Abs. 3
Zur Notwendigkeit eines rechtzeitigen Hinweises auf das Fehlen einer Prozessvoraussetzung
(hier: ordnungsgemäße Vertretung einer Partei) bei von
der Vorinstanz abweichender Beurteilung der Rechtslage durch das
Rechtsmittelgericht.
Die Hinweispflicht entfällt grundsätzlich auch dann nicht, wenn sich aus einem
Vorprozess eine bestimmte Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts
erschließen lässt.
BGH, Beschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 15. März 2006

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Dezember 2004 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 76.693,78 €

Gründe:


1
I. 1. Die Klägerin ist die Schwiegermutter der Beklagten. Der Ehemann der Beklagten ist der Sohn der Klägerin und seit Juni 2001 - unter anderem für den Bereich der Vermögenssorge - auch ihr Betreuer. Im Jahre 1989 gewährte die Klägerin der Beklagten und ihrem Ehemann ein Darlehen über 150.000 DM. Im Mai 2000 kündigte sie das Darlehen. Die Klage auf Rückzahlung der Darlehensvaluta wurde von demselben Senat des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung die Klägerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren angreift, mangels Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs abgewiesen. Nach einem Hinweis des Berichterstatters des Berufungsgerichts auf den Ausschluss der Vertretungsmacht des Betreuers wegen einer möglichen Interessenkollision hatte das zuständige Vormundschaftsgericht für die Klägerin noch vor der Entscheidung des Berufungsgerichts einen Ergänzungsbetreuer bestellt.
2
2. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin, zunächst erneut vertreten durch ihren Sohn als Betreuer, wiederum Rückzahlung des Darlehens verlangt. Sie hat im Verfahren vor dem Landgericht einen rechtlichen Hinweis für den Fall erbeten, dass Bedenken gegen ihre ordnungsgemäße Vertretung im Prozess bestünden, um gegebenenfalls einen Ergänzungsbetreuer bestellen lassen zu können. Das Landgericht hat die Klage als zulässig behandelt und ihr stattgegeben. In der Entscheidung wird näher ausgeführt, es sei nicht von einer Interessenkollision derart auszugehen, die den Ehemann der Beklagten von der Vertretung seiner Mutter ausschließen würde. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Betreuungsakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Im Hinblick auf die Rechtsausführungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, das Verfahren auszusetzen, um einen Ergänzungsbetreuer bestellen zu lassen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei im vorliegenden Verfahren von Anfang an gemäß § 1908i Abs. 1 i.V. mit § 1795 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 1 BGB nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Der Sohn der Klägerin sei als deren Betreuer und Ehemann der Beklagten gehindert, einen Rechtsstreit zwischen diesen Personen zu führen. Ein Grund für die Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Bestellung eines Ergänzungsbetreuers liege nicht vor. Den Parteien sei die Rechtsauffassung des Senats aus dem Vorprozess bekannt gewesen, in dem auf dessen Anregung hin ein Betreuer für die Prozessführung und die ordnungsgemäße Kündigung des Darlehens bestellt worden sei. Unter diesen Umständen sei ein rechtlicher Hinweis entbehrlich gewesen, zumal sich dem Betreuer der Klägerin und insbesondere ihrer Prozessbevollmächtigten der hier ohne Zweifel vorliegende Interessenkonflikt habe aufdrängen müssen. Dass das Landgericht die Klage für zulässig gehalten habe, ändere daran nichts.
3
II. Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Zu Recht rügt die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde , dass das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, indem es einen rechtzeitigen Hinweis auf ihre nicht ordnungsgemäße Vertretung im Rechtsstreit unterlassen hat.
4
1. Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (BVerfGE 84, 188, 189 f.). Diese in Art. 103 Abs. 1 GG normierte Gewährleistung stellt eine Ausprägung des Rechtsstaats- gedankens für das gerichtliche Verfahren dar (vgl. BVerfGE 55, 72, 93 f.; BVerfG NJW 1996, 3202). Rechtliche Hinweise müssen danach unter Berücksichtigung der Parteien in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 139 Rdn. 14). Dem Gewährleistungsgehalt von Art. 103 Abs. 1 GG entnimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daher, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urteile vom 27. April 1994 - XII ZR 16/93 - VersR 1994, 1351; vom 16. Mai 2002 - VII ZR 197/01 - NJW-RR 2002, 1436 unter II 1; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Januar 1981 - VII ZR 147/80 - NJW 1981, 1378 unter 2 c und 3). Das gilt auch für von Amts wegen zu berücksichtigende Punkte, für die § 139 Abs. 3 ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht vorsieht. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen auch Bedenken gegen die ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung einer Partei im Prozess (vgl. dazu SchlHOLG SchlHA 1978, 108).
5
2. Da das Landgericht im vorliegenden Fall gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken hatte, durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass sie von der gegenteiligen und entscheidungserheblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts durch einen Hinweis gem. § 139 Abs. 3 ZPO rechtzeitig unterrichtet werden würde. Das gilt umso mehr, als sie selbst schon im Verfahren vor dem Landgericht um einen rechtlichen Hinweis für den Fall gebeten hatte, dass Bedenken gegen ihre ordnungsgemäße Vertretung bestünden. Zu Unrecht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, die Klägerin sei wegen der auf Anregung des Senats erfolgten Bestellung eines Ergänzungsbetreuers im Vorprozess bereits hinreichend über die Rechtsauffassung des Senats unterrichtet gewesen. Zweifelhaft ist schon, ob die aus Anlass eines früheren Verfahrens bekannt gewordene Rechtsauffassung eines Gerichts generell geeignet sein kann, einen rechtlichen Hinweis in einem weiteren Verfahren, wenn auch mit identischen Parteirollen und vergleichbarem Streitgegenstand , entbehrlich zu machen. Denn die Auffassung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers kann sich geändert, der Spruchkörper kann in seiner personellen Zusammensetzung Änderungen erfahren haben. Jedenfalls musste die Klägerin allein dem Umstand, dass hier im Vorprozess der Berichterstatter des Berufungssenats die Akten dem zuständigen Vormundschaftsgericht mit der Anfrage zugeleitet hatte, ob nicht im Hinblick auf eine mögliche Interessenkollision die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers angezeigt sei, nicht entnehmen, dass sich das Berufungsgericht in dieser - danach nicht mehr entscheidungserheblich gewordenen - Frage auch für einen zukünftigen Rechtsstreit bereits endgültig festgelegt hatte.
6
War demgemäß ein rechtlicher Hinweis des Berufungsgerichts geboten , musste ihn das Berufungsgericht so rechtzeitig erteilen, dass der Klägerin Gelegenheit blieb, der Rechtsauffassung des Gerichts gegebenenfalls Rechnung zu tragen. Dazu gehörte im Falle eines - hier in Rede stehenden - Vertretungsmangels nicht nur die Gelegenheit zu ergänzendem rechtlichen Vortrag, sondern auch die Heilung des Vertretungsman- gels durch Bestellung eines Ergänzungsbetreuers. Der in der mündlichen Verhandlung vor der Verkündung einer Entscheidung erteilte Hinweis ist deshalb nicht mehr rechtzeitig erfolgt. Das Berufungsgericht hat auch keine geeigneten verfahrenslenkenden Maßnahmen - etwa die Bestimmung eines neuen Termins - ergriffen, um diesen Mangel auszugleichen. Sein Verfahren hat daher den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke

Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 17.06.2004 - 4 O 53/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.12.2004 - 3 U 246/04 -
5
Gerichtliche 1. Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (BVerfGE 84, 188, 189 f). Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt auch das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (BGH, Beschl. v. 15. März 2006 - IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937 m.w.N.; v. 26. Juni 2008 - V ZR 225/07, Rn. 5). Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Eingangsgericht nach den § 525 Satz 1, § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO insbesondere dahin zu wirken, dass die Parteien sachdienliche Anträge stellen. Das rechtliche Gehör vor Gericht zum Streitgegenstand einer Klage bezieht sich danach nicht allein auf den Sachverhalt und seinen Vortrag, sondern ebenso auf die sachdienliche Fassung der Klageanträge, mit denen eine Partei vor Gericht verhandelt. Hält das Berufungsgericht einen solchen Antrag abweichend vom Ausspruch der Vorinstanz für unzulässig, weil er seines Erachtens dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt, so muss es auf eine Heilung dieses Mangels hinwirken. Die betroffene Partei muss Gelegenheit erhalten, ihren Sachantrag den Zulässigkeitsbedenken des erkennenden Gerichts anzupassen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 192/99
vom
14. Februar 2001
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke

beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluß des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 7. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Stollberg vom 6. Mai 1999 als unzulässig verworfen worden ist. 2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Beklagten als unzulässig verworfen. 3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. 4. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Gründe:

I.

Durch Urteil des Familiengerichts vom 6. Mai 1999 wurde der Beklagte verurteilt, an die Kläger - seine minderjährigen Kinder - Unterhalt zu zahlen. Das Urteil wurde ihm am 11. Mai 1999 zugestellt. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 7. Juni 1999, bei Gericht eingegangen am 8. Juni 1999, beantragte der Beklagte, ihm "für die beabsichtigte Berufung" gegen das Urteil des Familiengerichts Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung ergebe sich aus dem anliegenden Entwurf der Berufungsschrift, auf den Bezug genommen werde. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nebst Anlagen war diesem Schriftsatz beigefügt. Die in Bezug genommene Berufungsschrift, die ebenfalls das Datum des 7. Juni 1999 trägt und ebenfalls am 8. Juni 1999 eingegangen ist, enthält ein volles Rubrum, die genaue Bezeichnung des angefochtenen Urteils, die Erklärung, daß der Beklagte gegen dieses Urteil Berufung einlege, den Berufungsantrag, eine etwa zwei Schreibmaschinenseiten umfassende Begründung und die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten. Entgegen der Bezeichnung in dem Prozeßkostenhilfeantrag ist die Berufungsschrift nicht ausdrücklich als Entwurf gekennzeichnet, sie ist vielmehr wie folgt überschrieben: "Dieser Berufungsschriftsatz soll nur wirksam sein für den Fall, daß dem Beklagten und Berufungskläger für diese Berufung Prozeßkostenhilfe gewährt wird."
Der Vorsitzende des Berufungssenats hat mit Verfügung vom 15. Juni 1999 den Beklagten darauf hingewiesen, ihm könne Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, "da die Berufungsschrift unterschrieben ist und es sich folglich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, die Berufung jedoch von einer Bedingung, nämlich der Gewährung von PKH abhängig gemacht wird." Darauf hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 1999 geantwortet, es handele sich nicht um eine unbedingt eingelegte, jedoch von einer Bedingung abhängig gemachte Berufung, der Beklagte habe v ielmehr zum Ausdruck bringen wollen, "daß dieser Schriftsatz zunächst nur einen Entwurf darstellen soll. Diese ausdrückliche Erklärung gilt weiter - trotz der vorhandenen Unterschrift des Unterzeichneten." Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht (unter anderem ) die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen und den Antrag, ihm für das Berufungsverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

II.

1. Die Ausführungen des Beklagten lassen nicht erkennen, daß er sein Rechtsmittel in irgendeiner Weise beschränken und nur einen Teil der angefochtenen Entscheidung angreifen will. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sich die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Berufungsgerichts insgesamt richtet.
Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung der Berufung des Beklagten wendet, ist sie nach §§ 519 b Abs. 2, 547 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß es sich bei der von dem Beklagten gleichzeitig mit seinem Prozeßkostenhilfegesuch eingereichten Berufungsschrift nicht um einen Entwurf handelt, sondern schon um die Einlegung der Berufung, allerdings unter einer Bedingung. Die Berufung sei deshalb unzulässig. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels sei unzulässig (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 1973 - IV ZR 68/73 - VersR 1974, 194 m.N.). Dem Berufungsgericht ist auch einzuräumen, daß die von dem Beklagten eingereichte Berufungsschrift isoliert betrachtet dahin verstanden werden könnte, der Beklagte wolle bereits Berufung einlegen, allerdings unter der Bedingung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe. Es ist jedoch nicht zulässig, die Berufungsschrift in dieser Weise isoliert auszulegen, ohne den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Ob ein Schriftsatz bereits die Einlegung eines - eventuell bedingten - Rechtsmittels enthält oder ob er lediglich als Entwurf einer Rechtsmittelschrift zu verstehen ist, wie er üblicherweise einem Prozeßkostenhilfegesuch beigefügt wird, ist eine Frage der Auslegung. Da es sich um die Auslegung prozessualer Erklärungen handelt, hat der Senat die Auslegung des Berufungsgerichts uneingeschränkt nachzuprüfen und die erforderliche Auslegung gegebenenfalls selbst vorzunehmen (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung 5 m.N.).
Die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze sind auf die Auslegung von Prozeßerklärungen entsprechend anwendbar. Es ist daher analog § 133 BGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des in der Parteierklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern es ist der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln (BGH aaO VersR 1974 m.N.). Der Beklagte hat das Prozeßkostenhilfegesuch und die Berufungsschrift gleichzeitig eingereicht und in dem Prozeßkostenhilfegesuch ausdrücklich zur Begründung auf die Berufungsschrift verwiesen. Umgekehrt hat er in der Berufungsschrift Bezug genommen auf die beantragte Prozeßkostenhilfe. In einem solchen Falle muß bei der Auslegung der Berufungsschrift der Inhalt des gleichzeitig eingereichten Prozeßkostenhilfegesuchs mit berücksichtigt werden (so auch - in anderem Zusammenhang - Senatsbeschluß vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 161/87 - ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung, unbedingte 2). In dem Prozeßkostenhilfegesuch hat der Beklagte den gleichzeitig eingereichten Schriftsatz mehrfach als "Entwurf" bezeichnet. Außerdem hat er in diesem Schriftsatz mitgeteilt, es sei "beabsichtigt", Berufung einzulegen, nachdem ihm Prozeßkostenhilfe bewilligt worden sei. Diese Formulierungen lassen keinen Zweifel, daß es sich bei dem gleichzeitig eingereichten Schriftsatz lediglich um den Entwurf einer Berufungsschrift handeln sollte. Daß der Beklagte sich die Entscheidung, ob die Berufung durchgeführt werden sollte oder nicht, bis nach der Entscheidung über sein Prozeßkostenhilfegesuch vorbehalten wollte, ergibt sich auch aus der der Berufungsschrift vorangestellten Überschrift. Daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in dieser Überschrift nicht den Ausdruck "Entwurf" gewählt hat, wie in dem Prozeßkostenhilfegesuch , sondern davon gesprochen hat, der Berufungsschriftsatz solle "nur wirk-
sam sein", wenn Prozeßkostenhilfe gewährt werde, beruht erkennbar lediglich auf einem Vergreifen im Ausdruck. Für diese Auslegung spricht auch der wirtschaftliche Sinn, den der Beklagte mit den beiden gleichzeitig eingereichten Schriftsätzen verfolgte. Der Beklagte wollte erkennbar das Kostenrisiko eines erfolglosen Berufungsverfahrens vermeiden und deshalb die Durchführung der Berufung davon abhängig machen, ob ihm Prozeßkostenhilfe gewährt würde. Dieses Ziel hätte er nicht erreichen können, wenn er gleichzeitig mit dem Prozeßkostenhilfegesuch bereits (bedingt oder nicht bedingt) Berufung eingelegt hätte. Das Ziel, das eine Partei mit der Abgabe einer Prozeßerklärung erreichen will, darf bei der Auslegung dieser Erklärung nicht unberücksichtigt bleiben. Das Berufungsgericht geht deshalb zu Unrecht davon aus, daß bereits eine Berufung des Beklagten eingelegt worden ist. 3. Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 1999 - vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses - auf einen richterlichen Hinweis hin ausdrücklich klargestellt, daß er den zusammen mit dem Prozeßkostenhilfegesuch eingereichten Schriftsatz lediglich als den Entwurf einer Berufungsschrift ansehe. Damit hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, daß er Berufung - nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist - erst noch einlegen wolle. Zwar können nach Ablauf der Berufungsfrist eingehende klarstellende Erklärungen der Partei für die Auslegung, ob ein zuvor eingegangener Schriftsatz bereits als Einlegung der Berufung zu verstehen ist, nicht berücksichtigt werden. Entscheidend ist allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar war (BGH, Beschluß vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00 -, BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung 6
m.N.). Würde man mit dem Berufungsgericht davon ausgehen, der Beklagte habe zunächst eine bedingte und damit unzulässige Berufung eingelegt, so wäre dem Schriftsatz des Beklagten vom 29. Juni 1999 jedoch eine Zurücknahme dieser unzulässigen Berufung zu entnehmen. Diese Zurücknahme hätte den Beklagten nicht gehindert, nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist erneut und in zulässiger Weise Berufung einzulegen (vgl. Zöller /Gummer, ZPO 22. Aufl. § 518 Rdn. 3). Selbst wenn man der Auslegung des Berufungsgerichts folgt, war deshalb zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht mehr über eine beim Berufungsgericht anhängige Berufung zu entscheiden. Soweit das Berufungsgericht über eine nicht eingelegte, zumindest über eine nicht mehr anhängige Berufung entschieden hat, war der angefochtene Beschluß verfahrensfehlerhaft und deshalb aufzuheben. 4. Soweit der Beklagte mit seinem Rechtsmittel den Beschluß des Berufungsgerichts im übrigen angreift, - insbesondere wegen der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren - ist die sofortige Beschwerde unzulässig. Gegen solche Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist kein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof statthaft (§ 567 Abs. 4 ZPO). Daran ändert es nichts, daß das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, der Beklagte habe bereits eine bedingte und damit unzulässige Berufung eingelegt und daß es den die Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß in erster Linie auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluß hilfsweise ausgeführt, Prozeßkostenhilfe für die Durchführung des Berufungs-
verfahrens könne auch deshalb nicht bewilligt werden, weil die Berufung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg habe. 5. Dem Beklagten kann im vorliegenden Falle wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§ 236 Abs. 2 ZPO; vgl. Senatsbeschluß vom 8. November 2000 - XII ZB 132/00 -, nicht veröffentlicht). Die Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Beklagte nach der nicht mehr mit einem Rechtsmittel angreifbaren Verweigerung der Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren die versäumte Prozeßhandlung - die Einlegung der Berufung - nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO nachgeholt hat. Blumenröhr Hahne Gerber Sprick Weber-Monecke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 14/10
vom
7. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine im selbständigen Beweisverfahren unzulässige einseitige Erledigungserklärung
ist regelmäßig in eine Antragsrücknahme mit der Kostenfolge des § 269
Abs. 3 Satz 2 ZPO umzudeuten. Dies gilt auch dann, wenn das Beweissicherungsinteresse
zum Zeitpunkt der Erklärung entfallen war (im Anschluss an
BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, NZBau 2005, 42, und
vom 21. September 2010 - VIII ZB 73/09, juris).
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZB 14/10 - LG Stuttgart
AG Waiblingen
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen
Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Antragsgegnerinnen erkannt worden ist.
Der Antragsteller trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis 600 €.

Gründe:

I.

1
Der Antragsteller hat im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 ZPO) die Feststellung eines Mangels und dessen Ursache am Parkettboden der von ihm angemieteten Wohnung beantragt. Die Antragsgegnerinnen hatten nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens bereits vor Anhängigkeit des Verfahrens das Vorhandensein des Mangels und dessen Ursache (mangelhafte Verklebung des Parkettbodens) eingeräumt. Mit Beschluss vom 17. Juli 2009 hat das Amtsgericht den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig zurückgewiesen und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es ausge- führt, im Hinblick darauf, dass die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Tatsachenfragen unstreitig seien, sei weder ein - für eine Beweissicherung nach § 485 Abs. 1 ZPO erforderliches - Rechtsschutzbedürfnis erkennbar noch ein rechtliches Interesse für eine Beweiserhebung nach § 485 Abs. 2 ZPO.
2
Hiergegen hat der Antragsteller form- und fristgerecht sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die von dem Beweissicherungsantrag erfassten Tatsachen, insbesondere die Mängelursachen, seien nicht - jedenfalls nicht dauerhaft - unstreitig gestellt worden; zudem sei er gezwungen, die Mängel selbst zu beheben, da die Antragsgegnerinnen untätig blieben. Während des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegnerinnen Nachbesserungsarbeiten am Parkettboden vornehmen lassen. Daraufhin hat der Antragsteller das Verfahren für "erledigt" erklärt und beantragt, die Kosten den Antragsgegnerinnen aufzuerlegen. Dem haben die Antragsgegnerinnen widersprochen und gegenläufigen Kostenantrag gestellt.
3
Das Landgericht hat - in voller Kammerbesetzung - den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts im Kostenpunkt aufgehoben und die wechselseitigen Anträge der Parteien, der Gegenseite die Kosten des erstinstanzlichen selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine einseitige Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig; diese sei regelmäßig als Antragsrücknahme auszulegen, die mit der entsprechend anwendbaren Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO verbunden sei. Allerdings habe der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob eine solche Deutung auch dann in Betracht komme, wenn - wie hier - die Erledigungserklärung auf einem Ereignis beruhe, das das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen lasse. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts habe vorliegend das rechtliche Interesse des Antragstellers an der Be- weissicherung nicht von vornherein gefehlt, denn die Antragsgegnerinnen seien durch ihre bisherigen Erklärungen nicht daran gehindert gewesen, das Vorhandensein von Mängeln und deren Ursachen im bevorstehenden Hauptsacherechtsstreit zu bestreiten. Vielmehr sei das Interesse an der Beweiserhebung erst infolge der Mängelbeseitigungsmaßnahmen der Antragsgegnerinnen entfallen.
4
Eine "Erledigungserklärung" aufgrund nachträglichen Wegfalls des Beweiserhebungsinteresses führe nicht zu einer entsprechenden Anwendung der Kostenregelung in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Kostentragungspflicht richte sich vielmehr nach materiellem Recht; über einen etwaigen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch sei in einem Hauptsacheprozess zu befinden. Für eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers sei damit im selbständigen Beweisverfahren kein Raum. Umgekehrt könne auch keine Kostentragungspflicht der Antragsgegnerinnen ausgesprochen werden, weil eine solche Entscheidung dem selbständigen Beweisverfahren mit seinem beschränkten Verfahrensgegenstand fremd sei und nicht einmal dann erfolge, wenn sich die unter Beweis gestellte Behauptung des Antragstellers bestätige.
5
Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstreben die Antragsgegnerinnen die Wiederherstellung der vom Amtsgericht getroffenen Kostenentscheidung.

II.

6
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft von einer Kostengrundentscheidung zu Lasten des Antragstellers abgesehen.
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1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs von § 494a ZPO keine Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu treffen ist; diese Entscheidung ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, NJW-RR 2004, 1005 unter III 1; Senatsbeschluss vom 21. September 2010 - VIII ZB 73/09, juris Rn. 7). Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten eines anhängigen oder zukünftigen Erkenntnisverfahrens zwischen den Parteien, neben dem oder zu dessen Vorbereitung das selbständige Beweisverfahren stattgefunden hat (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, aaO; vgl. ferner Urteil vom 9. Februar 2006 - VII ZB 59/05, NJW-RR 2006, 810 Rn. 11).
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2. Die Rechtsprechung hat jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen, weil in manchen Fällen der Antragsgegner ein schützenswertes Interesse an einer sofortigen Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren hat. Eine solche Kostenentscheidung ist insbesondere dann veranlasst, wenn der Antragsteller den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, NZBau 2005, 42 unter III 3 b mwN). So verhält es sich hier; die einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers ist in eine Antragsrücknahme umzudeuten.
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a) Eine einseitige Erledigungserklärung ist im selbständigen Beweisverfahren unzulässig (BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, aaO, und vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, aaO unter III 3 a). Sie ist aber regelmäßig in eine (wirksame) Antragsrücknahme mit der Kostenfolge entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO umzudeuten, wenn nach dem Willen des Antragstellers das selbständige Beweisverfahren endgültig beendet werden soll (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, aaO; Senatsbeschluss vom 21. September 2010 - VIII ZB 73/09, aaO; vgl. ferner OLG Hamm, NZBau 2005, 696, 697). Auch im Verfahrensrecht gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige und wirksame Prozesserklärung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217 unter 4 mwN).
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Die Umdeutung einer unzulässigen Erledigungserklärung in eine Antragsrücknahme entspricht regelmäßig dem mutmaßlichen Interesse des Antragstellers. Denn dessen Ziel einer sofortigen Beendigung eines selbständigen Beweisverfahrens kann nur durch eine Antragsrücknahme erreicht werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Rücknahme mit der für den Antragsteller nachteiligen Kostentragungspflicht des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO verbunden ist. Diesem Gesichtspunkt kommt angesichts des vorrangigen Willens, das Verfahren zu beenden, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (aA OLG Düsseldorf, OLGR 2005, 453, 454; OLG Hamburg, Beschluss vom 20. Oktober 2006 - 9 W 88/06, juris Rn. 4; OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 656 f.). Denn die kostenrechtliche Situation des Antragstellers wird hierdurch nicht verschlechtert. Deutete man die - auch bei Wegfall des Beweissicherungsinteresses - unzulässige "Erledigungserklärung" des Antragstellers nicht in eine Antragsrücknahme um, hätte dies zur Konsequenz, dass das Begehren des Antragstellers auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens aufrechterhalten bliebe und vom Gericht als unzulässig zurückzuweisen wäre. In diesem Falle wäre im selbständigen Beweisverfahren aber (ebenfalls) eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers zu treffen (so zutreffend die überwiegende Auffassung, vgl. etwa OLG Hamburg, MDR 1998, 242, 243 mwN; OLG Frankfurt am Main, MDR 1998, 128; OLG Karlsruhe, MDR 2000, 975, 976; KG, GE 2001, 1602; OLG Stuttgart, BauR 1995, 278, 279; OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Mai 2010 - 1 W 27/10, juris; offen gelassen in BGH, Urteil vom 7. Oktober 1982 - III ZR 148/81, NJW 1983, 284 unter III).
11
b) Ist danach auch bei Wegfall des Beweissicherungsinteresses eine unzulässige einseitige "Erledigungserklärung" regelmäßig in eine Antragsrücknahme umzudeuten, ist dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, wonach derjenige die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, der seinen Antrag zurücknimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, aaO unter III 3 b mwN), in geeigneter Weise Geltung zu verschaffen. Kann kein Hauptsacherechtsstreit anhängig gemacht werden, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen werden kann, und haben sich die Parteien nicht über die Kostenverteilung geeinigt, ist über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf Antrag ausnahmsweise im selbständigen Beweisverfahren zu befinden (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, aaO mwN).
12
Eine solche Kostenentscheidung ist entgegen der von der Rechtsbeschwerdeerwiderung geteilten Ansicht des Beschwerdegerichts nicht auf die Fälle beschränkt, in denen bei Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens das rechtliche Interesse des Antragstellers an der Fortführung dieses Verfahrens noch nicht entfallen war. Zwar trifft es zu, dass der Entscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2004 (VII ZB 23/03, aaO) eine Fallgestaltung zugrunde lag, in der das Beweissicherungsinteresse bei Antragsrücknahme noch fortbestand. Der Bundesgerichtshof hat daher damals offen gelassen, ob zu Lasten des Antragstellers auch dann im selbständigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu treffen ist, wenn die Rücknahme auf einem Ereignis beruht, das das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen lässt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03, aaO unter III 3 c, unter Hinweis auf OLG Hamburg, MDR 1998, 242). In seiner nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen Entscheidung vom 21. September 2010 (VIII ZB 73/09, aaO) hat der Senat aber die vom VII. Zivilsenat entwickelten Grundsätze auch auf die Fälle übertragen, in denen - wie hier - das Beweissicherungsinteresse infolge einer vom Antragsgegner nach Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens vorgenommenen Mängelbeseitigung entfallen ist.
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Die Erwägungen, die den VII. Zivilsenat veranlasst haben, schon im selbständigen Beweisverfahren bei einer ausdrücklich erklärten oder als solche aufzufassenden Antragsrücknahme eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu treffen, gelten bei einer auf dem Wegfall des Beweissicherungsinteresses beruhenden einseitigen "Erledigungserklärung" in gleicher Weise. Kommt es im selbständigen Beweisverfahren nicht zur Erhebung verwertbarer Beweise (§ 493 ZPO), kann in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess keine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens getroffen werden (vgl. für den Fall der Zurückweisung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig OLG Celle, OLGR 1995, 16). In diesem Fall besteht eine Regelungslücke, die dadurch zu schließen ist, dass bereits im selbständigen Beweisverfahren über die Kostentragungspflicht zu befinden ist. Hieran besteht regelmäßig ein Interesse des Antragsgegners, der ansonsten darauf angewiesen wäre, in einem gesonderten Erkenntnisverfahren einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsteller geltend zu machen. Da ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch des Antragsgegners nur in bestimmten Fällen besteht, ist diese Rechtsschutzmöglichkeit aber weniger Erfolg versprechend (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, aaO unter III 2 mwN). Dagegen ist im Hinblick auf die oben unter 2 a angeführten Gründe kein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers am Unterbleiben einer Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren in den Fällen, in denen die Beweiserhebung ohne sein Zutun hinfällig geworden ist, zu erkennen.
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c) Das gefundene Ergebnis trägt auch zur Rechtssicherheit bei. Würde man bei einer unzulässigen einseitigen "Erledigungserklärung" im selbständigen Beweisverfahren eine Umdeutung in eine Antragsrücknahme und damit eine Kostenentscheidung analog § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur in den Fällen eines fortbestehenden Beweissicherungsinteresses zulassen, würde dies das Gericht nicht nur zu einer aufwändigen Prüfung der Gründe für die abgegebene Erklärung zwingen, sondern auch zu erheblichen Unsicherheiten führen. Denn häufig wird nicht offenkundig sein, ob ein Beweissicherungsinteresse (vollständig ) entfallen ist oder ob die Parteien dies nur annehmen.
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3. Ein Fall des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO liegt nicht vor. Dies macht auch die Beschwerdeerwiderung nicht geltend. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen ist daher der angefochtene Beschluss aufzuheben, soweit zu deren Nachteil erkannt worden ist, und hierdurch die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Waiblingen, Entscheidung vom 17.07.2009 - 9 H 11/09 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 14.01.2010 - 19 T 357/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 219/98 Verkündet am:
6. Dezember 2000
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Umdeutung eines Rechtsmittels, das der Rechtsmittelkläger eingelegt hat in der
irrtümlichen Annahme, er sei im Wege der Rechtsnachfolge - hier: im Wege einer
Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG - Partei geworden, in einen Beitritt als Nebenintervenient
verbunden mit dem Einlegen des Rechtsmittels in dieser Eigenschaft.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98 - OLG Bamberg
LG Würzburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und
die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Berufungsklägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 18. Mai 1998 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Geschäftsführer der Klägerin überließ der Klägerin ein ihm gehörendes Grundstück zur Nutzung, auf dem die Klägerin mehrere Betriebs- und Bürogebäude errichtete. Im Jahre 1984 mietete die beklagte T. B. AG einen Teil der Gewerberäume an. Der Mietvertrag wurde auf Vermieterseite von dem Geschäftsführer der Klägerin unterschrieben, die Parteien streiten aber darüber, ob er persönlich oder die Klägerin Vertragspartner der T. B. AG geworden ist.
Eine Anlage zum Mietvertrag enthielt Angaben über die durchzuführenden Schönheitsreparaturen. In dem Mietvertrag war geregelt, daß das Mietobjekt bei Beendigung des Mietverhältnisses "gleichwertig renoviert" zurückzugeben sei. Das Mietobjekt wurde am 31. Mai 1994 nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückgegeben. Mit der Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend wegen nach ihrer Behauptung nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen , außerdem verlangt sie für neun Monate eine Mietausfallentschädigung. Das Landgericht hat die beklagte T. B. AG unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 79.490 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Nachdem die vorliegende Klage bereits rechtshängig war, sind Unternehmensteile der beklagten T. B. AG im Wege der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG auf die T. B. KG Brauereibetriebsgesellschaft übertragen worden. Gegen das landgerichtliche Urteil ging eine Berufung ein, in der die T. B. KG als Beklagte und Berufungsklägerin bezeichnet und geltend gemacht wird, die T. B. KG sei aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrages Rechtsnachfolgerin der T. B. AG und deshalb ohne weiteres Partei des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Das Rubrum solle entsprechend berichtigt werden. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen haben die T. B. AG und die T. B. KG Revision eingelegt, mit der sie eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache erreichen wollen.

Entscheidungsgründe:

Die sowohl von der T. B. AG als auch von der T. B. KG eingelegte Revision, die als einheitliches Rechtsmittel zu behandeln ist, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, die T. B. KG könne nicht als Rechtsnachfolgerin der T. B. AG angesehen werden, weil ein Teil der Vermögensgegenstände der AG bei dieser verblieben sei und die AG somit weiterbestehe. Im Gegensatz zu dieser Rechtslage habe die T. B. KG in ihren Schriftsätzen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, sie betrachte sich als Partei des Rechtsstreits und habe in dieser Eigenschaft Berufung eingelegt. Es handele sich somit um ein Rechtsmittel einer an dem Prozeß nicht beteiligten Gesellschaft. Das Vorbringen der T. B. KG könne auch nicht dahin umgedeutet werden, daß sie im Wege der Nebenintervention auf seiten der T. B. AG dem Rechtsstreit beitreten und als Nebenintervenientin Berufung einlegen wolle. Die T. B. KG habe nämlich klar zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht "als Dritte einem zwischen zwei anderen geführten Rechtsstreit beitreten" wolle. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung stand. 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufungsschrift sei dahin zu verstehen, daß nicht die T. B. AG, sondern die T. B. KG das Rechtsmittel eingelegt habe, und zwar als Partei, weil sie die Ansicht vertreten habe, sie sei aufgrund der Ausgliederung Rechtsnachfolgerin der T. B. AG geworden und in
dieser Eigenschaft anstelle der T. B. AG als beklagte Partei in den Rechtsstreit eingetreten. Zwar kann der Senat, weil es sich um die Auslegung einer Prozeßerklärung handelt, das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis ohne Einschränkung überprüfen (Senatsurteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 124/92 - NJW-RR 1993, 1091, 1092 m.N.). Die Auslegung des Berufungsgerichts ist jedoch zutreffend. Aus der Berufungsschrift ergibt sich nicht, daß die T. B. AG an dem Entschluß, Berufung einzulegen, überhaupt beteiligt und daß sie bereit war, das mit der Durchführung eines Rechtsmittels verbundene Kostenrisiko zu übernehmen. 3. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die T. B. KG sei nicht als Rechtsnachfolgerin der T. B. AG Partei des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Welche prozessualen Auswirkungen eine Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung) nach § 123 UmwG auf einen noch anhängigen Rechtsstreit des übertragenden Rechtsträgers haben kann, ist bisher noch nicht in Einzelheiten geklärt (vgl. zu dem Problem Karsten Schmidt in Festschrift für Henkel, 1995, 749, 769 ff. m.N.; ders. Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 8 I 7 = S. 238). Zur Entscheidung des vorliegenden Falles ist eine umfassende Klärung dieses Problemkreises nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG und um einen s ogenannten Passivprozeß des übertragenden Rechtsträgers - der T. B. AG -, in dem gegen diesen ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurde. Jedenfalls in dieser Fallkonstellation kommt ein ipso-jure-Eintreten des übernehmenden Rechtsträgers in den Prozeß im Wege der Rechtsnachfolge nicht in Betracht. Zwar wird in der Literatur auch im Zusammenhang mit der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG zu-
nehmend von "partieller Gesamtrechtsnachfolge" oder "geteilter Gesamtrechtsnachfolge" gesprochen (vgl. Teichmann in Lutter [Hrsg.], Umwandlungsgesetz , 2. Aufl. 2000 § 123 Rdn. 8 und 9 mit zahlreichen Nachweisen). Diese Bezeichnung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich jedenfalls bei der Ausgliederung nicht um den Übergang des gesamten Vermögens eines untergegangenen Rechtsträgers handelt, sondern um eine besondere Übertragungsart , die es gestattet, statt der Einzelübertragung verschiedener Vermögensgegenstände eine allein durch den Parteiwillen zusammengefaßte Summe von Vermögensgegenständen (einschließlich der Verbindlichkeiten: § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) in einem Akt zu übertragen (Teichmann aaO Rdn. 10 m.N.). Aus dem Umstand, daß das Gesetz diese Art der Übertragung möglich gemacht hat, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß diese Art der Übertragung prozessual andere Folgen hat als eine Einzelübertragung. Im vorliegenden Fall hat die T. B. KG im Zusammenhang mit der Ausgliederung eine gegen die T. B. AG bereits eingeklagte Verbindlichkeit übernommen. Dem würde bei einer Einzelübertragung eine Schuldübernahme entsprechen. Bei einer Schuldübernahme während des Prozesses käme ein Eintreten des übernehmenden Schuldners im Wege der Rechtsnachfolge nicht in Betracht. In der Literatur ist lediglich erörtert worden, ob im Falle der befreienden Schuldübernahme der Prozeß in analoger Anwendung des § 265 ZPO gegen den alten Schuldner mit Wirkung für den neuen Schuldner weitergeführt werden kann. Auch dies hat der Bundesgerichtshof jedoch abgelehnt (BGHZ 61, 140 f.) mit der Folge, daß der Kläger mit Rücksicht auf die privative Schuldübernahme die Klage zurücknehmen, die Hauptsache für erledigt erklären oder von sich aus für einen Parteiwechsel auf der Beklagtenseite sorgen muß (BGHZ aaO S. 144; vgl. auch in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung Karsten Schmidt, JuS 1977, 411). Das Bundesarbeitsgericht hat seine abwei-
chende Ansicht hierzu in einer Entscheidung zum Betriebsübergang nach § 613 a BGB ausdrücklich mit Besonderheiten des Arbeitsrechts begründet (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1976 - 5 AZR 600/75 - AP Nr. 1 zu § 325 ZPO = BB 1977, 395, 396). Auch das Bundesarbeitsgericht hat aber keinen Parteiwechsel angenommen, sondern lediglich die Fortsetzung des Prozesses gegen den alten Beklagten in analoger Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO für zulässig erachtet (vgl. hierzu Zeuner, Festschrift für Schwab, 1990, S. 575 ff.). Eine kumulative Schuldübernahme führt erst recht nicht zu einem Parteiwechsel in einem anhängigen Prozeß. Das Berufungsgericht hat zutreffend und in der Revisionsinstanz nicht angegriffen ausgeführt, daß bei der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger fortbesteht und daß für seine vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung entstandenen Verbindlichkeiten er und der übernehmende Rechtsträger als Gesamtschuldner haften (§ 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Die Ausgliederung hindert die Klägerin somit nicht, ihren Anspruch nach wie vor (auch) gegen den übertragenden Rechtsträger - die T. B. AG - geltend zu machen. Dann muß es ihr aber auch möglich sein, den bereits anhängigen Prozeß gegen diesen Rechtsträger weiter zu betreiben. Die Ausgliederung kann nicht zur Folge haben, daß der Gläubiger, dem nun als Gesamtschuldner neben dem alten Schuldner ein neuer Schuldner haftet, gezwungen ist, den wegen dieses Anspruchs bereits rechtshängigen Prozeß nur noch gegen den neuen Schuldner weiterzuverfolgen. Da die T. B. KG in erster Instanz nicht Partei war und auch nicht als Rechtsnachfolgerin der beklagten T. B. AG Partei geworden ist, konnte sie nicht als Partei Berufung einlegen.
4. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts kann die Berufungsschrift aber dahin umgedeutet werden, daß die T. B. KG dem Rechtsstreit auf seiten der beklagten T. B. AG als Nebenintervenientin beigetreten ist und in ihrer Eigenschaft als Nebenintervenientin Berufung eingelegt hat. § 66 Abs. 2 ZPO bestimmt ausdrücklich, daß der Beitritt als Nebenintervenient auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels erfolgen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, daß eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (Senatsurteil vom 1. Juni 1983 - IVb ZR 365/81 - FamRZ 1983, 892, 893 m.w.N.; Senatsbeschluß vom 1. Oktober 1986 - IVb ZB 83/86 - BGHR BGB § 140 Verfahrensrecht 1; vgl. auch Lüke in Münchner Kommentar ZPO Einl. Rdn. 281; BGH, Beschluß vom 6. März 1986 - I ZB 12/85 - VersR 1986, 785, 786; Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. vor § 511 Rdn. 35; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. Einl. III Rdn. 20). Diese Voraussetzungen für eine Umdeutung sind vorliegend gegeben. Die T. B. KG wollte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlegen, weil sie aufgrund der Ausgliederung für den der Klägerin zugesprochenen Schadensersatzanspruch im Außenverhältnis als Gesamtschuldnerin, im Innenverhältnis allein haftete. Aus den dargelegten Gründen konnte sie nicht als Partei Berufung einlegen. Dagegen konnte sie ohne weiteres als Nebenintervenientin dem Rechtsstreit beitreten und in dieser Eigenschaft Berufung einlegen. Die Voraussetzungen für einen Beitritt als Nebenintervenientin
sind erfüllt. Daß die T. B. KG im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse daran hatte, daß die Klage auf eine Berufung hin insgesamt abgewiesen würde, ergibt sich aus ihrer Haftung für die eingeklagte Forderung. Aus der Sicht der T. B. KG war es gleichgültig, ob sie als Partei oder als Nebenintervenientin Berufung einlegen würde. Daß sie es als Partei getan hat, beruhte lediglich darauf, daß sie die - nicht ganz einfach zu beurteilende - rechtliche Situation falsch eingeschätzt hat. Hätte sie erkannt, daß sie nicht Partei des Prozesses geworden ist, hätte sie vernünftigerweise ihren Beitritt als Streithelferin der beklagten T. B. AG erklärt. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine Umdeutung komme wegen des eindeutigen Wortlautes der Berufungsschrift nicht in Betracht. Wäre der Berufungsschrift im Wege der Auslegung zu entnehmen, daß die T. B. KG dem Rechtsstreit im Grunde als Nebenintervenientin habe beitreten wollen, käme eine Umdeutung gar nicht in Betracht, weil die Möglichkeit einer Auslegung in eine zulässige Prozeßerklärung der Umdeutung einer unzulässigen Prozeßerklärung in eine zulässige grundsätzlich vorgeht. Zwar hat die Berufungsklägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens dezidiert die Ansicht vertreten, die Berufung sei von der T. B. AG eingelegt worden. Daraus kann man jedoch nicht schließen, eine Umdeutung in eine Berufung der T. B. KG als Nebenintervenientin widerspreche dem ausdrücklichen Willen der Berufungsklägerin, was eine Umdeutung ausschließen würde (zu dem Ausschluß der Umdeutung einer materiell-rechtlichen Erklärung in einem solchen Falle vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1970 - V ZR 42/68 - NJW 1971, 420 m.N.). Die Berufungsklägerin hat diese Ansicht nämlich erkennbar nur vertreten, weil das Gericht die von ihr in erster Linie angestrebte Rubrumsberichtigung abgelehnt hat, weil sie an die Möglichkeit einer Umdeu-
tung nicht gedacht hat und weil sie deshalb befürchten mußte, die Berufung werde als unzulässig verworfen, wenn sie als Berufung der KG und nicht der AG angesehen werde. Anhaltspunkte dafür, daß die Berufungsklägerin entgegen ihren Interessen einer entsprechenden Umdeutung widersprochen hätte, wenn sie - z.B. auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts hin - an eine solche Umdeutung gedacht hätte, sind nicht ersichtlich. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin steht der Zulässigkeit der Umdeutung nicht entgegen. Das Interesse der Klägerin an einer Ablehnung der Umdeutung geht nicht hinaus über das Interesse jeder in erster Instanz siegreichen Partei daran, daß das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig wird. Dieses Interesse reicht nicht aus, um es aus Sicht der Klägerin als unzumutbar erscheinen zu lassen, daß im Wege der Umdeutung des von der T. B. KG eingelegten Rechtsmittels eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache herbeigeführt wird. 5. Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es auf die zulässige Berufung der Nebenintervenientin hin die notwendigen tatsächlichen Feststellungen nachholen und in der Sache über die Berufung entscheiden kann. Blumenröhr Krohn Gerber Sprick Weber-Monecke