Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2018 - VI ZB 47/17
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterinnen von Pentz und Dr. Roloff sowie die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigen am 26. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 2 frist- gerecht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28. Juli 2017 begründet. Mit Beschluss vom 14. September 2017 hat das Berufungsgericht den Beklagten zu 2 darauf hingewiesen, dass seine Berufung nicht innerhalb der am 26. Juli 2017 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist. Beklagte zu 2 hat daraufhin mit Schriftsatz vom 20. September 2017 Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt.
- 2
- Zur Begründung hat der Beklagte zu 2 ausgeführt, sein Prozessbevollmächtigter habe mit Schriftsatz vom 8. Juli 2017 "wegen Arbeitsüberlastung" die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. August 2017 beantragt. Dem Wiedereinsetzungsantrag waren beigefügt ein Doppel des Verlängerungsantrags vom 8. Juli 2017 und eine anwaltliche Versicherung seines Rechtsanwalts. Dieser bestätigt darin, den Verlängerungsantrag am 8. Juli 2017 wie in dem beigefügten Doppel gefertigt, selbst ausgedruckt, frankiert und in den nächsten Briefkasten - Briefschlitz für auswärtige Post - geworfen zu haben.
- 3
- Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Ein Verlängerungsantrag sei nicht zu den Akten gelangt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 habe nicht auf die Bewilligung seines Fristverlängerungsantrags vertrauen dürfen. Er hätte sich spätestens am Tag des ursprünglichen Fristablaufs, also am 26. Juli 2017, über den Erfolg seines Antrags erkundigen müssen.
- 4
- Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
- 6
- 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Beklagten zu 2 in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Erfolg eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist überspannt.
- 7
- a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden,wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11; vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; jeweils mwN).
- 8
- b) Das ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten (Senatsbeschlüsse vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, NJW-RR 2017, 1532 Rn. 12; vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, VersR 2010, 789, Rn.6; BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 12; vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 12).
- 9
- Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (Senatsbeschlüsse vom 12. November 2013 - VI ZB 4/13, NJW 2014, 700 Rn. 15; vom 16. März2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 13; jeweils mwN). Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt regelmäßig vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 13).
- 10
- c) Demgemäß war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 nicht verpflichtet, sich innerhalb des Laufs der ursprünglichen Berufungsbegrün- dungsfrist bei Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben wurde (Senatsbeschlüsse vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, NJW-RR 2017, 1532 Rn. 12 ff.; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06, VersR 2008, 234 Rn. 9; vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568 Rn. 6; jeweils mwN).
- 11
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist somit auch begründet.
III.
- 12
- Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob es das Parteivorbringen für glaubhaft, den vorgetragenen Geschehensablauf also für überwiegend wahrscheinlich (Senatsbeschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 19/16, VersR 2016, 1463 Rn. 12; vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; vom 20. März 1996 - VIII ZB 7/96, NJW 1996, 1682; vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83, VersR 1983, 491) hält. Die Sache ist daher gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
IV.
- 13
- Der Antrag des Beklagten zu 2 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt ohne Erfolg, weil er seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft dargelegt hat (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
Klein Allgayer
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 18.05.2017 - I-6 O 129/16 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.09.2017 - I-27 U 62/17 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2018 - VI ZB 47/17
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte hat gegen das ihm am 31. März 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts am 29. April 2008 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist lief am 2. Juni 2008 (Montag) ab. Die Berufungsbegründung ist beim Berufungsgericht am 11. Juni 2008 eingegangen. Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 hat das Berufungsgericht auf die Unzulässigkeit der Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO wegen Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe am 26. Mai 2008 einen Fristverlängerungsantrag zur Post gegeben, der verloren gegangen sein müsse. Nach Postversendung des Fristverlängerungsantrages und Abheften einer Fotokopie davon in der Handakte habe die Kanzleiangestellte M. die Frist bis 2. Juni 2008 im Terminkalender gestrichen und als neue Frist für die Berufungsbegründung den 13. Juni 2008 notiert.
- 2
- Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat die Versagung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet: Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ergebe sich ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten dahin gehend, dass die gerichtliche Fristverlängerung nicht kontrolliert werde. Dazu habe er ausgeführt, er habe angesichts der Begründung des Antrags darauf vertrauen dürfen, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde. Allerdings sei er grundsätzlich gehalten, zunächst das hypothetische Ende der Fristverlängerung einzutragen und nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung zu überprüfen. Eine gerichtliche Mitteilung sei offenbar nicht erwartet worden, eine entsprechende Kontrolle sei deshalb nicht erfolgt. Durch die Formulierung des letzten Absatzes des Fristverlängerungsantrages werde auf eine gerichtliche Mitteilung verzichtet. Die erforderliche Kontrolle könne unter diesen Umständen nicht er- folgen. Wäre im Büro des Prozessbevollmächtigten die Anweisung erteilt wor- den, die hypothetische Frist nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung zu kontrollieren , so wäre noch während der bis zum 2. Juni 2008 laufenden Berufungsbegründungsfrist festgestellt worden, dass der Verlängerungsantrag bei Gericht nicht angekommen sei.
- 5
- 2. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil ein dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten vorliegt.
- 6
- a) Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Fristverlängerungsantrag wie vorgetragen zur Post gegeben wurde, dann aber verloren ging. Insoweit weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass dem Prozessbevollmächtigten einer Partei der Verlust eines fristwahrenden Schriftsatzes auf dem Postweg nicht anzulasten sei, dass er auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen dürfe und dass er grundsätzlich nicht verpflichtet sei, sich bei Gericht nach dem Eingang eines Schriftsatzes telefonisch zu erkundi- gen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - VersR 2008, 234, 235, m.w.N.). Ferner ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte mit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch das Gericht rechnen durfte. Denn ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen erheblichen Grund - hier: ständiger Auslandsaufenthalt des Beklagten sowie Auslandsaufenthalte und Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten wegen vorrangiger Fristsachen - vorträgt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05 - VersR 2006, 568; vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 6; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO).
- 7
- b) Es ist aber weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass nach einem Fristverlängerungsantrag die Frist nicht versäumt wird.
- 8
- aa) Bei Zustellung des Urteils sind die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender einzutragen. Wird die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darf sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich nämlich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor dem Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 7; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2006 - II ZB 26/05 - VersR 2007, 713, jeweils m.w.N.). Das gilt auch, wenn die Fristverlängerung bereits einige Tage vor Fristablauf beantragt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663).
- 9
- bb) Weder die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs noch die Rechtsbeschwerde enthalten Vortrag dazu, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen vorgesehen waren. Dieser durfte auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht vom Gericht erhielt. Er hätte sich vielmehr rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist, gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht, Gewissheit verschaffen müssen, nachdem keine entsprechende Verfügung zugegangen war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 8; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO).
- 10
- Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war dieses Versäumnis kausal für die Fristversäumung. Da die Kanzleiangestellte M. die Frist bis 2. Juni 2008 im Terminkalender gestrichen und als neue Frist für die Berufungsbegründung den 13. Juni 2008 notiert hatte, wurde die Akte dem Prozessbevollmächtigten nicht mehr im Hinblick auf die möglicherweise bereits am 2. Juni 2008 ablaufende Frist vorgelegt. Wäre diese Frist nicht gelöscht, son- dern lediglich bei ihr der Verlängerungsantrag vermerkt worden, hätte eine solche Vorlage erfolgen müssen. Es hätte sich dann herausgestellt, dass auf den bereits am 26. Mai 2008 abgesandten Fristverlängerungsantrag noch keine Reaktion des Gerichts vorlag. Eine Nachfrage bei Gericht hätte sodann ergeben , dass der Antrag dort nicht eingegangen war, so dass noch am 2. Juni 2008 entweder ein erneuter Verlängerungsantrag hätte gestellt oder aber die Berufungsbegründung hätte eingereicht werden können.
- 11
- Unter diesen Umständen ist es im Ergebnis unerheblich, ob das Berufungsgericht dem letzten Absatz des Fristverlängerungsantrags eine unrichtige Bedeutung beigemessen hat. Dort heißt es: "Sollte ich keine anders lautende Nachricht erhalten, gehe ich davon aus, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt wird". Die Rechtsbeschwerde führt aus, diese Formulierung enthalte keinen Verzicht auf die Mitteilung der bewilligten Verlängerung und damit auf die Feststellung der wirklichen Frist, sondern solle nur der Erwartung des Anwalts Ausdruck verleihen, dass sein erster, ordnungsgemäß begründeter Verlängerungsantrag nicht ohne "Vorwarnung" abgelehnt werde; als Verzicht auf die Mitteilung der Bewilligung der Verlängerung könne die Formu- lierung nicht aufgefasst werden, weil es dieser Mitteilung für den Anwalt bedürfe , um die Abgleichung der zunächst nur hypothetischen (beantragten) Frist mit der wirklichen (bewilligten) Frist zu ermöglichen. Dies ist im Ansatz zutreffend. Allerdings hat die Abgleichung mit dem Ziel der Einhaltung der tatsächlich laufenden Frist zu erfolgen, bei der es sich auch um die ursprüngliche Frist handeln kann, wenn eine Verlängerung - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfolgt. Dies ist ersichtlich nur dann möglich, wenn die ursprüngliche Frist nicht bereits bei Absendung des Verlängerungsantrags gestrichen wird. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.04.2008 - 331 O 45/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.08.2008 - 10 U 28/08 -
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.
(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.
(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.