Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2016 - VI ZR 239/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:130916BVIZR239.16.0
bei uns veröffentlicht am13.09.2016
vorgehend
Landgericht Mannheim, 6 O 107/08, 22.09.2010
Oberlandesgericht Karlsruhe, 7 U 205/10, 10.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 239/16
vom
13. September 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Erfordernis der nochmaligen Aufklärung der Schwangeren über die
Möglichkeit der Schnittentbindung bei nachträglicher Veränderung des Nutzen
-Risiko-Verhältnisses der verschiedenen Geburtswege.
BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - VI ZR 239/16 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
ECLI:DE:BGH:2016:130916BVIZR239.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Stöhr, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler

beschlossen:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 gewährt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 300.000 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger, der am 9. Februar 2005 nach 31 + 1 Schwangerschaftswochen in der Frauenklinik der Beklagten geboren wurde und infolge einer Hirnschädigung unter schweren körperlichen und geistigen Behinderungen leidet, nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichen- der Aufklärung über die Möglichkeit der Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
2
Die Mutter des Klägers wurde am 27. Januar 2005 nach 29 + 2 Schwangerschaftswochen wegen vorzeitiger Wehen in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus stationär aufgenommen. Während der Schwangerschaft waren bei ihr wiederholt Nierenbeckenentzündungen aufgetreten. Außerdem litt sie unter Schwangerschaftsdiabetes. Am Tag ihrer stationären Aufnahme wurden Entzündungsparameter nachgewiesen. Die Leukozyten und der CRP-Wert waren deutlich erhöht. Bei einer Sonographie der Nieren wurde ein Harnstau auf beiden Seiten festgestellt. Der Mutter des Klägers wurden wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht. Darüber hinaus erfolgte eine medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch zweimalige Verabreichung von Celestan. Die Mutter des Klägers wurde außerdem über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt. Sie entschied sich für eine vaginale Entbindung.
3
Nach einem vorzeitigen Blasensprung in den frühen Morgenstunden des 9. Februar 2005 wurden die wehenhemmenden Mittel abgesetzt und die Mutter des Klägers unter fortlaufender CTG-Registrierung an einen Wehentropf angeschlossen. Ab 15.50 Uhr verzeichnete das CTG einen zunehmend auffälligen Verlauf der fetalen Herzfrequenz. Ab etwa 16.25 Uhr zeigte das CTG ein pathologisches Muster. Um 16.42 Uhr fassten die behandelnden Ärzte den Entschluss zur Notsectio. Der Kläger wurde um 16.59 Uhr geboren und musste reanimiert werden. Bis zum 18. Februar 2005 wurde er beatmet. Wegen verschiedener subarachnoidaler und epikranieller Blutungen, akuten Nierenversagens , Leberinfarkts, Cholestase bei Leberinfarkt und Hämolyse sowie akuter Blutungsanämie und cerebralen Krampfanfällen ist er schwerstbehindert. Eine histologische Untersuchung der Plazenta nach der Geburt des Klägers ergab das Vorliegen einer akuten eitrigen Chorioamnionitis bei der Mutter des Klä- gers. Das Landgericht hat mehrere Behandlungsfehler angenommen, die es in ihrer Gesamtheit als grob qualifiziert hat. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den im Zusammenhang mit seiner Geburt am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 27. Februar 2013 zurückgewiesen, deren Haftung allerdings auf eine unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen gestützt und den Feststellungsausspruch zur Klarstellung dahingehend umformuliert , dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den aus dem ohne wirksame Einwilligung erfolgten Versuch einer vaginalen Geburt mit anschließender Notsectio am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Mit Versäumnisurteil vom 28. Oktober 2014 (VI ZR 125/13) hat der Senat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Mit Urteil vom 10. Februar 2016 hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

4
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, die Mutter des Klägers nach dem Blasensprung in der Nacht vom 8./9. Februar 2005 nicht noch einmal über die Möglichkeit der Schnittentbindung aufgeklärt zu haben, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
5
1. Das Berufungsgericht hatte im ersten Urteil in dieser Sache angenommen , die Ärzte der Beklagten hätten die Mutter des Klägers trotz der bereits am 27. Januar 2005 erfolgten Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung am 8. Februar 2005 nochmals über diese Behandlungsalternative unterrichten müssen. Der Senat hat diese Beurteilung beanstandet, weil sie von den getroffenen Feststellungen nicht getragen wurde (Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 125/13, VersR 2015, 579 Rn. 5). Eine nochmalige Aufklärung der Schwangeren über die Möglichkeit der Schnittentbindung ist nur dann geboten, wenn sich nachträglich - sei es aufgrund einer Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse - Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken und Vorteile führen und die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen. In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit über das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis - beispielsweise über nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken der von ihr gewählten Entbindungsmethode - zu informieren und ihr eine erneute Abwägung der für und gegen die jeweilige Behandlungsalternative sprechenden Gründe zu ermöglichen (Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 125/13, VersR 2015, 579 Rn. 8). Der Senat hat das angefochtene Urteil aufgehoben, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu diesen Voraussetzungen getroffen hatte. Es hatte insbesondere nicht festgestellt, dass die mit einer vaginalen Entbindung verbundenen Risiken für den Kläger aufgrund nachträglich eingetretener Umstände oder Erkenntnisse höher einzuschätzen waren als am 27. Januar 2005. Das Berufungsgericht hat- te lediglich darauf verwiesen, dass mit dem Blasensprung der Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms nahegelegen und die Schnittentbindung nunmehr als gleichwertige Behandlungsalternative zu einer vaginalen Entbindung habe angesehen werden müssen. Feststellungen dazu, dass die Vaginalgeburt deshalb als mit höheren Risiken behaftet einzuschätzen war als vor dem Blasensprung , hatte das Berufungsgericht dagegen nicht getroffen (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 125/13, VersR 2015, 579 Rn. 10).
6
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts im nunmehr angefochtenen Urteil, die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob eine Sectio oder eine vaginale Entbindung durchgeführt werden sollte, habe sich nach dem 27. Januar 2005 nicht entscheidend verändert. Sie beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht , wesentliche, dem Kläger günstige Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. St. in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2015 unberücksichtigt gelassen hat.
7
a) Prof. Dr. St. hatte angegeben, nach dem Blasensprung sei eine Änderung der Risikosituation im Vergleich zum 27. Januar 2005 eingetreten. Bei dem Aufklärungsgespräch am 27. Januar 2005 habe zwar die Möglichkeit einer Frühgeburt bestanden. Diese sei aber noch nicht konkret gewesen. Bei dem Aufklärungsgespräch habe die Situation auf eine Harnwegsinfektion hingedeutet. Ein Harnwegsinfekt führe aber in der Regel nicht zu einem Blasensprung. Auf die Frage, ob sich die mechanische Belastung durch den Blasensprung verändert habe, gab der Sachverständige an, dass bei einer vaginalen Frühgeburt die Prämisse bestehe, die Blase nach Möglichkeit stehen zu lassen. Das Fruchtwasserkissen habe eine gewisse abfedernde Wirkung, was auch dem Zweck diene, mechanische Belastungen zu reduzieren. Frühgeburten seien besonders sensibel im Hinblick auf mechanische Belastungen. Er selbst hätte nach dem Blasensprung nochmals aufgeklärt. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht, ist diesen Angaben zu entnehmen, dass mit dem Blasensprung die abfedernde Wirkung des Fruchtwasserkissens verloren gegangen war und der Kläger den von einer vaginalen Geburt ausgehenden mechanischen Belastungen - abweichend von der am 27. Januar 2005 gegebenen Situation - ungeschützt ausgesetzt war.
8
b) Mit diesen Angaben des Sachverständigen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht vereinbar, nach den Einschätzungen des Sachverständigen habe sich an den Gefahren des vaginalen Geburtswegs durch den Blasensprung "nichts wesentlich verändert". Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass bei der Mutter des Klägers Wehenbereitschaft bestanden habe und man ex ante davon habe ausgehen können, die Geburt werde innerhalb von 24 Stunden von statten gehen, hat es übersehen , dass sich die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen allein auf die Frage bezogen, ob eine vaginale Geburt überhaupt noch in Betracht kam. Hiervon war nach Ausführungen des Sachverständigen nur dann auszugehen , wenn "diese zügig von statten ging". Gleiches gilt für die vom Berufungsgericht wiedergegebene Auffassung, ein Kaiserschnitt sei nach dem Blasensprung nicht geboten gewesen. Dies besagt nur, dass die vaginale Geburt eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellte und das Absehen von der Sectio nicht behandlungsfehlerhaft war. Auch hierauf weist die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend hin.
9
c) Die unter a) aufgezeigten, ihm günstigen Ausführungen des Sachverständigen hat sich der Kläger zumindest konkludent zu Eigen gemacht (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger; Senatsbeschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497 Rn. 5; vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 320/11, juris Rn. 4; vom 14. Januar 2014 - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, NJW 2015, 2125 Rn. 17). Die Nichtberücksichtigung der seine Rechtsposition stützenden Ausführungen des Sachverständigen bedeutet, dass erhebliches Vorbringen des Klägers im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 8; vom 14. Januar 2014 - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11; vom 16. August 2016 - VI ZR 634/15, zVb).
10
3. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 230/12, VersR 2014, 586 Rn. 7 mwN). Dies gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund , dass sich das Berufungsgericht vor Erlass des ersten Urteils in dieser Sache davon überzeugt hatte, dass die unterlassene Aufklärung über die Mög- lichkeit der Schnittentbindung jedenfalls mitursächlich für die Schädigung des Klägers war. Galke Wellner Stöhr von Pentz Oehler
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 22.09.2010 - 6 O 107/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 10.02.2016 - 7 U 205/10 (15) -

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Arzthaftung: Zum Erfordernis der Aufklärung der Schwangeren über die Möglichkeit der Schnittentbindung

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
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(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der am 9. Februar 2005 nach 31 + 1 Schwangerschaftswochen in der Frauenklinik der Beklagten geboren wurde und infolge einer Hirnschädigung unter schweren körperlichen und geistigen Behinderungen leidet, nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung über die Möglichkeit der Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.

2

Die Mutter des Klägers wurde am 27. Januar 2005 nach 29 + 2 Schwangerschaftswochen wegen vorzeitiger Wehen in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus stationär aufgenommen. Während der Schwangerschaft waren bei ihr wiederholt Nierenbeckenentzündungen aufgetreten. Außerdem litt sie unter Schwangerschaftsdiabetes. Am Tag ihrer stationären Aufnahme wurden Entzündungsparameter nachgewiesen. Die Leukozyten und der CRP-Wert waren deutlich erhöht. Bei einer Sonographie der Nieren wurde ein Harnstau auf beiden Seiten festgestellt. Der Mutter des Klägers wurden wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht. Darüber hinaus erfolgte eine medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch zweimalige Verabreichung von Celestan. Nach einem vorzeitigen Blasensprung in den frühen Morgenstunden des 9. Februar 2005 wurden die wehenhemmenden Mittel abgesetzt und die Mutter des Klägers unter fortlaufender CTG-Registrierung an einen Wehentropf angeschlossen. Ab 15.50 Uhr verzeichnete das CTG einen zunehmend auffälligen Verlauf der fetalen Herzfrequenz. Ab etwa 16.25 Uhr zeigte das CTG ein pathologisches Muster. Um 16.42 Uhr fassten die behandelnden Ärzte den Entschluss zur Notsectio. Der Kläger wurde um 16.59 Uhr geboren und musste reanimiert werden. Bis um 18. Februar 2005 wurde er beatmet. Wegen verschiedener subarachnoidaler und epikranieller Blutungen, akuten Nierenversagens, Leberinfarkts, Cholestase bei Leberinfarkt und Hämolyse sowie akuter Blutungsanämie und cerebralen Krampfanfällen ist er schwerstbehindert. Eine histologische Untersuchung der Plazenta nach der Geburt des Klägers ergab das Vorliegen einer akuten eitrigen Chorioamnionitis bei der Mutter des Klägers. Das Landgericht hat mehrere Behandlungsfehler angenommen, die es in ihrer Gesamtheit als grob qualifiziert hat. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den im Zusammenhang mit seiner Geburt am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, deren Haftung allerdings auf eine unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen gestützt und den Feststellungsausspruch zur Klarstellung dahingehend umformuliert, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den aus dem ohne wirksame Einwilligung erfolgten Versuch einer vaginalen Geburt mit anschließender Notsectio am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hafte wegen unzureichender Aufklärung der Mutter des Klägers über die Möglichkeit der Schnittentbindung. Hierauf könne sich der Kläger berufen, weil er in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen seiner Mutter und der Beklagten einbezogen gewesen sei. Zwar sei die Mutter des Klägers zu Beginn der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten über die grundsätzliche Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien sowohl der Schwangerschaftsdiabetes als auch die wiederholten Nierenbeckenentzündungen, das starke Erbrechen in der Frühschwangerschaft und die vorzeitige Wehentätigkeit, derentwegen die Mutter des Klägers an die Beklagte überwiesen worden sei, bekannt gewesen. Die Mutter des Klägers habe sich in Kenntnis der problematischen Schwangerschaft für eine vaginale Entbindung entschieden. Hierdurch sei aber nicht eine nochmalige Aufklärung der Mutter des Klägers für den Fall einer erheblichen Änderung der Gefahrenlage für Mutter oder Kind entbehrlich geworden. Allerdings sei die Beklagte nicht schon am 6. Februar 2005 zu einer nochmaligen Aufklärung verpflichtet gewesen. An diesem Tag habe sich der Kaiserschnitt noch nicht als gleichwertige Behandlungsalternative dargestellt. Zwar habe an diesem Tag wahrscheinlich schon ein Amnioninfektionssyndrom vorgelegen. Mangels Blasensprungs sei dies aber nicht klar erkennbar gewesen. Die erhöhten Entzündungsparameter und die vorzeitige Wehentätigkeit hätten auch durch eine Nierenbeckenentzündung hervorgerufen worden sein können. Außerdem sei am 6. Februar 2005 die Phase der frühen Frühgeburt noch nicht verstrichen gewesen, weshalb eine Verlängerung der Tragzeit wünschenswert und vorteilhaft gewesen sei. Der Blasensprung in der Nacht vom 8. Februar 2005 habe aber eine nochmalige Aufklärungspflicht der Beklagten ausgelöst. Denn hierdurch sei eine Änderung der Gefahrenlage eingetreten. Mit dem Blasensprung habe der Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms nahegelegen und die Schnittentbindung habe als gleichwertige Behandlungsalternative zu einer vaginalen Entbindung angesehen werden müssen. Nach dem Blasensprung sei ein Aufklärungsgespräch mit der Mutter des Kindes aber nicht mehr erfolgt. Mangels hinreichender Aufklärung müsse die Beklagte deshalb für alle Schäden einstehen, die auf den Versuch einer vaginalen Entbindung zurückzuführen seien. Der Senat sei davon überzeugt, dass die mechanischen Belastungen des Klägers durch die fehlgeschlagene vaginale Geburt mit anschließender Notsectio für seine Schädigung mitursächlich gewesen seien. Wäre statt des vaginalen Entbindungsversuchs sofort eine Sectio veranlasst worden, wäre der Kläger geringeren mechanischen Belastungen ausgesetzt gewesen. Die mechanischen Belastungen der notfallmäßig vorgenommenen Schnittentbindung bei Entwicklung des Klägers aus kontrahiertem Uterus seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu befürchten gewesen. Die Haftung der Beklagten erfasse trotz Mitursächlichkeit anderer schicksalhafter Faktoren den ganzen Schaden des Klägers, weil die nicht durch die mechanische Belastungen unter der vaginalen Geburt und dem Notkaiserschnitt erklärbaren Hirnblutungen nicht zu einem abgrenzbaren Schadensteil geführt hätten. Auf das Vorliegen der vom Landgericht angenommenen Behandlungsfehler komme es deshalb nicht an.

II.

4

Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Klägers, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).

5

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ärzte der Beklagten hätten die Mutter des Klägers trotz der bereits am 27. Januar 2005 erfolgten Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung am 8. Februar 2005 nochmals über diese Behandlungsalternative unterrichten müssen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.

6

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 22; vom 13. Juni 2006 - VI ZR 323/04, BGHZ 168, 103 Rn. 13; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 10, jeweils mwN). Gemäß diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Entbindungssituation, in der die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache zu bringen. Anders liegt es aber, wenn für den Fall, dass die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt. In einer solchen Lage darf sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden. Vielmehr muss er die Mutter über die für sie und das Kind bestehenden Risiken sowie über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären und sich ihrer Einwilligung für die Art der Entbindung versichern (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 132/88, BGHZ 106, 153, 157; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92, VersR 1993, 835, 836; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704; vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03, VersR 2004, 645, 647; vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03, VersR 2005, 227; vgl. zur Einwilligung allgemein: Senatsurteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 65/88, BGHZ 106, 391, 397 f.). Gleiches gilt, wenn aufgrund konkreter Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im weiteren Verlauf eine Konstellation eintritt, die als relative Indikation für eine Schnittentbindung zu werten ist. Eine - vorgezogene - Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden ist deshalb bereits dann erforderlich, wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704 f. = NJW 1993, 2372, 2373 f. mit Anmerkung Laufs/Hiersche; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 11 = MedR 2012, 252 mit Anmerkung Schmidt-Recla). Denn nur dann wird das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, die die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 10), gewahrt. Bei der Wahl zwischen vaginaler Entbindung und Schnittentbindung handelt es sich für die davon betroffene Frau um eine grundlegende Entscheidung, bei der sie entweder ihrem eigenen Leben oder dem Leben und der Gesundheit ihres Kindes Priorität einräumt. Das Recht jeder Frau, selbst darüber bestimmen zu dürfen, muss möglichst umfassend gewährleistet werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 11).

7

Besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die Schnittentbindung im weiteren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsmethoden und die mit ihnen im konkreten Fall verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der Schnittentbindung unterrichten, wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist. Der Arzt braucht die erfolgte Aufklärung in einem solchen Fall nicht zu wiederholen. Denn er hat der Schwangeren bereits die zur eigenverantwortlichen Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts erforderliche Entscheidungsgrundlage vermittelt (informed consent) und damit seine Verpflichtung zur Aufklärung erfüllt.

8

Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich nachträglich - sei es aufgrund einer Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse - Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken und Vorteile führen und die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen. In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit über das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis - beispielsweise über nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken der von ihr gewählten Entbindungsmethode - zu informieren und ihr eine erneute Abwägung der für und gegen die jeweilige Behandlungsalternativen sprechenden Gründe zu ermöglichen. Denn nur dann wird ihre Entscheidung von einer ausreichenden Grundlage getragen (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, VersR 2003, 1441 Rn. 20, 23; vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03, VersR 2005, 227, 228; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Auflage, Rn. 809, 826; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 442, jeweils mwN). Eine solche Fallgestaltung kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn sich das bereits aus anderen Gründen gesteigerte Risiko, das Kind könnte bei einer vaginalen Entbindung wegen der mechanischen Widerstände in dem natürlichen Geburtsweg geschädigt werden, durch eine Lageänderung des Kindes (z.B. in die Steißlage) nachträglich erhöht (vgl. zur Steißlagengeburt: Senatsurteil vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 132/88, NJW 1989, 1538, 1540 - in BGHZ 106, 153, 159 nicht vollständig abgedruckt).

9

2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass am 27. Januar 2005 die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass es zu einer sehr frühen Frühgeburt (28 + 0 bis 31 + 6 Schwangerschaftswochen) des Klägers kommen und eine Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung werden würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Mutter des Klägers wegen vorzeitiger Wehen nach 29 + 2 Schwangerschaftswochen stationär aufgenommen worden. Bei ihr waren verschiedene Risikofaktoren gegeben - so u.a. der Schwangerschaftsdiabetes und deutlich erhöhte Entzündungsparameter - weshalb ihr wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht wurden. Darüber hinaus erfolgte eine medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch mehrfache Injektion von Celestan. Schließlich wurde die Mutter des Klägers über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt. In Kenntnis der problematischen Schwangerschaft und der vorzeitigen Wehentätigkeit entschied sie sich für eine vaginale Entbindung.

10

Trotz der am 27. Januar 2005 erfolgten und vom Berufungsgericht nicht für unzureichend erachteten Aufklärung der Mutter des Klägers hat das Berufungsgericht nach dem in der Nacht vom 8. Februar 2005 eingetretenen Blasensprung eine "nochmalige" Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung gefordert, weil diese nunmehr als gleichwertige Behandlungsalternative zur vaginalen Entbindung anzusehen sei. Dieser Umstand allein genügt aber nach den Ausführungen unter Ziffer 1 nicht, um eine Verpflichtung zur ergänzenden Aufklärung zu begründen. Feststellungen dazu, dass sich die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob eine Sectio oder eine vaginale Entbindung durchgeführt werden sollte, entscheidend verändert hatte und die mit einer vaginalen Entbindung verbundenen Risiken für den Kläger aufgrund nachträglich eingetretener Umstände oder Erkenntnisse höher einzuschätzen waren als am 27. Januar 2005, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen für die vaginale Entwicklung des Klägers nach wie vor gegeben gewesen seien. Aufgrund des mittlerweile gegebenen Verdachts eines Amnioninfektionssyndroms sei zwar die Beendigung der Schwangerschaft geboten gewesen; die Wahl des vaginalen Entbindungsweges sei bei der hier gegebenen spontanen Wehentätigkeit und Kopflage jedoch nicht zu beanstanden gewesen. In den Leitlinien werde bei Vorliegen eines Amnioninfektionssyndroms lediglich eine zügige Entbindung, aber keine bestimmte Entbindungsmethode empfohlen.

11

3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Revision zu befassen. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Mitursächlichkeit der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich nur dann nicht gleichsteht, wenn feststeht, dass die von der Behandlungsseite gesetzte Schadensursache nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat (Teilkausalität). Entgegen der Auffassung der Revision ist hierfür nicht maßgeblich, ob die Schadensursachen abgrenzbar sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die eingetretenen Schäden abgrenzbar auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden können (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 187/13, VersR 2014, 1130 Rn. 25 mwN).

Galke                          Wellner                       Stöhr

             von Pentz                        Oehler

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

5
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ärzte der Beklagten hätten die Mutter des Klägers trotz der bereits am 27. Januar 2005 erfolgten Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung am 8. Februar 2005 nochmals über diese Behandlungsalternative unterrichten müssen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der am 9. Februar 2005 nach 31 + 1 Schwangerschaftswochen in der Frauenklinik der Beklagten geboren wurde und infolge einer Hirnschädigung unter schweren körperlichen und geistigen Behinderungen leidet, nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung über die Möglichkeit der Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.

2

Die Mutter des Klägers wurde am 27. Januar 2005 nach 29 + 2 Schwangerschaftswochen wegen vorzeitiger Wehen in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus stationär aufgenommen. Während der Schwangerschaft waren bei ihr wiederholt Nierenbeckenentzündungen aufgetreten. Außerdem litt sie unter Schwangerschaftsdiabetes. Am Tag ihrer stationären Aufnahme wurden Entzündungsparameter nachgewiesen. Die Leukozyten und der CRP-Wert waren deutlich erhöht. Bei einer Sonographie der Nieren wurde ein Harnstau auf beiden Seiten festgestellt. Der Mutter des Klägers wurden wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht. Darüber hinaus erfolgte eine medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch zweimalige Verabreichung von Celestan. Nach einem vorzeitigen Blasensprung in den frühen Morgenstunden des 9. Februar 2005 wurden die wehenhemmenden Mittel abgesetzt und die Mutter des Klägers unter fortlaufender CTG-Registrierung an einen Wehentropf angeschlossen. Ab 15.50 Uhr verzeichnete das CTG einen zunehmend auffälligen Verlauf der fetalen Herzfrequenz. Ab etwa 16.25 Uhr zeigte das CTG ein pathologisches Muster. Um 16.42 Uhr fassten die behandelnden Ärzte den Entschluss zur Notsectio. Der Kläger wurde um 16.59 Uhr geboren und musste reanimiert werden. Bis um 18. Februar 2005 wurde er beatmet. Wegen verschiedener subarachnoidaler und epikranieller Blutungen, akuten Nierenversagens, Leberinfarkts, Cholestase bei Leberinfarkt und Hämolyse sowie akuter Blutungsanämie und cerebralen Krampfanfällen ist er schwerstbehindert. Eine histologische Untersuchung der Plazenta nach der Geburt des Klägers ergab das Vorliegen einer akuten eitrigen Chorioamnionitis bei der Mutter des Klägers. Das Landgericht hat mehrere Behandlungsfehler angenommen, die es in ihrer Gesamtheit als grob qualifiziert hat. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den im Zusammenhang mit seiner Geburt am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, deren Haftung allerdings auf eine unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen gestützt und den Feststellungsausspruch zur Klarstellung dahingehend umformuliert, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den aus dem ohne wirksame Einwilligung erfolgten Versuch einer vaginalen Geburt mit anschließender Notsectio am 9. Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hafte wegen unzureichender Aufklärung der Mutter des Klägers über die Möglichkeit der Schnittentbindung. Hierauf könne sich der Kläger berufen, weil er in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen seiner Mutter und der Beklagten einbezogen gewesen sei. Zwar sei die Mutter des Klägers zu Beginn der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten über die grundsätzliche Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien sowohl der Schwangerschaftsdiabetes als auch die wiederholten Nierenbeckenentzündungen, das starke Erbrechen in der Frühschwangerschaft und die vorzeitige Wehentätigkeit, derentwegen die Mutter des Klägers an die Beklagte überwiesen worden sei, bekannt gewesen. Die Mutter des Klägers habe sich in Kenntnis der problematischen Schwangerschaft für eine vaginale Entbindung entschieden. Hierdurch sei aber nicht eine nochmalige Aufklärung der Mutter des Klägers für den Fall einer erheblichen Änderung der Gefahrenlage für Mutter oder Kind entbehrlich geworden. Allerdings sei die Beklagte nicht schon am 6. Februar 2005 zu einer nochmaligen Aufklärung verpflichtet gewesen. An diesem Tag habe sich der Kaiserschnitt noch nicht als gleichwertige Behandlungsalternative dargestellt. Zwar habe an diesem Tag wahrscheinlich schon ein Amnioninfektionssyndrom vorgelegen. Mangels Blasensprungs sei dies aber nicht klar erkennbar gewesen. Die erhöhten Entzündungsparameter und die vorzeitige Wehentätigkeit hätten auch durch eine Nierenbeckenentzündung hervorgerufen worden sein können. Außerdem sei am 6. Februar 2005 die Phase der frühen Frühgeburt noch nicht verstrichen gewesen, weshalb eine Verlängerung der Tragzeit wünschenswert und vorteilhaft gewesen sei. Der Blasensprung in der Nacht vom 8. Februar 2005 habe aber eine nochmalige Aufklärungspflicht der Beklagten ausgelöst. Denn hierdurch sei eine Änderung der Gefahrenlage eingetreten. Mit dem Blasensprung habe der Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms nahegelegen und die Schnittentbindung habe als gleichwertige Behandlungsalternative zu einer vaginalen Entbindung angesehen werden müssen. Nach dem Blasensprung sei ein Aufklärungsgespräch mit der Mutter des Kindes aber nicht mehr erfolgt. Mangels hinreichender Aufklärung müsse die Beklagte deshalb für alle Schäden einstehen, die auf den Versuch einer vaginalen Entbindung zurückzuführen seien. Der Senat sei davon überzeugt, dass die mechanischen Belastungen des Klägers durch die fehlgeschlagene vaginale Geburt mit anschließender Notsectio für seine Schädigung mitursächlich gewesen seien. Wäre statt des vaginalen Entbindungsversuchs sofort eine Sectio veranlasst worden, wäre der Kläger geringeren mechanischen Belastungen ausgesetzt gewesen. Die mechanischen Belastungen der notfallmäßig vorgenommenen Schnittentbindung bei Entwicklung des Klägers aus kontrahiertem Uterus seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu befürchten gewesen. Die Haftung der Beklagten erfasse trotz Mitursächlichkeit anderer schicksalhafter Faktoren den ganzen Schaden des Klägers, weil die nicht durch die mechanische Belastungen unter der vaginalen Geburt und dem Notkaiserschnitt erklärbaren Hirnblutungen nicht zu einem abgrenzbaren Schadensteil geführt hätten. Auf das Vorliegen der vom Landgericht angenommenen Behandlungsfehler komme es deshalb nicht an.

II.

4

Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Klägers, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).

5

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ärzte der Beklagten hätten die Mutter des Klägers trotz der bereits am 27. Januar 2005 erfolgten Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung am 8. Februar 2005 nochmals über diese Behandlungsalternative unterrichten müssen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.

6

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 22; vom 13. Juni 2006 - VI ZR 323/04, BGHZ 168, 103 Rn. 13; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 10, jeweils mwN). Gemäß diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Entbindungssituation, in der die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache zu bringen. Anders liegt es aber, wenn für den Fall, dass die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt. In einer solchen Lage darf sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden. Vielmehr muss er die Mutter über die für sie und das Kind bestehenden Risiken sowie über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären und sich ihrer Einwilligung für die Art der Entbindung versichern (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 132/88, BGHZ 106, 153, 157; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92, VersR 1993, 835, 836; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704; vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03, VersR 2004, 645, 647; vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03, VersR 2005, 227; vgl. zur Einwilligung allgemein: Senatsurteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 65/88, BGHZ 106, 391, 397 f.). Gleiches gilt, wenn aufgrund konkreter Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im weiteren Verlauf eine Konstellation eintritt, die als relative Indikation für eine Schnittentbindung zu werten ist. Eine - vorgezogene - Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden ist deshalb bereits dann erforderlich, wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704 f. = NJW 1993, 2372, 2373 f. mit Anmerkung Laufs/Hiersche; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 11 = MedR 2012, 252 mit Anmerkung Schmidt-Recla). Denn nur dann wird das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, die die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 10), gewahrt. Bei der Wahl zwischen vaginaler Entbindung und Schnittentbindung handelt es sich für die davon betroffene Frau um eine grundlegende Entscheidung, bei der sie entweder ihrem eigenen Leben oder dem Leben und der Gesundheit ihres Kindes Priorität einräumt. Das Recht jeder Frau, selbst darüber bestimmen zu dürfen, muss möglichst umfassend gewährleistet werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91, VersR 1993, 703, 704; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 69/10, VersR 2011, 1146 Rn. 11).

7

Besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die Schnittentbindung im weiteren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsmethoden und die mit ihnen im konkreten Fall verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der Schnittentbindung unterrichten, wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist. Der Arzt braucht die erfolgte Aufklärung in einem solchen Fall nicht zu wiederholen. Denn er hat der Schwangeren bereits die zur eigenverantwortlichen Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts erforderliche Entscheidungsgrundlage vermittelt (informed consent) und damit seine Verpflichtung zur Aufklärung erfüllt.

8

Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich nachträglich - sei es aufgrund einer Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse - Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken und Vorteile führen und die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen. In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit über das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis - beispielsweise über nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken der von ihr gewählten Entbindungsmethode - zu informieren und ihr eine erneute Abwägung der für und gegen die jeweilige Behandlungsalternativen sprechenden Gründe zu ermöglichen. Denn nur dann wird ihre Entscheidung von einer ausreichenden Grundlage getragen (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, VersR 2003, 1441 Rn. 20, 23; vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03, VersR 2005, 227, 228; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Auflage, Rn. 809, 826; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 442, jeweils mwN). Eine solche Fallgestaltung kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn sich das bereits aus anderen Gründen gesteigerte Risiko, das Kind könnte bei einer vaginalen Entbindung wegen der mechanischen Widerstände in dem natürlichen Geburtsweg geschädigt werden, durch eine Lageänderung des Kindes (z.B. in die Steißlage) nachträglich erhöht (vgl. zur Steißlagengeburt: Senatsurteil vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 132/88, NJW 1989, 1538, 1540 - in BGHZ 106, 153, 159 nicht vollständig abgedruckt).

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2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass am 27. Januar 2005 die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass es zu einer sehr frühen Frühgeburt (28 + 0 bis 31 + 6 Schwangerschaftswochen) des Klägers kommen und eine Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung werden würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Mutter des Klägers wegen vorzeitiger Wehen nach 29 + 2 Schwangerschaftswochen stationär aufgenommen worden. Bei ihr waren verschiedene Risikofaktoren gegeben - so u.a. der Schwangerschaftsdiabetes und deutlich erhöhte Entzündungsparameter - weshalb ihr wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht wurden. Darüber hinaus erfolgte eine medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch mehrfache Injektion von Celestan. Schließlich wurde die Mutter des Klägers über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt. In Kenntnis der problematischen Schwangerschaft und der vorzeitigen Wehentätigkeit entschied sie sich für eine vaginale Entbindung.

10

Trotz der am 27. Januar 2005 erfolgten und vom Berufungsgericht nicht für unzureichend erachteten Aufklärung der Mutter des Klägers hat das Berufungsgericht nach dem in der Nacht vom 8. Februar 2005 eingetretenen Blasensprung eine "nochmalige" Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung gefordert, weil diese nunmehr als gleichwertige Behandlungsalternative zur vaginalen Entbindung anzusehen sei. Dieser Umstand allein genügt aber nach den Ausführungen unter Ziffer 1 nicht, um eine Verpflichtung zur ergänzenden Aufklärung zu begründen. Feststellungen dazu, dass sich die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob eine Sectio oder eine vaginale Entbindung durchgeführt werden sollte, entscheidend verändert hatte und die mit einer vaginalen Entbindung verbundenen Risiken für den Kläger aufgrund nachträglich eingetretener Umstände oder Erkenntnisse höher einzuschätzen waren als am 27. Januar 2005, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen für die vaginale Entwicklung des Klägers nach wie vor gegeben gewesen seien. Aufgrund des mittlerweile gegebenen Verdachts eines Amnioninfektionssyndroms sei zwar die Beendigung der Schwangerschaft geboten gewesen; die Wahl des vaginalen Entbindungsweges sei bei der hier gegebenen spontanen Wehentätigkeit und Kopflage jedoch nicht zu beanstanden gewesen. In den Leitlinien werde bei Vorliegen eines Amnioninfektionssyndroms lediglich eine zügige Entbindung, aber keine bestimmte Entbindungsmethode empfohlen.

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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Revision zu befassen. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Mitursächlichkeit der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich nur dann nicht gleichsteht, wenn feststeht, dass die von der Behandlungsseite gesetzte Schadensursache nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat (Teilkausalität). Entgegen der Auffassung der Revision ist hierfür nicht maßgeblich, ob die Schadensursachen abgrenzbar sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die eingetretenen Schäden abgrenzbar auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden können (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 187/13, VersR 2014, 1130 Rn. 25 mwN).

Galke                          Wellner                       Stöhr

             von Pentz                        Oehler

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Diese Ausführungen des Sachverständigen durfte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung nicht mit der von ihm gegebenen Begründung unberücksichtigt lassen, dass der Beklagte erhebliche Einwendungen gegen die Richtigkeit und Angemessenheit des Heil- und Kostenplans nicht erhoben habe. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90 - VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger). Gegen diesen allgemeinen Grundsatz hat das Berufungsgericht verstoßen. Es hat die Höhe des Ersatzanspruchs nämlich allein auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Heil- und Kostenplans bemessen, in dem jedoch Maßnahmen aufgeführt sind, die nach Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen teilweise gar nicht notwendig sind, so dass die für die Sanierung des Gebisses erforderlichen Kosten voraussichtlich deutlich unter dem von dem Zahnarzt A. genannten Betrag liegen werden.
4
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass sich das Berufungsgericht in seiner Entscheidung nicht mit den weiteren vom Kläger geltend gemachten Behandlungsfehlern befasst hat. Der Kläger hatte in der Klageschrift geltend gemacht, dass die am 10. Januar 2005 erfolgte Wiedereröffnung der Operationswunde mit einem derart erhöhten Infektionsrisiko verbunden gewesen sei, dass sie nach dem damaligen Erscheinungsbild der Wunde hätte unterlassen werden müssen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2008 hatte er unter Hinweis auf das damit verbundene erhöhte Infektionsrisiko die Einbringung einer Stellschraube in die wieder eröffnete Operationswunde insbesondere vor dem Hintergrund beanstandet, dass keinerlei Maßnahmen zur Einschätzung des erhöhten Infektionsrisikos getroffen worden seien. Der Sachverständige hatte insoweit ausgeführt, dass die Wiedereröffnung einer nicht vollständig abgeheilten Operationswunde immer mit einem erhöhten Infektionsrisiko ver- bunden sei. Dies gelte insbesondere, wenn metallisches Fremdmaterial wie eine Stellschraube eingebracht werde. Eine Infektion im Knochen- und Gelenkbereich sei immer eine schwere und vor allem schwer zu beherrschende Komplikation , die fast unweigerlich erhebliche Dauerschäden nach sich ziehe. Metallisches Fremdmaterial dürfe in eine wieder eröffnete Operationswunde nur dann eingebracht werden, wenn die Wunde nicht entzündet sei. Aus der Sicht ex post sei die Entscheidung zur Stellschraubenimplantation im Streitfall falsch gewesen. Für die Beurteilung ex ante komme es darauf an, ob die fibulare Wunde zum Revisionszeitpunkt entzündet gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei es dem Gutachter ganz unverständlich, weshalb zwischen dem 23. Dezember 2004 und dem 17. Januar 2005 keinerlei Laborkontrollen durchgeführt worden seien und insbesondere das CRP nicht bestimmt worden sei. Eine Kontrolle vor der Zweitoperation hätte angesichts der schweren Verletzung sicherlich noch keine Normalwerte ergeben, hätte aber geholfen zu erkennen, ob sich eventuell eine Infektion anbahnte. Auch eine Messung der Körpertemperatur sei vor der Operation nicht erfolgt. Diese Ausführungen des Sachverständigen hatte sich der Kläger, soweit er es nicht ohnehin selbst vorgetragen hatte, als ihm günstige Umstände zumindest konkludent hilfsweise zu Eigen gemacht (vgl. Senatsurteile vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 und vom 3. April 2001 - VI ZR 203/00, VersR 2001, 1174; Senatsbeschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497).
11
Diese für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs durchaus beachtenswerten Darlegungen der erstinstanzlich vor Erlass des ersten landgerichtlichen Urteils beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. V. hat das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend berücksichtigt. Es wägt sehr sorgfältig die in den entscheidenden Fragen voneinander abweichenden Beurteilungen der von ihm ausführlich persönlich angehörten Gutachter Prof. Dr. B. und Prof. Dr. Z. gegeneinander ab, ohne dabei jedoch auch die nicht zu vernachlässigende Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. V. in den Blick zu nehmen, wie es eine umfassende Würdigung des Prozessstoffs verlangt hätte. Das Berufungsgericht hat wohl auch nicht hinreichend bedacht, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger ; Senatsbeschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497 Rn. 5 und vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 320/11, juris Rn. 4). Auch deshalb hätte es auf die von der Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. B. abweichende , dem Kläger günstigere Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. V. näher eingehen und deren Bewertung in die Gesamtbetrachtung des möglichen Geschehensablaufs einbeziehen müssen. Die Nichtberücksichtigung des für den Kläger günstigen Beweisergebnisses der ersten Begutachtung bedeutet für die Beweiswürdigung, dass erhebliches Vorbringen des Klägers im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist.
17
Eine Partei macht sich bei einer Beweisaufnahme zutage tretende ihr günstige Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 14. Januar 2014 - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11 mwN). Davon kann hinsichtlich der Beklagten zu 1 bis 3 - erst recht bezüglich des Beklagten zu 3, der ausdrücklich auf die Beweisaufnahme Bezug genommen hat - ausgegangen werden. Denn die Ausführungen des Sachverständigen zur mangelnden Aussagekraft der Baustellenergebnislisten waren ihnen günstig. Dennoch hat das Berufungsgericht aus den fortgeführten Baustellenlisten zumindest ein Indiz für einen durch den Submissionsbetrug erzielten Mehrerlös in Höhe von mindestens 15 % des submittierten Betrages abgeleitet , ohne sich mit den seiner Sichtweise widersprechenden Ausführungen des Sachverständigen auseinanderzusetzen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

11
Diese für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs durchaus beachtenswerten Darlegungen der erstinstanzlich vor Erlass des ersten landgerichtlichen Urteils beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. V. hat das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend berücksichtigt. Es wägt sehr sorgfältig die in den entscheidenden Fragen voneinander abweichenden Beurteilungen der von ihm ausführlich persönlich angehörten Gutachter Prof. Dr. B. und Prof. Dr. Z. gegeneinander ab, ohne dabei jedoch auch die nicht zu vernachlässigende Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. V. in den Blick zu nehmen, wie es eine umfassende Würdigung des Prozessstoffs verlangt hätte. Das Berufungsgericht hat wohl auch nicht hinreichend bedacht, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger ; Senatsbeschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497 Rn. 5 und vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 320/11, juris Rn. 4). Auch deshalb hätte es auf die von der Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. B. abweichende , dem Kläger günstigere Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. V. näher eingehen und deren Bewertung in die Gesamtbetrachtung des möglichen Geschehensablaufs einbeziehen müssen. Die Nichtberücksichtigung des für den Kläger günstigen Beweisergebnisses der ersten Begutachtung bedeutet für die Beweiswürdigung, dass erhebliches Vorbringen des Klägers im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 634/15
vom
16. August 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur sekundären Darlegungslast des Krankenhausträgers bei behaupteten Hygieneverstößen.
BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZR 634/15 - OLG Celle
LG Bückeburg
ECLI:DE:BGH:2016:160816BVIZR634.15.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Müller und den Richter Dr. Klein

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Oktober 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 97.868,26 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
2
Der am 8. Juli 1973 geborene Kläger litt ab Sommer 2009 unter Beschwerden im rechten Ellenbogen. Im November 2009 wurde er wegen eines sog. "Tennisarms" krankgeschrieben und konnte seiner Berufstätigkeit als KfzMeister nicht mehr nachgehen. Die Hausärztin des Klägers überwies ihn an das beklagte Krankenhaus. Dort stellte sich der Kläger erstmalig am 11. Februar 2010 vor. Nachdem die zunächst durchgeführten konservativen Maßnahmen wie Gipsbehandlung, Spritzen, Salbenverbände, Schmerzmittel und Krankengymnastik nicht zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik geführt hatten , stellten die den Kläger behandelnden Ärzte am 4. März 2010 die Indikation zu einem operativen Eingriff. Die empfohlene Operation wurde am 9. März 2010 durchgeführt. Am 11. März 2010 wurde der Kläger bei reizlosen Wundverhältnissen in die hausärztliche Nachsorge entlassen. Am 19. April 2010 stellte sich der Kläger erneut in der Sprechstunde der Beklagten vor und berichtete über anhaltende Schmerzen im rechten Ellenbogen. Die ihn behandelnden Ärzte stellten eine deutliche Schwellung über der Ecksensorenplatte fest und empfahlen ihm eine Revisionsoperation. Diese wurde für den 30. April 2010 vereinbart. Aufgrund sehr starker Schmerzen im Bereich des angeschwollenen rechten Ellenbogengelenks und sichtbarer Eiterbildung stellte sich der Kläger aber bereits am 23. April 2010 bei der Beklagten vor. Am selben Tag wurde die Revision durchgeführt. Die alte Wunde wurde eröffnet. Nachdem sich Eiter entleert hatte, wurde ein Abstrich genommen. Die Wunde wurde ausgiebig gesäubert und ein Debridement durchgeführt. Wegen der Wundinfektion wurde eine antibiotische Therapie eingeleitet. Eine Untersuchung des entnommenen Abstrichs ergab, dass die Wunde mit dem Staphylococus aureus infiziert war, der multisensibel auf Antibiotika reagierte. Eine Nachkontrolle am 10. Mai 2010 ergab keine Auffälligkeiten. Die Beschwerdesymptomatik verbesserte sich allerdings nicht wesentlich. Der Kläger stellte sich deshalb am 23. Juni 2010 erneut bei der Beklagten vor und vereinbarte eine weitere Operation für den 28. Juni 2010. Hierbei wurde die alte Wunde erneut eröffnet. Ein Keimwachstum wurde nicht mehr festgestellt. Die Beschwerden des Klägers besserten sich auch nach der dritten Operation nicht. Der Kläger litt weiter unter einer Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens und unter einem Schnappen im lateralen Bereich des Ellenbogens bei körperlicher Belastung. In der A. -Klinik in B. stellte man eine radiale kollaterale Bandinstabilität fest, weshalb eine Seitenbandplastik durch Entnahme eines Bindegewebstreifens aus dem Oberschenkel durchgeführt wurde. Der Kläger leidet heute noch unter einem Ruhe- und Belastungsschmerz.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

4
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Beklagten sei ein Verstoß gegen Hygienestandards nicht vorzuwerfen , beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
5
1. Ohne Erfolg wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse einen von der Beklagten zu verantwortenden Hygienefehler beweisen. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über das vollbeherrschbare Risiko nicht zugutekommt.
6
a) Verwirklicht sich ein Risiko, das von der Behandlungsseite voll hätte beherrscht werden können und müssen, so muss sie darlegen und beweisen, dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen hatte, um das Risiko zu vermeiden (vgl. Senatsurteile vom 18. Dezember 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311; vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468; vgl. nunmehr § 630h Abs. 1 BGB). Voll beherrschbare Risiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch den Klinikoder Praxisbetrieb gesetzt werden und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden können und müssen. Sie sind abzugrenzen von den Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus bzw. den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen und deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind. Denn die Vorgänge im lebenden Organismus können auch vom besten Arzt nicht immer so beherrscht werden , dass schon der ausbleibende Erfolg oder auch ein Fehlschlag auf eine fehlerhafte Behandlung hindeuten würden (Senatsurteil vom 18. Dezember 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311). Dem voll beherrschbaren Bereich ist beispielsweise die Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels (Senatsurteil vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77, VersR 1978, 764) oder die Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit (Senatsurteil vom 3. November 1981 - VI ZR 119/80, VersR 1982, 161) zuzurechnen. Gleiches gilt für die vermeidbare Keimübertragung durch an der Behandlung beteiligte Personen (Senatsurteile vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 8 f.; vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468). All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr besteht, deren Quelle jeweils festgestellt und die deshalb mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (Senatsurteil vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 11). Bei ungeklärter Infektionsquelle kommt eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko dagegen nicht in Betracht. Sie tritt vielmehr nur dann ein, wenn feststeht, dass der Gesundheitsschaden aus der von der Behandlungsseite vollbeherrschbaren Sphäre hervorgegangen ist (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 9; vom 17. Januar 2012 - VI ZR 336/10, VersR 2012, 363 Rn. 20; vom 18. Dezember 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311; vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468).
7
b) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht nicht fest, wo und wann sich der Kläger infiziert hat. Der bei ihm nachgewiesene Erreger ist ein physiologischer Hautkeim, der bei jedem Menschen vorzufinden ist. Es ist möglich, dass der Kläger selbst Träger des Keims war und dieser in die Wunde gewandert ist oder der Keim durch einen Besucher übertragen worden ist.
8
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Verstoß gegen Hygienestandards nicht bewiesen, er habe insoweit nur Mutmaßungen mitgeteilt. Sie macht zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht vollständig gewürdigt und wesentliche, dem Kläger günstige Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen unberücksichtigt gelassen hat.
9
a) Nach dem mangels abweichender Feststellungen zu unterstellenden Sachvortrag des Klägers war er im Anschluss an die Operation vom 9. März 2010 in einem Zimmer neben einem Patienten untergebracht, der unter einer offenen, eiternden und mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt, sein "offenes Knie" dem Kläger und allen anderen Anwesenden bei den verschiedenen Verbandswechseln zeigte und darüber klagte, dass man den Keim nicht "in den Griff" bekomme.
10
b) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht und das Berufungsgericht im Ansatz gesehen hat, ist die gemeinsame Unterbringung eines Patienten mit einer offenen infizierten Wunde neben einem Patienten, der einen unauffälligen postoperativen Heilverlauf aufweist, nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen dann nicht zu beanstanden, wenn folgende Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes eingehalten werden: - "Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet", - "Zur Beherrschbarkeit von Infektionsrisiken primum non nocere", - "Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen" - "Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren im Krankenhaus und Praxis".
11
Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass die Feststellung des Berufungsgerichts, der gerichtliche Sachverständige habe keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der von ihm beschriebenen Hygienestandards gefunden, in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage findet. Der Sachverständige hatte vielmehr angegeben, es entziehe sich seiner Kenntnis, inwieweit die vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Empfehlungen im Rahmen der damaligen ersten stationären Behandlung des Klägers beachtet worden seien; hier müsse ggf. eine entsprechende Recherche betrieben werden , z.B. dazu, ob die Vorschriften zur hygienischen Händedesinfektion und zum Verbandswechsel unter keimarmen Bedingungen eingehalten worden seien. Dies könne er aus den ihm vorgelegten Unterlagen nicht ableiten. Er selbst vermeide derartige Patientenkonstellationen, um derartige Diskussionen nicht führen zu müssen.
12
c) Diese ihm günstigen Ausführungen des Sachverständigen hatte sich der Kläger zumindest konkludent zu Eigen gemacht (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger; Senatsbeschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497 Rn. 5; vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 320/11, juris Rn. 4; vom 14. Januar 2014 - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, NJW 2015, 2125 Rn. 17). Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, auch ohne dahingehende ausdrückliche Erklärung in ihr Klagevorbringen aufnimmt. Dieser Grundsatz verdient im Arzthaftungsprozess nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zugunsten des geschädigten Patienten umso mehr Beachtung, als der Patient im allgemeinen die medizinischen Vorgänge und Zusammenhänge nur unvollkommen zu überblicken vermag und deshalb in gewissem Umfange darauf angewiesen ist, dass der Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufbereitet wird (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger). Die Nichtberücksichtigung der die Rechtsposition des Klägers stützenden Ausführungen des Sachverständigen bedeutet, dass erhebliches Vorbringen des Klägers im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 8; vom 14. Januar 2014 - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11).
13
d) Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 230/12, VersR 2014, 586 Rn. 7 mwN).
14
3. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen trifft, die sie ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden (vgl. auch OLG München, Urteil vom 6. Juni 2013 - 1 U 319/13, GesR 2013, 618 Rn. 37; Stöhr, GesR 2015, 257, 261; Schultze-Zeu/Riehn, VersR 2012, 1208, 1212). Zwar muss grundsätzlich der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung , wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 210 Rn. 18; vom 10. Februar 2013 - VI ZR 343/13, NJW-RR 2015, 1279 Rn. 11; vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, VersR 2016, 666 Rn. 47 f. - jameda.de II; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, WM 2016, 1231 Rn. 19). So verhält es sich hier. Der Kläger hatte konkrete Anhaltspunkte für einen Hygienevorstoß vorgetragen. Er hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass er als frisch operierter Patient neben einen Patienten gelegt worden war, der unter einer offenen , mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt und sein "offenes Knie" allen Anwesenden zeigte. Dieser Vortrag genügt, um eine erweiterte Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Denn an die Substantiierungspflichten der Parteien im Arzthaftungsprozess sind nur maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen. Vom Patienten kann regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Vielmehr darf er sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 252; vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13, VersR 2015, 712 Rn. 19). Zu der Frage, ob die Beklagte den vom Sachverständigen genannten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes nachgekommen ist, konnte und musste der Kläger nicht näher vortragen. Er stand insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs. Welche Maßnahmen die Beklagte getroffen hat, um eine sachgerechte Organisation und Koordinierung der Behandlungsabläufe und die Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen , Hygieneplan, Arbeitsanweisungen), entzieht sich seiner Kenntnis (vgl. Stöhr, GesR 2015, 257, 261; Schultze-Zeu/Riehn, VersR 2012, 1208, 1212). Galke von Pentz Offenloch Müller Klein
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 07.04.2015 - 2 O 244/13 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.10.2015 - 1 U 29/15 -
7
2. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 mwN). Es zieht nämlich nicht in Zweifel, dass das von der Klägerin erlittene inkomplette Cauda-equina-Syndrom eine kausale Folge des Eingriffs vom 26. Oktober 2004 ist, bei dem sich ein operationstypisches Risiko verwirklicht hat. Bei dieser Sachlage bestehen die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach, wenn der Eingriff vom 26. Oktober 2004 in Ermangelung einer wirksamen Einwilligung rechtswidrig war. Dies lässt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht ausschließen.