Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - VIII ZB 52/13
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 900 €.
Gründe:
- 1
- Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. März 2013 zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 11. Juni 2013 beim Berufungsgericht zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der am 28. Mai 2013 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist eingegangen.
- 2
- Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass sie die ausgefertigte und unterzeichnete Berufungsbegründung am Nachmittag des 28. Mai 2013 in die Unterschriftenmappe gelegt und die Büroangestellte H. beauftragt habe, den Schriftsatz vorab an das Berufungsgericht zu faxen. Die Angestellte H. habe dies auf dem Schriftsatz vermerkt und die im Abendsekretariat eingesetzte, für die Überwachung der Fristen zuständige Angestellte M. mit der Fristenkontrolle und Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht betraut. Frau M. habe gegen 19 Uhr die Unterschriftsmappe bei der sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingesammelt und die darin befindlichen Schriftstücke danach sortiert, ob sie mit normaler Post verschickt, als Gerichtspost übermittelt oder vorab gefaxt werden sollten. Die Berufungsbegründung habe Frau M. nach Entnahme aus der Unterschriftsmappe beiseite gelegt, um die angeordnete Übermittlung vorab per Fax sicherzustellen. Gegen 19.50 Uhr habe sie die Gerichtspost zu dem nahegelegenen Briefkasten der Berliner Justizboten gebracht, die bei einem Einwurf vor 20 Uhr eine Zustellung noch am selben Tag durchführten.
- 3
- Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht per Fax an das Berufungsgericht übermittelte Berufungsbegründung habe Frau M. nicht zu der Gerichtspost gegeben, sondern auf dem Stapel der noch zu faxenden Schriftsätze belassen. Bei der später veranlassten Faxübermittlung seien Frau M. weitere Fehler unterlaufen. Sie habe statt der ihr gut bekannten Nummer des Berufungsgerichts eine andere Nummer angewählt. Da das Faxgerät nicht durch ein akustisches Signal eine fehlgeschlagene Übersendung angezeigt habe , habe Frau M. den Sendebericht ohne weitere Kontrolle in den Posteingang der für den nächsten Vormittag zuständigen Angestellten H. gelegt und den Originalberufungsschriftsatz zu der am Folgetag abgehenden Gerichtspost gegeben. Weiter habe sie aus unerfindlichen Gründen eine Kontrolle des Fristenkalenders unterlassen, so dass die an diesem Tag ablaufende Berufungsbegründungsfrist nicht gestrichen worden sei. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehe die allgemeine Anweisung, Fristen erst dann zu streichen, wenn sichergestellt sei, dass der fristgebundene Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingehe, das Schriftstück also die Kanzlei auf geeignete Weise verlassen habe. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe sie auf deren Nachfrage vor dem Verlassen des Büros um 23.10 Uhr geantwortet , alle Fristsachen des Tages seien erledigt.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO), das der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
- 5
- Die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffenen Vorkehrungen zur Behandlung von Fristensachen genügen nicht den organisatorischen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzuhalten sind. Der Rechtsanwalt muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleisten, dass die für den Postversand vorgesehenen Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei unter anderem die Anordnung, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend jedes Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378 Rn. 7). Dass eine entsprechende Anordnung in der Kanzlei der Prozess- bevollmächtigten der Klägerin besteht, lässt sich dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsgesuch indes nicht entnehmen. Im Übrigen ist die Ausgangskontrolle auch deshalb unzureichend, weil die allgemein gehaltene Anordnung, eine Frist erst zu streichen, wenn sichergestellt sei, dass das Schriftstück rechtzeitig beim Gericht eingehe, es der Beurteilung der jeweiligen Angestellten überlässt, wann sie diese Voraussetzung als erfüllt ansieht. Erforderlich ist eine konkrete Anweisung - etwa in dem Sinne, dass die Frist erst gestrichen wird, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei gelegt wird, von wo aus er unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird (BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 7).
- 6
- Auf diese Mängel der allgemeinen Ausgangskontrolle käme es allerdings nicht an, wenn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine konkrete Einzelweisung erteilt hätte, deren Befolgung die Einhaltung der Frist sichergestellt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 unter II 2). Die hier erteilte Anweisung, die Berufungsbegründung vorab an das Berufungsgericht zu faxen, erfüllt diese Voraussetzungen indes schon deshalb nicht, weil die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffenen Vorkehrungen zur Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze ebenfalls unzureichend sind. Denn der Rechtsanwalt muss durch geeignete Anordnungen sicherstellen, dass die richtige Nummer des Empfangsgerichts - vorzugsweise anhand des letzten in der Handakte befindlichen Schreibens dieses Gerichts oder eines gebräuchlichen Verzeichnisses - ermittelt und nicht etwa aus dem Gedächtnis abgerufen wird (BGH, Beschlüsse vom 17. August2011 - VIII ZB 39/10; NJW-RR 2011, 1557 Rn. 11; vom 19. März 1997 - IV ZB 14/96, NJW-RR 1997, 952; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373 unter II 1 b). Außerdem muss der Sendebericht daraufhin überprüft werden, ob die richtige Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde und die Sendung vollständig übermittelt worden ist (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.). Dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin derartige (umfassende) Anordnungen zur Behandlung von Faxsendungen bestehen, lässt sich dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen.
- 7
- Die genannten organisatorischen Mängel sind für die Fristversäumung ursächlich geworden, da nicht auszuschließen ist, dass ohne sie eine fristgerechte Übermittlung erfolgt wäre.
- 8
- Schließlich entfällt ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb, weil die Prozessbevollmächtigte, bevor sie das Büro am Tage des Fristablaufs verlassen hat, bei der Büroangestellten noch einmal nachgefragt hat, ob alle Fristen des Tages erledigt waren. Eine derartige Nachfrage kann eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht ersetzen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer Kosziol
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 26.03.2013 - 9 C 195/12 -
LG Berlin, Entscheidung vom 06.08.2013 - 63 S 158/13 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - VIII ZB 52/13
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - VIII ZB 52/13
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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - VIII ZB 52/13 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kaufpreiszahlung von 6.432 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7. Januar 2008 zugestellt worden. Dieser hat mit einem am 7. Februar 2008 per Telefax an das Kammergericht übermittelten Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11. April 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufung mit Schriftsatz vom 11. April 2008 begründet. Dieser Schriftsatz ging am 16. April 2008 beim Kammergericht ein. Die an das Kammergericht adressierte Berufungsbegründung war am 11. April 2008 vorab per Telefax an das Landgericht Berlin übermittelt worden, wo sie um 22.19 Uhr einging. Die in der Berufungsbegründung in der Zeile "vorab per Telefax" angegebene Empfängernummer ist die des Landgerichts.
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- Mit Schriftsatz vom 14. April 2008, eingegangen am gleichen Tag beim Kammergericht als Telekopie, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegründung an das Landgericht beruhe allein auf einem doppelten Versehen einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen Kanzleiangestellten. Diese habe beim Heraussuchen der Telefaxnummer die Nummer des Kammergerichts aus dem Adressverzeichnis "Kauperts Straßenführer durch Berlin" fehlerhaft abgelesen. Zudem habe sie die fehlerhaft ermittelte Telefaxnummer - entgegen bestehender Anweisung - mit einem Schriftsatz des erstinstanzlichen Gerichts und nicht mit dem letzten Schreiben des Berufungsgerichts verglichen. Diesen Geschehensablauf hat die Kanzleiangestellte mit Erklärung vom 14. April 2008 an Eides statt versichert. Die Beklagte hat weiter ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigten hätten das Ermitteln und Benennen der Telefaxnummern dem Büropersonal übertragen und dieses insoweit angewiesen, die Telefaxnummer zunächst in "Kauperts Straßenführer durch Berlin" herauszusuchen und die ermittelte Nummer dann mit dem letzten gerichtlichen Schriftsatz der entsprechenden Instanz abzugleichen. Dieses Verfahren sei von den Prozessbevollmächtigten regelmäßig kontrolliert worden. Fehler, wie die vorliegende Ermittlung der falschen Telefaxnummer, hätten die Prozessbevollmächtigten dabei nicht festgestellt und seien auch noch nicht aufgetreten. Der die Berufungsschrift unterzeichnende Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nicht davon ausgehen können, dass die Telefaxnummer fehlerhaft ermittelt und be- zeichnet gewesen sei, da es an weiteren Umständen, die auf den Fehler hingewiesen hätten, gefehlt habe. Bei korrekter Angabe der Telefaxnummer wäre der Schriftsatz noch innerhalb der Frist beim Kammergericht mittels Telefax eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe die Berufungsbegründung selbst am 11. April 2008 um 21.33 Uhr an die bei der Adresse des Kammergerichts angegebene - falsche - Telefaxnummer gefaxt und dabei die Richtigkeit der Eingabe der Telefaxnummer in das Telefaxgerät und die richtige Bezeichnung des Berufungsgerichts überprüft.
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- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
II.
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- Das Kammergericht hat die von der Beklagten begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt.
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- Zwar habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die einfache Aufgabe , die Empfängernummer für das Telefax in die Berufungsbegründung einzusetzen , einer geschulten und zuverlässigen Fachangestellten übertragen dürfen. Die für das Heraussuchen der Telefaxnummer des Empfängers und das Einfügen in die Berufungsbegründung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten der Fachkraft erteilten Anweisungen seien aber keine ausreichenden Vorkehrungen, die sicherstellten, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Solle der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, gehöre hierzu, dass in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf etwaige Übermittlungsfehler, insbesondere die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, überprüft werde, um Fehler bei der Eingabe , der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufzudecken.
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- Ob in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax existierten, sei dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte, der die Berufungsbegründung unterzeichnet habe, selbst die Übermittlung per Telefax knapp 2 ½ Stunden vor Fristablauf vornehme, dann obliege es ihm, die Ausgangskontrolle in der zuvor beschriebenen Weise durchzuführen. Dies setze eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus. Der Vergleich der in das Telefaxgerät eingegebenen Nummer mit der in der Berufungsbegründung angegebenen (hier unrichtigen) Empfängernummer, auf die der Prozessbevollmächtigte sich bei der Übermittlung des Telefaxes beschränkt habe, stelle keine ausreichende Prüfung dar, um sicher zu gehen, dass die Übermittlung tatsächlich an das angeschriebene Kammergericht erfolgt sei.
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- Für eine solche abschließende Kontrolle habe im konkreten Fall jedenfalls deshalb Veranlassung bestanden, weil in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Schriftsatz zur Berufungsbegründung eine andere Telefaxempfängernummer enthalten habe als die Berufungsschrift und die beiden An- träge auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung, die ebenfalls per Telefax an die richtige Empfängernummer übermittelt worden seien. Diese Kontrolle sei dem Prozessbevollmächtigten auch unschwer möglich gewesen.
III.
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- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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- Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die versehentliche Übersendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Landgericht und damit die Versäumung der Begründungsfrist auf einem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhen.
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- Soll die zur Übermittlung verwendete Telefaxnummer aufgrund einer dienstlichen Anweisung von der Kanzleiangestellten unmittelbar einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten Telefaxnummer auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen wird (BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - I ZB 66/09, juris Rn. 10; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690 Rn. 11).
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- So verhält es sich hier indessen nicht. Nach der glaubhaft gemachten Darstellung der Beklagten war das Kanzleipersonal ihres Prozessbevollmäch- tigten vielmehr allgemein angewiesen, die Telefaxnummern zunächst aus dem Verzeichnis "Kauperts Straßenführer durch Berlin" herauszusuchen und sie sodann mit dem letzten gerichtlichen Schreiben der betreffenden Instanz abzugleichen. Durch diese Anweisung ist, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht hervorhebt, unnötigerweise eine zusätzliche Fehlerquelle geschaffen worden. Denn da sich bereits mehrere Schriftstücke in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Beklagten befanden, die die richtige Telefaxnummer des Kammergerichts enthielten, wäre es ausreichend, allein zweckmäßig und zur Minimierung des Fehlerrisikos geboten gewesen, das Kanzleipersonal anzuweisen , die Telefaxnummer unmittelbar dem letzten gerichtlichen Schreiben des Adressatgerichts zu entnehmen. Da nicht auszuschließen ist, dass der der Kanzleiangestellten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterlaufene Fehler im Falle einer sachgerechten Büroorganisation vermieden worden wäre, ist der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt worden.
Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.12.2007 - 22 O 171/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 31.03.2010 - 3 U 3/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 130.105,99 €
Gründe:
I. Die Widerklage der Beklagten ist durch Schlußurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2003 abgewiesen worden. Gegen das ihr am 28. April 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Mai 2003 Berufung eingelegt. Der am 28. Mai 2003 um 13.52 Uhr per Telefax an das Landgericht Frankfurt am Main übermittelte Schriftsatz ist von dort an das - als Empfänger bezeichnete - Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet worden, wo er am 30. Mai 2003 eingegangen ist. Die vom Senatsvorsitzenden am 27. Januar 2004 über Zulässigkeitsbedenken unterrichtete Beklagte hat am 10. Februar 2004 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gestellt.
Zur Begründung ihres Gesuchs hat die Beklagte ausgeführt: Ihr Bevollmächtigter verwende ein "Rechtsanwaltsprogramm", das bei Eingabe eines be-
stimmten Gerichts automatisch dessen Anschrift nebst Telefaxanschluß zwecks Einfügung im Adreßfeld eines Schriftsatzes aufrufe. Im Falle einer Übermittlung durch Post oder Boten werde von dem Büropersonal ihres Bevollmächtigten vor Ausdruck eines Schriftsatzes die Telefaxnummer manuell gelöscht. Offenbar habe die seit drei Jahren stets fehlerfrei arbeitende Rechtsanwalts- und Notargehilfin T. die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Annahme entfernt, der Schriftsatz werde von einer Mitarbeiterin zu Gericht gebracht. Da sich die Mitarbeiterin bereits vor Fertigstellung der Berufungsschrift zu Gericht begeben habe und daher nachträglich eine Faxübermittlung notwendig geworden sei, habe die Angestellte T. offenbar den Schriftsatz vor dessen Ausdruck mit der ihr wohl bekannten Telefaxnummer des Landgerichts Frankfurt am Main als dem - wie sie geglaubt habe - Zentralfax der örtlichen Justizbehörden vervollständigt.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wirft entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) auf, sondern steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Rechtsanwalt, der fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, daß die das angeschriebene Gericht betreffende Telefaxnummer verwendet wird (BGH, Beschl. v. 24. April 2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt. 2002, 171; BGH, Beschl. v. 11. März 2004 - IX ZR 20/03, BGHReport 2004, 978; BGH, Beschl. v. 1. März 2005 - VI ZB 65/04 z.V.b.). Diesen Anforderungen hat der Bevollmächtigte der Beklagten nicht genügt.
a) Zur Vermeidung von Verwechslungen ist dem Büropersonal die Anweisung zu erteilen, bei der Versendung von Schriftsätzen mittels Telefax die Auswahl der richtigen Empfängernummer zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 24. April 2002 aaO; BGH, Beschl. v. 3. November 1998 - VI ZB 29/96, NJW 1999, 583 f.; BGH, Beschl. v. 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96, NJW 1997, 948; ebenso BAG 79, 379, 382; BAG, Urt. v. 25. Januar 2001 - 8 AZR 525/00, NJW 2001, 1594 f.). In Einklang hiermit hat der Senat wiederholt eine gezielte Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur der Telefaxnummer durch das Büropersonal gefordert (Beschl. v. 7. Mai 2001 - II ZB 16/00, BGHReport 2001, 809 f.; Beschl. v. 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043; Beschl. v. 10. Januar 2000 - II ZB 14/99, NJW 2000, 1043 f.).
b) In der Kanzlei des Beklagtenvertreters fehlte es an einer konkreten Anweisung, die Faxnummer eines Gerichts in Fällen, in denen nicht mit dem "Rechtsanwaltsprogramm" gearbeitet oder dessen Vorgabe von Hand geändert wurde, einem zuverlässigen Verzeichnis zu entnehmen und nach Ausführung des Übermittlungsvorgangs einen Abgleich der gewählten mit der in dem Verzeichnis enthaltenen Nummer vorzunehmen. Sofern die Faxnummer eines Gerichts nicht zusammen mit der Adresse aus dem "Rechtsanwaltsprogramm" abgerufen worden war, bestand, wie der vorliegende Fall belegt, keine Gewißheit,
daß sich das Büropersonal bei der Suche der Faxnummer - statt sie aus dem Gedächtnis aufzurufen - einer geeigneten Aufstellung bediente. Dieses Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten hat die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten.
2. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Sache nicht im Blick auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage zu, ob die Gerichte ihre Organisation so einzurichten haben, daß bei einem unzuständigen Gericht eingegangene Schriftsätze unverzüglich als solche erkannt und auch unverzüglich an das zuständige Gericht weitergeleitet werden.
a) Geht ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei dem Berufungsgericht, sondern dem zuvor zuständigen erstinstanzlichen Gericht ein, so ist dieses Gericht verpflichtet, den Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Erreicht der Schriftsatz das früher mit der Sache befaßte Gericht so frühzeitig, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Berufungsgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, so ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig bei dem Rechtsmittelgericht eintrifft (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 3. Januar 2001 - 1 BvR 2147/00, NJW 2001, 1343; BGH, Beschl. v. 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03, BGHReport 2004, 1515; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 604/02, NJW 2004, 516; BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1986 - VIII ZB 40/86, NJW 1987, 440 f.). Der Wiedereinsetzung begehrende Antragsteller hat darzulegen und glaubhaft zu machen, daß sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgemäß an das zuständige Berufungsgericht weitergeleitet werden konnte (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1986 aaO).
b) Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Sie kann sich nicht mit der Behauptung begnügen, wegen des um 13.52 Uhr erfolgten Eingangs des Schriftstücks bei dem Landgericht hätte ein Zeitraum von zwei bis drei Stunden bestanden, um die Berufungsschrift an das im gleichen Gebäude gelegene Oberlandesgericht weiterzuleiten. Vielmehr bedurfte es der Darlegung , daß eine solche Weiterleitung im gewöhnlichen Geschäftsgang, dessen Ablauf die Beklagte nicht ansatzweise konkretisiert hat, zu erwarten war. Da sich die Justizbediensteten mit Rücksicht auf ihre sonstige Belastung nicht vorrangig der Aufdeckung und Heilung von Anwaltsversäumnissen widmen können , gebietet die Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang keine außerordentlichen Maßnahmen, die - wie eine telefonische Benachrichtigung des Bevollmächtigten oder die Weiterleitung seines Schriftsatzes per Sonderboten bzw. Fax - den rechtzeitigen Eingang bei dem Rechtsmittelgericht sicherstellen (BVerfG aaO; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 22 b; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 233 Rdn. 24 "Unzuständigkeit"
).
Goette Kurzwelly Münke
Gehrlein Caliebe