Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2011 - X ZR 77/10
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 425.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 1 700 812 (Klagepatent), das einen Treppenlift mit einer Stabilisierungsvorrichtung betrifft. Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet: "1. Treppenlift mit einer Stabilisierungsvorrichtung, mit einem verzahnten Teil (2), das sich auf einer Buchse (11) befindet, durch die die Achse (14) eines Rotors geführt wird, auf der sich Rollen (15, 16, 17, 18) befinden, die auf einem unteren Rohr (19) der Fahrbahn rollen, wobei die Buchse sich zwischen zwei Hebeln (12, 13) befindet und es dem verzahnten Teil (2) erlaubt, in einen auf einer Grundplatte (6) befindlichen Zahnkranz zu greifen, wobei sich im Inneren der Platte (6) die Welle des Motorgetriebes (4) dreht, das mechanisch mittels einer Zugstange (3) mit dem verzahnten Teil (2) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass für jeden Abstand zwischen den Achsen des unteren und eines oberen Fahrbahnrohres im waagerechten Bereich von 200 - 500 mm und den geneigten Bereichen der Fahrbahn von 0 - 90 Grad, der Konversionsfaktor (r) zwischen dem Abstand der Rohrachsen in Millimeter und dem Neigungswinkel der Fahrbahn gegenüber der Waagerechten einen Wert von 1,2 - 5 mm/Grad hat und die Übersetzung bzw. der Übertragungsfaktor zwischen dem verzahnten Teil (2) und dem Zahnkranz (21) 1,97 - 5 beträgt."
- 3
- Die Beklagte zu 1, deren frühere Geschäftsführerin und nunmehrige Liquidatorin die Beklagte zu 2 ist, hat unter der Modellbezeichnung "A. " Treppenlifte vertrieben, bei denen nach Auffassung der Klägerin alle Merkmale von Patentanspruch 1 wortsinngemäß verwirklicht sind. Die Beklagten haben bestritten , solche Lifte nach der Veröffentlichung der Anmeldung des Klagepatents vertrieben zu haben.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagten nach Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz haben die Beklagten zusätzlich den Einwand der widerrechtlichen Entnahme erhoben. Diesen Einwand haben sie auf Rechte am Gegenstand des Klagepatents gestützt, die der Ehemann der Beklagten zu 2, der mit 10% am Stammkapital der Beklagten zu 1 beteiligt ist und deren Geschäfte faktisch geführt hat, nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils an die Beklagte zu 2 abgetreten hat.
- 5
- Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Klägerin entgegentritt.
- 6
- II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Zu Recht rügen die Beklagten eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat seine die erstinstanzliche Verurteilung bestätigende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 8
- Nach den Feststellungen des Landgerichts habe die Beklagte zwei Tage nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents einen Treppenlift geliefert, bei dem alle Merkmale von Patentanspruch 1 wortsinngemäß verwirklicht seien. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründeten, lägen nicht vor.
- 9
- Die Beklagten könnten nicht mit der Behauptung gehört werden, sie seien aufgrund der im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgten Abtretung Inhaber der materiellen Erfinderrechte. Diese Behauptung stelle ein neues Verteidigungsvorbringen dar, das streitig sei und nicht zugelassen werden könne, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen. Zwar habe der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus Werkverträgen entschieden , dass eine nach Abschluss der ersten Instanz erstellte neue Schlussrechnung nicht aufgrund von § 529 Abs. 1 und § 531 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt bleiben dürfe. Die dafür maßgeblichen Erwägungen träfen auf den Fall einer erst in zweiter Instanz erfolgten Abtretung jedoch nicht zu. Auf daraus abgeleitete Rechte seien die Präklusionsvorschriften anwendbar. Im Streitfall sei das Verhalten der Beklagten zu 2 mit der Prozessförderungspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO nicht vereinbar und zudem als nachlässig zu beurteilen. Es sei weder ersichtlich noch von den Beklagten erläutert, weshalb es dem Ehemann der Beklagten zu 2 nicht möglich gewesen sei, die Informationen zur angeblichen widerrechtlichen Entnahme schon in erster Instanz zu verschaffen und seine Rechte an die Beklagte zu 2 abzutreten.
- 10
- 2. Diese Beurteilung hält dem Angriff der Nichtzulassungsbeschwerde in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zu einer widerrechtlichen Entnahme zu Unrecht gemäß § 531 ZPO unberücksichtigt gelassen und damit dem Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
- 11
- a) Die erstmalige Geltendmachung des Einwandes der widerrechtlichen Entnahme beruht nicht auf Nachlässigkeit der Beklagten. Nachlässigkeit kann in der Regel nicht angenommen werden, wenn eine Partei erst aufgrund einer während des Berufungsverfahrens erfolgten Abtretung in der Lage war, ein Angriffs - oder Verteidigungsmittel mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen.
- 12
- Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ist grundsätzlich zu verneinen, wenn ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung entstanden ist (BTDrucks. 14/4722, S. 101; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Auflage, § 531 Rn. 24; Musielak/Ball, ZPO, 8. Auflage, § 531 Rn. 19; Prütting/Oberheim, ZPO, § 531 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 531 Rn. 30). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Beklagten waren erst aufgrund der in zweiter Instanz erfolgten Abtretung rechtlich in der Lage, aus der von ihnen behaupteten widerrechtlichen Entnahme Einwendungen gegen die Klageansprüche abzuleiten.
- 13
- Allerdings spricht viel dafür, von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen, wenn ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel auf einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt gestützt wird und die Möglichkeit, es mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, nur noch davon abhängt, dass die Partei ein ihr zustehendes materielles Gestaltungsrecht ausübt (vgl. dazu BAG, Urteil vom 9. November 1983 - 5 AZR 355/81, NZA 1985, 130, 131 sowie Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, 22. Auflage, § 296 Rn. 44). Wenn der Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge nur noch vom Willen des Schuldners abhängt, erschiene es verfehlt , die Rechtzeitigkeit eines auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gestützten Angriffs- oder Verteidigungsmittels anhand des Zeitpunktes zu bestimmen, zu dem die Partei von dem ihr zustehenden Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hat. Aus demselben Grund ist es einem Schuldner, der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen die Aufrechnung erklärt hat, verwehrt, ein rechtskräftiges Urteil mit der Vollstreckungsgegenklage anzugreifen , wenn schon vor dem genannten Zeitpunkt eine Aufrechnungslage bestanden hat (BGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - VII ZR 351/03, BGHZ 163, 339, 342 mwN). Entsprechendes gilt für eine Anfechtung (BGH, Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252, 1253 mwN) und für eine Kündigungserklärung (BGH, Urteil vom 16. November 2005 - VIII ZR 218/04, NJW-RR 2006, 229 Rn. 14). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es gerade zum Zweck des Gestaltungsrechts gehört, dem Berechtigten die Entscheidung zu überlassen, zu welchem Zeitpunkt er von seinem Recht Gebrauch macht. Der Beklagte ist deshalb nicht gehalten, vorzeitig von einem ihm für einen bestimmten Zeitraum eingeräumten Optionsrecht Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 25. Februar 1985 - VIII ZR 116/84, BGHZ 94, 29, 35) oder ein Leistungsverweigerungsrecht aufzugeben, um eine Aufrechnungslage herbeizuführen (BGHZ 163, 339, 343).
- 14
- Ob bei Gestaltungsrechten auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung abzustellen ist, kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch dahingestellt bleiben (ebenfalls offen gelassen in BGH, Beschluss vom 30. Juni 2010 - IV ZR 229/07, r+s 2010, 420 Rn. 10; obiter bejaht in BGH, Urteil vom 10. März 2011 - IX ZR 82/10, MDR 2011, 754 Rn. 18). Im Streitfall hing die Möglichkeit zur Geltendmachung des Einwandes nicht allein vom Willen der Beklagten ab. Zur Abtretung der geltend gemachten Rechte am Gegenstand des Klagepatents bedurfte es vielmehr der Mitwirkung des Ehemannes der Beklagten zu 2. In derartigen Konstellationen erschiene es verfehlt, Nachlässigkeit schon deshalb zu bejahen, weil sich eine Partei nicht rechtzeitig um den Erwerb einer bestimmten Rechtsposition im Wege der Abtretung bemüht hat (vgl. dazu Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Auflage, § 296 Rn. 45). Der Umstand, dass die prozessrechtlichen Präklusionsvorschriften nicht den Zweck verfolgen, auf eine beschleunigte Schaffung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687; ebenso Musielak/Ball, 8. Auflage, § 531 ZPO Rn. 19; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 531 Rn. 30), mag zwar nicht ausschließen, die Ausübung eines der Partei bereits zustehenden materiellrechtlichem Gestaltungsrechts im Rechtsstreit der Pflicht zur Prozessförderung zu unterwerfen. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur beschleunigten Schaffung materiellrechtlicher Voraussetzungen kann den prozessrechtlichen Präklusionsvorschriften jedoch nicht entnommen werden. Folgerichtig hat der Bundesgerichtshof die Präklusion eines Verteidigungsmittels abgelehnt, das der Beklagte erst aufgrund eines von ihm während des Rechtsstreits erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geltend machen konnte (BGH, Urteil vom 10. März 2011 - IX ZR 82/10; MDR 2011, 754 Rn. 18). Für einen Rechtserwerb im Wege der Abtretung kann nichts anderes gelten. Angesichts dessen kann es grundsätzlich nicht als nachlässig im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angese- hen werden, wenn eine Partei von der Möglichkeit, eine zur erfolgversprechenden Geltendmachung eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels erforderliche Rechtsposition durch Abtretung zu erwerben, nicht unverzüglich Gebrauch gemacht hat.
- 15
- b) Ob das Berufungsgericht das in Rede stehende Vorbringen aus einem anderen Grund hätte unberücksichtigt lassen dürfen, bedarf keiner Entscheidung.
- 16
- Nach ständiger Rechtsprechung darf eine fehlerhafte Begründung für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens vom Rechtsmittelgericht nicht durch eine andere Begründung ersetzt werden (BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - I ZR 17/09, GRUR-RR 2010, 400 Rn. 5 - Simply the Best!).
- 17
- c) In der fehlerhaften Zurückweisung des Vorbringens liegt zugleich eine entscheidungsrelevante Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
- 18
- Zwar führt nicht jede fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Art. 103Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn eine Zurückweisung von Vorbringen als verspätet im Prozessrecht keine Stütze findet (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2007 - IV ZR 25/06, NJW-RR 2007, 1033 Rn. 3 mwN).
- 19
- Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob den Beklagten Nachlässigkeit vorzuwerfen ist, nicht nur in einem Einzelfall unzutreffend beurteilt. Es hat vielmehr angenommen, dass die § 531 ZPO zu Grunde liegende Pflicht zur Prozessförderung die Parteien auch dazu anhalten soll, zügig dafür zu sorgen, dass materiellrechtliche Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels eintreten. Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.
- 20
- 3. Der Senat hat im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der in § 544 Abs. 7 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht im Beschlusswege auszusprechen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.12.2008 - 4a O 216/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.04.2010 - I-2 U 15/09 -
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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten im Wege der verlängerten Vollstreckungsabwehrklage in Anspruch. Mit Urteil des Landgerichts B. vom 24. Juli 1997 wurde die Klägerin zur Zahlung von Restwerklohn an den Beklagten zu 2 verurteilt; im Vertrag war die VOB/B vereinbart. Die Klägerin nahm ihre Berufung vor der mündlichen Verhandlung zurück. Nach Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage Ende März 1999 trat der Beklagte zu 2 im April 1999 die Ansprüche aus dem Urteil des Landgerichts B. vom 24. Juli 1997 an den Beklagten zu 1 ab.Die Klägerin hat 131 Mängel an fünf Teilobjekten behauptet, die ihr erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses bekannt geworden seien. Sie habe dem Beklagten zu 2 nach Kenntnis von den Mängeln im Herbst 1998 Anfang Februar 1999 erfolglos Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt. Danach habe sie einen Teil der Mängel beseitigen lassen. Sie rechnet mit den Beseitigungskosten sowie einem Vorschußanspruch für die Beseitigung der übrigen Mängel auf. Im Laufe dieses Rechtsstreits hat die Klägerin die Klage auf den Beklagten zu 1 erweitert und den Antrag auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus dem Urteil wiederholt. Weiter hat sie beantragt, die Vollstreckung des Beklagten zu 2 aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts B. für unzulässig zu erklären. Während dieses Rechtsstreits sind das Urteil des Landgerichts B. vom 24. Juli 1997 sowie der dazugehörige Kostenfestsetzungsbeschluß vollstreckt worden. Die Klägerin begehrt nunmehr, den Beklagten zu 1 zur Rückzahlung vollstreckter 96.951,09 € zu verurteilen, sowie die Feststellung , daß die Hauptsache bezüglich des Beklagten zu 2 erledigt sei. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei mit ihrer auf die Aufrechnung gestützten Einwendung präkludiert. Der Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei zulässig. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung könne der Klageantrag auf Zahlung umgestellt werden. Ein Anspruch sei aus Bereicherungsrecht begründet, sofern vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Klage nach § 767 ZPO Erfolg gehabt hätte. Die Klägerin sei allerdings mit ihren Gegenansprüchen nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Maßgeblicher Zeitpunkt sei der Schluß der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug des Vorprozesses und damit der 19. Juni 1997, da die Klägerin ihre Berufung vor der Verhandlung im zweiten Rechtszug zurückgenommen habe. Die Klägerin habe keinen Beweis dafür angetreten, daß die Mängel der Werkleistung des Beklagten zu 2 erst nach dem 19. Juni 1997 erkennbar geworden seien. Entscheidend sei allein, ob diese Mängel objektiv erkennbar gewesen seien und bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß hätten geltend gemacht werden können, nicht aber, daß die Klägerin den Beklagten zu 2 erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert habe.II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.1. Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht die Klage als zulässig. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Klageantrag von der Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auf Rückzahlung der geleisteten Beträge umgestellt werden; darin liegt keine Klageänderung. Nach allgemeiner Ansicht setzen sich vielmehr die rechtlichen Möglichkeiten der Vollstreckungsabwehrklage nach Beendigung der Zwangsvollstreckung in der materiellrechtlichen Bereicherungsklage fort (BGH, Urteil vom 17. Februar 1982 - IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 280). 2. a) Im Ansatz zutreffend stellt das Berufungsgericht für den nach Beendigung der Zwangsvollstreckung geltend gemachten Bereicherungsanspruch darauf ab, ob vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungsabwehrklage begründet gewesen wäre. Anderenfalls ist die Leistung des Schuldners an den Gläubiger mit Rechtsgrund erfolgt. Dabei bestimmt es zu Recht als maßgeblichen Zeitpunkt für eine Präklusion der Einwendungen der Klägerin gemäß § 767 Abs. 2 ZPO den Schluß der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug des Vorprozesses. Nach Rücknahme der Berufung ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen (MünchKommZPO/K. Schmidt, 2. Aufl., § 767 Rdn. 76 m.w.N.).
b) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO mit ihrer auf die Aufrechnung gestützten Einwendung präkludiert. Das Berufungsgericht verkennt die Tragweite des von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes, wonach bei einer Aufrechnung maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Aufrechnungslage entstanden ist. aa) Eine Vollstreckungsabwehrklage kann nach § 767 ZPO nur Erfolg haben, wenn die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, nach Schluß der
letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind. Sind die Gründe vor diesem Zeitpunkt entstanden und wird die Rechtswirkung der Einwendung erst durch eine Willenserklärung ausgelöst, so ist nach gefestigter Rechtsprechung der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Willenserklärung objektiv abgegeben werden konnte (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134, 3135 m.w.N.; Urteil vom 16. Februar 1961 - VII ZR 191/59, BGHZ 34, 274, 279; Zöller /Herget, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rdn. 14 m.w.N.). Dementsprechend kommt es bei der Aufrechnung darauf an, ob die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden hat. Ist das der Fall, kann mit der Vollstreckungsabwehrklage nicht der Einwand erhoben werden, die Forderung des Gläubigers sei durch die nach Schluß der mündlichen Verhandlung erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen erloschen. bb) Danach wäre die Klägerin mit dem Einwand der Erfüllung durch Aufrechnung präkludiert, wenn ihr vor Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß ein auf Geld gerichteter, mithin aufrechenbarer Anspruch wegen der gerügten Mängel zugestanden hat. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Zugunsten der Klägerin ist deshalb in der Revision davon auszugehen, daß im maßgeblichen Zeitpunkt keine Aufrechnungslage bestanden hat. Dann kommt eine Präklusion nicht in Betracht. cc) Demgegenüber will das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem OLG Koblenz (OLGReport 2001, 455, 457) die Präklusion auch auf den Fall anwenden, daß die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht bestanden hat, jedoch die Voraussetzungen für die Aufrechnung hätten geschaffen werden können. Das steht nicht in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung. Danach kommt es darauf an, ob die Einwendung objektiv hätte erhoben werden können. Das ist nicht der Fall, wenn deren materiell-rechtliche Voraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung nicht vorgelegen haben. Der Schuldner ist nicht genötigt, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung, möglicherweise gegen seine eigenen Interessen und seinen Willen, zu schaffen (vgl. OLG Hamm, BauR 1989, 744). So wäre es unvertretbar, ihn mittelbar zu zwingen, sein Leistungsverweigerungsrecht aufzugeben und die Voraussetzungen für einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch dadurch zu schaffen, daß er den Gläubiger in Verzug mit der Mängelbeseitigung setzt. Das Leistungsverweigerungsrecht hat für ihn den Vorteil , daß er nach der Abnahme berechtigt ist, das mindestens Dreifache der Mängelbeseitigungskosten zurückzuhalten, § 641 Abs. 3 BGB. Das Berufungsgericht setzt ohne weiteres die Möglichkeit, ein Gestaltungsrecht auszuüben, mit der Möglichkeit gleich, die Voraussetzungen für die Ausübung eines Gestaltungsrechts zu schaffen. Die von ihm herangezogenen Belegstellen auch der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs rechtfertigen diese Gleichsetzung nicht. Dressler Haß Hausmann Wiebel Kniffka
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.