Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2019 - XII ZB 405/18

bei uns veröffentlicht am06.02.2019
vorgehend
Amtsgericht Kassel, XVII A 2488/15, 28.09.2017
Landgericht Kassel, 3 T 502/17, 31.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 405/18
vom
6. Februar 2019
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zur Rücksichtnahme auf einen negativen Betreuerwunsch des Betroffenen in
Bezug auf einen Angehörigen, dessen Vorsorgevollmacht zuvor durch einen
Betreuer widerrufen worden war (im Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ
206, 321 = FamRZ 2015, 1702 und vom 27. Juni 2018 - XII ZB 601/17 -
FamRZ 2018, 1602).

b) Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer
kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen, nicht aber
im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung einlegen (im
Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 - XII ZB 387/18 -
juris).
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 - XII ZB 405/18 - LG Kassel
AG Kassel
ECLI:DE:BGH:2019:060219BXIIZB405.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2019 durch die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 31. Juli 2018 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die 88jährige Betroffene leidet an einer Demenz vom Alzheimertyp, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie hatte ihren Söhnen, den Beteiligten zu 2 und 3, am 4. Juni 2013 notarielle Vorsorgevollmacht jeweils zur Alleinvertretung erteilt.
2
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2015 regte der Beteiligte zu 3 die Einrichtung einer Betreuung mit dem Ziel an, einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge anzuordnen. Zur Begründung gab er an, der um 36 Jahre jüngere Lebensgefährte der Betroffenen versuche, diese zu beeinflussen und zu Handlungen zu verleiten, die sich negativ auf das Vermögen der Betroffenen auswirken könnten. Zu Betreuern wollten er selbst und der Beteiligte zu 2 bestellt werden.
3
Das Amtsgericht richtete am 11. Februar 2016 eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge und der Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen gegenüber den Bevollmächtigten ein, bestellte einen Rechtsanwalt als Berufsbetreuer und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Vermögenssorge an. Durch weiteren Beschluss vom 19. September 2016 nahm das Amtsgericht einen Betreuerwechsel vor und bestellte den Beteiligten zu 1 zum Berufsbetreuer.
4
Auf Anregung des neuen Betreuers und im erklärten Einverständnis der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung durch Beschluss vom 28. September 2017, berichtigt am 17. Oktober 2017, um den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vollmachten sowie durch weiteren Beschluss vom 7. November 2017 um den Aufgabenkreis der Sorge für die Gesundheit, Vertretung gegenüber Heim- und Klinikleitung, Behörden und Versicherern sowie Rechts-, Antrags - und Behördenangelegenheiten erweitert.
5
Gegen den Beschluss vom 28. September 2017 haben die Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde eingelegt, zusätzlich der Beteiligte zu 3 auch gegen den Beschluss vom 7. November 2017.
6
Nachdem der Betreuer die Vorsorgevollmacht am 16. Oktober 2017 widerrufen hat, hat der Beteiligte zu 3 erklärt, seine Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Erweiterung der Betreuung fortzuführen.
7
Am 23. Februar 2018 hat die Betroffene ihren Lebensgefährten geheiratet.
8
Das Landgericht hat die Beschwerden gegen die angefochtenen Beschlüsse zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2, mit der er seine eigene Bestellung zum Betreuer verfolgt, hilfs- weise die Feststellung, dass der Beschluss des Landgerichts und derjenige des Amtsgerichts vom 28. September 2017 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.

II.

9
Die Rechtsbeschwerde ist mit dem Hauptbegehren unbegründet und mit dem Hilfsbegehren unzulässig.
10
1. Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des Hauptbegehrens statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2 im eigenen Namen folgt aus der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwendenden Vorschrift des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, wonach das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen unter anderem dessen Abkömmlingen zusteht, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Das ist hier der Fall.
11
2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beschwerden seien sowohl im Namen der Betroffenen als auch im eigenen Namen der Beteiligten zu 2 und 3 zulässig eingelegt, da diese als Angehörige im ersten Rechtszug förmlich beteiligt worden seien. Der Verfahrensgegenstand habe sich auch durch den Vollmachtwiderruf noch nicht erledigt, da noch die Möglichkeit eröffnet sei, die Beschwerde mit dem Ziel einer Feststellung der Verletzung von Rechten der Betroffenen fortzuführen, was der Beteiligte zu 3 auch ausdrücklich beantragt habe. Außerdem berühme sich der Beteiligte zu 2, obgleich er seine Vollmachturkunde zurückgegeben habe, noch immer angeblicher Rechte aus der Vollmacht, so dass der Widerruf der Vollmachten noch nicht vollständig umgesetzt sei.
12
Die Beschwerden seien jedoch unbegründet, da die Erweiterung des Aufgabenkreises bei unzweifelhaft bestehender Betreuungsbedürftigkeit erforderlich sei. Sie entspreche dem ausdrücklich und insoweit im Zustand der Geschäftsfähigkeit erklärten Willen der Betroffenen, auch was ihr Einverständnis mit der Person des Berufsbetreuers betreffe.
13
3. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
14
a) Mit dem Ziel, selbst zum Betreuer für den erweiterten Aufgabenkreis bestellt zu werden, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
15
aa) Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erweiterung des Aufgabenkreises einer bereits bestehenden Betreuung richtet sich die Auswahl des hierfür zu bestellenden Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB (Senatsbeschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 547/17 - FamRZ 2018, 850).
16
Schlägt der Volljährige, wie hier, niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers gemäß § 1897 Abs. 5 BGB auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen.
17
Schlägt der Betroffene ausdrücklich vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, so soll hierauf gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB Rücksicht genommen werden. Der negative Betreuerwunsch, der sich auf eine bestimmte Person aus dem persönlichen Umfeld des Betroffenen bezieht, lässt in der Regel auch die gesetzliche Favorisierung der Angehörigen zurücktreten. Diese beruht nämlich, neben dem allgemeinen Schutz der Familie, auch auf der Annahme eines regelmäßig bestehenden familiären Vertrauensverhältnisses zu diesen, welches sie typisierend als besonders geeignet erscheinen lässt. Ein negativer Betreuerwunsch bezüglich eines bestimmten Angehörigen kann indessen auf eine Störung der familiären Bindung hinweisen und entzieht dann dem sonst bestehenden Vorrang die Grundlage (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 601/17 - FamRZ 2018, 1602 Rn. 19).
18
Letztlich kommt es in Fällen dieser Art auf eine Gesamtbeurteilung an. Da nach dem Gesetz auf den negativen Betreuerwunsch Rücksicht genommen werden soll, bedarf es allerdings besonders darzulegender Gründe, von dieser Sollbestimmung abzuweichen. Solche Gründe können etwa in einer gefestigten persönlichen Bindung zwischen dem Angehörigen und dem Betroffenen liegen, die dieser krankheitsbedingt verkennt (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 601/17 - FamRZ 2018, 1602 Rn. 20).
19
bb) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass zwar ursprünglich eine Vertrauensbeziehung der Betroffenen zu ihren Söhnen bestand, inzwischen jedoch, auch aufgrund der zwischen den Söhnen und dem jetzigen Ehemann der Betroffenen eingetretenen Spannungen, ein Vertrauensverlust eingetreten ist. Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der eigene Wunsch der Betroffenen, sich von den früher erteilten Vorsorgevollmachten zu lösen, nicht auf einer krankheitsbedingten Verkennung gefestigter persönlicher Bindungen beruht. Das Landgericht hat vielmehr im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen angenommen, dass die Betroffene krankheitseinsichtig ist, ihre Defizite bei der Besorgung eigener Angelegenheiten erkennen kann und den Sinn und Zweck der erteilten Vollmachten versteht. Sie vermag die für und wider einen Widerruf sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen sowie die Konsequenzen eines Widerrufs zu überblicken und ist deshalb in Bezug auf den Widerruf der erteilten Vollmachten sogar als geschäftsfähig anzusehen. Unter diesen Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht dem negativen Betreuerwunsch der Betroffenen Geltung verschafft.
20
b) Unzulässig ist demgegenüber das Hilfsbegehren der Rechtsbeschwerde , da der Beteiligte zu 2 hinsichtlich eines Antrags auf Feststellung, dass die instanzgerichtlichen Beschlüsse die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben, im eigenen Namen nicht beschwerdeberechtigt ist.
21
aa) In seiner Eigenschaft als vormaliger Bevollmächtigter konnte er nach wirksamem Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung nur im Namen der Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen einlegen (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 - XII ZB 387/18 - juris Rn. 6 ff. mwN).
22
bb) Ein Antragsrecht im eigenen Namen ergibt sich für den Beteiligten zu 2 insoweit auch nicht aus § 303 Abs. 2 FamFG. Zwar konnte der Beteiligte zu 2 nach dieser Vorschrift Beschwerde im Interesse der Betroffenen gegen die Betreuerbestellung einlegen. Das Recht zur Einlegung der Beschwerde gegen die Betreuerbestellung umfasst aber nicht gleichzeitig die Antragsbefugnis nach § 62 Abs. 1 FamFG bezüglich der erledigten Aufgabenzuweisung an den Betreuer hinsichtlich des Vollmachtwiderrufs. § 62 Abs. 1 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer" selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Demgemäß kann nur derjenige Beteiligte nach § 62 Abs. 1 FamFG antragsbefugt sein, dessen eigene Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach § 62 Abs. 2 FamFG hat (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2012 - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 7 mwN).
23
Eine eigene Rechtsverletzung des Beteiligten zu 2 scheidet demgegenüber aus, da der Bevollmächtigte durch die Anordnung einer Betreuung, auch mit dem Aufgabenkreis des Vollmachtwiderrufs, in eigenen Rechten nicht beeinträchtigt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 16). Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 28.09.2017 - 786 XVII A 2488/15 -
LG Kassel, Entscheidung vom 31.07.2018 - 3 T 502/17 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2019 - XII ZB 405/18

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Referenzen

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 547/17
vom
14. März 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erweiterung des Aufgabenkreises
einer bereits bestehenden Betreuung richtet sich die Auswahl des hierfür
zu bestellenden Betreuers nicht nach § 1908 b BGB, sondern nach der für
die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB
(Fortführung des Senatsbeschlusses vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 -
zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 547/17 - LG Erfurt
AG Erfurt
ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB547.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 11. Oktober 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Der 53jährige Betroffene leidet an einer chronischen Alkoholabhängigkeit mit Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in paranoider Form, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Für ihn wurde am 20. Oktober 2015 erneut eine Betreuung eingerichtet und der Beteiligte zu 2 als Berufsbetreuer für den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung, Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt.
2
Am 8. November 2016 und 30. Dezember 2016 beantragte die Verfahrenspflegerin für den Betroffenen die Aufhebung der Betreuung, hilfsweise einen Betreuerwechsel, wobei sie als konkreten Betreuungswunsch des Betroffenen zwei Personen als mögliche neue Betreuer mitteilte. Die Betreuungsbehörde widersprach dem Betreuerwechsel.
3
Durch Beschluss vom 31. Mai 2017 wurde die geschlossene Unterbringung des Betroffenen bis zum 31. März 2019 genehmigt. In dem anschließend eingeleiteten Verfahren auf Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung um den Punkt der Wohnungsangelegenheiten nebst Wohnungsauflösung hat die Verfahrenspflegerin darauf angetragen, dass die Entscheidung über die Aufgabenkreiserweiterung nicht vor der Entscheidung über den Betreuerwechsel getroffen werden solle. Der bisherige Betreuer solle den Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten nicht übertragen erhalten, da er die Wohnung kündigen und auflösen werde.
4
Mit Beschluss vom 10. August 2017 hat das Amtsgericht den Aufgabenkreis des bisherigen Betreuers um die Wohnungsangelegenheiten einschließlich Wohnungsauflösung erweitert. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, mit der er beanstandet hat, dass der erweiterte Aufgabenkreis auf den bisherigen Betreuer übertragen und nicht zunächst über den Betreuerwechsel entschieden worden sei. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen ; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
6
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Bei Vorliegen der allgemeinen Betreuungsvoraussetzungen sei die Erweiterung des Aufgabenkreises des bisherigen Betreuers gerechtfertigt. Dem Wunsch des Betroffenen, den Betreuer zunächst auszuwechseln und dem neuen Betreuer erst dann den weiteren Aufgabenkreis zu übertragen, sei nicht zu entsprechen.
7
Unter den Voraussetzungen des § 1908 b Abs. 3 BGB könne das Gericht zwar den bisherigen Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit sei, vorschlage. Im vorliegenden Fall lägen jedoch keine erheblichen Anhaltspunkte vor, die eine Austauschentlassung des Betreuers auf Wunsch des Betreuten rechtfertigten. Der bisherige Betreuer habe sich bisher ausreichend um die Belange des Betreuten gekümmert und auch zu Recht avisiert, dass in Anbetracht der langfristigen Unterbringung des Betreuten nunmehr die Auflösung seiner Wohnung anstehe.
8
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
a) Ebenso wie für die Verlängerung einer Betreuung (§ 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG) gelten auch für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers (§ 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG) die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Wie der Senat im Zusammenhang mit der Verlängerung einer Betreuung bereits mehrfach entschieden hat, ist die Frage der Auswahl des Betreuers dann nicht am Maßstab des § 1908 b BGB zu beantworten, sondern in Anwendung des § 1897 BGB (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).
10
b) Das Gleiche gilt gemäß § 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG für die Erweiterung der Betreuung auf einen bisher nicht umfassten Aufgabenkreis.
11
§ 1908 b Abs. 1 BGB regelt zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erweiterung einer bereits bestehenden Betreuung über die Betreuerauswahl für den hinzutretenden Aufgabenkreis zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Betreuungserweiterung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung in dem hinzutretenden Aufgabenkreis. Da die Eignung der als Betreuer zu bestellenden Person stets anhand des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises zu beurteilen ist (§ 1897 Abs. 1 BGB), muss sie mit jeder Erweiterung des Aufgabenkreises erneut geprüft werden. So kann beispielsweise eine zunächst auf die Gesundheitssorge beschränkte Betreuung nicht um die Vermögenssorge erweitert werden, ohne die Eignung des Betreuers auch für die hinzutretenden Aufgaben nach Maßgabe des § 1897 Abs. 1 BGB zu bejahen.
12
Erfordert aber die Beauftragung mit den neu hinzutretenden Aufgaben grundsätzlich eine eigenständige Betreuerauswahl nach den Maßstäben des § 1897 BGB, so kann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Betroffene für die neuen Aufgaben eine Person vorschlägt, die zum Betreuer bestellt werden kann (§ 1897 Abs. 4 BGB). Das Gericht muss vielmehr in einem solchen Fall unter Beachtung des Betreuungsvorschlags gegebenenfalls eine Mitbetreuung einrichten (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder die anstehende Erweiterung des Aufgabenkreises zum Anlass für eine Überprüfung hinsichtlich der bereits bestehenden Betreuung nehmen.
13
c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf diesem Rechtsfehler , denn das Beschwerdegericht hätte dem Betreuervorschlag des Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB entsprechen müssen, wenn es seinem Wohl nicht zuwiderläuft (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 11 ff.).
14
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen , auch auf Grundlage einer persönlichen Anhörung zu treffenden Feststellungen , ob das Wohl des Betroffenen dem von ihm geäußerten Betreuungswunsch entgegensteht, nicht selbst treffen kann.
15
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Erfurt, Entscheidung vom 10.08.2017 - 4 XVII 627/15 (2) -
LG Erfurt, Entscheidung vom 11.10.2017 - 3 T 335/17 -
19
Der negative Betreuerwunsch, der sich auf eine bestimmte Person aus dem persönlichen Umfeld des Betroffenen bezieht, lässt daher in der Regel auch die gesetzliche Favorisierung der Angehörigen zurücktreten (vgl. MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. § 1897 Rn. 36). Diese beruht nämlich, neben dem allgemeinen Schutz der Familie, auch auf der Annahme eines regelmäßig bestehenden familiären Vertrauensverhältnisses zu den Angehörigen, welches sie typisierend als besonders geeignet erscheinen lässt. Ein negativer Betreuerwunsch bezüglich eines bestimmten Angehörigen kann indessen auf eine Störung der familiären Bindung hinweisen und entzieht dann dem Angehörigenvorrang die Grundlage (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 128).
6
2. Bezogen auf diesen Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist der Beteiligte zu 1 nicht im eigenen Namen rechtsbeschwerdebefugt.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

7
a) Ein Antragsrecht ergibt sich für den Beteiligten zu 1 insbesondere nicht aus § 303 Abs. 2 FamFG, wonach das Recht der Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers im Interesse des Betroffenen auch den dort bestimmten Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betroffenen zusteht. Das Recht zur Einlegung der Beschwerde gegen die Anordnung der Betreuung umfasst nicht gleichzeitig die Antragsbefugnis nach § 62 Abs. 1 FamFG. Denn § 62 Abs. 1 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer" selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Demgemäß kann nur derjenige Beteiligte nach § 62 Abs. 1 FamFG antragsbefugt sein, dessen eigene Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach § 62 Abs. 2 FamFG hat. Hieraus hat der Senat bereits abgeleitet, dass dem Verfahrenspfleger des Betroffenen trotz seines Beschwerderechts kein eigenes Antragsrecht nach § 62 Abs. 1 FamFG zusteht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 13). Nichts anderes gilt für den nach § 303 Abs. 2 FamFG privilegierten Personenkreis (vgl. auch BGH Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10 - FamRZ 2012, 211 Rn. 9 für die nach § 429 FamFG Beschwerdeberechtigten
16
Durch die Anordnung einer Betreuung wird der Vorsorgebevollmächtigte nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt. Unter § 59 Abs. 1 FamFG fallen alle subjektiven Rechte des Beschwerdeführers (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 178 zum identischen Begriff nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Diese können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein. Erforderlich ist ein durch Gesetz verliehenes oder durch die Rechtsordnung anerkanntes und von der Staatsgewalt geschütztes, dem Beschwerdeführer zustehendes materielles Recht, das unmittelbar betroffen sein muss (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 6, 9 jeweils mwN).