Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - XII ZR 114/10

bei uns veröffentlicht am07.09.2011
vorgehend
Landgericht Köln, 20 O 250/09, 30.06.2009
Oberlandesgericht Köln, 22 U 103/09, 27.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 114/10
vom
7. September 2011
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juli 2010 zugelassen.
Auf die Revision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 50.192,95 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin macht als Vermieterin Ansprüche aus einem Gewerbemietvertrag gegenüber dem Beklagten geltend.
2
Die Parteien schlossen 1998 einen Mietvertrag über ein mit einem Hotel bebautes Grundstück der Klägerin. Ab dem Jahr 2004 vermietete der Beklagte die Immobilie mit Einverständnis der Klägerin an die H. GmbH unter, die eine selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Zahlungsverpflichtungen des Beklagten aus dem Hauptmietvertrag übernahm. Nachdem die geschuldeten Mieten nur noch schleppend gezahlt wurden, erklärte die Klägerin im Mai 2006 gegenüber dem Beklagten die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Die Untermieterin räumte das Hotel jedoch zunächst nicht.
3
Wegen rückständiger Mieten bis einschließlich Juli 2006 und Zahlung von Betriebskosten für das Jahr 2004 erhob die Klägerin gegen die Untermieterin als Bürgin Klage. In diesem Verfahren schlossen die Klägerin und die Untermieterin in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2007 einen Vergleich , wonach sich die Untermieterin verpflichtete zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche an die Klägerin 77.000 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer zu bezahlen. Für den Fall, dass die Untermieterin das Hotel bis zum 31. März 2007 geräumt an die Klägerin herausgegeben habe und zudem von der Untermieterin ein Betrag in Höhe von 38.000 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer bis zum 31. Mai 2007 an die Klägerin bezahlt worden sein sollte, erklärte die Klägerin den Verzicht auf den titulierten Mehrbetrag. Die Untermieterin nahm diesen Verzicht an.
4
Im unmittelbaren Anschluss an den Vergleich erklärte die Klägerin zu Protokoll, dass sie gegen Herrn F. (den Beklagten im vorliegenden Verfahren) keine Forderungen geltend machen werde, soweit die Untermieterin ihrer Verpflichtung aus dem soeben geschlossenen Vergleich vollständig nachkommen sollte.
5
Nach der Räumung durch die Untermieterin gab der Beklagte die Räumlichkeiten an die Klägerin zurück, wobei das Inventar des Hotelbetriebes nicht entfernt wurde. Im August 2007 konnte die Klägerin das Mietobjekt weitervermieten.
6
Mit ihrer Klage macht die Klägerin Nutzungsentschädigung für die Monate April bis Juli 2007 in Höhe eines Betrages von 39.015,20 € geltend. Zudem sei der Beklagte zur Zahlung zusätzlicher Abwassergebühren in Höhe von 5.139,38 € ebenso verpflichtet wie zum Ausgleich der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2005 in Höhe von 5.975,37 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin in dem landgerichtlichen Verfahren gegen die Untermieterin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, auf die Geltendmachung von Forderungen gegen den hiesigen Beklagten zu verzichten, soweit die Untermieterin den zuvor abgeschlossenen Vergleich erfülle. Diese Bedingung sei eingetreten. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
7
Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie begehrt die Zulassung der Revision und verfolgt ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

II.

8
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Die zugelassene Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits (§ 544 Abs. 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat, wie die Klägerin zu Recht rügt, deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
9
1. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet es, dass sich das Gericht mit allen wesentlichen Punkten des Vortrags einer Partei auseinandersetzt. Zwar muss nicht jede Erwägung in den Urteilsgründen ausdrücklich erörtert werden (§ 313 Abs. 3 ZPO). Aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe muss aber hervorgehen, dass das Gericht das zentrale, entscheidungserhebliche Vorbringen einer Partei berücksichtigt und in seine Über- legungen mit einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2006 - XII ZR 86/03 - GuT 2007, 37; BVerfG ZIP 1992, 1020, 1023 f.). In diesem Sinne verlangt Art. 103 Abs. 1 GG i.V. mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BGH Beschluss vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03 - BGHReport 2005, 939 Rn. 5; vgl. auch BVerfGE 60, 247, 249 ff.; 65, 305, 307; 69, 141, 143). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BGH aaO Rn. 5; vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
10
a) Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
11
Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des zwischen der Klägerin und der Untermieterin abgeschlossenen Vergleichs entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt.
12
Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass ihre Erklärungen in dem früheren Verfahren gegen die Untermieterin ausschließlich auf die dort streitgegenständlichen Ansprüche beschränkt sein sollten. Zweck des Vergleichs und der anschließend von ihr abgegebenen Erklärung sei gewesen, die Untermieterin nur von einer weiteren Inanspruchnahme durch den Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen und vergleichsweise geregelten Ansprüche zu bewahren. Die Annahme, mit dem Vergleich sei bezweckt gewesen, dass für den Fall der Räumung und Zahlung durch die Untermieterin auch sämtliche Ansprüche zwischen den Prozessparteien im vorliegenden Verfahren erledigt sein sollten, sei schlichtweg falsch. Zum Beweis dieses Vorbringens hat die Klägerin die Person, die als ihre Vertreterin die fraglichen Erklärungen abgegeben hat, und die Geschäftsführerin der Untermieterin als Zeugen benannt. In ihrer Berufungsbegründung hat die Klägerin dieses Vorbringen und die Beweisangebote , denen bereits das Landgericht nicht nachgegangen ist, wiederholt.
13
b) Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Klägerin sowie den Beweisantritt zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht zur Begründung seines Auslegungsergebnisses nur aus, dass der zwischen der Klägerin und der Untermieterin abgeschlossene Vergleich seinen Zweck nur erfüllen könne, wenn gegen die Untermieterin nach der Erfüllung des Vergleichs weder von der Klägerin noch von dem Beklagten im Wege des Rückgriffs Forderungen erhoben werden könnten. Deshalb könnten von der Wirkung des Vergleichs lediglich Forderungen ausgenommen sein, denen eine eigene Pflichtverletzung des Beklagten zugrunde liege und die vom Beklagten nicht im Wege des Rückgriffs gegen die Untermieterin geltend gemacht werden könnten. Zu dem beweisbewehrten Vortrag der Klägerin, die Wirkungen des Vergleichs hätten nur die in dem damaligen Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche erfassen sollen, verhält sich das Berufungsurteil nicht.
14
2. Durch das Übergehen des Vortrages und des Beweisantritts der Klägerin wird diese in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör auch in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
15
a) Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Individualvereinbarungen grund- http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE311032001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307852001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307852001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310422000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310422000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=62&numberofresults=997&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304212001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13ah/ - 7 - sätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung durch den Tatrichter kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf geprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (Senatsurteil vom 21. Januar 2009 - XII ZR 79/07 - NJW-RR 2009, 593 Rn. 18; BGH Urteile vom 14. Dezember 2000 - I ZR 213/98 - WM 2001, 1379, 1381 und vom 29. März 2001 - I ZR 312/98 - NJW-RR 2001, 1612, 1614). Dies gilt auch für Prozesserklärungen, soweit es deren materiell-rechtlichen Inhalt betrifft (Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. § 546 Rn. 7).
16
b) Ein solcher revisionsrechtlich beachtlicher Verfahrensfehler liegt hier jedoch vor, weil das Berufungsgericht wesentliche Umstände für die Auslegung entgegen Art. 103 Abs. 1 GG, mithin unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften , nicht berücksichtigt hat.
17
(1) Grundsätzlich ist bei der Auslegung einer Vereinbarung in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 150, 32 = NJW 2002, 3248, 3249; BGH Urteile vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - NJW 2000, 2099 und vom 17. Januar 2001 - VIII ZR 186/99 - VersR 2001, 370, 371 mwN). Der Tatrichter hat bei seiner Willenserforschung insbesondere den mit der Absprache verfolgten Zweck und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 199/00 - NJW 2003, 2235, 2236 mwN). Dabei können auch Umstände außerhalb der Urkunde für die Auslegung zu berücksichtigen sein (BGHZ 150, 32 = NJW 2002, 3248, 3250).
18
(2) Dem sind die Auslegungserwägungen des Oberlandesgerichts nicht gerecht geworden.
19
Das Berufungsgericht stützt sein Auslegungsergebnis allein auf die Interessenlage der Untermieterin, obwohl der Vergleichstext und die anschließend abgegebene Erklärung der Klägerin in dem damaligen Verfahren auch eine andere Auslegung zulassen. Insbesondere Ziffer 1 des Vergleichs deutet darauf hin, dass die Klägerin und die Untermieterin mit dem Vergleich nur die in diesem Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche abgelten wollten. Auch die anschließend abgegebene Erklärung der Klägerin, dass sie gegen den Beklagten keine Forderungen geltend machen werde, soweit die Untermieterin ihrer Verpflichtung aus dem abgeschlossenen Vergleich nachkommen sollte, hat nicht zwingend das vom Berufungsgericht vertretene Auslegungsergebnis zur Folge. Diese Erklärung kann auch dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin nur bezüglich der in dem damaligen Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche auf eine Inanspruchnahme des Beklagten verzichtet. Ein solches Verständnis der Erklärung der Klägerin liegt bereits deshalb nahe, weil der Untermieterin in Ziffer 3 des Vergleichs die Möglichkeit eingeräumt wurde, durch Zahlung eines Teilbetrags bis zu einem festgelegten Termin ihre Schuld insgesamt zu tilgen. Durch diese Regelung im Vergleich bestand die Gefahr, dass die Klägerin in Höhe des Restbetrags den Beklagten in Anspruch nimmt und dieser dann bei der Untermieterin Regress sucht. In diesem Fall wäre der Untermieterin der wirtschaftliche Vorteil, den sie durch die Vereinbarung in Ziffer 3 des Vergleichs erreichen konnte, möglicherweise verloren gegangen. Die von der Klägerin im Anschluss an die Protokollierung des Vergleichs abgegebene Erklärung könnte daher auch den Zweck verfolgt haben, die Untermieterin vor dieser Gefahr zu schützen.
20
(3) Das Berufungsgericht hätte damit Anlass gehabt, für die Auslegung des Vergleichs und der Erklärung der Klägerin die Interessenlage der Beteiligten näher aufzuklären. Wesentliche Erkenntnisse für die Auslegung hätten sich dabei aus der Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise ergeben können. Das Berufungsgericht hätte daher dieses Vorbringen der Klägerin nicht übergehen dürfen. Die Klägerin wurde dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
21
c) Aufgrund der Gehörsverletzung ist das angegriffene Urteil insgesamt aufzuheben. Das Berufungsgericht hat nicht nur den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Miete für die Monate April bis Juli 2007 aufgrund der von ihm angenommenen Wirkung des Vergleichs verneint, sondern auch den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten für das Jahr 2005. Soweit die Klägerin die Erstattung von Abwasserkosten für die Jahre 2004 und 2005 verlangt , hat das Berufungsgericht zwar ausgeführt, dass diese Forderung nicht schlüssig dargelegt sei. In erster Linie hat das Berufungsgericht jedoch diesen Anspruch ebenfalls mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Wirkung des Vergleichs auch auf diese Forderung erstrecke. Für sämtliche streitgegenständliche Forderungen kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei einer anderen Auslegung des Vergleichs zu einem abweichenden Ergebnis gelangt.
22
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit zur Nachholung der Beweisaufnahme an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hahne Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.06.2009 - 20 O 250/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.07.2010 - 22 U 103/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - XII ZR 114/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - XII ZR 114/10

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313 Form und Inhalt des Urteils


(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 340/03
vom
18. Januar 2005
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger
am 18. Januar 2005

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2003 zugelassen.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 1.997.888,99 €

Gründe:


I.


Die Parteien, eine Bank sowie der Insolvenzverwalt er einer Autohändlerin , streiten über die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung von Kraftfahrzeugen. Die Autohändlerin schloß im Februar 1999 mit der F. AG (im folgenden: Lieferantin) einen formularmäßigen "Händlervertrag", der einen Eigentumsvorbehalt an den gelieferten Fahrzeugen bis zur Bezahlung aller gegenwärtig bestehenden und künftig entstehenden Ansprüche aus der Geschäftsverbindung der Händlerin mit der Lieferantin und mit der Klägerin vorsah, und im Mai 1999 mit der Klägerin einen "Rahmenvertrag" für Händler-Einkaufsfinanzierungen, in dem die Sicherungsübereignung finanzierter Fahrzeuge an die Klägerin vereinbart wurde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Händlerin vereinbarten die Parteien, die vorhandenen Kraftfahrzeuge zu verwerten und die Verwertungserlöse auf ein Sicherheitenerlöskonto einzuzahlen. Die Parteien begehren nun wechselseitig im Wege von Klage und Widerklage die Zustimmung zur Auszahlung des Guthabens auf dem Sicherheitenerlöskonto, das im August 2002 2.124.911,45 € aufwies.
Die Klägerin hat unter Zeugenbeweis gestellt, sie habe mit der Lieferantin eine Vereinbarung getroffen, daß die Kaufpreiszahlung der Klägerin an die Lieferantin in jedem Fall mit der Maßgabe erfolge, daß der Betrag nur unter der Bedingung verwendet werden dürfe, daß die Lieferantin ihren Kaufpreisanspruch gegen die Händlerin an die Klägerin abtrete , ihr Vorbehaltseigentum an den betreffenden Fahrzeugen an die
Klägerin übertrage und alle weiteren gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche und Rechte aus dem jeweiligen Kaufvertrag an die Klägerin übergingen. Hilfsweise hat die Klägerin geltend gemacht, aufgrund der in dem "Rahmenvertrag" getroffenen Vereinbarungen habe sie Sicherungseigentum an den finanzierten Fahrzeugen erworben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage - abgesehen von einem durch Teilanerkenntnisurteil erledigten Betrag - abgewiesen, da das Vorbehaltseigentum der Lieferantin auf die Klägerin übertragen worden sei. Im Berufungsverfahren, in dem die Klägerin ihr vorbezeichnetes Vorbringen unter Benennung des Zeugen wiederholt hat, hat das Oberlandesgericht die Klage ohne Beweisaufnahme mit Ausnahme eines Betrages von 50.058,04 € abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, da der Klägerin an den von der Lieferantin unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Kraftfahrzeugen kein Aussonderungsrecht zugestanden habe. Nur für die Lieferantin sei wirksam Vorbehaltseigentum begründet worden, nicht aber für die Klägerin als finanzierende Bank. Soweit im "Händlervertrag" neben den Ansprüchen der Lieferantin auch die Sicherung von Ansprüchen der Klägerin geregelt sei, sei dies unwirksam, weil es sich um Forderungen eines "Dritten" im Sinne von § 455 Abs. 2 BGB a.F. handele. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Klägerin auch nicht die Kaufpreisforderung nebst Vorbehaltseigentum durch Abtretung von der Lieferantin erworben. Eine Abtretung sei den Verträgen nicht zu entnehmen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich , daß die Forderungen stillschweigend abgetreten worden seien.

II.


Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZP O zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 f.). Aus demselben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, di e Ausführungen und Anträge der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozeßgrundrecht sicherstellen, daß die von den Gerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG i.V. mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247, 249 ff.; 65, 305, 307; 69, 141, 143). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, daß ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozeßrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).

a) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hi er verletzt. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz den Abschluß einer Vereinbarung mit der Lieferantin behauptet, daß die Lieferantin jeweils bei Eingang des von der Händlerin aufgenommenen Darlehensbetrages der Klägerin das Vorbehaltseigentum an den finanzierten Fahrzeugen und die Kaufpreisansprüche gegen die Händlerin übertrage. Für die Richtigkeit dieser Behauptung auf Seite 6 ihres Schriftsatzes vom 18. September 2002 hat sie sich auf die Vernehmung eines Zeugen berufen. Daß der Beweisantritt erst auf Seite 8 des Schriftsatzes erfolgt ist, ist ohne Belang. Die Klägerin hat ausdrücklich klargestellt, daß der Zeuge "zum Beweis für die Richtigkeit des gesamten vorstehenden Sachvortrages" benannt werde. Diesen Vortrag und den dazugehörenden Beweisantritt hat die Klägerin auch in der Berufungsinstanz aufrecht erhalten.
Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, daß d as Berufungsgericht dieses Vorbringen der Klägerin sowie den Beweisantritt zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. In den Entscheidungsgründen wird lediglich ausgeführt, daß eine Abtretung des Vorbehaltseigentums durch die Lieferantin den schriftlichen Verträgen nicht zu entnehmen sei. Es sei auch nichts für eine stillschweigende Abtretung ersichtlich. Zu der behaupteten mündlichen Vereinbarung der Übertragung von Vorbehaltseigentum verhält sich das Berufungsurteil mit keinem Wort. Ebensowenig lassen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils erkennen, aus welchen Gründen das Berufungsgericht meint, sich mit diesem Vorbringen der Klägerin sowie dem diesbezüglichen Beweisantritt nicht befassen zu müssen.

b) Das Übergehen des Vortrages und des Beweisantri tts der Klägerin verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör auch in entscheidungserheblicher Weise (§ 544 Abs. 7 ZPO). Die behauptete Übertragung des Vorbehaltseigentums auf die Klägerin scheitert nicht etwa daran , daß ein Eigentumsvorbehalt für die Lieferantin nicht in wirksamer Weise begründet worden wäre. Daß im "Händlervertrag" der Eigentumsvorbehalt in Form eines Konzernvorbehalts vereinbart worden ist, ändert daran nichts. Nach § 455 Abs. 2 BGB a.F. ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts zwar nichtig, soweit der Eigentumsübergang davon abhängig gemacht wird, daß der Käufer Forderungen eines Dritten, insbesondere eines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens erfüllt. Gemäß § 139 BGB ist aber davon auszugehen, daß die Teilnichtigkeit der Vereinbarung den Eigentumsvorbehalt zugunsten der Lieferantin unberührt läßt.
Diesem Ergebnis steht auch das für Allgemeine Gesc häftsbedingungen maßgebliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegen. Die Eigentumsvorbehaltsklausel ist nach ihrem Wortlaut ohne weiteres sinnvoll trennbar in den inhaltlich zulässigen Eigentumsvorbehalt zugunsten der Lieferantin und in den unzulässigen Konzernvorbehalt (vgl. BGHZ 106, 19, 25; BGH, Urteil vom 20. März 2002 - IV ZR 93/01, WM 2002, 1117, 1118).
2. Eine weitere Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG liegt darin, daß das Berufungsgericht das auf Nr. 6 b des Rahmenvertrages gestützte Hilfsvorbringen der Klägerin, von der Händlerin Sicherungseigentum an den finanzierten Fahrzeugen übertragen bekommen zu haben, übergangen hat. Auch auf diesen schlüssigen Sachvortrag, der die Klägerin zwar
nicht zur Aussonderung der finanzierten Fahrzeuge nach § 47 InsO, wohl aber zur abgesonderten Befriedigung nach § 51 Nr. 1 InsO berechtigen würde, ist das Berufungsgericht ohne jeden erkennbaren Grund mit keinem Wort eingegangen. Das rechtfertigt die Annahme, daß der Vortrag zu dem von der Klägerin hilfsweise vorgebrachten Klagegrund vom Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommen und erwogen worden ist.
3. Die Verletzung der Klägerin in ihrem Anspruch a uf rechtliches Gehör rechtfertigt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

18
a) Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Individualvereinbarungen grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung durch den Tatrichter kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf geprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfah- rungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGHZ 150, 32, 37 m.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 213/98 Verkündet am:
14. Dezember 2000
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Der Gläubiger eines aus einer Tarifunterschreitung resultierenden Bereicherungsanspruches
war zur Zeit der Geltung des § 23 Abs. 2 Satz 1 GüKG a.F.
gehindert, dem Schuldner die Forderung gemäß § 397 BGB zu erlassen. Nach
Aufhebung des Tarifzwangs zum 1. Januar 1994 stehen die Regelungen in
§ 22 Abs. 2, § 23 Abs. 2 GüKG a.F. der Wirksamkeit eines vereinbarten Forderungserlasses
nach § 397 BGB grundsätzlich nicht mehr entgegen.
BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - I ZR 213/98 - OLG Bremen
LG Bremen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 23. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der R. GmbH (im folgenden: R.-GmbH) in Ahlen, die in den Jahren 1991 und 1992 im Auftrag der S. GmbH (im folgenden: S.-GmbH), eines Schwesterunternehmens der Beklagten, Transportaufträge durchgeführt hat.
Hierbei kamen die R.-GmbH und die S.-GmbH überein, sich nicht an die damals noch geltenden Tarife des Güterfernverkehrs zu halten. Sie vereinbarten vielmehr, daß die Beklagte der R.-GmbH Scheinrechnungen für die Anmietung von Lagerräumen ausstellen sollte, die von der R.-GmbH in den Jahren 1992 und 1993 auch mit insgesamt 197.175,-- DM beglichen wurden. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aus abgetretenem Recht der R.GmbH Rückzahlung dieser zur Verschleierung der untertariflichen Preisabsprache gezahlten Beträge.
Mit Schreiben vom 18. Februar 1994 bat der Kläger die Beklagte im Namen der R.-GmbH um Aufklärung, was es mit dem Lagermietzins auf sich habe. Es sei nicht bekannt, "an welchem Ort, zu welchem Zweck, für welche Zeit ... welches Lagerobjekt zu welchem Preis" angemietet worden sei. Weiter heißt es in dem Schreiben, es werde vorsorglich darauf aufmerksam gemacht, daß der gezahlte Betrag zurückgefordert werde, wenn sich herausstellen sollte, daß dafür keine entsprechenden Gegenleistungen erbracht worden seien. Am 21. März 1994 kam es dann zu einer Besprechung, an der außer dem Kläger Vertreter der S.-GmbH und der Beklagten sowie deren Rechtsanwalt B. teilnahmen. Verlauf und Ergebnis der geführten Gespräche sind streitig. Während die Beklagte behauptet hat, der Kläger habe im Verlaufe des Gesprächs
auf alle Rückforderungsansprüche "verzichtet", hat der Kläger den Abschluß eines Erlaßvertrags in Abrede gestellt.
Mit Schreiben vom 23. März 1994 wandte sich die Beklagte an den Kläger als Geschäftsführer der R.-GmbH. In diesem Schreiben, auf das der Kläger nicht geantwortet hat, heißt es u.a.:
"Ihr Schreiben vom 18. Februar 1994 wurde auch bei Ihrem Besuch im Hause der S.-GmbH, Bremen, am 21. März 1994 angesprochen. In diesem Gespräch erklärten Sie, daß Ihre Forderung aus dem oben erwähnten Schreiben erledigt sei."
Der Kläger, der seine Aktivlegitimation auf eine mit Datumsangabe 9./10. Juli 1994 mit der R.-GmbH abgeschlossene Vereinbarung stützt, hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er in der Besprechung vom 21. März 1994 nicht auf die der R.-GmbH zustehenden Zahlungsansprüche, sondern allenfalls auf die im Schreiben vom 18. Februar 1994 angesprochenen Auskunftsansprüche verzichtet. Im übrigen sei die Beklagte in den Verhandlungen nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, weshalb sie zum Abschluß eines rechtswirksamen Erlaßvertrags nicht in der Lage gewesen sei. Das Schweigen der R.-GmbH auf den Zugang des Schreibens vom 23. März 1994 habe nicht die Rechtswirkungen eines Erlasses herbeiführen können, da kein Vertrag abgeschlossen worden sei, dessen Bestätigung das Schreiben hätte dienen können. Zudem weiche der Inhalt des Schreibens so weit vom Verhandlungsergebnis ab, daß der Absender vernünftigerweise nicht mehr mit dem Einverständnis des Empfängers habe rechnen können.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 197.175,-- DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat behauptet, der Kläger habe ihr gegenüber in der Besprechung am 21. März 1994 in Bremen auf Rückforderungsansprüche "verzichtet". Diese Vereinbarung sei wirksam gewesen , da es den Parteien nach Aufhebung der §§ 22, 23 GüKG a.F. zum 1. Januar 1994 freigestanden habe, auf an sich begründete Rückforderungen aus der Zeit der Geltung des Tarifzwangs zu "verzichten".
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Rückerstattung der streitgegenständlichen Rechnungsbeträge zu, weil er als Geschäftsführer der R.-GmbH wirksam auf eine Erstattung verzichtet habe. Hierzu hat es ausgeführt:
Es könne offenbleiben, ob der Kläger anläßlich der Besprechung am 21. März 1994 ausdrücklich auf Ansprüche gegenüber der Beklagten verzichtet habe. Jedenfalls ergebe sich die Wirkung eines Erlaßvertrags aus dem Schweigen des Klägers auf das Schreiben vom 23. März 1994, das ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstelle. Die Wirkung eines Bestätigungsschreibens entfalle nicht deshalb, weil der Bestätigende in seinem Schreiben zu weit vom Inhalt der getroffenen Vereinbarung abgewichen sei. Einen solchen Sachverhalt habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt. Vielmehr sei es denkbar und möglich, daß der Kläger im Rahmen der Gespräche, in denen ausdrücklich über die Angelegenheit der Scheinrechnungen gesprochen worden sei und in deren Verlauf der Kläger von der Beklagten einen Scheck zur Bereinigung anderweitiger Abrechnungsdifferenzen erhalten habe, tatsächlich auf entsprechende Rückforderungsansprüche verzichtet habe, um weiter "im Geschäft" zu bleiben.
Der Einwand des Klägers, die Beklagte sei am 21. März 1994 nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, sei unerheblich, da das maßgebliche Bestätigungsschreiben vom Geschäftsführer der Beklagten und einem Prokuristen unterzeichnet worden sei.
Schließlich stünden die Vorschriften der §§ 22, 23 GüKG a.F. der Rechtswirksamkeit eines Erlaßvertrags nicht entgegen. Aus dem Umstand, daß das Tarifaufhebungsgesetz vom 13. August 1993 keine Rückwirkung entfalte, folge lediglich, daß tarifwidrige Absprachen keine nachträgliche Geltung erlangten. Demnach blieben die vor dem 1. Januar 1994 bereits entstandenen Rückforderungsansprüche bestehen. Jedoch seien die Vertragsparteien nicht gehindert gewesen, über diese Ansprüche zu disponieren. So sei es in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Parteien eines wegen Verstoßes gegen
ein gesetzliches Verbot ursprünglich unwirksamen Vertrags berechtigt seien, den Vertrag nach Aufhebung des gesetzlichen Verbots zu bestätigen.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die streitgegenständliche Forderung nicht bereits mit der Aufhebung des Tarifzwangs durch das Tarifaufhebungsgesetz vom 13. August 1993 (BGBl. I 1489 ff.) erloschen ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1995 - I ZR 118/94, TranspR 1996, 66 = VersR 1996, 259, zum Güterfernverkehr; Urt. v. 5.6.1997 - I ZR 27/95, TranspR 1997, 420, zum Güternahverkehr; vgl. auch Piper, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Speditions- und Frachtrecht , 7. Aufl., Rdn. 232, 330) wirkt das Tarifaufhebungsgesetz nicht auf einen Zeitpunkt vor seinem Inkrafttreten zurück. Es ist daher nicht geeignet, ursprünglich unwirksamen Preisabsprachen rückwirkend Rechtsgeltung zu verschaffen. Dies folgt insbesondere aus dem allgemein anerkannten, in Art. 170 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatz, wonach sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, soweit - wie im Streitfall - kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (BGHZ 10, 391, 394; 44, 192, 194; Staudinger/Höhnle, Bearb. 1998, Art. 170 EGBGB Rdn. 1).

b) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß die Beklagte um die als Lagermietzins deklarierten Zahlungen ungerechtfertigt bereichert ist (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), da die entsprechenden Zuwendungen eine Umgehung des bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Tarifs im Güterfernverkehr verschleiern sollten. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 GüKG a.F. waren derartige Zuwendungen unzulässig und der Leistende verpflichtet, das ohne gültigen
Rechtsgrund Geleistete zurückzufordern (§ 23 Abs. 2 Satz 2 GüKG a.F.). Auf den Umstand, daß die Zuwendungen - wie im Streitfall geschehen - einer am Beförderungsvertrag nicht beteiligten Person gewährt wurden, kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.1960 - II ZR 196/57, NJW 1960, 1057, 1058).
2. Das Berufungsgericht ist des weiteren zutreffend davon ausgegangen , daß die Regelungen in § 22 Abs. 2, § 23 Abs. 2 GüKG a.F. der Wirksamkeit eines nach Aufhebung des Tarifzwangs vereinbarten Forderungserlasses gemäß § 397 BGB grundsätzlich nicht entgegenstehen.

a) Zur Zeit der Geltung des § 23 Abs. 2 Satz 1 GüKG a.F. war ein Gläubiger allerdings gehindert, auf seinen ihm aus einer Tarifunterschreitung zustehenden Bereicherungsanspruch zu verzichten. Diese Beschränkung seiner Dispositionsbefugnis folgte unmittelbar aus der ihm in § 23 Abs. 2 Satz 1 GüKG a.F. auferlegten Verpflichtung, tarifwidrige Zuwendungen zurückzufordern und gegebenenfalls gerichtlich einzuklagen. Zudem verstieß ein Forderungserlaß gegen das Umgehungsverbot des § 22 Abs. 2 GüKG a.F., das nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1987 - I ZR 106/85, NJW-RR 1987, 820, 821) alle Vereinbarungen erfaßte, deren Sinn allein darin bestand, die von vornherein vereinbarte unzulässige Ermäßigung des Beförderungsentgelts nachträglich zu bestätigen und ihr dadurch nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen. Ausschließlich diesem Zweck diente auch der von der Beklagten behauptete Erlaß.

b) Die Unwirksamkeit eines nach Aufhebung der §§ 22, 23 GüKG a.F. abgeschlossenen Erlaßvertrags ließe sich nur dann begründen, wenn die genannten Vorschriften über den 1. Januar 1994 hinaus noch zum Zeitpunkt der Vornahme des hier in Rede stehenden Rechtsgeschäfts Rechtswirkungen hät-
ten. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn dem Wortlaut des Tarifaufhebungsgesetzes läßt sich kein Anhaltspunkt für eine Fortgeltung der §§ 22, 23 GüKG a.F. entnehmen. Insbesondere legt aber die ersatzlose Aufhebung von § 23 Abs. 2 GüKG a.F. das gegenteilige Rechtsverständnis nahe. Nach dieser Vorschrift war der Leistende verpflichtet, seine ihm aus einer Tarifunterschreitung zustehenden Ansprüche geltend zu machen. Kam er dieser Pflicht nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach, so ging die Forderung gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 GüKG a.F. auf die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr über. Diese Bestimmungen wurden zum 31. Dezember 1993 ersatzlos aufgehoben. Mithin steht es seit dem 1. Januar 1994 allein im Belieben des Berechtigten, ob er ihm an sich zustehende Ansprüche geltend machen will oder nicht. Dann muß es ihm aber - entgegen der Auffassung der Revision - auch möglich sein, einen bestehenden Rückforderungsanspruch gemäß § 397 BGB zu erlassen.
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Beweiserhebung über den Inhalt der am 21. März 1994 geführten Verhandlungen sei deshalb entbehrlich , weil der Abschluß eines auf den Erlaß der streitgegenständlichen Forderungen gerichteten Vertrags bereits nach den Grundsätzen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben feststehe. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden. Mit Recht rügt die Revision, daß es sich bei dem in Rede stehenden Schreiben vom 23. März 1994 nicht um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben im Rechtssinne handelt, so daß es nunmehr auf die Klärung ankommt, ob der Kläger - handelnd für die R.-GmbH - der Beklagten die streitgegenständlichen Forderungen anläßlich der Besprechung am 21. März 1994 durch Vertrag gemäß § 397 BGB tatsächlich erlassen hat.
Die Auslegung einer Individualerklärung obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie ist in der Revisionsinstanz nur darauf nachprüfbar, ob sie anerkannte Rechtsgrundsätze oder Verfahrensregeln verletzt oder das Wesen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens verkannt hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1974 - VIII ZR 234/72, NJW 1974, 991; Urt. v. 9.2.1977 - VIII ZR 249/75, JZ 1977, 602, 603; Urt. v. 14.3.1984 - VIII ZR 287/82, ZIP 1984, 603, 604). Solche Rechtsfehler liegen hier jedoch vor.

a) Die Rechtsfolgen einer widerspruchslosen Entgegennahme eines Bestätigungsschreibens treten in der Regel nur dann ein, wenn das Schreiben in seinem Wortlaut mit hinreichender Deutlichkeit auf ernsthafte Vertragsverhandlungen Bezug nimmt, die zumindest aus der Sicht des Absenders zu einem gültigen Abschluß geführt haben (vgl. BGHZ 54, 236, 239; BGH, Urt. v. 6.5.1975 - VI ZR 120/74, NJW 1975, 1358; MünchKommBGB/Kramer, 3. Aufl., § 151 Rdn. 31; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., S. 573; Erman/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 147 Rdn. 10). Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Erklärungswortlauts sind von der Rechtsnatur des zu bestätigenden Rechtsgeschäfts abhängig. Geht es wie im vorliegenden Fall um die Bestätigung eines Erlaßvertrags, so ist der anerkannte Auslegungsgrundsatz zu berücksichtigen, daß eine auf Abschluß eines derartigen Vertrags gerichtete Willenserklärung im Zweifel eng auszulegen ist. Sie verlangt ein unzweideutiges Verhalten, das vom Empfänger als Aufgabe des in Frage stehenden Rechts verstanden werden muß (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1995 - VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237; Urt. v. 15.7.1997 - VI ZR 142/95, NJW 1997, 3019, 3021). Denn der Empfänger eines Bestätigungsschreibens darf durch sein Schweigen nicht schlechter stehen , als er stünde, wenn er eine mit dem Bestätigungsschreiben inhaltsgleiche Vertragsofferte ausdrücklich angenommen hätte.

b) Diese anerkannten Rechtsgrundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet. Entgegen seiner Annahme bestätigt das Schreiben vom 23. März 1994 den rechtsverbindlichen Erlaß der streitgegenständlichen Ansprüche nicht mit der erforderlichen Klarheit.
Die rechtliche Beurteilung muß zunächst dem Umstand Rechnung tragen , daß das Schriftstück nicht ausdrücklich als "Bestätigungsschreiben" bezeichnet worden ist. Auch wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben im Rechtssinne nicht zwingend als solches bezeichnet werden muß (vgl. BGHZ 54, 236, 239; BGH, Urt. v. 25.2.1987 - VIII ZR 341/86, NJW 1987, 1940, 1941; MünchKommBGB/Kramer aaO § 151 Rdn. 27; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 148 Rdn. 13), macht die Verwendung der im kaufmännischen Rechtsverkehr geläufigen Terminologie den Empfänger doch auf die Rechtserheblichkeit des Schreibens aufmerksam. Vermeidet der Absender demgegenüber die im Geschäftsverkehr übliche Wortwahl, so hat das Schweigen seines Geschäftspartners nur dann die Rechtsqualität einer Zustimmung, wenn sich die Funktion als Bestätigungsschreiben aus seinem Inhalt unmißverständlich ergibt. Davon kann im vorliegenden Fall indes nicht ausgegangen werden.
Bereits der Wortlaut des in Rede stehenden Schreibens enthält keinen eindeutigen Hinweis darauf, daß die Verhandlungen, die in dem Schreiben abschwächend als "Gespräche" bezeichnet werden, zu einer rechtsverbindlichen Vereinbarung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt geführt haben. Denn im ersten Satz heißt es lediglich, daß das Schreiben des Klägers vom 18. Februar 1994 angesprochen worden sei. Diese Formulierung läßt offen, zu welchem Zweck oder mit welchem Ergebnis das genannte Schreiben zur Sprache gekommen ist. Soweit das Berufungsgericht seine Würdigung darauf stützt, daß der Kläger erklärt habe, seine Forderung aus dem Schreiben vom
18. Februar 1994 sei erledigt, macht die Revision zu Recht geltend, daß diese Formulierung mehrdeutig ist. Nach dem umgangssprachlichen Verständnis kann der Hinweis darauf, die Forderung sei erledigt, im Streitfall auch so verstanden werden, daß lediglich die im Schreiben vom 18. Februar 1994 aufgeworfenen tatsächlichen Unklarheiten ausgeräumt werden konnten. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß in dem Schreiben zusätzlich darauf hingewiesen wird, daß der darin genannte Betrag zurückgefordert werde, wenn sich herausstellen sollte, daß die Beklagte dafür keine entsprechenden Gegenleistungen erbracht habe. Denn aus dem Schreiben der Beklagten vom 23. März 1994 geht nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit hervor, ob und mit welchem Ergebnis die Parteien in der Besprechung am 21. März 1994 über ein konkretes Rückzahlungsverlangen des Klägers verhandelt haben. Mit "Erledigung" kann daher vor allem auch die Erfüllung des geltend gemachten Auskunftsbegehrens gemeint sein. Der vom Berufungsgericht aufgestellte Erfahrungssatz, wonach derjenige, der auf einen Auskunftsanspruch verzichte, der einen Leistungsanspruch vorbereiten soll, auch auf den Leistungsanspruch selbst verzichtet , trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Angesichts der weitreichenden Rechtsfolgen, die für einen an sich Anspruchsberechtigten mit einem Erlaßvertrag gemäß § 397 BGB verbunden sind, hätte es in dem Schreiben der Beklagten vom 23. März 1994 eines eindeutigen Hinweises darauf bedurft, daß und in welcher Höhe der Kläger der Beklagten einen bestehenden Zahlungsanspruch erlassen hat. Daran fehlt es indes gerade.
Schließlich weist die Revision mit Recht darauf hin, daß endgültige Absprachen in Angelegenheiten mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs im Regelfall bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung konkret schriftlich fixiert werden (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1975 - VI ZR 120/74, NJW 1975, 1358, 1359 f.). Dies ist im vorliegenden Fall un-
streitig nicht geschehen. Mithin hatte die Beklagte bei Abfassung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens eine gesteigerte Veranlassung, den rechtsverbindlichen Vertragsschluß durch die Wahl einer klaren und eindeutigen Formulierung zu dokumentieren.
Auf der bisherigen Tatsachengrundlage kann das Berufungsurteil danach keinen Bestand haben.
III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. So ist der Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht deshalb gemäß § 817 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Parteien beim Leistungsaustausch gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen haben (vgl. BGHZ 50, 90, 91 f.; BGH, Urt. v. 14.7.1993 - XII ZR 262/91, NJW-RR 1993, 1457, 1458). Denn gemäß § 23 Abs. 2 Satz 4 GüKG a.F. war die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungshandlung ausgeschlossen. Die vereinzelt vertretene Auffassung, der in § 23 Abs. 2 Satz 4 GüKG a.F. geregelte Ausschluß von § 817 Satz 2 BGB beziehe sich lediglich auf solche Bereicherungsansprüche, die gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 GüKG a.F. auf die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr übergegangen seien (LG Duisburg - 16 O 216/94, Urt. v. 2.2.1995), findet weder im Wortlaut der Vorschrift noch in der Gesetzessystematik eine hinreichende Stütze. Gesetzestechnisch bezieht sich Satz 4 der Bestimmung auf alle voranstehend geregelten Tatbestände. Auch Sinn und Zweck der Regelung bestätigen dieses Rechtsverständnis. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 GüKG a.F. ergänzte das in § 22 GüKG a.F. enthaltene Verbot, die Tarifbindung durch Umgehungsgeschäfte zu unterlaufen und verpflichtete den Gläubiger eines Bereicherungsan-
spruchs zur Erreichung dieses Ziels, etwaige, ihm aus einer Tarifunterschreitung zustehenden Bereicherungsansprüche einzufordern und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Demgegenüber fand ein Anspruchsübergang auf die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr erst dann statt, wenn der Leistende seiner Rechtspflicht nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachgekommen war. Die Systematik der Vorschrift zeigt somit, daß die Kompensation von Tarifunterschreitungen primär von den Vertragsparteien selbst vorgenommen werden sollte. Gerade dieses Ziel würde unterlaufen, wenn sich der Leistungsempfänger gegenüber seinem Vertragspartner uneingeschränkt auf § 817 Satz 2 BGB berufen dürfte.
2. Auch § 814 BGB schließt eine Rückforderung der als Pachtzins deklarierten Beträge nicht aus, da der Kondiktionsausschluß nach dieser Vorschrift den Anwendungsbereich des § 817 BGB nicht erfaßt (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1961 - VII ZR 183/59, WM 1961, 530, 531; BAG, Urt. v. 28.7.1982 - 5 AZR 46/81, NJW 1983, 783; Staudinger/Lorenz, Bearb. 1997, § 817 Rdn. 9; Erman/Westermann aaO § 814 Rdn. 1) und demzufolge auf Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht anwendbar ist. Im vorliegenden Fall würde eine Anwendung von § 814 BGB zudem gegen Sinn und Zweck von § 23 Abs. 2 Satz 4 GüKG a.F. verstoßen, der durch den Ausschluß von § 817 Satz 2 BGB die Kondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 817 Satz 1 BGB gerade eröffnen will. Dieses erklärte Ziel würde verfehlt, wenn der Leistungsempfänger dem Bereicherungsanspruch statt des Kondiktionsausschlusses nach § 817 Satz 2 BGB mit gleichem Ergebnis § 814 BGB entgegenhalten dürfte.
IV. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann Starck Bornkamm
Pokrant Büscher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 312/98 Verkündet am:
29. März 2001
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
KVO § 28 Abs. 5, 6
Eine Beendigung der KVO-Haftung des Frachtführers, der das transportierte
Gut wegen eines Ablieferungshindernisses i.S. von § 28 Abs. 5 KVO gemäß
§ 28 Abs. 6 KVO bei einem Spediteur oder öffentlichen Lagerhaus hinterlegt,
erfordert, daß das Gut in Drittverwahrung gegeben worden ist. Eine Hinterlegung
im eigenen Lager führt nicht zur Beendigung der KVO-Haftung.
BGH, Urt. vom 29. März 2001 - I ZR 312/98 -OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. November 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, Transportversicherer der S. GmbH in Meitingen (im folgenden: S. -GmbH), nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus abgetretenem Recht wegen der Beschädigung eines Wärmetauschers auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Eigentümerin des Wärmetauschers, die C. mbH in Bad Honnef (im folgenden: C.-GmbH), erteilte der S. -GmbH den Auftrag, Reparaturarbeiten an dem Gerät durchzuführen. Anschließend sollte der Wärmetauscher aufgrund einer Weisung der C.-GmbH an deren Kundin, die Firma F. S. (im folgenden: Firma S.) in Mönchengladbach , ausgeliefert werden. Nach Abschluß der Reparaturarbeiten Anfang
Oktober 1995 erteilte die S. -GmbH der B. & Co. Speditionsgesellschaft in A. (im folgenden: B.-GmbH) den Auftrag, die Beförderung des Wärmetauschers im Direkttransport ohne Umladung von Haus zu Haus von Meitingen nach Mönchengladbach zur Firma S. zu besorgen.
Der Wärmetauscher wurde daraufhin bei der S. -GmbH auf eine von der B.-GmbH gestellte Wechselbrücke verladen und am 5. Oktober 1995 mit einem Fahrzeug der B.-GmbH zunächst in deren Lager in Meitingen gebracht. Nach der Zuladung von weiterem Sammelgut beförderte die B.-GmbH die Wechselbrücke nach Mannheim, wo sie von einem Fahrer der Beklagten, mit der die B.GmbH im Fernverkehr innerhalb Deutschlands in ständiger Geschäftsbeziehung im Begegnungsverkehr zusammenarbeitet, übernommen und anschließend in das Lager der Beklagten in H. transportiert wurde. Am 6. Oktober 1995 wurde die Wechselbrücke mit einem Nahverkehrsfahrzeug von dem Fahrer R. der Beklagten bei der Firma S. angeliefert, wo der Mitarbeiter Hö. der C.-GmbH wartete, um den Wärmetauscher in Empfang zu nehmen. Aufgrund der Beschaffenheit des Wärmetauschers wurde zur Entladung des Gerätes ein Kran benötigt, der auf dem Gelände der Firma S. nicht sofort verfügbar war. Nachdem der Fahrer R. erklärt hatte, er könne das Eintreffen eines Krans nicht abwarten, verweigerte der Mitarbeiter der C.GmbH die Annahme des Wärmetauschers. Daraufhin brachte der Fahrer die Wechselbrücke in das Lager der Beklagten in H. zurück. Dort entluden Mitarbeiter der Beklagten die Wechselbrücke und nahmen den Wärmetauscher auf Lager.
Die Beklagte setzte die B.-GmbH und die S. -GmbH mit Telefax-Schreiben vom 6. Oktober 1995 von der Annahmeverweigerung in Kenntnis und teilte gleichzeitig mit, daß der Wärmetauscher nunmehr zu einer anderen Empfänge-
rin nach Würselen befördert werden solle. Mit einem weiteren Telefax vom selben Tag fragte die C.-GmbH bei der Beklagten an, ob der Wärmetauscher in der kommenden Woche an die Empfängerin in Würselen ausgeliefert werden könne. Schließlich wies auch die B.-GmbH - nach Abstimmung mit der C.GmbH - die Beklagte an, das Gerät nunmehr nach Würselen zu transportieren. Am 10. Oktober 1995 kippte der Wärmetauscher im Lager in H. von einem Hubwagen, mit dessen Hilfe Mitarbeiter der Beklagten das Gerät für den Transport nach Würselen auf eine Wechselbrücke verladen wollten. Anschließend wurde der Wärmetauscher auf eine Palette gesetzt und noch am selben Tag in Würselen gegen reine Quittung abgeliefert.
Die Empfängerin reklamierte am 13. Oktober 1995 gegenüber der B.GmbH einen Schaden am Wärmetauscher, den der Havariegutachter mit 90.944,96 DM beziffert hat. Die B.-GmbH hat am 10. Juni 1996 sämtliche ihr gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Transport zustehenden Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei ihr zum Ersatz des Sachschadens und der Kosten für das Havariegutachten (1.882,40 DM) verpflichtet. Sie hat behauptet, die Beklagte habe vor der Einlagerung des Wärmetauschers in ihrem Lager in H. keine Weisung der B.-GmbH eingeholt. Vielmehr habe sie die B.-GmbH über die Annahmeverweigerung und die neue Lieferadresse, die sie sich vermutlich bei der C.-GmbH besorgt habe, erst nach der Einlagerung informiert.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 92.827,36 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, ihr Fahrer habe sie noch vom Gelände der Firma S. aus von dem Ablieferungshindernis unterrichtet. Die B.-GmbH, die sie umgehend von der Annahmeverweigerung in Kenntnis gesetzt habe, habe ihr daraufhin - so die Behauptung der Beklagten in der Berufungsinstanz - zunächst nur die Weisung erteilt, den Wärmetauscher einzulagern. Das Faxschreiben der C.-GmbH vom 6. Oktober 1995 sei bei ihr erst nach der Einlagerung des Gerätes, nämlich am 9. Oktober 1995, eingegangen. Auf telefonische Nachfrage habe die B.-GmbH ihr noch am selben Tag den Transport des Wärmetauschers nach Würselen bestätigt. Die Beklagte hat sich zudem auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten für den am Wärmetauscher entstandenen Schaden gemäß § 29 KVO und für die Schadensermittlungskosten nach § 32 Satz 2 KVO angenommen. Dazu hat es ausgeführt :

Die Anspruchsberechtigung der Klägerin ergebe sich daraus, daß die B.-GmbH sämtliche Schadensersatzansprüche, die sie wegen der Beschädigung des Wärmetauschers gegenüber der Beklagten geltend machen könnte, am 10. Juni 1996 an die Klägerin abgetreten habe. Die B.-GmbH sei als Absenderin berechtigt gewesen, im Wege der Drittschadensliquidation auch diejenigen Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die der S. -GmbH als Versenderin entstanden seien. Die S. -GmbH selbst habe zwar keinen Schaden erlitten. Dieser Umstand stehe der Aktivlegitimation der Klägerin jedoch nicht entgegen, weil die S. -GmbH berechtigt sei, den der C.-GmbH als Eigentümerin entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend zu machen mit der Folge, daß die Beklagte sich im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits so behandeln lassen müsse, als hätte die S. -GmbH selbst einen Schaden erlitten.
Die Beklagte habe den Wärmetauscher aufgrund eines zwischen ihr und der B.-GmbH bestehenden Rahmenfrachtvertrags im Fernverkehr von Mannheim nach Würselen mit einem eigenen Fahrzeug befördert, so daß sich ihre Haftung nach den Bestimmungen der Kraftverkehrsordnung (KVO) richte. Gemäß § 29 KVO müsse die Beklagte alle Schäden ersetzen, die in der Zeit von der Annahme des Gutes zur Beförderung bis zu dessen Auslieferung entstanden seien. Der streitgegenständliche Schaden sei im Lager der Beklagten bei dem Sturz des Wärmetauschers vom Hubwagen eingetreten. Die Umladung des Gerätes habe innerhalb des von § 29 KVO umfaßten Haftungszeitraums stattgefunden. Entgegen der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vertretenen Auffassung der Beklagten habe deren Haftung gemäß § 29 KVO nicht bereits im Zeitpunkt des erstmaligen Eintreffens des Wärmetauschers in ihrem Lager in H. geendet; denn bis zum Schluß der
mündlichen Verhandlung sei unstreitig gewesen, daß die Beklagte mit dem Direkttransport ohne Umladung als Frachtführerin beauftragt worden sei. Der Transport des Wärmetauschers sei auch nicht mit der erneuten Einlagerung in H. (nach der fehlgeschlagenen Auslieferung an die Firma S.) gemäß § 28 Abs. 6 KVO beendet gewesen, weil der Inhalt des ursprünglichen Frachtvertrags dahingehend abgeändert worden sei, daß die Beförderung zur Empfängerin in Würselen zu erfolgen habe. Bezogen auf den nunmehr geschuldeten Transport nach Würselen habe es sich bei der Verbringung des Wärmetauschers vom Gelände der Firma S. zum Lager der Beklagten in H. daher um eine Zwischenlagerung i.S. des § 33 lit. e KVO gehandelt, die während der Beförderung des Gutes erforderlich geworden sei. Die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme habe nämlich ergeben, daß die B.-GmbH, vertreten durch den Mitarbeiter Hö. der C.-GmbH, noch auf dem Gelände der Firma S. von dem ihr gemäß § 27 KVO zustehenden Verfügungsrecht Gebrauch gemacht und mit der Beklagten vereinbart habe, den Wärmetauscher zunächst zum Lager in H. und von dort am nächsten oder übernächsten Tag zur Empfängerin nach Würselen zu transportieren.
Ein Ausschluß der Schadensersatzansprüche nach § 34 lit. c KVO komme ebensowenig in Betracht wie eine Minderung wegen Mitverschuldens eines Verfügungsberechtigten gemäß § 254 BGB. Schließlich greife auch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch.
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Beschädigung des Wärmetauschers in deren Lager in H. aus abgetretenem Recht der B.-GmbH gemäß § 29 KVO i.V. mit § 398 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 90.944,96 DM zusteht und daß die Beklagte darüber
hinaus nach § 32 Satz 2 KVO zur Erstattung der für die Schadensermittlung angefallenen Gutachterkosten in Höhe von 1.882,40 DM verpflichtet ist.
1. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht, weil die B.-GmbH die ihr gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des Wärmetauschers am 10. Juni 1996 an die Klägerin abgetreten habe. Es hat angenommen, die B.-GmbH sei nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation berechtigt gewesen, den der Eigentümerin des Wärmetauschers, der C.-GmbH, entstandenen Substanzschaden geltend zu machen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

a) In Rechtsprechung und Literatur ist seit langem allgemein anerkannt, daß ein Gläubiger ausnahmsweise berechtigt sein kann, nicht nur den eigenen, sondern auch den Schaden eines Dritten im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen.
Dabei handelt es sich (u.a.) um Fälle mittelbarer Stellvertretung, die dadurch gekennzeichnet sind, daß eine Partei im eigenen Namen, aber auf Rechnung eines Dritten einen Vertrag abschließt (z.B. der Spediteur mit einem Frachtführer). Kommt das Gut des Dritten durch eine Vertragsverletzung zu Schaden, so soll der Schuldner aus dem zufälligen Auseinanderfallen von Anspruchsberechtigung und Schaden jedenfalls dann keinen Nutzen ziehen dürfen , wenn die der Schadensverlagerung zugrundeliegende Rechtsbeziehung die Wahrnehmung der Drittinteressen durch den Gläubiger des vertraglichen Schadensersatzanspruchs rechtfertigt (vgl. RGZ 90, 240, 246 f.; 115, 419, 425; BGHZ 25, 250, 258; BGH, Urt. v. 20.4.1989 - I ZR 154/87, TranspR 1989, 413, 414 = VersR 1989, 1168; MünchKommBGB/Grunsky, 3. Aufl., Vor § 249
Rdn. 120; Erman/Kuckuk, BGB, 10. Aufl., Vor § 249 Rdn. 140; Palandt/ Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Vor § 249 Rdn. 15).
Eine weitere Fallgruppe betrifft die Verletzung von vertraglichen Obhutspflichten. Hier soll derjenige, der die vertragliche Pflicht zur Obhut und Fürsorge über eine ihm zur Verfügung gestellte Sache übernommen hat, seinem Vertragspartner gegenüber aus einer Verletzung der Obhutspflicht selbst zum Schadensersatz verpflichtet sein, auch wenn die in Obhut genommene Sache einem Dritten gehört (vgl. BGHZ 40, 91, 101; BGH, Urt. v. 10.4.1974 - I ZR 84/73, NJW 1974, 1614, 1616; Urt. v. 10.5.1984 - I ZR 52/82, TranspR 1984, 283, 284 = VersR 1984, 932; MünchKommBGB/Grunsky aaO Vor § 249 Rdn. 121; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., Vor § 249 Rdn. 254; Erman/Kuckuk aaO Vor § 249 Rdn. 143; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 425 HGB Rdn. 49). Eine derartige Sachverhaltsgestaltung ist im Streitfall gegeben.

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß der Schaden nicht bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der S. -GmbH, sondern bei der C.-GmbH eingetreten ist, da diese im Zeitpunkt des Schadensereignisses Eigentümerin des beschädigten Wärmetauschers war. Des weiteren hat das Berufungsgericht festgestellt , die S. -GmbH sei aufgrund eines ihr von der C.-GmbH erteilten Reparaturauftrages unmittelbare Besitzerin des Wärmetauschers geworden. Nach Durchführung der Reparatur sei die S. -GmbH verpflichtet gewesen, den Wärmetauscher an ihre Auftraggeberin zurückzugeben, was aufgrund einer Absprache mit der C.-GmbH durch Auslieferung des Gerätes an die Firma S. habe geschehen sollen. Nach den weiteren rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die S. -GmbH die B.-GmbH mit der Besorgung des Transports des Wärmetauschers von Meitingen nach Mönchenglad-
bach zur Firma S. beauftragt. Das auf eine Wechselbrücke verladene Gerät wurde daraufhin am 5. Oktober 1995 von der B.-GmbH bei der S. -GmbH abgeholt und zunächst in das Lager der B.-GmbH in Meitingen gebracht. Dadurch erlangte die B.-GmbH berechtigten Besitz an dem Wärmetauscher. Unstreitig hat dann ein Fahrer der Beklagten die Wechselbrücke, auf der sich der Wärmetauscher befand, in Mannheim zur Weiterbeförderung im Fernverkehr übernommen.

c) Aufgrund der vertraglichen Beziehungen mit der B.-GmbH und der tatsächlichen Übernahme des Wärmetauschers in ihren Gewahrsam wurden seitens der Beklagten im Verhältnis zur B.-GmbH Obhuts- und Fürsorgepflichten hinsichtlich des übernommenen Guts begründet mit der Folge, daß die B.GmbH als Vertragspartnerin der Beklagten grundsätzlich zur Schadensliquidation im Drittinteresse berechtigt ist (vgl. BGH TranspR 1984, 283, 284). Es ist nicht erforderlich, daß der Vertragsberechtigte in direkten Vertragsbeziehungen zum materiell Geschädigten steht. Denn in den Obhutsfällen ist es zur Wahrnehmung der Interessen des tatsächlich Geschädigten ausreichend, daß der Vertragsberechtigte durch eine Kette von Verträgen mit dem Geschädigten verbunden ist und die Übertragung der Obhut auf den Schädiger bei Gesamtbetrachtung der einzelnen Verträge dem Interesse des Geschädigten entsprach (vgl. OLG Hamburg VersR 1987, 558; Piper, VersR 1988, 201, 202 f.).
Davon ist im Streitfall nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Für eine eingeschränkte Anwendung der Drittschadensliquidation ist im Frachthaftungsprozeß im übrigen auch deshalb kein Raum, weil die Frage, wem die Entschädigung letztlich zusteht, die Interessen des Transportunternehmers im Ergebnis nicht berührt (vgl. Piper aaO S. 203).


d) Die streitgegenständliche Schadensersatzforderung wird auch von der Abtretungserklärung der B.-GmbH vom 10. Juni 1996 umfaßt. Soweit die Revision rügt, nach der Formulierung betreffe die Abtretung nur den Auftrag zur Beförderung des Gutes an die Firma S. in Mönchengladbach, nicht aber die Ein-/Auslagerung und Zustellung an die Empfängerin in Würselen, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Es geht in der Erklärung vom 10. Juni 1996 ersichtlich um die Abtretung der hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Eine ungenaue Kennzeichnung des abgetretenen Anspruchs ist unschädlich, weil sich der Gegenstand der Abtretung zweifelsfrei aus den Umständen ergibt.
2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß der Klägerin gegen die Beklagte gem. §§ 29, 32 Satz 2 KVO aus abgetretenem Recht der B.-GmbH Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des Wärmetauschers und auf Erstattung der Schadensermittlungskosten zustehen. Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, der Schaden sei nicht während des KVO-Haftungszeitraums eingetreten.

a) Die Entscheidung darüber hängt zunächst davon ab, ob zwischen der B.-GmbH und der Beklagten ein Frachtvertrag - so das Berufungsgericht - oder - so die Revision - ein Speditionsvertrag zustande gekommen ist.
Ein originär als Frachtführer mit dem Transport beauftragter Unternehmer unterliegt während des gesamten in § 29 KVO geregelten Haftungszeitraums - also von der Annahme des Gutes zur Beförderung bis zur Auslieferung - der unabdingbaren KVO-Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2001 - I ZR 282/98, Umdr. S. 10, m.w.N.). Dies folgt unmittelbar aus der gesetzlichen Haftungsbestimmung der KVO, die in § 29 KVO den Haftungszeitraum des
KVO-Unternehmers auf den gesamten Zeitraum zwischen Annahme des Gutes zur Beförderung und Auslieferung erstreckt. Dieser Haftungszeitraum wird in § 33 KVO noch dahingehend konkretisiert, daß der Unternehmer auch für Schäden bei der Abholung oder Zuführung der Güter (§ 33 lit. a KVO), beim Ver-, Aus- oder Umladen (§ 33 lit. b KVO) sowie bei der Vor-, Nach- und Zwischenlagerung (§ 33 lit. d und e KVO) eintreten muß. Demgemäß umfaßt die gesetzliche Konzeption der KVO-Haftung auch solche Tätigkeiten des KVOUnternehmers , die das Gepräge speditioneller Tätigkeiten tragen. Bei Abschluß eines Frachtvertrages wäre der Schaden daher noch während des KVO-Haftungszeitraums eingetreten.
Im Falle des Abschlusses eines Speditionsvertrages hätte die Beklagte vorliegend - worauf die Revision sich beruft - lediglich die Stellung eines Spediteur -Frachtführers (§§ 412, 413 HGB a.F.). Dieser haftet gem. § 1 Abs. 5 KVO nur insoweit nach den zwingenden Vorschriften der KVO, als er den Transport im Güterfernverkehr mit eigenen Fahrzeugen selbst ausführt (BGH, Urt. v. 15.11.1984 - I ZR 110/82, TranspR 1985, 47 = VersR 1985, 157; Urt. v. 9.5.1985 - I ZR 38/83, TranspR 1986, 13 = VersR 1985, 881; Urt. v. 15.5.1985 - I ZR 126/83, TranspR 1985, 327 = VersR 1985, 829). Danach komme im Streitfall - so die Revision - die zwingende KVO-Haftung nur insoweit in Betracht , als die Beklagte das Gut mit einem eigenen Fahrzeug im Fernverkehr von Mannheim zu ihrem Lager in H. befördert habe. Die KVO-Haftung habe damit vor Schadenseintritt geendet, da die anschließende Zustellung des Gerätes an den Empfänger im Bereich der speditionellen Tätigkeit erfolgt sei.
Damit vermag die Revision indessen nicht durchzudringen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Beklagte habe die Beförderung des Wärmetauschers zum bestimmungsgemäßen Endempfänger als "Di-
rekttransport ohne Umladung" durch einen mit der B.-GmbH abgeschlossenen Frachtvertrag übernommen.
Die Vertragsauslegung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das Revisionsgericht kann sie nur daraufhin überprüfen, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder Denkgesetze verstößt, erfahrungswidrig ist, wesentlichen Tatsachenstoff außer acht läßt oder von einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung beeinflußt wird. Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.
aa) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Rechtsnatur des zwischen der B.-GmbH und der Beklagten geschlossenen Vertrags beruhen maßgeblich auf dem Umstand, daß die Parteien den der Beklagten erteilten Auftrag übereinstimmend als Frachtvertrag bezeichnet haben. Auch nach der mündlichen Verhandlung vom 12. März 1998, in deren Rahmen der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zur Abwicklung des Transports weiter vorgetragen hatte, ist die Beklagte dem im Schriftsatz der Klägerin vom 28. April 1998 enthaltenen Vortrag, das Vertragsverhältnis sei als Frachtvertrag zu qualifizieren, nicht entgegengetreten. Entgegen der Auffassung der Revision konnte das Berufungsgericht das Verständnis der Parteien bei der Beurteilung der Rechtsnatur des in Rede stehenden Auftrags schon deshalb als erheblich berücksichtigen , weil es davon ausgehen durfte, daß einem Speditionsunternehmen die rechtlichen Unterschiede zwischen Speditions- und Frachtverträgen erfahrungsgemäß geläufig sind mit der Folge, daß das rechtliche Verständnis der branchenangehörigen Unternehmen auch den Tatsachen entspricht.
bb) Die Parteien des zu beurteilenden Vertrags haben mit dem übereinstimmenden Vorbringen, die Beklagte sei von der B.-GmbH als Frachtführerin
beauftragt worden, zudem nicht nur eine für das Berufungsgericht unbeachtliche Rechtsauffassung geäußert, sondern ihre identische Rechtsbehauptung auch auf einen unstreitigen Sachverhalt gestützt. Die Klägerin hat unwidersprochen darauf hingewiesen, daß die Beklagte den Transport als "Direkttransport ohne jede Umladung direkt von Haus zu Haus" ausführen sollte. Die Beklagte hat diesen Sachvortrag in ihrem Schriftsatz vom 11. Oktober 1996 aufgegriffen und vorgebracht, sie habe lediglich den Transport, "hingegen weder Verladung noch Entladung" übernommen. Auch die Beklagte leitet die Rechtsnatur des zu beurteilenden Vertrags mithin daraus her, daß sie verpflichtet war, das Transportgut ohne zwischenzeitliche Umladung direkt zur Empfängerin zu befördern.
Mit Recht hat das Berufungsgericht die Vereinbarung eines Direkttransports "von Haus zu Haus ohne Umladung" als deutliches Indiz dafür gewertet, daß die Beklagte als Frachtführerin und nicht lediglich mit der Organisation des Transports beauftragt wurde. Hierbei ist es ohne Bedeutung, daß die Beklagte das Transportgut nicht bereits in Meitingen, sondern erst in Mannheim übernommen hat. Denn die Annahme eines Frachtvertrags liegt um so näher, je genauer die Vorgaben für die technische Abwicklung des Transports gefaßt sind (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1992 - I ZR 244/90, TranspR 1993, 143, 144 = VersR 1993, 633; OLG München TranspR 1997, 433 = VersR 1999, 341; Koller aaO § 453 HGB Rdn. 19).
cc) Daß die Durchführung des Transports und nicht nur dessen Organisation den Gegenstand der von der Beklagten geschuldeten Leistung bildete, folgt im übrigen daraus, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag die vertragstypischen Speditionsleistungen des Be- und Entladens gerade nicht übernommen hat. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte den Wärmetauscher
im Rahmen einer Sammelladung befördert hat. Maßgeblich ist insoweit, daß sie beim Zusammenstellen der Sammelladung hinsichtlich des Wärmetauschers keine speditionellen Umschlagleistungen vornehmen mußte. Vielmehr beschränkte sich ihre Leistung darauf, die bereits beladene Wechselbrücke mit einem eigenen Fahrzeug zu übernehmen und zur Empfängerin des Wärmetauschers zu befördern. Diese Tätigkeit entspricht - anders als die Sammelladungsorganisation eines Massenversenders (vgl. dazu BGH, Urt. v. 6.12.1990 - I ZR 138/89, TranspR 1991, 114 = VersR 1991, 480) - derjenigen eines Frachtführers.
dd) Der Umstand, daß die Beklagte bei der Trennung der Sammelladung speditionelle Nebenleistungen erbringen mußte, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, die B.-GmbH habe die Beklagte als Spediteurin beauftragt. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, daß in § 33 KVO gerade vorgesehen ist, daß der Frachtführer gegebenenfalls auch speditionelle Nebentätigkeiten zu erbringen hat.
ee) Der Beurteilung des Berufungsgerichts steht schließlich nicht entgegen , daß die B.-GmbH und die Beklagte im Fernverkehr innerhalb Deutschlands in ständiger Geschäftsbeziehung im Begegnungsverkehr zusammenarbeiten. Diesem Umstand läßt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts für die rechtliche Einordnung der im Begegnungsverkehr ausgeführten Aufträge entnehmen. Insbesondere ergibt sich daraus nicht zwingend, daß die Beklagte die im Begegnungsverkehr übernommenen Güter stets aufgrund von Speditionsverträgen weiterbefördert. Im Streitfall spricht gegen eine derartige Annahme vor allem die unstreitige Tatsache, daß die Beklagte die Beförderung "von Haus zu Haus im Direkttransport" durchführen sollte. Aus diesem Grund kann sich die Beklagte auch nicht auf den Erfahrungssatz berufen, daß Spedi-
tionsunternehmen im allgemeinen Speditionsverträge miteinander abschließen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.5.1998 - I ZR 95/96, TranspR 1998, 475 = VersR 1998, 1443).

b) Entgegen der Auffassung der Revision endete die KVO-Haftung der Beklagten gegenüber der B.-GmbH nicht gemäß § 28 Abs. 6 KVO dadurch, daß die Beklagte den Wärmetauscher nach der fehlgeschlagenen Ablieferung bei der Firma S. auf ihr Lager genommen hat.
aa) Nach § 28 Abs. 6 KVO ist der Frachtführer im Falle eines Ablieferungshindernisses unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, das transportierte Gut bei einem Spediteur oder einem öffentlichen Lagerhaus auf Gefahr und Kosten des Absenders zu hinterlegen mit der Folge, daß seine Haftung nach den Bestimmungen der KVO mit der Hinterlegung des Gutes endet. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt, weil § 28 Abs. 6 KVO eine Drittverwahrung des Gutes erfordert. Eine Hinterlegung im eigenen Lager führt dagegen nicht zur Beendigung der KVO-Haftung des Frachtführers (vgl. MünchKommHGB/Dubischar, § 28 KVO Rdn. 17, § 437 HGB Rdn. 14; Staub/Helm, GroßkommHGB, 4. Aufl., § 437 HGB Rdn. 18; Schlegelberger/ Geßler, HGB, 5. Aufl., § 437 Rdn. 17; Heymann/Honsell, HGB, § 437 Rdn. 15; a.A. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 437 Rdn. 2). Anders als in § 419 Abs. 3 HGB n.F. ist in § 28 Abs. 6 KVO die Möglichkeit, das Gut im Falle eines Ablieferungshindernisses anstelle einer Dritthinterlegung auf das eigene Lager zu nehmen, nicht vorgesehen. Der Annahme, im Falle eines Ablieferungshindernisses führe die Einlagerung des Gutes im eigenen Lager zu einer Beendigung der KVO-Haftung des Frachtführers, steht zudem die Systematik der KVO entgegen. Die Vorschrift des § 28 Abs. 6 KVO ist im Lichte der grundlegenden Haftungsnorm des § 29 KVO auszulegen. Danach haftet der Unternehmer für
alle Schäden, die in der Zeit von der Annahme des Gutes zur Beförderung bis zur Auslieferung entstehen. Die Auslieferung setzt dabei nach allgemeiner Meinung voraus, daß der Unternehmer den Gewahrsam an dem beförderten Gut aufgibt und statt dessen den Empfänger in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (vgl. Willenberg, KVO, 4. Aufl., § 29 Rdn. 13 f.). Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß der Frachtführer nach der Konzeption des § 29 KVO jedenfalls solange haftet, wie er eigenen Gewahrsam über das übernommene Gut ausübt. Auf diesem Verständnis beruht auch § 28 Abs. 6 KVO, der es dem Frachtführer ermöglicht, seine Haftung nach § 29 KVO im Falle eines Ablieferungshindernisses durch Aufgabe des haftungsbegründenden Gewahrsams, nämlich durch Dritthinterlegung, zu beenden.
Macht der Frachtführer dagegen - wie im Streitfall - von seinem Hinterlegungsrecht keinen Gebrauch, verwahrt er das Gut also selbst weiter, so dauert seine Obhut und damit die Frachtführerhaftung fort (vgl. Staub/Helm aaO § 437 HGB Rdn. 18). Dieses Rechtsverständnis findet zudem in § 33 lit. e KVO eine Stütze, der bestimmt, daß der Unternehmer im Rahmen der §§ 29, 32, 34 KVO auch Güterschäden zu ersetzen hat, die bei Zwischenlagerungen bis zur Dauer von acht Tagen eintreten, sofern die Zwischenlagerung während der Beförderung des Gutes erforderlich geworden ist.
bb) Da die KVO-Haftung der Beklagten aufgrund ihres fortdauernden Gewahrsams am Wärmetauscher zum Schadenszeitpunkt noch bestanden hat, ist sie gemäß § 29 KVO zum Ersatz des am Wärmetauscher entstandenen Substanzschadens, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts 90.944,96 DM betragen hat, verpflichtet. Gemäß § 32 Satz 2 KVO schuldet die Beklagte darüber hinaus Ersatz der Kosten, die durch die
Ermittlung und Feststellung des Schadens entstanden sind, und sich unstreitig auf 1.882,40 DM belaufen.
Auf die von der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts , die Beklagte habe den Wärmetauscher auf Weisung der B.-GmbH, vertreten durch den Mitarbeiter Hö. der C.-GmbH, auf ihr Lager genommen, kommt es danach für die Haftung der Beklagten ebensowenig an wie auf den Einwand der Revision, die Weisungen Hö. hätten sich für die Beklagte als neuer Auftrag dargestellt, den sie auf der Grundlage der ADSp angenommen und ausgeführt habe.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Ersatzpflicht der Beklagten sei weder gemäß § 34 lit. c KVO ausgeschlossen noch wegen Mitverschuldens eines Verfügungsberechtigten gemäß § 254 BGB gemindert.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, aus dem Fehlen einer Transportverpackung und der unterbliebenen Warnung, den Wärmetauscher unter Einsatz eines Flurförderzeugs umzuladen, könne deshalb kein Mitverschulden der B.-GmbH bzw. der S. -GmbH abgeleitet werden, weil eine Umladung des Wärmetauschers nach dem Inhalt des erteilten Transportauftrags nicht habe erfolgen sollen. Eine Anweisung zum Abladen habe sich auch nicht aus den Umständen der fehlgeschlagenen Ablieferung bei der Firma S. ergeben , da es ohne weiteres möglich gewesen sei, den Wärmetauscher bis zum 11. Oktober 1995 auf der Wechselbrücke zu belassen. Insbesondere wären hierfür keine erheblichen Mehrkosten entstanden, so daß die Entladung und anschließende Neuverladung nicht im mutmaßlichen Interesse der B.-GmbH
gelegen hätten. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

b) Die Revision rügt, die Beklagte hätte spätestens nach der Annahmeverweigerung durch die Firma S. darauf hingewiesen werden müssen, daß es sich bei dem Wärmetauscher um ein kopflastiges Gerät handelte, das nur hängend hätte entladen werden dürfen. Die B.-GmbH habe nicht annehmen dürfen , daß der Wärmetauscher, über dessen voraussichtliche Einlagerungsdauer noch nicht abschließend entschieden gewesen sei, auf der Wechselbrücke verbleiben würde. Mit diesem Vorbringen vermag die Revision nicht durchzudringen.
Sie läßt außer acht, daß der Beklagten aufgrund des Ablieferungshindernisses bei der Firma S., das in der fehlenden Verfügbarkeit eines Entladekrans bestanden hat, hätte bekannt sein müssen, daß eine Entladung des Geräts nur hängend vorgenommen werden durfte. Eines besonderen Hinweises hierauf bedurfte es nach den Vorgängen auf dem Gelände der Firma S. nicht mehr. Nach ihrem eigenen Vortrag verfügte die Beklagte in ihrer Lagerhalle auch über einen Kran. Diesen hätte sie bei der Umladung des Wärmetauschers einsetzen müssen.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann Starck Bornkamm
Pokrant Schaffert

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNIS-URTEIL
II ZR 194/98 Verkündet am:
3. April 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Zur Frage

a) der interessengerechten Auslegung eines Individualvertrages,

b) eines wesentlichen Verfahrensmangels.
BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. November 1997 im Kostenpunkt und in Nr. 1 b, 1 c und 1 d sowie Nr. 2 des Tenors aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts in Saarbrücken vom 17. Februar 1997 wird auch insoweit zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, Eigentümer des Grundstücks I. ring 1 in B. , führte unter verschiedenen Firmen eine Aluminiumgießerei. Am 15. Juli 1991 schloß er mit der Klägerin eine Vereinbarung, mit der diese sich verpflichtete, die ausdrücklich so bezeichnete "A. & Co." zu
gründen und anzumelden. Festgelegt wurde, daß "eine persönliche Haftung" der Klägerin für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ausgeschlossen war und die Geschäftsführung bei dem Beklagten "in Zusammenarbeit und Abstimmung mit Herrn L. C. als Vertreter der S. E. C. " liegen sollte. Die Klägerin sollte ein monatliches Entgelt von 2.000,-- DM brutto erhalten. Die Klägerin macht geltend, es seien Verbindlichkeiten in Höhe von 123.919,36 DM und "Treuhandgebühren" in Höhe von 21.817,-- DM entstanden. Das Landgericht hat zunächst ein Versäumnisurteil erlassen, es auf den Einspruch des Beklagten aber aufgehoben und durch "Grundurteil" erkannt, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin von allen Verbindlichkeiten, die durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. begründet wurden, freizustellen (Tenor 2), ferner festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren, aufgrund der bestehenden Verbindlichkeiten anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 3), und den Beklagten außerdem verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Entgelt für die Zusammenarbeit zu zahlen (Tenor 4). Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert, es als "Grund- und Teilurteil" bezeichnet (Tenor 1 a), es in Nr. 2 des Tenors dahingehend abgeändert, daß die Klage hinsichtlich der in der mit dem Versäumnisurteil fest verbundenen Anlage genannten Verbindlichkeiten dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit diese durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. und mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden (Tenor 1 b), Nr. 3 des Tenors dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei den unter Nr. 1 b des Tenors genannten Verbindlichkeiten auch die zukünftig anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 1 c), Nr. 4 des Tenors einschließlich des ihm insoweit zugrundeliegenden Verfahrens
aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Tenor 1 d). Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückverwiesen. Mit der Revision beantragt die Klägerin , das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es in Nr. 1 b des Tenors die Klage nur insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt als die Verbindlichkeiten mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden, soweit es in Nr. 1 c des Tenors den Feststellungsausspruch in gleicher Weise beschränkt und soweit es in Nr. 1 d des Tenors ein kassotorisches Urteil erlassen hat.

Entscheidungsgründe:

A.

Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).

B.

Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. I. Das Berufungsgericht beschränkt in Nr. 1 b und 1 c s eines Urteilstenors die Haftung des Beklagten auf Verbindlichkeiten, die mit dessen Zustimmung begründet wurden. Dies ergebe die Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991. Schon der Wortlaut dieser Vereinbarung lege nahe, daß die Vereinbarung für ausschließlich durch die Klägerin oder durch C. als deren
Vertreter begründete Verbindlichkeiten keine Geltung beanspruche. Hierfür spreche auch Sinn und Zweck der Abrede. Die Klägerin habe des Schutzes weder vor sich noch vor dem Zeugen C. , der "als Vertreter der S. E. C. " erkennbar ihr Vertrauen genossen habe, bedurft. Umgekehrt gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß und warum sich der Beklagte verpflichtet haben sollte, die Klägerin von allen, auch ohne sein Wissen begründeten Verbindlichkeiten freizustellen und ihr und dem Zeugen C. damit gestattet haben sollte, ohne jedes wirtschaftliche Risiko frei "zu schalten und zu walten". Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. 1. Zutreffend weist die Revision darauf hin, der Beklagte habe nicht substantiiert behauptet, daß der Vater der Klägerin als ihr Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen für das Unternehmen der Klägerin vorgenommen habe, die zu den streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der Klägerin geführt hätten. Soweit der Vater der Klägerin Verbindlichkeiten zu Lasten der Klägerin begründet hat, die in keiner Beziehung zu dem von ihr als Strohfrau geführten Betrieb standen, wären diese von dem Grundurteil des Landgerichts ohnehin nicht erfaßt. 2. Unterstellt man einen substantiierten Vortrag des Beklagten, würde für die von dem Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Grundurteils trotzdem kein Anlaß bestehen.
a) Die Auslegung eines Individualvertrages wie der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai
1997 - KZR 43/95, WM 1998, 879, 882; v. 23. April 1998 - III ZR 7/97, WM 1998, 1493, 1494).
b) Diese Prüfung ergibt, daß die Auslegung des Oberlandesgerichts keinen Bestand haben kann. aa) Nach der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 haben die Parteien vereinbart , der Vater der Klägerin werde zur Unterstützung des Beklagten in der Geschäftsführung mitwirken. Die Parteien sind also davon ausgegangen, der Vater der Klägerin könne zur Unterstützung des Beklagten als Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen treffen. Trotzdem hat der Beklagte mit der Klägerin vereinbart, daß sie keinerlei persönliche Haftung aus der Unternehmensgründung und -fortführung treffen sollte, sondern er im Innenverhältnis allein hafte, ohne daß nach dem für den Betrieb Handelnden differenziert wird. Damit hat das Berufungsgericht den Grundsatz verletzt, daß in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwillen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27. November 1997 - IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901 m.w.N.). bb) Die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 entspricht - im Gegensatz zu der von dem Berufungsgericht getroffenen Auslegung - auch dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 137, 69, 72; Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 243/96, WM 1998, 714, 715; v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, WM 1998, 1131, 1132). Aus der in dem Vertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie aus der Bestimmung, die Geschäftsführung verbleibe wie bisher bei dem Beklagten, folgt, daß der Vater der Klägerin im Interesse des Beklagten bei der Fortfüh-
rung des Betriebes durch die Klägerin tätig werden sollte. Deshalb entsprach es auch dem wohlverstandenen Interesse des Beklagten - und nicht nur dem der Klägerin -, daß der Beklagte die Klägerin von Verbindlichkeiten freizustellen hatte, die der Vater der Klägerin für die Einzelfirma in Zusammenarbeit mit dem Beklagten begründet hat. Soweit der Beklagte durch Maßnahmen des Vaters der Klägerin einen Schaden erlitten haben will, muß er sich an diesen halten. Soweit das Berufungsgericht auf von der Klägerin selber begründete Verbindlichkeiten abstellt, übersieht es, daß es unstreitig ist, daß die Klägerin in keiner Weise für das Unternehmen tätig geworden ist.
c) Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, kann der erkennende Senat die Vereinbarung vom 15. Juli 1991 selber auslegen und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen. II. Mit Erfolg rügt die Revision weiterhin, daß das Berufungsgericht das Grundurteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Gehaltsanspruchs aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen hat. 1. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die eine Ausnahme von der Verpflichtung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten vollständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszulegen. Deshalb ist anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, bevor die Sache zurückverwiesen wird (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 m.w.N.). Beurteilt das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht , etwa indem es abweichende Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt, und wird infolgedessen eine Beweisaufnahme erforderlich , liegt kein zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sa-
che berechtigender wesentlicher Verfahrensfehler vor (Sen.Urt. v. 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 f. m.w.N.). 2. Danach liegt kein Verfahrensfehler vor. Das Berufungsgericht beurteilt allein die Wahrscheinlichkeit des Parteivortrags des Beklagten anders als das Landgericht und meint deshalb, der Beklagte habe als Partei vernommen werden müssen. 3. Der Senat kann auch hier in der Sache selber entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urt. v. 31. Januar 1996 - VIII ZR 324/94, WM 1996, 882, 823) kann dem Revisionsgericht schon aus Gründen der Prozeßökonomie eine eigene Sachentscheidung nicht verwehrt sein, wenn die im Rahmen des § 539 ZPO anzustellende Prüfung ergibt, daß die materiell-rechtliche Untersuchung der Beziehungen der Parteien zu einem endgültigen und abschließenden Ergebnis führt.
b) So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen nach § 448 ZPO sind nicht gegeben. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gehaltsabsprache zwischen den Parteien ernst gemeint war. Dies ergibt sich schon im Gegenschluß zu der Vereinbarung eines Pachtzinses, die ausdrücklich als lediglich "pro forma" erfolgt bezeichnet wird. Damit oblag dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin. Hierzu hat der Beklagte substantiiert nichts vorgetragen. Soweit er darlegt, er habe dem Vater der Klägerin immer wieder in die neuen Bundesländer Bargeld bringen müssen,
der Vater der Klägerin habe sich "weidlich bedient", besagt dies über die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin nichts.
Röhricht Hesselberger Goette Kurzwelly Kraemer

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.